Table.Briefing: Europe

H2-Rechtsakte angenommen + Euro-7-Frist kaum zu halten + Konservativer Präsident in Zypern

  • Wasserstoff: Delegierte Rechtsakte angenommen
  • Fristen für Euro 7 kaum zu halten 
  • Finanzminister beraten Schuldenreform
  • Zypern: Konservativer gewinnt Präsidentenwahl
  • Korruptionsaffäre: Tarabella in Haft, Cozzolino in Hausarrest
  • AI Act: Mittwoch sollen Entscheidungen fallen
  • Raw Materials Act: Unternehmen sollen Risiken reduzieren
  • Faeser will Flüchtlinge stärker verteilen
  • Justizreform: Verfassungsgericht soll prüfen
  • Heads: Yolande Kyoni – Energielobbyistin und Sprachgenie
Liebe Leserin, lieber Leser,

Angesichts der verheerenden Folgen des Erdbebens in der Türkei mobilisiert die EU zusätzliche Hilfe. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Sonntag in einem Telefonat die Lieferung von weiteren Zelten, Decken und Heizvorrichtungen zu.

Mit Griechenland zeichnet sich sogar eine diplomatische Annäherung ab, nachdem Außenminister Nikos Dendias gestern ins Katastrophengebiet flog. Selbst der neue konservative Präsident von Zypern, Nikos Christodoulidis, signalisierte nach seiner gestrigen Wahl neue Verhandlungen mit der Türkischen Republik Nordzypern, wie Sie in den News lesen können.

Um einen wirtschaftlichen Neustart geht es dagegen beim Thema Wasserstoff: Die Kommission hat endlich die delegierten Rechtsakte zu grünem Wasserstoff angenommen. Ich habe die Leaks analysiert: Für die Atomfreunde Frankreich und Schweden hat die Kommission eine Verbesserung hineingeschrieben.

Verzögerungen gibt es auch bei einem weiteren Projekt der Kommission: Die Frist für die Schadstoffnorm Euro 7 ist wohl nicht zu halten, wie Markus Grabitz recherchiert hat.

Erheblicher Druck herrscht zudem bei der Reform der Schuldenregeln. Bei ihrem morgigen Treffen sollen die EU-Finanzminister den Weg für den Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende März bereiten. Christof Roche erklärt, warum es nur mühsam vorwärts geht.

Ihr
Manuel Berkel
Bild von Manuel  Berkel

Analyse

Wasserstoff: Delegierte Rechtsakte angenommen

Die Kommission hat am vergangenen Freitag die beiden delegierten Rechtsakte zur Definition von grünem Wasserstoff verabschiedet, wie das offizielle Register zeigt. “Als eines der wichtigsten Elemente für den Hochlauf wurden ihretwegen die finalen Investitionsentscheidungen für fast alle Projekte zu grünem Wasserstoff zurückgehalten“, twitterte der Politikchef des dänischen Konzern Ørsted, Josche Muth.

Noch hat die Kommission die angenommenen Fassungen nicht veröffentlicht. Vor dem Inkrafttreten haben Parlament und Rat außerdem noch zwei Monate Zeit, Einwände zu erheben. Am Freitag kursierten trotzdem Leaks der Rechtsakte – allerdings könne es durchaus noch Änderungen geben, sagten zwei Quellen aus dem Brüsseler EU-Apparat am Wochenende zu Table.Media.

Entgegenkommen gegenüber Staaten mit Atomkraftwerken

Ein – bei genauem Hinsehen – eher kleines Entgegenkommen gibt es gegenüber Frankreich und Schweden, die einen hohen Anteil von Atomstrom oder eine Kombination aus vielen Erneuerbaren und AKWs haben. Das zeigt ein Blick in den wichtigeren der beiden Rechtsakte zu flüssigen oder gasförmigen erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs).

Wichtigstes Ziel des Rechtsakts ist es zu verhindern, dass durch den Energiebedarf für die Produktion von Wasserstoff die Erzeugung von fossilen Kraftwerken angekurbelt wird. Außerdem soll der Strom aus neuen, eigens für die Elektrolyse zugebauten Erneuerbaren-Anlagen stammen.

CO2-Intensität entscheidet mit über Zusätzlichkeit des Grünstroms

Das letztere Kriterium – die sogenannte Additionalität – soll unter einer neu hinzugefügten Bedingung entfallen können. Stehen Elektrolyseur und Erneuerbaren-Anlage innerhalb derselben Gebotszone soll der Strom pauschal dann als grün gelten, wenn seine CO2-Intensität unter 18 Gramm pro Megajoule liegt. Umgerechnet entspricht dies 65 Gramm CO2 pro Kilowattstunde.

Nach Daten der Europäischen Umweltagentur betraf dies 2021, im Jahr vor der Gaskrise und dem Wiederanfahren von stillgelegten Kohlekraftwerken, nur zwei Mitgliedstaaten: Schweden mit neun Gramm und Frankreich mit 67 Gramm pro kWh.

Elektrolyseure brauchen trotzdem PPAs

Konkret bedeutet das: Wasserstoff als Atomstrom zählt nach diesen Regeln zwar nicht als grün, denn die Betreiber der Elektrolyseure müssen nach wie vor langfristige Strombezugsverträge (PPAs) mit Erneuerbaren-Anlagen abschließen. Allerdings können dies in den “65-Gramm-Staaten” auch alte oder bereits staatlich geförderte Wind- und Solarparks sein, weil dort das Prinzip der Additionalität entbehrlich ist.

Während einer Übergangszeit soll die Additionalität für alle Staaten entfallen. Gegenüber einem früheren Leak wurde sie leicht verlängert: Alle Elektrolyseure, die bis Ende 2027 in Betrieb gehen, können bis Ende 2037 Strom aus Ökostrom-Anlagen beziehen, die nicht den Anforderungen an die Additionalität entsprechen. Bis zum 1. Januar 2028 ist nun außerdem eine Evaluation des Rechtsakts durch die Kommission vorgesehen.

Stündliche Korrelation ab Mitte 2027 möglich

Ein Mix aus früheren Entwürfen findet sich in den Regeln zur zeitlichen Korrelation. Diese Anforderung soll sicherstellen, dass die Elektrolyseure möglichst dann laufen, wenn viel Wind- und Sonnenenergie im Netz sind. Bis Ende 2029 dürfen die Betreiber die Korrelation durch monatliche Abrechnungen nachweisen, erst danach müssen sie stundengenau messen. Neu ist, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, die stündliche Abrechnung schon ab Juli 2027 vorzuschreiben.

Gelten sollen die Regeln explizit auch für importierten Wasserstoff, was nach Lesart einer Stimme aus der deutschen Energiewirtschaft allerdings nur eine Klarstellung bedeutet.

Nach mehr als einem Jahr Verzögerung verabschiedete die Kommission den Rechtsakt nun drei Tage, nachdem das Parlament den Trilog zur RED 3 platzen ließ. In einem Schreiben an die schwedische Ratspräsidentschaft und Energiekommissarin Kadri Simson hatten die Verhandlungsführer Markus Pieper (CDU) und Nils Torvalds (Renew) deutlich gemacht, dass sie ohne den Rechtsakt keine Grundlage hätten, um seriös über die Ziele für den Energieträger Wasserstoff im Verkehr und der Industrie zu verhandeln.

Korrektur: In der ersten Version dieses Artikels hieß es, dass sich die Übergangsfrist zur Additionalität auf Erneuerbaren-Anlagen beziehe, die bis Ende 2027 in Betrieb gehen. Tatsächlich gilt sie für Elektrolyseure, die bis dahin ihren Betrieb aufnehmen. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.

  • Elektrolyseure
  • Grüner Wasserstoff
  • Wasserstoff

Fristen für Euro 7 kaum zu halten  

Das Startdatum Juli 2025, das die Kommission für die Schadstoffnorm Euro 7 anpeilt, dürfte nicht zu halten sein. Es ist absehbar, dass das Gesetzgebungsverfahren frühestens im Sommer 2024 abgeschlossen ist. Im Nachgang müssen noch delegierte Rechtsakte und Ausführungsbestimmungen erlassen werden. Das dauert mindestens noch einmal sechs Monate. Damit blieben den Herstellern selbst im günstigsten Szenario weniger als sechs Monate für die Umsetzung.

