die liberale Renew-Fraktion hat ihre Vorsitzende Valérie Hayer per Akklamation wiedergewählt. Heute wird die Fraktionsführung komplettiert: Neun Vize-Posten in der Fraktion mit derzeit 74 Abgeordneten werden vergeben. Dafür haben 13 Fraktionsmitglieder ihre Hüte in den Ring geworfen.
Für den Ersten Vizepräsidenten gibt es zwei Nominierungen. Dem Iren Billy Kelleher werden die besten Chancen gegeben. Hilde Vautmans aus Flandern tritt gegen ihn an. Unter den elf Abgeordneten, die um die acht stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden-Posten rangeln, ist der Portugiese João Cotrim de Figueiredo. Kurzzeitig hatte er angekündigt, gegen Hayer für den Fraktionsvorsitz anzutreten. Sein Rückzug soll nun mit dem Vize-Posten belohnt werden.
Renew hatte zuletzt Federn bei der Zahl der Abgeordneten gelassen und steht aktuell mit 74 Sitzen da. Hayer kündigte für die nächste Woche wieder Zugänge an. Welche das sein werden, das ist offen.
In der konservativen EKR-Fraktion steht heute die Wahl der Co-Fraktionschefs an. Nicola Procacchini von den Fratelli, Vertrauter von Giorgia Meloni, kandidiert wieder für den Posten. Die polnische PiS-Delegation stellt nach den Fratelli wieder die zweitmeisten Abgeordneten und erhebt Anspruch auf den Co-Fraktionschef. Auch wenige Stunden vor der Wahl ist offen, wen die PiS für diesen Posten vorschlägt. Kommen Sie gut durch den Tag.
Die europäischen Parteienfamilien von Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen haben sich auf die Besetzung der EU-Topjobs geeinigt. In einer Konferenzschaltung am Dienstagvormittag wurde vereinbart, dass EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen dem Parlament für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin vorgeschlagen wird. Der ehemalige portugiesische Ministerpräsident António Costa von der sozialistischen Parteienfamilie soll Ratspräsident werden.
Außenbeauftragte soll die Ministerpräsidentin von Estland, Kaja Kallas, von den Liberalen werden. Damit wurde weitgehend das Personalpaket vereinbart, auf das sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Abendessen am 17. Juni noch nicht verständigen konnten.
Einzige Veränderung: Die EVP ist von der Forderung abgerückt, nach zweieinhalb Jahren den ständigen Ratspräsidenten zu stellen. Das Amt der Kommissionspräsidentschaft und der Außenbeauftragten werden für fünf Jahre vergeben, der Ratspräsident wird zunächst für eine halbe Wahlperiode gewählt. Die Christdemokraten hatten argumentiert, dass sie nach zweieinhalb Jahren nur noch den Kommissionspräsidenten unter den Topjobs stellen. Roberta Metsola (EVP), die wieder Parlamentspräsidentin werden soll, soll ihr Amt nach der Hälfte der Wahlperiode an einen Sozialisten abgeben.
Dem Deal waren mehrere Runden der Verhandlungsdelegation vorausgegangen. Für die christdemokratische EVP führten die Regierungschefs von Polen und Griechenland, Donald Tusk und Kyriakos Mitsotakis, die Verhandlungen; für die sozialistische SPE Kanzler Olaf Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und für die Liberalen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der scheidende Ministerpräsident der Niederlande, Mark Rutte.
Die Verständigung gelang zwei Tage vor dem regulären Europäischen Rat, bei dem die Staats- und Regierungschefs eine Entscheidung zum Personalpakt treffen wollen. Anders als bei sonstigen Entscheidungen bei einem Gipfel bedarf es beim Vorschlag des Rates an das Parlament für den nächsten Kommissionspräsidenten nicht der Einstimmigkeit. Die qualifizierte Mehrheit von 20 Regierungschefs, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, reicht aus. Die EVP stellt im Rat zwölf Staats- und Regierungschefs, die SPE vier, die Liberalen fünf. Insgesamt werden damit 21 Länder von Regierungen regiert, die bereits in der vergangenen Wahlperiode Teil der Von-der-Leyen-Koalition waren.
Ob Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die die konservative Parteienfamilie EKR anführt, von der Leyen im Rat stützt, ist offen. Dies hängt auch von den Zusagen ab, die Ursula von der Leyen möglicherweise bei dem Portfolio des italienischen Kommissars in Aussicht gestellt hat. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán kündigt seine Ablehnung an: “Die Abmachung von Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen widerspricht allem, worauf die EU basiert.”
Von der Leyen war nicht Teil der Verhandlungsdelegation, hat aber in den vergangenen Tagen Gespräche mit Staats- und Regierungschefs geführt. Wenn die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag grünes Licht geben für das Personalpaket, kann die Wahl von der Leyens in der ersten Sitzungswoche des neuen Europaparlaments vom 16. bis 19. Juli in Straßburg angesetzt werden. Sie braucht für ihre Wahl die Zustimmung von 361 von 720 Abgeordneten. EVP, S&D und Renew kommen derzeit zusammen auf 399 Sitze. Es wird wieder mit Nein-Stimmen aus dem Von-der-Leyen-Lager gerechnet. Deswegen könnte von der Leyen noch Gespräche mit anderen Fraktionen führen.
Zunächst beginnen nun die inhaltlichen Verhandlungen zwischen den Parteien der informellen Von-der-Leyen-Koalition II. EVP-Partei- und Fraktionschef Manfred Weber erhebt den Anspruch, dass das Manifesto der Partei vom Kongress in Bukarest Grundlage der politischen Vorhaben im nächsten Mandat wird. Ein Schwerpunkt ist, weitere Schritte gegen die illegale Zuwanderung zu machen und Asylverfahren in Drittländern abzuwickeln.
“Man hat den Eindruck, dass die ökologische Wende in einer Falltür verschwunden ist.” Dies haben nicht die Parteivertreter festgestellt, die am Donnerstag in Paris Unternehmerverbänden ihre Programme vorstellten, sondern die Moderatorin der Debatte, der Journalistin Hedwige Chevrillon.
