für die kommenden Tage versprechen die Wettervorhersagen alles andere als schöne Aussichten. Mit Blick auf die Prognosen lasse sich bereits sagen, dass dieser Juli der heißeste Monat seit Beginn der Industrialisierung sei, warnte gestern der Leipziger Klimawissenschaftler Karsten Haustein. Die globale 1,5-Grad-Schwelle sei im Juli bereits erreicht worden. Ähnliche Meldungen kamen vom europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus.
Die Juli-Temperaturen sind wahrscheinlich seit Tausenden von Jahren ohne Beispiel. Der UNO-Generalsekretär musste deshalb gestern Dampf ablassen. “Die Ära der globalen Erwärmung ist vorüber. Die Ära des globalen Kochens ist angebrochen“, sagte António Guterres, der für seine drastischen Botschaften bekannt ist. Bei manchem Hitzkopf kommen mahnende Worte dagegen gar nicht gut an.
“Wenn es dir nicht passt, bleib zu Hause”, wetterte der Lebenspartner von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der TV-Moderator Andrea Giambruno in seiner Sendung gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der hatte bekanntlich auf Twitter vom Ende einer Ära fabuliert und, dass Urlaubsziele wie Italien keine Zukunft mehr hätten.
Dabei gibt es doch Gegenmittel. Guterres rief Politiker auf, umgehend drastische Schritte gegen den Klimawandel einzuleiten. Die Kommission will aber auch Wege beschreiten, die – wenn überhaupt – erst in Jahrzehnten Erfolge zeigen dürften. Anfang kommenden Jahres will die Kommission eine neue Fusionsstrategie vorlegen. Meine News dazu lesen Sie hier.
Wenn es um die Regulierung von Künstlicher Intelligenz geht, dann starten die USA von einem ganz anderen Ausgangspunkt als die EU: US-Unternehmen sind führend in dieser Technologie, Europa steht hingegen noch relativ am Anfang der Entwicklung. Während jenseits des Atlantiks mehrere Global Player das Feld besetzt haben, versuchen auf dieser Seite Newcomer ihr Glück.
Auch die strategische Ausrichtung unterscheidet sich: Während die Europäer wie so oft auf die Risiken blicken, betonen US-Politiker das Potenzial von KI. So erklärte Nathaniel Fick, US-Sonderbotschafter für Cyberspace und Digital Policy, in einem Briefing für die internationale Presse: Das Leitprinzip der Vereinigten Staaten bestehe darin, die Innovationskraft zu wahren und die Vorteile von KI zu nutzen. “Das sollte unser Leitstern bleiben”, sagte Fick. Dennoch gebe es natürlich Risiken, und es sei wichtig, dass die Regierungen verantwortungsvolle Leitplanken errichteten, um die Bürger zu schützen.
Im Nachsatz sagt Fick noch etwas Bemerkenswertes: “Ich möchte sagen, dass wir hier in den USA die Lehren aus der jüngsten Vergangenheit gezogen haben. Wir beabsichtigen nicht, bei der Steuerung der künstlichen Intelligenz einen passiven Ansatz zu verfolgen.” Auch in den USA hat die Politik erkannt, dass die Machtfülle der großen Tech-Unternehmen zu einer Bedrohung der Demokratie werden kann. Daher will auch Washington die KI-Entwicklung nicht einfach so laufen lassen. Mehr noch: Die Regierung hat die KI-Regulierung zur Chef-Sache erklärt.
So war es US-Präsident Joe Biden, der vor wenigen Tagen sieben führende KI-Unternehmen – Amazon, Anthropic, Google, Inflection, Meta, Microsoft und OpenAI – ins Weiße Haus einbestellte. Sein Ziel: Von ihnen eine freiwillige Selbstverpflichtung einzuholen, zu einer sicheren und transparenten KI-Entwicklung beizutragen.
Sonderbotschafter Fick hatte die Verpflichtungen gemeinsam mit den sieben Unternehmen erarbeitet. Damit sollen sie nun beginnen, eine Führungsstruktur für KI aufzubauen. Die Selbstverpflichtung umfasst drei Bereiche:
“Wir haben aus zwei Gründen mit Freiwilligkeit angefangen”, erklärt Fick. Erstens behindere eine freiwillige Verpflichtung der Unternehmen nicht die Innovationsfähigkeit. Und zweitens bedeute freiwillig schnell. “Angesichts des Tempos des technologischen Wandels haben wir kein Jahrzehnt Zeit, um hier eine Führungsstruktur einzurichten.” In diesem Punkt sind sich die Politiker beiderseits des Atlantiks einig.
Dennoch fällt die Reaktion der EU-Kommission auf den Vorstoß der Amerikaner zurückhaltend aus. Die Kommission bezeichnete die freiwilligen Selbstverpflichtungen als wichtigen ersten Schritt. “Gleichzeitig ist ein klarer rechtlicher Rahmen erforderlich, um das innovative Potenzial der KI freizusetzen und gleichzeitig die mit diesen Technologien verbundenen Risiken zu begrenzen“, sagte der Sprecher. Daher seien verbindliche Vorschriften und ein klarer Durchsetzungsmechanismus vorzuziehen.
Was die Europäer stört: Wenn große US-Tech-Unternehmen sich quasi selbst regulieren, wird diese Regulierung sie selbst weniger belasten als die Unternehmen in Europa. Die Europäer kontern dagegen mit dem Gesetz über digitale Dienste (DSA), das bereits die Transparenz von Algorithmen vorschreibt, wenn KI-Modelle von großen Online-Plattformen bereitgestellt werden.
Die EU erkennt jedoch ebenfalls, dass sie angesichts der dynamischen Entwicklung der KI schnell sein muss. Deswegen möchte Binnenmarktkommissar Thierry Breton auch, dass sich die Unternehmen bereits – freiwillig – an die Regeln des AI Acts halten, noch bevor er in Kraft ist (AI Pact).
Ein bisschen schwerer tut sich die EU, wenn es darum geht, den Vorstoß der Amerikaner in die vielen Diskussionen über Leitplanken für KI auf globaler Ebene einzuordnen. Bei der Sitzung des Technologie- und Handelsrates (TTC) im Mai im schwedischen Luleå hatten US-Außenminister Antony Blinken und EU-Kommissarin Margrethe Vestager noch beschlossen, gemeinsam daran zu arbeiten und in den Hiroshima-KI-Prozess der G7 einzubringen. Dann zog das Weiße Haus das Thema an sich. “Die Kommission ist zuversichtlich, dass die Verpflichtungen der USA zu diesen internationalen Prozessen beitragen werden”, sagt nun der Sprecher in Brüssel.
“Wenn wir schnell handeln, erkennen wir, dass derzeit nicht jede Antwort zufriedenstellend ist und dass wir kein vollständiges Bild von allen potenziellen Nachteilen haben, mit denen wir möglicherweise rechnen müssen”, erklärt Seth Center, stellvertretender Beauftragter für kritische und neu entstehende Technologien im US-Außenministerium. “Dies muss jedoch ein Ausgangspunkt sein. Und wir sind bestrebt, dies gemeinsam mit unseren Partnern voranzutreiben.”
Sonderbotschafter Fick betont, dass die Selbstverpflichtung nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer soliden und flexiblen Führungsstruktur sei. “Sie sind nicht der letzte Schritt.” Das Außenministerium sei nun in der Pflicht, die multilateralen Gespräche zu führen. Mit etwa 20 der engsten Partner habe es bereits Gespräche gegeben, sagt Fick. “Wir beabsichtigen, den vollständigen Hiroshima-Prozess der G7 unter japanischer Führung durchzuarbeiten”, kündigte er an.
