Europas Solarwirtschaft kann einen Etappensieg verbuchen. Die Industrie hat es noch auf die Tagesordnung des heutigen Energierates geschafft. Beim Mittagessen wollen die Minister in Brüssel über den Zustand der Unternehmen beraten, von denen viele nach eigener Aussage wegen der chinesischen Konkurrenz und gesunkener Modulpreise angeblich kurz vor dem Aus stehen.
Nur wenige Minuten entfernt an der Grand Place, einem der schönsten Ensembles Europas, versammeln sich am Nachmittag Europas Solarunternehmen aus den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen zum SolarPower Summit. Die meisten Mitglieder von SolarPower Europe haben eher ein Interesse an möglichst großen Mengen günstiger Module und sehen in einer Marktabschottung den falschen Weg. Von den im Konkurrenzverband ESMC organisierten China-kritischeren europäischen Herstellern wird mancher Spitzenfunktionär am Montag und Dienstag wohl nicht einmal im Kongresshotel vorbeischauen.
Eins schweißt die unterschiedlichen Lager aber zusammen: die Hoffnung auf ein Ankaufprogramm der EU-Kommission für Module aus den vollen Lagern. Mal sehen, ob der ein oder andere Minister die Idee im Ministerrat heute unterstützt. Kommen Sie gut in die Woche.
Die EU-Kommission hat in ihrem Paket für wirtschaftliche Sicherheit erstmals die Themen Handel und Sicherheit verbunden. Das gab es so davor nie. Aber ist die EU nicht schon zu spät dran?
Ich würde sagen, es ist spät, aber immer noch rechtzeitig. Viele Länder wachen gerade auf. Es ist ganz klar, dass die globale Wirtschaft immer mehr über Sicherheitsinteressen definiert wird. Konkret heißt das, dass vor allem die Großmächte USA und China sich zunehmend darauf fokussieren, wer innoviert, wer produziert, wer handelt mit welchen strategischen Kapazitäten. Das ist nicht nur eine Frage von “Wer macht mehr Geld? “, sondern das ist eine klare Sicherheitsfrage. In den letzten Jahren war die Liste der strategischen Kapazitäten sehr eng definiert. Wir haben über Dual-Use-Güter primär für Waffenproduktion gesprochen. Die Liste der strategischen Güter wächst. China definiert für sich sehr offen und weitläufig strategische Industrien, in denen sie führen wollen. Für China sind solche Führungspositionen von nationalem Sicherheitsinteresse.
Es geht also schlichtweg um Kontrolle?
Ja, vor allem von bestimmten Technologien und Lieferketten. Wer kontrolliert und wer hat Zugang dazu? Das wird immer mehr als Kern der nationalen Sicherheit verstanden. Hier geht es mittlerweile um pharmazeutische Güter, um gewisse Energietechnologien. Es kommen ständig weitere Sektoren dazu. Da können wir uns als Europa nicht heraushalten. Die EU-Kommission hat mit der wirtschaftlichen Sicherheit schon zentral diesen Industrie- und Technologie-Kampf im Auge. Vielleicht mehr als manche Mitgliedstaaten.
Und was ist dabei herausgekommen bisher?
Die EU-Kommission hat die Strategie im vergangenen Juni definiert und ist damit geradezu vorgeprescht. Der Stab um Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat das Thema sehr an sich gerissen, sehr transatlantisch definiert. Die umfassend aufgesetzte Strategie aus dem vergangenen Jahr hatte viel Ambition. Dann ist aber nicht viel passiert. Im Januar gab es ein Update und White Paper dazu. Im letzten Jahr hatte die Kommission noch von großen wirtschaftlichen Sicherheitsrisiken gesprochen und der Fragmentierung globaler Handelsketten. Im Update zentriert sich die Strategie nun aber sehr stark auf eng definierte Risiken einiger Technologien und wie diese drohen, abzufließen.
Hätten Sie sich denn mehr erhofft als das, was jetzt vorgestellt wurde?
Ja, definitiv. Wir sind in vielen Bereichen leider vulnerabel – oft aus der Realität heraus, dass viele dieser Bereiche unter nationale Kompetenzen fallen. In der Wirtschaftssicherheit ist Europa nur so stark wie das schwächste Glied. Aktuell ist das zum Beispiel bei den Exportkontrollen der Fall. Der Druck auf Europa, dazu eine gemeinsame Position zu finden, ist groß. Wir schaffen es hier nicht, die nationalen Kompetenzen wirklich grundlegend mal infrage zu stellen. Es fehlen Grundfragen darüber, wie wir eigentlich generell zusammenarbeiten als Mitgliedstaat und Kommission in diesem Thema. Es werden ad hoc irgendwelche Plattformen aus dem Boden gestampft, wo dann die Unternehmen und die Mitgliedsstaaten versuchen, sich auszutauschen. Es gibt aber keine ambitionierte Agenda, um wirklich grundlegend neue Strukturen zu schaffen.
Gab es den Druck, wegen der anstehenden Europawahl noch etwas zu liefern?
Ich denke, der Druck war ziemlich hoch. Auch von Anfang an im Kabinett selbst. Die Mitgliedsstaaten und die Unternehmen hatten aber auch von Beginn an gewarnt, dass die Zeit zu kurz ist. Ich denke auf jeden Fall, dass es den politischen Druck gab, dass die jetzige Kommission einerseits noch etwas liefert vor der Wahl. Andererseits wollte man aber auch nicht alles in die Waagschale werfen in dem Super-Wahljahr.
Was ist nötig zur Umsetzung der Strategie? Zum großen Teil besteht diese bisher aus Vorschlägen, die ja nicht unbedingt umgesetzt werden müssen.
Es fehlt Geld, vor allem fehlen europäische Ressourcen. Außerdem haben wir uns irgendwo De-Risking auf die Kappe geschrieben. Das klingt sehr gut und das können alle unterschreiben. Aber momentan ist das auch extrem undefiniert. Was bedeutet das genau? Es muss eine klare Zielsetzung geben. Welche Risiken haben Priorität? Dafür brauchen wir eine Agenda für eine umfassende Industrie- und Handelspolitik, gerade auch im Bereich der Rohstoffe.
Wie sieht es beim Critical Raw Materials Act aus, der den Zugang zu wichtigen Ausgangsstoffen wie Kupfer oder Seltenen Erden sichern soll?
Auch der Critical Raw Materials Act hat große Ambitionen, aber keinen Plan, wie man das eigentlich machen möchte. Es gibt keine klaren EU-Instrumente, die darauf einwirken könnten, zum Beispiel einen Fonds auf europäischer Ebene. Das spiegelt auch das Problem wider, dass die industriepolitischen Instrumente alle auf der nationalstaatlichen Ebene angelegt sind – die Ziele aber eigentlich alle europäisch definiert werden. Meiner Ansicht nach braucht es klar europäische Mittel und strategische Fonds. Denn ohne diese kann die EU-Kommission nur an den existierenden Regulierungen rumfummeln, wie eben Exportkontrollen oder das FDI Screening. Das ist einfach sehr wenig.
Das einst prominent genannte Outbound Investment Screening wird es nun erstmal nicht geben. Wie erklären Sie sich das?
Das Outbound Investment Screening war erst mal eine US-amerikanische Agenda. Ursula von der Leyen hat ihre Sicherheitsstrategie sehr transatlantisch definiert. Sie ist nach Washington gefahren zum Treffen mit Joe Biden und kam mit einem Joint Statement zurück, in dem Exportkontrolle, Outbound Investment Screening und Research Security eigentlich zentral waren. Aber gerade beim Thema Outbound hat die Kommission es dann nicht geschafft, in dieser kurzen Zeit klar zu definieren, was Europas Risiko ist. Denn das Risiko, das die US-Amerikaner bei Outbound definiert haben, ist womöglich ein anderes als unseres.
Wo liegen die Unterschiede?
In Washington geht es vor allem um Venture Capital, welches vor allem Know-how an chinesische Technologiefirmen ableitet. Wir haben andere Investmentbeziehungen mit China, und deshalb muss das Risiko für uns auch anders definiert werden. Und die zweite Frage ist: Wie groß ist das Risiko tatsächlich? Und können unsere existierenden Instrumente für Exportkontrolle prinzipiell nicht das Gleiche erreichen? Das sind Fragen, die ungeklärt geblieben sind. Die Mitgliedsstaaten waren bei dem Thema ohnehin sehr skeptisch und haben das erstmal auf die lange Bank geschoben. Die Thematik ist ja aber nicht tot. Ich denke, man möchte auch abwarten, um zu sehen, wie die US-Amerikaner das nun weiter angehen, auch nach der US-Wahl.
Ist das dann nicht die bessere Entscheidung gewesen, abzuwarten, als das übers Knie zu brechen?
Ja, das kann man sagen. Wir brauchen auf jeden Fall eine klare Risikodefinition und Analyse. Wir müssen uns besser vorbereiten und unsere Standards für Risikoinvestments definieren. Wir lassen uns jetzt ein bisschen mehr Zeit und das ist reflektiert in dem Papier vom Januar.