Die verschiedenen Kandidaten waren gekommen, um ihre Programme im Detail darzulegen. Sie alle standen nacheinander auf der Bühne. Das Ergebnis: Der soziale, ökologische und klimaneutrale Wandel der Wirtschaft wurde nur selten erwähnt. Und wenn, dann nur in Bezug auf Energiepolitik.
So bekräftigten die zwei Kandidaten des Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP), Boris Vallaud und Eric Coquerel, den Wunsch, so schnell wie möglich ein Energie- und Klimagesetz zu verabschieden, falls ihr Bündnis die Parlamentswahlen gewinnen sollte. Die ökologische Planung steht im Zentrum ihres Programms.
Auf die Frage nach der Position der NFP-Koalition zur Atomkraft erklärte Coquerel, dass der Zusammenschluss der Linksparteien das aktuelle Programm nicht rückgängig machen wolle. “Wir rühren den aktuellen Kraftwerkspark nicht an und verschieben die Entscheidungen über das weitere Vorgehen auf die nächste Präsidentschaftswahl.” Der Bau von sechs Druckwasserreaktoren, EPR genannt, den Macron in seiner Rede in Belfort im Februar 2022 festgeschrieben hatte, könnte also bis 2027 ausgesetzt werden. Allerdings ist die Position der NFP-Koalition zur Kernkraft grundsätzlich geteilt: Während die Kommunistische Partei pro Atomkraft ist, sind La France Insoumise und die Grünen dagegen. Die Sozialistische Partei liegt in der Mitte dazwischen.
Der Sozialist Vallaud, der die Differenzen zwischen den verschiedenen NFP-Parteien in dieser Frage illustrierte, sprach sich für die Kernenergie aus und meinte, man müsse “zuerst die Dekarbonisierung und dann die Denuklearisierung durchführen”.
Diese Erklärungen überzeugten den derzeitigen Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire aus der Macron-Partei Renaissance nicht. Er kritisierte das Zögern der NFP in der Atomfrage. “Der Bau der sechs EPR wird beträchtliche Baustellen erfordern; wir haben keine Zeit zu verlieren.” Mit der NFP würden die sechs EPR nicht kommen, so Le Maire.
Le Maire betonte, dass seine oberste Priorität in den kommenden Jahren “die Reindustrialisierung Frankreichs” sei. In diesem Zusammenhang kündigte er die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit dem Stromversorger EDF über den Preis in Langzeitverträgen an, um den Preis für kohlenstofffreie Energie für Unternehmen zu senken. “Die vorgeschlagenen Tarife sind für die Industrie nicht zufriedenstellend, sie sind nicht ausreichend wettbewerbsfähig. Wir werden daher neue Gespräche mit EDF aufnehmen.”
Der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella, verteidigte seinerseits seinen Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf elektrische Produkte und Treibstoffe auf 15 Prozent zu senken. Die Kosten dieser Maßnahme bezifferte er auf zwölf Milliarden Euro. Die Maßnahme hält er für “eine Priorität”, damit die Franzosen “die Früchte ihrer Arbeit” zurückbekämen, erklärte Bardella. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf unter 15 Prozent ist jedoch aufgrund der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie nicht für Treibstoffe möglich.
Bardella erwähnte auch die Möglichkeit, aus dem europäischen Strommarkt auszusteigen, um “einen nationalen Strompreis einzuführen, wie es Spanien und Portugal getan haben”. Ein Vorschlag, den Le Maire sofort abkanzelte, indem er erklärte, dass dies auf einen “Frexit” hinauslaufen würde. “Das bedeutet das Ende der Anbindung Frankreichs an andere Länder”, fuhr der Minister fort, “dieses Jahr sind es mehr als vier Milliarden Euro an Exporten, die dank der Wiederbelebung der Kernenergie erzielt wurden, auf die EDF hätte verzichten müssen”.
Als letzter Redner des Vormittags machte sich Bruno Retailleau für Les Républicains zum Verfechter der “technologischen Neutralität”: “Man muss Ziele für die Treibhausgasemissionen vorgeben und es ist dann Sache des Marktes und der Unternehmen, zu bestimmen, wie diese Ziele erreicht werden können”, erklärte der Senator. “Was weiß ein Kommissar oder das Europäische Parlament mehr als die Forschungsabteilungen und Ingenieure eines Unternehmens?”
Deutschland macht Druck: Die EU müsse schon in fünf Jahren bereit für die Aufnahme neuer Mitgliedsländer sein, sagte Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) zum offiziellen Start der Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau am Dienstag in Luxemburg. Selbst wenn die beiden Kandidatenländer mehr Zeit für den Beitritt zur Union bräuchten, müsse die EU bis 2027 alle nötigen internen Reformen bewältigt haben.
Zunächst geht es allerdings darum, die neue Beitrittsrunde – zu der auch Georgien und die Länder des Westbalkans zählen könnten – in Gang zu bringen. Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal sprach in Luxemburg von einem “historischen Moment” für sein Land und Europa. “Wir sind uns darüber im Klaren, dass auf dem Weg zum Beitritt noch viel Arbeit vor uns liegt”, sagte Schmyhal, der per Videokonferenz zugeschaltet war.
Auf das Land, das sich gegen den Überfall Russlands verteidigt, kommen tiefgreifende Reformen zu. Die EU-Kommission hat der Ukraine zwar bescheinigt, alle sieben Tests bestanden zu haben, die Brüssel für den Start von Beitrittsgesprächen vorgegeben hatte. So sei die nationale Anti-Korruptions-Behörde ausgebaut worden. Ein Lobby-Gesetz sei an EU-Standards angepasst worden, um die Macht der Oligarchen zu begrenzen. Außerdem habe sich Kiew um einen besseren Schutz der Minderheiten bemüht.
Allerdings legte die Brüsseler Behörde keinen neuen Fortschrittsbericht vor. Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi gab dem Rat nur “ein mündliches Update”, wie eine Kommissionssprecherin erklärte. Zudem ist die Umsetzung der geforderten Reformen offenbar noch nicht vollständig. Die Kommission werde die Implementierung im Auge behalten und weiter berichten, hieß es. Vor allem beim Kampf gegen die Korruption muss Kiew noch liefern.
