die Uhr tickt. Die sozialistische Parteienfamilie SPE nimmt bis 17. Januar Bewerbungen für ihren Spitzenkandidaten an. Nicolas Schmit, Kommissar für Soziales, ist bislang der einzige Genosse, der aus der Deckung gekommen ist und Interesse angemeldet hat. Die Bewerbung des Luxemburgers hat bislang jedoch einen Haken: Daheim in seinem Herzogtum sind die Sozialisten nicht mehr in der Regierung vertreten. Ein Spitzenkandidat, der nach der Europawahl von der Regierung in seiner Heimat nicht als Kommissar vorgeschlagen würde, wäre kein überzeugendes Angebot an die Wähler.
SPE-Parteichef Stefan Löfven will Schmits Problem lösen. Nach Informationen von Table.Media fühlt er beim Luxemburger Ministerpräsidenten Luc Frieden vor. Frieden, ein Christdemokrat, möge signalisieren, dass seine von Liberalen und Christdemokraten gebildete luxemburgische Regierung nach der Europawahl den Sozialisten Schmit als Kandidaten für die nächste Kommission benennen würde.
Warum sollte das die Koalition in Luxemburg tun? Löfven dürfte mit dem Argument in Luxemburg vorsprechen, dass Luxemburg mit Schmit Chancen auf einen Vizepräsidenten in der nächsten Kommission hätte. Ansonsten hätte der kleine Mitgliedstaat allenfalls Aussichten auf ein eher unbedeutendes Ressort wie Gleichheit oder internationale Partnerschaften.
Ob das Argument verfängt? Abwarten. Klar ist jedoch, dass die Sozialisten nicht gerade mit großem Selbstbewusstsein in die Europawahl gehen. Sie trauen sich wohl nicht zu, EU-weit auf dem ersten Platz zu landen, um dann Ursula von der Leyen abzulösen. Es wäre das Eingeständnis: Sie spielen nicht mehr auf Sieg, sondern nur noch auf Platz.
Offenbar fühlt er sich nach wie vor wohl in Brüssel: In einem Interview mit dem lettischen Fernsehen sagte Valdis Dombrovskis im August, dass er seine Arbeit bei der Kommission gern fortsetzen würde. Es gebe in der EU viel zu tun. Als wichtige Aufgaben nannte er die wirtschaftliche Entwicklung, die Aufbau- und Resilienzfazilität und die Unterstützung der Ukraine.
Dombrovskis ist seit fast zehn Jahren Mitglied der Kommission: 2014 wurde er Vizepräsident und war zuständig für den Euro und den sozialen Dialog. Im aktuellen Kollegium ist er Exekutiv-Vizepräsident für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, seit 2020 auch zuständig für Handel. Damit ist Dombrovskis der einflussreichste Politiker seines Heimatlandes Lettland, einem Staat mit rund 1,9 Millionen Einwohnern.
Die Handelspolitik ist besonders bedeutsam für die Arbeit der Kommission, denn die EU hat in diesem Bereich die ausschließliche Zuständigkeit. Dombrovskis ist zudem der ranghöchste Vertreter der christdemokratischen europäischen Parteienfamilie EVP in der Kommission hinter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Sollte Dombrovskis seine Arbeit in der Kommission fortsetzen, wäre es die dritte Amtszeit in Folge. Die Länge der Amtszeit sei ein Faktor, sagt Karlis Bukovskis, Direktor des Think-Tanks Latvian Institute of International Affairs: “Wollen wir ein neues Gesicht auf diesem Posten oder halten wir an jemandem fest, der seine Arbeit gut macht?”
Es gilt als offenes Geheimnis, dass Dombrovskis einen namhaften Konkurrenten hat. Seit dem Rücktritt von Krišjānis Kariņš als Ministerpräsident im Sommer gibt es Spekulationen, ob es nicht Kariņš sein wird, der statt seines Parteifreundes Dombrovskis nach Brüssel geht. In der neuen Regierung, die seit September im Amt ist, hat Kariņš das Amt des Außenministers übernommen. Doch es wurde von Anfang an vermutet, dass er sich damit nicht ausgelastet fühlen würde.
Mitte November gab Kariņš überraschend bekannt, dass er sich tatsächlich um einen internationalen Top-Job bemüht – und zwar als Nachfolger von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Doch es ist fraglich, ob er eine realistische Aussicht auf den Posten hat. Im Rennen sind ebenfalls Mark Rutte, ehemaliger Ministerpräsident der Niederlande, sowie Kaja Kallas. Das entschiedene Auftreten gegen Russlands Präsident Wladimir Putin und den Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Estlands Ministerpräsidentin international viel Respekt eingebracht. Für die Position an der Spitze der Nato kann dies allerdings ein Nachteil sein.
Das betrifft auch Kariņš, der als lettischer Außenminister ebenfalls die harte Linie der baltischen Staaten gegen Russland repräsentiert. In Lettland hält man es für wahrscheinlich, dass Kariņš an einem Wechsel in die Kommission arbeitet, es also zu einem direkten Konkurrenzkampf zwischen ihm und Dombrovskis kommen dürfte.
Die Entscheidung über die Nominierung des EU-Kommissars liegt bei Lettlands Ministerpräsidentin Evika Siliņa. Sie gehört wie Dombrovskis und Kariņš dem Parteienbündnis Jaunā Vienotība (Neue Einigkeit) an, das Teil der Parteienfamilie EVP ist. Doch Siliņa möchte sich zumindest öffentlich noch nicht festlegen. Die Frage, wer Lettland in der Kommission repräsentiere, werde erst im kommenden Jahr im Zusammenhang mit den Europawahlen relevant sein, teilte ihr Sprecher auf Anfrage mit. Siliņa galt lange als Kariņš’ rechte Hand. Bevor sie Ministerpräsidentin wurde, war sie parlamentarische Staatssekretärin in der Staatskanzlei unter dem damaligen Regierungschef.
Es wird davon ausgegangen, dass die Kandidaten für den Posten des Kommissars zunächst für das Europaparlament kandidieren. Bei den Europawahlen 2014 und 2019 wurde Dombrovskis als Spitzenkandidat seiner Partei ins EP gewählt, bevor er in die Kommission wechselte.