Was erwarten Sie denn an Auswirkungen für europäische Unternehmen?
Unternehmen haben natürlich immer Angst, dass restriktive Maßnahmen wie Exportkontrollen das Geschäft verderben. Aber die Gefahr ist eher, dass wir unsere Exportkontrollen in Europa fragmentieren und es unterschiedliche Standards gibt. Das wollen ja auch die Unternehmen nicht. Ein Beispiel sind die Halbleiter-Maschinen aus den Niederlanden, die nun anderen Auflagen unterliegen als die der deutschen Zulieferer. Oder im Bereich der Quantentechnologie, wo neue nationale Exportkontrollen in Spanien, Finnland, oder Frankreich das Risiko der Europäischen Fragmentierung erhöhen. Es sollte durchaus ein Interesse auf Unternehmensseite geben, dass das europäisch geregelt wird. Offen sind natürlich noch Fragen zur Balance von Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Green Transition – und hier fängt die Debatte zum Beispiel über Solarpaneele und E-Autos aus China gerade erst an.
Wie sieht China das alles?
China hat bisher nicht die besten Erfahrungen damit gemacht, solche Handelskonflikte zu führen und sie dann politisch zu eskalieren. Die Sanktionen auf europäische Parlamentarier zum Beispiel waren wirklich, denke ich, schädlich für China. Sie haben sehr negative Folgen für das Image Chinas gehabt.
Was könnte die Schlussfolgerung daraus sein?
Peking wird sich eher auf altbewährte Praxis berufen: Unternehmen, die politisch wichtig und politisch gut vernetzt sind, in die Mangel nehmen. Zum Beispiel französische Weinexporteure oder europäische Autobauer in der Volksrepublik. Oder mit eigenen gezielten Exportkontrollen, wie letztes Jahr die Maßnahmen gegen Gallium- und Germanium-Exporte. Aber ich denke nicht, dass China momentan ein Interesse hat, das zu eskalieren. Wir haben auch ein bisschen Spielraum, denn China braucht uns als Exportmarkt.
Tobias Gehrke ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations (ECFR) in Brüssel. Er befasst sich mit Geoökonomie, der wirtschaftlichen Sicherheit der EU und der europäischen Wirtschaftsstrategie. Zuvor war Gehrke von 2017 bis 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Egmont Royal Institute in Brüssel. Er war außerdem Gastwissenschaftler an der National University of Singapore, der University of Nottingham und dem American Institute for Contemporary German Studies an der Johns Hopkins University, Washington DC. Er hält einen Doktortitel in Politikwissenschaft von der Universität Gent.
Die europäische Parteienfamilie der Sozialisten (SPE) verabschiedete bei ihrem Kongress in Rom das Manifesto für die Europawahl. Das Motto lautet “sozial, demokratisch, nachhaltig”. Im Dokument schreiben sich die Sozialdemokraten den Kampf für Gleichstellung, Rechtsstaatlichkeit und gute Arbeitsplätze auf die Fahne. Die Sozialisten fordern für das nächste Mandat eine “permanente EU-Investitionskapazität” und ein ambitionierteres EU-Budget.
Die Sozialisten wollen in der Kampagne den Kampf gegen Rechtsaußen aufnehmen. Der Luxemburger Nicolas Schmit, Sozialkommissar in der Leyen-Kommission, wurde von den Delegierten zum Spitzenkandidaten gekürt. Schmit, der die europäische Mindestlohnrichtlinie durchgesetzt hat, verurteilte die vermeintlich einfachen Lösungen, mit denen Rechtspopulisten auf Kosten der Schwächsten auf Stimmenfang gehen.
Stefan Löfven, Parteichef der SPE und ehemaliger Ministerpräsident Schwedens, kritisierte die Mitbewerber von der christdemokratischen Parteienfamilie EVP: “Rechtsaußen normalisieren heißt alles gefährden, was wir zusammen aufgebaut haben.” Bei den Abstimmungen zum Green Deal und Agrarthemen im Europaparlament hätten die Christdemokraten mit rechten EU-Gegnern paktiert.
Hinter dieser Kritik steht neben Wahlkampfrhetorik auch Sorge um die Gestaltungsmöglichkeiten für die Sozialisten im nächsten Europaparlament. Die Rechtsaußen-Fraktionen könnten so stark werden, dass rechnerisch Mehrheiten ohne die Sozialdemokraten möglich wären.
Der frisch gekürte Spitzenkandidat Nicolas Schmit bekam wortmächtige Unterstützung von vier sozialdemokratischen Regierungschefs: Kanzler Olaf Scholz, der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sowie der geschäftsführende Ministerpräsident Portugals, António Costa lobten die Qualitäten des 70-jährigen Herausforderers von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Tapfer halten die Sozialdemokraten an dem Plan fest, Schmit mit einem kraftvollen Wahlkampf den Weg an die Spitze der Kommission zu bahnen. Die Umfragen sagen aber aktuell einen klaren Wahlsieg für von der Leyen voraus. In diesem Fall würden die Sozialdemokraten einen Vize-Kommissionspräsidentenposten mit einflussreichem Portfolio für Schmit fordern.
Parteichef Löfven muss freilich noch Luxemburgs christdemokratischen Ministerpräsidenten Luc Frieden davon überzeugen, dass Schmit der Kandidat des Großherzogtums für die nächste Kommission ist. Oder vielleicht tritt ja auch Olaf Scholz die Reise nach Luxemburg mit dieser Mission an: Schließlich dürfte die deutsche Ampel im Rat am Ende die Kandidatin der EVP, Ursula von der Leyen (CDU), unterstützen. Als Gegengeschäft unter Nachbarn sollte, so der mögliche Appell von Scholz, Luxemburg sich für den Sozialdemokraten aussprechen.
Falls Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin bekommt, rechnen sich die Sozialdemokraten Chancen aus, den nächsten Präsidenten des Europäischen Rates zu stellen. Zwei Kandidaten sind im Gespräch: António Costa und Mette Frederiksen. Costa war schon im vergangenen Jahr als Favorit gehandelt worden. Im November wurde sein Name aber im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen genannt, worauf er seinen Rücktritt bekannt gab. Wenig später hieß es, dass die Ermittler einen Fehler gemacht hätten und den Ministerpräsidenten mit dem fast gleichnamigen Wirtschaftsminister António Costa Silva verwechselt hätten. Costas Kabinettschef wurde festgenommen. Derzeit sieht es so aus, dass am Ende beim geschäftsführenden Ministerpräsident Costa von den Vorwürfen nichts haften bleibt.
Frederiksen steht für eine andere Art von Sozialdemokratie. Sie gibt sich hart in Migrationsfragen und steht für eine sparsame Fiskalpolitik. Es waren die dänischen Sozialdemokraten, die sich zusammen mit den schwedischen Sozialdemokraten gegen die Mindestlohnrichtlinie stark gemacht hatten. Die anderen Mitglieder der Parteienfamilie feiern umso mehr den Mindestlohn als großen Erfolg des zuständigen Kommissars. Und der heißt Nicolas Schmit.
Wenn das Paket der Topjobs nach der Wahl geschnürt wird, spielt nicht nur die Zugehörigkeit zu einer Parteienfamilie eine Rolle. Es geht auch darum, dass West und Ost, Nord und Süd vertreten sind. Wenn etwa die liberale Kaja Kallas aus dem Nordosten Außenbeauftragte würde, stiegen die Chancen für Costa, die Nachfolge von Charles Michel als Ratsvorsitzender anzutreten.
Bislang war es immer so, dass Sozialisten und Christdemokraten jeweils eine halbe Wahlperiode den Präsidenten des Europaparlaments gestellt haben. Bei den Sozialisten rechnet man damit, dass Amtsinhaberin Roberta Metsola von der EVP direkt weitermachen möchte. Für die zweite Hälfte des Mandats wären dann die Sozialisten am Zug. Im Gespräch dafür sind Katarina Barley, aktuell eine von 14 Vize-Präsidenten, sowie Fraktionschefin Iratxe García Pérez.
Der politisch wichtigste Job ist der Fraktionsvorsitz. Anders als bei EVP, Grünen und Renew gibt es bei den Sozialisten das ungeschriebene Gesetz, dass die stärkste Delegation Anspruch auf den Job hat. Spanien, Italien, Deutschland oder Rumänien könnten das nächste Mal die Nase vorn haben. Schon jetzt gibt es aber Überlegungen, mit dem ungeschriebenen Gesetz zu brechen. Hinter den Kulissen wird sondiert, ob etwa Raphaël Glucksmann aus Frankreich oder der Niederländer Mohammed Chahim vorne stehen könnte.