Schmyhal versprach, alles Nötige zu tun. “Wir sind dazu bereit”, erklärte er. Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib erinnerte daran, dass der Beitrittsprozess an Bedingungen geknüpft sind. Als konkretes Beispiel nannte sie Reformen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, die Stärkung der demokratischen Institutionen und eine Reform der öffentlichen Verwaltung. Besonders wichtig sei eine Justizreform.
“Der vor uns liegende Weg wird anspruchsvoll, aber auch voller Chancen sein”, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ihre Behörde wird nun im sogenannten Screening prüfen, ob das nationale Recht der Kandidaten dem EU-Recht entspricht. Erst danach beginnen die eigentlichen Gespräche. Insgesamt geht es um 35 Verhandlungskapitel. Die Eröffnung und der Abschluss der Kapitel muss von allen 27 EU-Staaten einstimmig gebilligt werden.
Ob und wann die Verhandlungen zum Beitritt führen, ist offen. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte das Jahr 2030 als Zieldatum genannt. Die Teilnehmer der Beitrittskonferenz in Luxemburg machten sich dieses Ziel auf Nachfrage jedoch nicht zu eigen. Auch für die EU-internen Reformen wurde keine Deadline genannt. Der Zeitdruck war dennoch spürbar – sowohl die Ukraine als auch die EU müssen nun liefern. ebo
Valérie Hayer, die bisherige Vorsitzende der Renew-Fraktion im Europäischen Parlament, ist mit Akklamation, erneut zur Vorsitzenden gewählt worden. Der Portugiese João Cotrim de Figueiredo, Mitglied der Alliance of Liberals and Democrats for Europe (ALDE), dem liberalen Flügel der Renew-Fraktion, warf das Handtuch. Er hatte sich seit dem Wochenende an einer Blitzkampagne als Hayer-Konkurrent versucht. Die Belgierin Sophie Wilmès verzichtete auf eine Kandidatur gegen Hayer.
Nach der Wahl wiederholte Hayer, dass sie Koalition aus EVP, S&D und Renew weiterhin unterstütze. Die rote Linie sei jedoch eine Koalition mit der EKR, die sie als rechtsextrem bezeichnete.
Die Wahl war alles andere als sicher, nachdem Hayer deutlich geschwächt aus den Europawahlen hervorgegangen war. Nach den Wahlen stellt die französische liberale Delegation nur noch 13 Europaabgeordnete, im Vergleich zu 23 zuvor. Der rechtsextreme Rassemblement National entsendet 30 Europaabgeordnete. Auch innerhalb der französischen Liberalen war Hayers Wiederwahl zunächst alles andere als sicher. Erst am Sonntagmorgen fiel dem Vernehmen nach die Entscheidung, alles auf Hayer für den Fraktionsvorsitz zu setzen.
Hayer hatte nach den Wahlen neue Renew-Mitglieder angekündigt, die den Platz als “Königsmacher” im Parlament an der Seite von EVP und S&D sichern sollten. In den vergangenen Tagen musste Renew jedoch den Austritt der sieben tschechischen Abgeordneten der ANO-Partei von Andrej Babiš verkraften. Hayer scheiterte auch, die fünf deutschen und niederländischen Volt-Abgeordneten davon zu überzeugen, sich ihrem Lager anzuschließen. Sie schlossen sich lieber den Grünen an. Gleichzeitig gewann die EKR elf Mitglieder hinzu und nahm Renew den Platz als drittgrößte Fraktion im Parlament ab.
Der Rat der liberalen Parteienfamilie ALDE nominierte am Wochenende in Vilnius formell keinen Kandidaten, der gegen die Französin antreten sollte. Lediglich die Co-Vorsitzenden der ALDE, der Bulgare İlhan Küçük und der Ire Timmy Dooley, riefen am Sonntagabend dazu auf, den portugiesischen Herausforderer João Cotrim de Figueiredo zu unterstützen – ohne den Rest der Parteienfamilie in Kenntnis zu setzen. Auch diese Zersplitterung innerhalb der ALDE dürfte zur Wiederwahl Hayers beigetragen haben. Zudem gelang es ihr, ihre zentristische Positionierung in den Fokus zu rücken und so die deutsche und die slowakische Delegation auf ihre Seite zu ziehen. cst
Die 136 sozialdemokratischen Abgeordneten im EU-Parlament haben die spanische Sozialistin Iratxe García Pérez am Dienstag einstimmig als Gruppenvorsitzende wiedergewählt. Nach ihrer Wahl bekräftigte García, dass es für S&D keine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten geben werde: “Als Sozialdemokraten haben wir unsere rote Linie klargemacht und die verläuft sowohl gegenüber der EKR als auch der ID.”
Für die Bestätigung Ursula von der Leyens als Kommissionspräsidentin nannte García die Prioritäten der Sozialdemokraten: Gleichheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, eine starke Agenda für ein sozialdemokratisches und nachhaltiges Europa – wozu auch ein Festhalten an der Ambition des Green Deals gehört -, Investitionen in die Industrie, Unterstützung für die Ukraine und Frieden im Nahen Osten. Die sozialen Forderungen von S&D werden in einem Statement näher ausgeführt, das die Fraktion verbreitete – genannt werden dort etwa Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. ber
Die Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament hat am Dienstag ihren Vorstand gewählt. Der Listenzweite der deutschen Grünen bei der Europawahl, Sergey Lagodinsky, ist nun Vizepräsident der Fraktion. Außerdem wurden der scheidende Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sowie Marie Toussaint, Alice Bah Kuhnke und Ignazio Marino zu den Vizepräsidenten gewählt. Kira Marie Peter-Hansen ist Schatzmeisterin und Vizepräsidentin.
Bereits vergangene Woche wurde Diana Riba i Giner zur Vorsitzenden der Freien Europäischen Allianz (EFA) sowie Terry Reintke und Bas Eickhout zu den der Fraktionsvorsitzenden der Grünen/EFA gewählt. Unklar ist noch, wer die deutsche Delegation innerhalb der Grünen-Fraktion anführen wird. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Michael Bloss und Anna Cavazzini. luk
Mit der Kopplung seines Kommunikations- und Kooperationsprogramms Teams an seine weitverbreiteten Office-Pakete, verstößt Microsoft nach – vorläufiger – Ansicht der EU-Kommission gegen Kartellvorschriften. Das teilte die Kommission Microsoft am Dienstag mit.
