Table.Briefing: Europe

Kritik an Ribera + Kopfschütteln über Scholz

Liebe Leserin, lieber Leser,

die EU-Finanzminister sind in Luxemburg, wo sie sich heute im Rahmen des Finanzministerrats treffen. Die Sitzungen fallen in eine Zeit, in der die meisten der Minister noch damit beschäftigt sind, ihre mehrjährigen Finanzpläne abzuschließen. Diese Pläne müssen sie in diesem Jahr erstmals erstellen, um den reformierten Fiskalregeln zu entsprechen. Am gestrigen Montag hat mit Griechenland erst die dritte Regierung ihren mittelfristigen Haushaltsplan bei der Kommission eingereicht.

Gesprächsthema der Finanzminister war gestern der aktuelle Stand der Kapitalmarktunion – oder eher: der Stillstand. Der spanische Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo machte einen neuen Vorschlag, um den Integrationsprozess zu beschleunigen. Er will unter dem Titel “Wettbewerbsfähigkeitslabor” eine neue Art der Zusammenarbeit in der EU etablieren.

In diesem “Labor” sollen Gruppen von mindestens drei Mitgliedstaaten mit Unterstützung der Kommission eine verstärkte Marktintegration in Bereichen testen, in denen Fortschritt auf EU-Ebene aufgrund fehlender Mehrheiten bisher nicht möglich war. Die Kommission soll das Experiment nach einigen Jahren bewerten und im Falle eines Erfolgs eine Regelung für die gesamte EU vorschlagen. Als konkretes erstes Beispiel nannte Cuerpos die Entwicklung eines europäischen oder teil-europäischen Systems für Kreditratings. Einheitliche Kreditratings sollen es speziell KMUs ermöglichen, auch grenzüberschreitend Finanzierungen zu finden.

Cuerpos Idee erinnert an Bruno Le Maires Vorstoß im Februar dieses Jahres, Teile der Kapitalmarktunion ohne die bremsenden Mitgliedstaaten umzusetzen. Nach Le Maires Scheitern will Cuerpo nun einen besser regulierten Rahmen für künftige Initiativen in diese Richtung schaffen.

Einen experimentierfreudigen Dienstag wünscht Ihnen

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János Allenbach-Ammann
Bild von János  Allenbach-Ammann

Analyse

Teresa Ribera und die offenen Rechnungen der Solarinvestoren

Wenn eine Politikerin ein mächtiges Amt übernimmt, dann ruft das manchmal auch jene auf den Plan, die noch offene Rechnungen zu begleichen haben. Im Fall von Teresa Ribera, der künftigen Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, sollen noch Rechnungen in Milliardenhöhe offen sein. “Ursula von der Leyen will eine Kommission der Investitionen führen. Dann muss aber auch die zuständige Kommissarin Teresa Ribera für verlässliche Investitionsbedingungen stehen”, sagt ein Energiemanager.

Übel nimmt man der langjährigen spanischen Ministerin den Umgang der Regierung Sánchez mit Schadenersatzansprüchen ausländischer Investoren. Ob diese erfüllt werden, hängt inzwischen aber auch von einer beihilferechtlichen Prüfung der EU-Kommission ab. Dafür würde Ribera also auch in ihrer künftigen Rolle Verantwortung tragen.

“Da Teresa Ribera als ehemaliges spanisches Regierungsmitglied in dieser Angelegenheit befangen ist, täte sie gut daran, sich in dieses konkrete Verfahren nicht einzumischen und die Sache ihren Dienststellen zu überlassen”, sagt der CSU-Abgeordnete Markus Ferber über die Politikerin der sozialdemokratischen PSOE.

Spanien kürzte Förderung rückwirkend

Doch der Reihe nach. Das Misstrauen in der Energiebranche gegenüber der spanischen Politik reicht bis in die Zeit vor Riberas Regierungsbeteiligung. Den Regierungen Zapatero (PSOE) und Rajoy (PP) waren die 2007 eingeführten Förderzusagen für erneuerbare Energien in der Finanz- und Wirtschaftskrise über den Kopf gewachsen. Zuschüsse und Prämien wurden 2011 und 2013 reduziert. Teilweise forderten sie auch bereits gewährte Investitionsanreize zurück. In normalen Zeiten aber gelten rückwärtige Eingriffe von Wirtschaftspolitikern als Teufelszeug – aus Furcht, dass Investitionen künftig ausbleiben.

Investoren klagten denn auch und wählten den vermeintlich leichten Weg über internationale Schiedsgerichte, wobei sie sich auf den Investitionsschutz im umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT) beriefen. “Eine Durchsetzung der Gewährleistungen des ECT vor den nationalen Gerichten ist nicht ausgeschlossen, bietet jedoch nicht die Vorteile eines Schiedsverfahrens”, schreibt die Kanzlei Taylor Wessing an potenzielle Mandanten gerichtet.

Forderungen von über 10 Milliarden Euro

Mehr als 50 Klagen liefen auf sowie Forderungen von zunächst 10,6 Milliarden Euro, berichtet die spanische Zeitung “El País“. Zu den betroffenen Unternehmen zählten demnach auch deutsche, darunter Baywa, Eon, LBBW, RWE, Steag und die Stadtwerke München. Viele der Klagen laufen vor dem Schiedsgericht ICSID der Weltbank.

Nachdem Ribera 2018 Ministerin für ökologischen Wandel wurde, zeigten sich ihre Beamten in der Presse stolz, dass die geforderten Ansprüche zwischenzeitlich auf zwölf Prozent der Forderungen reduziert wurden. Dies geschah durch die Schiedssprüche selbst und durch ein Gesetz von 2019, das Betroffenen eine Rendite von über sieben Prozent bis 2031 zusicherte, wenn sie ihre Klagen fallen lassen. Am Ende würden von den ursprünglichen Forderungen maximal zwei Milliarden Euro übrigbleiben, schätzten die Ministerialen Riberas.

“Noch keinen einzigen Euro gezahlt”

Um die Ansprüche abzuwehren, bediente sich das spanische Justizministerium aller zur Verfügung stehenden Mittel. Mindestens zwei nachteilige Schiedssprüche konnte es bei den Schiedsgerichten für nichtig erklären lassen. Gegen die Vollstreckung von Entschädigungsansprüchen im Ausland klagt Madrid ebenfalls. Laut dem Bericht von “El Pais” aus dem März 2023 hat Spanien noch “keinen einzigen Euro gezahlt”.

Großen Einfluss auf die künftigen Erfolgsaussichten der Kläger haben aber auch Entscheidungen des EuGH und der Generaldirektion Wettbewerb, für die demnächst Ribera die Verantwortung tragen wird. Die europäischen Richter hatten bereits 2018 im Fall Achmea entschieden, dass Schiedsvereinbarungen in einem Investitionsschutzvertrag mit dem EU-Recht unvereinbar sind, wenn es um Streitigkeiten zwischen EU-Staaten geht. Taylor Wessing vertritt jedoch die Ansicht, dass Schiedssprüche des ICSID völkerrechtlich bindend seien.

Generaldirektion Wettbewerb betreibt Musterverfahren

Die EU-Kommission prüft wiederum seit 2021 die beihilferechtlichen Folgen des Falles Antin gegen Spanien. Vorläufig kamen die Wettbewerbshüter zu der Ansicht, dass es sich bei den zugesprochenen Entschädigungszahlungen um Beihilfen handele. Einer der vielen Stolpersteine für Investoren: Die spanische Förderregelung von 2007 sei in Brüssel nie zur Genehmigung nach den Beihilfevorschriften angemeldet worden. Verglichen mit der seit 2013 geltenden Förderung könnte das niederländisch-luxemburgische Unternehmen also einen unzulässigen Vorteil beanspruchen.

In diesem Verfahren sehen Kritiker den zentralen Interessenkonflikt der künftigen Wettbewerbskommissarin Ribera. Angesichts der Vielzahl der laufenden Schiedsgerichtsverfahren sei zu erwarten, dass Spanien und die EU-Kommission eine Entscheidung weiter hinauszögerten oder gar ganz unterließen, heißt es in einem Papier eines betroffenen Unternehmens. Die künftige Investitionsbereitschaft könne dies stark belasten.

“Nicht Aufgabe des Beihilferechts”

Mahnende Worte kommen auch aus der Grünen-Fraktion im Europaparlament. “Ich erwarte von einer Wettbewerbskommissarin der EU, dass sie im europäischen Interesse handelt”, sagt der Abgeordnete Damian Boeselager (Volt), der erste stellvertretende Vorsitzende des für Beihilfen zuständigen Wirtschaftsausschusses.

“Klar muss sein, dass nationale Förderungen eine klare Planbarkeit für alle Akteure, auch solche aus dem EU-Ausland, gewährleisten sollten. Ich kann der Einschätzung der Generaldirektion Wettbewerb nicht vorgreifen, aber auf den ersten Blick ist es nicht Aufgabe des Beihilferechts, Entschädigungszahlungen zu verhindern, die ja auf echten Schaden zurückgeführt werden sollten”, sagt Boeselager.

Weder er noch Ferber formulieren allerdings grundsätzliche Zweifel an der Eignung Riberas für ihr künftiges Amt. Beihilfeexperte Ferber sieht auch in der langen Dauer der Prüfung des Antin-Falles nichts Ungewöhnliches: “Es handelt sich um eine ziemlich komplexe Gemengelage im Zusammenspiel zwischen europäischem und internationalem Recht, die mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann auch vor dem EuGH landen wird. Umso mehr sind Sorgfalt und Umsicht gefragt.”

