es herrscht ausnahmsweise Einigkeit: Der Außenrat dürfte heute in Brüssel das politische Signal geben, das Sanktionsregime gegen Syrien zu lockern oder teilweise zu suspendieren. Es ist wichtig, wenn die EU in der Region ein Player sein und auf die neuen Machthaber Einfluss haben will. Als Geste gegenüber der syrischen Bevölkerung müssten Maßnahmen identifiziert werden, die rasch suspendiert werden könnten, heißt es in einem Nonpaper, das Außenministerin Annalena Baerbock mit fünf Amtskollegen ausgearbeitet hat.
Im Detail und bei der technischen Umsetzung wird es kompliziert. Nur einen Teil der Strafmaßnahmen hat die EU autonom beschlossen, ein guter Teil ist die Umsetzung von UN-Sanktionen. In einem ersten Schritt soll etwa der Flugverkehr zwischen der EU und Syrien erleichtert werden. Dafür müssten gewisse Restriktionen für Dual-Use-Güter aufgehoben werden, die etwa die Reparatur von Radaranlagen behindern. Wichtig wäre auch, die Strafmaßnahmen gegen den Finanzsektor zu lockern, um Investitionen im Land möglich zu machen.
Die Sanktionen stehen auch einer Reparatur der maroden Kraftwerke und des Stromnetzes im Weg. Schnell wird es jedenfalls nicht gehen, bis die Hindernisse für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau aus dem Weg geräumt sind. Bis die nötigen Rechtstexte ausgearbeitet sind, werde es mindestens zwei Wochen dauern, so ein Diplomat. Es sei komplizierter, Sanktionen zu lockern als zu verhängen. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas will eine schrittweise und reversible Lockerung vorschlagen. Strafmaßnahmen könnten auch wieder eingeführt werden, sollte die Entwicklung in Damaskus in die falsche Richtung gehen. Einen guten Start in die Woche!
Mittwoch will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den sogenannten “Competitiveness Compass” (Wettbewerbsfähigkeitskompass) vorstellen. Das Dokument, das Table.Briefings vorliegt, fasst die wirtschaftspolitischen Prioritäten der Kommission zusammen. Es zeigt zum ersten Mal auf, wann welche Teile der wirtschaftspolitischen Agenda vorgelegt werden sollen. Bisher hatte es Ankündigungen für die ersten hundert Tage der Kommission gegeben.
Der Kompass ist in vier Teile gegliedert:
Bei der Innovationsförderung geht es darum, die Innovationslücke der EU zu schließen. Die Start-up- und Scale-up-Strategie soll bessere Rahmenbedingungen für die Gründung und das Wachstum von Start-ups schaffen – flankiert durch die Spar- und Investitionsunion sowie ein TechEU-Investitionsprogramm der EIB. Positiv bewertet es die Industrie, dass das 28. Regime konkret im Zeitplan auftaucht.
Neu ist eine AI Continent Strategy. Sie zielt darauf ab, Netzwerkeffekte auf europäischer Ebene zu nutzen, indem sie “Mega-KI-Fabriken” einrichtet. Sie sollen Europas Rechenleistung steigern und Start-ups, Forschern und der Industrie zur Verfügung stehen, um ihre KI-Modelle zu trainieren. Ebenfalls auf der Agenda: die Apply AI Strategy and Data Union Strategy (Q3 2025), die Quantum Strategy (Q2 2025) und der Quantum Act, der Space Act (Q3 2025) sowie der Digital Networks Act (Q4 2025), der die infrastrukturellen Voraussetzungen schaffen soll.
Um die Arbeitsplätze und die industriellen Kapazitäten strategisch wichtiger Industrien in der EU zu halten, plant die Kommission eine Reihe von Aktionsplänen. Bekannt war schon, dass noch im ersten Quartal, wahrscheinlich Ende Februar, der Clean Industrial Deal und ein Aktionsplan für erschwingliche Energie vorgestellt werden. Im zweiten Quartal steht ein neuer Rahmen für das Beihilferecht an und im dritten Quartal der “Sustainable Transports Investment Pact”. Ein Maßnahmenpaket für die Chemieindustrie ist erst für das vierte Quartal geplant. Ebenfalls schon 2025 soll CBAM überprüft und ein Aktionsplan für die Stahl- und Metallindustrie vorgestellt werden. Die Kommission plant auch einen “Circular Economy Act”, aber der ist erst für das vierte Quartal 2026 terminiert.
In Zeiten geopolitischer Verunsicherung steht die Versorgungssicherheit, gerade in den Bereichen Rüstung, Rohstoffe und Medikamente hoch im Kurs. Noch in diesem Quartal wird deshalb das White Paper von Kommissar Kubilius zur Europäischen Verteidigung erwartet. Es soll unter anderem Ideen für die gemeinsame Beschaffung und für eine bessere Integration der Rüstungsindustrie beinhalten. Ebenfalls noch in diesem Quartal soll eine Strategie zur Bereitschaft der Union (Union Preparedness Strategy) Themen wie die Beschaffung und Bevorratung krisenkritischer Güter behandeln.
Für Mitte des Jahres plant die Kommission eine Plattform zur gemeinsamen Beschaffung wichtiger Rohstoffe. Rohstoffe will sich die Kommission aber unter anderem auch durch den Abschluss von “Clean Trade and Investment Partnerships” mit Drittstaaten sichern.
Erst für 2026 stehen der Europäische Klimaadaptionsplan und die Revision des Beschaffungsrechts an. In diesem will die Kommission ausdrücklich eine “Europäische Präferenz” in wichtigen Sektoren einführen.
Mit den horizontalen Maßnahmen will die Kommission das Geschäftsumfeld für alle Branchen verbessern. Dazu gehört zum Beispiel das Omnibus-Paket zur Reduktion der Berichtspflichten, das für Ende Februar geplant ist. Im zweiten Quartal soll dann eine Binnenmarktstrategie die hartnäckigen Binnenmarkthindernisse angehen. Die Kommission will hierzu zum Beispiel die Single Market Enforcement Taskforce (SMET) verstärken.
Ebenfalls im zweiten Quartal soll die Strategie zur Spar- und Investitionsunion vorgestellt werden. Details dazu gibt der Kompass jedoch nicht bekannt. Im Sommer dieses Jahres wird die Kommission ihren Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) ab 2028, einen Wettbewerbsfähigkeitsfonds sowie einen Wettbewerbsfähigkeitsmechanismus einfügen. Dieser soll ähnlich wie die Aufbau- und Resilienzfazilität Gelder an die Mitgliedstaaten mit Reformbedingungen verknüpfen.
Herr Friedl, was war Ihr erster Gedanke, als Sie von Stargate erfahren haben?
