Table.Briefing: Europe

Pieper zieht zurück + Letta will europäische Beihilfen + Iran-Sanktionen

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Vorstoß kam von der Kommissionspräsidentin: Ursula von der Leyen hatte kurz vor Weihnachten vorgeschlagen, den Schutzstatus des Beutegreifers Wolf von “streng geschützt” auf “geschützt” herabzusetzen. Dafür sollte sich die EU im Rahmen der Berner Konvention des Europarates stark machen. In einem zweiten Schritt hätte dann die Kommission die FFH-Richtlinie entsprechend geändert und so ein aktiveres Management der Wolfsbestände ermöglicht. Das hieße deutlich mehr Entnahmen, also Abschüsse nicht nur von auffälligen Exemplaren.

Dieser Vorstoß läuft gerade ins Leere. Unter den Mitgliedstaaten zeichnet sich keine qualifizierte Mehrheit ab. Eine Schlüsselrolle spielt hier Deutschland, das sich aufgrund des Widerstands von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) enthalten müsste. Die großen Mitgliedstaaten Italien und Frankreich, Polen und Rumänien sind zwar für den Vorstoß von der Leyens. Das reicht aber nicht, zumal Spanien auch nicht dafür wäre. Angesichts fehlender Aussichten auf eine Mehrheit hat die belgische Ratspräsidentschaft bisher im Umweltministerrat noch nicht abstimmen lassen. Auch im Kreis der Ständigen Vertreter an diesem Mittwoch will sie es nicht zum Schwur kommen lassen.

Es zeichnet sich immer mehr ab, dass aus dem Vorhaben vor den Europawahlen nichts mehr wird. Der Vorstoß für ein aktiveres Wolfsmanagement hat sich damit wohl erst einmal für die nächsten Jahre erledigt. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!

Ihr
Markus Grabitz
Bild von Markus  Grabitz

Analyse

Zu viel bürokratischer Aufwand: Enrico Letta fordert im Bericht zum europäischen Binnenmarkt eine stärkere Harmonisierung

Der Präsident des Jacques Delors Institute, Enrico Letta, dringt auf eine stärkere Harmonisierung der Regeln im europäischen Binnenmarkt. Viele Unternehmen litten unter dem bürokratischen Aufwand, der großteils durch sich überschneidende Vorschriften im komplexen Mehrebenensystem der EU entstanden sei, schreibt Letta in seinem Bericht zur Zukunft des Binnenmarktes, der Table.Briefings in Teilen vorliegt.

Um hier mehr Klarheit zu schaffen, sollten die EU-Institutionen “der Verwendung von Verordnungen bei der Formulierung von Binnenmarktregeln eindeutig Vorrang einräumen”. Lasse sich der Einsatz einer Richtlinie nicht vermeiden, sollten die Mitgliedsstaaten “mehr Disziplin an den Tag legen” und keine Maßnahmen einführen, die über das nach der Richtlinie unbedingt erforderliche Maß hinausgingen. Zudem plädiert Letta für einen “European Code of Business Law”, um die gesellschaftsrechtlichen Unterschiede in den Mitgliedstaaten einzuebnen.

Thema beim Sondergipfel

Die Staaten hatten den früheren italienischen Ministerpräsidenten mit dem Bericht beauftragt. Am Montag übersandte er einen Entwurf der “politischen Einführung” an die Regierungen. Die Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Sondergipfel am Mittwoch und Donnerstag über die Wettbewerbsfähigkeit Europas diskutieren.

Letta identifiziert in seiner Einleitung dringenden Handlungsbedarf, damit die EU nicht weiter an Boden auf USA und China verliere. Während die Wirtschaftsleistung pro Kopf in den USA von 1993 bis 2022 um fast 60 Prozent gestiegen sei, sei der Zuwachs in Europa weniger als halb so hoch, schreibt er. Die Grundpfeiler des europäischen Erfolgsmodells, Freihandel und Offenheit, würden zudem durch die geopolitischen Spannungen gefährdet.

Letta will “Spar- und Investitionsunion

Letta spricht sich unter anderem dafür aus, die Forschungsfreiheit zu stärken. Er plädiert dafür, Forschung und Entwicklung zu einer fünften Freiheit im Binnenmarkt zu erheben, neben der Freizügigkeit von Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Ziel sei es, “Forschung und Innovation in den Mittelpunkt des Binnenmarktes zu stellen und so ein Ökosystem zu fördern”. Dies könne Europa in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Biotech und besonders im Gesundheitssektor zunutze kommen.

Letta sieht zudem “dringenden Nachholbedarf” darin, den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen, Energie und digitale Kommunikation zu stärken. Bei den Finanzdienstleistungen benutzt Letta nicht den im EU-Sprech üblichen Begriff der Kapitalmarktunion, sondern spricht von einer “Spar- und Investitionsunion”. Gemeint ist aber dasselbe: Durch die Integration der EU-Finanzmärkte soll mehr privates Geld für die wirtschaftliche Entwicklung mobilisiert werden.

Letta sorgt sich aber um die gesellschaftliche Akzeptanz. “Eine echte Integration von Finanzmärkten in Europa wird nicht realisiert, bis die europäischen Bürger und politischen Entscheidungsträger erkennen, dass diese Integration nicht nur der Finanzindustrie nützt.” Stattdessen müsse klarwerden, wie entscheidend sie seien für die Erreichung “übergeordneter Ziele, die ansonsten unerreichbar sind”, zum Beispiel die grüne und digitale Transformation.

Mehr europäische Beihilfen

Mehr Integration fordert Letta auch bei den staatlichen Beihilfen. Die seit der Pandemie und der Invasion der Ukraine gelockerten Regeln zu staatlichen Beihilfen haben gezeigt, dass vor allem große Mitgliedstaaten wie Deutschland profitierten und der Wettbewerb verzerrt werde. Da eine stärkere europäische Industriepolitik laut Letta dennoch notwendig ist, soll die EU künftig nationale Beihilfen wieder stärker einschränken, dafür aber Beihilfen auf europäischer Ebene schrittweise ausbauen.

Dafür müsste das EU-Budget wahrscheinlich signifikant erhöht werden. Letta meint denn auch, dass der kommende Mehrjährige Finanzrahmen (MFF) von 2028 bis 2034 einen entscheidenden Moment darstelle, um den Binnenmarkt in einen “echten europäischen Markt” zu verwandeln. Dieser Zeitpunkt werde auch deshalb entscheidend, weil das Wiederaufbau-Programm Next Generation EU ausläuft, was die EU vor große finanzielle Herausforderungen stellt.

  • Bürokratie
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Machtkämpfe und Spaltung in der Außenpolitik: Die europäische Linke sortiert sich neu

Es ist paradox: In Deutschland und vielen anderen EU-Ländern sind die Linksparteien vor der Europawahl auf dem Rückzug. Doch ausgerechnet in Brüssel, der Hauptstadt der EU, legt die radikale Linke kräftig zu.

Im Schatten des Berlaymont – des Hügels, auf dem die EU-Kommission thront – neigen die weniger wohlhabenden Einwohner der belgischen Hauptstadt immer mehr der marxistischen “Parti des Travailleurs Belges” (PTB) zu.

Die belgischen Wahlen im Juni, die parallel zur Europawahl stattfinden, könnte die PTB in Brüssel sogar gewinnen. In einer Umfrage im Februar lag die Partei um Raoul Hedebouw mit 18,9 Prozent der Wahlabsichten vor der liberalen MR (17,9) und der grünen Ecolo (14,2).

Stimmung gegen “asoziale Politik” der EU-Kommission

Entsprechend gut gelaunt präsentierte sich die PTB bei einem Meeting europäischer Linkspolitiker in Brüssel, zu dem unter dem Motto “Europe for the People” unter anderem der frühere Labour-Chef Jeremy Corbyn gekommen war.

Immer mehr Menschen gerieten in soziale Not und forderten einen “Bruch mit der aktuellen Politik”, sagte der PTB-Europabgeordnete Marc Botenga bei der Veranstaltung, die die Parteienfamilie “European Left” gemeinsam mit der PTB organisiert hatte. Die liberale belgische Regierung begleite die “asoziale Politik” der EU-Kommission, statt gegenzusteuern.

“Wir dürfen es nicht zulassen, dass die extreme Rechte die Wut der Menschen auffängt”, so Botenga. Deshalb müsse die europäische Linke dagegenhalten und Alternativen zur “Austeritätspolitik” in Brüssel bieten.

Was wie ein Remake aus der Banken- und Eurokrise vor zehn Jahren klingt, kam zumindest auf der Veranstaltung in Brüssel gut an. Mehrere hundert Teilnehmer aus ganz Europa feierten ihre linken Idole. Corbyn warnte vor einer Ausweitung des Konflikts in der Ukraine: “Schlafwandeln wir schon wieder in einen großen Krieg?” Der Konflikt lasse sich nicht durch Aufrüstung, sondern nur durch Verhandlungen lösen. “Jeder weiß, dass es einen großen Krieg geben wird – oder einen Deal.”

Viel Beifall bekamen auch Elke Kahr, die kommunistische Bürgermeisterin von Graz, Stefanos Stefanou, Generalsekretär der AKEL aus Zypern, und Walter Baier, der Präsident der Partei der Europäischen Linken. Baier warnte vor einem Rechtsruck bei der Europawahl und forderte die Linke auf, vereint dagegenzuhalten.

Interne Machtkämpfe dauern an

Doch von Einheit sind die Linken weit entfernt. Die großen Parteien aus Deutschland, Frankreich oder Spanien waren bei dem Meeting in Brüssel nicht oder nur spärlich vertreten. Prominente EU-Politiker wie Martin Schirdewan oder Manon Aubry ließen sich entschuldigen.

Über die Zusammenarbeit mit der PTB und anderen links-radikalen Gruppen gibt es Streit. Das neue “Bündnis Sarah Wagenknecht” (BSW) hat zwar keine Berührungsängste, wie der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (ehemals Die Linke) sagte. Doch andererseits versucht das BSW, sich nicht mehr als “links” zu positionieren – sondern als Partei der “Vernunft und der Gerechtigkeit”.

