Table.Briefing: Europe

Zölle auf russisches Getreide + EU-Gipfel fordert humanitäre Pause in Gaza + Ficos Verbündeter als Favorit in der Präsidentenwahl

Liebe Leserin, lieber Leser,

die EU will nun gegen Agrarimporte aus Russland vorgehen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Abend beim Gipfel einen Vorschlag an für hohe Einfuhrzölle auf russisches Getreide, Ölsaaten und verarbeitete Produkte. Dadurch werde verhindert, dass russisches Getreide den EU-Markt für diese Produkte destabilisiere und Russland daran verdiene, sagte sie. Zudem wolle man sicherstellen, “dass illegale russische Exporte von gestohlenem ukrainischem Getreide nicht auf den EU-Markt gelangen”. Schon heute dürfte der Vorschlag kommen.

Zuvor hatte unter anderem der litauische Präsident Gitanas Nausėda gefordert, russische Getreideimporte zu stoppen. Die Bundesregierung sperrt sich nicht gegen die Pläne, auch wenn man die eingeführten Mengen für nicht so gewichtig hält und ein Stopp daher für recht symbolisch. Aber auch in Berlin erkennt man an, wie groß der Druck der protestierenden Landwirte vielerorts ist, und vor allem auf die polnische Regierung. Ministerpräsident Donald Tusk fordert daher noch weitergehende Importbeschränkungen für ukrainische Agrarerzeugnisse. Die Bundesregierung möchte das abwenden, um nicht eine Lebensader der ukrainischen Wirtschaft abzuklemmen.        

Der gestrige Gipfeltag endete bereits gegen 22 Uhr. Recht ausgeruht also werden die EU-Staats- und Regierungschefs heute in Brüssel nochmals zusammenkommen. Neben den Agrarthemen nehmen sie sich die Finanzwirtschaft vor, und dabei insbesondere die Kapitalmarktunion.

Als Scholz gestern vor dem Beginn der Sitzung zu den Medien sprach, wurde er bei diesem Punkt deutlich: “Das wichtigste Defizit in der Wettbewerbsfähigkeit Europas ist die fehlende Kapitalmarktunion und die fehlende Bankenunion”. Die Gespräche gingen zu langsam voran. “Ich möchte, dass wir substanzielle Fortschritte machen in der nächsten Periode”, sagte der Bundeskanzler. Da auch Frankreich drängt, könnte der Gipfel den nötigen Impuls geben, um das seit zehn Jahren stockende Projekt in Gang zu kriegen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Freitag!

Ihr
Till Hoppe
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Analyse

Regierungschefs einigen sich auf schärferen Ton gegenüber Israel: Die wichtigsten Einigungen des EU-Gipfels im Überblick

UNO-Generalsekretär António Guterres im Gespräch mit Mitgliedern des Europäischen Rats.

Die EU hat ihre Tonart gegenüber Israel verschärft und zu einer “sofortigen humanitären Pause” im Gazastreifen aufgerufen. Diese solle zu einem dauerhaften Waffenstillstand führen, heißt es in der Erklärung des EU-Gipfels. Zugleich forderten die Staats- und Regierungschefs “die bedingungslose Freilassung aller Geiseln”. Israel wurde gedrängt, auf die geplante Bodenoffensive in Rafah zu verzichten, da diese “die ohnehin katastrophale humanitäre Situation (in Gaza) verschlimmern würde”.

Dem Appell waren stundenlange, kontroverse Diskussionen vorausgegangen. Österreich und Tschechien standen lange auf der Bremse und forderten ein härteres “Wording” zu der Terrororganisation Hamas. Teilweise konnten sie sich durchsetzen. So fordert der Gipfel nun “unabhängige Untersuchungen zu allen Vorwürfen sexueller Gewalt”, die bei den Angriffen am 7. Oktober verübt worden sei. Insgesamt haben sich jedoch die Befürworter einer härteren Linie gegenüber Israel durchgesetzt.

Eröffnet wurde die Debatte beim Mittagessen mit Uno-Generalsekretär António Guterres. Er forderte die EU auf, bei den Kriegen in der Ukraine und in Gaza keine “Doppelstandards” anzuwenden. Kriegsverbrechen müssten überall geahndet werden. Die Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen sei “beispiellos”, beklagte Guterres. “Wir haben eine Situation der Straflosigkeit, in der jedes Land oder jede bewaffnete Gruppe denkt, dass sie tun kann, was sie will.”