Dass wir Europäer uns sputen müssen. Stargate ist ein Weckruf und eine machtvolle Ankündigung. Ob sie Realität wird, bleibt abzuwarten. Aber der Vorsprung der USA bei den KI-Investitionen ist bereits jetzt unübersehbar.
Welche Konsequenzen sollten Deutschland und Europa aus dem Weckruf ziehen?
Wir müssen aufholen bei den privaten Investitionen. Aber auch die Bundesregierung und die Kommission müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass künstliche Intelligenz hier wettbewerbsfähig ist. Da gibt es ein paar Punkte, die man machen kann.
Was ist der erste Punkt?
Das Thema Regulierung. Da war Europa sicher Vorreiter – aber eben Vorreiter beim Grenzen setzen, womit wir möglicherweise einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA haben.
Präsident Trump hat ja nicht nur Stargate angekündigt, sondern auch die Executive Orders seines Vorgängers zur Regulierung von KI zurückgezogen.
Natürlich waren diese Regulierungen nicht annähernd so weitgehend wie der AI Act. Aber es gab eben Grenzen. Die sind jetzt gesprengt. Europa dagegen hat das umfangreichste Regulierungspaket, das es zu KI auf der Welt gibt. Es ist vernünftig, einen Rahmen zu schaffen und die Risiken von KI angemessen ernst zu nehmen.
Jetzt kommt ein “aber”…
Richtig. Es ist aber auch wichtig, dafür zu sorgen, dass Unternehmen nicht zuerst eine Heerschar von Rechtsanwälten beschäftigen müssen, bevor sie Daten sammeln und einspeisen dürfen. Da muss die Regulierung deutlich einfacher werden. Das hat Trump mit einem Federstrich gemacht.
Vor dem Hintergrund der Risiken von KI, macht es Ihnen keine Sorgen, dass KI in den USA jetzt unreguliert ist?
Das macht mir tatsächlich Sorge. Gleichzeitig stehen wir in einem weltweiten Wettbewerb. China investiert ähnlich wie die USA massiv in KI. Und geht bei der Sammlung privater Daten aus der Bevölkerung wesentlich weiter, als wir das je wollten. Wir müssen abwägen, welche Risiken damit verbunden sind, wenn wir in der KI-Entwicklung hinten herunterfallen. Die Antwort kann nicht sein, dass wir die Risiken erkennen und regulieren, sodass wir safe sind. Weil wir das nicht sind, wenn die USA und China diese Risiken einfach überspielen oder nicht adressieren. Da müssen wir eine neue Antwort finden.
Wollen Sie den AI Act wieder abschaffen?
Das ist vielleicht etwas übertrieben. Aber eine Reevaluierung des AI Acts, um Wettbewerbsnachteile zu identifizieren, ist sinnvoll.
Regulierung war Ihr erster Punkt. Wo müssen wir noch ansetzen?
Wir brauchen in Deutschland und Europa einen besseren Transfer von akademischem Wissen in die Praxis. Dabei spielen KI-Start-ups eine große Rolle. Wir sehen, dass es einige Orte in Europa gibt, wo das sehr gut läuft. In Paris und München zum Beispiel. Aber wir brauchen eine stärkere Start-up-Kultur, um KI-Themen in die Anwendung zu bringen.
Das ist ein Thema, über das wir seit Jahren diskutieren. Sie kommen von der Universität. Was läuft falsch?
Die Förderung der Start-up-Kultur braucht Zeit. Die aktuelle Bundesregierung hat Fortschritte gemacht, etwa mit den Start-up-Fabriken. Aber wir brauchen mehr.
Gehört nicht auch eine bessere Finanzierung dazu?
Das ist ein zweiter wichtiger Bestandteil, der Start-ups genauso wie Investitionsvorhaben von großen Unternehmen betrifft. Wir haben in Deutschland und Europa zu wenige Möglichkeiten, ausreichend Kapital zu mobilisieren. Einige Start-ups gehen in die USA, weil dort die Kapitalmärkte besser funktionieren. Mistral in Frankreich ist nur ein Beispiel.
Das fehlende Risikokapital ist auch ein Dauerbrenner…
Ja, und hier kann die Europäische Kommission ansetzen. Es liegen viele Vorschläge auf dem Tisch. Die Kapitalmarktunion sollte mit Wucht vorangetrieben werden.
Trump hat den Stargate-Investoren billige Energie versprochen.
Richtig. Rechenzentren sind wahnsinnige Energiefresser. In Deutschland hatten die Rechenzentren 2023 bereits einen Anteil von 4,3 Prozent am gesamten Stromverbrauch. Hohe Stromkosten sind auch für Rechenzentren ein Wettbewerbsnachteil. Auch darauf müssen wir eine Antwort finden.
Wie sehr ärgert es Sie, dass in der politischen Debatte mehr diskutiert wird, wie wir die Automobilindustrie retten, anstatt Zukunftstechnologien zu fördern?
Natürlich ärgert es mich, wenn wir mit staatlichen Subventionen alte Industrien retten. Aber die Stärke unserer Wirtschaft ist der industrielle Kern. Ihn sehenden Auges absterben zu lassen, ohne gleichzeitig auf die neuen Technologien mit voller Kraft zu setzen, das wäre auch falsch. Wir können die Automobilindustrie transformieren, indem wir sie auf Software und künstliche Intelligenz ausrichten. Deutschland und Europa muss es gelingen, unser Domänenwissen mit Innovationen zu verknüpfen. Das ist unsere Chance, um im globalen Wettbewerb eine Rolle zu spielen.
Zieht die Dieter Schwarz Stiftung aus dem Stargate-Projekt direkt Konsequenzen?
Das Stargate-Projekt bestätigt uns, dass wir mit der Entwicklung unseres Ökosystems in Heilbronn auf dem richtigen Weg sind. Wir versuchen mit großer Wucht, Forschungseinrichtungen zusammenzubringen, den Transfer sicherzustellen und treiben KI-Anwendungen voran. Aber 500 Milliarden Euro übersteigen unsere Mittel natürlich um ein Vielfaches.
Brauchen wir in Deutschland und Europa mehr Investoren wie die Dieter Schwarz Stiftung, auch aufseiten der großen Unternehmen?
Die großen Spieler wie SAP oder Siemens investieren ebenfalls kraftvoll. Aber in der Breite der deutschen Wirtschaft ist das nicht der Fall. Da haben wir tatsächlich ein Defizit.
Hat Deutschland allein eine Chance, oder sollten wir eher in europäischen Dimensionen denken?
Ja, wir müssen europäisch denken und uns insbesondere mit Frankreich abstimmen. Das heißt aber nicht zwingend, dass die Kommission alles zentral lenken muss. Wir müssen auch private Initiativen stärken. Wir erleben in Heilbronn, dass wir als private Initiative wesentlich schneller und flexibler sind. Auf EU-Ebene brauchen wir ein bisschen mehr Flexibilität.