Allein im Parlament wird das Verfahren mindestens bis November dauern. Berichterstatter ist Alexandr Vondra (ECR). Sein Zeitplan sieht vor, im Mai den Bericht vorzulegen, bis Ende Juni werden Änderungswünsche der Fraktionen angenommen, Ende Oktober soll im federführenden Umweltausschuss und Anfang November im Plenum abgestimmt werden. Erst danach kann der Trilog losgehen. Beobachter gehen davon aus, dass der tschechische Konservative mit Kalkül so weiträumig plant. Er spiele auf Zeit, um den Herstellern einen Gefallen zu tun und dazu beizutragen, das Inkrafttreten der ungeliebten Reform möglichst weit nach hinten zu schieben.

Schwierige Verhandlungen im Rat

Im Ministerrat wird auf EU-Botschafterebene erstmals im März über Euro 7 geredet. Der AStV 1 muss die allgemeine Ausrichtung, die von den Umweltministern beschlossen wird, vorbereiten. Die allgemeine Ausrichtung im Rat dürfte deutlich komplizierter werden als die Konsensfindung im Parlament. Vor allem die Länder Slowakei, Ungarn, Polen und Tschechien mit hohen Fertigungszahlen von Verbrennern werden auf eine Entschärfung der Normen drängen.

Die skandinavischen Länder, Niederlande und Österreich werden dagegenhalten. Schon jetzt zeigt sich, dass die Differenzen in der Bundesregierung zwischen Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) so groß sind, dass Deutschland in den Ratsarbeitsgruppen zu Punkten des Verordnungsvorschlags nicht sprechfähig ist.

Wissing und Lemke streiten sich öffentlich über die Kosten für Euro 7. Lemke hatte vergangene Woche behauptet, Euro 7 werde keine Jobs kosten und dafür Zahlen aus der Folgenabschätzung der Kommission zitiert. Wissing hält nun entgegen, Euro 7 würde teurer: um 400 Euro Benziner der Mittel- und Oberklasse und Lieferwagen mit Dieselmotor um 900 Euro. Bei Trucks seien Mehrkosten zwischen 2500 und 4000 Euro zu erwarten.

Trilog wird erst 2024 in Gang kommen

Absehbar ist, dass der Trilog erst unter belgischer EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2024 Fahrt aufnehmen wird. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die informelle Einigung im Trilog bereits vor den Europawahlen im Mai 2024 erzielt wird. Anders als im Bundestag gibt es im Europaparlament nicht das Gesetz der Diskontinuität.

Das heißt, das Euro-7-Dossier verfällt nicht mit der Europawahl. Allerdings würde es durch die Neukonstituierung des Europaparlaments und womöglich einen fälligen Wechsel des Berichterstatters zu Verzögerungen des Trilogs kommen.

Industrie: Wir brauchen drei Jahre

Die Industrie argumentiert, dass für die anspruchsvollen Ziele von Euro 7 sowohl bei Motoren als auch in der Abgasnachbehandlung aufwändige Entwicklungsarbeit zu leisten ist. Beim Diesel sollen die Grenzwerte für Stickoxide um 43 Prozent gesenkt werden, Lieferwagen sollen die gleichen Grenzwerte wie Pkw einhalten. Außerdem sollen die Fahrzeuge die Grenzwerte auch in extremeren Fahrsituationen liefern – selbst bei Vollgas im ersten Gang.

Entwicklung von Modellen mit 48-Volt-Netz, zweistufigem Katalysator und elektrischer Heizung im Abgasnachbehandlungssystem und die Einholung der Typgenehmigung für die Modelle – all das dauere normalerweise 36 Monate. Der VDA fordert in seinem Positionspapier aus den beschriebenen Gründen, das Inkrafttreten zu verschieben: bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um ein Jahr auf Juli 2026 bei neuen Modellen und um zwei Jahre auf Juli 2027 bei Modellen, die schon auf dem Markt sind.

Zweifel an technischer Machbarkeit bei Trucks

Gegen die vorgeschlagenen Schadstoffnormen für Nutzfahrzeuge (Euro VII) haben die Hersteller grundsätzliche Bedenken. Sie befürchten, dass die geforderten Grenzwerte bei Stickoxiden (Senkung um den Faktor zehn) und Feinpartikel (Senkung um den Faktor drei) technisch nicht machbar seien.

Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass Euro VII für Lkw und Busse im Juli 2027 in Kraft treten soll. Die Hersteller fordern den Gesetzgeber auf, Euro VII und die Überarbeitung der CO₂-Flottengrenzwerte gemeinsam zu betrachten. Die Kommission will am Dienstag ihren Vorschlag für schärfere CO₂-Flottengrenzwerte vorlegen. 

  • Autoindustrie

Finanzminister beraten Schuldenreform

Die EU-Finanzminister kommen am Dienstag zu ersten politischen Beratungen über die Neuausrichtung des EU-Fiskalregelwerks zusammen. Diplomaten äußerten sich im Vorfeld der Aussprache sehr zurückhaltend, was den Ausgang des Treffens angeht. Unter den Mitgliedstaaten gebe es selbst zu zentralen Elementen der Reform noch unterschiedliche Haltungen. Dies geht auch aus einer sogenannten “Issues Note” der schwedischen Ratspräsidentschaft hervor, die diese an die Finanzminister geschickt hat und die Table.Media vorliegt.

Die Kommission hatte im vergangenen November ihre Vorstellungen zur Neuausrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspakts veröffentlicht. Im Kern empfiehlt sie, für jeden Mitgliedstaat einen individuellen mittelfristigen Schuldenabbauplan auszuhandeln. Hoch verschuldete Staaten sollen mehr Zeit erhalten, um ihre Schulden zu senken und das Defizit-Ziel zu erreichen. Im Gegenzug soll verankert werden, dass Fehlverhalten strikter sanktioniert wird und Sanktionen konsequent durchgesetzt werden. Die zentralen Richtwerte des Stabilitäts- und Wachstumspakts – eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und eine Gesamtverschuldung von höchstens 60 Prozent – bleiben unangetastet.

EU-Staaten schicken Kommission 73 Seiten mit Fragen

Den Diplomaten zufolge haben die Mitgliedstaaten der Kommission nach Vorlage des Reformpakets 60 Seiten mit Fragen übermittelt – etwa hinsichtlich einer glaubwürdigen nachhaltigen Schuldenreduzierung und wirksamer Zwangsmaßnahmen gegen solche Staaten, die vereinbarte Vorgaben nicht einhielten. Bislang seien aber gerade einmal die Hälfte der Fragen beantwortet worden.

Die Kommission habe zuletzt zudem Simulationen für die Ausgabenpfade präsentiert, die weitere 13 Seiten an Klärungsbedarf provoziert hätten. Die Mitgliedstaaten seien bis heute nicht in der Lage, anhand der Vorstellungen der Kommission eigene Modellrechnungen durchzuführen, da die zugrunde liegenden Annahmen nicht klar seien, führten die Diplomaten aus.

Ab 2024 würden alte Schuldenregeln wieder greifen

In dem Schreiben an die Finanzminister stellt die Ratspräsidentschaft fest, die Staaten stimmten zwar mit dem Ziel überein, tragfähige öffentliche Finanzen durch eine Kombination aus schrittweiser Haushaltsanpassung und wachstumsfördernden Reformen und Investitionen zu erreichen. Es gebe aber noch zentrale Bereiche, in denen “weitere Diskussionen zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich sind”. Die Präsidentschaft hat deshalb mehrere Fragen an die Finanzminister für die politische Aussprache formuliert:

  • Wie können die Institutionen am besten eine länderspezifische Haushaltsanpassung sicherstellen und gleichzeitig die multilaterale Überwachung aufrechterhalten, die in gemeinsamen Haushaltsregeln und Benchmarks der EU verankert ist?
  • Stimmen die Minister dem Ziel zu, sich stärker auf die mittelfristige Planung zu konzentrieren und gleichzeitig Backloading zu vermeiden? Sollten die mittelfristigen Pläne auf die Bildung nationaler Regierungen und die Wahlzyklen abgestimmt werden? Wann und unter welchen Bedingungen sollten Revisionen der nationalen Pläne erforderlich sein?
  • Wie sehen Sie die Rolle einer risikobasierten Analyse der Entwicklung der öffentlichen Verschuldung bei der Ermittlung länderspezifischer Herausforderungen und der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer haushaltspolitischen Pfade?