Belgiens Premierminister Alexander De Croo, sagte, die EU müsse im Nahen Osten die “Führung” übernehmen und dürfe nicht einfach nur den USA folgen. Die USA hatten zuletzt ihre Haltung zum Krieg in Gaza geändert; sie fordern nun eine “sofortige Feuerpause”. Die Schlussfolgerungen des Gipfels liegen weitgehend auf einer Linie mit den USA. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz war auf diese Linie eingeschwenkt.

Grünes Licht für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien

Die Staats- und Regierungschefs beschlossen zudem, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Die eigentlichen Gespräche sollen aber erst beginnen, wenn das Land die ausstehenden Reformen durchgeführt hat, die die Kommission in einer Empfehlung vom Oktober 2022 gefordert hatte.

Auf diese Bedingung hatte insbesondere der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bestanden. “Bosnien hat Fortschritte gemacht”, sagte er. Aber es sei entscheidend, dass das Land “wirklich alle Punkte abhakt”. Um den Start der Gespräche nicht unnötig zu verzögern, soll die Kommission den benötigten Verhandlungsrahmen bereits ausarbeiten. 

Die Entscheidung für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien war verkompliziert worden, weil einige Länder ihre Zustimmung an schnellere Fortschritte im Beitrittsprozess für die Ukraine und Moldau geknüpft hatten. Der litauische Präsident Gitanas Nausėda forderte, die formellen Verhandlungen bis Juni zu starten. Die Ukraine habe die geforderten Reformen unter schwierigen Umständen geliefert, jetzt sei die EU am Zuge. “Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.”

Auf den konkreten Zeitpunkt wollten sich andere Mitgliedstaaten aber nicht festlegen. Stattdessen ermuntern die Staats- und Regierungschefs den EU-Rat in den Schlussfolgerungen, den Verhandlungsrahmen für beide Länder “zügig anzunehmen und ohne Verzögerung voranzugehen”. 

Russische Windfall Profits können für Waffenkäufe benutzt werden

Auch den Vorschlag der EU-Kommission zu den russischen Zentralbankgeldern haben die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag grundsätzlich gutgeheißen. Den Schlussfolgerungen wurde explizit hinzugefügt, dass die sogenannten Windfall Profits auf die blockierten Gelder auch für Waffen- und Munitionskäufe verwendet werden könnten. Für eine Diskussion im Detail über den Kommissionsvorschlag vom Mittwoch sei es aber zu früh gewesen, so ein Diplomat.

Die Kommission hat vorgeschlagen, 90 Prozent der jährlich voraussichtlich drei Milliarden Euro für die Europäische Friedensfazilität vorzusehen. Zehn Prozent sollen in diesem Jahr über den EU-Haushalt in den Fonds zur wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierung der Ukraine fließen und ab 2025 dann in das neue Programm zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie (EDIP), an dem sich die Ukraine ebenfalls beteiligen kann.

Finanzierungsfrage bleibt ungelöst

Die EU sei entschlossen, die Ukraine “solange wie nötig und so intensiv wie nötig” zu unterstützen, heißt es in den Gipfelschlussfolgerungen. In einer Videoschaltung zu Beginn des Gipfels forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eindringlich um mehr militärische Unterstützung für sein Land: “Leider ist der Einsatz von Artillerie an der Front durch unsere Soldaten beschämend für Europa in dem Sinne, dass Europa mehr leisten kann”. Es sei wichtig, dass Europa beweise, was es könne.

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas warb beim EU-Gipfel für ein einheitliches Ziel für Militärhilfen. Wenn jedes Land mindestens 0,25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Militärhilfen zur Verfügung stellen würde, könnten die Ukrainer Russland übertrumpfen.