Auf diese Gerüchte angesprochen, setzte Chahim gegenüber Table Media zu einer leidenschaftlichen Lobesrede zur Verteidigung der Amtsinhaberin an. Sie sei maßgeblich für den Zusammenhalt in der Fraktion verantwortlich und könne führen, ohne sich ins Zentrum zu stellen. “Ich bin nur in der Position, in der ich bin, weil Iratxe mir den Raum dazu gibt”, sagte Chahim. “Ich werde sie nicht herausfordern”, versprach er. Er rechne aber auch nicht mit einer Kampfabstimmung. Vielmehr werde man sich gemeinsam einigen und dann zur Wahl schreiten.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) weigert sich, 15 größere Spenden aus dem Jahr 2021 offenzulegen. Von 17 Spenden und Schenkungen mit einem Volumen von mehr als 20.000 Euro, die die Organisation 2021 erhalten hat, hat sie nur bei zwei Positionen die Geber benannt. Bei 15 Schenkungen mit einem Volumen von insgesamt 1,5 Millionen Euro verweigert die DUH die Transparenz und macht keine Angaben zu den Urhebern. Dies geht aus dem Lobbyregister des Deutschen Bundestages hervor.
Die Weigerung der DUH, die Spender offenzulegen, widerspricht den Forderungen der “Allianz für Lobbytransparenz”. Die Allianz, der auch der Verbraucherzentrale Bundesverband sowie Transparency International angehören, erklärt: “Die Herkunft von finanziellen Mitteln sollte immer transparent sein. Ausnahmen sind in Einzelfällen für Privatpersonen denkbar. Sie sollten aber nicht für Organisationen oder Unternehmen gelten.”
Auf Nachfrage von Table.Media räumt die DUH den Sachverhalt ein. Sie erklärt: “Die namentliche Nennung unserer Spender und Spenderinnen kann immer nur dann erfolgen, wenn wir dazu durch diese auch berechtigt sind.” Die DUH hatte in ihrem Bericht für das Lobbyregister des Bundestages die 15 betreffenden Spender zunächst anonymisiert. Ab 2022 durften die Spender nicht mehr anonymisiert werden. Als die Anonymisierung nicht mehr gesetzlich möglich war, hat die DUH weitere Angaben zu den Spendern verweigert.
Damit ist unklar, ob die 15 Schenkungen, bei denen die DUH die Transparenz verweigert, möglicherweise auch Kampagnen finanziert haben, für die die DUH zuvor aktiv Akquise betrieben hat. 2016 hatte die DUH einem Verband der Gaswirtschaft gegen die Zahlung von Spenden in Höhe von 2,1 Millionen Euro, verteilt auf drei Jahre, eine Kampagne für fossiles Gas als Treibstoff in Pkw angeboten.
Die DUH gehört zu den Organisationen, die einen wesentlichen Teil ihrer Ausgaben aus Spenden bestreiten. Bei einem Jahresetat für das Jahr 2021 in Höhe von 14,655 Millionen Euro kam die DUH, die den Status der Gemeinnützigkeit genießt, auf Spenden von 5,029 Millionen Euro. 17 Schenkungen lagen über jeweils 20.000 Euro und hätten nach den Regeln des Lobbyregisters offengelegt werden müssen.
Die 17 größeren Spenden machten mit 2,390 Millionen Euro etwa die Hälfte des gesamten Spendenvolumens aus. Die DUH legte lediglich eine Spende in Höhe von rund einer Million Euro der deutschen Postcode-Lotterie sowie eine Spende von rund 100.000 Euro der Stiftung Mercator GmbH offen.
Die 15 Schenkungen, bei denen die DUH keine Angaben zu den Urhebern macht, belaufen sich insgesamt auf rund 1,5 Millionen Euro. Davon machen Schenkungen von juristischen Personen und Institutionen, die zweckgebunden waren, insgesamt rund 538.000 Euro aus. Juristische Personen können etwa Vereine, Stiftungen, Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften sein.
Die Umwelthilfe macht lediglich die Zuschüsse der öffentlichen Hand vollkommen transparent. So hat sie 2021 etwa Zuschüsse vom Bundesumweltministerium in Höhe von knapp 500.000 Euro bekommen. Von der EU-Kommission hat sie darüber hinaus rund eine Million Euro bekommen. Rund 660.000 Euro EU-Förderung hat die DUH für ein Projekt bekommen mit dem Titel: “Schließung der Lücke zwischen den offiziellen Herstellerangaben und dem tatsächlichen Kraftstoffverbrauch von Autos” sowie “Verringerung der Ammoniak- und Methanemissionen aus der Landwirtschaft zur Verbesserung der Luftqualität und des Klimaschutzes.”
2021 hat die Kommission Gesetzgebungsvorschläge des Green Deal zu CO₂-Flottengrenzwerten sowie zur Landwirtschaft vorbereitet. Weitere Zuschüsse im sechsstelligen Bereich kamen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Ministerien des Landes Thüringen sowie dem Ministerium für Umweltschutz und Landwirtschaft aus Brandenburg.
Seit 1. März 2024 gelten neue Regeln für das Lobbyregister des Bundestages. Die Regeln für die Angabe der Spender bei Schenkungen wurden gelockert. Während bislang Spenden ab 20.000 Euro offenlegungspflichtig waren, muss künftig eine einzelne Spende erst dann offengelegt werden, wenn sie mehr als zehn Prozent des gesamten Spendenvolumens einer Organisation ausmacht. Diese Neuregelung führt dazu, dass spendengetriebene Organisationen wie die Umwelthilfe noch weniger Auskunft geben müssen über die Herkunft ihrer Spendengelder.
Bezogen auf das Jahr 2021 hätte die Umwelthilfe nur die Spende der deutschen Postcodelotterie angeben müssen. Die Spende der Mercator Stiftung hätte unerwähnt bleiben können. Nach der bisherigen Gesetzgebung konnten spendenbasierte Organisationen wie die Umwelthilfe zwar die Namen der Spender verweigern. Doch die Struktur der Spenden waren im Lobbyregister ersichtlich. Seit der Neuregelung ist auch die Struktur der Spenden nicht mehr transparent.
Nach der alten Gesetzgebung waren bezogen auf das Jahr 2021 insgesamt 1425 Einzelspenden an rund 70 spendenbasierte Organisationen offenlegungspflichtig. Mit den neuen Regeln wären nur noch 23 Einzelspenden veröffentlichungspflichtig. 98 Prozent aller Spenden aus dem Jahr 2021 an spendenbasierte Organisationen würden im Lobbyregister des Bundestages nicht mehr Erwähnung finden.
Die “Allianz für Lobbytransparenz”, die 2018 auf Initiative des Verbandes der Chemischen Industrie gegründet wurde und der mittlerweile weitere sieben Organisationen wie etwa der BDI, die Familienunternehmer, Transparency International und der Verbraucherzentrale Bundesverband angehören, kritisiert die Erhöhung des Schwellenwertes für Spenden in der ab März geltenden Neuregelung: “Große Organisationen mit Großspendern sind damit von der Offenlegungspflicht ausgenommen.”
Zunächst wollte die Koalition, dass Organisationen Schenkungen und Spenden, die über 50.000 Euro hinausgehen, transparent machen müssen. Nachdem viele spendenbasierte Organisationen dagegen protestiert haben, hat die Koalition das Gesetz entschärft. Die Organisationen gaben an, dass gerade natürliche Personen häufig kein Interesse an der Veröffentlichung hätten und dass die Spendenbereitschaft sinken würde, falls die Pläne der Koalition umgesetzt würden. Nun müssen Spenden nur veröffentlicht werden, wenn sie zehn Prozent des gesamten Spendenvolumens ausmachen.
Der frühere Chefunterhändler des Europaparlaments für die Datenschutzgrundverordnung, Jan Philipp Albrecht, fordert mehr Pragmatismus von den Aufsichtsstellen. “Die deutschen Datenschutzbehörden sollten sich stärker auf ein gemeinsames Verständnis der Regeln einlassen“, sagte der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung im Gespräch mit Table.Media.
Bislang agieren die 18 Aufsichtsbehörden, eine im Bund und den 16 Ländern, in Bayern zudem getrennt nach öffentlichem und nicht öffentlichem Bereich, auch untereinander unabhängig. Die Folge: Vergleichbare Sachverhalte werden je nach Zuständigkeit unterschiedlich rechtlich behandelt, bis höchstrichterliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine verbindliche Auslegung vorschreibt.
Albrecht empfiehlt, in der Datenschutzdebatte in Deutschland “auf esoterische Haltungen zu verzichten”. Das betreffe insbesondere den Bereich des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger. “Als Doppel-Staatsbürger darf ich in Frankreich viele Verwaltungsleistungen bereits digital in Anspruch nehmen, ja sogar digital wählen”, sagt Albrecht. “Dabei gilt auch dort die Datenschutzgrundverordnung.” Die Belange von Datenschutz und Sicherheit ließen sich adressieren und stünden solchen Anwendungen nicht grundsätzlich im Weg.