Die Präsidentschaft will die Antworten der Minister nutzen, um die Arbeiten auf technischer Ebene beschleunigen zu können. Die Zeit drängt, denn die EU-Staats- und Regierungschefs sollen der Kommission auf ihrem Gipfel am 23. und 24. März die nötige Richtung vorgeben, um die legislativen Vorschläge zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts auszuarbeiten. Bis Ende des Jahres muss die Neuausrichtung der europäischen Schuldenregeln abgeschlossen sein, denn dann greift das bestehende Fiskalregime wieder. Dieses war 2020 ausgesetzt worden, um den Ländern mehr Spielraum zu geben, die Folgen der Covid-Pandemie abzufedern.

  • Finanzen
  • Haushalt

News

Zypern: Konservativer gewinnt Präsidentenwahl

Zyperns früherer Außenminister Nikos Christodoulidis hat die Präsidentenwahl in Zypern für sich entschieden. Nach Auszählung aller Stimmen kam der 49-jährige konservative Politiker am Sonntag auf 51,9 Prozent. Gegenkandidat Andreas Mavrogiannis, der hauptsächlich von der linken Partei AKEL unterstützt worden war, erreichte 48,1 Prozent, wie der staatliche Rundfunk (RIK) unter Berufung auf das Innenministerium in Nikosia berichtete.

Es wird damit gerechnet, dass die Inselrepublik unter Christodoulidis die Sanktionspolitik gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs weiter mitträgt, obwohl Zypern große Verluste im Bereich Tourismus verzeichnet. Die Politik Zyperns werde “auf EU-Kurs bleiben”, sagte Christodoulidis im Staatsfernsehen nach dem Wahlsieg.

Möglicher Neustart für Verhandlungen mit Nordzypern

Als Präsident will sich Christodoulidis nach eigenen Worten um den Neustart der Verhandlungen mit dem Norden kümmern. “Wir müssen aus der Sackgasse heraus”, sagte er am Sonntagabend. Die Teilung seit 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention sorgt auch zwischen der EU und der Türkei immer wieder für Spannungen.

Zudem will Christodoulidis die Korruption bekämpfen. Die bisherige Regierung hatte in den vergangenen Jahren Hunderte Pässe an Nicht-EU-Bürger vergeben. Christodoulidis soll am 1. März vereidigt werden. Der direkt vom Volk gewählte Präsident bestimmt die Minister und führt die Regierung an. Die Amtszeit dauert fünf Jahre. Der bisherige Präsident Nikos Anastasiades kandidierte nach zwei Amtszeiten nicht mehr. dpa

  • Wahlen
  • Zypern

Korruptionsaffäre: Tarabella in Haft, Cozzolino in Hausarrest

Nachdem das Europaparlament Anfang Februar die Immunität der Abgeordneten Marc Tarabella sowie Andrea Cozzolino (beide ehemals S&D) aufgehoben hat, haben die Strafverfolger in Belgien und Italien gehandelt. Gegen den Belgier Tarabella wurde ein Haftbefehl erlassen, er wird seit Freitag vernommen. Laut Staatsanwaltschaft wird dem 59-Jährigen Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

In Neapel wurde am Freitag MdEP Cozzolino aus Italien mit einem internationalen Haftbefehl festgenommen, von den Behörden verhört und unter Hausarrest gestellt. Die belgische Staatsanwaltschaft fordert die Auslieferung des 60-Jährigen.

Tarabella behauptet seine Unschuld

Tarabella, der auch Bürgermeister der Gemeinde Anthisnes in der Wallonie ist, wird von dem Hauptverdächtigten in der Korruptionsaffäre im Europaparlament, dem sozialistischen Ex-MdEP Pier Panzeri, beschuldigt, von ihm zwischen 120.00 und 140.000 Euro angenommen zu haben. Ein Bankschließfach in Lüttich wurde von den Ermittlern durchsucht.

Das Geld sei als Gegenleistung dafür gedacht gewesen, dass Tarabella geholfen habe, im Auftrag von Katar und Marokko Einfluss auf Abstimmungen im EP zu nehmen. Tarabella behauptet weiter, dass er unschuldig sei. Cozzolino und Tarabella wurden von ihrer sozialistischen Fraktion ausgeschlossen. mgr

  • Europäisches Parlament
  • Korruption
  • S&D

AI Act: Mittwoch sollen Entscheidungen fallen

Im Parlament erreichen die Verhandlungen über die Verordnung zur Künstlichen Intelligenz (AI Act) die heiße Phase. Allein in der vergangenen Woche fanden drei mehrstündige Meetings auf technischer Ebene statt. Für diesen Mittwoch haben die Berichterstatter Brando Benifei (S&D, IMCO) und Dragoș Tudorache (Renew, LIBE) die Schattenberichterstatter zu einer fünfstündigen Sitzung in Straßburg geladen. Das deutet darauf hin, dass hier Entscheidungen fallen sollen. Die Abstimmung in den federführenden Ausschüssen ist für März vorgesehen.

“Wir liegen immer noch gut in der Zeit, um das Gesamtziel und den Zeitplan zu erfüllen”, sagte Tudorache vergangene Woche der Nachrichtenagentur Reuters. Dies bedeute, dass das Projekt wie geplant noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden könnte. Es habe etwas länger gedauert als ursprünglich gedacht, die Materie sei aber auch sehr komplex. “Ich kann ehrlich gesagt noch nicht sehen, dass das schon das Ende der Verhandlungen sein soll”, sagte hingegen Axel Voss, Schattenberichterstatter der EVP, zu Table.Media. “Aus unserer Sicht sind wichtige Fragen noch offen.”

Das heikle Thema: biometrische Echtzeit-Erkennung

Diskussionsbedarf gibt es etwa noch immer beim heiklen Thema Definition von AI und der Frage, wie weit oder eng der Begriff gefasst werden soll. Dies entscheidet über den gesamten Anwendungsbereich der Regulierung. Die Berichterstatter sehen eine weiter gefasste Definition vor, als es die EVP für richtig hält.

Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Klassifizierung der KI-Systeme, welche als hochriskant eingestuft und welche ganz verboten sind. Die Berichterstatter wollen, dass die biometrische Echtzeit-Erkennung in öffentlich zugänglichen Räumen gänzlich verboten wird. Als hochriskant stufen sie dagegen die nachträgliche Identifizierung ein. Die Berichterstatter bleiben in ihrem Vorschlag beim Verbot KI-gestützter vorausschauender Polizeiarbeit (predictive policing models). Auch das ist umstritten. Biometrische Daten seien eine hoch sensible Materie und zum Teil auch hoch ideologisch, sagte Voss.

Weitgehend einig sind sich die Verhandler wohl bei den KI-Realloboren (Regulatory Sandboxes), die Innovationen unterstützen und vor allem den Einsatz von KI bei KMU und Start-ups fördern sollen. Hier geht es unter anderem darum, Konflikte mit der DSGVO aus dem Weg zu räumen.