  • Beihilfen
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Nein zu E-Auto-Zöllen: Die Autorität von Kanzler Scholz bröckelt

Es war eine seltsame Gesellschaft, in der sich Deutschland mit seinem Nein zu den Zöllen für E-Autos aus China wiederfand. Neben der Bundesregierung hatten nur Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Malta dagegen gestimmt, aus ganz unterschiedlichen Motiven. Kanzler Olaf Scholz brachte das mit Richtlinienkompetenz in der Koalition durchgesetzte Votum zwar den Applaus der deutschen Autohersteller ein. In Brüssel und anderen EU-Ländern wird sein Vorgehen hingegen mit Kopfschütteln quittiert.

“Scholz hat in Berlin theatralisch ein Machtwort gesprochen, das in der EU niemanden beeindruckt hat”, sagt der Chef der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament, Daniel Caspary. “Er hat damit allen die deutsche Ohnmacht vor Augen geführt.”

Scholz vernachlässigt EU-Partner

Der Kanzler hatte die EU-Partner zuletzt bereits gegen sich aufgebracht, indem er harsche Kritik an den Übernahmeplänen der italienischen Unicredit für die Commerzbank äußerte und Kontrollen an allen deutschen Grenzen anordnen ließ. Die Zoll-Abstimmungsniederlage ist nun ein deutlicher Fingerzeig, wie es um seine Autorität im Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs bestellt ist. Scholz hatte im Vorfeld persönlich versucht, weitere Kolleginnen und Kollegen zu einem Nein zu bewegen – weitgehend erfolglos.

Seine Vorgängerin Angela Merkel war im Laufe ihrer Amtszeit zur mächtigsten Frau in Europa aufgestiegen – gegen ihren Willen wurde im Europäischen Rat selten entschieden. Anders als Merkel bemühe sich Scholz aber nur um die EU-Partner, wenn er etwas von ihnen wolle, kritisiert ein enger Beobachter. Daher sei die Bereitschaft gering, dem Kanzler entgegenzukommen, wenn dieser ein Anliegen vorbringe.

Merkel sprach zudem aus einer Position der relativen Stärke, die auf Deutschlands wirtschaftlichem Erfolg fußte. Die CDU-Politikerin konnte überdies auf EVP-Verbündete zählen, die in den EU-Institutionen dominierten. SPD-Mann Scholz hat hingegen außer Spaniens Pedro Sánchez kaum noch gewichtige Verbündete im Rat. Die Schwäche der deutschen Wirtschaft und die innere Zerstrittenheit der Koalition ließen Kanzler und Bundesregierung zudem verwundbar wirken, sagt Eric Maurice, Analyst beim European Policy Center. “Ich sehe nicht, dass Scholz vergleichbar Einfluss und Autorität hat.”

“Ein echtes Problem für Europa”

Die deutsche Führungsschwäche wird in den Nachbarstaaten weniger mit Schadenfreude als mit Sorge betrachtet. “Das ist ein echtes Problem für Europa”, sagt ein EU-Diplomat.

Andere versuchen, die Lücke zu füllen. Weniger Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der ebenfalls mit hausgemachten Problemen zu kämpfen hat, als Polens Regierungschef Donald Tusk oder Ursula von der Leyen. Die Kommissionspräsidentin treibt die Ausgleichszölle gegen E-Autos aus China vehement voran. “Von der Leyens Position erscheint viel stärker, als sie tatsächlich ist oder sein kann”, sagt der britische Historiker Peter Ludlow.

Von der Leyen will mit den Zöllen ein Zeichen der Stärke setzen, um Peking endlich zu Zugeständnissen zu bewegen, und zwar über die Autobranche hinaus. Die europäischen Beschwerden über unfairen Wettbewerb sind in den vergangenen Jahren an der chinesischen Führung abgeprallt. Um Peking zu beeindrucken, braucht die Kommission aber die Rückendeckung der EU-Staaten. “In einer solchen Konstellation mit Nein zu stimmen, signalisiert, dass Deutschland die europäische Einheit bricht”, kritisierte die Merics-Analystin Abigaël Vasselier. Berlin öffne damit die Büchse der Pandora.

Auch andere Regierungen fürchten chinesische Vergeltungsmaßnahmen. Sie enthielten sich bei der Abstimmung, ohne damit die Verhandlungsposition der Kommission zu untergraben. Für Scholz aber hatten die Sorgen der bereits schwächelnden Autoindustrie Vorrang: “Die Bundesregierung scheint besonders darauf bedacht, weitere Risiken zu vermeiden”, sagt Maurice. “Sie gewichtet kurzfristige Probleme dabei höher als langfristige Herausforderungen.”

Ärger über Kritik an Commerzbank-Übernahme

Die Äußerungen des Kanzlers zu den Übernahmeplänen der Unicredit für die Commerzbank sorgten in Italien wie auch in anderen Ländern für Irritationen. Man könne nicht nur für paneuropäische Banken sein, wenn die Konsolidierung unter deutscher Führung stattfinde, kritisierte die italienische Unternehmerin Emma Marcegaglia vergangene Woche in Berlin.

Scholz untergräbt laut Experten mit seinen Äußerungen die eigenen politischen Initiativen zur Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion. Der Fall Commerzbank sei “ein echter Test für die Bankenunion und für die Ernsthaftigkeit der Politiker, ob sie glauben, was sie sagen”, sagt Nicolas Verón, Senior Fellow beim Think-Tank Bruegel.

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News

Reform des EU-Haushalts: Diese Chancen und Risiken sehen Experten

Die möglichen Pläne der Kommission, den EU-Haushalt grundlegend neu zu strukturieren, rufen in Brüssel und den voraussichtlich betroffenen Branchen gemischte Reaktionen hervor. Vertreter von Forschung und Landwirtschaft gehen von deutlichen Veränderungen in ihren Bereichen aus.

Am Sonntag hatte die “FAZ” von einer internen Präsentation der Kommission berichtet, aus der hervorgehe, dass die bisher größten Budgetposten, die Hilfen für die Landwirte und die Förderung strukturschwacher Regionen, wegfallen sollen. Stattdessen solle der Großteil des Budgets als “Zuschuss” zum nationalen Haushalt an die Mitgliedstaaten fließen – im Gegenzug sollen die Staaten konkrete politische Reformen zusagen.

Parallel soll offenbar der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte Fonds für Wettbewerbsfähigkeit entstehen, in dem alle bisher im weitesten Sinne dafür vorgesehenen Mittel und Fonds aufgehen. Der Umbau des Budgets soll Teil des für 2025 angekündigten Vorschlags für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028 bis 2034 sein. Die Kommission kommentierte das Papier nicht. Es gebe noch keine abgestimmte Position, hieß es in der Behörde. 

Stärkere politische Vorgaben für Horizon Europe

Eine derartige Reform könnte starke Auswirkungen auf die Forschungslandschaft der EU haben. Insider gehen derzeit davon aus, dass das European Research Council (ERC) und das European Innovation Council (EIC) als unabhängigere Agenturen weiter bestehen würden. Währenddessen könnte die Säule 2 von Horizon Europe in dem neuen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit aufgehen.

“Damit würde das Kernstück des EU-Forschungsprogramms stärker unter politische Vorgaben gestellt”, sagt Claudia Labisch, Leiterin des Brüsseler Büros der Leibniz-Gemeinschaft. Die dort geförderten transnationalen Forschungsvorhaben müssten sich vermutlich mehr in den Dienst der Wettbewerbsfähigkeit stellen. Sie vermutet auch, dass schon lange bestehende Netzwerke in bestimmten Themengebieten abseits von Schlüsseltechnologien keine wirkliche Förderperspektive mehr bekommen könnten.

Ein weiteres Risiko: Nicht nur in Bezug auf einzelne Themen, sondern auch auf das Forschungsbudget generell wäre die Kommission sehr mächtigOhne eine konkrete Festlegung auf ein festes Budget könnten Mittel schnell umgeschichtet werden. Für die Forschung böte die neue Budgetstruktur also neben den Chancen auf Entbürokratisierung auch einige Risiken, meinen die Experten in Brüssel.

Bauernverband befürchtet “einzelstaatliche Beliebigkeit

Auch die Agrarbranche horcht angesichts der möglichen Reform auf. Aus der Verwaltung und Ausgestaltung der Agrar- und Strukturförderung würde die Kommission sich zurückziehen. Das für die Landwirtschaft reservierte Geld könnte beispielsweise wie bisher als Direkthilfe an die Landwirte fließen. Als Bedingung dafür, dass die EU das Geld an die Staaten auszahlt, wird als Beispiel die Förderung der Biolandwirtschaft genannt.