Die Europäische Union verpflichtet sich in den Gipfelschlussfolgerungen, Verteidigungsbereitschaft und Fähigkeiten in Einklang mit der wachsenden Bedrohung und den Sicherheitsherausforderungen zu bringen. Grundsätzliche Zustimmung gab es auch zu EDIP und der übergreifenden Strategie (EDIS). Der Gipfel fordert die Kommission, den Außenbeauftragten und den Rat auf, die Arbeit schnell voranzutreiben. Die Frage der Finanzierung des bisher nur mit 1,5 Milliarden Euro bescheiden ausgestatteten Programms war am Rande des Gipfels ein Thema. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis schloss sich der Gruppe der Länder an, die Eurobonds fordern, um Europas Verteidigungsindustrie zu stärken.

  • EDIP
  • EU-Gipfel
  • Europäischer Rat
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Slowakei: Fico-Verbündeter Peter Pellegrini geht als Favorit in Präsidentenwahl

Peter Pellegrini, Präsidentschaftskandidat und Alliierter des slowakischen Regierungschefs Robert Fico.

So kurz vor der ersten Runde der Präsidentenwahl am kommenden Samstag wollte die Regie des öffentlich-rechtlichen slowakischen Fernsehens RTVS nur ja keinen Fehler machen. Das hätte gerade noch gefehlt – ausgerechnet bei der Ausrichtung der “Elefantenrunde” aller Kandidaten – durchweg Männer -, die sich anschicken, die scheidende Präsidentin Zuzana Čaputová abzulösen.

RTVS steht unter gewaltigem politischem Druck. Der seit seinem vierten Amtsantritt vor einem halben Jahr jeden Stein in dem kleinen EU- und Nato-Land umdrehende nationalpopulistische Ministerpräsident Robert Fico, der noch nie ein Freund kritischer Medien gewesen ist, will RTVS das Sterbeglöckchen läuten. Politisch völlig unausgewogen und zu freundlich zur Opposition lauten die Vorwürfe.

Fico will öffentlich-rechtliches Fernsehen unter seine Kontrolle bringen

Die Regierung wollte anfangs RTVS als gemeinsame öffentlich-rechtliche Institution für Hörfunk und Fernsehen zerschlagen. Da das nicht so einfach geht, sollen Radio und TV nun doch weiter unter einem Dach, aber mit einem neuen Namen STaR (Slowakisches Fernsehen und Radio) bleiben. Aber als staatlich gelenkte Medien, in denen die Politik das Sagen hat. Die Aufsichtsgremien sollen zu Teilen von den Fraktionen im Parlament und zu Teilen auf Vorschlag des Kulturministeriums gebildet werden. Wichtigstes Ziel dabei: der Chef des staatlichen Kanals soll jederzeit abrufbar sein, falls man das für erforderlich halte.

Fico will diese grundlegende Änderung im Medienbereich – wie zuvor auch die umfangreiche Strafrechtsreform zur Beendigung der strafrechtlichen Verfolgung von zwielichtigen Leuten aus seinem Umfeld – im “beschleunigten Verfahren” durch das Parlament bringen. Sinn der Übung: die regierungskritische Führung von RTVS soll schnellstmöglich die Kündigung bekommen und durch zuverlässige eigene Leute ersetzt werden.

Wahlkampfparolen statt Debatte

Um also ja nicht weiter negativ aufzufallen, dachte sich die Regie für die eingangs erwähnte fast vierstündige “Elefantenrunde” am Mittwoch zur besten Sendezeit einen etwas bizarren Verlauf aus: Jeder Kandidat hatte über den Abend verteilt insgesamt 17 Minuten Redezeit, in der er seine Visionen über die Ausfüllung des höchsten Staatsamtes verkünden durfte. Kritik an einem anderen Kandidaten war untersagt. Selbst der Namen eines Mitbewerbers durfte nicht in den Mund genommen werden. Eine Diskussion war damit völlig ausgeschlossen. Hielt sich jemand nicht an die Regeln, griff das Moderatorenpaar sofort ein.

Im Kern sagten alle Kandidaten somit mehr oder weniger auswendig gelernte Wahlkampfparolen auf. So richtig wohl fühlten sich dabei nur die totalen Außenseiter. Die beiden klaren Favoriten für die erste Runde der Wahl am Samstag, Ficos Mann Peter Pellegrini, und dessen Widersacher aus dem bürgerlichen Lager, der frühere Botschafter in Deutschland und danach Außenminister Ivan Korčok, kamen sich unter diesen Umständen etwas verloren vor.