Auch auf europäischer Ebene sieht der Grünen-Politiker Handlungsbedarf. Es sei wichtig, kontinuierlich nachzusteuern. Das Gesetz biete hierfür auch einen Flexibilitätsmechanismus, in Form des European Data Protection Board. Leider schafften es die nationalen Datenschutzbehörden dort oft nicht, sich auf eine Lesart der Regeln zu verständigen, so Albrecht. “Und sie trauen sich oft nicht, einander zu überstimmen, dabei haben wir das ausdrücklich im Gesetz so vorgesehen.” tho/fst
Der Europaabgeordnete Malte Gallée legt sein Mandat nieder. Der 30-jährige Grüne, der 2022 für Sven Giegold nachgerückt war, gibt in einer persönlichen Erklärung auf seiner Homepage als Grund an: Ihm werde vorgeworfen, “sich unangemessen gegen Mitarbeitenden verhalten zu haben”. Er habe bereits 2022 eine Ombudsstelle wegen der Sache angerufen. Weiter heißt es in der persönlichen Erklärung: “Ich bin davon überzeugt, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen.” Gallée hatte bereits zuvor mitgeteilt, dass er bei der Europawahl im Juni nicht antritt. mgr
Den Unterhändlern der Welthandelsorganisation (WTO) ist es nicht gelungen, einen Durchbruch bei wichtigen Reformen zu erzielen. Trotz einer Verlängerung der fünftägigen Verhandlungen bis zum frühen Samstagmorgen gab es keine Erfolge bei den Themen Landwirtschaft und Fischerei. “Bei den wichtigen Themen, die für das Mandat der WTO von entscheidender Bedeutung sind, wie die Fischerei und schädliche Subventionen, kam es einfach nicht zu einer Einigung. Es gab einfach kein Geben und Nehmen”, sagte ein hoher europäischer Beamter.
Allein bei der Verlängerung des Moratoriums auf Zölle für den elektronischen Handel gab es eine gemeinsame Entscheidung der 164 Mitgliedsländer. Indien und Südafrika hatten auf Drängen der Gastgeber in Abu Dhabi zu später Stunde noch zugestimmt.
Am fünften Tag des turnusgemäßen Ministertreffens waren die meisten Minister bereits abgereist. EU-Kommissar für Handel, Valdis Dombrovskis, äußerte sich enttäuscht über den fehlenden Konsens in den Bereichen Fischerei, Landwirtschaft und bei generellen Reformen und machte unter anderem Indien dafür verantwortlich. “Vereinbarungen waren zum Greifen nahe, wurden von einer überwältigenden Mehrheit der Mitglieder unterstützt, aber letztlich von einer Handvoll Länder – manchmal nur von einem – blockiert.” rtr
Die Europäische Volkspartei (EVP) ist nach Angaben ihres Parteivorsitzenden Manfred Weber (CSU) bereit, im Europäischen Parlament auch mit ausgewählten rechtspopulistischen Parteien zusammenzuarbeiten. “Warum sollten wir nicht mit Rechtskonservativen wie Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala zusammenarbeiten?”, sagte Weber der “Welt am Sonntag”. Meloni und Fiala seien anerkannte Regierungschefs, sie setzten sich für die Ukraine ein und wollten Europa konstruktiv gestalten. “Im neu gewählten Europäischen Parlament ist eine punktuelle Zusammenarbeit mit europafreundlichen Konservativen für mich genauso denkbar wie eine Zusammenarbeit mit den Grünen.”
Es gebe für die EVP eine “klare Brandmauer gegenüber allen Rechtsradikalen” auf dem Kontinent. “Pro Europa, pro Rechtsstaat, pro Ukraine – das sind die Grundpfeiler, auf denen diese Brandmauer steht. Jeder, der dagegen ist, wird für uns kein Partner sein.” Das schließe etwa eine Zusammenarbeit mit der AfD, der polnischen PiS-Partei, der ungarischen Fidesz-Partei und der französischen Rechtsradikalen Le Pen aus. Weber bezeichnete diese als “politischen Feinde.” rtr
Der politische Wandel in Polen weckt Erwartungen an eine ehrgeizigere polnische Energie- und Klimapolitik. Die aktive Außenpolitik der neuen Regierung bietet in der Tat die Möglichkeit, die Energiezusammenarbeit mit den Nachbarländern, einschließlich Deutschland, zu intensivieren. Eine Zusammenarbeit macht unter anderem bei grünem Wasserstoff Sinn.
Eine schnelle polnische Energiewende ist jedoch nicht ausgemacht. Zwar bekennt sich die seit Dezember amtierende Regierung zu einer ehrgeizigeren Energie- und Klimapolitik als ihre Vorgänger. Aber zum kürzlich beschlossenen verschärften europäischen Klimaziel hat sie sich zunächst zurückhaltend geäußert. Polen dürfe sich beim Tempo nicht überfordern und der Übergang müsse wirtschaftlich gerecht gestaltet werden, betont Paulina Hennig-Kloska, Ministerin für Klima und Umwelt. Der stellvertretende Minister aus ihrem Ressort, Krzysztof Bolesta, sieht eine Doppelaufgabe für seine Regierung: Während des Aufbaus einer grünen Alternative müsse auch das derzeitige, auf fossilen Brennstoffen basierende System erhalten werden.
Die polnische Wirtschaft ist immer noch eine der kohlenstoffintensivsten in Europa; die starke Abhängigkeit von der Kohle bleibt ein zentrales Problem. Die EU hat dem Land eine Verlängerung des EU-Kapazitätsmarktmechanismus für Kohlekraftwerke bis 2028 gewährt, die eine Subventionierung erlaubt. Aber es wird wahrscheinlich keine weitere Verlängerung geben. Wie in Deutschland könnte der Prozess der schrittweisen Stilllegung von Kohlekraftwerken auch zu Stromengpässen führen.
Die Finanzierung der Energiewende stellt das Land vor eine weitere große Herausforderung. Einem 2023 veröffentlichten EY-Bericht zufolge belaufen sich die notwendigen Investitionen bis 2030 auf 135 Milliarden Euro. Weniger als 27 Milliarden Euro können durch EU-Mittel gedeckt werden.
Obwohl die Vorgängerregierung keine ehrgeizige Energie- und Klimapolitik verfolgt hat, machte Polen in mancher Hinsicht Fortschritte. Zwar gab es keine umfassende Dekarbonisierungsstrategie, aber einige Initiativen zur Steigerung der Energieeffizienz von Haushalten, Wärmepumpen, Wärmedämmung und kleine Photovoltaikprojekte beschleunigten ebenfalls den grünen Wandel. Besonders bemerkenswert ist, dass sich der Anteil des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien von zehn Prozent im Jahr 2015 auf 27 Prozent im Jahr 2023 fast verdreifacht hat.
Der Anteil der Kohle am Energiemix sank binnen Jahresfrist um sieben Prozent und betrug 2023 noch 63 Prozent. Sowohl die geförderte Kohlemenge als auch die Zahl der Beschäftigten sinken stetig. Darüber hinaus erklären einige Bergarbeitergewerkschaften ihre Bereitschaft, den Sektor der erneuerbaren Energien zu unterstützen. Die Bevölkerung unterstützt mit überwältigender Mehrheit eine beschleunigte Energiewende.
Die meisten der bereits im Wahlkampf vorgestellten Ziele der neuen Regierung adressieren zentrale Herausforderungen, stehen im Einklang mit den Prioritäten der EU und sind realisierbar.
Auf zentraler Ebene soll der Anteil der erneuerbaren Energien am nationalen Energiemix sich bis 2030 auf 68 Prozent mehr als verdoppeln, unter anderem mit folgenden Maßnahmen:
Wegen des großen Investitionsbedarfs könnte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine wichtige Ergänzung zu den nationalen Bemühungen für eine Energiewende sein, insbesondere mit Nachbarländern wie Deutschland. Ein vielversprechender Bereich für die Zusammenarbeit bei grünen Projekten wäre Wasserstoff. Polen ist bereits einer der größten Wasserstoffproduzenten der Welt, nutzt dafür bislang aber hauptsächlich fossile Brennstoffe.
Die Regierung wird wahrscheinlich in der Aktualisierung der Strategie “Energiepolitik Polens bis 2040”, einem wichtigen energie- und klimapolitischen Dokument, neue groß angelegte Wasserstoffprojekte ankündigen. Deutschland wiederum ist ehrgeizig bei der Entwicklung von grünem Wasserstoff, weil es ihn für die Transformation seiner Industrie in großen Mengen benötigt. Beide Länder sollten nach Synergien bei grenzüberschreitenden Wasserstoff- und Energiespeicherprojekten suchen.
Möglichkeiten der Zusammenarbeit könnte es auch bei der Sicherung der Versorgung mit fossilen Brennstoffen geben. Derzeit gibt es Anzeichen dafür, dass ein polnisches Unternehmen nach einer möglichen Enteignung von Rosneft die russischen Anteile an der Raffinerie in Schwedt übernehmen könnte.
Die Regierung könnte mit ihren ehrgeizigen Ansätzen neue Kooperationen im Energiebereich mit den Nachbarländern ermöglichen. Eine ambitionierte grenzüberschreitende Zusammenarbeit würde der Energiewende in Polen wertvolle Impulse geben.
Szymon Kardaś ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations in Warschau. Er befasst sich mit der europäischen und russischen Energiepolitik und gibt den “Energy Sovereignty Index” mit heraus.