Demgegenüber wirft die deutsche Linke dem BSW vor, sich nicht eindeutig von der AfD abzugrenzen. Eine Zusammenarbeit beider Parteien nach der Europawahl scheint ausgeschlossen, was Probleme für die künftige Linksfraktion im Europaparlament aufwirft.

Sondierungen zwischen den verschiedenen Parteien und Bewegungen haben bereits begonnen. Erschwert werden die Gespräche jedoch durch Meinungsverschiedenheiten in der Außenpolitik – und durch Machtkämpfe zwischen den Genossen.

Außenpolitisch wirken die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten als Spaltpilz. Linke Parteien aus Nordeuropa fordern mehr Solidarität mit der Ukraine, ihre Genossen aus Spanien und Irland mobilisieren für die Palästinenser.

Im Grunde sind es dieselben Gräben, die auch die 27 EU-Staaten trennen. Gemeinsam ist allen Linksparteien lediglich die Forderung, die Kriege so schnell wie möglich zu beenden und eine Aufrüstung zulasten der sozial Schwachen zu verhindern.

Umfragewerte steigen

Ein weiteres Problem sind die Machtkämpfe in der deutschen Linken. Nach der Abspaltung des BSW muss die Partei Die Linke bei der Europawahl herbe Verluste fürchten. Demgegenüber legt das BSW mit ihren Spitzenkandidaten Fabio de Masi und Thomas Geisel in den Umfragen zu.

In der letzten Projektion von “Europe Elects” werden dem BSW drei Parlamentssitze vorhergesagt. Es wäre damit Teil eines bescheidenen Aufschwungs der Linken in Europa: Mit insgesamt 47 Sitzen könnten die Linksparteien sechs Sitze mehr erringen als bei der letzten Europawahl 2019.

Demgegenüber verlieren die Sozialdemokraten in der Projektion 19, die Grünen sogar 22 Sitze. Die Kräfteverhältnisse innerhalb der europäischen Linken im weitesten Sinne verändern sich, wobei radikale Parteien wie in Brüssel besonders viel Rückenwind spüren.

Allerdings kann der Wind bis zur Wahl im Juni auch noch einmal drehen. Und ob sich die rivalisierenden Parteien und Bewegungen am Ende in einer Fraktion zusammenraufen werden, bleibt abzuwarten. Die Stimmung ist jedenfalls kämpferisch.

  • Die Linke
  • Europawahl
  • Europawahlen 2024
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Termine

17.04.-19.04.2024, Berlin
KAS European Data Summit 2024
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) analysiert das Zusammenspiel der verschiedenen Bausteine des neuen Rechtsrahmens in der Digital- und Datenregulierung. INFOS & ANMELDUNG

17.04.2024, Brüssel (Belgien)
EBS, Conference European Defence & Security Summit 2024
European Business Summits (EBS) addresses current European security challenges. INFOS & REGISTRATION

17.04.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Erfolgsfaktor Qualität: ISO, IATF und Automotive Core Tools
Der TÜV gibt einen Überblick über verschiedene Qualitätsmanagementsysteme. INFOS & ANMELDUNG

17.04.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
FSR, Discussion Promoting Competition in the Retail Energy Market
The Florence School of Regulation (FSR) assesses whether the Italian experience could serve as a reference for other countries also characterised by a low degree of energy consumers’ engagement. INFOS & REGISTRATION

17.04.2024 – 16:00-17:00 Uhr, online
Hertie School, Presentation European digital sovereignty: A new vision for global digital connectivity?
The Hertie School addresses the concept of digital sovereignty. INFOS & REGISTRATION

17.04.2024 – 17:00-18:30 Uhr, Berlin
Hertie School, Panel Discussion The macroeconomics of decarbonisation: Understanding the complex interplay
Die Hertie School explores the complex challenges associated with achieving climate neutrality by mid-century. INFOS & REGISTRATION

18.04.-19.04.2024, online
ERA, Seminar European Corporate Taxation Law: Recent Developments
The Academy of European Law (ERA) provides participants with a comprehensive update on the most recent developments in European corporate taxation law. INFOS & REGISTRATION

18.04.-19.04.2024, Brüssel (Belgien)
GMF, Conference Brussels Forum 2024
The German Marshall Fund (GMF) provides networking opportunities and public discussions for policymakers, private-sector visionaries, experts, and community leaders. INFOS & REGISTRATION

18.04.2024, Brüssel (Belgien)
EBS, Conference Ukraine’s Future Summit 2024
European Business Summits (EBS) discusses key sectors of the Ukrainian economy, aiming to foster a greener development. INFOS & REGISTRATION

18.04.2024, Berlin
EAB, Podiumsdiskussion Nahost-Talk: Zwischen Verhandlungstischen und Airdrops
Die Europäische Akademie Berlin (EAB) geht der Frage nach, welchen Kurs die EU und Deutschland im Nahostkonflikt einschlagen. INFOS & ANMELDUNG

18.04.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar A Roadmap to Corporate Sustainability – Understanding Non-Financial Reporting Assurance: Ensuring Transparency and Accountability
TÜV provides information on different aspects of the Product Carbon Footprint (PCF). INFOS & REGISTRATION

18.04.2024 – 12:30-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
FEPS, Presentation The transformation of the mainstream right in Western Europe
The Foundation for European Progressive Studies (FEPS) presents the policy study ‘The transformation of the European mainstream right and its impact on (social) democracy’.  INFOS & REGISTRATION

18.04.2024 – 19:00 Uhr, Hamburg
Körber Stiftung, Diskussion Die EU: Bürokratiemonster oder Freiheitsgarant?
Die Körber Stiftung diskutiert die anstehenden Europawahlen. INFOS & ANMELDUNG

News

KMU-Beauftragter: Pieper zieht sich zurück

Wie am Montagabend bekannt wurde, wird der EU-Abgeordnete Markus Pieper (CDU) seine Stelle als KMU-Beauftragter der EU-Kommission nicht antreten. Der Parteifreund von Ursula von der Leyen hätte das Amt am heutigen Dienstag antreten sollen, doch das Auswahlverfahren und seine Ernennung hatten erhebliche Kritik aus der EU-Kommission und dem EU-Parlament ausgelöst.

Als Grund für seinen Rückzug weist Pieper auf den Widerstand innerhalb der Kommission. “So, wie Breton meinen Amtsantritt schon im Vorfeld innerhalb der Kommission boykottiert, sehe ich zurzeit keine Möglichkeit, die mit dem Amt verbundenen berechtigten Erwartungen zu erfüllen”, sagte er dem Handelsblatt. Gegenüber Table.Briefings bestätigte Pieper seinen Amtsverzicht.

In den vergangenen Wochen hatten sich mehrere EU-Kommissare gegen die Ernennung Piepers aufgelehnt. Speziell mit Binnenmarktkommissar Thierry Breton wäre das Arbeitsverhältnis schwierig gewesen, da sich die Arbeitsbereiche stark überschneiden.

In einer Reaktion im Namen der Kommissionspräsidentin sagte der Chefsprecher der Kommission, dass sie Piepers Entscheidung respektiere und bedaure. In Sachen KMU-Beauftragter dürfte es nun eine Pause geben. Laut dem Sprecher hat von der Leyen beschlossen, “eine Neuauflage des Auswahlverfahrens für den Posten des EU-KMU-Beauftragten bis nach der Europawahl auszusetzen.jaa

EU-Außenminister beraten Iran-Sanktionen

Welche Optionen hat die EU nach Irans Großangriff auf Israel? Die EU-Außenminister reden heute auf Einladung von Josep Borrell an einem Sondertreffen über mögliche Schritte. Für die EU hat laut Diplomaten Priorität, dass es in der Region zu keinem Flächenbrand kommt und dass eine weitere Eskalation vermieden werden kann. “Wir befinden uns an einem Abgrund und müssen davon wegkommen”, sagte Borrell im Interview mit einem spanischen Radiosender: “Wir müssen auf der Bremse stehen und den Rückwärtsgang einschalten”.

Am heutigen Dienstag wird aber auch die Frage weiterer Strafmaßnahmen gegen Teheran diskutiert werden. So könnten etwa die bestehenden Sanktionen gegen Drohnenhersteller ausgeweitet werden. Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock im ARD-Fernsehen. Bisher betreffen die Maßnahmen einzelne Hersteller und die Weitergabe an Russland. Im Gespräch ist dem Vernehmen nach, das Sanktionsregime generell auf Raketentechnik und auf Akteure auszuweiten, die Bestandteile von Drohnen oder Raketen etwa an Irans Statthalter wie Hizbollah in Libanon liefern.

Irans Revolutionsgarden bisher nicht auf Terrorliste

Die Frage, ob Irans mächtige Revolutionsgarden auf die Liste der Terrororganisationen kommen sollen, wird ebenfalls wieder auf den Tisch kommen. Exponenten der Revolutionsgarden und Teile ihres riesigen Firmenimperiums seien bereits gelistet, heißt es bei der EU-Kommission. Damit die Revolutionsgarden auf die Terrorliste gesetzt werden könnten, brauche es einschlägige Ermittlungen oder Urteile wegen terroristischer Handlungen in einem Mitgliedstaat. Diese Position hat dem Vernehmen nach auch der Rechtsdienst des Rates im vergangenen Jahr in einem Gutachten festgehalten.

Einige Mitgliedstaaten sind bisher aber auch aus politischen Gründen vor einer Listung zurückgeschreckt, um die Gesprächskanäle zu den Revolutionsgarden in Teheran offenzuhalten. Das Treffen der Außenminister findet virtuell statt, beginnt um 17.00 Uhr und soll zwischen eineinhalb und zwei Stunden dauern. Da das Treffen informell ist, sind keine Entscheidungen möglich. Die Außenminister kommen aber bereits nächste Woche in Luxemburg zum nächsten regulären Treffen zusammen. Die Diskussion um die Lage im Nahen Osten nach dem iranischen Angriff dürfte aber auch die Diskussionen der EU-Regierungschefs am EU-Gipfel am Mittwoch und Donnerstag überschatten.