Ebenso wolle die USA an dem globalen Gipfel zur KI-Sicherheit teilnehmen, den der britische Premierminister Rishi Sunak für diesen Herbst in London angekündigt hat. Auch würden die USA mit den Vereinten Nationen umfassend zusammenarbeiten, “um die Vorteile der KI zur Unterstützung der Ziele für nachhaltige Entwicklung zu nutzen”. Nur das TTC erwähnt Fick nicht.
Das sei kein vorsätzliches Versäumnis gewesen, sagte er auf Nachfrage. Das fünfte Treffen des TTC werden noch in diesem Jahr in den Vereinigten Staaten stattfinden, die Zusammenarbeit zwischen mit der EU in Bezug KI werde auch dort ein wichtiges Diskussionsthema sein. Lobenswert sei, dass sich die EU seit geraumer Zeit auf die Steuerung von KI konzentriere. Die Steuerungs- und Regulierungsstruktur müsse den Risiken begegnen, ohne die Innovationsfähigkeit der Unternehmen einzuschränken.
Als Warnung verwies er auf die Telekommunikationstechnik, in der die USA und Europa ihre führende Stellung verloren hätten. “Das ist ein wichtiges Beispiel dafür, warum es wichtig ist, dass wir bewusst vorgehen und dass wir unsere Herangehensweise an diese Technologien mit vertrauenswürdigen Lieferanten koordinieren”, sagte der Sonderbotschafter. Es sei kein Zufall, dass die fünf weltweit führenden Unternehmen im Bereich Cloud-Computing allesamt amerikanische Unternehmen seien. Die USA hätten ein Interesse daran, dass KI in vielen Teilen der Welt entwickelt werde – auch in der EU. “Deshalb ist es unerlässlich, dass der regulatorische Ansatz der EU diese Innovation nicht behindert“, sagte Fick.
Die Texte der Table.Media-Serie “Der Globale Wettlauf um Künstliche Intelligenz” finden Sie hier.
“Fühlen Sie sich nicht ein bisschen allein, verwundbar, angesichts dieser Welle aus Khaki um sie herum?” So lautete die erste Frage im großen Exklusiv-Interview mit Präsident Mohamed Bazoum für das französische Magazin Jeune Afrique vor nur zwei Monaten. Gemeint war die isolierte Lage Nigers in der Sahelzone, als einzig verbliebene Demokratie inmitten von militärischen Putschregimen. “Unsere Region ist leider eine schwierige. Und afrikanische Staaten können Opfer dieser Schwierigkeiten werden”, antwortete Bazoum.
Nun ist offenbar auch Niger unter Bazoums Führung Opfer dieser Schwierigkeiten geworden. Nachdem sich die Armee am Donnerstag auf die Seite der putschenden Militärs stellte, dürfte der Staatsstreich und die Absetzung des demokratisch gewählten Präsidenten vollzogen sein. Mit dem Putsch in Niger, das mit den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso ein besonders von Terrorismus und Gewalt betroffenes Dreiländereck bildet, fällt der letzte demokratische Partner der Europäischen Union im Zentrum der Sahelregion.
Von Guinea im Westen über Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad bis hin zum Sudan im Osten zieht sich somit ein geschlossener Gürtel aus Militärregimen quer über den afrikanischen Kontinent. Die Europäische Union verurteile den Destabilisierungsversuch im Niger scharf, hieß es in einer Mitteilung am Donnerstag. Auch die Bundesregierung, die USA und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas äußerten ihre Missbilligung.
Wie sich die Zukunft in Niger und insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Niger und der EU weiter gestalte, sei noch nicht absehbar, sagte die auf Niger spezialisierte Analystin Delina Goxho im Gespräch mit Table.Media. “Ich denke, das Wichtigste im Moment ist zu sagen, dass niemand von uns diese Entwicklung vorhergesehen hat. Die große Frage ist, ob die neue Führung ideologisch Mali und Burkina Faso nähersteht oder weiterhin von Europa und den USA profitieren möchte, so wie etwa der Tschad.”
Mali unter Oberst Assimi Goïta und Burkina Faso, das seit Oktober vergangenen Jahres von Hauptmann Ibrahima Traoré angeführt wird, haben sich beide weg von der EU und mehr hin zu Russland orientiert. Mit dem für Jahresende beschlossenen Ende der UN-Mission in Mali (Minusma) ist die Wichtigkeit Nigers als Partner für die EU weiter gestiegen.
Erst Ende 2022 beschloss die EU für Niger eine auf drei Jahre angelegte Militärmission. Nach Angaben der EU vom Donnerstag gibt es noch keine Entscheidung über die Zukunft der Militärunterstützung. Die in Niger stationierten Bundeswehrsoldaten sind nach Angaben der Bundeswehr in Sicherheit. Die Bundeswehr unterhält in der Hauptstadt Niamey einen Lufttransportstützpunkt für das militärische Engagement in Westafrika. Dort arbeiten rund 100 deutsche Soldaten.
“Da es ein sehr unvermittelter Coup war, ist auch schwer zu sagen, wie die Menschen auf den Straßen in den kommenden Tagen reagieren werden”, erklärte Goxho. Am Mittwochabend hatte es einige Gegendemonstrationen in Niamey gegeben, am Donnerstag berichteten Journalisten vor Ort von kleineren Demonstrationen für einen Machtwechsel.
Die EU ist seit 2012 mit der Ausbildungsmission EUCAP Sahel Niger in dem westafrikanischen Land mit rund 26 Millionen Einwohnern präsent. EUCAP konzentrierte sich auf den Kampf gegen den Terror und die organisierte Kriminalität. Die neue Chefin der EUCAP, Katja Dominik, traf sich zuletzt Anfang Juli mit örtlichen Vertretern des UN-Entwicklungsprogramms. Niger zählt zu den ärmsten Ländern der Welt.
Seit 2016 ist EUCAP auch in Agadez, im Norden Nigers präsent. Agadez war lange Zeit ein wichtiger Knotenpunkt für Menschen, die nach Europa migrieren wollten und Niger auf ihrer Route in Richtung Mittelmeer durchquerten. Die EU und Niger einigten sich vor gut einem Jahr darauf, im Kampf gegen Menschenschmuggel zusammenzuarbeiten.
Der Leiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako sagte im Gespräch mit Table.Media, der Blick auf die ganze Sahel-Region und auch die angrenzenden Länder am westafrikanischen Golf sei wichtig. “Insofern ist die Initiative Sahel Plus, die ja auch die Küstenstaaten einbezieht, ein richtiger Ansatz. Es wird sich die Frage stellen, wie man mit den Putschisten kooperieren kann”, sagte Christian Klatt. “Man darf sie nicht legitimieren, ganz klar, aber wir sollten auch die Bevölkerung nicht allein lassen.”
Wer genau die Drahtzieher hinter dem Putsch in Niger sind, ist bisher nicht klar. Le conseil national pour la sauvegarde de la patrie, der nationale Rat zum Schutz des Vaterlandes, so nennt sich die Gruppe der Putschisten. Die im nationalen Fernsehsender verlesenen Mitteilungen sind nicht namentlich gezeichnet.