“Wir befürchten, dass Microsoft seinem eigenen Kommunikationsprogramm Teams durch die Kopplung an seine populären Unternehmenssoftwarepakete einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber Wettbewerbern verschafft“, sagte Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin für Wettbewerbspolitik. Dies könne den Wettbewerb und die Innovation auf dem Markt für Kommunikations- und Kollaborationstools behindern.
Insbesondere befürchtet die Kommission, dass Microsoft Teams womöglich einen Vertriebsvorteil verschafft hat. Es biete Kunden nicht die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie bei einem Abonnement von Microsofts Software-as-a-Service-Anwendungen (SaaS) Zugang zu Teams erhalten wollen oder nicht.
Die Untersuchung hat die Kommission bereits im Juli 2023 begonnen. Anlass war eine Beschwerde des Wettbewerbers Slack Technologies, der inzwischen zu Salesforce gehört. Eine zweite Beschwerde kam von Alfaview. Beide Unternehmen werfen Microsoft vor, den Wettbewerb durch die Koppelung von Teams an andere Softwareprodukte zu behindern.
Microsoft reagierte auf die Untersuchung im Juli 2023 und bot einige Softwarepakete ohne Teams an. Die Kommission hält diese Änderungen jedoch für unzureichend und fordert weitere Maßnahmen, um den Wettbewerb wiederherzustellen.
Microsoft hat nun die Möglichkeit, auf die Bedenken der Kommission zu reagieren. Sollte die Kommission ausreichende Beweise für einen Verstoß finden, kann sie eine Geldstrafe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens verhängen und weitere Maßnahmen anordnen, um den Missbrauch zu beenden. vis
Wenn am 9. Juli in Malta der europäische Erfinderpreis (EPO) verliehen wird, darf auch Cordelia Schmid auf eine Auszeichnung hoffen. Die deutsche Wissenschaftlerin ist in der Kategorie Forschung für ihre innovative Arbeit mit computerbasierter Bildverarbeitung nominiert. Beim Publikumspreis tritt sie mit ihrem Team gegen Konkurrenten aus Malta und Frankreich an.
Die 56-Jährige setzte sich mit der Bildverarbeitung auseinander, lange bevor der Hype für Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Deep Learning im Mainstream angekommen war. “Als ich angefangen habe, hat sich kaum jemand wirklich für diese Themen interessiert”, sagt Schmid rückblickend.
Sie startete ihre Karriere mit einem Studium der Informatik am Karlsruher Institut für Technologie im Jahre 1987. Bereits in ihrer Diplomarbeit fokussierte sich Schmid auf die Bildverarbeitung. Von Beginn an bestand ihre Motivation darin, die anfangs rudimentäre Technik der automatischen Bildverarbeitung stets weiterzuentwickeln. “Zuerst konnte die KI nicht einmal einen Würfel erkennen“, erinnert sie sich.
Es folgten ständige Fortschritte, unter anderem während ihrer Promotion, die sie am französischen Institut Polytechnique de Grenoble absolvierte. 2001 folgte die Habilitation mit dem Thema “From image matching to learning visual models”. Seit 2004 leitet sie ihre eigene Forschungsgruppe am nationalen Forschungsinstitut für Informatik und Automatisierung, wo sie das Thema der KI-gesteuerten Bildverarbeitung seitdem ständig weiterentwickelt. Seit 2018 arbeitet sie zudem bei Google, wo sie seitdem an der praktischen Anwendung der Techniken mitarbeitet.
Nachdem Schmid 2023 bereits den mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die europäische Wissenschaft erhalten hatte, könnte sie im Juli mit dem vom Europäischen Patentamt verliehenen EPO nachziehen. Im Fokus steht dabei die von Schmid vorangetriebene Nutzung von maschinellem Lernen, um die Wahrnehmung und Verarbeitung von Computersystemen zu verbessern. Bereits heute wird die Technik beim autonomen Fahren, bei der Diagnostik im Gesundheitswesen oder der interaktiven Robotik eingesetzt.
Gerade die Robotik könnte in wenigen Jahren in vielen Alltagsbereichen aushelfen, beispielsweise als Ausgleich zum Fachkräftemangel. Die Nachfrage sei derzeit in der Altenpflege bereits groß, wo selbstfahrende Plattformen mithilfe von Schmids Technik Senioren im Alltag unterstützen könnten. “Schon heute können Roboter den Betroffenen etwas an den Tisch bringen, etwas für sie halten oder mit ihnen Musik machen”, führt Schmid aus. In Zukunft sei es zudem vorstellbar, KI-Agenten in der Schule einzusetzen, um Lehrkräfte zu entlasten. “Ich gehe davon aus, dass viele Entwicklungen schneller kommen, als man jetzt noch denkt”, sagt sie.
Verbreitet eingesetzt werden sie allerdings noch nicht. Die nächsten Ziele liegen nach Angaben der Wissenschaftlerin darin, die Technik und die Algorithmen hinter den Systemen robuster und interpretierbarer zu machen, die dahinterliegenden Prozesse also nachvollziehbarer zu gestalten. Zudem gelte es, die Energieffizienz der Computer zu verbessern.
Den rasanten Fortschritt im Bereich der KI-Systeme sieht Schmid positiv, obwohl Obacht geboten sei, “dass sie nicht für schlechte Zwecke wie Fake News genutzt werden”. Eine erste europaweite Regulierung der Entwicklung durch den AI Act halte sie gesellschaftlich für eine vernünftige Lösung. Für die Forschung müsse man allerdings “einen guten Mittelweg finden, um auch nicht zu viel zu regulieren”, meint Schmid.
Die Nominierung für den europäischen Erfinderpreis möchte Schmid gezielt auch als positives Zeichen für den Wissenschaftsstandort Europa verstanden wissen. Auch in Zukunft solle europaweit sichergestellt werden, “dass man nicht hinter die USA und andere Länder zurückfällt”, sagt Schmid. Daher fordert sie: “Wir sollten nicht zu lange warten, die Entwicklungen in den Alltag zu bringen, sonst könnten wir in Europa wichtige Zeit verlieren.” Jasper Bennink
die liberale Renew-Fraktion hat ihre Vorsitzende Valérie Hayer per Akklamation wiedergewählt. Heute wird die Fraktionsführung komplettiert: Neun Vize-Posten in der Fraktion mit derzeit 74 Abgeordneten werden vergeben. Dafür haben 13 Fraktionsmitglieder ihre Hüte in den Ring geworfen.