Kariņš Popularität in der Bevölkerung hat in seiner Zeit als Ministerpräsident nachgelassen. Aktuell steht er zudem massiv unter Druck, weil ihm eine rege Nutzung von Privatjets vorgeworfen wird. “Air Kariņš” heißt es spöttisch in lettischen Medien. Die Empörung ist so groß, dass Kariņš sich veranlasst sah, wortreich die Nutzung von Privatflügen als Ministerpräsident zu rechtfertigen. Wenige Tage später veröffentlichte die Jaunā Vienotība ein Statement, in der die Partei ihre Unterstützung für Kariņš betonte und seine politischen Leistungen – insbesondere auf EU-Ebene – hervorhob.
Nach Ansicht von Karlis Bukovskis beschädigt dieser Skandal Kariņš’ Chancen erheblich, als Kommissar nominiert zu werden. Allerdings bestehe kein Zweifel daran, dass er ein fähiger Politiker sei.
Diesen Ruf hat sich auch Dombrovskis erarbeitet. Trotz seiner reservierten und zurückhaltenden Art schätzt man ihn in seinem Heimatland wie auch in Brüssel als kompetenten Politiker. Er gilt als Profi, der mit großem Sachverstand geräuschlos und zuverlässig seinen Job macht. Ihm wird zudem eine gewisse Bescheidenheit nachgesagt, was ihm im Duell mit Kariņš jetzt zugutekommen könnte.
In Lettland wird Dombrovskis allerdings auch stark mit der schwierigen Zeit während der Finanzkrise in Verbindung gebracht. Kritiker, auch innerhalb der Regierungskoalition, werfen ihm vor, dass er als Ministerpräsident ab 2009 eine zu strenge Austeritätspolitik verfolgt habe. “Ich habe bis heute den Eindruck, dass er nie wirklich verstanden hat, wie hoch die sozialen Kosten dieser Politik waren”, sagt Andris Šuvajevs. Er ist Co-Vorsitzender der linksgerichteten Progressiven, seit September einer der beiden Koalitionspartner der Jaunā Vienotība in der lettischen Regierung.
Karlis Bukovskis verweist darauf, dass manche Menschen in Lettland Dombrovskis’ Sparpolitik indirekt für das schwere Unglück im Jahr 2013 verantwortlich machen, bei dem das Dach eines Supermarktes im Rigaer Stadtteil Zolitūde einbrach. 54 Menschen verloren ihr Leben. Dombrovskis übernahm die politische Verantwortung für das Unglück, indem er als Ministerpräsident zurücktrat. Das tat er vermutlich widerwillig, bei der Bekanntgabe seines Rücktritts kämpfte er offensichtlich mit den Tränen. Auch das haben viele Menschen im Land nicht vergessen.
Doch auch jemand wie Andris Šuvajevs findet anerkennende Worte für Dombrovskis – etwa, was seine klare Haltung zur Ukraine und seine Zuverlässigkeit betrifft. Zugleich stellt der Politiker der Progressiven infrage, dass der nächste Kommissar zwangsläufig von der Jaunā Vienotība kommt, auch wenn diese der stärkste Partner in der Regierung sei. Seine eigene Partei habe ebenfalls ein Interesse daran, auf höchster europäischer Ebene repräsentiert zu werden.
“Ich kann mir ein Szenario vorstellen, in dem weder Dombrovskis noch Kariņš der nächste Kommissar wird”, sagt auch Think-Tank-Chef Bukovskis. Beide seien ambitioniert und vergleichsweise jung. Kariņš ist 59, Dombrovskis 52 Jahre alt. Viel hänge davon ab, ob man auch außerhalb der Kommission einen angemessenen Posten für sie finde.
20.12.2023 – 19:00-20:00 Uhr, online
FNF, Podiumsdiskussion Krieg und Frieden. Russisches Denken begreifen – Nach dem Krieg: Wie kann ein Frieden in der Ukraine aussehen?
Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zu Russlands Krieg gegen die Ukraine widmet sich die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) der Frage, wie die Welt nach einem Kriegsende aussehen könnte, unter anderem hinsichtlich einer Integration der Ukraine in die Nato. INFOS & ANMELDUNG
Die Verhandlungsführer von Parlament und Rat haben sich bei der Schadstoffnorm Euro 7 geeinigt. Die Grenzwerte und das Testregime bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen werden von Euro 6 übernommen. Bei den schweren Nutzfahrzeugen werden die Grenzwerte verschärft. Dies gilt besonders für die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid und Feinstaub. Bei Feinstaub werden künftig deutlich kleinere Partikel erfasst – mit einem Durchmesser von weniger als zehn Nanometern.
Erstmals gibt es künftig Grenzwerte für den Abrieb von Reifen und Bremsen. Es wird zudem Anforderungen an die Haltbarkeit von Batterien für E-Autos geben. Nach acht Jahren oder einer Laufleistung von 120.000 Kilometern muss die Batterie mindestens noch eine Kapazität von 72 Prozent erreichen.
Der Kompromiss muss formal noch vom Parlament und vom Rat gebilligt werden. Die Kommission ist nun mit der sekundären Gesetzgebung an der Reihe. Die Industrie begrüßt, dass es damit Rechtssicherheit gibt, spricht aber von anspruchsvollen Zielen. mgr
Die EU-Mitgliedstaaten haben am Montag im Umweltrat die allgemeine Ausrichtung zur Verpackungsverordnung beschlossen. Damit sind Rat und Parlament bereit für die Trilogverhandlungen mit der Kommission. Das Parlament hatte seine Position bereits Ende November angenommen.
Die Position des Rats behält die meisten der Anforderungen an die Nachhaltigkeit in Verkehr gebrachter Verpackungen bei sowie auch die von der Kommission vorgeschlagenen Ziele zur Reduzierung von Verpackungsmüll und zur Erhöhung des Rezyklatanteils in Verpackungen.
Die Ziele für Einsatzverpackungen aus dem Kommissionsentwurf will der Rat hingegen ändern: Der Text legt neue Ziele für die Wiederverwendung und Wiederbefüllung für 2030 und 2040 fest, mit unterschiedlichen Vorgaben für
Für Kartonverpackungen fordert der Rat eine Ausnahme. Von den Verboten für Einwegverpackungen, die zum Beispiel für Obst und Gemüse gelten sollen, können die Mitgliedstaaten laut der Ratsposition für bestimmte Lebensmittel Ausnahmen genehmigen. Die Frist für die Anwendung der Verordnung soll zudem auf 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten verlängert werden.
Ziel der Verpackungsverordnung ist, der enormen Zunahme der Verpackungsabfälle in der EU entgegenzuwirken. Im Durchschnitt verursachte 2021 jeder Europäer und jede Europäerin etwa 190 Kilogramm Verpackungsmüll. Zudem soll die Verordnung den Binnenmarkt für Verpackungen harmonisieren. leo
Mit ihren nationalen Klimazielen werden die EU-Staaten bis 2030 nur 51 statt der vereinbarten 55 Prozent an Treibhausgasen einsparen. Das schreibt die Kommission in ihrer Bewertung der Entwürfe der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP), die am Montag veröffentlicht wurde.