Beobachter vermuten, dass auch ein Machtkampf in Niamey hinter dem Staatsstreich stecken könnte. “Es gab ja direkt nach der Wiederwahl von Präsident Mohamed Bazoum im Jahr 2021 schon einen Putschversuch“, erinnert sich Christian Klatt von der FES in Bamako. “Der Coup jetzt kam also nicht aus dem Nichts. Er wird die westlichen Partner allerdings vor echte Herausforderungen stellen.”
Bazoums Amtseinführung im April 2021 war der erste friedliche demokratische Machtwechsel im Land seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1960. Bazoum diente unter seinem Vorgänger Mahamadou Issoufou seit 2011 als Außen- und Innenminister, bis er zur Nachfolge des nach zwei Amtszeiten ausgeschiedenen Issoufou antrat. Er gewann mit rund 56 Prozent der Stimmen. Issoufou behielt viel Einfluss.
Die EU-Kommission will eine neue Strategie zur Kernfusion vorlegen, die Veröffentlichung ist für das erste Quartal 2024 geplant. Das geht aus einem neuen Datenbankeintrag der Kommission hervor. Die Strategie ist als Mitteilung der Kommission angekündigt. Deshalb wird sie höchstwahrscheinlich breiter angelegt sein als die Forschungs-Roadmap des europäischen Konsortiums EUROfusion, die einen anderen formalen Status hat.
Die Roadmap erschien erstmals 2012 und galt bisher als die Fusionsstrategie der EU. Auf Strategie-Mitteilungen der Kommission folgen dagegen in der Regel Gesetzesvorschläge. Bis Redaktionsschluss konnte die Generaldirektion Energie keine näheren Informationen zur geplanten Strategie nennen.
Die Fusionsforschung steht weltweit vor einer Neuordnung. Großbritannien und die USA haben die Regulierung geändert und ziehen Start-ups in einem Feld an, das lange von staatlich finanzierten Großforschungseinrichtungen dominiert wurde.
Für den Bau von Fusionskraftwerken brauche es eine politische Agenda, forderte unlängst die wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, Sibylle Günter, im Interview mit Table.Media. “Es ist gut, dass sich etwas bewegt. Aber aus meiner Sicht ist das ein rein reaktives Verhalten”, sagte gestern André Loesekrug-Pietri, Vorsitzender der Joint European Disruptive Initiative (JEDI). Die Kommission reagiere auf die Strategien in Deutschland und Frankreich und auf die zunehmenden Lockangebote für europäische Start-ups aus den USA.
“Die EU handelt so, wie sie immer handelt. Es werden Milliarden an Fördermitteln ausgelobt, aber so wie die Förderprogramme laufen, ist das verschwendetes Geld”, sagte der Chef der privaten Initiative. “Wir brauchen neue Formen des Private-Public-Partnerships, denn Sprunginnovationen werden nicht von Staaten und mächtigen Bürokraten realisiert.”
Die großen Forschungsgemeinschaften wie Helmholtz und Max-Planck warten wiederum nach Kürzungen im europäischen Fusionsforschungsprogramm in der Corona-Zeit auf frisches Geld. “Mit neuen Ressourcen könnten wir mehrere Technologien und Einzelaufgaben parallel beforschen und die Entwicklung der Kernfusion beschleunigen”, sagte gestern Klaus Hesch, Sprecher der Fusionsforschung am KIT. ber
Eines der Prestigeprojekte der EU gegen hohe Gaspreise könnte durch mangelhafte Mitarbeit europäischer Gasfirmen unbrauchbar zu werden. Die europäische Regulierungsbehörde ACER forderte alle Flüssiggasunternehmen am Donnerstag auf, die Qualität ihrer Datenmeldungen zu verbessern. In Extremfällen könne die Qualität der gemeldeten Daten zu ungenauen LNG-Preisbewertungen führen, schreibt die Agentur in einem offenen Brief. ACER bemängelte Vollständigkeit, Genauigkeit und Pünktlichkeit.
Seit Ende März veröffentlicht die Regulierungsbehörde tägliche Preisbewertungen von Flüssiggasgeschäften in der EU. Die Benchmarks sollen für mehr Preistransparenz sorgen und Mitgliedstaaten bei enger werdenden Gasmärkten vor Gewinnmitnahmen von Händlern schützen. Der Rat hatte dies am 24. November vergangenen Jahres als eine der Notfallmaßnahmen in der Gaskrise beschlossen.
Die Kommission hatte gehofft, dass sich die Indizes von ACER gegen den am Markt etablierten TTF-Index durchsetzen. Weil viele Gaslieferverträge an den niederländischen TTF gekoppelt sind, zog dessen Anstieg im vergangenen Jahr viele andere Verträge im restlichen Europa mit in die Höhe. Der Sinn eines alternativen Indizes war unter Experten von Anfang an umstritten, zudem sind die Gaspreise inzwischen stark gesunken.
Die Kommission genehmigte gestern außerdem Beihilfen der Bundesregierung in Höhe von 40 Millionen Euro für das LNG-Terminal Brunsbüttel. Das landseitige Terminal soll nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ein schwimmendes FSRU ablösen und Ende 2026 in Betrieb gehen. Es soll die Einfuhr von zehn Milliarden Kubikmetern (bcm) LNG pro Jahr ermöglichen. Von der Beihilfe profitieren die Gesellschafter RWE und Gasunie. ber
Kremlchef Wladimir Putin hat auf dem zweiten Afrika-Gipfel in St. Petersburg den afrikanischen Staaten verlässliche Getreidelieferungen zugesichert. “Russland bleibt ein zuverlässiger Lieferant von Nahrung für Afrika”, sagte er am Donnerstag. Zusätzlich kündigte er an, sechs afrikanischen Staaten, darunter Mali, Burkina Faso und Eritrea, in den kommenden Monaten jeweils bis zu 50.000 Tonnen kostenlos zu liefern. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, warnte daraufhin, dass eine “Handvoll Spenden” die dramatischen Auswirkungen durch das Auslaufen des Schwarzmeerabkommens nicht ausgleichen könne.
Vergangene Woche hatte Putin das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer aufgekündigt. Dies hatte zu Verunsicherung auf den globalen Lebensmittelmärkten geführt. Die Weltmarktpreise für Weizen stiegen daraufhin in den vergangenen Tagen um etwa zehn Prozent.
Das Getreideabkommen war im Juli 2022 unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossen worden. Putin lehnt eine Wiederaufnahme des Abkommens ab und verlangt eine Lockerung der westlichen Sanktionen. Diese würden russische Getreide- und Düngerexporte behindern.
Auf dem Gipfel sind nach Angaben des Kreml 49 der 54 Länder des Kontinents vertreten. Es nehmen jedoch nur 17 Staats- und Regierungschefs teil. Das sind weniger als beim ersten Gipfel, der 2019 in Sotschi stattgefunden hat.
Putin sprach sich für einen massiven Ausbau der russisch-afrikanischen Beziehungen aus. Der Vorsitzende der Afrikanischen Union Azali Assoumani sprach von einem “brüderlichen Empfang” in Russland und lobte die Unterstützung Russlands für Afrika. Putins Hauptrede wird heute, am letzten Tag des zweitägigen Gipfels, erwartet. dpa/rtr
Die EU-Kommission untersucht, ob Microsoft unfairen Wettbewerb mit der Einbindung des Kommunikationsdienstes Teams in seine Plattformen mit anderer Bürosoftware betreibt. Die Brüsseler Wettbewerbshüter zeigten sich am Donnerstag besorgt, dass Teams dadurch gegenüber anderen Diensten bevorteilt werden könnte.