Für den Ersten Vizepräsidenten gibt es zwei Nominierungen. Dem Iren Billy Kelleher werden die besten Chancen gegeben. Hilde Vautmans aus Flandern tritt gegen ihn an. Unter den elf Abgeordneten, die um die acht stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden-Posten rangeln, ist der Portugiese João Cotrim de Figueiredo. Kurzzeitig hatte er angekündigt, gegen Hayer für den Fraktionsvorsitz anzutreten. Sein Rückzug soll nun mit dem Vize-Posten belohnt werden.
Renew hatte zuletzt Federn bei der Zahl der Abgeordneten gelassen und steht aktuell mit 74 Sitzen da. Hayer kündigte für die nächste Woche wieder Zugänge an. Welche das sein werden, das ist offen.
In der konservativen EKR-Fraktion steht heute die Wahl der Co-Fraktionschefs an. Nicola Procacchini von den Fratelli, Vertrauter von Giorgia Meloni, kandidiert wieder für den Posten. Die polnische PiS-Delegation stellt nach den Fratelli wieder die zweitmeisten Abgeordneten und erhebt Anspruch auf den Co-Fraktionschef. Auch wenige Stunden vor der Wahl ist offen, wen die PiS für diesen Posten vorschlägt. Kommen Sie gut durch den Tag.
Die europäischen Parteienfamilien von Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen haben sich auf die Besetzung der EU-Topjobs geeinigt. In einer Konferenzschaltung am Dienstagvormittag wurde vereinbart, dass EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen dem Parlament für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin vorgeschlagen wird. Der ehemalige portugiesische Ministerpräsident António Costa von der sozialistischen Parteienfamilie soll Ratspräsident werden.
Außenbeauftragte soll die Ministerpräsidentin von Estland, Kaja Kallas, von den Liberalen werden. Damit wurde weitgehend das Personalpaket vereinbart, auf das sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Abendessen am 17. Juni noch nicht verständigen konnten.
Einzige Veränderung: Die EVP ist von der Forderung abgerückt, nach zweieinhalb Jahren den ständigen Ratspräsidenten zu stellen. Das Amt der Kommissionspräsidentschaft und der Außenbeauftragten werden für fünf Jahre vergeben, der Ratspräsident wird zunächst für eine halbe Wahlperiode gewählt. Die Christdemokraten hatten argumentiert, dass sie nach zweieinhalb Jahren nur noch den Kommissionspräsidenten unter den Topjobs stellen. Roberta Metsola (EVP), die wieder Parlamentspräsidentin werden soll, soll ihr Amt nach der Hälfte der Wahlperiode an einen Sozialisten abgeben.
Dem Deal waren mehrere Runden der Verhandlungsdelegation vorausgegangen. Für die christdemokratische EVP führten die Regierungschefs von Polen und Griechenland, Donald Tusk und Kyriakos Mitsotakis, die Verhandlungen; für die sozialistische SPE Kanzler Olaf Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und für die Liberalen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der scheidende Ministerpräsident der Niederlande, Mark Rutte.
Die Verständigung gelang zwei Tage vor dem regulären Europäischen Rat, bei dem die Staats- und Regierungschefs eine Entscheidung zum Personalpakt treffen wollen. Anders als bei sonstigen Entscheidungen bei einem Gipfel bedarf es beim Vorschlag des Rates an das Parlament für den nächsten Kommissionspräsidenten nicht der Einstimmigkeit. Die qualifizierte Mehrheit von 20 Regierungschefs, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, reicht aus. Die EVP stellt im Rat zwölf Staats- und Regierungschefs, die SPE vier, die Liberalen fünf. Insgesamt werden damit 21 Länder von Regierungen regiert, die bereits in der vergangenen Wahlperiode Teil der Von-der-Leyen-Koalition waren.
Ob Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die die konservative Parteienfamilie EKR anführt, von der Leyen im Rat stützt, ist offen. Dies hängt auch von den Zusagen ab, die Ursula von der Leyen möglicherweise bei dem Portfolio des italienischen Kommissars in Aussicht gestellt hat. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán kündigt seine Ablehnung an: “Die Abmachung von Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen widerspricht allem, worauf die EU basiert.”
Von der Leyen war nicht Teil der Verhandlungsdelegation, hat aber in den vergangenen Tagen Gespräche mit Staats- und Regierungschefs geführt. Wenn die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag grünes Licht geben für das Personalpaket, kann die Wahl von der Leyens in der ersten Sitzungswoche des neuen Europaparlaments vom 16. bis 19. Juli in Straßburg angesetzt werden. Sie braucht für ihre Wahl die Zustimmung von 361 von 720 Abgeordneten. EVP, S&D und Renew kommen derzeit zusammen auf 399 Sitze. Es wird wieder mit Nein-Stimmen aus dem Von-der-Leyen-Lager gerechnet. Deswegen könnte von der Leyen noch Gespräche mit anderen Fraktionen führen.
Zunächst beginnen nun die inhaltlichen Verhandlungen zwischen den Parteien der informellen Von-der-Leyen-Koalition II. EVP-Partei- und Fraktionschef Manfred Weber erhebt den Anspruch, dass das Manifesto der Partei vom Kongress in Bukarest Grundlage der politischen Vorhaben im nächsten Mandat wird. Ein Schwerpunkt ist, weitere Schritte gegen die illegale Zuwanderung zu machen und Asylverfahren in Drittländern abzuwickeln.
“Man hat den Eindruck, dass die ökologische Wende in einer Falltür verschwunden ist.” Dies haben nicht die Parteivertreter festgestellt, die am Donnerstag in Paris Unternehmerverbänden ihre Programme vorstellten, sondern die Moderatorin der Debatte, der Journalistin Hedwige Chevrillon.