Pellegrini als Alliierter Ficos

Beiden werden sich nach den letzten Umfragen in der ersten Runde ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Für eine nach Lage der Dinge unvermeidliche Stichwahl am 6. April räumen die Umfrageinstitute Pellegrini die größeren Sieg-Chancen ein. Sollte das so kommen, dann hätte sich der 49-jährige Pellegrini einen großen Traum erfüllt. Der wahre Sieger aber hieße Robert Fico. Mit Pellegrini hätte er genau den Mann im Präsidentenpalais, der ihm freie Hand für weitere umstrittene Reformen geben würde. Und der zudem Leute aus Ficos Umfeld amnestieren könnte, die eine fragwürdige Vergangenheit haben.

Dass Pellegrini noch einmal für Fico durchs Feuer gehen würde, war vor ein paar Jahren nicht absehbar. Fico musste nach der Ermordung des Investigativ-Journalisten Ján Kuciak 2018 unter dem Druck massiver Straßenproteste zurücktreten. Er schlug Pellegrini als seinen Nachfolger im Amt des Regierungschefs vor. Knapp zwei Jahre füllte Pellegrini dieses Amt aus und emanzipierte sich dabei mehr und mehr von Fico. Die anschließende Parlamentswahl 2020 ging für die Partei von Fico und Pellegrini verloren. In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen um den Parteivorsitz. Die endeten damit, dass Pellegrini eine eigene sozialdemokratische Partei mit liberalem Anstrich (Hlas) gründete.

Korčok will Gegenpol zu Fico sein

Nach der letzten Parlamentswahl im vergangenen Herbst wurde Pellegrini Zünglein an der Waage: er hätte eine Koalition sowohl mit Fico als auch den Liberalen eingehen können. Am Ende aber schlug er das Angebot der Liberalen aus und ging in eine Koalition mit Fico und einer rechtspopulistischen Partei.

Während Pellegrini sich unter dem Motto “Die Slowakei braucht Ruhe!” als Versöhner zwischen den zerstrittenen Lagern anbietet, sieht sich Korčok als klarer Gegenpol zur Fico-Regierung. Seine Warnung: Mit Pellegrini als Präsidend hätte Fico alle Macht im Staat. Und könne ungestört die Slowakei nach dem Vorbild Ungarn seines Freundes Viktor Orbán umgestalten. Inklusive enger Bande zum russischen Kriegsherrn Wladimir Putin in Moskau. Hans-Jörg Schmidt, Prag

  • Slowakei
  • Wahlen

EU-Monitoring

25.03.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Umwelt
Themen: Orientierungsaussprache zur Verordnung über die Vermeidung der Freisetzung von Kunststoffgranulat zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik, Gedankenaustausch zur Mitteilung zu Europas Klimaziel für 2040, Informationen des Vorsitzes zur Verordnung über einen Monitoringrahmen für widerstandsfähige europäische Wälder. Vorläufige Tagesordnung

26.03.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zu raschen und strukturellen Antworten auf die derzeitige Krise im Agrarsektor, Informationen des Vorsitzes zu den Ergebnissen der Veranstaltungen des Vorsitzes zur Zukunft der Landwirtschaft und der GAP, Informationen des Vorsitzes zu den Ergebnissen des Kolloquiums “Call to Care for Animal Welfare”. Vorläufige Tagesordnung

27.03.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Hochschulpaket (Mitteilung über einen Entwurf für einen europäischen Abschluss, Empfehlung des Rates zu attraktiven und nachhaltigen Karrieren an Hochschulen, Empfehlung des Rates zu einem europäischen Qualitätssicherungs- und Anerkennungssystem). Vorläufige Tagesordnung

News

ECFR-Studie warnt vor Fehlern im Wahlkampf

Eine neue Studie des European Council on Foreign Relations warnt die proeuropäischen Parteien davor, im Wahlkampf zu stark mit (vermeintlichen) Erfolgen im Krisenmanagement zu werben. Anders als politisch Verantwortliche wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beurteilten viele Bürger den Umgang mit Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg oder Klimawandel negativ, schreiben die beiden Autoren Ivan Krastev und Mark Leonard auf Basis einer Umfrage in zwölf Mitgliedstaaten. Die Erfolge der EU zu feiern, könne zudem besonders Wähler rechtsextremer Parteien mobilisieren, welche die Bewältigung der verschiedenen Krisen sehr kritisch sähen.