Microsoft versicherte in einer Reaktion am Donnerstag, man respektiere die Arbeit der Kommission an dem Fall und wolle Lösungen finden, die ihre Bedenken ausräumen. Auslöser für das Verfahren war eine Beschwerde des Konkurrenten Slack im Sommer 2020. Der inzwischen zum Unternehmenssoftware-Anbieter Salesforce gehörende Dienst sieht sich durch die Einbindung von Teams in die Plattformen Office 365 und Microsoft 365 benachteiligt. Microsoft falle in alte Verhaltensmuster zurück, kritisierte Slack damals in Anspielung auf frühere Wettbewerbsverfahren, in denen es unter anderem um die Bündelung des Webbrowsers Internet Explorer und des Betriebssystems Windows ging. Microsoft war wegen der Vorwürfe vor mehr als 20 Jahren beinahe zerschlagen worden und agierte seitdem sehr vorsichtig in Wettbewerbsfragen.
Einem Bericht der “Financial Times” zufolge bot Microsoft an, die automatische Installation von Teams bei Office-Kunden aufzugeben. Microsoft habe dies jedoch nur für die EU zugesagt, während die Brüsseler Wettbewerbshüter auf einer weltweiten Umsetzung bestanden hätten, schrieb die Zeitung. Von der EU-Kommission hieß es dazu am Donnerstag lediglich, man habe von Microsoft keinen Vorschlag bekommen, der die Bedenken ausgeräumt hätte – und deswegen sei das förmliche Wettbewerbsverfahren eingeleitet worden. Es sei zu früh, über mögliche Lösungen zu sprechen.dpa
Vertreter aus dem Open-Source-KI-Ökosystem fordern die EU auf, bei der Fertigstellung des AI Acts Open-Source-Innovation zu schützen. In einem Positionspapier schreiben GitHub, Hugging Face, Creative Commons und andere, die Gesetzgeber müssten “sicherstellen, dass das endgültige KI-Gesetz das offene Ökosystem zum Aufbau einer sicheren, zuverlässigen und nützlichen KI-Technologie unterstützen kann”.
Der AI Act habe das Potenzial, maßgeblich zu beeinflussen, wie KI weltweit entwickelt, implementiert und reguliert werde, heißt es darin. Dabei könnte es kontraproduktiv sein, wenn die Nuancen der Open-Source-Entwicklung außer Acht gelassen würden.
“Open Source und Open Science befinden sich im Kern der KI-Entwicklung, wurden aber sowohl in der Politik als auch in der Presse oft übersehen”, beklagen die Autoren. Sie machen in ihrem Positionspapier konkrete Änderungsvorschläge, die sicherstellen sollen, “dass der AI Act für Open Source funktioniert“.
Vor allem zwei Punkte heben die Unterzeichner hervor:
Die aktuellen Gesetzesvorschläge würden dagegen Hindernisse und Nachteile für die Teilnehmer des offenen Ökosystems schaffen. Die Organisationen vertreten sowohl kommerzielle als auch gemeinnützige Interessengruppen im Open-Source-KI-Ökosystem. vis
Viele Innovationen im Bereich der Photovoltaik kommen ursprünglich aus deutschen oder europäischen Forschungseinrichtungen. Die Massenproduktion von Solarmodulen hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch fast vollständig nach Asien, insbesondere China, verlagert, auch weil dortige Regierungen diese Produktionsanlagen massiv gefördert haben. Aber können wir wirklich auf eine eigene Solarindustrie verzichten? Sollten wir uns in Europa darauf beschränken, zu forschen und vielleicht noch Prototypen zu entwickeln, die dann anderswo produziert werden? Ich bin davon überzeugt, dass dies fatal wäre. Nicht nur, weil es Abhängigkeiten schafft, sondern auch, weil die Abwesenheit von relevanten Industrieanlagen unsere Innovationskraft deutlich reduziert.
Denn auch wenn eine Technologie produktionsreif ist und bereits als Massenfertigung läuft, wird sie stetig weiter verbessert – oft in sehr kleinen, inkrementellen Schritten. Diese Verbesserungen können nur im engen Kontakt mit der Produktionspraxis gelingen, wo dazu Daten und Beobachtungen anfallen und ausgewertet werden. In den Laboren einer Forschungseinrichtung dagegen arbeiten Expertinnen und Experten mit sehr viel kleineren Solarzellen und anderen Verfahren, sodass sie Optimierungspotenziale im Prozessablauf einer Massenproduktion schlicht nicht erkennen können.
Daher ist es eine Tatsache, dass die besten Silizium-Solarzellen heute nicht im Labor von Forschungseinrichtungen produziert werden, sondern von den bekannten Unternehmen, die Siliziumtechnologien in allen Varianten perfektioniert haben. Das gilt für alle Technologien mit hohem Technology Readiness Level (TRL). Für Entwicklungen mit niedrigem TRL wie den Tandem-Solarzellen gilt dies noch nicht: Hier punkten die Forschungseinrichtungen mit neuen Materialien, Strukturen und Verfahren, mit denen sie neue Wirkungsgradrekorde erzielen können. Nur müssen solche vielversprechenden Konzepte aus der Forschung dann auch in die Anwendung kommen, und zwar schnell. Entscheidend für einen schnellen Technologietransfer sind vertrauensvolle Kooperationen mit Unternehmen, die Erfahrung in der Massenproduktion mit modernsten Anlagen besitzen.
Für die Technologieführerschaft und eine innovative, starke Wirtschaft brauchen wir also beides: Sowohl die Forschung im Labor, die neue Ideen voranbringt, als auch Forschung und Entwicklung in Unternehmen – nur so schaffen wir insgesamt eine schlagkräftige Innovationskette.
Aktuell kommen fast 90 Prozent der Solarmodule aus China. Seit einiger Zeit bauen jedoch auch die USA und Indien aktiv eigene PV-Unternehmen auf, unterstützen sie mit Finanzierungsmaßnahmen und schützen sie mit Zöllen vor Konkurrenz. Denn die PV-Industrie nimmt strategisch einen entscheidenden Platz für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft ein, das hat nicht nur China erkannt, sondern auch die USA und Indien: Eine starke PV-Industrie verringert die Abhängigkeit von fossilen Importen und ermöglicht Klimaschutz zu günstigsten Strompreisen. Denn dank großer Fortschritte durch Forschung kostet die Kilowattstunde Sonnenstrom heute im Vergleich zu anderen Energiequellen am wenigsten. Eine leistungsstarke und innovative PV-Industrie sorgt für eine starke positive Dynamik. Auf diesen Wirtschaftsmotor sollten wir in Deutschland und Europa nicht verzichten.
Rutger Schlatmann ist Vorsitzender der Europäischen Technologie- und Innovationsplattform für Photovoltaik (ETIP PV), die zu Fragen der Energiepolitik und zum Ausbau der Photovoltaik in Europa berät. Am Helmholtz-Zentrum Berlin leitet Schlatmann den Bereich Solarenergie. Zusammen mit knapp 50 weltweit renommierten Fachleuten hat der Physiker kürzlich einen Aufruf in der Fachzeitschrift Science publiziert, der den zügigen Ausbau der Photovoltaik fordert.
für die kommenden Tage versprechen die Wettervorhersagen alles andere als schöne Aussichten. Mit Blick auf die Prognosen lasse sich bereits sagen, dass dieser Juli der heißeste Monat seit Beginn der Industrialisierung sei, warnte gestern der Leipziger Klimawissenschaftler Karsten Haustein. Die globale 1,5-Grad-Schwelle sei im Juli bereits erreicht worden. Ähnliche Meldungen kamen vom europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus.