Kritisch reagiert der Deutsche Bauernverband (DBV). “Dieses Brainstorming sieht eher aus wie eine taktische Provokation zum Einstieg in die Budgetverhandlungen”, sagt DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken zu Table.Briefings. “Wir können uns nicht vorstellen, dass Europa den ländlichen Raum aufgibt.” Darüber hinaus führe dieser Ansatz in die “einzelstaatliche Beliebigkeit und in massiv unterschiedliche Wettbewerbsverhältnisse”. Es sei kaum vorstellbar, dass sich die EU-Kommission den Weg für die Umsetzung der eigenen agrarpolitischen Ambitionen “dermaßen verbaut”.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) findet den Ansatz hingegen nicht verkehrt. EU-Agrarsubventionen national flexibel steuern zu können, ermögliche es, nationale Bedürfnisse mehr zu berücksichtigen. Wichtig sei jedoch, ambitionierte Mindeststandards in Bezug auf Natur-, Umwelt-, Tier- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zu etablieren und vor allem zu kontrollieren.

“Vielversprechend, aber sicher kein Allheilmittel”

Leicht skeptisch zeigte sich auch Jens Geier, haushaltspolitischer Sprecher der Europa-SPD. Der Ansatz sei “vielversprechend, aber sicher kein Allheilmittel”. Der Europaabgeordnete mahnte: “Diese Reformen dürfen nicht zur Vermeidung der Ausgabenkontrolle durch das EU-Parlament führen, und über die Formulierung von Zielen und Milestones muss es eine parlamentarische Mitsprache geben.”

Die meisten Mitgliedstaaten wollten den “FAZ”-Bericht nicht kommentieren, da die dort skizzierten Vorhaben bislang nicht offiziell vorgestellt wurden und die Konsequenzen einer Reform noch nicht abzusehen sind. Der niederländische Finanzminister Eelco Heinen äußerte sich nur indirekt zu den möglichen Plänen: “Wir brauchen mehr Reformen in Europa und wir sind für Konditionalität”, sagte er am Rande eines Treffens der Eurogruppe. mw/has/jaa/sas

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Novel Food: Wie die neuen EU-Leitlinien zur Zulassung in der Branche ankommen

Die aktualisierten Leitlinien der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Zulassung neuartiger Lebensmittel werden in der Branche als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. “Es ist ein sehr willkommenes Update“, sagt Hannah Lester, die als CEO von Atova Consulting Unternehmen zu Zulassungsprozessen berät. Bisher hätten etwa spezifische Informationen zur Zulassung von Zellfleisch und Produkten aus Präzisionsfermentation gefehlt. Hier habe die EFSA nun nachgebessert, erklärt sie Table.Briefings.

Die Behörde hatte Ende September eine Überarbeitung ihrer wissenschaftlichen Leitlinien vorgelegt. Ziel ist es, Unternehmen besser darauf vorzubereiten, wie der Prozess abläuft und welche wissenschaftlichen Informationen zum Produkt sie vorlegen müssen. Bisher hatten Branchenvertreter kritisiert, der Prozess sei schwer zu navigieren und verzögere sich immer wieder, wenn die EFSA Dokumente nachfordere.

Politische Hürden bestehen weiter

Schon seit langem habe die Branche deshalb neue Leitlinien gefordert, betont Lester. Diese bieten jetzt auch Beispiele früherer Fälle, in denen die EFSA Dokumente nachfordern musste, damit neue Bewerber hieraus lernen können. All das helfe, meint die Expertin, mahnt aber: “Stellt sich ein Unternehmen, vor allem ein Start-up, zum ersten Mal dem Zulassungsprozess, dürfte es sich immer noch zusätzliche Klarstellungen wünschen.”

Denn teils gebe es auch in den neuen Leitlinien noch Grauzonen. Etwa, wenn es darum gehe, welche wissenschaftlichen Tests es im Einzelnen für die Zulassung von Zellfleisch braucht. Zudem sei die Aktualisierung der EFSA-Leitlinien schwerfällig und hinke neuen Entwicklungen hinterher. “In Singapur zum Beispiel aktualisiert die zuständige Behörde ihre Leitlinien häufiger – basierend auf ihrer Erfahrung im Umgang mit Zulassungsanträgen für neuartige Lebensmittel”, erzählt Lester.

Das Good Food Institute, das sich für die Förderung alternativer Proteinquellen einsetzt, weist darauf hin, dass politische Hürden weiterhin bestehen. Denn nach der Prüfung durch die EFSA müssen EU-Kommission und Mitgliedstaaten über die Zulassung neuartiger Lebensmittel entscheiden. Dass etwa Italien versuche, kultiviertes Fleisch zu verbieten, zeige, dass der regulatorische Weg zur Markteinführung von Novel Foods in der EU weiterhin mit Risiken behaftet sei. jd

  • EFSA
  • Lebensmittel
  • Lebensmittelindustrie
  • Novel Food

Anhörung von Christophe Hansen: Agrarausschuss stellt vorab Fragen

Der designierte Agrarkommissar Christophe Hansen soll seine “Vision für Landwirtschaft und Ernährung” schriftlich darlegen. Darin soll er erklären, was er zur Sicherung eines fairen Einkommens der Bauern tun will, wie er ihre Stellung in der Versorgungskette für Lebensmittel stärken, die Transparenz bei der Preisbildung verbessern und die Branche attraktiver für den Nachwuchs gestalten will. Dies geht aus der ersten von fünf schriftlichen Fragen hervor, die der Agrarausschuss dem Luxemburger übermittelt hat, und die Table.Briefings vorliegen.

Hansen muss die Antworten vor seiner Anhörung im Ausschuss übermitteln. Die zweite Frage bezieht sich darauf, wie sich die GAP entwickeln soll, insbesondere die Direktzahlungen im Hinblick auf die geplanten Aufnahmen neuer Mitgliedsländer wie etwa der Ukraine. Er soll auch darlegen, ob er die Einfuhr von Agrarprodukten aus der Ukraine weiter regulieren will.

Widerstandsfähig gegen Klimawandel

Mit der Antwort auf die dritte Frage soll er darlegen, wie die EU-Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Folgen des Klimawandels gemacht werden soll. Die vierte Frage beschäftigt sich mit den Nachhaltigkeitszielen der Landwirtschaft. Der Ausschuss will wissen, ob sie innerhalb der bestehenden GAP-Systematik erreichbar seien und ob dafür ein höheres GAP-Budget benötigt werde.

Die fünfte Frage bezieht sich auf die Viehhaltung: Wie soll die Branche dazu beitragen, dass die Klimaziele eingehalten werden? Wie lässt sich die Bürokratiebelastung reduzieren? mgr

  • Christophe Hansen
  • Europäische Kommission
  • Europäisches Parlament
  • Klimaziele
  • Landwirtschaft

1,5-Grad-Ziel: Klima-Experten fordern Offenheit über mögliches Scheitern

Das “absehbare Überschreiten” von 1,5 Grad globaler Erwärmung “sollte offen kommuniziert werden”. Dafür plädiert das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) in einem Positionspapier, das Table.Briefings exklusiv vorliegt. Eine solche Kommunikation sei wichtig, da die “Gestaltung von Klimaanpassung von aktuell plausiblen Temperaturszenarien ausgehen und sich auf diese vorbereiten” solle.

Das DKK mahnt, die bisher “getroffenen politischen Entscheidungen für das Erreichen der klimapolitischen Ziele” seien “unzureichend”. Vor allem die “große soziale Ungleichheit” stehe einer Dekarbonisierung bis 2050 im Weg, so das größte Netzwerk zur Selbstorganisation der deutschen Klimawissenschaft mit aktuell 27 Mitgliedsinstitutionen.

“Immer noch erhebliche Investitionen in fossile Energieträger”

Kurz vor der nächsten Klimakonferenz (COP29) in Baku kritisiert das DKK vor allem die “immer noch erheblichen Investitionen in fossile Energieträger” wie Kohle- und Gaskraftwerke und neue Öl- und Gasvorkommen sowie klimaschädliche Subventionen. Netto-Null-Emissionen rückten in “immer weitere Ferne”.

Laut DKK sei es zwar möglich, die globale Temperatur nach einem Anstieg über die 1,5-Grad-Schwelle durch negative Emissionen mittelfristig wieder unter 1,5 Grad zu drücken (Overshoot). Allerdings sei zweifelhaft, ob die technischen und politischen Voraussetzungen für die damit verbundene enorme CO₂-Entnahme überhaupt gegeben sind. Zudem würde die anschließende Absenkung der Temperatur auf 1,5-Grad nach einem Overshoot die negativen Folgen für Natur und Ökosysteme nicht rückgängig machen. Zerstörte Gletscher und Wälder würden dadurch nicht zurückkommen. nib

  • COP29
  • Dekarbonisierung
  • Fossile Brennstoffe
  • Klimaanpassung
  • Klimaziele