Scholz trifft Xi Jinping

Olaf Scholz wird dann frisch aus China zurück sein, wo der Bundeskanzler heute den chinesischen Präsidenten Xi Jinping trifft. Damit wird er der erste westliche Regierungschef sein, der seit der Eskalation zwischen Iran und Israel mit Chinas Präsidenten zusammenkommt.

Mit seinem China-Besuch verbindet sich daher die kleine Hoffnung, etwas für den Frieden im Nahen Osten tun zu können. Als Handelsmacht hat China hier erheblichen Einfluss. Außerdem hat es zur Verblüffung vieler westlicher Staaten zwischenzeitlich eine Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien durchgesetzt. Damit hatte niemand gerechnet – und viele verbinden damit die Erwartung, Peking könne jetzt erst recht auf den Iran einwirken. Experten warnen jedoch, dass man sich davon nicht zu viel erwarten soll. Stephan Israel, Stefan Braun, Finn Mayer-Kuckuk

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EU-Kommission billigt Reformplan der Ukraine

Die EU-Kommission hat für die Auszahlungen weiterer Gelder aus einem milliardenschweren Hilfsprogramm die dafür notwendigen Reformpläne der Ukraine gebilligt. Die Brüsseler Behörde bewerte die umfassende Reform- und Investitionsstrategie der Ukraine für die nächsten vier Jahre positiv, wie sie am Abend mitteilte. Damit werde der Weg für eine regelmäßige und vorhersehbare Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes geebnet.

Die EU-Länder haben nun einen Monat Zeit, um grünes Licht für den Plan zu geben. Dann könnten den Angaben zufolge bis zu 1,89 Milliarden Euro als Vorfinanzierung fließen, bis die regulären Auszahlungen beginnen.

Geld ist an Bedingungen geknüpft

Das EU-Hilfsprogramm wurde Anfang Februar beschlossen. Es sieht für einen Zeitraum von vier Jahren Finanzhilfen im Umfang von 50 Milliarden Euro vor. 33 Milliarden Euro davon sollen als Darlehen ausgezahlt werden, der Rest in Form von nicht rückzahlungspflichtigen Zuschüssen. 4,5 Milliarden wurden Ende März als Vorauszahlung geleistet.

Für weiteres Geld sollte die Einhaltung von Auflagen überprüft werden. Die Ukraine hatte dafür einen Plan präsentiert, der zeigen soll, wie sich das von Russlands Angriffskrieg wirtschaftlich stark geschwächte Land wieder erholen soll. Die Zahlungen würden vorbehaltlich der Umsetzung der vereinbarten Reform- und Investitionsschritte ausgezahlt, teilte die Kommission weiter mit.

Mit den Finanzhilfen will die EU es dem ukrainischen Staat ermöglichen, weiter Löhne und Renten zu zahlen. Zudem soll der Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und Notunterkünften für umgesiedelte Menschen garantiert werden. Darüber hinaus kann das Geld auch genutzt werden, um durch den russischen Angriffskrieg zerstörte Infrastruktur wiederherzustellen. Dazu gehören etwa Stromleitungen, Wassersysteme sowie Straßen und Brücken. Im vergangenen Jahr zahlte die EU Finanzhilfen in Höhe von 18 Milliarden Euro aus. dpa

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Italienische Sozialisten wollen neuen Anlauf für EU-Gemeinschaftsinvestitionen

Die Vorsitzende der italienischen Sozialdemokraten, Elly Schlein, hat am Montag in Rom die Kampagne ihrer Partei für die Europawahl vorgestellt. Diese stehe für ein “sozialeres, gerechteres und ökologischeres Europa”, sagte die Chefin des Partito Democratico (PD). Die Europäische Union stehe vor “epochalen Herausforderungen”, die kein Mitgliedstaat alleine bewältigen könne. Die 38-Jährige war von 2014 bis 2019 Abgeordnete des Europäischen Parlaments.

Für ein sozialeres Europa brauche es die Kontinuität gemeinschaftlicher Investitionen. “Vergessen wir nicht, dass die EU auf die Corona-Pandemie reagieren konnte, indem sie den größten Investitionsplan in der Geschichte Europas umsetzte”, sagte Schlein mit Bezug auf “Next Generation EU“. Der Aufbauplan mit einem Volumen von rund 800 Milliarden Euro prassele nicht einfach auf die Länder, vor allem auf Italien, nieder, sondern beinhalte klar definierte Ziele und Vorgaben, diese Ressourcen zu verwalten. Erst im Angesicht der Pandemie seien einige Tabus über die Notwendigkeit gemeinschaftlicher Investitionen gefallen, “wir fangen also nicht bei null an.” 

EU soll führend sein beim ökologischen Umbau

Konkret wolle sich der PD für einen EU-weiten Mindestlohn einsetzen, der nicht unter neun Euro pro Stunde liegen dürfe. Eine Diskussion, die auch auf nationaler Ebene seit Jahren geführt wird. In Italien gibt es dazu bislang kein Gesetz. Ein sozialeres Europa müsse auch die Führungsrolle bei der ökologischen Umstellung übernehmen. Anders als die Politiker der rechten italienischen Regierungskoalition aus Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia, spricht Schlein immer wieder von “Klimanotstand”.

Der EU fehle es an politischem Willen, eine gemeinschaftliche Verteidigungspolitik auf den Weg zu bringen. Sie könne nur gelingen, wenn die Mitgliedstaaten bereit wären, ihr Fachwissen in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu bündeln. “Es reicht nicht, innerhalb der Kommission einen leeren Kasten zu schaffen, eine Art Kommissar ohne Geschäftsbereich und ohne wirkliche Kompetenz im Umgang mit den Verteidigungsministern der 27 Länder.” In der Migrationspolitik fordert der PD ein “europäisches Mare Nostrum”, also von Europa organisierte und gesteuerte Rettungsmissionen im Mittelmeer. Außerdem brauche es legale Zugangswege nach Europa.

Liste wird in Italien erst spät aufgestellt

Als Teil der Sozialdemokratischen Partei Europas wolle der Partito Democratico Gegengewicht zu den Rechten und den Nationalisten darstellen. Gerade jetzt, wo die Europäische Volkspartei bereit sei, mit den Nationalisten (Anm. der Redaktion: der Fraktion der EKR) zu flirten.

In Italien muss die Liste der Kandidaten für die Europawahl erst Ende dieses Monats stehen. Seit Monaten heißt es, dass sowohl Ministerpräsidentin Giorgia Meloni für die rechtsnationalen Fratelli d’Italia als auch Schlein für den PD auf Listenplatz eins ihrer Parteien stehen könnten. Dies wird verbunden mit der Ansage, nach der Wahl nicht ins Europaparlament zu wechseln, sondern den Sitz an die Zweitplatzierten abzugeben. Darüber sei noch nicht entschieden, so Schlein in Rom. Und zu dem in Italien besonders hoch gehandelten Gerücht, Mario Draghi werde Kommissionspräsident, sagte Schlein, für sie gebe es nur einen Kandidaten für dieses Amt: den Sozialdemokraten Nicolas Schmit. asf

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Europawahlkampf: Grüne werben mit Reintke, Baerbock und Habeck

Ab dem 20. April werden die deutschen Grünen ihre Wahlwerbung für die Europawahl am 9. Juni beginnen. Das gaben die Parteichefs am Montag bei der Vorstellung ihrer Kampagne bekannt. In der ersten Phase werde Spitzenkandidatin Terry Reintke die Plakate im Bundesgebiet zieren. Ab dem 9. Mai würden diese durch die Gesichter von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock ergänzt, hieß es. Ab 23. Mai sollen schließlich die Schlussbotschaften der Partei im Vordergrund der Flächenkampagne stehen, darunter “Mach Nazis ein Kreuz durch die Rechnung” und “Nur Demokratie schafft Freiheit”.

Im Zentrum des Wahlkampfs stehen sicherheits- und wirtschaftspolitische Aspekte sowie die Fortführung des Green Deals. Partei-Chefin Ricarda Lang kündigte an, über die EU-Mindestlohnrichtlinie das Ziel eines Mindestlohns von 14 Euro in Deutschland erreichen zu wollen. Co-Chef Omid Nouripour sagte, man wolle eine Agentur für einen europäischen Geheimdienst schaffen, “die unsere Demokratien besser und frühzeitiger schützt und die Eingriffe abwehrt, die wir tagtäglich sehen”.

Abgrenzung zu CDU/CSU, trotz ähnlicher Slogans

Spitzenkandidatin Reintke übt sich derweil in maximaler Abgrenzung zur Union. CDU/CSU versuchten, “die Axt an den Green Deal” zu legen, kritisierte sie.  Es sei eine Richtungswahl, wie es mit dem Green Deal weitergehe. Entweder gelinge es, den Wirtschaftsstandort Europa zu erhalten, oder man werde beim Hochlauf grüner Technologien abgehängt, so Reintke.

Der Wahl-Slogan der deutschen Grünen für die Europawahl lautet “Machen, was zählt”. Das Wahlprogramm trägt den Titel “Was uns schützt”. Die Ähnlichkeit zum Untertitel des CDU/CSU-Programms “Für ein Europa, das uns schützt und nützt” ist kaum zu übersehen. Allerdings stand der Titel der Grünen bereits im November zum Parteitag in Karlsruhe fest. CDU/CSU gaben ihr Programm erst im März bekannt. luk

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DNA: Stakeholder diskutieren Zukunft der Konnektivität in Berlin

Das Weißbuch zum Digital Networks Act, das die Telekom-Minister der EU am Freitag beschäftigte, wird am heutigen Dienstag und am Mittwoch auch im Bundesdigitalministerium diskutiert. Minister Volker Wissing hat Stakeholder eingeladen, um ihre Meinungen zur künftigen Regulierung des Telekommunikationsmarkts in Europa einzuholen. Die Konsultation, die die Kommission zu dem Weißbuch startete, läuft noch bis zum 30. Juni 2024.