Die Juli-Temperaturen sind wahrscheinlich seit Tausenden von Jahren ohne Beispiel. Der UNO-Generalsekretär musste deshalb gestern Dampf ablassen. “Die Ära der globalen Erwärmung ist vorüber. Die Ära des globalen Kochens ist angebrochen“, sagte António Guterres, der für seine drastischen Botschaften bekannt ist. Bei manchem Hitzkopf kommen mahnende Worte dagegen gar nicht gut an.
“Wenn es dir nicht passt, bleib zu Hause”, wetterte der Lebenspartner von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der TV-Moderator Andrea Giambruno in seiner Sendung gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der hatte bekanntlich auf Twitter vom Ende einer Ära fabuliert und, dass Urlaubsziele wie Italien keine Zukunft mehr hätten.
Dabei gibt es doch Gegenmittel. Guterres rief Politiker auf, umgehend drastische Schritte gegen den Klimawandel einzuleiten. Die Kommission will aber auch Wege beschreiten, die – wenn überhaupt – erst in Jahrzehnten Erfolge zeigen dürften. Anfang kommenden Jahres will die Kommission eine neue Fusionsstrategie vorlegen. Meine News dazu lesen Sie hier.
Wenn es um die Regulierung von Künstlicher Intelligenz geht, dann starten die USA von einem ganz anderen Ausgangspunkt als die EU: US-Unternehmen sind führend in dieser Technologie, Europa steht hingegen noch relativ am Anfang der Entwicklung. Während jenseits des Atlantiks mehrere Global Player das Feld besetzt haben, versuchen auf dieser Seite Newcomer ihr Glück.
Auch die strategische Ausrichtung unterscheidet sich: Während die Europäer wie so oft auf die Risiken blicken, betonen US-Politiker das Potenzial von KI. So erklärte Nathaniel Fick, US-Sonderbotschafter für Cyberspace und Digital Policy, in einem Briefing für die internationale Presse: Das Leitprinzip der Vereinigten Staaten bestehe darin, die Innovationskraft zu wahren und die Vorteile von KI zu nutzen. “Das sollte unser Leitstern bleiben”, sagte Fick. Dennoch gebe es natürlich Risiken, und es sei wichtig, dass die Regierungen verantwortungsvolle Leitplanken errichteten, um die Bürger zu schützen.
Im Nachsatz sagt Fick noch etwas Bemerkenswertes: “Ich möchte sagen, dass wir hier in den USA die Lehren aus der jüngsten Vergangenheit gezogen haben. Wir beabsichtigen nicht, bei der Steuerung der künstlichen Intelligenz einen passiven Ansatz zu verfolgen.” Auch in den USA hat die Politik erkannt, dass die Machtfülle der großen Tech-Unternehmen zu einer Bedrohung der Demokratie werden kann. Daher will auch Washington die KI-Entwicklung nicht einfach so laufen lassen. Mehr noch: Die Regierung hat die KI-Regulierung zur Chef-Sache erklärt.
So war es US-Präsident Joe Biden, der vor wenigen Tagen sieben führende KI-Unternehmen – Amazon, Anthropic, Google, Inflection, Meta, Microsoft und OpenAI – ins Weiße Haus einbestellte. Sein Ziel: Von ihnen eine freiwillige Selbstverpflichtung einzuholen, zu einer sicheren und transparenten KI-Entwicklung beizutragen.
Sonderbotschafter Fick hatte die Verpflichtungen gemeinsam mit den sieben Unternehmen erarbeitet. Damit sollen sie nun beginnen, eine Führungsstruktur für KI aufzubauen. Die Selbstverpflichtung umfasst drei Bereiche:
“Wir haben aus zwei Gründen mit Freiwilligkeit angefangen”, erklärt Fick. Erstens behindere eine freiwillige Verpflichtung der Unternehmen nicht die Innovationsfähigkeit. Und zweitens bedeute freiwillig schnell. “Angesichts des Tempos des technologischen Wandels haben wir kein Jahrzehnt Zeit, um hier eine Führungsstruktur einzurichten.” In diesem Punkt sind sich die Politiker beiderseits des Atlantiks einig.
Dennoch fällt die Reaktion der EU-Kommission auf den Vorstoß der Amerikaner zurückhaltend aus. Die Kommission bezeichnete die freiwilligen Selbstverpflichtungen als wichtigen ersten Schritt. “Gleichzeitig ist ein klarer rechtlicher Rahmen erforderlich, um das innovative Potenzial der KI freizusetzen und gleichzeitig die mit diesen Technologien verbundenen Risiken zu begrenzen“, sagte der Sprecher. Daher seien verbindliche Vorschriften und ein klarer Durchsetzungsmechanismus vorzuziehen.
Was die Europäer stört: Wenn große US-Tech-Unternehmen sich quasi selbst regulieren, wird diese Regulierung sie selbst weniger belasten als die Unternehmen in Europa. Die Europäer kontern dagegen mit dem Gesetz über digitale Dienste (DSA), das bereits die Transparenz von Algorithmen vorschreibt, wenn KI-Modelle von großen Online-Plattformen bereitgestellt werden.
Die EU erkennt jedoch ebenfalls, dass sie angesichts der dynamischen Entwicklung der KI schnell sein muss. Deswegen möchte Binnenmarktkommissar Thierry Breton auch, dass sich die Unternehmen bereits – freiwillig – an die Regeln des AI Acts halten, noch bevor er in Kraft ist (AI Pact).
Ein bisschen schwerer tut sich die EU, wenn es darum geht, den Vorstoß der Amerikaner in die vielen Diskussionen über Leitplanken für KI auf globaler Ebene einzuordnen. Bei der Sitzung des Technologie- und Handelsrates (TTC) im Mai im schwedischen Luleå hatten US-Außenminister Antony Blinken und EU-Kommissarin Margrethe Vestager noch beschlossen, gemeinsam daran zu arbeiten und in den Hiroshima-KI-Prozess der G7 einzubringen. Dann zog das Weiße Haus das Thema an sich. “Die Kommission ist zuversichtlich, dass die Verpflichtungen der USA zu diesen internationalen Prozessen beitragen werden”, sagt nun der Sprecher in Brüssel.
“Wenn wir schnell handeln, erkennen wir, dass derzeit nicht jede Antwort zufriedenstellend ist und dass wir kein vollständiges Bild von allen potenziellen Nachteilen haben, mit denen wir möglicherweise rechnen müssen”, erklärt Seth Center, stellvertretender Beauftragter für kritische und neu entstehende Technologien im US-Außenministerium. “Dies muss jedoch ein Ausgangspunkt sein. Und wir sind bestrebt, dies gemeinsam mit unseren Partnern voranzutreiben.”
Sonderbotschafter Fick betont, dass die Selbstverpflichtung nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer soliden und flexiblen Führungsstruktur sei. “Sie sind nicht der letzte Schritt.” Das Außenministerium sei nun in der Pflicht, die multilateralen Gespräche zu führen. Mit etwa 20 der engsten Partner habe es bereits Gespräche gegeben, sagt Fick. “Wir beabsichtigen, den vollständigen Hiroshima-Prozess der G7 unter japanischer Führung durchzuarbeiten”, kündigte er an.