Presseschau

Angriff auf Israel – EU-Parlament hält Schweigeminute N-TV
Asylbewerber: 17 EU-Länder fordern “Paradigmenwechsel” bei der Abschiebung EURONEWS
Vorstoß der EU-Kommission: Lindner unterstützt Radikalreform des EU-Haushalts FAZ
Hauchdünne Sperrminorität: Keine Chatkontrolle-Abstimmung beim EU-Ministertreffen NETZPOLITIK
Fragen des EU-Parlaments an die Kommissare für Energie, Klima und Industrie EURACTIV
Prüfung auf Interessenskonflikte – Teure Villen und wenig Trans­parenz: Fallen erneut einige EU-Kommissare in der Vorrunde durch? RND
An US-Hersteller Pfizer: EU-Gericht verhandelt über von der Leyens Corona-Impfstoff-Nachrichten KSTA
Hochwasser: EU-Hilfen für Bosnien und Herzegowina STUTTGARTER ZEITUNG
EU-Strategie in Nahost: “Wir wollen eine andere Regierung für die Menschen in Iran” SPIEGEL
EU-Vorgaben für Kakao bis Kautschuk: Neuer Druck auf Entwaldungsverordnung RHEINISCHE POST
EU ehrt Südtirol mit Innovations-Label SÜDTIROLER WIRTSCHAFTSZEITUNG
EU-Kommissarin für Inneres und Migration, Ylva Johansson, will Rumänien und Bulgarien als Schengen-Vollmitglieder DIE PRESSE
Unfairer Wettbewerb: KLM fordert EU auf, Maßnahmen gegen chinesische Airlines zu ergreifen AEROTELEGRAPH
Österreichisch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler will mehr elektrische Firmenautos in der EU DIE PRESSE
Demnächst Abgaben auf deutsche Fahrzeuge? VW-Chef Oliver Blume befürchtet chinesische Reaktion nach EU-Beschluss MERKUR
“Nicht machbar”: Stellantis-Händler rebellieren gegen Konzernchef wegen CO₂-Zielen der EU FOCUS
Telefonkonferenz der Wirtschaftsminister wegen Autobranche im Südwesten – Sorge vor Handelskrieg der EU mit China BNN
Melonis Regierung streitet über Einbürgerungen DER STANDARD
Wenn Populisten ganz unpopulär Defizite senken müssen FAZ
Baltikum: Litauen will mit Drohnen gegen Schmuggler-Ballons aus Belarus vorgehen DEUTSCHLANDFUNK
Polen benötigt größere Armee zur Verteidigung gegen mögliche Konflikte POLSKIE RADIO
Frankreichs neuer Innenminister Bruno Retailleau: Für Kirche und Vaterland FAZ
Premier Starmer hat sich als Saubermann inszeniert, nun wird er daran gemessen SÜDDEUTSCHE
Handelsbarrieren fallen: Kosovo öffnet Grenzen für serbische Waren NAU
Alarm an Finnlands Schulen: PISA-Studie zeigt große Probleme bei Kindern mit Migrationshintergrund HNA
Luxemburg: Schulkantinen sollen mehr regionale Produkte verarbeiten L’ESSENTIEL
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Zuwanderung in der Schweiz: Wo die Wirtschaft ohne Ausländer nicht mehr funktionieren würde TAGESANZEIGER

Heads

Michael McGrath – Pragmatiker und Ex-Finanzminister aus Irland

Michael McGrath. The new European Commissioners were welcomed in September by Commission President Ursula von der Leyen.
Neu in Brüssel: Michael McGrath, zuletzt Finanzminister in Irland, soll das Portfolio Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit in der neuen Kommission übernehmen.

Offiziell haben die Iren es sportlich genommen. Die Regierung in Dublin hatte für Michael McGrath eigentlich ein wirtschafts- oder finanzbezogenes Portfolio in der Europäischen Kommission angestrebt. Als ehemaliger Finanzminister schien Michael McGrath mit seiner Erfahrung und Kompetenz in wirtschaftlichen Fragen ein geeigneter Kandidat dafür zu sein. Entsprechend lobbyierte die irische Regierung für ein solches Portfolio.

Doch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat anders entschieden und McGrath für das Ressort Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit vorgesehen. Dies sei “eine starke und einflussreiche Ernennung”, lobte der irische Premierminister (Taoiseach) Simon Harris nach der Bekanntgabe.

Auch McGrath selbst fand diplomatische Worte. Irland und ihm sei ein “sehr bedeutendes und wichtiges Ressort” zugeteilt worden und die Präsidentin habe eindeutig Vertrauen in ihn persönlich bei der Erfüllung dieser komplexen und anspruchsvollen Aufgabe. “In den mehr als 50 Jahren der Mitgliedschaft ist dies das erste Mal, dass ein irischer Kandidat mit dieser Aufgabe betraut wird.” Dabei ließ er offen, ob das nun eine gute oder schlechte Nachricht ist. Er ließ jedoch wissen, dass er sich auf seine Aufgaben freue.

Kein Treffen mit von der Leyen in Brüssel

Diese Reaktion scheint typisch für den Politiker McGrath, der gern pragmatisch und eher zurückhaltend vorgeht. Der Mann aus der Grafschaft Cork zeigt wenig Interesse an politischem Taktieren und setzt stattdessen auf inhaltliche Arbeit. Doch das könnte in Brüssel durchaus ein Nachteil sein. Kritiker bezweifeln, ob er sich mit seiner zurückhaltenden Art erfolgreich in den komplexen Machtstrukturen in der EU-Kommission etablieren kann.

Im Juli 2024 besuchte McGrath Brüssel, um sich auf seine neue Rolle vorzubereiten. Er sprach mit irischen Europaabgeordneten, verzichtete aber auf ein Treffen mit Ursula von der Leyen, das ihm möglicherweise mehr Spielraum bei der Verhandlung seines Ressorts verschafft hätte.

Lange politische Laufbahn

Michael McGrath blickt auf eine lange politische Laufbahn in Irland zurück. Von 2022 bis 2024 führte er in Irland das Finanzministerium und spielte dabei eine entscheidende Rolle bei der wirtschaftlichen Stabilisierung des Landes nach den pandemiebedingten Herausforderungen. Unter seiner Leitung reduzierte Irland die Bruttostaatsverschuldung bis Ende 2023 auf rund 223 Milliarden Euro im Vergleich zu 236 Milliarden Euro Ende 2021. Damit lag sie jedoch immer noch um rund 20 Milliarden Euro höher als kurz vor der Pandemie.

Während der Minister für seine vorsichtige Haushaltsführung und die Stabilisierung der Staatsfinanzen Anerkennung fand, blieben strukturelle Herausforderungen wie die Abhängigkeit von volatilen Körperschaftssteuereinnahmen bestehen.

Seine Mission: Demokratie schützen, Binnenmarkt stärken

In seiner neuen Rolle als EU-Kommissar steht McGrath vor anderen Herausforderungen. Er soll das Projekt des European Democracy Shield leiten, dem Ursula von der Leyen eine große Bedeutung in ihrer zweiten Amtszeit beimisst. Damit will sie Desinformation und ausländische Einflussnahme auf demokratische Prozesse bekämpfen. Angesichts der wachsenden digitalen Bedrohungen soll diese Initiative die Integrität demokratischer Wahlen in Europa sichern. Außerdem soll McGrath die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in den Mitgliedstaaten überwachen. Das ist angesichts der umstrittenen Rolle, die Irland bei der Auslegung der DSGVO bisher gespielt hat, nicht ganz ohne Ironie.

Zu seiner Mission gehören jedoch noch drei weitere Aufgaben: Zum einen die Einbindung des Binnenmarktes in die Rechtsstaatlichkeit, wobei sich McGrath dabei vor allem auf die Herausforderungen für KMU konzentrieren soll, die grenzüberschreitend tätig sind. Zum anderen soll er sich um den Verbraucherschutz kümmern und die nächste Verbraucherschutzagenda für 2025 bis 2030 entwickeln. Schließlich wird McGrath mit der Förderung innovativer Unternehmen betraut. Dabei soll er für ein EU-weites, harmonisiertes rechtliches Umfeld sorgen, das es innovativen Unternehmen erleichtert, sich zu entwickeln und zu expandieren.

Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz sind für ihn Neuland

Seine Zeit als Finanzminister bereitete McGrath auf die wirtschaftlichen Aspekte seiner neuen Aufgabe vor. Dennoch sind die Themen Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz Neuland für ihn. Seine langjährige Erfahrung im irischen Parlament (Dáil Éireann) könnte ihm dabei helfen, sich rasch in die komplexen europäischen Themen einzuarbeiten. McGrath ist seit 2007 Abgeordneter für die liberal-konservative Partei Fianna Fáil, die der europäischen Renew-Fraktion angehört. Er gilt als verlässlicher Partner in Koalitionen und zeigte in Irland seine Fähigkeit, in einer Dreiparteien-Koalition erfolgreich Kompromisse zu finden.

Michael McGrath wuchs in der Hafenstadt Passage West in der Grafschaft Cork auf. Bevor er in die nationale Politik eintrat, war er in der Kommunalverwaltung tätig. Sein Handelsstudium am University College Cork schloss er mit Auszeichnung ab und qualifizierte sich anschließend als Wirtschaftsprüfer bei KPMG. Bevor er hauptberuflich in die Politik ging, hatte er leitende Positionen in der Privatwirtschaft inne.

Oft betont McGrath die große Bedeutung, die familiäre Werte und seiner Familie für ihn haben. Mit seiner Frau Sarah, die er bei KPMG kennenlernte und die ebenfalls Wirtschaftsprüferin ist, hat er sieben Kinder. Als er den ersten Haushalt in seiner Funktion als Finanzminister vorlegte, erschien die ganze Familie im irischen Parlament. Seine Bodenständigkeit und sein pragmatischer Stil machen ihn zu einer respektierten, wenn auch wenig charismatischen Figur in der irischen Politik. Ob er sich jedoch in Brüssel durchsetzen kann, muss er nun beweisen. Corinna Visser

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die EU-Finanzminister sind in Luxemburg, wo sie sich heute im Rahmen des Finanzministerrats treffen. Die Sitzungen fallen in eine Zeit, in der die meisten der Minister noch damit beschäftigt sind, ihre mehrjährigen Finanzpläne abzuschließen. Diese Pläne müssen sie in diesem Jahr erstmals erstellen, um den reformierten Fiskalregeln zu entsprechen. Am gestrigen Montag hat mit Griechenland erst die dritte Regierung ihren mittelfristigen Haushaltsplan bei der Kommission eingereicht.