Hinter den Vereinbarungen bleiben auch die Erneuerbaren-Pläne der Mitgliedstaaten zurück. Zusammen wird wohl nur ein Anteil am Energieverbrauch von maximal 39,3 Prozent statt 42,5 Prozent erreicht. Zielverfehlungen zeichnen sich zudem ab bei Energieeffizienz und CO2-Speichern im LULUCF-Sektor.
Auch Deutschland verfehlt laut den Empfehlungen der Kommission seine Beiträge zu den genannten EU-Zielen – sogar beim Erneuerbaren-Ausbau. Die deutlichste Zielverfehlung zeichnet sich aber in den Lastenteilungssektoren ab, allen voran Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Die Kommission fordert die Bundesregierung deshalb auf, zusätzliche Maßnahmen festzulegen, “um die prognostizierte Lücke von 15,4 Prozentpunkten zu schließen und das nationale Treibhausgasziel von -50 Prozent zu erreichen”.
Auch die deutschen Pläne zur Energiesicherheit fallen bei der Kommission durch. Der neue NECP enthalte keine zusätzlichen Ziele oder Maßnahmen, um die Gasversorgung weiter zu diversifizieren. Der Plan enthalte außerdem keine Schätzungen der nötigen Investitionen für den Klimaschutz. Auch bei den beabsichtigten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bleibe die Bundesregierung zu unkonkret.
Noch keine NECP-Entwürfe vorgelegt haben Bulgarien, Polen und Österreich. Die verspätet eingegangenen Dokumente von Belgien, Irland und Lettland will die Kommission Anfang nächsten Jahres auswerten. Bis Mitte 2024 müssen alle EU-Staaten ihre Entwürfe überarbeiten und die fertigen Klimapläne bei der Kommission einreichen. ber
Erstmals haben die Umweltminister der Europäischen Union über ein CO₂-Reduktionsziel für 2040 diskutiert. Beim Umweltrat am Montag präsentierte Ottmar Edenhofer, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats der EU für den Klimawandel. Die Forscherinnen und Forscher halten ein Ziel von 90 bis 95 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 für machbar und geben Szenarien vor, wie dies erreicht werden kann.
Klimakommissar Wopke Hoekstra hat bereits angekündigt, am 6. Februar seinen entsprechenden Vorschlag für das nächste EU-Klimaziel vorzulegen, zusammen mit einer Folgenabschätzung und der europäischen CO₂-Management-Strategie. Hoekstra strebt entsprechend den Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirates ein CO₂-Reduktionsziel von mindestens 90 Prozent an. Ein Ziel, das auch Dänemark als bisher einziges Mitgliedsland offen unterstützt. Frankreich setzt sich für Enddaten für Gas, Kohle und Öl ein.
Die spanische Umweltministerin Teresa Ribera sprach im Anschluss an das Ratstreffen von einer eher “allgemeinen Konversation” über das neue Klimaziel. Es gab im Anschluss keinen Beschluss. Alle Minister hätten sich jedoch konstruktiv an der Diskussion beteiligt. Ribera betonte zudem, dass das 2040er-Klimaziel auch sozioökonomische Aspekte berücksichtigen und sinnvoll für Wirtschaft und Unternehmen sein müsse.
Im März kommenden Jahres soll das von der Kommission vorgelegte Ziel beim nächsten Umweltrat diskutiert werden. Die Staats- und Regierungschefs könnten es bereits Ende Juni beim Europäischen Rat beschließen. luk
Die EU und Kenia haben am Montag ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen unterzeichnet. Mit dem Abkommen öffnet die EU ihren Markt vollständig für Waren aus dem ostafrikanischen Land. Kenia klammert hingegen einige Sektoren aus, darunter viele Agrarprodukte, Chemikalien und Textilien. Dies soll die lokalen Hersteller vor übermächtiger Konkurrenz schützen.
Beide Seiten hatten sich bereits im Juni im Grundsatz geeinigt. Nun muss noch das Europaparlament dem Abkommen zustimmen, damit es in Kraft treten kann. Das Abkommen umfasse die “bisher strengsten sozial- und klimapolitischen Verpflichtungen, die die EU im Rahmen eines Handelsabkommens mit einem afrikanischen Land eingegangen ist”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Besuch in Nairobi. Kenia sei ein verlässlicher Partner im Kampf gegen den Klimawandel. tho
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden am 1. Februar zu einem Sondergipfel zusammenkommen, um den Streit um die Revision des mehrjährigen Finanzrahmens beizulegen. Das kündigte der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, am Montag an.
Beim Gipfel am vergangenen Donnerstag hatten sich die Teilnehmer nach intensiven Verhandlungen nicht einigen können: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán wollte frischen Geldern für die Ukraine nicht zustimmen. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, für Kiew in den kommenden vier Jahren 50 Milliarden Euro an Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen, in Form von Zuschüssen und Darlehen. rtr/tho
Kurz vor Jahresende könnte es im Rat der EU-Mitgliedstaaten noch einmal Bewegung beim EU-Gentechnikrecht geben. Am Donnerstag soll im Ausschuss der Ständigen Vertreter inoffiziell über den Vorschlag der Kommission für eine Liberalisierung des EU-Rechts abgestimmt werden.
Befürworter einer Lockerung hoffen, dass sich das Kräfteverhältnis im Rat entsprechend verschiebt. Ohne die Zustimmung Deutschlands ist es allerdings schwierig, eine qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag der Brüsseler Behörde zustande zu bringen.
Nach einem Regierungswechsel könnte es in Polen zwar noch einmal Veränderungen geben. Ob das Land seine Antihaltung ad acta legt, ist aber in gut informierten Kreisen umstritten. Weitere Wackelkandidaten sind Belgien, Zypern und Malta. Mit viel Überzeugungskraft könnten diese dazu gebracht werden, zuzustimmen, heißt es.
Sollte sich eine Mehrheit für den Vorschlag der Brüsseler Behörde finden, könnte der Rat das Ergebnis im Januar unter Leitung der belgischen Ratspräsidentschaft formal bestätigen. has
Die Aufsichtsbehörde für die größten Anbieter von Plattformen nach dem Digital Services Act (DSA) hat ein förmliches Verfahren gegen X nach Artikel 66 eingeleitet. Im Maximalfall könnte der Plattform eine Strafe von 6 Prozent des Jahresumsatzes drohen – wenn tatsächlich ein Fehlverhalten festgestellt und dieses nicht beseitigt würde.