Hochleistungsfähige, zuverlässige und resiliente digitale Infrastrukturen seien das Nervensystem der Digitalisierung und die Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Wohlstand, sagte Volker Wissing im Vorfeld der Veranstaltung. Mit dem Weißbuch habe die Kommission eine erste, wichtige Diskussionsgrundlage vorgelegt, an der Wissing allerdings bereits Kritik geäußert hatte.

Bevor die Bundesregierung ihre Stellungnahme zum Weißbuch abgeben könne, wolle sie einen konstruktiven Dialog mit allen Stakeholdern führen, sagte Wissing. “Unser Ziel ist es, optimale Voraussetzungen für einen starken und zukunftsfähigen Telekommunikationssektor in der EU zu gewährleisten.”

Weißbuch zum Digital Networks Act: heißes Thema Frequenzpolitik

Auf der Agenda steht unter anderem eine Keynote von Renate Nikolay, stellvertretende Generaldirektorin der DG Connect, die per Video zugeschaltet ist. Weitere Themen sind:

  • Ausrichtung des Regulierungsrahmens (Ziele, Anwendungsbereich, Universaldienst, Nachhaltigkeit)
  • Kupfer-Glasfaser-Migration und Marktregulierung
  • Frequenzpolitik
  • Genehmigungen und Rechte der Kernnetze
  • Quanten- und Post-Quanten-Technologien
  • Sicherheit und Resilienz von Unterseekabel-Infrastrukturen

Eines der heiß diskutierten Themen wird sicher die Frequenzpolitik sein. Während die Kommission diese gern zentralisieren möchte, was einige Unternehmen begrüßen, so wollen die Länder dies nicht aus der Hand geben. Zum Abschluss diskutieren die Teilnehmer auch über die Idee eines 3C-Netzes (Connected Collaborative Computing). Dabei geht es um ein künftiges Ökosystem, das sich über das gesamte Rechenkontinuum erstreckt – von Halbleitern und Funktechnik bis hin zu Konnektivitätsinfrastrukturen, Datenverwaltung und Anwendungen. vis

  • Digital Networks Act
  • Digitalpolitik
  • Telekommunikation
  • Thierry Breton
  • Volker Wissing

Presseschau

CDU-Politiker Markus Pieper verzichtet auf Topjob bei EU FAZ
Europa verordnet sich neuen “Deal für Wettbewerbsfähigkeit” SÜDDEUTSCHE
Auf Distanz zum Green Deal – wie Brüssel jetzt unseren Wohlstand sichern will WELT
Europäischen Umweltagentur: Neuwagen verbrauchen viel mehr als Hersteller angeben HANDELSBLATT
Lufthansa macht EU-Kommission weitere Zugeständnisse AERO
Studie: KI-Chatbots wie ChatGPT verbreiten Unwahrheiten über die EU-Wahl HEISE
Meta schaltet Threads-Dienst in der Türkei vorläufig ab HANDELSBLATT
“Grausamste Krise der Welt”: Borrell pocht auf Ende des Sudan-Kriegs FRANKFURTER RUNDSCHAU
Ukraine und Norwegen schliessen Sicherheitsabkommen 20MIN
Polen registriert erneut mehr Migranten an Grenze zu Belarus NAU
Polens “Rückkehr” in die EU wird mit einem warmen Geldregen belohnt EURONEWS
Slowakei: So geht der Populismus des Premiers SÜDDEUTSCHE
Verfassungsänderung in Italien: Mehr Macht für Ministerpräsidentin Meloni TAGESSCHAU
Italien will Schließung der Schulen zu Ende des Ramadan verbieten DER STANDARD
Fertigstellung italienischer Flüchtlingslager in Albanien verzögern sich WELT
Faeser in Bulgarien: Stacheldraht an der EU-Außengrenze RNZ
Nach Gewaltattacke: Niederlande stoppen Zugverkehr für drei Minuten STUTTGARTER NACHRICHTEN
Polizeistatistik aus Österreich: Wo die Deutschen die kriminellen Ausländer sind STUTTGARTER ZEITUNG
Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss: Downing Street war von Flöhen befallen STERN

Dessert

In seiner Autobiografie arbeitet sich Nico Semsrott an den Absurditäten des Brüsseler Betriebs ab. Manchen Kollegen dürfte das nicht gefallen.

Knapp 900.000 Menschen machten bei der Europawahl 2019 ihr Kreuz bei der Satirepartei “Die Partei”. Die Satiriker Martin Sonneborn und Nico Semsrott brachte das ins Europäische Parlament. Heute reden die beiden wegen inhaltlicher Differenzen nicht mehr miteinander.

Semsrott, der Mann im Kapuzenpulli, schloss sich den Grünen an, die den Neuzugang wohl wegen seiner Reichweite zu schätzen wussten. Semsrott stellte von Anfang an klar, dass er nicht inhaltlich arbeiten wollte. Aber immerhin, Robert Habeck persönlich hatte sein Plazet gegeben, damit Semsrott sich der Fraktion im Europa-Parlament anschließen dürfe.

Seine Erlebnisse im Betrieb zwischen Brüssel und Straßburg hat Semsrott nun in seiner Biografie “Brüssel sehen und sterben” festgehalten. Dass die Bilanz bitter ausfällt, lässt schon die Unterzeile erahnen: “Wie ich im Europaparlament meinen Glauben an (fast) alles verloren habe.” Der deprimierte Sound, den seine Fans schätzen, zieht sich durch das Buch.

Einige seiner Abgeordneten-Kollegen dürften seine Schilderungen als Nestbeschmutzung empfinden von einem, der keinen einzigen Bericht geschrieben hat, inhaltliche Debatten nicht vorangetrieben hat. Semsrott versteht sich selbst als Hofnarr: Einer der ausspricht, was alle sehen, aber niemand wahrhaben will. In seinen Videos hat er in den vergangenen fünf Jahren immer wieder auf Absurditäten hingewiesen.

Großzügige Spesenregelungen

Stoff hat er im Europäischen Parlament reichlich gefunden. Da war auf der einen Seite eine Bürokratie, angeführt von einem Italiener, der einst für einen mittlerweile verurteilten Mafioso arbeitete. Gleichzeitig verdienten manche Abgeordnete mit Nebentätigkeiten Geld und nahmen es mit Unabhängigkeit nicht so genau. “Mich haben meine Erfahrungen im Europäischen Parlament nicht enttäuscht, sondern erschüttert. In Teilen sogar traumatisiert”, schreibt Semsrott. In seiner Zeit in Brüssel hat sich seine Depression verschlimmert.

Vieles aus dem Buch verwendet er auch in dem Programm, mit dem er gerade durch Deutschland tourt. Etwa die Geschichte vom rechtsextremen griechischen Abgeordneten Ioannis Lagos, der 2020 zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde und Europaabgeordneter blieb. Seine Mitarbeiter arbeiten in Brüssel und Straßburg, der frühere Leibwächter Lagos aus der Gefängniszelle heraus. Das kann kein Satiriker erfinden.

Auch die Spesenregelungen des Europäischen Parlaments verwundern Semsrott. Wie alle Abgeordneten bekommt er eine Bahn Card erster Klasse für Deutschland und Belgien, kann aber zusätzlich Bahntickets für die Strecke Brüssel-Berlin geltend machen, ohne Belege einreichen zu müssen. Er erhält 539 Euro zurück, obwohl er keine Ausgaben hatte. Bei einem zweiten Mal sind es nur 529 Euro, eine andere der insgesamt 8.000 Parlamentsmitarbeiter hatte andere Maßstäbe angelegt. Semsrott spendet das Geld.

Im Graubereich zwischen Lobbyismus und Korruption

Die Affäre Kaili, die Brüssel Ende 2022 in Aufruhr versetzt, beruhigt den Satiriker. Die Korruption, die er um sich herum wahr genommen hat, existiert real: “Das heißt, ich spinne nicht.” An anderer Stelle listet er Abgeordnete auf, die weiterhin als Anwälte arbeiten: Rainer Wieland, Axel Voss, Andreas Schwab, Angelika Niebler und Nicola Beer. Bei Voss kommen 500 bis 1000 Euro von der Deutschen Telekom im Monat hinzu. “Ich will nicht sagen, dass Rainer Wieland und all die anderen korrupt sind”, schreibt Semsrott. “Ich sage nur: Wenn ich korrupt wäre, dann würde ich es genau so machen.” Wieland verdient nach eigenen Angaben nichts hinzu. Seine Kanzlei bietet aber im Internet Gesprächstermine an.

Befremdet haben Semsrott auch die Begegnungen mit Lobbyisten, etwa die mit einem namentlich nicht genannten Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrats. Der Mann habe ihn nach einer Veranstaltung mit “Herr Sonnenrott” angesprochen, ihm mitgeteilt, dass er auch einmal SPD Mitglied gewesen sei und von seinem gut bestückten Weinkeller zu Hause erzählt. Die Einladung hat Semsrott nicht angenommen.

Wie angemessen ist die Kritik von einem, der offen zugibt, dass ihn die monatliche Diät von 9.975,42 Euro davon abgehalten hat, vor Ablauf der Legislaturperiode hinzuschmeißen? Im Parlament dürfte sich Semsrott mit dem Buch keine Freunde machen.

Weil Semsrott Transparenz wichtig ist, legt er großen Wert auf die Klarstellung, das Buch nicht selbst geschrieben zu haben. Andere haben das für ihn erledigt, basierend auf Notizen. Er habe es noch nicht einmal selbst gelesen, kokettiert er. Nach fünf Jahren im Europäischen Parlament bleibt er Satiriker. Silke Wettach

  • Europäisches Parlament

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der Vorstoß kam von der Kommissionspräsidentin: Ursula von der Leyen hatte kurz vor Weihnachten vorgeschlagen, den Schutzstatus des Beutegreifers Wolf von “streng geschützt” auf “geschützt” herabzusetzen. Dafür sollte sich die EU im Rahmen der Berner Konvention des Europarates stark machen. In einem zweiten Schritt hätte dann die Kommission die FFH-Richtlinie entsprechend geändert und so ein aktiveres Management der Wolfsbestände ermöglicht. Das hieße deutlich mehr Entnahmen, also Abschüsse nicht nur von auffälligen Exemplaren.