    Gesprächsthema der Finanzminister war gestern der aktuelle Stand der Kapitalmarktunion – oder eher: der Stillstand. Der spanische Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo machte einen neuen Vorschlag, um den Integrationsprozess zu beschleunigen. Er will unter dem Titel “Wettbewerbsfähigkeitslabor” eine neue Art der Zusammenarbeit in der EU etablieren.

    In diesem “Labor” sollen Gruppen von mindestens drei Mitgliedstaaten mit Unterstützung der Kommission eine verstärkte Marktintegration in Bereichen testen, in denen Fortschritt auf EU-Ebene aufgrund fehlender Mehrheiten bisher nicht möglich war. Die Kommission soll das Experiment nach einigen Jahren bewerten und im Falle eines Erfolgs eine Regelung für die gesamte EU vorschlagen. Als konkretes erstes Beispiel nannte Cuerpos die Entwicklung eines europäischen oder teil-europäischen Systems für Kreditratings. Einheitliche Kreditratings sollen es speziell KMUs ermöglichen, auch grenzüberschreitend Finanzierungen zu finden.

    Cuerpos Idee erinnert an Bruno Le Maires Vorstoß im Februar dieses Jahres, Teile der Kapitalmarktunion ohne die bremsenden Mitgliedstaaten umzusetzen. Nach Le Maires Scheitern will Cuerpo nun einen besser regulierten Rahmen für künftige Initiativen in diese Richtung schaffen.

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    Teresa Ribera und die offenen Rechnungen der Solarinvestoren

    Wenn eine Politikerin ein mächtiges Amt übernimmt, dann ruft das manchmal auch jene auf den Plan, die noch offene Rechnungen zu begleichen haben. Im Fall von Teresa Ribera, der künftigen Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, sollen noch Rechnungen in Milliardenhöhe offen sein. “Ursula von der Leyen will eine Kommission der Investitionen führen. Dann muss aber auch die zuständige Kommissarin Teresa Ribera für verlässliche Investitionsbedingungen stehen”, sagt ein Energiemanager.

    Übel nimmt man der langjährigen spanischen Ministerin den Umgang der Regierung Sánchez mit Schadenersatzansprüchen ausländischer Investoren. Ob diese erfüllt werden, hängt inzwischen aber auch von einer beihilferechtlichen Prüfung der EU-Kommission ab. Dafür würde Ribera also auch in ihrer künftigen Rolle Verantwortung tragen.

    “Da Teresa Ribera als ehemaliges spanisches Regierungsmitglied in dieser Angelegenheit befangen ist, täte sie gut daran, sich in dieses konkrete Verfahren nicht einzumischen und die Sache ihren Dienststellen zu überlassen”, sagt der CSU-Abgeordnete Markus Ferber über die Politikerin der sozialdemokratischen PSOE.

    Spanien kürzte Förderung rückwirkend

    Doch der Reihe nach. Das Misstrauen in der Energiebranche gegenüber der spanischen Politik reicht bis in die Zeit vor Riberas Regierungsbeteiligung. Den Regierungen Zapatero (PSOE) und Rajoy (PP) waren die 2007 eingeführten Förderzusagen für erneuerbare Energien in der Finanz- und Wirtschaftskrise über den Kopf gewachsen. Zuschüsse und Prämien wurden 2011 und 2013 reduziert. Teilweise forderten sie auch bereits gewährte Investitionsanreize zurück. In normalen Zeiten aber gelten rückwärtige Eingriffe von Wirtschaftspolitikern als Teufelszeug – aus Furcht, dass Investitionen künftig ausbleiben.

    Investoren klagten denn auch und wählten den vermeintlich leichten Weg über internationale Schiedsgerichte, wobei sie sich auf den Investitionsschutz im umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT) beriefen. “Eine Durchsetzung der Gewährleistungen des ECT vor den nationalen Gerichten ist nicht ausgeschlossen, bietet jedoch nicht die Vorteile eines Schiedsverfahrens”, schreibt die Kanzlei Taylor Wessing an potenzielle Mandanten gerichtet.

    Forderungen von über 10 Milliarden Euro

    Mehr als 50 Klagen liefen auf sowie Forderungen von zunächst 10,6 Milliarden Euro, berichtet die spanische Zeitung “El País“. Zu den betroffenen Unternehmen zählten demnach auch deutsche, darunter Baywa, Eon, LBBW, RWE, Steag und die Stadtwerke München. Viele der Klagen laufen vor dem Schiedsgericht ICSID der Weltbank.

    Nachdem Ribera 2018 Ministerin für ökologischen Wandel wurde, zeigten sich ihre Beamten in der Presse stolz, dass die geforderten Ansprüche zwischenzeitlich auf zwölf Prozent der Forderungen reduziert wurden. Dies geschah durch die Schiedssprüche selbst und durch ein Gesetz von 2019, das Betroffenen eine Rendite von über sieben Prozent bis 2031 zusicherte, wenn sie ihre Klagen fallen lassen. Am Ende würden von den ursprünglichen Forderungen maximal zwei Milliarden Euro übrigbleiben, schätzten die Ministerialen Riberas.

    “Noch keinen einzigen Euro gezahlt”

    Um die Ansprüche abzuwehren, bediente sich das spanische Justizministerium aller zur Verfügung stehenden Mittel. Mindestens zwei nachteilige Schiedssprüche konnte es bei den Schiedsgerichten für nichtig erklären lassen. Gegen die Vollstreckung von Entschädigungsansprüchen im Ausland klagt Madrid ebenfalls. Laut dem Bericht von “El Pais” aus dem März 2023 hat Spanien noch “keinen einzigen Euro gezahlt”.

    Großen Einfluss auf die künftigen Erfolgsaussichten der Kläger haben aber auch Entscheidungen des EuGH und der Generaldirektion Wettbewerb, für die demnächst Ribera die Verantwortung tragen wird. Die europäischen Richter hatten bereits 2018 im Fall Achmea entschieden, dass Schiedsvereinbarungen in einem Investitionsschutzvertrag mit dem EU-Recht unvereinbar sind, wenn es um Streitigkeiten zwischen EU-Staaten geht. Taylor Wessing vertritt jedoch die Ansicht, dass Schiedssprüche des ICSID völkerrechtlich bindend seien.

    Generaldirektion Wettbewerb betreibt Musterverfahren

    Die EU-Kommission prüft wiederum seit 2021 die beihilferechtlichen Folgen des Falles Antin gegen Spanien. Vorläufig kamen die Wettbewerbshüter zu der Ansicht, dass es sich bei den zugesprochenen Entschädigungszahlungen um Beihilfen handele. Einer der vielen Stolpersteine für Investoren: Die spanische Förderregelung von 2007 sei in Brüssel nie zur Genehmigung nach den Beihilfevorschriften angemeldet worden. Verglichen mit der seit 2013 geltenden Förderung könnte das niederländisch-luxemburgische Unternehmen also einen unzulässigen Vorteil beanspruchen.

    In diesem Verfahren sehen Kritiker den zentralen Interessenkonflikt der künftigen Wettbewerbskommissarin Ribera. Angesichts der Vielzahl der laufenden Schiedsgerichtsverfahren sei zu erwarten, dass Spanien und die EU-Kommission eine Entscheidung weiter hinauszögerten oder gar ganz unterließen, heißt es in einem Papier eines betroffenen Unternehmens. Die künftige Investitionsbereitschaft könne dies stark belasten.

    “Nicht Aufgabe des Beihilferechts”

    Mahnende Worte kommen auch aus der Grünen-Fraktion im Europaparlament. “Ich erwarte von einer Wettbewerbskommissarin der EU, dass sie im europäischen Interesse handelt”, sagt der Abgeordnete Damian Boeselager (Volt), der erste stellvertretende Vorsitzende des für Beihilfen zuständigen Wirtschaftsausschusses.

    “Klar muss sein, dass nationale Förderungen eine klare Planbarkeit für alle Akteure, auch solche aus dem EU-Ausland, gewährleisten sollten. Ich kann der Einschätzung der Generaldirektion Wettbewerb nicht vorgreifen, aber auf den ersten Blick ist es nicht Aufgabe des Beihilferechts, Entschädigungszahlungen zu verhindern, die ja auf echten Schaden zurückgeführt werden sollten”, sagt Boeselager.

    Weder er noch Ferber formulieren allerdings grundsätzliche Zweifel an der Eignung Riberas für ihr künftiges Amt. Beihilfeexperte Ferber sieht auch in der langen Dauer der Prüfung des Antin-Falles nichts Ungewöhnliches: “Es handelt sich um eine ziemlich komplexe Gemengelage im Zusammenspiel zwischen europäischem und internationalem Recht, die mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann auch vor dem EuGH landen wird. Umso mehr sind Sorgfalt und Umsicht gefragt.”