Europas Solarwirtschaft kann einen Etappensieg verbuchen. Die Industrie hat es noch auf die Tagesordnung des heutigen Energierates geschafft. Beim Mittagessen wollen die Minister in Brüssel über den Zustand der Unternehmen beraten, von denen viele nach eigener Aussage wegen der chinesischen Konkurrenz und gesunkener Modulpreise angeblich kurz vor dem Aus stehen.
Nur wenige Minuten entfernt an der Grand Place, einem der schönsten Ensembles Europas, versammeln sich am Nachmittag Europas Solarunternehmen aus den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen zum SolarPower Summit. Die meisten Mitglieder von SolarPower Europe haben eher ein Interesse an möglichst großen Mengen günstiger Module und sehen in einer Marktabschottung den falschen Weg. Von den im Konkurrenzverband ESMC organisierten China-kritischeren europäischen Herstellern wird mancher Spitzenfunktionär am Montag und Dienstag wohl nicht einmal im Kongresshotel vorbeischauen.
Eins schweißt die unterschiedlichen Lager aber zusammen: die Hoffnung auf ein Ankaufprogramm der EU-Kommission für Module aus den vollen Lagern. Mal sehen, ob der ein oder andere Minister die Idee im Ministerrat heute unterstützt. Kommen Sie gut in die Woche.
Die EU-Kommission hat in ihrem Paket für wirtschaftliche Sicherheit erstmals die Themen Handel und Sicherheit verbunden. Das gab es so davor nie. Aber ist die EU nicht schon zu spät dran?
Ich würde sagen, es ist spät, aber immer noch rechtzeitig. Viele Länder wachen gerade auf. Es ist ganz klar, dass die globale Wirtschaft immer mehr über Sicherheitsinteressen definiert wird. Konkret heißt das, dass vor allem die Großmächte USA und China sich zunehmend darauf fokussieren, wer innoviert, wer produziert, wer handelt mit welchen strategischen Kapazitäten. Das ist nicht nur eine Frage von “Wer macht mehr Geld? “, sondern das ist eine klare Sicherheitsfrage. In den letzten Jahren war die Liste der strategischen Kapazitäten sehr eng definiert. Wir haben über Dual-Use-Güter primär für Waffenproduktion gesprochen. Die Liste der strategischen Güter wächst. China definiert für sich sehr offen und weitläufig strategische Industrien, in denen sie führen wollen. Für China sind solche Führungspositionen von nationalem Sicherheitsinteresse.
Es geht also schlichtweg um Kontrolle?
Ja, vor allem von bestimmten Technologien und Lieferketten. Wer kontrolliert und wer hat Zugang dazu? Das wird immer mehr als Kern der nationalen Sicherheit verstanden. Hier geht es mittlerweile um pharmazeutische Güter, um gewisse Energietechnologien. Es kommen ständig weitere Sektoren dazu. Da können wir uns als Europa nicht heraushalten. Die EU-Kommission hat mit der wirtschaftlichen Sicherheit schon zentral diesen Industrie- und Technologie-Kampf im Auge. Vielleicht mehr als manche Mitgliedstaaten.
Und was ist dabei herausgekommen bisher?
Die EU-Kommission hat die Strategie im vergangenen Juni definiert und ist damit geradezu vorgeprescht. Der Stab um Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat das Thema sehr an sich gerissen, sehr transatlantisch definiert. Die umfassend aufgesetzte Strategie aus dem vergangenen Jahr hatte viel Ambition. Dann ist aber nicht viel passiert. Im Januar gab es ein Update und White Paper dazu. Im letzten Jahr hatte die Kommission noch von großen wirtschaftlichen Sicherheitsrisiken gesprochen und der Fragmentierung globaler Handelsketten. Im Update zentriert sich die Strategie nun aber sehr stark auf eng definierte Risiken einiger Technologien und wie diese drohen, abzufließen.
Hätten Sie sich denn mehr erhofft als das, was jetzt vorgestellt wurde?
Ja, definitiv. Wir sind in vielen Bereichen leider vulnerabel – oft aus der Realität heraus, dass viele dieser Bereiche unter nationale Kompetenzen fallen. In der Wirtschaftssicherheit ist Europa nur so stark wie das schwächste Glied. Aktuell ist das zum Beispiel bei den Exportkontrollen der Fall. Der Druck auf Europa, dazu eine gemeinsame Position zu finden, ist groß. Wir schaffen es hier nicht, die nationalen Kompetenzen wirklich grundlegend mal infrage zu stellen. Es fehlen Grundfragen darüber, wie wir eigentlich generell zusammenarbeiten als Mitgliedstaat und Kommission in diesem Thema. Es werden ad hoc irgendwelche Plattformen aus dem Boden gestampft, wo dann die Unternehmen und die Mitgliedsstaaten versuchen, sich auszutauschen. Es gibt aber keine ambitionierte Agenda, um wirklich grundlegend neue Strukturen zu schaffen.
Gab es den Druck, wegen der anstehenden Europawahl noch etwas zu liefern?
Ich denke, der Druck war ziemlich hoch. Auch von Anfang an im Kabinett selbst. Die Mitgliedsstaaten und die Unternehmen hatten aber auch von Beginn an gewarnt, dass die Zeit zu kurz ist. Ich denke auf jeden Fall, dass es den politischen Druck gab, dass die jetzige Kommission einerseits noch etwas liefert vor der Wahl. Andererseits wollte man aber auch nicht alles in die Waagschale werfen in dem Super-Wahljahr.
Was ist nötig zur Umsetzung der Strategie? Zum großen Teil besteht diese bisher aus Vorschlägen, die ja nicht unbedingt umgesetzt werden müssen.
Es fehlt Geld, vor allem fehlen europäische Ressourcen. Außerdem haben wir uns irgendwo De-Risking auf die Kappe geschrieben. Das klingt sehr gut und das können alle unterschreiben. Aber momentan ist das auch extrem undefiniert. Was bedeutet das genau? Es muss eine klare Zielsetzung geben. Welche Risiken haben Priorität? Dafür brauchen wir eine Agenda für eine umfassende Industrie- und Handelspolitik, gerade auch im Bereich der Rohstoffe.
Wie sieht es beim Critical Raw Materials Act aus, der den Zugang zu wichtigen Ausgangsstoffen wie Kupfer oder Seltenen Erden sichern soll?
Auch der Critical Raw Materials Act hat große Ambitionen, aber keinen Plan, wie man das eigentlich machen möchte. Es gibt keine klaren EU-Instrumente, die darauf einwirken könnten, zum Beispiel einen Fonds auf europäischer Ebene. Das spiegelt auch das Problem wider, dass die industriepolitischen Instrumente alle auf der nationalstaatlichen Ebene angelegt sind – die Ziele aber eigentlich alle europäisch definiert werden. Meiner Ansicht nach braucht es klar europäische Mittel und strategische Fonds. Denn ohne diese kann die EU-Kommission nur an den existierenden Regulierungen rumfummeln, wie eben Exportkontrollen oder das FDI Screening. Das ist einfach sehr wenig.
Das einst prominent genannte Outbound Investment Screening wird es nun erstmal nicht geben. Wie erklären Sie sich das?
Das Outbound Investment Screening war erst mal eine US-amerikanische Agenda. Ursula von der Leyen hat ihre Sicherheitsstrategie sehr transatlantisch definiert. Sie ist nach Washington gefahren zum Treffen mit Joe Biden und kam mit einem Joint Statement zurück, in dem Exportkontrolle, Outbound Investment Screening und Research Security eigentlich zentral waren. Aber gerade beim Thema Outbound hat die Kommission es dann nicht geschafft, in dieser kurzen Zeit klar zu definieren, was Europas Risiko ist. Denn das Risiko, das die US-Amerikaner bei Outbound definiert haben, ist womöglich ein anderes als unseres.
Wo liegen die Unterschiede?
In Washington geht es vor allem um Venture Capital, welches vor allem Know-how an chinesische Technologiefirmen ableitet. Wir haben andere Investmentbeziehungen mit China, und deshalb muss das Risiko für uns auch anders definiert werden. Und die zweite Frage ist: Wie groß ist das Risiko tatsächlich? Und können unsere existierenden Instrumente für Exportkontrolle prinzipiell nicht das Gleiche erreichen? Das sind Fragen, die ungeklärt geblieben sind. Die Mitgliedsstaaten waren bei dem Thema ohnehin sehr skeptisch und haben das erstmal auf die lange Bank geschoben. Die Thematik ist ja aber nicht tot. Ich denke, man möchte auch abwarten, um zu sehen, wie die US-Amerikaner das nun weiter angehen, auch nach der US-Wahl.
Ist das dann nicht die bessere Entscheidung gewesen, abzuwarten, als das übers Knie zu brechen?
Ja, das kann man sagen. Wir brauchen auf jeden Fall eine klare Risikodefinition und Analyse. Wir müssen uns besser vorbereiten und unsere Standards für Risikoinvestments definieren. Wir lassen uns jetzt ein bisschen mehr Zeit und das ist reflektiert in dem Papier vom Januar.