Arbeiten Sie mit anderen KI-Zentren in Europa zusammen?
Ja, wir sind beispielsweise beim AI Action Summit in Paris dabei. Wir arbeiten mit Institutionen in Paris, Oxford, Israel, Singapur und Stanford zusammen. Europa allein ist oft zu klein, die globale Vernetzung ist entscheidend.
Wenn Sie nach Trumpscher Manier entscheiden dürften, wie würden Sie bei KI vorgehen?
Die Stärke Europas liegt in der pluralen Gesellschaft, wo wir Mehrheiten für eine Position finden müssen. Ich glaube nicht, dass ich allein in der Lage wäre, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich bin auch nicht sicher, ob Donald Trump richtig liegt. Auch Amerika lebt von Checks and Balances. Aber wir müssen schneller werden, unsere Strukturen anpacken und mutiger Entscheidungen treffen.
Gunther Friedl hat Physik und Betriebswirtschaft studiert. Von 2010 bis 2024 war er Dekan der TUM School of Management und leitet seit 2012 das Ludwig-Fröhler-Insitut. Seit Januar ist er Mitglied der Geschäftsführung der Dieter Schwarz Stiftung. Die Stiftung ist Teil des Konsortiums beim Innovationspark KI in Heilbronn (IPAI) und stellte die Anschubfinanzierung bereit. Das IPAI versteht sich als “das wohl ambitionierteste Projekt für angewandte Künstliche Intelligenz in Europa”.
Die Abwicklung von Euro-Derivaten, das Euroclearing, soll auch nach dem 30. Juni 2025 über den Finanzplatz London geschehen dürfen. Das zeigt der Entwurf einer Äquivalenzentscheidung, der Table.Briefings vorliegt. Die letzte Äquivalenzentscheidung war 2022 gefällt worden, um der EU Zeit zu geben, selbst eine funktionsfähige Clearing-Infrastruktur aufzubauen. Ende 2023 wurden aber immer noch 90 Prozent der Euro-Derivate über London abgewickelt, schreibt die Kommission.
Im Text der Äquivalenzentscheidung gibt die Kommission zu, dass die Regulierungen im Vereinigten Königreich nicht mehr ganz mit den EU-Regeln übereinstimmen. Sie schreibt aber auch, dass die Äquivalenzentscheidung nicht nur auf einem Vergleich der Rechtstexte basieren sollte, sondern auch andere Faktoren berücksichtigen sollte. Ein gut funktionierendes Clearing sei wichtig für die Finanzstabilität. Offenbar sieht sie dies aber noch nicht durch EU-Clearinghäuser gewährleistet.
Deshalb gewährt die Kommission dem Vereinigten Königreich für weitere drei Jahre die Äquivalenz, um das Clearing von Euro-Derivaten weiterhin über London führen zu können. “Mit diesem Beschluss stellt die Kommission dem Finanzplatz London für die nächsten drei Jahre einen Freifahrtschein aus. Die Kommission gesteht mit der Verlängerung der Äquivalenzentscheidung auch das Scheitern ihrer bisherigen Strategie ein”, sagte der Europa-Abgeordnete Markus Ferber (CSU).
Die Ursache sieht er darin, dass sich die EU-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen über einen Vorschlag zur Stärkung des europäischen Clearing-Systems nicht auf ein Vorgehen einigen konnten. “Solange die Mitgliedstaaten zerstritten sind und bei der Kapitalmarktunion nicht vorankommen, profitiert London”, so Ferber. Die Kommission müsse nun dringend flankierende Maßnahmen auf den Weg bringen, damit die EU in drei Jahren nicht wieder vor dem gleichen Dilemma stehe. jaa
Trotz der Störgeräusche aus Budapest ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Ungarn heute im Außenrat in Brüssel einer Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland nicht im Weg steht. Vermutlich pokert Viktor Orbán nur. Diese Erwartung äußerten Diplomaten im Vorfeld des Treffens. Ganz sicher sei man aber nicht, da die taktischen Überlegungen von Ungarns Regierungschef schwer einsehbar seien.
Orbán verlangt im Vorfeld des Treffens am Montag, die Ukraine müsse die Pipeline wieder öffnen, über die noch bis Ende des Jahres russisches Gas auch nach Ungarn gelangt ist. Kiew müsse zudem aufhören, die auch durch den Balkan verlaufende Pipeline Turkish Stream anzugreifen. Ungarns Regierungschef spricht von Angriffen am Grenzpunkt auf russischem Territorium. Weiter will er Garantien, dass die Ukraine nicht auch den Ölfluss durch die Druschba-Pipeline stoppt. Ungarn habe durch die Sanktionen 19 Milliarden Euro verloren.
Am Freitag hatte Ungarns Botschafter allerdings nicht verhindert, dass der Rollover der Sanktionen am Montag beim Außenrat als sogenannter A-Punkt auf die Agenda kommt. A-Punkt bedeutet, dass mit einer Annahme ohne Aussprache gerechnet wird. Es gebe keinen Plan B zu einer Verlängerung, so Diplomaten. Sie schöpfen Zuversicht aus der Tatsache, dass Ungarn bisher im letzten Moment immer zugestimmt habe. Möglicherweise werde Außenminister Péter Szijjártó Hilfe mit Blick auf die Energiesicherheit anfordern. Diese sei aber in keinem Moment gefährdet gewesen. Als Zugeständnis bot Präsident Wolodymyr Selenskyj am Wochenende an, Gas aus Aserbaidschan durch die Pipeline nach Ungarn zu leiten.
Zuversicht schöpfen Diplomaten auch aufgrund von Äußerungen des neuen US-Präsidenten. Die Botschaft sei sicher auch in Budapest angekommen, dass Donald Trump den Druck mit Blick auf mögliche Verhandlungen mit Wladimir Putin aufrechterhalten wolle. Viktor Orbán müsse sich bewusst sein, dass ein Ende der Sanktionen gravierende Folgen hätte, so Diplomaten. Die Strafmaßnahmen müssen spätestens bis zum 31. Januar verlängert werden. Unklar ist, wie schnell Moskau etwa auf die blockierten Staatsbankgelder wieder Zugriff hätte. Ohne Rollover falle die Rechtsgrundlage für das Sanktionsregime weg, mahnten Diplomaten. Ungarns Regierungschef spiele mit dem Feuer und riskiere, es sich nicht nur mit den europäischen Partnern, sondern auch mit Trump zu verscherzen.