Ebenso wolle die USA an dem globalen Gipfel zur KI-Sicherheit teilnehmen, den der britische Premierminister Rishi Sunak für diesen Herbst in London angekündigt hat. Auch würden die USA mit den Vereinten Nationen umfassend zusammenarbeiten, “um die Vorteile der KI zur Unterstützung der Ziele für nachhaltige Entwicklung zu nutzen”. Nur das TTC erwähnt Fick nicht.
Das sei kein vorsätzliches Versäumnis gewesen, sagte er auf Nachfrage. Das fünfte Treffen des TTC werden noch in diesem Jahr in den Vereinigten Staaten stattfinden, die Zusammenarbeit zwischen mit der EU in Bezug KI werde auch dort ein wichtiges Diskussionsthema sein. Lobenswert sei, dass sich die EU seit geraumer Zeit auf die Steuerung von KI konzentriere. Die Steuerungs- und Regulierungsstruktur müsse den Risiken begegnen, ohne die Innovationsfähigkeit der Unternehmen einzuschränken.
Als Warnung verwies er auf die Telekommunikationstechnik, in der die USA und Europa ihre führende Stellung verloren hätten. “Das ist ein wichtiges Beispiel dafür, warum es wichtig ist, dass wir bewusst vorgehen und dass wir unsere Herangehensweise an diese Technologien mit vertrauenswürdigen Lieferanten koordinieren”, sagte der Sonderbotschafter. Es sei kein Zufall, dass die fünf weltweit führenden Unternehmen im Bereich Cloud-Computing allesamt amerikanische Unternehmen seien. Die USA hätten ein Interesse daran, dass KI in vielen Teilen der Welt entwickelt werde – auch in der EU. “Deshalb ist es unerlässlich, dass der regulatorische Ansatz der EU diese Innovation nicht behindert“, sagte Fick.
Die Texte der Table.Media-Serie “Der Globale Wettlauf um Künstliche Intelligenz” finden Sie hier.
“Fühlen Sie sich nicht ein bisschen allein, verwundbar, angesichts dieser Welle aus Khaki um sie herum?” So lautete die erste Frage im großen Exklusiv-Interview mit Präsident Mohamed Bazoum für das französische Magazin Jeune Afrique vor nur zwei Monaten. Gemeint war die isolierte Lage Nigers in der Sahelzone, als einzig verbliebene Demokratie inmitten von militärischen Putschregimen. “Unsere Region ist leider eine schwierige. Und afrikanische Staaten können Opfer dieser Schwierigkeiten werden”, antwortete Bazoum.
Nun ist offenbar auch Niger unter Bazoums Führung Opfer dieser Schwierigkeiten geworden. Nachdem sich die Armee am Donnerstag auf die Seite der putschenden Militärs stellte, dürfte der Staatsstreich und die Absetzung des demokratisch gewählten Präsidenten vollzogen sein. Mit dem Putsch in Niger, das mit den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso ein besonders von Terrorismus und Gewalt betroffenes Dreiländereck bildet, fällt der letzte demokratische Partner der Europäischen Union im Zentrum der Sahelregion.
Von Guinea im Westen über Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad bis hin zum Sudan im Osten zieht sich somit ein geschlossener Gürtel aus Militärregimen quer über den afrikanischen Kontinent. Die Europäische Union verurteile den Destabilisierungsversuch im Niger scharf, hieß es in einer Mitteilung am Donnerstag. Auch die Bundesregierung, die USA und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas äußerten ihre Missbilligung.
Wie sich die Zukunft in Niger und insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Niger und der EU weiter gestalte, sei noch nicht absehbar, sagte die auf Niger spezialisierte Analystin Delina Goxho im Gespräch mit Table.Media. “Ich denke, das Wichtigste im Moment ist zu sagen, dass niemand von uns diese Entwicklung vorhergesehen hat. Die große Frage ist, ob die neue Führung ideologisch Mali und Burkina Faso nähersteht oder weiterhin von Europa und den USA profitieren möchte, so wie etwa der Tschad.”
Mali unter Oberst Assimi Goïta und Burkina Faso, das seit Oktober vergangenen Jahres von Hauptmann Ibrahima Traoré angeführt wird, haben sich beide weg von der EU und mehr hin zu Russland orientiert. Mit dem für Jahresende beschlossenen Ende der UN-Mission in Mali (Minusma) ist die Wichtigkeit Nigers als Partner für die EU weiter gestiegen.
Erst Ende 2022 beschloss die EU für Niger eine auf drei Jahre angelegte Militärmission. Nach Angaben der EU vom Donnerstag gibt es noch keine Entscheidung über die Zukunft der Militärunterstützung. Die in Niger stationierten Bundeswehrsoldaten sind nach Angaben der Bundeswehr in Sicherheit. Die Bundeswehr unterhält in der Hauptstadt Niamey einen Lufttransportstützpunkt für das militärische Engagement in Westafrika. Dort arbeiten rund 100 deutsche Soldaten.
“Da es ein sehr unvermittelter Coup war, ist auch schwer zu sagen, wie die Menschen auf den Straßen in den kommenden Tagen reagieren werden”, erklärte Goxho. Am Mittwochabend hatte es einige Gegendemonstrationen in Niamey gegeben, am Donnerstag berichteten Journalisten vor Ort von kleineren Demonstrationen für einen Machtwechsel.
Die EU ist seit 2012 mit der Ausbildungsmission EUCAP Sahel Niger in dem westafrikanischen Land mit rund 26 Millionen Einwohnern präsent. EUCAP konzentrierte sich auf den Kampf gegen den Terror und die organisierte Kriminalität. Die neue Chefin der EUCAP, Katja Dominik, traf sich zuletzt Anfang Juli mit örtlichen Vertretern des UN-Entwicklungsprogramms. Niger zählt zu den ärmsten Ländern der Welt.
Seit 2016 ist EUCAP auch in Agadez, im Norden Nigers präsent. Agadez war lange Zeit ein wichtiger Knotenpunkt für Menschen, die nach Europa migrieren wollten und Niger auf ihrer Route in Richtung Mittelmeer durchquerten. Die EU und Niger einigten sich vor gut einem Jahr darauf, im Kampf gegen Menschenschmuggel zusammenzuarbeiten.
Der Leiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako sagte im Gespräch mit Table.Media, der Blick auf die ganze Sahel-Region und auch die angrenzenden Länder am westafrikanischen Golf sei wichtig. “Insofern ist die Initiative Sahel Plus, die ja auch die Küstenstaaten einbezieht, ein richtiger Ansatz. Es wird sich die Frage stellen, wie man mit den Putschisten kooperieren kann”, sagte Christian Klatt. “Man darf sie nicht legitimieren, ganz klar, aber wir sollten auch die Bevölkerung nicht allein lassen.”
Wer genau die Drahtzieher hinter dem Putsch in Niger sind, ist bisher nicht klar. Le conseil national pour la sauvegarde de la patrie, der nationale Rat zum Schutz des Vaterlandes, so nennt sich die Gruppe der Putschisten. Die im nationalen Fernsehsender verlesenen Mitteilungen sind nicht namentlich gezeichnet.