Was erwarten Sie denn an Auswirkungen für europäische Unternehmen?
Unternehmen haben natürlich immer Angst, dass restriktive Maßnahmen wie Exportkontrollen das Geschäft verderben. Aber die Gefahr ist eher, dass wir unsere Exportkontrollen in Europa fragmentieren und es unterschiedliche Standards gibt. Das wollen ja auch die Unternehmen nicht. Ein Beispiel sind die Halbleiter-Maschinen aus den Niederlanden, die nun anderen Auflagen unterliegen als die der deutschen Zulieferer. Oder im Bereich der Quantentechnologie, wo neue nationale Exportkontrollen in Spanien, Finnland, oder Frankreich das Risiko der Europäischen Fragmentierung erhöhen. Es sollte durchaus ein Interesse auf Unternehmensseite geben, dass das europäisch geregelt wird. Offen sind natürlich noch Fragen zur Balance von Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Green Transition – und hier fängt die Debatte zum Beispiel über Solarpaneele und E-Autos aus China gerade erst an.
Wie sieht China das alles?
China hat bisher nicht die besten Erfahrungen damit gemacht, solche Handelskonflikte zu führen und sie dann politisch zu eskalieren. Die Sanktionen auf europäische Parlamentarier zum Beispiel waren wirklich, denke ich, schädlich für China. Sie haben sehr negative Folgen für das Image Chinas gehabt.
Was könnte die Schlussfolgerung daraus sein?
Peking wird sich eher auf altbewährte Praxis berufen: Unternehmen, die politisch wichtig und politisch gut vernetzt sind, in die Mangel nehmen. Zum Beispiel französische Weinexporteure oder europäische Autobauer in der Volksrepublik. Oder mit eigenen gezielten Exportkontrollen, wie letztes Jahr die Maßnahmen gegen Gallium- und Germanium-Exporte. Aber ich denke nicht, dass China momentan ein Interesse hat, das zu eskalieren. Wir haben auch ein bisschen Spielraum, denn China braucht uns als Exportmarkt.
Tobias Gehrke ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations (ECFR) in Brüssel. Er befasst sich mit Geoökonomie, der wirtschaftlichen Sicherheit der EU und der europäischen Wirtschaftsstrategie. Zuvor war Gehrke von 2017 bis 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Egmont Royal Institute in Brüssel. Er war außerdem Gastwissenschaftler an der National University of Singapore, der University of Nottingham und dem American Institute for Contemporary German Studies an der Johns Hopkins University, Washington DC. Er hält einen Doktortitel in Politikwissenschaft von der Universität Gent.
Die europäische Parteienfamilie der Sozialisten (SPE) verabschiedete bei ihrem Kongress in Rom das Manifesto für die Europawahl. Das Motto lautet “sozial, demokratisch, nachhaltig”. Im Dokument schreiben sich die Sozialdemokraten den Kampf für Gleichstellung, Rechtsstaatlichkeit und gute Arbeitsplätze auf die Fahne. Die Sozialisten fordern für das nächste Mandat eine “permanente EU-Investitionskapazität” und ein ambitionierteres EU-Budget.
Die Sozialisten wollen in der Kampagne den Kampf gegen Rechtsaußen aufnehmen. Der Luxemburger Nicolas Schmit, Sozialkommissar in der Leyen-Kommission, wurde von den Delegierten zum Spitzenkandidaten gekürt. Schmit, der die europäische Mindestlohnrichtlinie durchgesetzt hat, verurteilte die vermeintlich einfachen Lösungen, mit denen Rechtspopulisten auf Kosten der Schwächsten auf Stimmenfang gehen.
Stefan Löfven, Parteichef der SPE und ehemaliger Ministerpräsident Schwedens, kritisierte die Mitbewerber von der christdemokratischen Parteienfamilie EVP: “Rechtsaußen normalisieren heißt alles gefährden, was wir zusammen aufgebaut haben.” Bei den Abstimmungen zum Green Deal und Agrarthemen im Europaparlament hätten die Christdemokraten mit rechten EU-Gegnern paktiert.
Hinter dieser Kritik steht neben Wahlkampfrhetorik auch Sorge um die Gestaltungsmöglichkeiten für die Sozialisten im nächsten Europaparlament. Die Rechtsaußen-Fraktionen könnten so stark werden, dass rechnerisch Mehrheiten ohne die Sozialdemokraten möglich wären.
Der frisch gekürte Spitzenkandidat Nicolas Schmit bekam wortmächtige Unterstützung von vier sozialdemokratischen Regierungschefs: Kanzler Olaf Scholz, der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sowie der geschäftsführende Ministerpräsident Portugals, António Costa lobten die Qualitäten des 70-jährigen Herausforderers von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Tapfer halten die Sozialdemokraten an dem Plan fest, Schmit mit einem kraftvollen Wahlkampf den Weg an die Spitze der Kommission zu bahnen. Die Umfragen sagen aber aktuell einen klaren Wahlsieg für von der Leyen voraus. In diesem Fall würden die Sozialdemokraten einen Vize-Kommissionspräsidentenposten mit einflussreichem Portfolio für Schmit fordern.
Parteichef Löfven muss freilich noch Luxemburgs christdemokratischen Ministerpräsidenten Luc Frieden davon überzeugen, dass Schmit der Kandidat des Großherzogtums für die nächste Kommission ist. Oder vielleicht tritt ja auch Olaf Scholz die Reise nach Luxemburg mit dieser Mission an: Schließlich dürfte die deutsche Ampel im Rat am Ende die Kandidatin der EVP, Ursula von der Leyen (CDU), unterstützen. Als Gegengeschäft unter Nachbarn sollte, so der mögliche Appell von Scholz, Luxemburg sich für den Sozialdemokraten aussprechen.
Falls Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin bekommt, rechnen sich die Sozialdemokraten Chancen aus, den nächsten Präsidenten des Europäischen Rates zu stellen. Zwei Kandidaten sind im Gespräch: António Costa und Mette Frederiksen. Costa war schon im vergangenen Jahr als Favorit gehandelt worden. Im November wurde sein Name aber im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen genannt, worauf er seinen Rücktritt bekannt gab. Wenig später hieß es, dass die Ermittler einen Fehler gemacht hätten und den Ministerpräsidenten mit dem fast gleichnamigen Wirtschaftsminister António Costa Silva verwechselt hätten. Costas Kabinettschef wurde festgenommen. Derzeit sieht es so aus, dass am Ende beim geschäftsführenden Ministerpräsident Costa von den Vorwürfen nichts haften bleibt.
Frederiksen steht für eine andere Art von Sozialdemokratie. Sie gibt sich hart in Migrationsfragen und steht für eine sparsame Fiskalpolitik. Es waren die dänischen Sozialdemokraten, die sich zusammen mit den schwedischen Sozialdemokraten gegen die Mindestlohnrichtlinie stark gemacht hatten. Die anderen Mitglieder der Parteienfamilie feiern umso mehr den Mindestlohn als großen Erfolg des zuständigen Kommissars. Und der heißt Nicolas Schmit.
Wenn das Paket der Topjobs nach der Wahl geschnürt wird, spielt nicht nur die Zugehörigkeit zu einer Parteienfamilie eine Rolle. Es geht auch darum, dass West und Ost, Nord und Süd vertreten sind. Wenn etwa die liberale Kaja Kallas aus dem Nordosten Außenbeauftragte würde, stiegen die Chancen für Costa, die Nachfolge von Charles Michel als Ratsvorsitzender anzutreten.
Bislang war es immer so, dass Sozialisten und Christdemokraten jeweils eine halbe Wahlperiode den Präsidenten des Europaparlaments gestellt haben. Bei den Sozialisten rechnet man damit, dass Amtsinhaberin Roberta Metsola von der EVP direkt weitermachen möchte. Für die zweite Hälfte des Mandats wären dann die Sozialisten am Zug. Im Gespräch dafür sind Katarina Barley, aktuell eine von 14 Vize-Präsidenten, sowie Fraktionschefin Iratxe García Pérez.
Der politisch wichtigste Job ist der Fraktionsvorsitz. Anders als bei EVP, Grünen und Renew gibt es bei den Sozialisten das ungeschriebene Gesetz, dass die stärkste Delegation Anspruch auf den Job hat. Spanien, Italien, Deutschland oder Rumänien könnten das nächste Mal die Nase vorn haben. Schon jetzt gibt es aber Überlegungen, mit dem ungeschriebenen Gesetz zu brechen. Hinter den Kulissen wird sondiert, ob etwa Raphaël Glucksmann aus Frankreich oder der Niederländer Mohammed Chahim vorne stehen könnte.