    Dieser Vorstoß läuft gerade ins Leere. Unter den Mitgliedstaaten zeichnet sich keine qualifizierte Mehrheit ab. Eine Schlüsselrolle spielt hier Deutschland, das sich aufgrund des Widerstands von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) enthalten müsste. Die großen Mitgliedstaaten Italien und Frankreich, Polen und Rumänien sind zwar für den Vorstoß von der Leyens. Das reicht aber nicht, zumal Spanien auch nicht dafür wäre. Angesichts fehlender Aussichten auf eine Mehrheit hat die belgische Ratspräsidentschaft bisher im Umweltministerrat noch nicht abstimmen lassen. Auch im Kreis der Ständigen Vertreter an diesem Mittwoch will sie es nicht zum Schwur kommen lassen.

    Es zeichnet sich immer mehr ab, dass aus dem Vorhaben vor den Europawahlen nichts mehr wird. Der Vorstoß für ein aktiveres Wolfsmanagement hat sich damit wohl erst einmal für die nächsten Jahre erledigt. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!

    Ihr
    Markus Grabitz
    Bild von Markus  Grabitz

    Analyse

    Zu viel bürokratischer Aufwand: Enrico Letta fordert im Bericht zum europäischen Binnenmarkt eine stärkere Harmonisierung

    Der Präsident des Jacques Delors Institute, Enrico Letta, dringt auf eine stärkere Harmonisierung der Regeln im europäischen Binnenmarkt. Viele Unternehmen litten unter dem bürokratischen Aufwand, der großteils durch sich überschneidende Vorschriften im komplexen Mehrebenensystem der EU entstanden sei, schreibt Letta in seinem Bericht zur Zukunft des Binnenmarktes, der Table.Briefings in Teilen vorliegt.

    Um hier mehr Klarheit zu schaffen, sollten die EU-Institutionen “der Verwendung von Verordnungen bei der Formulierung von Binnenmarktregeln eindeutig Vorrang einräumen”. Lasse sich der Einsatz einer Richtlinie nicht vermeiden, sollten die Mitgliedsstaaten “mehr Disziplin an den Tag legen” und keine Maßnahmen einführen, die über das nach der Richtlinie unbedingt erforderliche Maß hinausgingen. Zudem plädiert Letta für einen “European Code of Business Law”, um die gesellschaftsrechtlichen Unterschiede in den Mitgliedstaaten einzuebnen.

    Thema beim Sondergipfel

    Die Staaten hatten den früheren italienischen Ministerpräsidenten mit dem Bericht beauftragt. Am Montag übersandte er einen Entwurf der “politischen Einführung” an die Regierungen. Die Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Sondergipfel am Mittwoch und Donnerstag über die Wettbewerbsfähigkeit Europas diskutieren.

    Letta identifiziert in seiner Einleitung dringenden Handlungsbedarf, damit die EU nicht weiter an Boden auf USA und China verliere. Während die Wirtschaftsleistung pro Kopf in den USA von 1993 bis 2022 um fast 60 Prozent gestiegen sei, sei der Zuwachs in Europa weniger als halb so hoch, schreibt er. Die Grundpfeiler des europäischen Erfolgsmodells, Freihandel und Offenheit, würden zudem durch die geopolitischen Spannungen gefährdet.

    Letta will “Spar- und Investitionsunion

    Letta spricht sich unter anderem dafür aus, die Forschungsfreiheit zu stärken. Er plädiert dafür, Forschung und Entwicklung zu einer fünften Freiheit im Binnenmarkt zu erheben, neben der Freizügigkeit von Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Ziel sei es, “Forschung und Innovation in den Mittelpunkt des Binnenmarktes zu stellen und so ein Ökosystem zu fördern”. Dies könne Europa in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Biotech und besonders im Gesundheitssektor zunutze kommen.

    Letta sieht zudem “dringenden Nachholbedarf” darin, den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen, Energie und digitale Kommunikation zu stärken. Bei den Finanzdienstleistungen benutzt Letta nicht den im EU-Sprech üblichen Begriff der Kapitalmarktunion, sondern spricht von einer “Spar- und Investitionsunion”. Gemeint ist aber dasselbe: Durch die Integration der EU-Finanzmärkte soll mehr privates Geld für die wirtschaftliche Entwicklung mobilisiert werden.

    Letta sorgt sich aber um die gesellschaftliche Akzeptanz. “Eine echte Integration von Finanzmärkten in Europa wird nicht realisiert, bis die europäischen Bürger und politischen Entscheidungsträger erkennen, dass diese Integration nicht nur der Finanzindustrie nützt.” Stattdessen müsse klarwerden, wie entscheidend sie seien für die Erreichung “übergeordneter Ziele, die ansonsten unerreichbar sind”, zum Beispiel die grüne und digitale Transformation.

    Mehr europäische Beihilfen

    Mehr Integration fordert Letta auch bei den staatlichen Beihilfen. Die seit der Pandemie und der Invasion der Ukraine gelockerten Regeln zu staatlichen Beihilfen haben gezeigt, dass vor allem große Mitgliedstaaten wie Deutschland profitierten und der Wettbewerb verzerrt werde. Da eine stärkere europäische Industriepolitik laut Letta dennoch notwendig ist, soll die EU künftig nationale Beihilfen wieder stärker einschränken, dafür aber Beihilfen auf europäischer Ebene schrittweise ausbauen.

    Dafür müsste das EU-Budget wahrscheinlich signifikant erhöht werden. Letta meint denn auch, dass der kommende Mehrjährige Finanzrahmen (MFF) von 2028 bis 2034 einen entscheidenden Moment darstelle, um den Binnenmarkt in einen “echten europäischen Markt” zu verwandeln. Dieser Zeitpunkt werde auch deshalb entscheidend, weil das Wiederaufbau-Programm Next Generation EU ausläuft, was die EU vor große finanzielle Herausforderungen stellt.

    • Bürokratie
    • EU-Binnenmarkt
    • Freizügigkeit
    • Industriepolitik
    • NextGenerationEU
    • Wettbewerbsfähigkeit
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    Machtkämpfe und Spaltung in der Außenpolitik: Die europäische Linke sortiert sich neu

    Es ist paradox: In Deutschland und vielen anderen EU-Ländern sind die Linksparteien vor der Europawahl auf dem Rückzug. Doch ausgerechnet in Brüssel, der Hauptstadt der EU, legt die radikale Linke kräftig zu.

    Im Schatten des Berlaymont – des Hügels, auf dem die EU-Kommission thront – neigen die weniger wohlhabenden Einwohner der belgischen Hauptstadt immer mehr der marxistischen “Parti des Travailleurs Belges” (PTB) zu.

    Die belgischen Wahlen im Juni, die parallel zur Europawahl stattfinden, könnte die PTB in Brüssel sogar gewinnen. In einer Umfrage im Februar lag die Partei um Raoul Hedebouw mit 18,9 Prozent der Wahlabsichten vor der liberalen MR (17,9) und der grünen Ecolo (14,2).

    Stimmung gegen “asoziale Politik” der EU-Kommission

    Entsprechend gut gelaunt präsentierte sich die PTB bei einem Meeting europäischer Linkspolitiker in Brüssel, zu dem unter dem Motto “Europe for the People” unter anderem der frühere Labour-Chef Jeremy Corbyn gekommen war.

    Immer mehr Menschen gerieten in soziale Not und forderten einen “Bruch mit der aktuellen Politik”, sagte der PTB-Europabgeordnete Marc Botenga bei der Veranstaltung, die die Parteienfamilie “European Left” gemeinsam mit der PTB organisiert hatte. Die liberale belgische Regierung begleite die “asoziale Politik” der EU-Kommission, statt gegenzusteuern.

    “Wir dürfen es nicht zulassen, dass die extreme Rechte die Wut der Menschen auffängt”, so Botenga. Deshalb müsse die europäische Linke dagegenhalten und Alternativen zur “Austeritätspolitik” in Brüssel bieten.

    Was wie ein Remake aus der Banken- und Eurokrise vor zehn Jahren klingt, kam zumindest auf der Veranstaltung in Brüssel gut an. Mehrere hundert Teilnehmer aus ganz Europa feierten ihre linken Idole. Corbyn warnte vor einer Ausweitung des Konflikts in der Ukraine: “Schlafwandeln wir schon wieder in einen großen Krieg?” Der Konflikt lasse sich nicht durch Aufrüstung, sondern nur durch Verhandlungen lösen. “Jeder weiß, dass es einen großen Krieg geben wird – oder einen Deal.”

    Viel Beifall bekamen auch Elke Kahr, die kommunistische Bürgermeisterin von Graz, Stefanos Stefanou, Generalsekretär der AKEL aus Zypern, und Walter Baier, der Präsident der Partei der Europäischen Linken. Baier warnte vor einem Rechtsruck bei der Europawahl und forderte die Linke auf, vereint dagegenzuhalten.

    Interne Machtkämpfe dauern an

    Doch von Einheit sind die Linken weit entfernt. Die großen Parteien aus Deutschland, Frankreich oder Spanien waren bei dem Meeting in Brüssel nicht oder nur spärlich vertreten. Prominente EU-Politiker wie Martin Schirdewan oder Manon Aubry ließen sich entschuldigen.

    Über die Zusammenarbeit mit der PTB und anderen links-radikalen Gruppen gibt es Streit. Das neue “Bündnis Sarah Wagenknecht” (BSW) hat zwar keine Berührungsängste, wie der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (ehemals Die Linke) sagte. Doch andererseits versucht das BSW, sich nicht mehr als “links” zu positionieren – sondern als Partei der “Vernunft und der Gerechtigkeit”.