Unabhängig vom Rollover der bisherigen Strafmaßnahmen laufen die Vorbereitungen für das 16. Sanktionspaket, das bis zum dritten Jahrestag des russischen Vollangriffs auf die Ukraine am 24. Februar verabschiedet werden soll. Die EU-Kommission soll ihren Vorschlag diese Woche den Mitgliedstaaten unterbreiten. Dem Vernehmen nach sollen zusätzliche Tanker der russischen Schattenflotte mit Strafmaßnahmen belegt werden. Auch weitere Listungen von Personen und Firmen sind geplant. sti
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund hat Monika Hohlmeier (CSU) einem falschen Unternehmen zugeordnet, als er ihr in der Plenardebatte um Verträge im Umweltprogramm LIFE mit Umwelt-NGOs einen Interessenskonflikt unterstellte. Freund hatte der ehemaligen Chefin des Haushaltskontrollausschusses diesen Vorwurf gemacht, weil sie im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitze, das auch aus dem LIFE-Programm eine finanzielle Unterstützung bekomme. Hohlmeier hatte die Debatte beantragt und mehrere Verträge gerügt.
Der Vorwurf ist falsch. Hohlmeier ist Mitglied im Aufsichtsrat des Agrarunternehmens BayWa AG, was sie auch korrekt angegeben hat. Dieses Unternehmen bekommt ausweislich der Datenbank der Kommission aber kein Geld aus dem LIFE-Programm. Tatsächlich bekommt das Unternehmen BayWa r.e. Unterstützung aus dem LIFE-Programm. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Unternehmen mit jeweils eigenem Vorstand, eigenem Aufsichtsrat und eigener Aktionärsstruktur. Hohlmeier ist weder im Aufsichtsrat noch im Vorstand der BayWa r.e. Auch auf Nachfrage ist Freund nicht bereit, den Fehler einzugestehen. Er sagte lediglich: “Es wäre schön, wenn Frau Hohlmeier bei der Transparenz von Unternehmen den gleichen Ehrgeiz an den Tag legt, wie sie es aktuell bei NGOs tut.” mgr
Ein Unterwasser-Glasfaserkabel zwischen Lettland und Schweden ist am Sonntagmorgen beschädigt worden. “Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es höchstwahrscheinlich äußere Schäden gibt und dass diese erheblich sind”, sagte die lettische Ministerpräsidentin Evika Silina nach einer außerordentlichen Kabinettssitzung. Ihr Land werde sich mit dem westlichen Verteidigungsbündnis Nato und den Ostsee-Anrainern abstimmen. Ziel sei es, den Vorgang aufzuklären.
Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson betonte, dass sein Land eng mit Lettland und der Nato zusammenarbeiten werde. Schweden werde seinen Teil dazu beitragen, “den mutmaßlichen Vorfall zu untersuchen.”
Das am frühen Sonntag beschädigte Kabel verband die lettische Hafenstadt Ventspils (Windau) mit der schwedischen Insel Gotland. Es wurde in der Wirtschaftszone Schwedens beschädigt, wie die lettische Marine mitteilte. Diese entsandte eine Patrouille. Ein Schiff wurde gestoppt, das möglicherweise den Schaden verursacht hat. Schweden leitete eine Untersuchung auf Sabotage ein.
Die Nato verstärkte Ende Dezember ihre Präsenz in der Ostsee, nachdem ein Schiff ein Stromkabel und vier Kommunikationskabel zwischen Estland und Finnland beschädigt hatte. In den Jahren 2023 und 2024 beschädigten Schiffe auf der Fahrt von oder nach Russland eine Gaspipeline und Unterseekabel in der Ostsee. Nach Aussagen westlicher Behörden könnte es sich dabei um Sabotage handeln. Die der Nato angehörenden Ostsee-Anrainer haben sich deshalb darauf verständigt, ihre Schutzmaßnahmen zu verstärken. rtr
Es klang nach einer originellen Idee. Doch es stellte sich dann heraus, dass sie wenig durchdacht war und das Potenzial zum logistischen Albtraum hatte: Die Staats- und Regierungschefs der EU kommen für ihren “Retreat” Montag nächster Woche nicht wie ursprünglich geplant in einem abgelegenen Schloss in der Wallonie zusammen, sondern tagen mitten in Brüssel.
Doch der Reihe nach. António Costa ist frisch als EU-Ratspräsident im Amt und wollte mit seiner Klausurtagung ein neues Format ausprobieren. Zudem ist die Lage ernst, auf der Agenda des Retreats aber doch nur ein Thema unter mehreren, nämlich Europas Verteidigung. Gesucht war eine Location möglichst diskret und außerhalb des Brüsseler Europaviertels, um frei von vorverfassten Redetexten den Gedanken einmal ungehinderten Lauf zu lassen. Weshalb nicht in einem der Schlösser, von denen es im Königreich Belgien unzählige gibt?
Mitarbeiter des Ratssekretariats waren in den vergangenen Wochen ausgeschwärmt und hatten verschiedene Optionen evaluiert. Man kann sich schlimmere Jobs vorstellen. Die Wahl der Schloss-Scouts fiel auf das Château de Limont, gut 70 Kilometer von Brüssel in der Nähe von Lüttich. “Ob es sich nun um einen Gourmet-Trip, ein romantisches Wochenende, einen erholsamen Familienurlaub oder ein professionelles Seminar handelt, kommen Sie in unser Hotel und machen Sie einen Zwischenstopp”, heißt es auf der Webseite des Schlosses, das im Privatbesitz ist. Für eine Hochzeit mit großer Gesellschaft kann man auch gleich die ganze Anlage buchen. Die Lage sei ideal, um in “Ruhe und Gelassenheit” die Umgebung zu genießen.
Ein passendes Ambiente auch für Staats- und Regierungschefs im Krisenmodus? Die Staats- und Regierungschef wurden über die Location informiert, mit der Anweisung, nur mit kleinem Stab anzureisen. Die Verhältnisse seien beengt, für mehr als drei Mitarbeiter sei kein Platz. Aufregung auch im Kreis der Brüsseler Korrespondenten, von denen nur ein kleiner Kreis am Schlosstor ihre Kameras und Mikrofone für Doorsteps hätten aufbauen können.
Das Auswahlverfahren lief bereits, als der Rückzieher kam, für Gastgeber António Costa und seine Schloss-Scouts eine kleine Blamage gleich zu Beginn der Amtszeit. Aufgrund einer “aktualisierten Bewertung der nötigen Sicherheitsvorkehrungen” müsse das informelle Treffen verlegt werden, schreibt der Rat. In der ländlichen Gegend hätten ein paar wütende Bauern gereicht, um die kleinen Zufahrtswege zum Château zu blockieren. Die Klausurtagung soll nun ganz gewöhnlich im Palais d´Egmont stattfinden, das dem belgischen Staat gehört und vom Außenministerium regelmäßig für Konferenzen genutzt wird. Stephan Israel
es herrscht ausnahmsweise Einigkeit: Der Außenrat dürfte heute in Brüssel das politische Signal geben, das Sanktionsregime gegen Syrien zu lockern oder teilweise zu suspendieren. Es ist wichtig, wenn die EU in der Region ein Player sein und auf die neuen Machthaber Einfluss haben will. Als Geste gegenüber der syrischen Bevölkerung müssten Maßnahmen identifiziert werden, die rasch suspendiert werden könnten, heißt es in einem Nonpaper, das Außenministerin Annalena Baerbock mit fünf Amtskollegen ausgearbeitet hat.