Auf diese Gerüchte angesprochen, setzte Chahim gegenüber Table Media zu einer leidenschaftlichen Lobesrede zur Verteidigung der Amtsinhaberin an. Sie sei maßgeblich für den Zusammenhalt in der Fraktion verantwortlich und könne führen, ohne sich ins Zentrum zu stellen. “Ich bin nur in der Position, in der ich bin, weil Iratxe mir den Raum dazu gibt”, sagte Chahim. “Ich werde sie nicht herausfordern”, versprach er. Er rechne aber auch nicht mit einer Kampfabstimmung. Vielmehr werde man sich gemeinsam einigen und dann zur Wahl schreiten.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) weigert sich, 15 größere Spenden aus dem Jahr 2021 offenzulegen. Von 17 Spenden und Schenkungen mit einem Volumen von mehr als 20.000 Euro, die die Organisation 2021 erhalten hat, hat sie nur bei zwei Positionen die Geber benannt. Bei 15 Schenkungen mit einem Volumen von insgesamt 1,5 Millionen Euro verweigert die DUH die Transparenz und macht keine Angaben zu den Urhebern. Dies geht aus dem Lobbyregister des Deutschen Bundestages hervor.
Die Weigerung der DUH, die Spender offenzulegen, widerspricht den Forderungen der “Allianz für Lobbytransparenz”. Die Allianz, der auch der Verbraucherzentrale Bundesverband sowie Transparency International angehören, erklärt: “Die Herkunft von finanziellen Mitteln sollte immer transparent sein. Ausnahmen sind in Einzelfällen für Privatpersonen denkbar. Sie sollten aber nicht für Organisationen oder Unternehmen gelten.”
Auf Nachfrage von Table.Media räumt die DUH den Sachverhalt ein. Sie erklärt: “Die namentliche Nennung unserer Spender und Spenderinnen kann immer nur dann erfolgen, wenn wir dazu durch diese auch berechtigt sind.” Die DUH hatte in ihrem Bericht für das Lobbyregister des Bundestages die 15 betreffenden Spender zunächst anonymisiert. Ab 2022 durften die Spender nicht mehr anonymisiert werden. Als die Anonymisierung nicht mehr gesetzlich möglich war, hat die DUH weitere Angaben zu den Spendern verweigert.
Damit ist unklar, ob die 15 Schenkungen, bei denen die DUH die Transparenz verweigert, möglicherweise auch Kampagnen finanziert haben, für die die DUH zuvor aktiv Akquise betrieben hat. 2016 hatte die DUH einem Verband der Gaswirtschaft gegen die Zahlung von Spenden in Höhe von 2,1 Millionen Euro, verteilt auf drei Jahre, eine Kampagne für fossiles Gas als Treibstoff in Pkw angeboten.
Die DUH gehört zu den Organisationen, die einen wesentlichen Teil ihrer Ausgaben aus Spenden bestreiten. Bei einem Jahresetat für das Jahr 2021 in Höhe von 14,655 Millionen Euro kam die DUH, die den Status der Gemeinnützigkeit genießt, auf Spenden von 5,029 Millionen Euro. 17 Schenkungen lagen über jeweils 20.000 Euro und hätten nach den Regeln des Lobbyregisters offengelegt werden müssen.
Die 17 größeren Spenden machten mit 2,390 Millionen Euro etwa die Hälfte des gesamten Spendenvolumens aus. Die DUH legte lediglich eine Spende in Höhe von rund einer Million Euro der deutschen Postcode-Lotterie sowie eine Spende von rund 100.000 Euro der Stiftung Mercator GmbH offen.
Die 15 Schenkungen, bei denen die DUH keine Angaben zu den Urhebern macht, belaufen sich insgesamt auf rund 1,5 Millionen Euro. Davon machen Schenkungen von juristischen Personen und Institutionen, die zweckgebunden waren, insgesamt rund 538.000 Euro aus. Juristische Personen können etwa Vereine, Stiftungen, Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften sein.
Die Umwelthilfe macht lediglich die Zuschüsse der öffentlichen Hand vollkommen transparent. So hat sie 2021 etwa Zuschüsse vom Bundesumweltministerium in Höhe von knapp 500.000 Euro bekommen. Von der EU-Kommission hat sie darüber hinaus rund eine Million Euro bekommen. Rund 660.000 Euro EU-Förderung hat die DUH für ein Projekt bekommen mit dem Titel: “Schließung der Lücke zwischen den offiziellen Herstellerangaben und dem tatsächlichen Kraftstoffverbrauch von Autos” sowie “Verringerung der Ammoniak- und Methanemissionen aus der Landwirtschaft zur Verbesserung der Luftqualität und des Klimaschutzes.”
2021 hat die Kommission Gesetzgebungsvorschläge des Green Deal zu CO₂-Flottengrenzwerten sowie zur Landwirtschaft vorbereitet. Weitere Zuschüsse im sechsstelligen Bereich kamen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Ministerien des Landes Thüringen sowie dem Ministerium für Umweltschutz und Landwirtschaft aus Brandenburg.
Seit 1. März 2024 gelten neue Regeln für das Lobbyregister des Bundestages. Die Regeln für die Angabe der Spender bei Schenkungen wurden gelockert. Während bislang Spenden ab 20.000 Euro offenlegungspflichtig waren, muss künftig eine einzelne Spende erst dann offengelegt werden, wenn sie mehr als zehn Prozent des gesamten Spendenvolumens einer Organisation ausmacht. Diese Neuregelung führt dazu, dass spendengetriebene Organisationen wie die Umwelthilfe noch weniger Auskunft geben müssen über die Herkunft ihrer Spendengelder.
Bezogen auf das Jahr 2021 hätte die Umwelthilfe nur die Spende der deutschen Postcodelotterie angeben müssen. Die Spende der Mercator Stiftung hätte unerwähnt bleiben können. Nach der bisherigen Gesetzgebung konnten spendenbasierte Organisationen wie die Umwelthilfe zwar die Namen der Spender verweigern. Doch die Struktur der Spenden waren im Lobbyregister ersichtlich. Seit der Neuregelung ist auch die Struktur der Spenden nicht mehr transparent.
Nach der alten Gesetzgebung waren bezogen auf das Jahr 2021 insgesamt 1425 Einzelspenden an rund 70 spendenbasierte Organisationen offenlegungspflichtig. Mit den neuen Regeln wären nur noch 23 Einzelspenden veröffentlichungspflichtig. 98 Prozent aller Spenden aus dem Jahr 2021 an spendenbasierte Organisationen würden im Lobbyregister des Bundestages nicht mehr Erwähnung finden.
Die “Allianz für Lobbytransparenz”, die 2018 auf Initiative des Verbandes der Chemischen Industrie gegründet wurde und der mittlerweile weitere sieben Organisationen wie etwa der BDI, die Familienunternehmer, Transparency International und der Verbraucherzentrale Bundesverband angehören, kritisiert die Erhöhung des Schwellenwertes für Spenden in der ab März geltenden Neuregelung: “Große Organisationen mit Großspendern sind damit von der Offenlegungspflicht ausgenommen.”
Zunächst wollte die Koalition, dass Organisationen Schenkungen und Spenden, die über 50.000 Euro hinausgehen, transparent machen müssen. Nachdem viele spendenbasierte Organisationen dagegen protestiert haben, hat die Koalition das Gesetz entschärft. Die Organisationen gaben an, dass gerade natürliche Personen häufig kein Interesse an der Veröffentlichung hätten und dass die Spendenbereitschaft sinken würde, falls die Pläne der Koalition umgesetzt würden. Nun müssen Spenden nur veröffentlicht werden, wenn sie zehn Prozent des gesamten Spendenvolumens ausmachen.
Der frühere Chefunterhändler des Europaparlaments für die Datenschutzgrundverordnung, Jan Philipp Albrecht, fordert mehr Pragmatismus von den Aufsichtsstellen. “Die deutschen Datenschutzbehörden sollten sich stärker auf ein gemeinsames Verständnis der Regeln einlassen“, sagte der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung im Gespräch mit Table.Media.
Bislang agieren die 18 Aufsichtsbehörden, eine im Bund und den 16 Ländern, in Bayern zudem getrennt nach öffentlichem und nicht öffentlichem Bereich, auch untereinander unabhängig. Die Folge: Vergleichbare Sachverhalte werden je nach Zuständigkeit unterschiedlich rechtlich behandelt, bis höchstrichterliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine verbindliche Auslegung vorschreibt.
Albrecht empfiehlt, in der Datenschutzdebatte in Deutschland “auf esoterische Haltungen zu verzichten”. Das betreffe insbesondere den Bereich des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger. “Als Doppel-Staatsbürger darf ich in Frankreich viele Verwaltungsleistungen bereits digital in Anspruch nehmen, ja sogar digital wählen”, sagt Albrecht. “Dabei gilt auch dort die Datenschutzgrundverordnung.” Die Belange von Datenschutz und Sicherheit ließen sich adressieren und stünden solchen Anwendungen nicht grundsätzlich im Weg.