    Demgegenüber wirft die deutsche Linke dem BSW vor, sich nicht eindeutig von der AfD abzugrenzen. Eine Zusammenarbeit beider Parteien nach der Europawahl scheint ausgeschlossen, was Probleme für die künftige Linksfraktion im Europaparlament aufwirft.

    Sondierungen zwischen den verschiedenen Parteien und Bewegungen haben bereits begonnen. Erschwert werden die Gespräche jedoch durch Meinungsverschiedenheiten in der Außenpolitik – und durch Machtkämpfe zwischen den Genossen.

    Außenpolitisch wirken die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten als Spaltpilz. Linke Parteien aus Nordeuropa fordern mehr Solidarität mit der Ukraine, ihre Genossen aus Spanien und Irland mobilisieren für die Palästinenser.

    Im Grunde sind es dieselben Gräben, die auch die 27 EU-Staaten trennen. Gemeinsam ist allen Linksparteien lediglich die Forderung, die Kriege so schnell wie möglich zu beenden und eine Aufrüstung zulasten der sozial Schwachen zu verhindern.

    Umfragewerte steigen

    Ein weiteres Problem sind die Machtkämpfe in der deutschen Linken. Nach der Abspaltung des BSW muss die Partei Die Linke bei der Europawahl herbe Verluste fürchten. Demgegenüber legt das BSW mit ihren Spitzenkandidaten Fabio de Masi und Thomas Geisel in den Umfragen zu.

    In der letzten Projektion von “Europe Elects” werden dem BSW drei Parlamentssitze vorhergesagt. Es wäre damit Teil eines bescheidenen Aufschwungs der Linken in Europa: Mit insgesamt 47 Sitzen könnten die Linksparteien sechs Sitze mehr erringen als bei der letzten Europawahl 2019.

    Demgegenüber verlieren die Sozialdemokraten in der Projektion 19, die Grünen sogar 22 Sitze. Die Kräfteverhältnisse innerhalb der europäischen Linken im weitesten Sinne verändern sich, wobei radikale Parteien wie in Brüssel besonders viel Rückenwind spüren.

    Allerdings kann der Wind bis zur Wahl im Juni auch noch einmal drehen. Und ob sich die rivalisierenden Parteien und Bewegungen am Ende in einer Fraktion zusammenraufen werden, bleibt abzuwarten. Die Stimmung ist jedenfalls kämpferisch.

    • Die Linke
    • Europawahl
    • Europawahlen 2024
    Translation missing.

    Termine

    17.04.-19.04.2024, Berlin
    KAS European Data Summit 2024
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) analysiert das Zusammenspiel der verschiedenen Bausteine des neuen Rechtsrahmens in der Digital- und Datenregulierung. INFOS & ANMELDUNG

    17.04.2024, Brüssel (Belgien)
    EBS, Conference European Defence & Security Summit 2024
    European Business Summits (EBS) addresses current European security challenges. INFOS & REGISTRATION

    17.04.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
    TÜV, Seminar Erfolgsfaktor Qualität: ISO, IATF und Automotive Core Tools
    Der TÜV gibt einen Überblick über verschiedene Qualitätsmanagementsysteme. INFOS & ANMELDUNG

    17.04.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
    FSR, Discussion Promoting Competition in the Retail Energy Market
    The Florence School of Regulation (FSR) assesses whether the Italian experience could serve as a reference for other countries also characterised by a low degree of energy consumers’ engagement. INFOS & REGISTRATION

    17.04.2024 – 16:00-17:00 Uhr, online
    Hertie School, Presentation European digital sovereignty: A new vision for global digital connectivity?
    The Hertie School addresses the concept of digital sovereignty. INFOS & REGISTRATION

    17.04.2024 – 17:00-18:30 Uhr, Berlin
    Hertie School, Panel Discussion The macroeconomics of decarbonisation: Understanding the complex interplay
    Die Hertie School explores the complex challenges associated with achieving climate neutrality by mid-century. INFOS & REGISTRATION

    18.04.-19.04.2024, online
    ERA, Seminar European Corporate Taxation Law: Recent Developments
    The Academy of European Law (ERA) provides participants with a comprehensive update on the most recent developments in European corporate taxation law. INFOS & REGISTRATION

    18.04.-19.04.2024, Brüssel (Belgien)
    GMF, Conference Brussels Forum 2024
    The German Marshall Fund (GMF) provides networking opportunities and public discussions for policymakers, private-sector visionaries, experts, and community leaders. INFOS & REGISTRATION

    18.04.2024, Brüssel (Belgien)
    EBS, Conference Ukraine’s Future Summit 2024
    European Business Summits (EBS) discusses key sectors of the Ukrainian economy, aiming to foster a greener development. INFOS & REGISTRATION

    18.04.2024, Berlin
    EAB, Podiumsdiskussion Nahost-Talk: Zwischen Verhandlungstischen und Airdrops
    Die Europäische Akademie Berlin (EAB) geht der Frage nach, welchen Kurs die EU und Deutschland im Nahostkonflikt einschlagen. INFOS & ANMELDUNG

    18.04.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
    TÜV, Seminar A Roadmap to Corporate Sustainability – Understanding Non-Financial Reporting Assurance: Ensuring Transparency and Accountability
    TÜV provides information on different aspects of the Product Carbon Footprint (PCF). INFOS & REGISTRATION

    18.04.2024 – 12:30-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    FEPS, Presentation The transformation of the mainstream right in Western Europe
    The Foundation for European Progressive Studies (FEPS) presents the policy study ‘The transformation of the European mainstream right and its impact on (social) democracy’.  INFOS & REGISTRATION

    18.04.2024 – 19:00 Uhr, Hamburg
    Körber Stiftung, Diskussion Die EU: Bürokratiemonster oder Freiheitsgarant?
    Die Körber Stiftung diskutiert die anstehenden Europawahlen. INFOS & ANMELDUNG

    News

    KMU-Beauftragter: Pieper zieht sich zurück

    Wie am Montagabend bekannt wurde, wird der EU-Abgeordnete Markus Pieper (CDU) seine Stelle als KMU-Beauftragter der EU-Kommission nicht antreten. Der Parteifreund von Ursula von der Leyen hätte das Amt am heutigen Dienstag antreten sollen, doch das Auswahlverfahren und seine Ernennung hatten erhebliche Kritik aus der EU-Kommission und dem EU-Parlament ausgelöst.

    Als Grund für seinen Rückzug weist Pieper auf den Widerstand innerhalb der Kommission. “So, wie Breton meinen Amtsantritt schon im Vorfeld innerhalb der Kommission boykottiert, sehe ich zurzeit keine Möglichkeit, die mit dem Amt verbundenen berechtigten Erwartungen zu erfüllen”, sagte er dem Handelsblatt. Gegenüber Table.Briefings bestätigte Pieper seinen Amtsverzicht.

    In den vergangenen Wochen hatten sich mehrere EU-Kommissare gegen die Ernennung Piepers aufgelehnt. Speziell mit Binnenmarktkommissar Thierry Breton wäre das Arbeitsverhältnis schwierig gewesen, da sich die Arbeitsbereiche stark überschneiden.

    In einer Reaktion im Namen der Kommissionspräsidentin sagte der Chefsprecher der Kommission, dass sie Piepers Entscheidung respektiere und bedaure. In Sachen KMU-Beauftragter dürfte es nun eine Pause geben. Laut dem Sprecher hat von der Leyen beschlossen, “eine Neuauflage des Auswahlverfahrens für den Posten des EU-KMU-Beauftragten bis nach der Europawahl auszusetzen.jaa

    EU-Außenminister beraten Iran-Sanktionen

    Welche Optionen hat die EU nach Irans Großangriff auf Israel? Die EU-Außenminister reden heute auf Einladung von Josep Borrell an einem Sondertreffen über mögliche Schritte. Für die EU hat laut Diplomaten Priorität, dass es in der Region zu keinem Flächenbrand kommt und dass eine weitere Eskalation vermieden werden kann. “Wir befinden uns an einem Abgrund und müssen davon wegkommen”, sagte Borrell im Interview mit einem spanischen Radiosender: “Wir müssen auf der Bremse stehen und den Rückwärtsgang einschalten”.

    Am heutigen Dienstag wird aber auch die Frage weiterer Strafmaßnahmen gegen Teheran diskutiert werden. So könnten etwa die bestehenden Sanktionen gegen Drohnenhersteller ausgeweitet werden. Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock im ARD-Fernsehen. Bisher betreffen die Maßnahmen einzelne Hersteller und die Weitergabe an Russland. Im Gespräch ist dem Vernehmen nach, das Sanktionsregime generell auf Raketentechnik und auf Akteure auszuweiten, die Bestandteile von Drohnen oder Raketen etwa an Irans Statthalter wie Hizbollah in Libanon liefern.

    Irans Revolutionsgarden bisher nicht auf Terrorliste

    Die Frage, ob Irans mächtige Revolutionsgarden auf die Liste der Terrororganisationen kommen sollen, wird ebenfalls wieder auf den Tisch kommen. Exponenten der Revolutionsgarden und Teile ihres riesigen Firmenimperiums seien bereits gelistet, heißt es bei der EU-Kommission. Damit die Revolutionsgarden auf die Terrorliste gesetzt werden könnten, brauche es einschlägige Ermittlungen oder Urteile wegen terroristischer Handlungen in einem Mitgliedstaat. Diese Position hat dem Vernehmen nach auch der Rechtsdienst des Rates im vergangenen Jahr in einem Gutachten festgehalten.

    Einige Mitgliedstaaten sind bisher aber auch aus politischen Gründen vor einer Listung zurückgeschreckt, um die Gesprächskanäle zu den Revolutionsgarden in Teheran offenzuhalten. Das Treffen der Außenminister findet virtuell statt, beginnt um 17.00 Uhr und soll zwischen eineinhalb und zwei Stunden dauern. Da das Treffen informell ist, sind keine Entscheidungen möglich. Die Außenminister kommen aber bereits nächste Woche in Luxemburg zum nächsten regulären Treffen zusammen. Die Diskussion um die Lage im Nahen Osten nach dem iranischen Angriff dürfte aber auch die Diskussionen der EU-Regierungschefs am EU-Gipfel am Mittwoch und Donnerstag überschatten.