Im Detail und bei der technischen Umsetzung wird es kompliziert. Nur einen Teil der Strafmaßnahmen hat die EU autonom beschlossen, ein guter Teil ist die Umsetzung von UN-Sanktionen. In einem ersten Schritt soll etwa der Flugverkehr zwischen der EU und Syrien erleichtert werden. Dafür müssten gewisse Restriktionen für Dual-Use-Güter aufgehoben werden, die etwa die Reparatur von Radaranlagen behindern. Wichtig wäre auch, die Strafmaßnahmen gegen den Finanzsektor zu lockern, um Investitionen im Land möglich zu machen.
Die Sanktionen stehen auch einer Reparatur der maroden Kraftwerke und des Stromnetzes im Weg. Schnell wird es jedenfalls nicht gehen, bis die Hindernisse für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau aus dem Weg geräumt sind. Bis die nötigen Rechtstexte ausgearbeitet sind, werde es mindestens zwei Wochen dauern, so ein Diplomat. Es sei komplizierter, Sanktionen zu lockern als zu verhängen. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas will eine schrittweise und reversible Lockerung vorschlagen. Strafmaßnahmen könnten auch wieder eingeführt werden, sollte die Entwicklung in Damaskus in die falsche Richtung gehen. Einen guten Start in die Woche!
Mittwoch will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den sogenannten “Competitiveness Compass” (Wettbewerbsfähigkeitskompass) vorstellen. Das Dokument, das Table.Briefings vorliegt, fasst die wirtschaftspolitischen Prioritäten der Kommission zusammen. Es zeigt zum ersten Mal auf, wann welche Teile der wirtschaftspolitischen Agenda vorgelegt werden sollen. Bisher hatte es Ankündigungen für die ersten hundert Tage der Kommission gegeben.
Der Kompass ist in vier Teile gegliedert:
Bei der Innovationsförderung geht es darum, die Innovationslücke der EU zu schließen. Die Start-up- und Scale-up-Strategie soll bessere Rahmenbedingungen für die Gründung und das Wachstum von Start-ups schaffen – flankiert durch die Spar- und Investitionsunion sowie ein TechEU-Investitionsprogramm der EIB. Positiv bewertet es die Industrie, dass das 28. Regime konkret im Zeitplan auftaucht.
Neu ist eine AI Continent Strategy. Sie zielt darauf ab, Netzwerkeffekte auf europäischer Ebene zu nutzen, indem sie “Mega-KI-Fabriken” einrichtet. Sie sollen Europas Rechenleistung steigern und Start-ups, Forschern und der Industrie zur Verfügung stehen, um ihre KI-Modelle zu trainieren. Ebenfalls auf der Agenda: die Apply AI Strategy and Data Union Strategy (Q3 2025), die Quantum Strategy (Q2 2025) und der Quantum Act, der Space Act (Q3 2025) sowie der Digital Networks Act (Q4 2025), der die infrastrukturellen Voraussetzungen schaffen soll.
Um die Arbeitsplätze und die industriellen Kapazitäten strategisch wichtiger Industrien in der EU zu halten, plant die Kommission eine Reihe von Aktionsplänen. Bekannt war schon, dass noch im ersten Quartal, wahrscheinlich Ende Februar, der Clean Industrial Deal und ein Aktionsplan für erschwingliche Energie vorgestellt werden. Im zweiten Quartal steht ein neuer Rahmen für das Beihilferecht an und im dritten Quartal der “Sustainable Transports Investment Pact”. Ein Maßnahmenpaket für die Chemieindustrie ist erst für das vierte Quartal geplant. Ebenfalls schon 2025 soll CBAM überprüft und ein Aktionsplan für die Stahl- und Metallindustrie vorgestellt werden. Die Kommission plant auch einen “Circular Economy Act”, aber der ist erst für das vierte Quartal 2026 terminiert.
In Zeiten geopolitischer Verunsicherung steht die Versorgungssicherheit, gerade in den Bereichen Rüstung, Rohstoffe und Medikamente hoch im Kurs. Noch in diesem Quartal wird deshalb das White Paper von Kommissar Kubilius zur Europäischen Verteidigung erwartet. Es soll unter anderem Ideen für die gemeinsame Beschaffung und für eine bessere Integration der Rüstungsindustrie beinhalten. Ebenfalls noch in diesem Quartal soll eine Strategie zur Bereitschaft der Union (Union Preparedness Strategy) Themen wie die Beschaffung und Bevorratung krisenkritischer Güter behandeln.
Für Mitte des Jahres plant die Kommission eine Plattform zur gemeinsamen Beschaffung wichtiger Rohstoffe. Rohstoffe will sich die Kommission aber unter anderem auch durch den Abschluss von “Clean Trade and Investment Partnerships” mit Drittstaaten sichern.
Erst für 2026 stehen der Europäische Klimaadaptionsplan und die Revision des Beschaffungsrechts an. In diesem will die Kommission ausdrücklich eine “Europäische Präferenz” in wichtigen Sektoren einführen.
Mit den horizontalen Maßnahmen will die Kommission das Geschäftsumfeld für alle Branchen verbessern. Dazu gehört zum Beispiel das Omnibus-Paket zur Reduktion der Berichtspflichten, das für Ende Februar geplant ist. Im zweiten Quartal soll dann eine Binnenmarktstrategie die hartnäckigen Binnenmarkthindernisse angehen. Die Kommission will hierzu zum Beispiel die Single Market Enforcement Taskforce (SMET) verstärken.
Ebenfalls im zweiten Quartal soll die Strategie zur Spar- und Investitionsunion vorgestellt werden. Details dazu gibt der Kompass jedoch nicht bekannt. Im Sommer dieses Jahres wird die Kommission ihren Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) ab 2028, einen Wettbewerbsfähigkeitsfonds sowie einen Wettbewerbsfähigkeitsmechanismus einfügen. Dieser soll ähnlich wie die Aufbau- und Resilienzfazilität Gelder an die Mitgliedstaaten mit Reformbedingungen verknüpfen.
Herr Friedl, was war Ihr erster Gedanke, als Sie von Stargate erfahren haben?