Während Tudorache und Benifei offenbar möglichst bald zum Ende kommen wollen, sieht Voss keinen Zeitdruck. “Wir sollten uns lieber mehr Zeit nehmen für ein vernünftiges Ergebnis”, sagte er. Schließlich werde der AI Act Grundlage “für unser digitales Überleben”. vis

  • Digitalisierung
  • Künstliche Intelligenz
  • Künstliche Intelligenz-Verordnung

Raw Materials Act: Unternehmen sollen Risiken reduzieren

Unternehmen sollen künftig eine größere Verantwortung dafür tragen, Risiken in den Lieferketten kritischer Rohstoffe zu minimieren. Der für Anfang März angekündigte Critical Raw Materials Act soll Vorgaben für entsprechende Maßnahmen enthalten, sagte Peter Handley, Referatsleiter für Rohstoffe in der DG Grow, am Freitag während einer Online-Diskussion über das geplante Gesetzespaket. Eine solche Vorgabe könnte eine Pflicht zur Diversifizierung sein, erklärte Handley: eine Mindestanzahl an Bezugsquellen, von denen Unternehmen in Zukunft ihre Rohstoffe kaufen müssten. Auf diese Weise solle die Industrie eine aktive Rolle in der Risikominderung übernehmen und helfen, die starken Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu reduzieren. Die Mitgliedstaaten sollten dafür laut den Plänen der Kommission einen Rahmen vorgeben. leo

  • Rohstoffe
  • Rohstoffstrategie

Faeser will Flüchtlinge stärker verteilen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine innerhalb der EU angemahnt. “Sollte es eine weitere große Fluchtbewegung aus der Ukraine geben, müssen die Flüchtlinge in Europa besser verteilt werden“, sagte Faeser der “Bild am Sonntag”. “Dabei sollten besonders unsere osteuropäischen Nachbarn entlastet werden. Polen hat bislang über 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, Spanien 160.000. Das kann nicht so bleiben.”

Eine Aufnahmegrenze für geflüchtete Frauen und Kinder aus der Ukraine lehnte die Ministerin ab: “Acht von zehn Flüchtlingen sind im letzten Jahr aus der Ukraine zu uns gekommen, über eine Million Menschen. Sie haben ihr Leben retten können vor Putins grausamem Krieg. Für die geflüchteten Frauen und Kinder aus der Ukraine kann man keine Aufnahmegrenze definieren.”

Verhandlungen mit Frankreich und EU-Vertretern in Nordafrika

Das Thema Rückführungen abgelehnter Asylbewerber will Faeser zu einem Schwerpunkt des Flüchtlingsgipfels nächste Woche mit ihren Länderkollegen machen. Die Regierung wolle bald Migrationsabkommen mit Herkunftsländern schließen, “auch um mehr Rückführungen durchführen zu können.” 

Faeser kündigte an: “Ich werde in Kürze mit Vertretern Frankreichs und der EU in die nordafrikanischen Staaten reisen. Wenn wir dort gemeinsam über Rückführungen verhandeln, hat das mehr Nachdruck, als wenn nur ein Land Gespräche führt.” Zäune an den EU-Außengrenzen lehnt die Ministerin ab: “Die EU hat beschlossen, die Außengrenzen durch ihre Grenz- und Küstenwache Frontex zu sichern und dabei die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren. Das unterstütze ich.” rtr

  • Frontex
  • Migrationspolitik
  • Polen
  • Spanien

Justizreform: Verfassungsgericht soll prüfen

Der polnische Präsident Andrzej Duda lässt ein Gesetz mit Nachbesserungen an den umstrittenen Justizreformen vom Verfassungsgericht überprüfen. Es werfe “ernsthafte verfassungsrechtliche Kontroversen” auf, teilte der nationalkonservative Politiker mit. Die Novelle könne erst in Kraft treten, wenn ihre Vereinbarkeit mit dem polnischen Grundgesetz geklärt sei.

Justizminister Zbigniew Ziobro begrüßte die Entscheidung der Agentur PAP zufolge am Samstag. Eine Politik der Zugeständnisse an die Europäische Kommission sei eine schlechte Politik und führe nur zu immer neuen Forderungen, sagte der Vorsitzende der PiS-Koalitionspartei Solidarna Polska (Solidarisches Polen).

Das vom Parlament verabschiedete Gesetz sieht unter anderem vor, dass für Disziplinarangelegenheiten gegen Richter künftig statt des Obersten Gerichts das Oberste Verwaltungsgericht zuständig sein soll. Die Nachbesserungen sollten Polen näher an eine Freigabe von milliardenschweren Corona-Finanzhilfen bringen. Die EU-Kommission hatte die Gelder wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit eingefroren. dpa

  • Polen
  • Rechtsstaatlichkeit

Presseschau

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Heads

Yolande Kyoni – Energielobbyistin und Sprachgenie

Yolande Kyoni ist Public-Affairs-Expertin bei Österreichs größtem Energieversorger Wien Energie.

Yolande Kyoni landete eher zufällig in der Energiepolitik. Ursprünglich hatte sie Konferenzdolmetschen und internationale Entwicklung in Wien und Porto studiert. Das Interesse für Europa war jedoch groß und so machte sie nach einem ersten Praktikum 2008 in Brüssel ein weiteres Praktikum im EU-Parlament 2013. Dort fand sie es so spannend, dass sie gleich in Brüssel blieb und im ITRE die Entwicklung des Clean Energy Package begleitete.

Heute ist sie Europa-Referentin bei der Wien Energie. Die Tochter der Wiener Stadtwerke ist ein kommunaler Energieversorger und zudem der größte regionale Energieanbieter des Landes. Fünf Jahre in Brüssel waren ihr damals genug – es zog sie zurück in ihre Heimatstadt Wien. Außerdem wurde es Zeit für einen Perspektivwechsel, erzählt sie: “Die Politik, so spannend wie sie ist, ist für mich spannender, wenn ich sie aus der zweiten Reihe beobachten kann.”

Lobbyistin mit Herzblut

Als Teil eines achtköpfigen Teams bildet Yolande Kyoni nun die Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Technik. Sie beschäftigt sich mit geplanten Gesetzen für die Energie- und Abfallwirtschaft und bereitet diese für die Experten bei der Wien Energie auf. Dafür steht sie im stetigen Austausch mit Politikern und den Verbänden ihrer Branche.

Dass ihr Beruf als Lobbyistin oft negativ konnotiert ist, ärgert sie. Schließlich hielten sie und ihr Team sich an den ÖPAV-Verhaltenskodex. Ihre Interessen seien transparent. Der Austausch mit vielen unterschiedlichen Menschen ist das, was sie an ihrer Arbeit fasziniert: Sei es der Experte für erneuerbare Energieerzeugung, die Technikerin aus einem Kraftwerk oder Kolleginnen aus den Abgeordnetenbüros in Brüssel. Mit allen ist sie im stetigen Dialog, um ein umfassendes Bild der Lage zu bekommen.

So sammelt sie etwa Informationen über einen neuen Gesetzesentwurf von Kollegen aus Brüssel, spricht anschließend mit Vertretern von Branchenverbänden und internen Experten, um schließlich im Lobbying-Prozess die Unternehmensinteressen bestmöglich vertreten zu können. Immer mit der Frage im Hinterkopf: Was kommt da auf uns zu?

Optimistisch trotz Energiekrise

Kyoni, die Wurzeln in der Demokratischen Republik Kongo hat, wuchs zweisprachig auf. Sie lernte zunächst Suaheli und danach Deutsch. In der Schule kamen dann Englisch und Französisch dazu. Später folgten dann Portugiesisch, während eines Erasmus-Stipendiums, sowie Niederländisch durch ihre Zeit in Brüssel. Sprachen lernen ist eine ihrer Leidenschaften, sagt Kyoni.

Das Clean Energy Package in Brüssel stellte die Weichen für das 2021 verabschiedete Klimaschutzgesetz – das erste Klimaschutzgesetz auf europäischer Ebene – und in weiterer Folge für den Green Deal. Zunächst schien es so, als ob die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise das Klimaneutralitätsvorhaben und insbesondere den Abschied von fossilen Brennstoffen massiv zurückgeworfen hätten, doch dies ist nicht eingetreten, sagt Kyoni. Sie zeigt sich optimistisch, was die Realisierung des Green Deal und der Fit-for-55-Ziele angeht. “Wir wissen, wohin es geht, und jetzt müssen wir konkret auf dieses Ziel hinarbeiten.” Noah Raffenberg

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • Faeser will Flüchtlinge stärker verteilen
    • Justizreform: Verfassungsgericht soll prüfen
    • Heads: Yolande Kyoni – Energielobbyistin und Sprachgenie
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Angesichts der verheerenden Folgen des Erdbebens in der Türkei mobilisiert die EU zusätzliche Hilfe. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Sonntag in einem Telefonat die Lieferung von weiteren Zelten, Decken und Heizvorrichtungen zu.