Die EU-Kommission in den vergangenen Monaten bereits Auskunftsverlangen an unterschiedliche Plattformen geschickt, X gehörte zu den ersten. “Wir werden nun eingehend untersuchen, inwiefern X die DSA-Verpflichtungen in Bezug auf die Bekämpfung der Verbreitung und Verstärkung illegaler Inhalte und Desinformationen in der EU, die Transparenz der Plattformen und die Gestaltung der Benutzeroberfläche einhält”, sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
“Wir glauben, dass X mit einigen Schlüsselartikeln des DSA nicht in Einklang agiert”, sagt ein EU-Beamter. Dabei gehe es unter anderem um den Umgang mit illegalen Inhalten und mit den Anforderungen an Betreiber, sogenannte systemische Risiken zu adressieren. Ebenfalls auf der Liste der zu untersuchenden Verfehlungen stehen die Vorgaben zu irreführender Oberflächengestaltung und die Transparenzanforderungen.
Bei den illegalen Inhalten seien die Vorkehrungen wahrscheinlich nicht den EU-Anforderungen entsprechend, heißt es von EU-Beamten. X und dessen Eigentümer Elon Musk glauben, dass ein kompliziertes Geflecht verschiedener Maßnahmen ausreichend sei. Es besteht aus Community Notes – das sind Nutzeranmerkungen zu Inhalten -, einer Anti-Manipulations-Policy für die Plattform und die sogenannten Blauhaken-Konten, die entweder verifizierte Nutzer oder gekaufte Accounts meinen. “Wir haben den Verdacht, dass die Maßnahmen zusammengenommen nicht effektiv wirken”, sagt jedoch ein EU-Beamter.
Zudem geht es unter anderem um die Vorgaben aus Artikel 16 des DSA, mit dem Standards für ein Inhaltemoderationssystem gesetzt werden. Dabei geht es etwa darum, dass ausreichend viele und geeignete Moderatoren Inhalte prüfen können und ohne schuldhafte Verzögerung auf Meldungen von Nutzern zu möglicherweise illegalen Inhalten reagiert wird. Vor allem vor den Europawahlen im kommenden Juni hatte die EU-Kommission vor Monaten bereits angekündigt, bei den schnellen Social-Media-Riesen genauer hinschauen zu wollen.
Die EU-Kommission kann nun für das Verfahren weitergehende Mittel einsetzen – von Gesprächen mit Dritten bis hin zur Beweismittelsicherung etwa per Hausdurchsuchung in einem EU-Mitgliedstaat.
Sollte die EU-Kommission als Aufsichtsbehörde zu dem Schluss kommen, dass X gegen die DSA-Regeln verstoßen hat, kann sie sogenannte Anordnungen aussprechen, mit der sie den Betreiber zur Behebung der Defizite verpflichtet. Sollte der Anbieter dem nicht nachkommen, könnte auch eine Geldbuße fällig werden. Bei dauerhafter Zuwiderhandlung könnte die EU-Kommission sogar eine Sperrung des Anbieters durch die Internetzugangsanbieter verlangen. fst
Wenn Sophia Russack von der EU spricht, sind ihre Sätze lang, ihre Gesten groß. Sie will nichts auslassen bei ihrem Lieblingsthema. “Die EU ist einzigartig, denn es ist ein Staatenverbund, den es so nirgends auf der Welt gibt – deswegen ist es ein spannendes Forschungsobjekt”, sagt Russack, 36. Seit sieben Jahren arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel, einem Think-Tank, der EU-Angelegenheiten analysiert. Aktuell untersucht sie in ihrer Doktorarbeit, wie politisch die Kommission unter Jean-Claude Juncker war.
Ihre Leidenschaft für die EU entdeckte sie bereits im Soziologie- und Politikstudium an der Goethe-Universität Frankfurt. Diese Kenntnisse vertiefte sie im Research-Master-Programm in European Studies in Maastricht. Schon damals merkte Russack: Sie will wissen, wie das alles wirklich in Brüssel funktioniert – und landete nach ihrem Abschluss beim CEPS. “Es ist eine spannende Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis: Ich kann forschen und zugleich konkrete Vorschläge erarbeiten, wie man Sachen besser machen kann.”
Dabei fokussiert sie sich auf die Institutionen der EU, insbesondere die EU-Kommission. Außerdem beschäftigt sie sich damit, wie die EU demokratischer werden könnte. “Die demokratische Qualität der EU ist nicht großartig, aber auch nicht so schlecht wie ihr Ruf.” Russack plädiert für größere Transparenz bei der Kommissions-Präsidentschaftswahl und fordert von Rat, Parlament und Kommission, ihre Arbeit mehr nach außen zu kommunizieren. “Die Wählerinnen und Wähler müssen besser verstehen können, was die EU macht.”
Daher spricht sie sich für Bürgerräte auf EU-Ebene aus und findet, dass die Wahl zum EU-Parlament mehr nationalen Wahlkampf und einen EU-weit einheitlichen Wahltermin braucht. “Die EU macht unser aller Leben leichter – zum Beispiel durch das Abschaffen der Roaming-Gebühren oder das Erasmus-Programm. Nur leider schafft die EU es nicht immer, diese Erfolge als solche zu verkaufen”, sagt Russack.
Sie glaubt an die Beständigkeit der EU – trotz der Krisen der vergangenen Jahre: Euro-Krise, Corona, Ukrainekrieg. “Spätestens der Krieg hat gezeigt, wie viel Einheit in der EU sein kann.” Trotzdem sieht Russack eine Gefahr: “Fehlende Rechtsstaatlichkeit ist das größte Problem, denn sie gefährdet die Demokratie.” Besonders Ungarn stellt die EU dabei auf die Probe. “Wenn die EU nicht stärkere Mechanismen entwickelt, um einzugreifen, dann kann sich das in anderen Ländern ausbreiten.”