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    Nein zu E-Auto-Zöllen: Die Autorität von Kanzler Scholz bröckelt

    Es war eine seltsame Gesellschaft, in der sich Deutschland mit seinem Nein zu den Zöllen für E-Autos aus China wiederfand. Neben der Bundesregierung hatten nur Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Malta dagegen gestimmt, aus ganz unterschiedlichen Motiven. Kanzler Olaf Scholz brachte das mit Richtlinienkompetenz in der Koalition durchgesetzte Votum zwar den Applaus der deutschen Autohersteller ein. In Brüssel und anderen EU-Ländern wird sein Vorgehen hingegen mit Kopfschütteln quittiert.

    “Scholz hat in Berlin theatralisch ein Machtwort gesprochen, das in der EU niemanden beeindruckt hat”, sagt der Chef der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament, Daniel Caspary. “Er hat damit allen die deutsche Ohnmacht vor Augen geführt.”

    Scholz vernachlässigt EU-Partner

    Der Kanzler hatte die EU-Partner zuletzt bereits gegen sich aufgebracht, indem er harsche Kritik an den Übernahmeplänen der italienischen Unicredit für die Commerzbank äußerte und Kontrollen an allen deutschen Grenzen anordnen ließ. Die Zoll-Abstimmungsniederlage ist nun ein deutlicher Fingerzeig, wie es um seine Autorität im Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs bestellt ist. Scholz hatte im Vorfeld persönlich versucht, weitere Kolleginnen und Kollegen zu einem Nein zu bewegen – weitgehend erfolglos.

    Seine Vorgängerin Angela Merkel war im Laufe ihrer Amtszeit zur mächtigsten Frau in Europa aufgestiegen – gegen ihren Willen wurde im Europäischen Rat selten entschieden. Anders als Merkel bemühe sich Scholz aber nur um die EU-Partner, wenn er etwas von ihnen wolle, kritisiert ein enger Beobachter. Daher sei die Bereitschaft gering, dem Kanzler entgegenzukommen, wenn dieser ein Anliegen vorbringe.

    Merkel sprach zudem aus einer Position der relativen Stärke, die auf Deutschlands wirtschaftlichem Erfolg fußte. Die CDU-Politikerin konnte überdies auf EVP-Verbündete zählen, die in den EU-Institutionen dominierten. SPD-Mann Scholz hat hingegen außer Spaniens Pedro Sánchez kaum noch gewichtige Verbündete im Rat. Die Schwäche der deutschen Wirtschaft und die innere Zerstrittenheit der Koalition ließen Kanzler und Bundesregierung zudem verwundbar wirken, sagt Eric Maurice, Analyst beim European Policy Center. “Ich sehe nicht, dass Scholz vergleichbar Einfluss und Autorität hat.”

    “Ein echtes Problem für Europa”

    Die deutsche Führungsschwäche wird in den Nachbarstaaten weniger mit Schadenfreude als mit Sorge betrachtet. “Das ist ein echtes Problem für Europa”, sagt ein EU-Diplomat.

    Andere versuchen, die Lücke zu füllen. Weniger Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der ebenfalls mit hausgemachten Problemen zu kämpfen hat, als Polens Regierungschef Donald Tusk oder Ursula von der Leyen. Die Kommissionspräsidentin treibt die Ausgleichszölle gegen E-Autos aus China vehement voran. “Von der Leyens Position erscheint viel stärker, als sie tatsächlich ist oder sein kann”, sagt der britische Historiker Peter Ludlow.

    Von der Leyen will mit den Zöllen ein Zeichen der Stärke setzen, um Peking endlich zu Zugeständnissen zu bewegen, und zwar über die Autobranche hinaus. Die europäischen Beschwerden über unfairen Wettbewerb sind in den vergangenen Jahren an der chinesischen Führung abgeprallt. Um Peking zu beeindrucken, braucht die Kommission aber die Rückendeckung der EU-Staaten. “In einer solchen Konstellation mit Nein zu stimmen, signalisiert, dass Deutschland die europäische Einheit bricht”, kritisierte die Merics-Analystin Abigaël Vasselier. Berlin öffne damit die Büchse der Pandora.

    Auch andere Regierungen fürchten chinesische Vergeltungsmaßnahmen. Sie enthielten sich bei der Abstimmung, ohne damit die Verhandlungsposition der Kommission zu untergraben. Für Scholz aber hatten die Sorgen der bereits schwächelnden Autoindustrie Vorrang: “Die Bundesregierung scheint besonders darauf bedacht, weitere Risiken zu vermeiden”, sagt Maurice. “Sie gewichtet kurzfristige Probleme dabei höher als langfristige Herausforderungen.”

    Ärger über Kritik an Commerzbank-Übernahme

    Die Äußerungen des Kanzlers zu den Übernahmeplänen der Unicredit für die Commerzbank sorgten in Italien wie auch in anderen Ländern für Irritationen. Man könne nicht nur für paneuropäische Banken sein, wenn die Konsolidierung unter deutscher Führung stattfinde, kritisierte die italienische Unternehmerin Emma Marcegaglia vergangene Woche in Berlin.

    Scholz untergräbt laut Experten mit seinen Äußerungen die eigenen politischen Initiativen zur Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion. Der Fall Commerzbank sei “ein echter Test für die Bankenunion und für die Ernsthaftigkeit der Politiker, ob sie glauben, was sie sagen”, sagt Nicolas Verón, Senior Fellow beim Think-Tank Bruegel.

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    Reform des EU-Haushalts: Diese Chancen und Risiken sehen Experten

    Die möglichen Pläne der Kommission, den EU-Haushalt grundlegend neu zu strukturieren, rufen in Brüssel und den voraussichtlich betroffenen Branchen gemischte Reaktionen hervor. Vertreter von Forschung und Landwirtschaft gehen von deutlichen Veränderungen in ihren Bereichen aus.

    Am Sonntag hatte die “FAZ” von einer internen Präsentation der Kommission berichtet, aus der hervorgehe, dass die bisher größten Budgetposten, die Hilfen für die Landwirte und die Förderung strukturschwacher Regionen, wegfallen sollen. Stattdessen solle der Großteil des Budgets als “Zuschuss” zum nationalen Haushalt an die Mitgliedstaaten fließen – im Gegenzug sollen die Staaten konkrete politische Reformen zusagen.

    Parallel soll offenbar der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte Fonds für Wettbewerbsfähigkeit entstehen, in dem alle bisher im weitesten Sinne dafür vorgesehenen Mittel und Fonds aufgehen. Der Umbau des Budgets soll Teil des für 2025 angekündigten Vorschlags für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028 bis 2034 sein. Die Kommission kommentierte das Papier nicht. Es gebe noch keine abgestimmte Position, hieß es in der Behörde. 

    Stärkere politische Vorgaben für Horizon Europe

    Eine derartige Reform könnte starke Auswirkungen auf die Forschungslandschaft der EU haben. Insider gehen derzeit davon aus, dass das European Research Council (ERC) und das European Innovation Council (EIC) als unabhängigere Agenturen weiter bestehen würden. Währenddessen könnte die Säule 2 von Horizon Europe in dem neuen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit aufgehen.

    “Damit würde das Kernstück des EU-Forschungsprogramms stärker unter politische Vorgaben gestellt”, sagt Claudia Labisch, Leiterin des Brüsseler Büros der Leibniz-Gemeinschaft. Die dort geförderten transnationalen Forschungsvorhaben müssten sich vermutlich mehr in den Dienst der Wettbewerbsfähigkeit stellen. Sie vermutet auch, dass schon lange bestehende Netzwerke in bestimmten Themengebieten abseits von Schlüsseltechnologien keine wirkliche Förderperspektive mehr bekommen könnten.

    Ein weiteres Risiko: Nicht nur in Bezug auf einzelne Themen, sondern auch auf das Forschungsbudget generell wäre die Kommission sehr mächtigOhne eine konkrete Festlegung auf ein festes Budget könnten Mittel schnell umgeschichtet werden. Für die Forschung böte die neue Budgetstruktur also neben den Chancen auf Entbürokratisierung auch einige Risiken, meinen die Experten in Brüssel.

    Bauernverband befürchtet “einzelstaatliche Beliebigkeit

    Auch die Agrarbranche horcht angesichts der möglichen Reform auf. Aus der Verwaltung und Ausgestaltung der Agrar- und Strukturförderung würde die Kommission sich zurückziehen. Das für die Landwirtschaft reservierte Geld könnte beispielsweise wie bisher als Direkthilfe an die Landwirte fließen. Als Bedingung dafür, dass die EU das Geld an die Staaten auszahlt, wird als Beispiel die Förderung der Biolandwirtschaft genannt.

    Kritisch reagiert der Deutsche Bauernverband (DBV). “Dieses Brainstorming sieht eher aus wie eine taktische Provokation zum Einstieg in die Budgetverhandlungen”, sagt DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken zu Table.Briefings. “Wir können uns nicht vorstellen, dass Europa den ländlichen Raum aufgibt.” Darüber hinaus führe dieser Ansatz in die “einzelstaatliche Beliebigkeit und in massiv unterschiedliche Wettbewerbsverhältnisse”. Es sei kaum vorstellbar, dass sich die EU-Kommission den Weg für die Umsetzung der eigenen agrarpolitischen Ambitionen “dermaßen verbaut”.

    Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) findet den Ansatz hingegen nicht verkehrt. EU-Agrarsubventionen national flexibel steuern zu können, ermögliche es, nationale Bedürfnisse mehr zu berücksichtigen. Wichtig sei jedoch, ambitionierte Mindeststandards in Bezug auf Natur-, Umwelt-, Tier- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zu etablieren und vor allem zu kontrollieren.

    “Vielversprechend, aber sicher kein Allheilmittel”

    Leicht skeptisch zeigte sich auch Jens Geier, haushaltspolitischer Sprecher der Europa-SPD. Der Ansatz sei “vielversprechend, aber sicher kein Allheilmittel”. Der Europaabgeordnete mahnte: “Diese Reformen dürfen nicht zur Vermeidung der Ausgabenkontrolle durch das EU-Parlament führen, und über die Formulierung von Zielen und Milestones muss es eine parlamentarische Mitsprache geben.”

    Die meisten Mitgliedstaaten wollten den “FAZ”-Bericht nicht kommentieren, da die dort skizzierten Vorhaben bislang nicht offiziell vorgestellt wurden und die Konsequenzen einer Reform noch nicht abzusehen sind. Der niederländische Finanzminister Eelco Heinen äußerte sich nur indirekt zu den möglichen Plänen: “Wir brauchen mehr Reformen in Europa und wir sind für Konditionalität”, sagte er am Rande eines Treffens der Eurogruppe. mw/has/jaa/sas

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    Novel Food: Wie die neuen EU-Leitlinien zur Zulassung in der Branche ankommen

    Die aktualisierten Leitlinien der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Zulassung neuartiger Lebensmittel werden in der Branche als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. “Es ist ein sehr willkommenes Update“, sagt Hannah Lester, die als CEO von Atova Consulting Unternehmen zu Zulassungsprozessen berät. Bisher hätten etwa spezifische Informationen zur Zulassung von Zellfleisch und Produkten aus Präzisionsfermentation gefehlt. Hier habe die EFSA nun nachgebessert, erklärt sie Table.Briefings.

    Die Behörde hatte Ende September eine Überarbeitung ihrer wissenschaftlichen Leitlinien vorgelegt. Ziel ist es, Unternehmen besser darauf vorzubereiten, wie der Prozess abläuft und welche wissenschaftlichen Informationen zum Produkt sie vorlegen müssen. Bisher hatten Branchenvertreter kritisiert, der Prozess sei schwer zu navigieren und verzögere sich immer wieder, wenn die EFSA Dokumente nachfordere.

    Politische Hürden bestehen weiter

    Schon seit langem habe die Branche deshalb neue Leitlinien gefordert, betont Lester. Diese bieten jetzt auch Beispiele früherer Fälle, in denen die EFSA Dokumente nachfordern musste, damit neue Bewerber hieraus lernen können. All das helfe, meint die Expertin, mahnt aber: “Stellt sich ein Unternehmen, vor allem ein Start-up, zum ersten Mal dem Zulassungsprozess, dürfte es sich immer noch zusätzliche Klarstellungen wünschen.”

    Denn teils gebe es auch in den neuen Leitlinien noch Grauzonen. Etwa, wenn es darum gehe, welche wissenschaftlichen Tests es im Einzelnen für die Zulassung von Zellfleisch braucht. Zudem sei die Aktualisierung der EFSA-Leitlinien schwerfällig und hinke neuen Entwicklungen hinterher. “In Singapur zum Beispiel aktualisiert die zuständige Behörde ihre Leitlinien häufiger – basierend auf ihrer Erfahrung im Umgang mit Zulassungsanträgen für neuartige Lebensmittel”, erzählt Lester.

    Das Good Food Institute, das sich für die Förderung alternativer Proteinquellen einsetzt, weist darauf hin, dass politische Hürden weiterhin bestehen. Denn nach der Prüfung durch die EFSA müssen EU-Kommission und Mitgliedstaaten über die Zulassung neuartiger Lebensmittel entscheiden. Dass etwa Italien versuche, kultiviertes Fleisch zu verbieten, zeige, dass der regulatorische Weg zur Markteinführung von Novel Foods in der EU weiterhin mit Risiken behaftet sei. jd

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    Anhörung von Christophe Hansen: Agrarausschuss stellt vorab Fragen

    Der designierte Agrarkommissar Christophe Hansen soll seine “Vision für Landwirtschaft und Ernährung” schriftlich darlegen. Darin soll er erklären, was er zur Sicherung eines fairen Einkommens der Bauern tun will, wie er ihre Stellung in der Versorgungskette für Lebensmittel stärken, die Transparenz bei der Preisbildung verbessern und die Branche attraktiver für den Nachwuchs gestalten will. Dies geht aus der ersten von fünf schriftlichen Fragen hervor, die der Agrarausschuss dem Luxemburger übermittelt hat, und die Table.Briefings vorliegen.

    Hansen muss die Antworten vor seiner Anhörung im Ausschuss übermitteln. Die zweite Frage bezieht sich darauf, wie sich die GAP entwickeln soll, insbesondere die Direktzahlungen im Hinblick auf die geplanten Aufnahmen neuer Mitgliedsländer wie etwa der Ukraine. Er soll auch darlegen, ob er die Einfuhr von Agrarprodukten aus der Ukraine weiter regulieren will.

    Widerstandsfähig gegen Klimawandel

    Mit der Antwort auf die dritte Frage soll er darlegen, wie die EU-Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Folgen des Klimawandels gemacht werden soll. Die vierte Frage beschäftigt sich mit den Nachhaltigkeitszielen der Landwirtschaft. Der Ausschuss will wissen, ob sie innerhalb der bestehenden GAP-Systematik erreichbar seien und ob dafür ein höheres GAP-Budget benötigt werde.

    Die fünfte Frage bezieht sich auf die Viehhaltung: Wie soll die Branche dazu beitragen, dass die Klimaziele eingehalten werden? Wie lässt sich die Bürokratiebelastung reduzieren? mgr

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    1,5-Grad-Ziel: Klima-Experten fordern Offenheit über mögliches Scheitern

    Das “absehbare Überschreiten” von 1,5 Grad globaler Erwärmung “sollte offen kommuniziert werden”. Dafür plädiert das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) in einem Positionspapier, das Table.Briefings exklusiv vorliegt. Eine solche Kommunikation sei wichtig, da die “Gestaltung von Klimaanpassung von aktuell plausiblen Temperaturszenarien ausgehen und sich auf diese vorbereiten” solle.

    Das DKK mahnt, die bisher “getroffenen politischen Entscheidungen für das Erreichen der klimapolitischen Ziele” seien “unzureichend”. Vor allem die “große soziale Ungleichheit” stehe einer Dekarbonisierung bis 2050 im Weg, so das größte Netzwerk zur Selbstorganisation der deutschen Klimawissenschaft mit aktuell 27 Mitgliedsinstitutionen.

    “Immer noch erhebliche Investitionen in fossile Energieträger”

    Kurz vor der nächsten Klimakonferenz (COP29) in Baku kritisiert das DKK vor allem die “immer noch erheblichen Investitionen in fossile Energieträger” wie Kohle- und Gaskraftwerke und neue Öl- und Gasvorkommen sowie klimaschädliche Subventionen. Netto-Null-Emissionen rückten in “immer weitere Ferne”.

    Laut DKK sei es zwar möglich, die globale Temperatur nach einem Anstieg über die 1,5-Grad-Schwelle durch negative Emissionen mittelfristig wieder unter 1,5 Grad zu drücken (Overshoot). Allerdings sei zweifelhaft, ob die technischen und politischen Voraussetzungen für die damit verbundene enorme CO₂-Entnahme überhaupt gegeben sind. Zudem würde die anschließende Absenkung der Temperatur auf 1,5-Grad nach einem Overshoot die negativen Folgen für Natur und Ökosysteme nicht rückgängig machen. Zerstörte Gletscher und Wälder würden dadurch nicht zurückkommen. nib