Darüber hinaus warnen die beiden Wissenschaftler davor, in die “Migrationsfalle” zu tappen. Viele Parteien versuchten, dieses Thema zu neutralisieren, indem sie den Hardliner-Kurs von Rechtsaußen-Parteien nachahmten. In den meisten Ländern mit Ausnahme von Österreich und Deutschland sei Einwanderung aus Sicht der Bürger aber nicht die drängendste Krise. Zudem nähmen viele migrationskritische Wähler den Parteien der Mitte den harten Kurs nicht ab.

Krastev und Leonard empfehlen, stattdessen andere Themen in den Fokus zu rücken. So seien häufig gerade Frauen unentschlossen, ob sie zur Wahl gehen sollten. “Einige von ihnen könnten von Parteien angezogen werden, die ihre Glaubwürdigkeit bei der Bewältigung von Anliegen unter Beweis stellen, die bei Frauen weit verbreitet sind, zum Beispiel in Bezug auf Abtreibungsgesetze, Gleichstellung am Arbeitsplatz und Minderheitenrechte.” tho

  • Europapolitik
  • Europawahlen 2024
  • Rechtsextremismus

Bundestag stimmt Digitale-Dienste-Gesetz zu

Das am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Digitale-Dienste-Gesetz legt in erster Linie die Zuständigkeiten für die Durchsetzung des DSA innerhalb der Bundesrepublik fest. Mit ihm soll eine unabhängige Stelle bei der Bundesnetzagentur eingerichtet werden, die auch als Digitale-Dienste-Koordinator im Europäischen Ausschuss der DSA-Zuständigen fungieren wird. Die Landesmedienanstalten, der Bundesdatenschutzbeauftragte, die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendschutz und das Bundeskriminalamt sollen Teilaufgaben der DSA-Durchsetzung übernehmen.

CDU kritisiert ungenügende Verwaltungskapazitäten

Digitalminister Volker Wissing (FDP), im Kabinett zuständig für das Gesetz, betonte, dass mehr als 5.000 Anbieter in Deutschland unter das Digitale-Dienste-Gesetz fallen würden. Sicherheit sei dabei die Voraussetzung für Freiheit, und die werde mit dem DDG geschaffen. Die AfD kritisierte DDG und DSA als Zensurgesetze.

Anders als von der AfD behauptet, gehe es bei DDG und DSA überhaupt nicht um Zensur im Netz, sagte der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Reinhard Brandl. Er kritisierte die Bundesregierung dafür, dass 2024 beim Bundeskriminalamt keine neuen Stellen für die Bearbeitung des erwarteten Meldeaufkommens unter dem DDG geschaffen würden. Damit sei Chaos programmiert, weshalb die Union dem deutschen Begleitgesetz nicht zustimmen könne.

“Dieses Gesetz hat mit Zensur überhaupt nichts zu tun”, sagte Tabea Rößner, Grünenpolitikerin und Vorsitzende des Digitalausschusses. Das DDG und der DSA würden den Rechtsstaat schützen – und ein Mittel gegen einen Teil des vergifteten Diskurses sein.

DDG und DSA sollen Demokratie schützen

Nachdem der Digitalausschuss sich vor einer Woche durch einen Vertreter von X, früher Twitter, Auskunft über dessen Moderationsmechanismen und Strategien im Umgang mit illegalen Inhalten geben ließ, wurde auch das erneut thematisiert. Bei X gebe es gravierende Missstände, was auch nicht überrasche, wenn die Hälfte aller für Moderation Zuständigen entlassen werde. Die Plattform mache sich “mehr und mehr zum Handlanger autoritärer Regime“, sagte der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann. “Mit dem DSA und dem DDG sorgen wir dafür, dass Bürgerinnen und Bürger mehr Macht bekommt gegenüber diesen riesigen Konzernen. Dieses Gesetz ist ein Schutz unserer Demokratie”, betonte der SPD-Politiker.