Die verschiedenen Kandidaten waren gekommen, um ihre Programme im Detail darzulegen. Sie alle standen nacheinander auf der Bühne. Das Ergebnis: Der soziale, ökologische und klimaneutrale Wandel der Wirtschaft wurde nur selten erwähnt. Und wenn, dann nur in Bezug auf Energiepolitik.
So bekräftigten die zwei Kandidaten des Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP), Boris Vallaud und Eric Coquerel, den Wunsch, so schnell wie möglich ein Energie- und Klimagesetz zu verabschieden, falls ihr Bündnis die Parlamentswahlen gewinnen sollte. Die ökologische Planung steht im Zentrum ihres Programms.
Auf die Frage nach der Position der NFP-Koalition zur Atomkraft erklärte Coquerel, dass der Zusammenschluss der Linksparteien das aktuelle Programm nicht rückgängig machen wolle. “Wir rühren den aktuellen Kraftwerkspark nicht an und verschieben die Entscheidungen über das weitere Vorgehen auf die nächste Präsidentschaftswahl.” Der Bau von sechs Druckwasserreaktoren, EPR genannt, den Macron in seiner Rede in Belfort im Februar 2022 festgeschrieben hatte, könnte also bis 2027 ausgesetzt werden. Allerdings ist die Position der NFP-Koalition zur Kernkraft grundsätzlich geteilt: Während die Kommunistische Partei pro Atomkraft ist, sind La France Insoumise und die Grünen dagegen. Die Sozialistische Partei liegt in der Mitte dazwischen.
Der Sozialist Vallaud, der die Differenzen zwischen den verschiedenen NFP-Parteien in dieser Frage illustrierte, sprach sich für die Kernenergie aus und meinte, man müsse “zuerst die Dekarbonisierung und dann die Denuklearisierung durchführen”.
Diese Erklärungen überzeugten den derzeitigen Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire aus der Macron-Partei Renaissance nicht. Er kritisierte das Zögern der NFP in der Atomfrage. “Der Bau der sechs EPR wird beträchtliche Baustellen erfordern; wir haben keine Zeit zu verlieren.” Mit der NFP würden die sechs EPR nicht kommen, so Le Maire.
Le Maire betonte, dass seine oberste Priorität in den kommenden Jahren “die Reindustrialisierung Frankreichs” sei. In diesem Zusammenhang kündigte er die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit dem Stromversorger EDF über den Preis in Langzeitverträgen an, um den Preis für kohlenstofffreie Energie für Unternehmen zu senken. “Die vorgeschlagenen Tarife sind für die Industrie nicht zufriedenstellend, sie sind nicht ausreichend wettbewerbsfähig. Wir werden daher neue Gespräche mit EDF aufnehmen.”
Der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella, verteidigte seinerseits seinen Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf elektrische Produkte und Treibstoffe auf 15 Prozent zu senken. Die Kosten dieser Maßnahme bezifferte er auf zwölf Milliarden Euro. Die Maßnahme hält er für “eine Priorität”, damit die Franzosen “die Früchte ihrer Arbeit” zurückbekämen, erklärte Bardella. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf unter 15 Prozent ist jedoch aufgrund der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie nicht für Treibstoffe möglich.
Bardella erwähnte auch die Möglichkeit, aus dem europäischen Strommarkt auszusteigen, um “einen nationalen Strompreis einzuführen, wie es Spanien und Portugal getan haben”. Ein Vorschlag, den Le Maire sofort abkanzelte, indem er erklärte, dass dies auf einen “Frexit” hinauslaufen würde. “Das bedeutet das Ende der Anbindung Frankreichs an andere Länder”, fuhr der Minister fort, “dieses Jahr sind es mehr als vier Milliarden Euro an Exporten, die dank der Wiederbelebung der Kernenergie erzielt wurden, auf die EDF hätte verzichten müssen”.
Als letzter Redner des Vormittags machte sich Bruno Retailleau für Les Républicains zum Verfechter der “technologischen Neutralität”: “Man muss Ziele für die Treibhausgasemissionen vorgeben und es ist dann Sache des Marktes und der Unternehmen, zu bestimmen, wie diese Ziele erreicht werden können”, erklärte der Senator. “Was weiß ein Kommissar oder das Europäische Parlament mehr als die Forschungsabteilungen und Ingenieure eines Unternehmens?”
Deutschland macht Druck: Die EU müsse schon in fünf Jahren bereit für die Aufnahme neuer Mitgliedsländer sein, sagte Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) zum offiziellen Start der Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau am Dienstag in Luxemburg. Selbst wenn die beiden Kandidatenländer mehr Zeit für den Beitritt zur Union bräuchten, müsse die EU bis 2027 alle nötigen internen Reformen bewältigt haben.
Zunächst geht es allerdings darum, die neue Beitrittsrunde – zu der auch Georgien und die Länder des Westbalkans zählen könnten – in Gang zu bringen. Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal sprach in Luxemburg von einem “historischen Moment” für sein Land und Europa. “Wir sind uns darüber im Klaren, dass auf dem Weg zum Beitritt noch viel Arbeit vor uns liegt”, sagte Schmyhal, der per Videokonferenz zugeschaltet war.
Auf das Land, das sich gegen den Überfall Russlands verteidigt, kommen tiefgreifende Reformen zu. Die EU-Kommission hat der Ukraine zwar bescheinigt, alle sieben Tests bestanden zu haben, die Brüssel für den Start von Beitrittsgesprächen vorgegeben hatte. So sei die nationale Anti-Korruptions-Behörde ausgebaut worden. Ein Lobby-Gesetz sei an EU-Standards angepasst worden, um die Macht der Oligarchen zu begrenzen. Außerdem habe sich Kiew um einen besseren Schutz der Minderheiten bemüht.
Allerdings legte die Brüsseler Behörde keinen neuen Fortschrittsbericht vor. Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi gab dem Rat nur “ein mündliches Update”, wie eine Kommissionssprecherin erklärte. Zudem ist die Umsetzung der geforderten Reformen offenbar noch nicht vollständig. Die Kommission werde die Implementierung im Auge behalten und weiter berichten, hieß es. Vor allem beim Kampf gegen die Korruption muss Kiew noch liefern.