    Mit Griechenland zeichnet sich sogar eine diplomatische Annäherung ab, nachdem Außenminister Nikos Dendias gestern ins Katastrophengebiet flog. Selbst der neue konservative Präsident von Zypern, Nikos Christodoulidis, signalisierte nach seiner gestrigen Wahl neue Verhandlungen mit der Türkischen Republik Nordzypern, wie Sie in den News lesen können.

    Um einen wirtschaftlichen Neustart geht es dagegen beim Thema Wasserstoff: Die Kommission hat endlich die delegierten Rechtsakte zu grünem Wasserstoff angenommen. Ich habe die Leaks analysiert: Für die Atomfreunde Frankreich und Schweden hat die Kommission eine Verbesserung hineingeschrieben.

    Verzögerungen gibt es auch bei einem weiteren Projekt der Kommission: Die Frist für die Schadstoffnorm Euro 7 ist wohl nicht zu halten, wie Markus Grabitz recherchiert hat.

    Erheblicher Druck herrscht zudem bei der Reform der Schuldenregeln. Bei ihrem morgigen Treffen sollen die EU-Finanzminister den Weg für den Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende März bereiten. Christof Roche erklärt, warum es nur mühsam vorwärts geht.

    Ihr
    Manuel Berkel
    Bild von Manuel  Berkel

    Analyse

    Wasserstoff: Delegierte Rechtsakte angenommen

    Die Kommission hat am vergangenen Freitag die beiden delegierten Rechtsakte zur Definition von grünem Wasserstoff verabschiedet, wie das offizielle Register zeigt. “Als eines der wichtigsten Elemente für den Hochlauf wurden ihretwegen die finalen Investitionsentscheidungen für fast alle Projekte zu grünem Wasserstoff zurückgehalten“, twitterte der Politikchef des dänischen Konzern Ørsted, Josche Muth.

    Noch hat die Kommission die angenommenen Fassungen nicht veröffentlicht. Vor dem Inkrafttreten haben Parlament und Rat außerdem noch zwei Monate Zeit, Einwände zu erheben. Am Freitag kursierten trotzdem Leaks der Rechtsakte – allerdings könne es durchaus noch Änderungen geben, sagten zwei Quellen aus dem Brüsseler EU-Apparat am Wochenende zu Table.Media.

    Entgegenkommen gegenüber Staaten mit Atomkraftwerken

    Ein – bei genauem Hinsehen – eher kleines Entgegenkommen gibt es gegenüber Frankreich und Schweden, die einen hohen Anteil von Atomstrom oder eine Kombination aus vielen Erneuerbaren und AKWs haben. Das zeigt ein Blick in den wichtigeren der beiden Rechtsakte zu flüssigen oder gasförmigen erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs).

    Wichtigstes Ziel des Rechtsakts ist es zu verhindern, dass durch den Energiebedarf für die Produktion von Wasserstoff die Erzeugung von fossilen Kraftwerken angekurbelt wird. Außerdem soll der Strom aus neuen, eigens für die Elektrolyse zugebauten Erneuerbaren-Anlagen stammen.

    CO2-Intensität entscheidet mit über Zusätzlichkeit des Grünstroms

    Das letztere Kriterium – die sogenannte Additionalität – soll unter einer neu hinzugefügten Bedingung entfallen können. Stehen Elektrolyseur und Erneuerbaren-Anlage innerhalb derselben Gebotszone soll der Strom pauschal dann als grün gelten, wenn seine CO2-Intensität unter 18 Gramm pro Megajoule liegt. Umgerechnet entspricht dies 65 Gramm CO2 pro Kilowattstunde.

    Nach Daten der Europäischen Umweltagentur betraf dies 2021, im Jahr vor der Gaskrise und dem Wiederanfahren von stillgelegten Kohlekraftwerken, nur zwei Mitgliedstaaten: Schweden mit neun Gramm und Frankreich mit 67 Gramm pro kWh.

    Elektrolyseure brauchen trotzdem PPAs

    Konkret bedeutet das: Wasserstoff als Atomstrom zählt nach diesen Regeln zwar nicht als grün, denn die Betreiber der Elektrolyseure müssen nach wie vor langfristige Strombezugsverträge (PPAs) mit Erneuerbaren-Anlagen abschließen. Allerdings können dies in den “65-Gramm-Staaten” auch alte oder bereits staatlich geförderte Wind- und Solarparks sein, weil dort das Prinzip der Additionalität entbehrlich ist.

    Während einer Übergangszeit soll die Additionalität für alle Staaten entfallen. Gegenüber einem früheren Leak wurde sie leicht verlängert: Alle Elektrolyseure, die bis Ende 2027 in Betrieb gehen, können bis Ende 2037 Strom aus Ökostrom-Anlagen beziehen, die nicht den Anforderungen an die Additionalität entsprechen. Bis zum 1. Januar 2028 ist nun außerdem eine Evaluation des Rechtsakts durch die Kommission vorgesehen.

    Stündliche Korrelation ab Mitte 2027 möglich

    Ein Mix aus früheren Entwürfen findet sich in den Regeln zur zeitlichen Korrelation. Diese Anforderung soll sicherstellen, dass die Elektrolyseure möglichst dann laufen, wenn viel Wind- und Sonnenenergie im Netz sind. Bis Ende 2029 dürfen die Betreiber die Korrelation durch monatliche Abrechnungen nachweisen, erst danach müssen sie stundengenau messen. Neu ist, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, die stündliche Abrechnung schon ab Juli 2027 vorzuschreiben.

    Gelten sollen die Regeln explizit auch für importierten Wasserstoff, was nach Lesart einer Stimme aus der deutschen Energiewirtschaft allerdings nur eine Klarstellung bedeutet.

    Nach mehr als einem Jahr Verzögerung verabschiedete die Kommission den Rechtsakt nun drei Tage, nachdem das Parlament den Trilog zur RED 3 platzen ließ. In einem Schreiben an die schwedische Ratspräsidentschaft und Energiekommissarin Kadri Simson hatten die Verhandlungsführer Markus Pieper (CDU) und Nils Torvalds (Renew) deutlich gemacht, dass sie ohne den Rechtsakt keine Grundlage hätten, um seriös über die Ziele für den Energieträger Wasserstoff im Verkehr und der Industrie zu verhandeln.

    Korrektur: In der ersten Version dieses Artikels hieß es, dass sich die Übergangsfrist zur Additionalität auf Erneuerbaren-Anlagen beziehe, die bis Ende 2027 in Betrieb gehen. Tatsächlich gilt sie für Elektrolyseure, die bis dahin ihren Betrieb aufnehmen. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.

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    Fristen für Euro 7 kaum zu halten  

    Das Startdatum Juli 2025, das die Kommission für die Schadstoffnorm Euro 7 anpeilt, dürfte nicht zu halten sein. Es ist absehbar, dass das Gesetzgebungsverfahren frühestens im Sommer 2024 abgeschlossen ist. Im Nachgang müssen noch delegierte Rechtsakte und Ausführungsbestimmungen erlassen werden. Das dauert mindestens noch einmal sechs Monate. Damit blieben den Herstellern selbst im günstigsten Szenario weniger als sechs Monate für die Umsetzung.

    Allein im Parlament wird das Verfahren mindestens bis November dauern. Berichterstatter ist Alexandr Vondra (ECR). Sein Zeitplan sieht vor, im Mai den Bericht vorzulegen, bis Ende Juni werden Änderungswünsche der Fraktionen angenommen, Ende Oktober soll im federführenden Umweltausschuss und Anfang November im Plenum abgestimmt werden. Erst danach kann der Trilog losgehen. Beobachter gehen davon aus, dass der tschechische Konservative mit Kalkül so weiträumig plant. Er spiele auf Zeit, um den Herstellern einen Gefallen zu tun und dazu beizutragen, das Inkrafttreten der ungeliebten Reform möglichst weit nach hinten zu schieben.