    Scholz trifft Xi Jinping

    Olaf Scholz wird dann frisch aus China zurück sein, wo der Bundeskanzler heute den chinesischen Präsidenten Xi Jinping trifft. Damit wird er der erste westliche Regierungschef sein, der seit der Eskalation zwischen Iran und Israel mit Chinas Präsidenten zusammenkommt.

    Mit seinem China-Besuch verbindet sich daher die kleine Hoffnung, etwas für den Frieden im Nahen Osten tun zu können. Als Handelsmacht hat China hier erheblichen Einfluss. Außerdem hat es zur Verblüffung vieler westlicher Staaten zwischenzeitlich eine Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien durchgesetzt. Damit hatte niemand gerechnet – und viele verbinden damit die Erwartung, Peking könne jetzt erst recht auf den Iran einwirken. Experten warnen jedoch, dass man sich davon nicht zu viel erwarten soll. Stephan Israel, Stefan Braun, Finn Mayer-Kuckuk

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    • Iran
    • Sanktionen

    EU-Kommission billigt Reformplan der Ukraine

    Die EU-Kommission hat für die Auszahlungen weiterer Gelder aus einem milliardenschweren Hilfsprogramm die dafür notwendigen Reformpläne der Ukraine gebilligt. Die Brüsseler Behörde bewerte die umfassende Reform- und Investitionsstrategie der Ukraine für die nächsten vier Jahre positiv, wie sie am Abend mitteilte. Damit werde der Weg für eine regelmäßige und vorhersehbare Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes geebnet.

    Die EU-Länder haben nun einen Monat Zeit, um grünes Licht für den Plan zu geben. Dann könnten den Angaben zufolge bis zu 1,89 Milliarden Euro als Vorfinanzierung fließen, bis die regulären Auszahlungen beginnen.

    Geld ist an Bedingungen geknüpft

    Das EU-Hilfsprogramm wurde Anfang Februar beschlossen. Es sieht für einen Zeitraum von vier Jahren Finanzhilfen im Umfang von 50 Milliarden Euro vor. 33 Milliarden Euro davon sollen als Darlehen ausgezahlt werden, der Rest in Form von nicht rückzahlungspflichtigen Zuschüssen. 4,5 Milliarden wurden Ende März als Vorauszahlung geleistet.

    Für weiteres Geld sollte die Einhaltung von Auflagen überprüft werden. Die Ukraine hatte dafür einen Plan präsentiert, der zeigen soll, wie sich das von Russlands Angriffskrieg wirtschaftlich stark geschwächte Land wieder erholen soll. Die Zahlungen würden vorbehaltlich der Umsetzung der vereinbarten Reform- und Investitionsschritte ausgezahlt, teilte die Kommission weiter mit.

    Mit den Finanzhilfen will die EU es dem ukrainischen Staat ermöglichen, weiter Löhne und Renten zu zahlen. Zudem soll der Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und Notunterkünften für umgesiedelte Menschen garantiert werden. Darüber hinaus kann das Geld auch genutzt werden, um durch den russischen Angriffskrieg zerstörte Infrastruktur wiederherzustellen. Dazu gehören etwa Stromleitungen, Wassersysteme sowie Straßen und Brücken. Im vergangenen Jahr zahlte die EU Finanzhilfen in Höhe von 18 Milliarden Euro aus. dpa

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    • Ukraine-Krieg

    Italienische Sozialisten wollen neuen Anlauf für EU-Gemeinschaftsinvestitionen

    Die Vorsitzende der italienischen Sozialdemokraten, Elly Schlein, hat am Montag in Rom die Kampagne ihrer Partei für die Europawahl vorgestellt. Diese stehe für ein “sozialeres, gerechteres und ökologischeres Europa”, sagte die Chefin des Partito Democratico (PD). Die Europäische Union stehe vor “epochalen Herausforderungen”, die kein Mitgliedstaat alleine bewältigen könne. Die 38-Jährige war von 2014 bis 2019 Abgeordnete des Europäischen Parlaments.

    Für ein sozialeres Europa brauche es die Kontinuität gemeinschaftlicher Investitionen. “Vergessen wir nicht, dass die EU auf die Corona-Pandemie reagieren konnte, indem sie den größten Investitionsplan in der Geschichte Europas umsetzte”, sagte Schlein mit Bezug auf “Next Generation EU“. Der Aufbauplan mit einem Volumen von rund 800 Milliarden Euro prassele nicht einfach auf die Länder, vor allem auf Italien, nieder, sondern beinhalte klar definierte Ziele und Vorgaben, diese Ressourcen zu verwalten. Erst im Angesicht der Pandemie seien einige Tabus über die Notwendigkeit gemeinschaftlicher Investitionen gefallen, “wir fangen also nicht bei null an.” 

    EU soll führend sein beim ökologischen Umbau

    Konkret wolle sich der PD für einen EU-weiten Mindestlohn einsetzen, der nicht unter neun Euro pro Stunde liegen dürfe. Eine Diskussion, die auch auf nationaler Ebene seit Jahren geführt wird. In Italien gibt es dazu bislang kein Gesetz. Ein sozialeres Europa müsse auch die Führungsrolle bei der ökologischen Umstellung übernehmen. Anders als die Politiker der rechten italienischen Regierungskoalition aus Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia, spricht Schlein immer wieder von “Klimanotstand”.

    Der EU fehle es an politischem Willen, eine gemeinschaftliche Verteidigungspolitik auf den Weg zu bringen. Sie könne nur gelingen, wenn die Mitgliedstaaten bereit wären, ihr Fachwissen in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu bündeln. “Es reicht nicht, innerhalb der Kommission einen leeren Kasten zu schaffen, eine Art Kommissar ohne Geschäftsbereich und ohne wirkliche Kompetenz im Umgang mit den Verteidigungsministern der 27 Länder.” In der Migrationspolitik fordert der PD ein “europäisches Mare Nostrum”, also von Europa organisierte und gesteuerte Rettungsmissionen im Mittelmeer. Außerdem brauche es legale Zugangswege nach Europa.

    Liste wird in Italien erst spät aufgestellt

    Als Teil der Sozialdemokratischen Partei Europas wolle der Partito Democratico Gegengewicht zu den Rechten und den Nationalisten darstellen. Gerade jetzt, wo die Europäische Volkspartei bereit sei, mit den Nationalisten (Anm. der Redaktion: der Fraktion der EKR) zu flirten.

    In Italien muss die Liste der Kandidaten für die Europawahl erst Ende dieses Monats stehen. Seit Monaten heißt es, dass sowohl Ministerpräsidentin Giorgia Meloni für die rechtsnationalen Fratelli d’Italia als auch Schlein für den PD auf Listenplatz eins ihrer Parteien stehen könnten. Dies wird verbunden mit der Ansage, nach der Wahl nicht ins Europaparlament zu wechseln, sondern den Sitz an die Zweitplatzierten abzugeben. Darüber sei noch nicht entschieden, so Schlein in Rom. Und zu dem in Italien besonders hoch gehandelten Gerücht, Mario Draghi werde Kommissionspräsident, sagte Schlein, für sie gebe es nur einen Kandidaten für dieses Amt: den Sozialdemokraten Nicolas Schmit. asf

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    Europawahlkampf: Grüne werben mit Reintke, Baerbock und Habeck

    Ab dem 20. April werden die deutschen Grünen ihre Wahlwerbung für die Europawahl am 9. Juni beginnen. Das gaben die Parteichefs am Montag bei der Vorstellung ihrer Kampagne bekannt. In der ersten Phase werde Spitzenkandidatin Terry Reintke die Plakate im Bundesgebiet zieren. Ab dem 9. Mai würden diese durch die Gesichter von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock ergänzt, hieß es. Ab 23. Mai sollen schließlich die Schlussbotschaften der Partei im Vordergrund der Flächenkampagne stehen, darunter “Mach Nazis ein Kreuz durch die Rechnung” und “Nur Demokratie schafft Freiheit”.

    Im Zentrum des Wahlkampfs stehen sicherheits- und wirtschaftspolitische Aspekte sowie die Fortführung des Green Deals. Partei-Chefin Ricarda Lang kündigte an, über die EU-Mindestlohnrichtlinie das Ziel eines Mindestlohns von 14 Euro in Deutschland erreichen zu wollen. Co-Chef Omid Nouripour sagte, man wolle eine Agentur für einen europäischen Geheimdienst schaffen, “die unsere Demokratien besser und frühzeitiger schützt und die Eingriffe abwehrt, die wir tagtäglich sehen”.

    Abgrenzung zu CDU/CSU, trotz ähnlicher Slogans

    Spitzenkandidatin Reintke übt sich derweil in maximaler Abgrenzung zur Union. CDU/CSU versuchten, “die Axt an den Green Deal” zu legen, kritisierte sie.  Es sei eine Richtungswahl, wie es mit dem Green Deal weitergehe. Entweder gelinge es, den Wirtschaftsstandort Europa zu erhalten, oder man werde beim Hochlauf grüner Technologien abgehängt, so Reintke.

    Der Wahl-Slogan der deutschen Grünen für die Europawahl lautet “Machen, was zählt”. Das Wahlprogramm trägt den Titel “Was uns schützt”. Die Ähnlichkeit zum Untertitel des CDU/CSU-Programms “Für ein Europa, das uns schützt und nützt” ist kaum zu übersehen. Allerdings stand der Titel der Grünen bereits im November zum Parteitag in Karlsruhe fest. CDU/CSU gaben ihr Programm erst im März bekannt. luk

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    DNA: Stakeholder diskutieren Zukunft der Konnektivität in Berlin

    Das Weißbuch zum Digital Networks Act, das die Telekom-Minister der EU am Freitag beschäftigte, wird am heutigen Dienstag und am Mittwoch auch im Bundesdigitalministerium diskutiert. Minister Volker Wissing hat Stakeholder eingeladen, um ihre Meinungen zur künftigen Regulierung des Telekommunikationsmarkts in Europa einzuholen. Die Konsultation, die die Kommission zu dem Weißbuch startete, läuft noch bis zum 30. Juni 2024.