Dass wir Europäer uns sputen müssen. Stargate ist ein Weckruf und eine machtvolle Ankündigung. Ob sie Realität wird, bleibt abzuwarten. Aber der Vorsprung der USA bei den KI-Investitionen ist bereits jetzt unübersehbar.
Welche Konsequenzen sollten Deutschland und Europa aus dem Weckruf ziehen?
Wir müssen aufholen bei den privaten Investitionen. Aber auch die Bundesregierung und die Kommission müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass künstliche Intelligenz hier wettbewerbsfähig ist. Da gibt es ein paar Punkte, die man machen kann.
Was ist der erste Punkt?
Das Thema Regulierung. Da war Europa sicher Vorreiter – aber eben Vorreiter beim Grenzen setzen, womit wir möglicherweise einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA haben.
Präsident Trump hat ja nicht nur Stargate angekündigt, sondern auch die Executive Orders seines Vorgängers zur Regulierung von KI zurückgezogen.
Natürlich waren diese Regulierungen nicht annähernd so weitgehend wie der AI Act. Aber es gab eben Grenzen. Die sind jetzt gesprengt. Europa dagegen hat das umfangreichste Regulierungspaket, das es zu KI auf der Welt gibt. Es ist vernünftig, einen Rahmen zu schaffen und die Risiken von KI angemessen ernst zu nehmen.
Jetzt kommt ein “aber”…
Richtig. Es ist aber auch wichtig, dafür zu sorgen, dass Unternehmen nicht zuerst eine Heerschar von Rechtsanwälten beschäftigen müssen, bevor sie Daten sammeln und einspeisen dürfen. Da muss die Regulierung deutlich einfacher werden. Das hat Trump mit einem Federstrich gemacht.
Vor dem Hintergrund der Risiken von KI, macht es Ihnen keine Sorgen, dass KI in den USA jetzt unreguliert ist?
Das macht mir tatsächlich Sorge. Gleichzeitig stehen wir in einem weltweiten Wettbewerb. China investiert ähnlich wie die USA massiv in KI. Und geht bei der Sammlung privater Daten aus der Bevölkerung wesentlich weiter, als wir das je wollten. Wir müssen abwägen, welche Risiken damit verbunden sind, wenn wir in der KI-Entwicklung hinten herunterfallen. Die Antwort kann nicht sein, dass wir die Risiken erkennen und regulieren, sodass wir safe sind. Weil wir das nicht sind, wenn die USA und China diese Risiken einfach überspielen oder nicht adressieren. Da müssen wir eine neue Antwort finden.
Wollen Sie den AI Act wieder abschaffen?
Das ist vielleicht etwas übertrieben. Aber eine Reevaluierung des AI Acts, um Wettbewerbsnachteile zu identifizieren, ist sinnvoll.
Regulierung war Ihr erster Punkt. Wo müssen wir noch ansetzen?
Wir brauchen in Deutschland und Europa einen besseren Transfer von akademischem Wissen in die Praxis. Dabei spielen KI-Start-ups eine große Rolle. Wir sehen, dass es einige Orte in Europa gibt, wo das sehr gut läuft. In Paris und München zum Beispiel. Aber wir brauchen eine stärkere Start-up-Kultur, um KI-Themen in die Anwendung zu bringen.
Das ist ein Thema, über das wir seit Jahren diskutieren. Sie kommen von der Universität. Was läuft falsch?
Die Förderung der Start-up-Kultur braucht Zeit. Die aktuelle Bundesregierung hat Fortschritte gemacht, etwa mit den Start-up-Fabriken. Aber wir brauchen mehr.
Gehört nicht auch eine bessere Finanzierung dazu?
Das ist ein zweiter wichtiger Bestandteil, der Start-ups genauso wie Investitionsvorhaben von großen Unternehmen betrifft. Wir haben in Deutschland und Europa zu wenige Möglichkeiten, ausreichend Kapital zu mobilisieren. Einige Start-ups gehen in die USA, weil dort die Kapitalmärkte besser funktionieren. Mistral in Frankreich ist nur ein Beispiel.
Das fehlende Risikokapital ist auch ein Dauerbrenner…
Ja, und hier kann die Europäische Kommission ansetzen. Es liegen viele Vorschläge auf dem Tisch. Die Kapitalmarktunion sollte mit Wucht vorangetrieben werden.
Trump hat den Stargate-Investoren billige Energie versprochen.
Richtig. Rechenzentren sind wahnsinnige Energiefresser. In Deutschland hatten die Rechenzentren 2023 bereits einen Anteil von 4,3 Prozent am gesamten Stromverbrauch. Hohe Stromkosten sind auch für Rechenzentren ein Wettbewerbsnachteil. Auch darauf müssen wir eine Antwort finden.
Wie sehr ärgert es Sie, dass in der politischen Debatte mehr diskutiert wird, wie wir die Automobilindustrie retten, anstatt Zukunftstechnologien zu fördern?
Natürlich ärgert es mich, wenn wir mit staatlichen Subventionen alte Industrien retten. Aber die Stärke unserer Wirtschaft ist der industrielle Kern. Ihn sehenden Auges absterben zu lassen, ohne gleichzeitig auf die neuen Technologien mit voller Kraft zu setzen, das wäre auch falsch. Wir können die Automobilindustrie transformieren, indem wir sie auf Software und künstliche Intelligenz ausrichten. Deutschland und Europa muss es gelingen, unser Domänenwissen mit Innovationen zu verknüpfen. Das ist unsere Chance, um im globalen Wettbewerb eine Rolle zu spielen.
Zieht die Dieter Schwarz Stiftung aus dem Stargate-Projekt direkt Konsequenzen?
Das Stargate-Projekt bestätigt uns, dass wir mit der Entwicklung unseres Ökosystems in Heilbronn auf dem richtigen Weg sind. Wir versuchen mit großer Wucht, Forschungseinrichtungen zusammenzubringen, den Transfer sicherzustellen und treiben KI-Anwendungen voran. Aber 500 Milliarden Euro übersteigen unsere Mittel natürlich um ein Vielfaches.
Brauchen wir in Deutschland und Europa mehr Investoren wie die Dieter Schwarz Stiftung, auch aufseiten der großen Unternehmen?
Die großen Spieler wie SAP oder Siemens investieren ebenfalls kraftvoll. Aber in der Breite der deutschen Wirtschaft ist das nicht der Fall. Da haben wir tatsächlich ein Defizit.
Hat Deutschland allein eine Chance, oder sollten wir eher in europäischen Dimensionen denken?
Ja, wir müssen europäisch denken und uns insbesondere mit Frankreich abstimmen. Das heißt aber nicht zwingend, dass die Kommission alles zentral lenken muss. Wir müssen auch private Initiativen stärken. Wir erleben in Heilbronn, dass wir als private Initiative wesentlich schneller und flexibler sind. Auf EU-Ebene brauchen wir ein bisschen mehr Flexibilität.