    Schwierige Verhandlungen im Rat

    Im Ministerrat wird auf EU-Botschafterebene erstmals im März über Euro 7 geredet. Der AStV 1 muss die allgemeine Ausrichtung, die von den Umweltministern beschlossen wird, vorbereiten. Die allgemeine Ausrichtung im Rat dürfte deutlich komplizierter werden als die Konsensfindung im Parlament. Vor allem die Länder Slowakei, Ungarn, Polen und Tschechien mit hohen Fertigungszahlen von Verbrennern werden auf eine Entschärfung der Normen drängen.

    Die skandinavischen Länder, Niederlande und Österreich werden dagegenhalten. Schon jetzt zeigt sich, dass die Differenzen in der Bundesregierung zwischen Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) so groß sind, dass Deutschland in den Ratsarbeitsgruppen zu Punkten des Verordnungsvorschlags nicht sprechfähig ist.

    Wissing und Lemke streiten sich öffentlich über die Kosten für Euro 7. Lemke hatte vergangene Woche behauptet, Euro 7 werde keine Jobs kosten und dafür Zahlen aus der Folgenabschätzung der Kommission zitiert. Wissing hält nun entgegen, Euro 7 würde teurer: um 400 Euro Benziner der Mittel- und Oberklasse und Lieferwagen mit Dieselmotor um 900 Euro. Bei Trucks seien Mehrkosten zwischen 2500 und 4000 Euro zu erwarten.

    Trilog wird erst 2024 in Gang kommen

    Absehbar ist, dass der Trilog erst unter belgischer EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2024 Fahrt aufnehmen wird. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die informelle Einigung im Trilog bereits vor den Europawahlen im Mai 2024 erzielt wird. Anders als im Bundestag gibt es im Europaparlament nicht das Gesetz der Diskontinuität.

    Das heißt, das Euro-7-Dossier verfällt nicht mit der Europawahl. Allerdings würde es durch die Neukonstituierung des Europaparlaments und womöglich einen fälligen Wechsel des Berichterstatters zu Verzögerungen des Trilogs kommen.

    Industrie: Wir brauchen drei Jahre

    Die Industrie argumentiert, dass für die anspruchsvollen Ziele von Euro 7 sowohl bei Motoren als auch in der Abgasnachbehandlung aufwändige Entwicklungsarbeit zu leisten ist. Beim Diesel sollen die Grenzwerte für Stickoxide um 43 Prozent gesenkt werden, Lieferwagen sollen die gleichen Grenzwerte wie Pkw einhalten. Außerdem sollen die Fahrzeuge die Grenzwerte auch in extremeren Fahrsituationen liefern – selbst bei Vollgas im ersten Gang.

    Entwicklung von Modellen mit 48-Volt-Netz, zweistufigem Katalysator und elektrischer Heizung im Abgasnachbehandlungssystem und die Einholung der Typgenehmigung für die Modelle – all das dauere normalerweise 36 Monate. Der VDA fordert in seinem Positionspapier aus den beschriebenen Gründen, das Inkrafttreten zu verschieben: bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um ein Jahr auf Juli 2026 bei neuen Modellen und um zwei Jahre auf Juli 2027 bei Modellen, die schon auf dem Markt sind.

    Zweifel an technischer Machbarkeit bei Trucks

    Gegen die vorgeschlagenen Schadstoffnormen für Nutzfahrzeuge (Euro VII) haben die Hersteller grundsätzliche Bedenken. Sie befürchten, dass die geforderten Grenzwerte bei Stickoxiden (Senkung um den Faktor zehn) und Feinpartikel (Senkung um den Faktor drei) technisch nicht machbar seien.

    Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass Euro VII für Lkw und Busse im Juli 2027 in Kraft treten soll. Die Hersteller fordern den Gesetzgeber auf, Euro VII und die Überarbeitung der CO₂-Flottengrenzwerte gemeinsam zu betrachten. Die Kommission will am Dienstag ihren Vorschlag für schärfere CO₂-Flottengrenzwerte vorlegen. 

    • Autoindustrie

    Finanzminister beraten Schuldenreform

    Die EU-Finanzminister kommen am Dienstag zu ersten politischen Beratungen über die Neuausrichtung des EU-Fiskalregelwerks zusammen. Diplomaten äußerten sich im Vorfeld der Aussprache sehr zurückhaltend, was den Ausgang des Treffens angeht. Unter den Mitgliedstaaten gebe es selbst zu zentralen Elementen der Reform noch unterschiedliche Haltungen. Dies geht auch aus einer sogenannten “Issues Note” der schwedischen Ratspräsidentschaft hervor, die diese an die Finanzminister geschickt hat und die Table.Media vorliegt.

    Die Kommission hatte im vergangenen November ihre Vorstellungen zur Neuausrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspakts veröffentlicht. Im Kern empfiehlt sie, für jeden Mitgliedstaat einen individuellen mittelfristigen Schuldenabbauplan auszuhandeln. Hoch verschuldete Staaten sollen mehr Zeit erhalten, um ihre Schulden zu senken und das Defizit-Ziel zu erreichen. Im Gegenzug soll verankert werden, dass Fehlverhalten strikter sanktioniert wird und Sanktionen konsequent durchgesetzt werden. Die zentralen Richtwerte des Stabilitäts- und Wachstumspakts – eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und eine Gesamtverschuldung von höchstens 60 Prozent – bleiben unangetastet.

    EU-Staaten schicken Kommission 73 Seiten mit Fragen

    Den Diplomaten zufolge haben die Mitgliedstaaten der Kommission nach Vorlage des Reformpakets 60 Seiten mit Fragen übermittelt – etwa hinsichtlich einer glaubwürdigen nachhaltigen Schuldenreduzierung und wirksamer Zwangsmaßnahmen gegen solche Staaten, die vereinbarte Vorgaben nicht einhielten. Bislang seien aber gerade einmal die Hälfte der Fragen beantwortet worden.

    Die Kommission habe zuletzt zudem Simulationen für die Ausgabenpfade präsentiert, die weitere 13 Seiten an Klärungsbedarf provoziert hätten. Die Mitgliedstaaten seien bis heute nicht in der Lage, anhand der Vorstellungen der Kommission eigene Modellrechnungen durchzuführen, da die zugrunde liegenden Annahmen nicht klar seien, führten die Diplomaten aus.

    Ab 2024 würden alte Schuldenregeln wieder greifen

    In dem Schreiben an die Finanzminister stellt die Ratspräsidentschaft fest, die Staaten stimmten zwar mit dem Ziel überein, tragfähige öffentliche Finanzen durch eine Kombination aus schrittweiser Haushaltsanpassung und wachstumsfördernden Reformen und Investitionen zu erreichen. Es gebe aber noch zentrale Bereiche, in denen “weitere Diskussionen zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich sind”. Die Präsidentschaft hat deshalb mehrere Fragen an die Finanzminister für die politische Aussprache formuliert:

    • Wie können die Institutionen am besten eine länderspezifische Haushaltsanpassung sicherstellen und gleichzeitig die multilaterale Überwachung aufrechterhalten, die in gemeinsamen Haushaltsregeln und Benchmarks der EU verankert ist?
    • Stimmen die Minister dem Ziel zu, sich stärker auf die mittelfristige Planung zu konzentrieren und gleichzeitig Backloading zu vermeiden? Sollten die mittelfristigen Pläne auf die Bildung nationaler Regierungen und die Wahlzyklen abgestimmt werden? Wann und unter welchen Bedingungen sollten Revisionen der nationalen Pläne erforderlich sein?
    • Wie sehen Sie die Rolle einer risikobasierten Analyse der Entwicklung der öffentlichen Verschuldung bei der Ermittlung länderspezifischer Herausforderungen und der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer haushaltspolitischen Pfade?

    Die Präsidentschaft will die Antworten der Minister nutzen, um die Arbeiten auf technischer Ebene beschleunigen zu können. Die Zeit drängt, denn die EU-Staats- und Regierungschefs sollen der Kommission auf ihrem Gipfel am 23. und 24. März die nötige Richtung vorgeben, um die legislativen Vorschläge zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts auszuarbeiten. Bis Ende des Jahres muss die Neuausrichtung der europäischen Schuldenregeln abgeschlossen sein, denn dann greift das bestehende Fiskalregime wieder. Dieses war 2020 ausgesetzt worden, um den Ländern mehr Spielraum zu geben, die Folgen der Covid-Pandemie abzufedern.