    Hochleistungsfähige, zuverlässige und resiliente digitale Infrastrukturen seien das Nervensystem der Digitalisierung und die Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Wohlstand, sagte Volker Wissing im Vorfeld der Veranstaltung. Mit dem Weißbuch habe die Kommission eine erste, wichtige Diskussionsgrundlage vorgelegt, an der Wissing allerdings bereits Kritik geäußert hatte.

    Bevor die Bundesregierung ihre Stellungnahme zum Weißbuch abgeben könne, wolle sie einen konstruktiven Dialog mit allen Stakeholdern führen, sagte Wissing. “Unser Ziel ist es, optimale Voraussetzungen für einen starken und zukunftsfähigen Telekommunikationssektor in der EU zu gewährleisten.”

    Weißbuch zum Digital Networks Act: heißes Thema Frequenzpolitik

    Auf der Agenda steht unter anderem eine Keynote von Renate Nikolay, stellvertretende Generaldirektorin der DG Connect, die per Video zugeschaltet ist. Weitere Themen sind:

    • Ausrichtung des Regulierungsrahmens (Ziele, Anwendungsbereich, Universaldienst, Nachhaltigkeit)
    • Kupfer-Glasfaser-Migration und Marktregulierung
    • Frequenzpolitik
    • Genehmigungen und Rechte der Kernnetze
    • Quanten- und Post-Quanten-Technologien
    • Sicherheit und Resilienz von Unterseekabel-Infrastrukturen

    Eines der heiß diskutierten Themen wird sicher die Frequenzpolitik sein. Während die Kommission diese gern zentralisieren möchte, was einige Unternehmen begrüßen, so wollen die Länder dies nicht aus der Hand geben. Zum Abschluss diskutieren die Teilnehmer auch über die Idee eines 3C-Netzes (Connected Collaborative Computing). Dabei geht es um ein künftiges Ökosystem, das sich über das gesamte Rechenkontinuum erstreckt – von Halbleitern und Funktechnik bis hin zu Konnektivitätsinfrastrukturen, Datenverwaltung und Anwendungen. vis

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    • Digitalpolitik
    • Telekommunikation
    • Thierry Breton
    • Volker Wissing

    Presseschau

    CDU-Politiker Markus Pieper verzichtet auf Topjob bei EU FAZ
    Europa verordnet sich neuen “Deal für Wettbewerbsfähigkeit” SÜDDEUTSCHE
    Auf Distanz zum Green Deal – wie Brüssel jetzt unseren Wohlstand sichern will WELT
    Europäischen Umweltagentur: Neuwagen verbrauchen viel mehr als Hersteller angeben HANDELSBLATT
    Lufthansa macht EU-Kommission weitere Zugeständnisse AERO
    Studie: KI-Chatbots wie ChatGPT verbreiten Unwahrheiten über die EU-Wahl HEISE
    Meta schaltet Threads-Dienst in der Türkei vorläufig ab HANDELSBLATT
    “Grausamste Krise der Welt”: Borrell pocht auf Ende des Sudan-Kriegs FRANKFURTER RUNDSCHAU
    Ukraine und Norwegen schliessen Sicherheitsabkommen 20MIN
    Polen registriert erneut mehr Migranten an Grenze zu Belarus NAU
    Polens “Rückkehr” in die EU wird mit einem warmen Geldregen belohnt EURONEWS
    Slowakei: So geht der Populismus des Premiers SÜDDEUTSCHE
    Verfassungsänderung in Italien: Mehr Macht für Ministerpräsidentin Meloni TAGESSCHAU
    Italien will Schließung der Schulen zu Ende des Ramadan verbieten DER STANDARD
    Fertigstellung italienischer Flüchtlingslager in Albanien verzögern sich WELT
    Faeser in Bulgarien: Stacheldraht an der EU-Außengrenze RNZ
    Nach Gewaltattacke: Niederlande stoppen Zugverkehr für drei Minuten STUTTGARTER NACHRICHTEN
    Polizeistatistik aus Österreich: Wo die Deutschen die kriminellen Ausländer sind STUTTGARTER ZEITUNG
    Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss: Downing Street war von Flöhen befallen STERN

    Dessert

    In seiner Autobiografie arbeitet sich Nico Semsrott an den Absurditäten des Brüsseler Betriebs ab. Manchen Kollegen dürfte das nicht gefallen.

    Knapp 900.000 Menschen machten bei der Europawahl 2019 ihr Kreuz bei der Satirepartei “Die Partei”. Die Satiriker Martin Sonneborn und Nico Semsrott brachte das ins Europäische Parlament. Heute reden die beiden wegen inhaltlicher Differenzen nicht mehr miteinander.

    Semsrott, der Mann im Kapuzenpulli, schloss sich den Grünen an, die den Neuzugang wohl wegen seiner Reichweite zu schätzen wussten. Semsrott stellte von Anfang an klar, dass er nicht inhaltlich arbeiten wollte. Aber immerhin, Robert Habeck persönlich hatte sein Plazet gegeben, damit Semsrott sich der Fraktion im Europa-Parlament anschließen dürfe.

    Seine Erlebnisse im Betrieb zwischen Brüssel und Straßburg hat Semsrott nun in seiner Biografie “Brüssel sehen und sterben” festgehalten. Dass die Bilanz bitter ausfällt, lässt schon die Unterzeile erahnen: “Wie ich im Europaparlament meinen Glauben an (fast) alles verloren habe.” Der deprimierte Sound, den seine Fans schätzen, zieht sich durch das Buch.

    Einige seiner Abgeordneten-Kollegen dürften seine Schilderungen als Nestbeschmutzung empfinden von einem, der keinen einzigen Bericht geschrieben hat, inhaltliche Debatten nicht vorangetrieben hat. Semsrott versteht sich selbst als Hofnarr: Einer der ausspricht, was alle sehen, aber niemand wahrhaben will. In seinen Videos hat er in den vergangenen fünf Jahren immer wieder auf Absurditäten hingewiesen.

    Großzügige Spesenregelungen

    Stoff hat er im Europäischen Parlament reichlich gefunden. Da war auf der einen Seite eine Bürokratie, angeführt von einem Italiener, der einst für einen mittlerweile verurteilten Mafioso arbeitete. Gleichzeitig verdienten manche Abgeordnete mit Nebentätigkeiten Geld und nahmen es mit Unabhängigkeit nicht so genau. “Mich haben meine Erfahrungen im Europäischen Parlament nicht enttäuscht, sondern erschüttert. In Teilen sogar traumatisiert”, schreibt Semsrott. In seiner Zeit in Brüssel hat sich seine Depression verschlimmert.

    Vieles aus dem Buch verwendet er auch in dem Programm, mit dem er gerade durch Deutschland tourt. Etwa die Geschichte vom rechtsextremen griechischen Abgeordneten Ioannis Lagos, der 2020 zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde und Europaabgeordneter blieb. Seine Mitarbeiter arbeiten in Brüssel und Straßburg, der frühere Leibwächter Lagos aus der Gefängniszelle heraus. Das kann kein Satiriker erfinden.

    Auch die Spesenregelungen des Europäischen Parlaments verwundern Semsrott. Wie alle Abgeordneten bekommt er eine Bahn Card erster Klasse für Deutschland und Belgien, kann aber zusätzlich Bahntickets für die Strecke Brüssel-Berlin geltend machen, ohne Belege einreichen zu müssen. Er erhält 539 Euro zurück, obwohl er keine Ausgaben hatte. Bei einem zweiten Mal sind es nur 529 Euro, eine andere der insgesamt 8.000 Parlamentsmitarbeiter hatte andere Maßstäbe angelegt. Semsrott spendet das Geld.

    Im Graubereich zwischen Lobbyismus und Korruption

    Die Affäre Kaili, die Brüssel Ende 2022 in Aufruhr versetzt, beruhigt den Satiriker. Die Korruption, die er um sich herum wahr genommen hat, existiert real: “Das heißt, ich spinne nicht.” An anderer Stelle listet er Abgeordnete auf, die weiterhin als Anwälte arbeiten: Rainer Wieland, Axel Voss, Andreas Schwab, Angelika Niebler und Nicola Beer. Bei Voss kommen 500 bis 1000 Euro von der Deutschen Telekom im Monat hinzu. “Ich will nicht sagen, dass Rainer Wieland und all die anderen korrupt sind”, schreibt Semsrott. “Ich sage nur: Wenn ich korrupt wäre, dann würde ich es genau so machen.” Wieland verdient nach eigenen Angaben nichts hinzu. Seine Kanzlei bietet aber im Internet Gesprächstermine an.

    Befremdet haben Semsrott auch die Begegnungen mit Lobbyisten, etwa die mit einem namentlich nicht genannten Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrats. Der Mann habe ihn nach einer Veranstaltung mit “Herr Sonnenrott” angesprochen, ihm mitgeteilt, dass er auch einmal SPD Mitglied gewesen sei und von seinem gut bestückten Weinkeller zu Hause erzählt. Die Einladung hat Semsrott nicht angenommen.

    Wie angemessen ist die Kritik von einem, der offen zugibt, dass ihn die monatliche Diät von 9.975,42 Euro davon abgehalten hat, vor Ablauf der Legislaturperiode hinzuschmeißen? Im Parlament dürfte sich Semsrott mit dem Buch keine Freunde machen.

    Weil Semsrott Transparenz wichtig ist, legt er großen Wert auf die Klarstellung, das Buch nicht selbst geschrieben zu haben. Andere haben das für ihn erledigt, basierend auf Notizen. Er habe es noch nicht einmal selbst gelesen, kokettiert er. Nach fünf Jahren im Europäischen Parlament bleibt er Satiriker. Silke Wettach

    • Europäisches Parlament

    Europe.Table Redaktion

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