Jetzt muss sich Russack aber erst einmal auf ihre Doktorarbeit konzentrieren, bis Ende Februar 2024 ist sie vom CEPS freigestellt, um zu schreiben. Und sonst? “Schaue ich gespannt auf die Parlamentswahlen im Juni.” Immerhin: Bei den letzten Wahlen 2019 war die Wahlbeteiligung mit knapp 50 Prozent so hoch wie seit 20 Jahren nicht. Mirjam Ratmann
die Uhr tickt. Die sozialistische Parteienfamilie SPE nimmt bis 17. Januar Bewerbungen für ihren Spitzenkandidaten an. Nicolas Schmit, Kommissar für Soziales, ist bislang der einzige Genosse, der aus der Deckung gekommen ist und Interesse angemeldet hat. Die Bewerbung des Luxemburgers hat bislang jedoch einen Haken: Daheim in seinem Herzogtum sind die Sozialisten nicht mehr in der Regierung vertreten. Ein Spitzenkandidat, der nach der Europawahl von der Regierung in seiner Heimat nicht als Kommissar vorgeschlagen würde, wäre kein überzeugendes Angebot an die Wähler.
SPE-Parteichef Stefan Löfven will Schmits Problem lösen. Nach Informationen von Table.Media fühlt er beim Luxemburger Ministerpräsidenten Luc Frieden vor. Frieden, ein Christdemokrat, möge signalisieren, dass seine von Liberalen und Christdemokraten gebildete luxemburgische Regierung nach der Europawahl den Sozialisten Schmit als Kandidaten für die nächste Kommission benennen würde.
Warum sollte das die Koalition in Luxemburg tun? Löfven dürfte mit dem Argument in Luxemburg vorsprechen, dass Luxemburg mit Schmit Chancen auf einen Vizepräsidenten in der nächsten Kommission hätte. Ansonsten hätte der kleine Mitgliedstaat allenfalls Aussichten auf ein eher unbedeutendes Ressort wie Gleichheit oder internationale Partnerschaften.
Ob das Argument verfängt? Abwarten. Klar ist jedoch, dass die Sozialisten nicht gerade mit großem Selbstbewusstsein in die Europawahl gehen. Sie trauen sich wohl nicht zu, EU-weit auf dem ersten Platz zu landen, um dann Ursula von der Leyen abzulösen. Es wäre das Eingeständnis: Sie spielen nicht mehr auf Sieg, sondern nur noch auf Platz.
Offenbar fühlt er sich nach wie vor wohl in Brüssel: In einem Interview mit dem lettischen Fernsehen sagte Valdis Dombrovskis im August, dass er seine Arbeit bei der Kommission gern fortsetzen würde. Es gebe in der EU viel zu tun. Als wichtige Aufgaben nannte er die wirtschaftliche Entwicklung, die Aufbau- und Resilienzfazilität und die Unterstützung der Ukraine.
Dombrovskis ist seit fast zehn Jahren Mitglied der Kommission: 2014 wurde er Vizepräsident und war zuständig für den Euro und den sozialen Dialog. Im aktuellen Kollegium ist er Exekutiv-Vizepräsident für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, seit 2020 auch zuständig für Handel. Damit ist Dombrovskis der einflussreichste Politiker seines Heimatlandes Lettland, einem Staat mit rund 1,9 Millionen Einwohnern.
Die Handelspolitik ist besonders bedeutsam für die Arbeit der Kommission, denn die EU hat in diesem Bereich die ausschließliche Zuständigkeit. Dombrovskis ist zudem der ranghöchste Vertreter der christdemokratischen europäischen Parteienfamilie EVP in der Kommission hinter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Sollte Dombrovskis seine Arbeit in der Kommission fortsetzen, wäre es die dritte Amtszeit in Folge. Die Länge der Amtszeit sei ein Faktor, sagt Karlis Bukovskis, Direktor des Think-Tanks Latvian Institute of International Affairs: “Wollen wir ein neues Gesicht auf diesem Posten oder halten wir an jemandem fest, der seine Arbeit gut macht?”
Es gilt als offenes Geheimnis, dass Dombrovskis einen namhaften Konkurrenten hat. Seit dem Rücktritt von Krišjānis Kariņš als Ministerpräsident im Sommer gibt es Spekulationen, ob es nicht Kariņš sein wird, der statt seines Parteifreundes Dombrovskis nach Brüssel geht. In der neuen Regierung, die seit September im Amt ist, hat Kariņš das Amt des Außenministers übernommen. Doch es wurde von Anfang an vermutet, dass er sich damit nicht ausgelastet fühlen würde.
Mitte November gab Kariņš überraschend bekannt, dass er sich tatsächlich um einen internationalen Top-Job bemüht – und zwar als Nachfolger von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Doch es ist fraglich, ob er eine realistische Aussicht auf den Posten hat. Im Rennen sind ebenfalls Mark Rutte, ehemaliger Ministerpräsident der Niederlande, sowie Kaja Kallas. Das entschiedene Auftreten gegen Russlands Präsident Wladimir Putin und den Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Estlands Ministerpräsidentin international viel Respekt eingebracht. Für die Position an der Spitze der Nato kann dies allerdings ein Nachteil sein.
Das betrifft auch Kariņš, der als lettischer Außenminister ebenfalls die harte Linie der baltischen Staaten gegen Russland repräsentiert. In Lettland hält man es für wahrscheinlich, dass Kariņš an einem Wechsel in die Kommission arbeitet, es also zu einem direkten Konkurrenzkampf zwischen ihm und Dombrovskis kommen dürfte.
Die Entscheidung über die Nominierung des EU-Kommissars liegt bei Lettlands Ministerpräsidentin Evika Siliņa. Sie gehört wie Dombrovskis und Kariņš dem Parteienbündnis Jaunā Vienotība (Neue Einigkeit) an, das Teil der Parteienfamilie EVP ist. Doch Siliņa möchte sich zumindest öffentlich noch nicht festlegen. Die Frage, wer Lettland in der Kommission repräsentiere, werde erst im kommenden Jahr im Zusammenhang mit den Europawahlen relevant sein, teilte ihr Sprecher auf Anfrage mit. Siliņa galt lange als Kariņš’ rechte Hand. Bevor sie Ministerpräsidentin wurde, war sie parlamentarische Staatssekretärin in der Staatskanzlei unter dem damaligen Regierungschef.
Es wird davon ausgegangen, dass die Kandidaten für den Posten des Kommissars zunächst für das Europaparlament kandidieren. Bei den Europawahlen 2014 und 2019 wurde Dombrovskis als Spitzenkandidat seiner Partei ins EP gewählt, bevor er in die Kommission wechselte.