Konkret änderte der Bundestag mit Koalitionsmehrheit etwa, dass bei der Koordinierungsstelle für digitale Dienste ein Beschwerdemanagementsystem eingerichtet werden muss. Dieses fehlte in der Kabinettsversion noch. Zudem wurden die Vorschriften für die unabhängige Leitung der Koordinierungsstelle nachgeschärft: Der Besetzung soll eine öffentliche Ausschreibung vorangehen und eine fachfremde Besetzung durch die Kriterien “erforderliche Qualifikation, Erfahrung und Sachkunde insbesondere im Bereich der Geschäftsmodelle digitaler Dienste und über Kenntnisse des Rechtsrahmens digitaler Dienste” weitgehend ausgeschlossen werden. fst

  • Bundestag
  • Digital Services Act
  • Digitalpolitik

Französischer Senat lehnt CETA-Ratifizierung ab

Nach einer langen Debatte am Donnerstag (21. März) stimmte ein Großteil der französischen Senatoren gegen die Ratifizierung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada. 211 Senatoren lehnten die Ratifizierung ab, nur 44 Senatoren waren dafür.

Der französische Handelsminister Franck Riester hatte vergebens argumentiert, dass französische Exporte nach Kanada seit Beginn der provisorischen Anwendung des Abkommens im Jahr 2017 um 33% gestiegen waren. Eine breite Koalition von rechten und linken Senatoren stimmte dennoch dagegen. Sie argumentierten, dass das Abkommen französischen Landwirten schade, da kanadische Bauern sich nicht an dieselben Regeln und Auflagen wie europäische Bauern halten müssten.

Über die CETA-Ratifizierung muss nun voraussichtlich die Nationalversammlung nochmals abstimmen. Das Unterhaus des französischen Parlaments hatte 2019 für die Ratifizierung gestimmt. Mittlerweile hat die Regierung Emmanuel Macrons dort aber keine absolute Mehrheit mehr.

Falls auch die Nationalversammlung die CETA-Ratifizierung ablehnt, muss die französische Regierung entscheiden, ob sie Brüssel über die definitive Nicht-Ratifizierung informiert. Wie Table.Briefings berichtete, würde dies die provisorische Anwendung des Handelsabkommens in der ganzen EU infrage stellen. jaa

  • Handel
  • Handelspolitik
  • Kanada

30 Staaten wollen beschleunigten Ausbau von Atomkraft

Rund 30 Staaten wollen sich weltweit für den schnelleren Ausbau und eine einfachere Finanzierung von Atomkraftwerken einsetzen. “Wir verpflichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearenergie voll auszuschöpfen“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung, die am Donnerstag auf dem ersten internationalen Gipfeltreffen für Atomenergie in Brüssel verabschiedet wurde.

Strom aus Atomkraftwerken sei für die Verringerung klimaschädlicher CO2-Emissionen unerlässlich, hieß es weiter. An dem Treffen nahmen unter anderem Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, den Niederlanden und Polen sowie hochrangige Vertreter aus den USA, China und Japan teil. Die Politiker sprachen sich in ihrer Erklärung nicht nur für den Bau neuer AKW, sondern auch für die Verlängerung der Lebenszeit bestehender Anlagen aus. Weiters plädierten sie für den raschen Einsatz neuerer und kleinerer Reaktoren.

Die Teilnehmer riefen internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank dazu auf, Atomprojekte verstärkt zu unterstützen und deuteten an, dass andere alternative Energieträger aus ihrer Sicht von Entwicklungsbanken bislang bevorzugt behandelt würden. Deutschland, das den Atomausstieg vollzogen hat, nahm nicht an dem Treffen teil, das von einem Protest der Umweltorganisation Greenpeace begleitet wurde. dpa

  • Atomkraft
  • Energiepolitik

Portugals konservativer neuer Regierungschef hat keine Mehrheit

Der neu designierte Regierungschef Portugals Luís Montenegro mit Roberta Metsola am 21. März 2024 in Brüssel.

Elf Tage nach der vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal hat Präsident Marcelo Rebelo de Sousa den konservativen Politiker Luís Montenegro zum neuen Regierungschef ernannt. Das teilte das Präsidentenamt in Lissabon am frühen Donnerstagmorgen mit. Montenegros konservatives Bündnis AD hatte bei der Wahl am Sonntag vor einer Woche die meisten Stimmen erhalten und die seit acht Jahren regierenden Sozialisten knapp übertrumpft, eine Parlamentsmehrheit jedoch klar verfehlt.