Arbeiten Sie mit anderen KI-Zentren in Europa zusammen?
Ja, wir sind beispielsweise beim AI Action Summit in Paris dabei. Wir arbeiten mit Institutionen in Paris, Oxford, Israel, Singapur und Stanford zusammen. Europa allein ist oft zu klein, die globale Vernetzung ist entscheidend.
Wenn Sie nach Trumpscher Manier entscheiden dürften, wie würden Sie bei KI vorgehen?
Die Stärke Europas liegt in der pluralen Gesellschaft, wo wir Mehrheiten für eine Position finden müssen. Ich glaube nicht, dass ich allein in der Lage wäre, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich bin auch nicht sicher, ob Donald Trump richtig liegt. Auch Amerika lebt von Checks and Balances. Aber wir müssen schneller werden, unsere Strukturen anpacken und mutiger Entscheidungen treffen.
Gunther Friedl hat Physik und Betriebswirtschaft studiert. Von 2010 bis 2024 war er Dekan der TUM School of Management und leitet seit 2012 das Ludwig-Fröhler-Insitut. Seit Januar ist er Mitglied der Geschäftsführung der Dieter Schwarz Stiftung. Die Stiftung ist Teil des Konsortiums beim Innovationspark KI in Heilbronn (IPAI) und stellte die Anschubfinanzierung bereit. Das IPAI versteht sich als “das wohl ambitionierteste Projekt für angewandte Künstliche Intelligenz in Europa”.
Die Abwicklung von Euro-Derivaten, das Euroclearing, soll auch nach dem 30. Juni 2025 über den Finanzplatz London geschehen dürfen. Das zeigt der Entwurf einer Äquivalenzentscheidung, der Table.Briefings vorliegt. Die letzte Äquivalenzentscheidung war 2022 gefällt worden, um der EU Zeit zu geben, selbst eine funktionsfähige Clearing-Infrastruktur aufzubauen. Ende 2023 wurden aber immer noch 90 Prozent der Euro-Derivate über London abgewickelt, schreibt die Kommission.
Im Text der Äquivalenzentscheidung gibt die Kommission zu, dass die Regulierungen im Vereinigten Königreich nicht mehr ganz mit den EU-Regeln übereinstimmen. Sie schreibt aber auch, dass die Äquivalenzentscheidung nicht nur auf einem Vergleich der Rechtstexte basieren sollte, sondern auch andere Faktoren berücksichtigen sollte. Ein gut funktionierendes Clearing sei wichtig für die Finanzstabilität. Offenbar sieht sie dies aber noch nicht durch EU-Clearinghäuser gewährleistet.
Deshalb gewährt die Kommission dem Vereinigten Königreich für weitere drei Jahre die Äquivalenz, um das Clearing von Euro-Derivaten weiterhin über London führen zu können. “Mit diesem Beschluss stellt die Kommission dem Finanzplatz London für die nächsten drei Jahre einen Freifahrtschein aus. Die Kommission gesteht mit der Verlängerung der Äquivalenzentscheidung auch das Scheitern ihrer bisherigen Strategie ein”, sagte der Europa-Abgeordnete Markus Ferber (CSU).
Die Ursache sieht er darin, dass sich die EU-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen über einen Vorschlag zur Stärkung des europäischen Clearing-Systems nicht auf ein Vorgehen einigen konnten. “Solange die Mitgliedstaaten zerstritten sind und bei der Kapitalmarktunion nicht vorankommen, profitiert London”, so Ferber. Die Kommission müsse nun dringend flankierende Maßnahmen auf den Weg bringen, damit die EU in drei Jahren nicht wieder vor dem gleichen Dilemma stehe. jaa
Trotz der Störgeräusche aus Budapest ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Ungarn heute im Außenrat in Brüssel einer Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland nicht im Weg steht. Vermutlich pokert Viktor Orbán nur. Diese Erwartung äußerten Diplomaten im Vorfeld des Treffens. Ganz sicher sei man aber nicht, da die taktischen Überlegungen von Ungarns Regierungschef schwer einsehbar seien.
Orbán verlangt im Vorfeld des Treffens am Montag, die Ukraine müsse die Pipeline wieder öffnen, über die noch bis Ende des Jahres russisches Gas auch nach Ungarn gelangt ist. Kiew müsse zudem aufhören, die auch durch den Balkan verlaufende Pipeline Turkish Stream anzugreifen. Ungarns Regierungschef spricht von Angriffen am Grenzpunkt auf russischem Territorium. Weiter will er Garantien, dass die Ukraine nicht auch den Ölfluss durch die Druschba-Pipeline stoppt. Ungarn habe durch die Sanktionen 19 Milliarden Euro verloren.
Am Freitag hatte Ungarns Botschafter allerdings nicht verhindert, dass der Rollover der Sanktionen am Montag beim Außenrat als sogenannter A-Punkt auf die Agenda kommt. A-Punkt bedeutet, dass mit einer Annahme ohne Aussprache gerechnet wird. Es gebe keinen Plan B zu einer Verlängerung, so Diplomaten. Sie schöpfen Zuversicht aus der Tatsache, dass Ungarn bisher im letzten Moment immer zugestimmt habe. Möglicherweise werde Außenminister Péter Szijjártó Hilfe mit Blick auf die Energiesicherheit anfordern. Diese sei aber in keinem Moment gefährdet gewesen. Als Zugeständnis bot Präsident Wolodymyr Selenskyj am Wochenende an, Gas aus Aserbaidschan durch die Pipeline nach Ungarn zu leiten.
Zuversicht schöpfen Diplomaten auch aufgrund von Äußerungen des neuen US-Präsidenten. Die Botschaft sei sicher auch in Budapest angekommen, dass Donald Trump den Druck mit Blick auf mögliche Verhandlungen mit Wladimir Putin aufrechterhalten wolle. Viktor Orbán müsse sich bewusst sein, dass ein Ende der Sanktionen gravierende Folgen hätte, so Diplomaten. Die Strafmaßnahmen müssen spätestens bis zum 31. Januar verlängert werden. Unklar ist, wie schnell Moskau etwa auf die blockierten Staatsbankgelder wieder Zugriff hätte. Ohne Rollover falle die Rechtsgrundlage für das Sanktionsregime weg, mahnten Diplomaten. Ungarns Regierungschef spiele mit dem Feuer und riskiere, es sich nicht nur mit den europäischen Partnern, sondern auch mit Trump zu verscherzen.