Schmyhal versprach, alles Nötige zu tun. “Wir sind dazu bereit”, erklärte er. Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib erinnerte daran, dass der Beitrittsprozess an Bedingungen geknüpft sind. Als konkretes Beispiel nannte sie Reformen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, die Stärkung der demokratischen Institutionen und eine Reform der öffentlichen Verwaltung. Besonders wichtig sei eine Justizreform.
“Der vor uns liegende Weg wird anspruchsvoll, aber auch voller Chancen sein”, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ihre Behörde wird nun im sogenannten Screening prüfen, ob das nationale Recht der Kandidaten dem EU-Recht entspricht. Erst danach beginnen die eigentlichen Gespräche. Insgesamt geht es um 35 Verhandlungskapitel. Die Eröffnung und der Abschluss der Kapitel muss von allen 27 EU-Staaten einstimmig gebilligt werden.
Ob und wann die Verhandlungen zum Beitritt führen, ist offen. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte das Jahr 2030 als Zieldatum genannt. Die Teilnehmer der Beitrittskonferenz in Luxemburg machten sich dieses Ziel auf Nachfrage jedoch nicht zu eigen. Auch für die EU-internen Reformen wurde keine Deadline genannt. Der Zeitdruck war dennoch spürbar – sowohl die Ukraine als auch die EU müssen nun liefern. ebo
Valérie Hayer, die bisherige Vorsitzende der Renew-Fraktion im Europäischen Parlament, ist mit Akklamation, erneut zur Vorsitzenden gewählt worden. Der Portugiese João Cotrim de Figueiredo, Mitglied der Alliance of Liberals and Democrats for Europe (ALDE), dem liberalen Flügel der Renew-Fraktion, warf das Handtuch. Er hatte sich seit dem Wochenende an einer Blitzkampagne als Hayer-Konkurrent versucht. Die Belgierin Sophie Wilmès verzichtete auf eine Kandidatur gegen Hayer.
Nach der Wahl wiederholte Hayer, dass sie Koalition aus EVP, S&D und Renew weiterhin unterstütze. Die rote Linie sei jedoch eine Koalition mit der EKR, die sie als rechtsextrem bezeichnete.
Die Wahl war alles andere als sicher, nachdem Hayer deutlich geschwächt aus den Europawahlen hervorgegangen war. Nach den Wahlen stellt die französische liberale Delegation nur noch 13 Europaabgeordnete, im Vergleich zu 23 zuvor. Der rechtsextreme Rassemblement National entsendet 30 Europaabgeordnete. Auch innerhalb der französischen Liberalen war Hayers Wiederwahl zunächst alles andere als sicher. Erst am Sonntagmorgen fiel dem Vernehmen nach die Entscheidung, alles auf Hayer für den Fraktionsvorsitz zu setzen.
Hayer hatte nach den Wahlen neue Renew-Mitglieder angekündigt, die den Platz als “Königsmacher” im Parlament an der Seite von EVP und S&D sichern sollten. In den vergangenen Tagen musste Renew jedoch den Austritt der sieben tschechischen Abgeordneten der ANO-Partei von Andrej Babiš verkraften. Hayer scheiterte auch, die fünf deutschen und niederländischen Volt-Abgeordneten davon zu überzeugen, sich ihrem Lager anzuschließen. Sie schlossen sich lieber den Grünen an. Gleichzeitig gewann die EKR elf Mitglieder hinzu und nahm Renew den Platz als drittgrößte Fraktion im Parlament ab.
Der Rat der liberalen Parteienfamilie ALDE nominierte am Wochenende in Vilnius formell keinen Kandidaten, der gegen die Französin antreten sollte. Lediglich die Co-Vorsitzenden der ALDE, der Bulgare İlhan Küçük und der Ire Timmy Dooley, riefen am Sonntagabend dazu auf, den portugiesischen Herausforderer João Cotrim de Figueiredo zu unterstützen – ohne den Rest der Parteienfamilie in Kenntnis zu setzen. Auch diese Zersplitterung innerhalb der ALDE dürfte zur Wiederwahl Hayers beigetragen haben. Zudem gelang es ihr, ihre zentristische Positionierung in den Fokus zu rücken und so die deutsche und die slowakische Delegation auf ihre Seite zu ziehen. cst
Die 136 sozialdemokratischen Abgeordneten im EU-Parlament haben die spanische Sozialistin Iratxe García Pérez am Dienstag einstimmig als Gruppenvorsitzende wiedergewählt. Nach ihrer Wahl bekräftigte García, dass es für S&D keine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten geben werde: “Als Sozialdemokraten haben wir unsere rote Linie klargemacht und die verläuft sowohl gegenüber der EKR als auch der ID.”
Für die Bestätigung Ursula von der Leyens als Kommissionspräsidentin nannte García die Prioritäten der Sozialdemokraten: Gleichheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, eine starke Agenda für ein sozialdemokratisches und nachhaltiges Europa – wozu auch ein Festhalten an der Ambition des Green Deals gehört -, Investitionen in die Industrie, Unterstützung für die Ukraine und Frieden im Nahen Osten. Die sozialen Forderungen von S&D werden in einem Statement näher ausgeführt, das die Fraktion verbreitete – genannt werden dort etwa Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. ber
Die Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament hat am Dienstag ihren Vorstand gewählt. Der Listenzweite der deutschen Grünen bei der Europawahl, Sergey Lagodinsky, ist nun Vizepräsident der Fraktion. Außerdem wurden der scheidende Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sowie Marie Toussaint, Alice Bah Kuhnke und Ignazio Marino zu den Vizepräsidenten gewählt. Kira Marie Peter-Hansen ist Schatzmeisterin und Vizepräsidentin.
Bereits vergangene Woche wurde Diana Riba i Giner zur Vorsitzenden der Freien Europäischen Allianz (EFA) sowie Terry Reintke und Bas Eickhout zu den der Fraktionsvorsitzenden der Grünen/EFA gewählt. Unklar ist noch, wer die deutsche Delegation innerhalb der Grünen-Fraktion anführen wird. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Michael Bloss und Anna Cavazzini. luk
Mit der Kopplung seines Kommunikations- und Kooperationsprogramms Teams an seine weitverbreiteten Office-Pakete, verstößt Microsoft nach – vorläufiger – Ansicht der EU-Kommission gegen Kartellvorschriften. Das teilte die Kommission Microsoft am Dienstag mit.