Kariņš Popularität in der Bevölkerung hat in seiner Zeit als Ministerpräsident nachgelassen. Aktuell steht er zudem massiv unter Druck, weil ihm eine rege Nutzung von Privatjets vorgeworfen wird. “Air Kariņš” heißt es spöttisch in lettischen Medien. Die Empörung ist so groß, dass Kariņš sich veranlasst sah, wortreich die Nutzung von Privatflügen als Ministerpräsident zu rechtfertigen. Wenige Tage später veröffentlichte die Jaunā Vienotība ein Statement, in der die Partei ihre Unterstützung für Kariņš betonte und seine politischen Leistungen – insbesondere auf EU-Ebene – hervorhob.
Nach Ansicht von Karlis Bukovskis beschädigt dieser Skandal Kariņš’ Chancen erheblich, als Kommissar nominiert zu werden. Allerdings bestehe kein Zweifel daran, dass er ein fähiger Politiker sei.
Diesen Ruf hat sich auch Dombrovskis erarbeitet. Trotz seiner reservierten und zurückhaltenden Art schätzt man ihn in seinem Heimatland wie auch in Brüssel als kompetenten Politiker. Er gilt als Profi, der mit großem Sachverstand geräuschlos und zuverlässig seinen Job macht. Ihm wird zudem eine gewisse Bescheidenheit nachgesagt, was ihm im Duell mit Kariņš jetzt zugutekommen könnte.
In Lettland wird Dombrovskis allerdings auch stark mit der schwierigen Zeit während der Finanzkrise in Verbindung gebracht. Kritiker, auch innerhalb der Regierungskoalition, werfen ihm vor, dass er als Ministerpräsident ab 2009 eine zu strenge Austeritätspolitik verfolgt habe. “Ich habe bis heute den Eindruck, dass er nie wirklich verstanden hat, wie hoch die sozialen Kosten dieser Politik waren”, sagt Andris Šuvajevs. Er ist Co-Vorsitzender der linksgerichteten Progressiven, seit September einer der beiden Koalitionspartner der Jaunā Vienotība in der lettischen Regierung.
Karlis Bukovskis verweist darauf, dass manche Menschen in Lettland Dombrovskis’ Sparpolitik indirekt für das schwere Unglück im Jahr 2013 verantwortlich machen, bei dem das Dach eines Supermarktes im Rigaer Stadtteil Zolitūde einbrach. 54 Menschen verloren ihr Leben. Dombrovskis übernahm die politische Verantwortung für das Unglück, indem er als Ministerpräsident zurücktrat. Das tat er vermutlich widerwillig, bei der Bekanntgabe seines Rücktritts kämpfte er offensichtlich mit den Tränen. Auch das haben viele Menschen im Land nicht vergessen.
Doch auch jemand wie Andris Šuvajevs findet anerkennende Worte für Dombrovskis – etwa, was seine klare Haltung zur Ukraine und seine Zuverlässigkeit betrifft. Zugleich stellt der Politiker der Progressiven infrage, dass der nächste Kommissar zwangsläufig von der Jaunā Vienotība kommt, auch wenn diese der stärkste Partner in der Regierung sei. Seine eigene Partei habe ebenfalls ein Interesse daran, auf höchster europäischer Ebene repräsentiert zu werden.
“Ich kann mir ein Szenario vorstellen, in dem weder Dombrovskis noch Kariņš der nächste Kommissar wird”, sagt auch Think-Tank-Chef Bukovskis. Beide seien ambitioniert und vergleichsweise jung. Kariņš ist 59, Dombrovskis 52 Jahre alt. Viel hänge davon ab, ob man auch außerhalb der Kommission einen angemessenen Posten für sie finde.
20.12.2023 – 19:00-20:00 Uhr, online
FNF, Podiumsdiskussion Krieg und Frieden. Russisches Denken begreifen – Nach dem Krieg: Wie kann ein Frieden in der Ukraine aussehen?
Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zu Russlands Krieg gegen die Ukraine widmet sich die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) der Frage, wie die Welt nach einem Kriegsende aussehen könnte, unter anderem hinsichtlich einer Integration der Ukraine in die Nato. INFOS & ANMELDUNG
Die Verhandlungsführer von Parlament und Rat haben sich bei der Schadstoffnorm Euro 7 geeinigt. Die Grenzwerte und das Testregime bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen werden von Euro 6 übernommen. Bei den schweren Nutzfahrzeugen werden die Grenzwerte verschärft. Dies gilt besonders für die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid und Feinstaub. Bei Feinstaub werden künftig deutlich kleinere Partikel erfasst – mit einem Durchmesser von weniger als zehn Nanometern.
Erstmals gibt es künftig Grenzwerte für den Abrieb von Reifen und Bremsen. Es wird zudem Anforderungen an die Haltbarkeit von Batterien für E-Autos geben. Nach acht Jahren oder einer Laufleistung von 120.000 Kilometern muss die Batterie mindestens noch eine Kapazität von 72 Prozent erreichen.
Der Kompromiss muss formal noch vom Parlament und vom Rat gebilligt werden. Die Kommission ist nun mit der sekundären Gesetzgebung an der Reihe. Die Industrie begrüßt, dass es damit Rechtssicherheit gibt, spricht aber von anspruchsvollen Zielen. mgr
Die EU-Mitgliedstaaten haben am Montag im Umweltrat die allgemeine Ausrichtung zur Verpackungsverordnung beschlossen. Damit sind Rat und Parlament bereit für die Trilogverhandlungen mit der Kommission. Das Parlament hatte seine Position bereits Ende November angenommen.
Die Position des Rats behält die meisten der Anforderungen an die Nachhaltigkeit in Verkehr gebrachter Verpackungen bei sowie auch die von der Kommission vorgeschlagenen Ziele zur Reduzierung von Verpackungsmüll und zur Erhöhung des Rezyklatanteils in Verpackungen.
Die Ziele für Einsatzverpackungen aus dem Kommissionsentwurf will der Rat hingegen ändern: Der Text legt neue Ziele für die Wiederverwendung und Wiederbefüllung für 2030 und 2040 fest, mit unterschiedlichen Vorgaben für
Für Kartonverpackungen fordert der Rat eine Ausnahme. Von den Verboten für Einwegverpackungen, die zum Beispiel für Obst und Gemüse gelten sollen, können die Mitgliedstaaten laut der Ratsposition für bestimmte Lebensmittel Ausnahmen genehmigen. Die Frist für die Anwendung der Verordnung soll zudem auf 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten verlängert werden.
Ziel der Verpackungsverordnung ist, der enormen Zunahme der Verpackungsabfälle in der EU entgegenzuwirken. Im Durchschnitt verursachte 2021 jeder Europäer und jede Europäerin etwa 190 Kilogramm Verpackungsmüll. Zudem soll die Verordnung den Binnenmarkt für Verpackungen harmonisieren. leo
Mit ihren nationalen Klimazielen werden die EU-Staaten bis 2030 nur 51 statt der vereinbarten 55 Prozent an Treibhausgasen einsparen. Das schreibt die Kommission in ihrer Bewertung der Entwürfe der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP), die am Montag veröffentlicht wurde.