    • Finanzen
    • Haushalt

    News

    Zypern: Konservativer gewinnt Präsidentenwahl

    Zyperns früherer Außenminister Nikos Christodoulidis hat die Präsidentenwahl in Zypern für sich entschieden. Nach Auszählung aller Stimmen kam der 49-jährige konservative Politiker am Sonntag auf 51,9 Prozent. Gegenkandidat Andreas Mavrogiannis, der hauptsächlich von der linken Partei AKEL unterstützt worden war, erreichte 48,1 Prozent, wie der staatliche Rundfunk (RIK) unter Berufung auf das Innenministerium in Nikosia berichtete.

    Es wird damit gerechnet, dass die Inselrepublik unter Christodoulidis die Sanktionspolitik gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs weiter mitträgt, obwohl Zypern große Verluste im Bereich Tourismus verzeichnet. Die Politik Zyperns werde “auf EU-Kurs bleiben”, sagte Christodoulidis im Staatsfernsehen nach dem Wahlsieg.

    Möglicher Neustart für Verhandlungen mit Nordzypern

    Als Präsident will sich Christodoulidis nach eigenen Worten um den Neustart der Verhandlungen mit dem Norden kümmern. “Wir müssen aus der Sackgasse heraus”, sagte er am Sonntagabend. Die Teilung seit 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention sorgt auch zwischen der EU und der Türkei immer wieder für Spannungen.

    Zudem will Christodoulidis die Korruption bekämpfen. Die bisherige Regierung hatte in den vergangenen Jahren Hunderte Pässe an Nicht-EU-Bürger vergeben. Christodoulidis soll am 1. März vereidigt werden. Der direkt vom Volk gewählte Präsident bestimmt die Minister und führt die Regierung an. Die Amtszeit dauert fünf Jahre. Der bisherige Präsident Nikos Anastasiades kandidierte nach zwei Amtszeiten nicht mehr. dpa

    • Wahlen
    • Zypern

    Korruptionsaffäre: Tarabella in Haft, Cozzolino in Hausarrest

    Nachdem das Europaparlament Anfang Februar die Immunität der Abgeordneten Marc Tarabella sowie Andrea Cozzolino (beide ehemals S&D) aufgehoben hat, haben die Strafverfolger in Belgien und Italien gehandelt. Gegen den Belgier Tarabella wurde ein Haftbefehl erlassen, er wird seit Freitag vernommen. Laut Staatsanwaltschaft wird dem 59-Jährigen Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

    In Neapel wurde am Freitag MdEP Cozzolino aus Italien mit einem internationalen Haftbefehl festgenommen, von den Behörden verhört und unter Hausarrest gestellt. Die belgische Staatsanwaltschaft fordert die Auslieferung des 60-Jährigen.

    Tarabella behauptet seine Unschuld

    Tarabella, der auch Bürgermeister der Gemeinde Anthisnes in der Wallonie ist, wird von dem Hauptverdächtigten in der Korruptionsaffäre im Europaparlament, dem sozialistischen Ex-MdEP Pier Panzeri, beschuldigt, von ihm zwischen 120.00 und 140.000 Euro angenommen zu haben. Ein Bankschließfach in Lüttich wurde von den Ermittlern durchsucht.

    Das Geld sei als Gegenleistung dafür gedacht gewesen, dass Tarabella geholfen habe, im Auftrag von Katar und Marokko Einfluss auf Abstimmungen im EP zu nehmen. Tarabella behauptet weiter, dass er unschuldig sei. Cozzolino und Tarabella wurden von ihrer sozialistischen Fraktion ausgeschlossen. mgr

    • Europäisches Parlament
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    AI Act: Mittwoch sollen Entscheidungen fallen

    Im Parlament erreichen die Verhandlungen über die Verordnung zur Künstlichen Intelligenz (AI Act) die heiße Phase. Allein in der vergangenen Woche fanden drei mehrstündige Meetings auf technischer Ebene statt. Für diesen Mittwoch haben die Berichterstatter Brando Benifei (S&D, IMCO) und Dragoș Tudorache (Renew, LIBE) die Schattenberichterstatter zu einer fünfstündigen Sitzung in Straßburg geladen. Das deutet darauf hin, dass hier Entscheidungen fallen sollen. Die Abstimmung in den federführenden Ausschüssen ist für März vorgesehen.

    “Wir liegen immer noch gut in der Zeit, um das Gesamtziel und den Zeitplan zu erfüllen”, sagte Tudorache vergangene Woche der Nachrichtenagentur Reuters. Dies bedeute, dass das Projekt wie geplant noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden könnte. Es habe etwas länger gedauert als ursprünglich gedacht, die Materie sei aber auch sehr komplex. “Ich kann ehrlich gesagt noch nicht sehen, dass das schon das Ende der Verhandlungen sein soll”, sagte hingegen Axel Voss, Schattenberichterstatter der EVP, zu Table.Media. “Aus unserer Sicht sind wichtige Fragen noch offen.”

    Das heikle Thema: biometrische Echtzeit-Erkennung

    Diskussionsbedarf gibt es etwa noch immer beim heiklen Thema Definition von AI und der Frage, wie weit oder eng der Begriff gefasst werden soll. Dies entscheidet über den gesamten Anwendungsbereich der Regulierung. Die Berichterstatter sehen eine weiter gefasste Definition vor, als es die EVP für richtig hält.

    Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Klassifizierung der KI-Systeme, welche als hochriskant eingestuft und welche ganz verboten sind. Die Berichterstatter wollen, dass die biometrische Echtzeit-Erkennung in öffentlich zugänglichen Räumen gänzlich verboten wird. Als hochriskant stufen sie dagegen die nachträgliche Identifizierung ein. Die Berichterstatter bleiben in ihrem Vorschlag beim Verbot KI-gestützter vorausschauender Polizeiarbeit (predictive policing models). Auch das ist umstritten. Biometrische Daten seien eine hoch sensible Materie und zum Teil auch hoch ideologisch, sagte Voss.

    Weitgehend einig sind sich die Verhandler wohl bei den KI-Realloboren (Regulatory Sandboxes), die Innovationen unterstützen und vor allem den Einsatz von KI bei KMU und Start-ups fördern sollen. Hier geht es unter anderem darum, Konflikte mit der DSGVO aus dem Weg zu räumen.

    Während Tudorache und Benifei offenbar möglichst bald zum Ende kommen wollen, sieht Voss keinen Zeitdruck. “Wir sollten uns lieber mehr Zeit nehmen für ein vernünftiges Ergebnis”, sagte er. Schließlich werde der AI Act Grundlage “für unser digitales Überleben”. vis

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    • Künstliche Intelligenz
    • Künstliche Intelligenz-Verordnung

    Raw Materials Act: Unternehmen sollen Risiken reduzieren

    Unternehmen sollen künftig eine größere Verantwortung dafür tragen, Risiken in den Lieferketten kritischer Rohstoffe zu minimieren. Der für Anfang März angekündigte Critical Raw Materials Act soll Vorgaben für entsprechende Maßnahmen enthalten, sagte Peter Handley, Referatsleiter für Rohstoffe in der DG Grow, am Freitag während einer Online-Diskussion über das geplante Gesetzespaket. Eine solche Vorgabe könnte eine Pflicht zur Diversifizierung sein, erklärte Handley: eine Mindestanzahl an Bezugsquellen, von denen Unternehmen in Zukunft ihre Rohstoffe kaufen müssten. Auf diese Weise solle die Industrie eine aktive Rolle in der Risikominderung übernehmen und helfen, die starken Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu reduzieren. Die Mitgliedstaaten sollten dafür laut den Plänen der Kommission einen Rahmen vorgeben. leo

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    • Rohstoffstrategie

    Faeser will Flüchtlinge stärker verteilen

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine innerhalb der EU angemahnt. “Sollte es eine weitere große Fluchtbewegung aus der Ukraine geben, müssen die Flüchtlinge in Europa besser verteilt werden“, sagte Faeser der “Bild am Sonntag”. “Dabei sollten besonders unsere osteuropäischen Nachbarn entlastet werden. Polen hat bislang über 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, Spanien 160.000. Das kann nicht so bleiben.”