Beobachter vermuten, dass auch ein Machtkampf in Niamey hinter dem Staatsstreich stecken könnte. “Es gab ja direkt nach der Wiederwahl von Präsident Mohamed Bazoum im Jahr 2021 schon einen Putschversuch“, erinnert sich Christian Klatt von der FES in Bamako. “Der Coup jetzt kam also nicht aus dem Nichts. Er wird die westlichen Partner allerdings vor echte Herausforderungen stellen.”
Bazoums Amtseinführung im April 2021 war der erste friedliche demokratische Machtwechsel im Land seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1960. Bazoum diente unter seinem Vorgänger Mahamadou Issoufou seit 2011 als Außen- und Innenminister, bis er zur Nachfolge des nach zwei Amtszeiten ausgeschiedenen Issoufou antrat. Er gewann mit rund 56 Prozent der Stimmen. Issoufou behielt viel Einfluss.
Die EU-Kommission will eine neue Strategie zur Kernfusion vorlegen, die Veröffentlichung ist für das erste Quartal 2024 geplant. Das geht aus einem neuen Datenbankeintrag der Kommission hervor. Die Strategie ist als Mitteilung der Kommission angekündigt. Deshalb wird sie höchstwahrscheinlich breiter angelegt sein als die Forschungs-Roadmap des europäischen Konsortiums EUROfusion, die einen anderen formalen Status hat.
Die Roadmap erschien erstmals 2012 und galt bisher als die Fusionsstrategie der EU. Auf Strategie-Mitteilungen der Kommission folgen dagegen in der Regel Gesetzesvorschläge. Bis Redaktionsschluss konnte die Generaldirektion Energie keine näheren Informationen zur geplanten Strategie nennen.
Die Fusionsforschung steht weltweit vor einer Neuordnung. Großbritannien und die USA haben die Regulierung geändert und ziehen Start-ups in einem Feld an, das lange von staatlich finanzierten Großforschungseinrichtungen dominiert wurde.
Für den Bau von Fusionskraftwerken brauche es eine politische Agenda, forderte unlängst die wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, Sibylle Günter, im Interview mit Table.Media. “Es ist gut, dass sich etwas bewegt. Aber aus meiner Sicht ist das ein rein reaktives Verhalten”, sagte gestern André Loesekrug-Pietri, Vorsitzender der Joint European Disruptive Initiative (JEDI). Die Kommission reagiere auf die Strategien in Deutschland und Frankreich und auf die zunehmenden Lockangebote für europäische Start-ups aus den USA.
“Die EU handelt so, wie sie immer handelt. Es werden Milliarden an Fördermitteln ausgelobt, aber so wie die Förderprogramme laufen, ist das verschwendetes Geld”, sagte der Chef der privaten Initiative. “Wir brauchen neue Formen des Private-Public-Partnerships, denn Sprunginnovationen werden nicht von Staaten und mächtigen Bürokraten realisiert.”
Die großen Forschungsgemeinschaften wie Helmholtz und Max-Planck warten wiederum nach Kürzungen im europäischen Fusionsforschungsprogramm in der Corona-Zeit auf frisches Geld. “Mit neuen Ressourcen könnten wir mehrere Technologien und Einzelaufgaben parallel beforschen und die Entwicklung der Kernfusion beschleunigen”, sagte gestern Klaus Hesch, Sprecher der Fusionsforschung am KIT. ber
Eines der Prestigeprojekte der EU gegen hohe Gaspreise könnte durch mangelhafte Mitarbeit europäischer Gasfirmen unbrauchbar zu werden. Die europäische Regulierungsbehörde ACER forderte alle Flüssiggasunternehmen am Donnerstag auf, die Qualität ihrer Datenmeldungen zu verbessern. In Extremfällen könne die Qualität der gemeldeten Daten zu ungenauen LNG-Preisbewertungen führen, schreibt die Agentur in einem offenen Brief. ACER bemängelte Vollständigkeit, Genauigkeit und Pünktlichkeit.
Seit Ende März veröffentlicht die Regulierungsbehörde tägliche Preisbewertungen von Flüssiggasgeschäften in der EU. Die Benchmarks sollen für mehr Preistransparenz sorgen und Mitgliedstaaten bei enger werdenden Gasmärkten vor Gewinnmitnahmen von Händlern schützen. Der Rat hatte dies am 24. November vergangenen Jahres als eine der Notfallmaßnahmen in der Gaskrise beschlossen.
Die Kommission hatte gehofft, dass sich die Indizes von ACER gegen den am Markt etablierten TTF-Index durchsetzen. Weil viele Gaslieferverträge an den niederländischen TTF gekoppelt sind, zog dessen Anstieg im vergangenen Jahr viele andere Verträge im restlichen Europa mit in die Höhe. Der Sinn eines alternativen Indizes war unter Experten von Anfang an umstritten, zudem sind die Gaspreise inzwischen stark gesunken.
Die Kommission genehmigte gestern außerdem Beihilfen der Bundesregierung in Höhe von 40 Millionen Euro für das LNG-Terminal Brunsbüttel. Das landseitige Terminal soll nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ein schwimmendes FSRU ablösen und Ende 2026 in Betrieb gehen. Es soll die Einfuhr von zehn Milliarden Kubikmetern (bcm) LNG pro Jahr ermöglichen. Von der Beihilfe profitieren die Gesellschafter RWE und Gasunie. ber
Kremlchef Wladimir Putin hat auf dem zweiten Afrika-Gipfel in St. Petersburg den afrikanischen Staaten verlässliche Getreidelieferungen zugesichert. “Russland bleibt ein zuverlässiger Lieferant von Nahrung für Afrika”, sagte er am Donnerstag. Zusätzlich kündigte er an, sechs afrikanischen Staaten, darunter Mali, Burkina Faso und Eritrea, in den kommenden Monaten jeweils bis zu 50.000 Tonnen kostenlos zu liefern. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, warnte daraufhin, dass eine “Handvoll Spenden” die dramatischen Auswirkungen durch das Auslaufen des Schwarzmeerabkommens nicht ausgleichen könne.
Vergangene Woche hatte Putin das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer aufgekündigt. Dies hatte zu Verunsicherung auf den globalen Lebensmittelmärkten geführt. Die Weltmarktpreise für Weizen stiegen daraufhin in den vergangenen Tagen um etwa zehn Prozent.
Das Getreideabkommen war im Juli 2022 unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossen worden. Putin lehnt eine Wiederaufnahme des Abkommens ab und verlangt eine Lockerung der westlichen Sanktionen. Diese würden russische Getreide- und Düngerexporte behindern.
Auf dem Gipfel sind nach Angaben des Kreml 49 der 54 Länder des Kontinents vertreten. Es nehmen jedoch nur 17 Staats- und Regierungschefs teil. Das sind weniger als beim ersten Gipfel, der 2019 in Sotschi stattgefunden hat.
Putin sprach sich für einen massiven Ausbau der russisch-afrikanischen Beziehungen aus. Der Vorsitzende der Afrikanischen Union Azali Assoumani sprach von einem “brüderlichen Empfang” in Russland und lobte die Unterstützung Russlands für Afrika. Putins Hauptrede wird heute, am letzten Tag des zweitägigen Gipfels, erwartet. dpa/rtr
Die EU-Kommission untersucht, ob Microsoft unfairen Wettbewerb mit der Einbindung des Kommunikationsdienstes Teams in seine Plattformen mit anderer Bürosoftware betreibt. Die Brüsseler Wettbewerbshüter zeigten sich am Donnerstag besorgt, dass Teams dadurch gegenüber anderen Diensten bevorteilt werden könnte.