Hinter den Vereinbarungen bleiben auch die Erneuerbaren-Pläne der Mitgliedstaaten zurück. Zusammen wird wohl nur ein Anteil am Energieverbrauch von maximal 39,3 Prozent statt 42,5 Prozent erreicht. Zielverfehlungen zeichnen sich zudem ab bei Energieeffizienz und CO2-Speichern im LULUCF-Sektor.
Auch Deutschland verfehlt laut den Empfehlungen der Kommission seine Beiträge zu den genannten EU-Zielen – sogar beim Erneuerbaren-Ausbau. Die deutlichste Zielverfehlung zeichnet sich aber in den Lastenteilungssektoren ab, allen voran Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Die Kommission fordert die Bundesregierung deshalb auf, zusätzliche Maßnahmen festzulegen, “um die prognostizierte Lücke von 15,4 Prozentpunkten zu schließen und das nationale Treibhausgasziel von -50 Prozent zu erreichen”.
Auch die deutschen Pläne zur Energiesicherheit fallen bei der Kommission durch. Der neue NECP enthalte keine zusätzlichen Ziele oder Maßnahmen, um die Gasversorgung weiter zu diversifizieren. Der Plan enthalte außerdem keine Schätzungen der nötigen Investitionen für den Klimaschutz. Auch bei den beabsichtigten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bleibe die Bundesregierung zu unkonkret.
Noch keine NECP-Entwürfe vorgelegt haben Bulgarien, Polen und Österreich. Die verspätet eingegangenen Dokumente von Belgien, Irland und Lettland will die Kommission Anfang nächsten Jahres auswerten. Bis Mitte 2024 müssen alle EU-Staaten ihre Entwürfe überarbeiten und die fertigen Klimapläne bei der Kommission einreichen. ber
Erstmals haben die Umweltminister der Europäischen Union über ein CO₂-Reduktionsziel für 2040 diskutiert. Beim Umweltrat am Montag präsentierte Ottmar Edenhofer, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats der EU für den Klimawandel. Die Forscherinnen und Forscher halten ein Ziel von 90 bis 95 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 für machbar und geben Szenarien vor, wie dies erreicht werden kann.
Klimakommissar Wopke Hoekstra hat bereits angekündigt, am 6. Februar seinen entsprechenden Vorschlag für das nächste EU-Klimaziel vorzulegen, zusammen mit einer Folgenabschätzung und der europäischen CO₂-Management-Strategie. Hoekstra strebt entsprechend den Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirates ein CO₂-Reduktionsziel von mindestens 90 Prozent an. Ein Ziel, das auch Dänemark als bisher einziges Mitgliedsland offen unterstützt. Frankreich setzt sich für Enddaten für Gas, Kohle und Öl ein.
Die spanische Umweltministerin Teresa Ribera sprach im Anschluss an das Ratstreffen von einer eher “allgemeinen Konversation” über das neue Klimaziel. Es gab im Anschluss keinen Beschluss. Alle Minister hätten sich jedoch konstruktiv an der Diskussion beteiligt. Ribera betonte zudem, dass das 2040er-Klimaziel auch sozioökonomische Aspekte berücksichtigen und sinnvoll für Wirtschaft und Unternehmen sein müsse.
Im März kommenden Jahres soll das von der Kommission vorgelegte Ziel beim nächsten Umweltrat diskutiert werden. Die Staats- und Regierungschefs könnten es bereits Ende Juni beim Europäischen Rat beschließen. luk
Die EU und Kenia haben am Montag ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen unterzeichnet. Mit dem Abkommen öffnet die EU ihren Markt vollständig für Waren aus dem ostafrikanischen Land. Kenia klammert hingegen einige Sektoren aus, darunter viele Agrarprodukte, Chemikalien und Textilien. Dies soll die lokalen Hersteller vor übermächtiger Konkurrenz schützen.
Beide Seiten hatten sich bereits im Juni im Grundsatz geeinigt. Nun muss noch das Europaparlament dem Abkommen zustimmen, damit es in Kraft treten kann. Das Abkommen umfasse die “bisher strengsten sozial- und klimapolitischen Verpflichtungen, die die EU im Rahmen eines Handelsabkommens mit einem afrikanischen Land eingegangen ist”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Besuch in Nairobi. Kenia sei ein verlässlicher Partner im Kampf gegen den Klimawandel. tho
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden am 1. Februar zu einem Sondergipfel zusammenkommen, um den Streit um die Revision des mehrjährigen Finanzrahmens beizulegen. Das kündigte der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, am Montag an.
Beim Gipfel am vergangenen Donnerstag hatten sich die Teilnehmer nach intensiven Verhandlungen nicht einigen können: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán wollte frischen Geldern für die Ukraine nicht zustimmen. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, für Kiew in den kommenden vier Jahren 50 Milliarden Euro an Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen, in Form von Zuschüssen und Darlehen. rtr/tho
Kurz vor Jahresende könnte es im Rat der EU-Mitgliedstaaten noch einmal Bewegung beim EU-Gentechnikrecht geben. Am Donnerstag soll im Ausschuss der Ständigen Vertreter inoffiziell über den Vorschlag der Kommission für eine Liberalisierung des EU-Rechts abgestimmt werden.
Befürworter einer Lockerung hoffen, dass sich das Kräfteverhältnis im Rat entsprechend verschiebt. Ohne die Zustimmung Deutschlands ist es allerdings schwierig, eine qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag der Brüsseler Behörde zustande zu bringen.
Nach einem Regierungswechsel könnte es in Polen zwar noch einmal Veränderungen geben. Ob das Land seine Antihaltung ad acta legt, ist aber in gut informierten Kreisen umstritten. Weitere Wackelkandidaten sind Belgien, Zypern und Malta. Mit viel Überzeugungskraft könnten diese dazu gebracht werden, zuzustimmen, heißt es.
Sollte sich eine Mehrheit für den Vorschlag der Brüsseler Behörde finden, könnte der Rat das Ergebnis im Januar unter Leitung der belgischen Ratspräsidentschaft formal bestätigen. has
Die Aufsichtsbehörde für die größten Anbieter von Plattformen nach dem Digital Services Act (DSA) hat ein förmliches Verfahren gegen X nach Artikel 66 eingeleitet. Im Maximalfall könnte der Plattform eine Strafe von 6 Prozent des Jahresumsatzes drohen – wenn tatsächlich ein Fehlverhalten festgestellt und dieses nicht beseitigt würde.