Auch auf europäischer Ebene sieht der Grünen-Politiker Handlungsbedarf. Es sei wichtig, kontinuierlich nachzusteuern. Das Gesetz biete hierfür auch einen Flexibilitätsmechanismus, in Form des European Data Protection Board. Leider schafften es die nationalen Datenschutzbehörden dort oft nicht, sich auf eine Lesart der Regeln zu verständigen, so Albrecht. “Und sie trauen sich oft nicht, einander zu überstimmen, dabei haben wir das ausdrücklich im Gesetz so vorgesehen.” tho/fst
Der Europaabgeordnete Malte Gallée legt sein Mandat nieder. Der 30-jährige Grüne, der 2022 für Sven Giegold nachgerückt war, gibt in einer persönlichen Erklärung auf seiner Homepage als Grund an: Ihm werde vorgeworfen, “sich unangemessen gegen Mitarbeitenden verhalten zu haben”. Er habe bereits 2022 eine Ombudsstelle wegen der Sache angerufen. Weiter heißt es in der persönlichen Erklärung: “Ich bin davon überzeugt, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen.” Gallée hatte bereits zuvor mitgeteilt, dass er bei der Europawahl im Juni nicht antritt. mgr
Den Unterhändlern der Welthandelsorganisation (WTO) ist es nicht gelungen, einen Durchbruch bei wichtigen Reformen zu erzielen. Trotz einer Verlängerung der fünftägigen Verhandlungen bis zum frühen Samstagmorgen gab es keine Erfolge bei den Themen Landwirtschaft und Fischerei. “Bei den wichtigen Themen, die für das Mandat der WTO von entscheidender Bedeutung sind, wie die Fischerei und schädliche Subventionen, kam es einfach nicht zu einer Einigung. Es gab einfach kein Geben und Nehmen”, sagte ein hoher europäischer Beamter.
Allein bei der Verlängerung des Moratoriums auf Zölle für den elektronischen Handel gab es eine gemeinsame Entscheidung der 164 Mitgliedsländer. Indien und Südafrika hatten auf Drängen der Gastgeber in Abu Dhabi zu später Stunde noch zugestimmt.
Am fünften Tag des turnusgemäßen Ministertreffens waren die meisten Minister bereits abgereist. EU-Kommissar für Handel, Valdis Dombrovskis, äußerte sich enttäuscht über den fehlenden Konsens in den Bereichen Fischerei, Landwirtschaft und bei generellen Reformen und machte unter anderem Indien dafür verantwortlich. “Vereinbarungen waren zum Greifen nahe, wurden von einer überwältigenden Mehrheit der Mitglieder unterstützt, aber letztlich von einer Handvoll Länder – manchmal nur von einem – blockiert.” rtr
Die Europäische Volkspartei (EVP) ist nach Angaben ihres Parteivorsitzenden Manfred Weber (CSU) bereit, im Europäischen Parlament auch mit ausgewählten rechtspopulistischen Parteien zusammenzuarbeiten. “Warum sollten wir nicht mit Rechtskonservativen wie Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala zusammenarbeiten?”, sagte Weber der “Welt am Sonntag”. Meloni und Fiala seien anerkannte Regierungschefs, sie setzten sich für die Ukraine ein und wollten Europa konstruktiv gestalten. “Im neu gewählten Europäischen Parlament ist eine punktuelle Zusammenarbeit mit europafreundlichen Konservativen für mich genauso denkbar wie eine Zusammenarbeit mit den Grünen.”
Es gebe für die EVP eine “klare Brandmauer gegenüber allen Rechtsradikalen” auf dem Kontinent. “Pro Europa, pro Rechtsstaat, pro Ukraine – das sind die Grundpfeiler, auf denen diese Brandmauer steht. Jeder, der dagegen ist, wird für uns kein Partner sein.” Das schließe etwa eine Zusammenarbeit mit der AfD, der polnischen PiS-Partei, der ungarischen Fidesz-Partei und der französischen Rechtsradikalen Le Pen aus. Weber bezeichnete diese als “politischen Feinde.” rtr
Der politische Wandel in Polen weckt Erwartungen an eine ehrgeizigere polnische Energie- und Klimapolitik. Die aktive Außenpolitik der neuen Regierung bietet in der Tat die Möglichkeit, die Energiezusammenarbeit mit den Nachbarländern, einschließlich Deutschland, zu intensivieren. Eine Zusammenarbeit macht unter anderem bei grünem Wasserstoff Sinn.
Eine schnelle polnische Energiewende ist jedoch nicht ausgemacht. Zwar bekennt sich die seit Dezember amtierende Regierung zu einer ehrgeizigeren Energie- und Klimapolitik als ihre Vorgänger. Aber zum kürzlich beschlossenen verschärften europäischen Klimaziel hat sie sich zunächst zurückhaltend geäußert. Polen dürfe sich beim Tempo nicht überfordern und der Übergang müsse wirtschaftlich gerecht gestaltet werden, betont Paulina Hennig-Kloska, Ministerin für Klima und Umwelt. Der stellvertretende Minister aus ihrem Ressort, Krzysztof Bolesta, sieht eine Doppelaufgabe für seine Regierung: Während des Aufbaus einer grünen Alternative müsse auch das derzeitige, auf fossilen Brennstoffen basierende System erhalten werden.
Die polnische Wirtschaft ist immer noch eine der kohlenstoffintensivsten in Europa; die starke Abhängigkeit von der Kohle bleibt ein zentrales Problem. Die EU hat dem Land eine Verlängerung des EU-Kapazitätsmarktmechanismus für Kohlekraftwerke bis 2028 gewährt, die eine Subventionierung erlaubt. Aber es wird wahrscheinlich keine weitere Verlängerung geben. Wie in Deutschland könnte der Prozess der schrittweisen Stilllegung von Kohlekraftwerken auch zu Stromengpässen führen.
Die Finanzierung der Energiewende stellt das Land vor eine weitere große Herausforderung. Einem 2023 veröffentlichten EY-Bericht zufolge belaufen sich die notwendigen Investitionen bis 2030 auf 135 Milliarden Euro. Weniger als 27 Milliarden Euro können durch EU-Mittel gedeckt werden.
Obwohl die Vorgängerregierung keine ehrgeizige Energie- und Klimapolitik verfolgt hat, machte Polen in mancher Hinsicht Fortschritte. Zwar gab es keine umfassende Dekarbonisierungsstrategie, aber einige Initiativen zur Steigerung der Energieeffizienz von Haushalten, Wärmepumpen, Wärmedämmung und kleine Photovoltaikprojekte beschleunigten ebenfalls den grünen Wandel. Besonders bemerkenswert ist, dass sich der Anteil des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien von zehn Prozent im Jahr 2015 auf 27 Prozent im Jahr 2023 fast verdreifacht hat.
Der Anteil der Kohle am Energiemix sank binnen Jahresfrist um sieben Prozent und betrug 2023 noch 63 Prozent. Sowohl die geförderte Kohlemenge als auch die Zahl der Beschäftigten sinken stetig. Darüber hinaus erklären einige Bergarbeitergewerkschaften ihre Bereitschaft, den Sektor der erneuerbaren Energien zu unterstützen. Die Bevölkerung unterstützt mit überwältigender Mehrheit eine beschleunigte Energiewende.
Die meisten der bereits im Wahlkampf vorgestellten Ziele der neuen Regierung adressieren zentrale Herausforderungen, stehen im Einklang mit den Prioritäten der EU und sind realisierbar.
Auf zentraler Ebene soll der Anteil der erneuerbaren Energien am nationalen Energiemix sich bis 2030 auf 68 Prozent mehr als verdoppeln, unter anderem mit folgenden Maßnahmen:
Wegen des großen Investitionsbedarfs könnte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine wichtige Ergänzung zu den nationalen Bemühungen für eine Energiewende sein, insbesondere mit Nachbarländern wie Deutschland. Ein vielversprechender Bereich für die Zusammenarbeit bei grünen Projekten wäre Wasserstoff. Polen ist bereits einer der größten Wasserstoffproduzenten der Welt, nutzt dafür bislang aber hauptsächlich fossile Brennstoffe.
Die Regierung wird wahrscheinlich in der Aktualisierung der Strategie “Energiepolitik Polens bis 2040”, einem wichtigen energie- und klimapolitischen Dokument, neue groß angelegte Wasserstoffprojekte ankündigen. Deutschland wiederum ist ehrgeizig bei der Entwicklung von grünem Wasserstoff, weil es ihn für die Transformation seiner Industrie in großen Mengen benötigt. Beide Länder sollten nach Synergien bei grenzüberschreitenden Wasserstoff- und Energiespeicherprojekten suchen.
Möglichkeiten der Zusammenarbeit könnte es auch bei der Sicherung der Versorgung mit fossilen Brennstoffen geben. Derzeit gibt es Anzeichen dafür, dass ein polnisches Unternehmen nach einer möglichen Enteignung von Rosneft die russischen Anteile an der Raffinerie in Schwedt übernehmen könnte.
Die Regierung könnte mit ihren ehrgeizigen Ansätzen neue Kooperationen im Energiebereich mit den Nachbarländern ermöglichen. Eine ambitionierte grenzüberschreitende Zusammenarbeit würde der Energiewende in Polen wertvolle Impulse geben.
Szymon Kardaś ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations in Warschau. Er befasst sich mit der europäischen und russischen Energiepolitik und gibt den “Energy Sovereignty Index” mit heraus.