Unabhängig vom Rollover der bisherigen Strafmaßnahmen laufen die Vorbereitungen für das 16. Sanktionspaket, das bis zum dritten Jahrestag des russischen Vollangriffs auf die Ukraine am 24. Februar verabschiedet werden soll. Die EU-Kommission soll ihren Vorschlag diese Woche den Mitgliedstaaten unterbreiten. Dem Vernehmen nach sollen zusätzliche Tanker der russischen Schattenflotte mit Strafmaßnahmen belegt werden. Auch weitere Listungen von Personen und Firmen sind geplant. sti
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund hat Monika Hohlmeier (CSU) einem falschen Unternehmen zugeordnet, als er ihr in der Plenardebatte um Verträge im Umweltprogramm LIFE mit Umwelt-NGOs einen Interessenskonflikt unterstellte. Freund hatte der ehemaligen Chefin des Haushaltskontrollausschusses diesen Vorwurf gemacht, weil sie im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitze, das auch aus dem LIFE-Programm eine finanzielle Unterstützung bekomme. Hohlmeier hatte die Debatte beantragt und mehrere Verträge gerügt.
Der Vorwurf ist falsch. Hohlmeier ist Mitglied im Aufsichtsrat des Agrarunternehmens BayWa AG, was sie auch korrekt angegeben hat. Dieses Unternehmen bekommt ausweislich der Datenbank der Kommission aber kein Geld aus dem LIFE-Programm. Tatsächlich bekommt das Unternehmen BayWa r.e. Unterstützung aus dem LIFE-Programm. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Unternehmen mit jeweils eigenem Vorstand, eigenem Aufsichtsrat und eigener Aktionärsstruktur. Hohlmeier ist weder im Aufsichtsrat noch im Vorstand der BayWa r.e. Auch auf Nachfrage ist Freund nicht bereit, den Fehler einzugestehen. Er sagte lediglich: “Es wäre schön, wenn Frau Hohlmeier bei der Transparenz von Unternehmen den gleichen Ehrgeiz an den Tag legt, wie sie es aktuell bei NGOs tut.” mgr
Ein Unterwasser-Glasfaserkabel zwischen Lettland und Schweden ist am Sonntagmorgen beschädigt worden. “Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es höchstwahrscheinlich äußere Schäden gibt und dass diese erheblich sind”, sagte die lettische Ministerpräsidentin Evika Silina nach einer außerordentlichen Kabinettssitzung. Ihr Land werde sich mit dem westlichen Verteidigungsbündnis Nato und den Ostsee-Anrainern abstimmen. Ziel sei es, den Vorgang aufzuklären.
Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson betonte, dass sein Land eng mit Lettland und der Nato zusammenarbeiten werde. Schweden werde seinen Teil dazu beitragen, “den mutmaßlichen Vorfall zu untersuchen.”
Das am frühen Sonntag beschädigte Kabel verband die lettische Hafenstadt Ventspils (Windau) mit der schwedischen Insel Gotland. Es wurde in der Wirtschaftszone Schwedens beschädigt, wie die lettische Marine mitteilte. Diese entsandte eine Patrouille. Ein Schiff wurde gestoppt, das möglicherweise den Schaden verursacht hat. Schweden leitete eine Untersuchung auf Sabotage ein.
Die Nato verstärkte Ende Dezember ihre Präsenz in der Ostsee, nachdem ein Schiff ein Stromkabel und vier Kommunikationskabel zwischen Estland und Finnland beschädigt hatte. In den Jahren 2023 und 2024 beschädigten Schiffe auf der Fahrt von oder nach Russland eine Gaspipeline und Unterseekabel in der Ostsee. Nach Aussagen westlicher Behörden könnte es sich dabei um Sabotage handeln. Die der Nato angehörenden Ostsee-Anrainer haben sich deshalb darauf verständigt, ihre Schutzmaßnahmen zu verstärken. rtr
Es klang nach einer originellen Idee. Doch es stellte sich dann heraus, dass sie wenig durchdacht war und das Potenzial zum logistischen Albtraum hatte: Die Staats- und Regierungschefs der EU kommen für ihren “Retreat” Montag nächster Woche nicht wie ursprünglich geplant in einem abgelegenen Schloss in der Wallonie zusammen, sondern tagen mitten in Brüssel.
Doch der Reihe nach. António Costa ist frisch als EU-Ratspräsident im Amt und wollte mit seiner Klausurtagung ein neues Format ausprobieren. Zudem ist die Lage ernst, auf der Agenda des Retreats aber doch nur ein Thema unter mehreren, nämlich Europas Verteidigung. Gesucht war eine Location möglichst diskret und außerhalb des Brüsseler Europaviertels, um frei von vorverfassten Redetexten den Gedanken einmal ungehinderten Lauf zu lassen. Weshalb nicht in einem der Schlösser, von denen es im Königreich Belgien unzählige gibt?
Mitarbeiter des Ratssekretariats waren in den vergangenen Wochen ausgeschwärmt und hatten verschiedene Optionen evaluiert. Man kann sich schlimmere Jobs vorstellen. Die Wahl der Schloss-Scouts fiel auf das Château de Limont, gut 70 Kilometer von Brüssel in der Nähe von Lüttich. “Ob es sich nun um einen Gourmet-Trip, ein romantisches Wochenende, einen erholsamen Familienurlaub oder ein professionelles Seminar handelt, kommen Sie in unser Hotel und machen Sie einen Zwischenstopp”, heißt es auf der Webseite des Schlosses, das im Privatbesitz ist. Für eine Hochzeit mit großer Gesellschaft kann man auch gleich die ganze Anlage buchen. Die Lage sei ideal, um in “Ruhe und Gelassenheit” die Umgebung zu genießen.
Ein passendes Ambiente auch für Staats- und Regierungschefs im Krisenmodus? Die Staats- und Regierungschef wurden über die Location informiert, mit der Anweisung, nur mit kleinem Stab anzureisen. Die Verhältnisse seien beengt, für mehr als drei Mitarbeiter sei kein Platz. Aufregung auch im Kreis der Brüsseler Korrespondenten, von denen nur ein kleiner Kreis am Schlosstor ihre Kameras und Mikrofone für Doorsteps hätten aufbauen können.
Das Auswahlverfahren lief bereits, als der Rückzieher kam, für Gastgeber António Costa und seine Schloss-Scouts eine kleine Blamage gleich zu Beginn der Amtszeit. Aufgrund einer “aktualisierten Bewertung der nötigen Sicherheitsvorkehrungen” müsse das informelle Treffen verlegt werden, schreibt der Rat. In der ländlichen Gegend hätten ein paar wütende Bauern gereicht, um die kleinen Zufahrtswege zum Château zu blockieren. Die Klausurtagung soll nun ganz gewöhnlich im Palais d´Egmont stattfinden, das dem belgischen Staat gehört und vom Außenministerium regelmäßig für Konferenzen genutzt wird. Stephan Israel