Die EU-Kommission in den vergangenen Monaten bereits Auskunftsverlangen an unterschiedliche Plattformen geschickt, X gehörte zu den ersten. “Wir werden nun eingehend untersuchen, inwiefern X die DSA-Verpflichtungen in Bezug auf die Bekämpfung der Verbreitung und Verstärkung illegaler Inhalte und Desinformationen in der EU, die Transparenz der Plattformen und die Gestaltung der Benutzeroberfläche einhält”, sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
“Wir glauben, dass X mit einigen Schlüsselartikeln des DSA nicht in Einklang agiert”, sagt ein EU-Beamter. Dabei gehe es unter anderem um den Umgang mit illegalen Inhalten und mit den Anforderungen an Betreiber, sogenannte systemische Risiken zu adressieren. Ebenfalls auf der Liste der zu untersuchenden Verfehlungen stehen die Vorgaben zu irreführender Oberflächengestaltung und die Transparenzanforderungen.
Bei den illegalen Inhalten seien die Vorkehrungen wahrscheinlich nicht den EU-Anforderungen entsprechend, heißt es von EU-Beamten. X und dessen Eigentümer Elon Musk glauben, dass ein kompliziertes Geflecht verschiedener Maßnahmen ausreichend sei. Es besteht aus Community Notes – das sind Nutzeranmerkungen zu Inhalten -, einer Anti-Manipulations-Policy für die Plattform und die sogenannten Blauhaken-Konten, die entweder verifizierte Nutzer oder gekaufte Accounts meinen. “Wir haben den Verdacht, dass die Maßnahmen zusammengenommen nicht effektiv wirken”, sagt jedoch ein EU-Beamter.
Zudem geht es unter anderem um die Vorgaben aus Artikel 16 des DSA, mit dem Standards für ein Inhaltemoderationssystem gesetzt werden. Dabei geht es etwa darum, dass ausreichend viele und geeignete Moderatoren Inhalte prüfen können und ohne schuldhafte Verzögerung auf Meldungen von Nutzern zu möglicherweise illegalen Inhalten reagiert wird. Vor allem vor den Europawahlen im kommenden Juni hatte die EU-Kommission vor Monaten bereits angekündigt, bei den schnellen Social-Media-Riesen genauer hinschauen zu wollen.
Die EU-Kommission kann nun für das Verfahren weitergehende Mittel einsetzen – von Gesprächen mit Dritten bis hin zur Beweismittelsicherung etwa per Hausdurchsuchung in einem EU-Mitgliedstaat.
Sollte die EU-Kommission als Aufsichtsbehörde zu dem Schluss kommen, dass X gegen die DSA-Regeln verstoßen hat, kann sie sogenannte Anordnungen aussprechen, mit der sie den Betreiber zur Behebung der Defizite verpflichtet. Sollte der Anbieter dem nicht nachkommen, könnte auch eine Geldbuße fällig werden. Bei dauerhafter Zuwiderhandlung könnte die EU-Kommission sogar eine Sperrung des Anbieters durch die Internetzugangsanbieter verlangen. fst
Wenn Sophia Russack von der EU spricht, sind ihre Sätze lang, ihre Gesten groß. Sie will nichts auslassen bei ihrem Lieblingsthema. “Die EU ist einzigartig, denn es ist ein Staatenverbund, den es so nirgends auf der Welt gibt – deswegen ist es ein spannendes Forschungsobjekt”, sagt Russack, 36. Seit sieben Jahren arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel, einem Think-Tank, der EU-Angelegenheiten analysiert. Aktuell untersucht sie in ihrer Doktorarbeit, wie politisch die Kommission unter Jean-Claude Juncker war.
Ihre Leidenschaft für die EU entdeckte sie bereits im Soziologie- und Politikstudium an der Goethe-Universität Frankfurt. Diese Kenntnisse vertiefte sie im Research-Master-Programm in European Studies in Maastricht. Schon damals merkte Russack: Sie will wissen, wie das alles wirklich in Brüssel funktioniert – und landete nach ihrem Abschluss beim CEPS. “Es ist eine spannende Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis: Ich kann forschen und zugleich konkrete Vorschläge erarbeiten, wie man Sachen besser machen kann.”
Dabei fokussiert sie sich auf die Institutionen der EU, insbesondere die EU-Kommission. Außerdem beschäftigt sie sich damit, wie die EU demokratischer werden könnte. “Die demokratische Qualität der EU ist nicht großartig, aber auch nicht so schlecht wie ihr Ruf.” Russack plädiert für größere Transparenz bei der Kommissions-Präsidentschaftswahl und fordert von Rat, Parlament und Kommission, ihre Arbeit mehr nach außen zu kommunizieren. “Die Wählerinnen und Wähler müssen besser verstehen können, was die EU macht.”
Daher spricht sie sich für Bürgerräte auf EU-Ebene aus und findet, dass die Wahl zum EU-Parlament mehr nationalen Wahlkampf und einen EU-weit einheitlichen Wahltermin braucht. “Die EU macht unser aller Leben leichter – zum Beispiel durch das Abschaffen der Roaming-Gebühren oder das Erasmus-Programm. Nur leider schafft die EU es nicht immer, diese Erfolge als solche zu verkaufen”, sagt Russack.
Sie glaubt an die Beständigkeit der EU – trotz der Krisen der vergangenen Jahre: Euro-Krise, Corona, Ukrainekrieg. “Spätestens der Krieg hat gezeigt, wie viel Einheit in der EU sein kann.” Trotzdem sieht Russack eine Gefahr: “Fehlende Rechtsstaatlichkeit ist das größte Problem, denn sie gefährdet die Demokratie.” Besonders Ungarn stellt die EU dabei auf die Probe. “Wenn die EU nicht stärkere Mechanismen entwickelt, um einzugreifen, dann kann sich das in anderen Ländern ausbreiten.”
Jetzt muss sich Russack aber erst einmal auf ihre Doktorarbeit konzentrieren, bis Ende Februar 2024 ist sie vom CEPS freigestellt, um zu schreiben. Und sonst? “Schaue ich gespannt auf die Parlamentswahlen im Juni.” Immerhin: Bei den letzten Wahlen 2019 war die Wahlbeteiligung mit knapp 50 Prozent so hoch wie seit 20 Jahren nicht. Mirjam Ratmann