“Wir befürchten, dass Microsoft seinem eigenen Kommunikationsprogramm Teams durch die Kopplung an seine populären Unternehmenssoftwarepakete einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber Wettbewerbern verschafft“, sagte Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin für Wettbewerbspolitik. Dies könne den Wettbewerb und die Innovation auf dem Markt für Kommunikations- und Kollaborationstools behindern.
Insbesondere befürchtet die Kommission, dass Microsoft Teams womöglich einen Vertriebsvorteil verschafft hat. Es biete Kunden nicht die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie bei einem Abonnement von Microsofts Software-as-a-Service-Anwendungen (SaaS) Zugang zu Teams erhalten wollen oder nicht.
Die Untersuchung hat die Kommission bereits im Juli 2023 begonnen. Anlass war eine Beschwerde des Wettbewerbers Slack Technologies, der inzwischen zu Salesforce gehört. Eine zweite Beschwerde kam von Alfaview. Beide Unternehmen werfen Microsoft vor, den Wettbewerb durch die Koppelung von Teams an andere Softwareprodukte zu behindern.
Microsoft reagierte auf die Untersuchung im Juli 2023 und bot einige Softwarepakete ohne Teams an. Die Kommission hält diese Änderungen jedoch für unzureichend und fordert weitere Maßnahmen, um den Wettbewerb wiederherzustellen.
Microsoft hat nun die Möglichkeit, auf die Bedenken der Kommission zu reagieren. Sollte die Kommission ausreichende Beweise für einen Verstoß finden, kann sie eine Geldstrafe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens verhängen und weitere Maßnahmen anordnen, um den Missbrauch zu beenden. vis
Wenn am 9. Juli in Malta der europäische Erfinderpreis (EPO) verliehen wird, darf auch Cordelia Schmid auf eine Auszeichnung hoffen. Die deutsche Wissenschaftlerin ist in der Kategorie Forschung für ihre innovative Arbeit mit computerbasierter Bildverarbeitung nominiert. Beim Publikumspreis tritt sie mit ihrem Team gegen Konkurrenten aus Malta und Frankreich an.
Die 56-Jährige setzte sich mit der Bildverarbeitung auseinander, lange bevor der Hype für Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Deep Learning im Mainstream angekommen war. “Als ich angefangen habe, hat sich kaum jemand wirklich für diese Themen interessiert”, sagt Schmid rückblickend.
Sie startete ihre Karriere mit einem Studium der Informatik am Karlsruher Institut für Technologie im Jahre 1987. Bereits in ihrer Diplomarbeit fokussierte sich Schmid auf die Bildverarbeitung. Von Beginn an bestand ihre Motivation darin, die anfangs rudimentäre Technik der automatischen Bildverarbeitung stets weiterzuentwickeln. “Zuerst konnte die KI nicht einmal einen Würfel erkennen“, erinnert sie sich.
Es folgten ständige Fortschritte, unter anderem während ihrer Promotion, die sie am französischen Institut Polytechnique de Grenoble absolvierte. 2001 folgte die Habilitation mit dem Thema “From image matching to learning visual models”. Seit 2004 leitet sie ihre eigene Forschungsgruppe am nationalen Forschungsinstitut für Informatik und Automatisierung, wo sie das Thema der KI-gesteuerten Bildverarbeitung seitdem ständig weiterentwickelt. Seit 2018 arbeitet sie zudem bei Google, wo sie seitdem an der praktischen Anwendung der Techniken mitarbeitet.
Nachdem Schmid 2023 bereits den mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die europäische Wissenschaft erhalten hatte, könnte sie im Juli mit dem vom Europäischen Patentamt verliehenen EPO nachziehen. Im Fokus steht dabei die von Schmid vorangetriebene Nutzung von maschinellem Lernen, um die Wahrnehmung und Verarbeitung von Computersystemen zu verbessern. Bereits heute wird die Technik beim autonomen Fahren, bei der Diagnostik im Gesundheitswesen oder der interaktiven Robotik eingesetzt.
Gerade die Robotik könnte in wenigen Jahren in vielen Alltagsbereichen aushelfen, beispielsweise als Ausgleich zum Fachkräftemangel. Die Nachfrage sei derzeit in der Altenpflege bereits groß, wo selbstfahrende Plattformen mithilfe von Schmids Technik Senioren im Alltag unterstützen könnten. “Schon heute können Roboter den Betroffenen etwas an den Tisch bringen, etwas für sie halten oder mit ihnen Musik machen”, führt Schmid aus. In Zukunft sei es zudem vorstellbar, KI-Agenten in der Schule einzusetzen, um Lehrkräfte zu entlasten. “Ich gehe davon aus, dass viele Entwicklungen schneller kommen, als man jetzt noch denkt”, sagt sie.
Verbreitet eingesetzt werden sie allerdings noch nicht. Die nächsten Ziele liegen nach Angaben der Wissenschaftlerin darin, die Technik und die Algorithmen hinter den Systemen robuster und interpretierbarer zu machen, die dahinterliegenden Prozesse also nachvollziehbarer zu gestalten. Zudem gelte es, die Energieffizienz der Computer zu verbessern.
Den rasanten Fortschritt im Bereich der KI-Systeme sieht Schmid positiv, obwohl Obacht geboten sei, “dass sie nicht für schlechte Zwecke wie Fake News genutzt werden”. Eine erste europaweite Regulierung der Entwicklung durch den AI Act halte sie gesellschaftlich für eine vernünftige Lösung. Für die Forschung müsse man allerdings “einen guten Mittelweg finden, um auch nicht zu viel zu regulieren”, meint Schmid.
Die Nominierung für den europäischen Erfinderpreis möchte Schmid gezielt auch als positives Zeichen für den Wissenschaftsstandort Europa verstanden wissen. Auch in Zukunft solle europaweit sichergestellt werden, “dass man nicht hinter die USA und andere Länder zurückfällt”, sagt Schmid. Daher fordert sie: “Wir sollten nicht zu lange warten, die Entwicklungen in den Alltag zu bringen, sonst könnten wir in Europa wichtige Zeit verlieren.” Jasper Bennink