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    Presseschau

    Angriff auf Israel – EU-Parlament hält Schweigeminute N-TV
    Asylbewerber: 17 EU-Länder fordern “Paradigmenwechsel” bei der Abschiebung EURONEWS
    Vorstoß der EU-Kommission: Lindner unterstützt Radikalreform des EU-Haushalts FAZ
    Hauchdünne Sperrminorität: Keine Chatkontrolle-Abstimmung beim EU-Ministertreffen NETZPOLITIK
    Fragen des EU-Parlaments an die Kommissare für Energie, Klima und Industrie EURACTIV
    Prüfung auf Interessenskonflikte – Teure Villen und wenig Trans­parenz: Fallen erneut einige EU-Kommissare in der Vorrunde durch? RND
    An US-Hersteller Pfizer: EU-Gericht verhandelt über von der Leyens Corona-Impfstoff-Nachrichten KSTA
    Hochwasser: EU-Hilfen für Bosnien und Herzegowina STUTTGARTER ZEITUNG
    EU-Strategie in Nahost: “Wir wollen eine andere Regierung für die Menschen in Iran” SPIEGEL
    EU-Vorgaben für Kakao bis Kautschuk: Neuer Druck auf Entwaldungsverordnung RHEINISCHE POST
    EU ehrt Südtirol mit Innovations-Label SÜDTIROLER WIRTSCHAFTSZEITUNG
    EU-Kommissarin für Inneres und Migration, Ylva Johansson, will Rumänien und Bulgarien als Schengen-Vollmitglieder DIE PRESSE
    Unfairer Wettbewerb: KLM fordert EU auf, Maßnahmen gegen chinesische Airlines zu ergreifen AEROTELEGRAPH
    Österreichisch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler will mehr elektrische Firmenautos in der EU DIE PRESSE
    Demnächst Abgaben auf deutsche Fahrzeuge? VW-Chef Oliver Blume befürchtet chinesische Reaktion nach EU-Beschluss MERKUR
    “Nicht machbar”: Stellantis-Händler rebellieren gegen Konzernchef wegen CO₂-Zielen der EU FOCUS
    Telefonkonferenz der Wirtschaftsminister wegen Autobranche im Südwesten – Sorge vor Handelskrieg der EU mit China BNN
    Melonis Regierung streitet über Einbürgerungen DER STANDARD
    Wenn Populisten ganz unpopulär Defizite senken müssen FAZ
    Baltikum: Litauen will mit Drohnen gegen Schmuggler-Ballons aus Belarus vorgehen DEUTSCHLANDFUNK
    Polen benötigt größere Armee zur Verteidigung gegen mögliche Konflikte POLSKIE RADIO
    Frankreichs neuer Innenminister Bruno Retailleau: Für Kirche und Vaterland FAZ
    Premier Starmer hat sich als Saubermann inszeniert, nun wird er daran gemessen SÜDDEUTSCHE
    Handelsbarrieren fallen: Kosovo öffnet Grenzen für serbische Waren NAU
    Alarm an Finnlands Schulen: PISA-Studie zeigt große Probleme bei Kindern mit Migrationshintergrund HNA
    Luxemburg: Schulkantinen sollen mehr regionale Produkte verarbeiten L’ESSENTIEL
    Liechtenstein: Eigene Wasserstoffstrategie wird doch geprüft LIECHTENSTEINER VATERLAND
    Enormes Vorkommen kritischer Rohstoffe von Unternehmen in Norwegen aufgespürt MERKUR
    EuGH-Urteil zu Afghaninnen: Österreich bleibt bei Einzelfallprüfungen DER STANDARD
    Teuerung sorgt in Österreich für leere Hörsäle KLEINE ZEITUNG
    “Gesellschaftsbeitrag”: Einwanderer in die Schweiz sollen Steuer von 50.000 Franken zahlen MERKUR
    Zuwanderung in der Schweiz: Wo die Wirtschaft ohne Ausländer nicht mehr funktionieren würde TAGESANZEIGER

    Heads

    Michael McGrath – Pragmatiker und Ex-Finanzminister aus Irland

    Michael McGrath. The new European Commissioners were welcomed in September by Commission President Ursula von der Leyen.
    Neu in Brüssel: Michael McGrath, zuletzt Finanzminister in Irland, soll das Portfolio Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit in der neuen Kommission übernehmen.

    Offiziell haben die Iren es sportlich genommen. Die Regierung in Dublin hatte für Michael McGrath eigentlich ein wirtschafts- oder finanzbezogenes Portfolio in der Europäischen Kommission angestrebt. Als ehemaliger Finanzminister schien Michael McGrath mit seiner Erfahrung und Kompetenz in wirtschaftlichen Fragen ein geeigneter Kandidat dafür zu sein. Entsprechend lobbyierte die irische Regierung für ein solches Portfolio.

    Doch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat anders entschieden und McGrath für das Ressort Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit vorgesehen. Dies sei “eine starke und einflussreiche Ernennung”, lobte der irische Premierminister (Taoiseach) Simon Harris nach der Bekanntgabe.

    Auch McGrath selbst fand diplomatische Worte. Irland und ihm sei ein “sehr bedeutendes und wichtiges Ressort” zugeteilt worden und die Präsidentin habe eindeutig Vertrauen in ihn persönlich bei der Erfüllung dieser komplexen und anspruchsvollen Aufgabe. “In den mehr als 50 Jahren der Mitgliedschaft ist dies das erste Mal, dass ein irischer Kandidat mit dieser Aufgabe betraut wird.” Dabei ließ er offen, ob das nun eine gute oder schlechte Nachricht ist. Er ließ jedoch wissen, dass er sich auf seine Aufgaben freue.

    Kein Treffen mit von der Leyen in Brüssel

    Diese Reaktion scheint typisch für den Politiker McGrath, der gern pragmatisch und eher zurückhaltend vorgeht. Der Mann aus der Grafschaft Cork zeigt wenig Interesse an politischem Taktieren und setzt stattdessen auf inhaltliche Arbeit. Doch das könnte in Brüssel durchaus ein Nachteil sein. Kritiker bezweifeln, ob er sich mit seiner zurückhaltenden Art erfolgreich in den komplexen Machtstrukturen in der EU-Kommission etablieren kann.

    Im Juli 2024 besuchte McGrath Brüssel, um sich auf seine neue Rolle vorzubereiten. Er sprach mit irischen Europaabgeordneten, verzichtete aber auf ein Treffen mit Ursula von der Leyen, das ihm möglicherweise mehr Spielraum bei der Verhandlung seines Ressorts verschafft hätte.

    Lange politische Laufbahn

    Michael McGrath blickt auf eine lange politische Laufbahn in Irland zurück. Von 2022 bis 2024 führte er in Irland das Finanzministerium und spielte dabei eine entscheidende Rolle bei der wirtschaftlichen Stabilisierung des Landes nach den pandemiebedingten Herausforderungen. Unter seiner Leitung reduzierte Irland die Bruttostaatsverschuldung bis Ende 2023 auf rund 223 Milliarden Euro im Vergleich zu 236 Milliarden Euro Ende 2021. Damit lag sie jedoch immer noch um rund 20 Milliarden Euro höher als kurz vor der Pandemie.

    Während der Minister für seine vorsichtige Haushaltsführung und die Stabilisierung der Staatsfinanzen Anerkennung fand, blieben strukturelle Herausforderungen wie die Abhängigkeit von volatilen Körperschaftssteuereinnahmen bestehen.

    Seine Mission: Demokratie schützen, Binnenmarkt stärken

    In seiner neuen Rolle als EU-Kommissar steht McGrath vor anderen Herausforderungen. Er soll das Projekt des European Democracy Shield leiten, dem Ursula von der Leyen eine große Bedeutung in ihrer zweiten Amtszeit beimisst. Damit will sie Desinformation und ausländische Einflussnahme auf demokratische Prozesse bekämpfen. Angesichts der wachsenden digitalen Bedrohungen soll diese Initiative die Integrität demokratischer Wahlen in Europa sichern. Außerdem soll McGrath die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in den Mitgliedstaaten überwachen. Das ist angesichts der umstrittenen Rolle, die Irland bei der Auslegung der DSGVO bisher gespielt hat, nicht ganz ohne Ironie.

    Zu seiner Mission gehören jedoch noch drei weitere Aufgaben: Zum einen die Einbindung des Binnenmarktes in die Rechtsstaatlichkeit, wobei sich McGrath dabei vor allem auf die Herausforderungen für KMU konzentrieren soll, die grenzüberschreitend tätig sind. Zum anderen soll er sich um den Verbraucherschutz kümmern und die nächste Verbraucherschutzagenda für 2025 bis 2030 entwickeln. Schließlich wird McGrath mit der Förderung innovativer Unternehmen betraut. Dabei soll er für ein EU-weites, harmonisiertes rechtliches Umfeld sorgen, das es innovativen Unternehmen erleichtert, sich zu entwickeln und zu expandieren.

    Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz sind für ihn Neuland

    Seine Zeit als Finanzminister bereitete McGrath auf die wirtschaftlichen Aspekte seiner neuen Aufgabe vor. Dennoch sind die Themen Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz Neuland für ihn. Seine langjährige Erfahrung im irischen Parlament (Dáil Éireann) könnte ihm dabei helfen, sich rasch in die komplexen europäischen Themen einzuarbeiten. McGrath ist seit 2007 Abgeordneter für die liberal-konservative Partei Fianna Fáil, die der europäischen Renew-Fraktion angehört. Er gilt als verlässlicher Partner in Koalitionen und zeigte in Irland seine Fähigkeit, in einer Dreiparteien-Koalition erfolgreich Kompromisse zu finden.

    Michael McGrath wuchs in der Hafenstadt Passage West in der Grafschaft Cork auf. Bevor er in die nationale Politik eintrat, war er in der Kommunalverwaltung tätig. Sein Handelsstudium am University College Cork schloss er mit Auszeichnung ab und qualifizierte sich anschließend als Wirtschaftsprüfer bei KPMG. Bevor er hauptberuflich in die Politik ging, hatte er leitende Positionen in der Privatwirtschaft inne.

    Oft betont McGrath die große Bedeutung, die familiäre Werte und seiner Familie für ihn haben. Mit seiner Frau Sarah, die er bei KPMG kennenlernte und die ebenfalls Wirtschaftsprüferin ist, hat er sieben Kinder. Als er den ersten Haushalt in seiner Funktion als Finanzminister vorlegte, erschien die ganze Familie im irischen Parlament. Seine Bodenständigkeit und sein pragmatischer Stil machen ihn zu einer respektierten, wenn auch wenig charismatischen Figur in der irischen Politik. Ob er sich jedoch in Brüssel durchsetzen kann, muss er nun beweisen. Corinna Visser

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    Europe.Table Redaktion

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