Montenegro kündigte an, er werde dem Präsidenten am 28. März seine Regierungsmannschaft vorstellen. “Der Amtsantritt wird am 2. April sein“, fügte Montenegro im staatlichen TV-Sender RTP hinzu. Auch wenn er noch nicht im Amt ist, war Montenegro am Donnerstag schon in Brüssel, wo er Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola traf.

Instabile Mehrheitsverhältnisse

Die Wahlergebnisse waren äußerst knapp gewesen. Nach Auszählung aller Stimmen auch aus dem Ausland kamen die Konservativen nur auf 80 der insgesamt 230 Sitze im Parlament, wie die zentrale Wahlkommission mitteilte. Die sozialistische PS büßte im Vergleich zur Wahl von 2022 insgesamt 42 Sitze ein und stellt nur noch 78 Abgeordnete. 

Großer Sieger der Wahl war André Ventura von der rechtspopulistischen Partei Chega (Es reicht), die die Zahl ihrer Sitze von bisher zwölf mehr als vervierfachen konnte und künftig 50 Abgeordnete stellt. Da Montenegro Chega als “ausländerfeindliche” und “rassistische” Partei gebrandmarkt und eine Zusammenarbeit mit den Populisten wiederholt abgelehnt hat, dürfte das Regieren für ihn sehr schwierig werden. Ventura rief Montenegro erneut auf, mit ihm zusammen zu regieren.  Die umfassende Parlamentsmehrheit von AD und Chega zusammen dürfe “nicht wegen eines Egos oder aus Arroganz vergeudet” werden, zitierte ihn die Zeitung Público.

Sollte Montenegro bei der ersten Abstimmung im Parlament über sein Regierungsprogramm keine Mehrheit bekommen, würde eine weitere Neuwahl wahrscheinlicher. Wirklich ernst wird es, wenn Montenegro einen Haushaltsentwurf durchs Parlament bringen muss. Eine “große Koalition” zwischen Konservativen und Sozialisten gilt in Portugal als ausgeschlossen. Ähnlich wie im Nachbarland Spanien trennen die beiden Hauptparteien faktisch unüberwindbare Differenzen. Kleinere Parteien kamen auf insgesamt 22 Sitze. dpa

  • Portugal

Presseschau

EU-Gipfel beschließt Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina WELT
EU-Staaten fordern sofortige Feuerpause im Krieg in Nahost RND
EU-Gipfel: EU-Staaten wollen Militärhilfe für Ukraine absichern HANDELSBLATT
Die EU rüstet militärisch auf – doch wer soll das bezahlen? DIE PRESSE
Streit um Eurobonds: Deutschland und Frankreich stehen vor nächster Zerreißprobe FAZ
Personalausweis: EU muss Abgabe von Fingerabdrücken erneut regeln NETZPOLITIK
Überwachung: EU-Staaten wollen die Chatkontrolle doch noch spruchreif machen HEISE
Ursula Von der Leyen und 14 EU-Staaten sprechen sich für Atomkraft aus HANDELSBLATT
Slowakische Präsidentschaftswahl wird auch Abstimmung über Regierungskurs DER STANDARD
Auch Ziel für 2024 wackelt: Frankreichs Haushaltsdefizit deutlich höher als geplant FAZ
Ceta: Frankreichs Senat stimmt gegen Handelsabkommen mit Kanada HANDELSBLATT
Simon Harris ist Favorit auf Amt des Regierungschefs in Irland HANDELSBLATT
Spanien: Carles Puigdemont will zur Regionalwahl in Katalonien antreten ZEIT

Kolumne

What’s cooking in Brussels? Wiederherstellung der Natur wackelt wieder

Von Claire Stam

“Dieser Krimi nimmt kein Ende”, fasst es die Europaabgeordnete Jutta Paulus zusammen, zuständig für die Grünen/EFA-Fraktion in den Verhandlungen zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur – kurz NRL für Nature Restoration Law.  