Microsoft versicherte in einer Reaktion am Donnerstag, man respektiere die Arbeit der Kommission an dem Fall und wolle Lösungen finden, die ihre Bedenken ausräumen. Auslöser für das Verfahren war eine Beschwerde des Konkurrenten Slack im Sommer 2020. Der inzwischen zum Unternehmenssoftware-Anbieter Salesforce gehörende Dienst sieht sich durch die Einbindung von Teams in die Plattformen Office 365 und Microsoft 365 benachteiligt. Microsoft falle in alte Verhaltensmuster zurück, kritisierte Slack damals in Anspielung auf frühere Wettbewerbsverfahren, in denen es unter anderem um die Bündelung des Webbrowsers Internet Explorer und des Betriebssystems Windows ging. Microsoft war wegen der Vorwürfe vor mehr als 20 Jahren beinahe zerschlagen worden und agierte seitdem sehr vorsichtig in Wettbewerbsfragen.
Einem Bericht der “Financial Times” zufolge bot Microsoft an, die automatische Installation von Teams bei Office-Kunden aufzugeben. Microsoft habe dies jedoch nur für die EU zugesagt, während die Brüsseler Wettbewerbshüter auf einer weltweiten Umsetzung bestanden hätten, schrieb die Zeitung. Von der EU-Kommission hieß es dazu am Donnerstag lediglich, man habe von Microsoft keinen Vorschlag bekommen, der die Bedenken ausgeräumt hätte – und deswegen sei das förmliche Wettbewerbsverfahren eingeleitet worden. Es sei zu früh, über mögliche Lösungen zu sprechen.dpa
Vertreter aus dem Open-Source-KI-Ökosystem fordern die EU auf, bei der Fertigstellung des AI Acts Open-Source-Innovation zu schützen. In einem Positionspapier schreiben GitHub, Hugging Face, Creative Commons und andere, die Gesetzgeber müssten “sicherstellen, dass das endgültige KI-Gesetz das offene Ökosystem zum Aufbau einer sicheren, zuverlässigen und nützlichen KI-Technologie unterstützen kann”.
Der AI Act habe das Potenzial, maßgeblich zu beeinflussen, wie KI weltweit entwickelt, implementiert und reguliert werde, heißt es darin. Dabei könnte es kontraproduktiv sein, wenn die Nuancen der Open-Source-Entwicklung außer Acht gelassen würden.
“Open Source und Open Science befinden sich im Kern der KI-Entwicklung, wurden aber sowohl in der Politik als auch in der Presse oft übersehen”, beklagen die Autoren. Sie machen in ihrem Positionspapier konkrete Änderungsvorschläge, die sicherstellen sollen, “dass der AI Act für Open Source funktioniert“.
Vor allem zwei Punkte heben die Unterzeichner hervor:
Die aktuellen Gesetzesvorschläge würden dagegen Hindernisse und Nachteile für die Teilnehmer des offenen Ökosystems schaffen. Die Organisationen vertreten sowohl kommerzielle als auch gemeinnützige Interessengruppen im Open-Source-KI-Ökosystem. vis
Viele Innovationen im Bereich der Photovoltaik kommen ursprünglich aus deutschen oder europäischen Forschungseinrichtungen. Die Massenproduktion von Solarmodulen hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch fast vollständig nach Asien, insbesondere China, verlagert, auch weil dortige Regierungen diese Produktionsanlagen massiv gefördert haben. Aber können wir wirklich auf eine eigene Solarindustrie verzichten? Sollten wir uns in Europa darauf beschränken, zu forschen und vielleicht noch Prototypen zu entwickeln, die dann anderswo produziert werden? Ich bin davon überzeugt, dass dies fatal wäre. Nicht nur, weil es Abhängigkeiten schafft, sondern auch, weil die Abwesenheit von relevanten Industrieanlagen unsere Innovationskraft deutlich reduziert.
Denn auch wenn eine Technologie produktionsreif ist und bereits als Massenfertigung läuft, wird sie stetig weiter verbessert – oft in sehr kleinen, inkrementellen Schritten. Diese Verbesserungen können nur im engen Kontakt mit der Produktionspraxis gelingen, wo dazu Daten und Beobachtungen anfallen und ausgewertet werden. In den Laboren einer Forschungseinrichtung dagegen arbeiten Expertinnen und Experten mit sehr viel kleineren Solarzellen und anderen Verfahren, sodass sie Optimierungspotenziale im Prozessablauf einer Massenproduktion schlicht nicht erkennen können.
Daher ist es eine Tatsache, dass die besten Silizium-Solarzellen heute nicht im Labor von Forschungseinrichtungen produziert werden, sondern von den bekannten Unternehmen, die Siliziumtechnologien in allen Varianten perfektioniert haben. Das gilt für alle Technologien mit hohem Technology Readiness Level (TRL). Für Entwicklungen mit niedrigem TRL wie den Tandem-Solarzellen gilt dies noch nicht: Hier punkten die Forschungseinrichtungen mit neuen Materialien, Strukturen und Verfahren, mit denen sie neue Wirkungsgradrekorde erzielen können. Nur müssen solche vielversprechenden Konzepte aus der Forschung dann auch in die Anwendung kommen, und zwar schnell. Entscheidend für einen schnellen Technologietransfer sind vertrauensvolle Kooperationen mit Unternehmen, die Erfahrung in der Massenproduktion mit modernsten Anlagen besitzen.
Für die Technologieführerschaft und eine innovative, starke Wirtschaft brauchen wir also beides: Sowohl die Forschung im Labor, die neue Ideen voranbringt, als auch Forschung und Entwicklung in Unternehmen – nur so schaffen wir insgesamt eine schlagkräftige Innovationskette.
Aktuell kommen fast 90 Prozent der Solarmodule aus China. Seit einiger Zeit bauen jedoch auch die USA und Indien aktiv eigene PV-Unternehmen auf, unterstützen sie mit Finanzierungsmaßnahmen und schützen sie mit Zöllen vor Konkurrenz. Denn die PV-Industrie nimmt strategisch einen entscheidenden Platz für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft ein, das hat nicht nur China erkannt, sondern auch die USA und Indien: Eine starke PV-Industrie verringert die Abhängigkeit von fossilen Importen und ermöglicht Klimaschutz zu günstigsten Strompreisen. Denn dank großer Fortschritte durch Forschung kostet die Kilowattstunde Sonnenstrom heute im Vergleich zu anderen Energiequellen am wenigsten. Eine leistungsstarke und innovative PV-Industrie sorgt für eine starke positive Dynamik. Auf diesen Wirtschaftsmotor sollten wir in Deutschland und Europa nicht verzichten.
Rutger Schlatmann ist Vorsitzender der Europäischen Technologie- und Innovationsplattform für Photovoltaik (ETIP PV), die zu Fragen der Energiepolitik und zum Ausbau der Photovoltaik in Europa berät. Am Helmholtz-Zentrum Berlin leitet Schlatmann den Bereich Solarenergie. Zusammen mit knapp 50 weltweit renommierten Fachleuten hat der Physiker kürzlich einen Aufruf in der Fachzeitschrift Science publiziert, der den zügigen Ausbau der Photovoltaik fordert.