    Eine Aufnahmegrenze für geflüchtete Frauen und Kinder aus der Ukraine lehnte die Ministerin ab: “Acht von zehn Flüchtlingen sind im letzten Jahr aus der Ukraine zu uns gekommen, über eine Million Menschen. Sie haben ihr Leben retten können vor Putins grausamem Krieg. Für die geflüchteten Frauen und Kinder aus der Ukraine kann man keine Aufnahmegrenze definieren.”

    Verhandlungen mit Frankreich und EU-Vertretern in Nordafrika

    Das Thema Rückführungen abgelehnter Asylbewerber will Faeser zu einem Schwerpunkt des Flüchtlingsgipfels nächste Woche mit ihren Länderkollegen machen. Die Regierung wolle bald Migrationsabkommen mit Herkunftsländern schließen, “auch um mehr Rückführungen durchführen zu können.” 

    Faeser kündigte an: “Ich werde in Kürze mit Vertretern Frankreichs und der EU in die nordafrikanischen Staaten reisen. Wenn wir dort gemeinsam über Rückführungen verhandeln, hat das mehr Nachdruck, als wenn nur ein Land Gespräche führt.” Zäune an den EU-Außengrenzen lehnt die Ministerin ab: “Die EU hat beschlossen, die Außengrenzen durch ihre Grenz- und Küstenwache Frontex zu sichern und dabei die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren. Das unterstütze ich.” rtr

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    • Spanien

    Justizreform: Verfassungsgericht soll prüfen

    Der polnische Präsident Andrzej Duda lässt ein Gesetz mit Nachbesserungen an den umstrittenen Justizreformen vom Verfassungsgericht überprüfen. Es werfe “ernsthafte verfassungsrechtliche Kontroversen” auf, teilte der nationalkonservative Politiker mit. Die Novelle könne erst in Kraft treten, wenn ihre Vereinbarkeit mit dem polnischen Grundgesetz geklärt sei.

    Justizminister Zbigniew Ziobro begrüßte die Entscheidung der Agentur PAP zufolge am Samstag. Eine Politik der Zugeständnisse an die Europäische Kommission sei eine schlechte Politik und führe nur zu immer neuen Forderungen, sagte der Vorsitzende der PiS-Koalitionspartei Solidarna Polska (Solidarisches Polen).

    Das vom Parlament verabschiedete Gesetz sieht unter anderem vor, dass für Disziplinarangelegenheiten gegen Richter künftig statt des Obersten Gerichts das Oberste Verwaltungsgericht zuständig sein soll. Die Nachbesserungen sollten Polen näher an eine Freigabe von milliardenschweren Corona-Finanzhilfen bringen. Die EU-Kommission hatte die Gelder wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit eingefroren. dpa

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    Presseschau

    Von der Leyen sagt Erdogan weitere Erdbebenhilfe der EU zu SWP
    Haftbefehle gegen zwei Abgeordnete FAZ
    Lindner deutet Kompromisslinie zum EU-Stabilitätspakt an FAZ
    Mehrheit der Asylzuwanderer reist unerkannt über EU-Außengrenze ein WELT
    Nancy Faeser will gerechtere Verteilung von Ukraine-Flüchtlingen in EU ZEIT
    Zypern: Ex-Außenminister Christodoulides gewinnt Präsidentenwahl FAZ
    Opposition groups rally in France demanding EU list Iran’s Guards as terrorist group REUTERS
    Ukrainischer Botschafter über EU-Beitritt: “Wir haben eine Sonderrolle, aber wir brauchen keine Sonderrabatte” DEUTSCHLANDFUNK
    Brexit-Hochburg Boston: Die letzte Stadt, die noch an den EU-Austritt glaubt T-ONLINE
    Zentralbanken wollen digitale Währungen einführen – auch in der EU BADISCHE-ZEITUNG
    EU will Start-ups aus dem Tech-Bereich stärker unterstützen DER STANDARD
    EU-Ratspräsidentschaft Schwedens: Die Kinder von Bullerbü verlieren ihren Vater TAGESSPIEGEL
    Apple to defend mobile payment system at EU hearing ITNEWS

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    Yolande Kyoni – Energielobbyistin und Sprachgenie

    Yolande Kyoni ist Public-Affairs-Expertin bei Österreichs größtem Energieversorger Wien Energie.

    Yolande Kyoni landete eher zufällig in der Energiepolitik. Ursprünglich hatte sie Konferenzdolmetschen und internationale Entwicklung in Wien und Porto studiert. Das Interesse für Europa war jedoch groß und so machte sie nach einem ersten Praktikum 2008 in Brüssel ein weiteres Praktikum im EU-Parlament 2013. Dort fand sie es so spannend, dass sie gleich in Brüssel blieb und im ITRE die Entwicklung des Clean Energy Package begleitete.

    Heute ist sie Europa-Referentin bei der Wien Energie. Die Tochter der Wiener Stadtwerke ist ein kommunaler Energieversorger und zudem der größte regionale Energieanbieter des Landes. Fünf Jahre in Brüssel waren ihr damals genug – es zog sie zurück in ihre Heimatstadt Wien. Außerdem wurde es Zeit für einen Perspektivwechsel, erzählt sie: “Die Politik, so spannend wie sie ist, ist für mich spannender, wenn ich sie aus der zweiten Reihe beobachten kann.”

    Lobbyistin mit Herzblut

    Als Teil eines achtköpfigen Teams bildet Yolande Kyoni nun die Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Technik. Sie beschäftigt sich mit geplanten Gesetzen für die Energie- und Abfallwirtschaft und bereitet diese für die Experten bei der Wien Energie auf. Dafür steht sie im stetigen Austausch mit Politikern und den Verbänden ihrer Branche.

    Dass ihr Beruf als Lobbyistin oft negativ konnotiert ist, ärgert sie. Schließlich hielten sie und ihr Team sich an den ÖPAV-Verhaltenskodex. Ihre Interessen seien transparent. Der Austausch mit vielen unterschiedlichen Menschen ist das, was sie an ihrer Arbeit fasziniert: Sei es der Experte für erneuerbare Energieerzeugung, die Technikerin aus einem Kraftwerk oder Kolleginnen aus den Abgeordnetenbüros in Brüssel. Mit allen ist sie im stetigen Dialog, um ein umfassendes Bild der Lage zu bekommen.

    So sammelt sie etwa Informationen über einen neuen Gesetzesentwurf von Kollegen aus Brüssel, spricht anschließend mit Vertretern von Branchenverbänden und internen Experten, um schließlich im Lobbying-Prozess die Unternehmensinteressen bestmöglich vertreten zu können. Immer mit der Frage im Hinterkopf: Was kommt da auf uns zu?

    Optimistisch trotz Energiekrise

    Kyoni, die Wurzeln in der Demokratischen Republik Kongo hat, wuchs zweisprachig auf. Sie lernte zunächst Suaheli und danach Deutsch. In der Schule kamen dann Englisch und Französisch dazu. Später folgten dann Portugiesisch, während eines Erasmus-Stipendiums, sowie Niederländisch durch ihre Zeit in Brüssel. Sprachen lernen ist eine ihrer Leidenschaften, sagt Kyoni.

    Das Clean Energy Package in Brüssel stellte die Weichen für das 2021 verabschiedete Klimaschutzgesetz – das erste Klimaschutzgesetz auf europäischer Ebene – und in weiterer Folge für den Green Deal. Zunächst schien es so, als ob die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise das Klimaneutralitätsvorhaben und insbesondere den Abschied von fossilen Brennstoffen massiv zurückgeworfen hätten, doch dies ist nicht eingetreten, sagt Kyoni. Sie zeigt sich optimistisch, was die Realisierung des Green Deal und der Fit-for-55-Ziele angeht. “Wir wissen, wohin es geht, und jetzt müssen wir konkret auf dieses Ziel hinarbeiten.” Noah Raffenberg

    Europe.Table Redaktion

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