Die offizielle Verabschiedung des Gesetzes sollte am kommenden Montag im Rat der Umweltminister erfolgen. Im Prinzip sollte dies eine Formalität sein. Denn die schwierigste Hürde hatte das Gesetz im vergangenen Monat genommen, als es das Europäische Parlament nach einem schwierigen Verfahren verabschiedete. Zuvor hatte sich auch eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten informell für das Gesetz ausgesprochen. Das Vorhaben, das den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten soll, gilt als das wichtigste europäische Umweltgesetz seit 30 Jahren.

Ungarn wechselte die Seiten

Nun hängt es unerwartet wieder am seidenen Faden. Schuld daran ist diesmal der belgische Premierminister Alexander De Croo, ein Liberaler. Zahlreiche Quellen aus verschiedenen Mitgliedsstaaten, Verwaltungen und Nichtregierungsorganisationen deuteten darauf hin, dass De Croo und sein Kabinett seit letzter Woche aktiv Lobbyarbeit in bestimmten europäischen Hauptstädten betrieben haben, um ihre Unterstützung für das Gesetz zurückzuziehen, berichtete am vergangenen Montag die belgische Zeitung De Standaard.

Und das Manöver hat scheinbar bei Ungarn funktioniert. “Ungarn hat auf Betreiben von De Croo die Seiten von Pro auf Kontra gewechselt,” sagte Jutta Paulus. Wenn sich das Land am 25. März im Umweltrat der Stimme enthält oder den Text ablehnt, ändert sich die Mehrheit im EU-Rat. Tatsächlich repräsentieren die 19 Staaten, die das Abkommen derzeit unterstützen, nur 64 Prozent der EU-Bevölkerung, wobei mindestens 65 Prozent erforderlich wären, erklärte die grüne Europaabgeordnete.

Die Botschafter der EU-27 sollten am 20. März im AStV dem Gesetz zustimmen. Wegen Ungarns Kehrtwende hätte es jedoch keine Mehrheit gegeben und das Treffen wurde auf dem heutigen Freitag, 15 Uhr, verschoben, erzählte sie weiter. “Das heißt, man kann davon ausgehen, dass der EU-Gipfel genutzt wird, um bilateral auf Mitgliedstaaten zuzugehen und zu versuchen, eine Mehrheit zu organisieren,” sagte Paulus.  

Unentschlossene könnten doch noch zustimmen

Die Frage ist nun, ob De Croos Manöver erfolgreich sein wird. Auf nationaler Ebene sorgt die Initiative des belgischen Premierministers für große Verärgerung, und das nicht nur, weil diplomatischen Stimmen innerhalb der belgischen EU-Präsidentschaft sich Sorgen um den Ruf ihres Landes machen: Die Grünen sind Teil der von De Croo geführten Regierungskoalition.

Der Druck kommt auch von europäischer Seite. EU-Quellen schließen tatsächlich nicht aus, dass Mitgliedsstaaten, die ihre Enthaltung angedeutet haben, doch mit “Ja” stimmen werden, heißt es. Das wäre das Ergebnis von den von Jutta Paulus angedeuteten bilateralen Gesprächen beim EU-Gipfel.

Von der Leyen müsste Interesse an Erfolg des Gesetzes haben

Eine nicht-belgische diplomatische Quelle hebt außerdem die Rolle hervor, die Ursula von der Leyen spielen könnte. Denn sie habe ein politisches Interesse daran, dass die NRL-Saga ein Ende findet. Schließlich beanspruchte Manfred Weber, der Chef der Europäische Volkspartei, die Urheberschaft des Green Deals für die EVP: “Wir sind die Partei des Green Deal”, sagte er letzten Monat. Die Christdemokraten hätten etwa für das Klimagesetz gestimmt, im Gegensatz zu den Grünen. Allerdings hatte die EVP-Fraktion angesichts lauter werdender Proteste aus Industrie und Landwirtschaft zuletzt mehrere Vorhaben des Gesetzespakets infrage gestellt.

Warum stellt De Croo das Gesetz auf die Kippe und das ausgerechnet mitten in der belgischen EU-Ratspräsidentschaft? Aufgrund der nationalen Wahlen, die am selben Tag wie die Europawahlen in Belgien stattfinden. Wie in einer Reihe europäischer Länder sind die Umfragen positiv für die Rechtsextremen in Belgien, in diesem Fall für die Rechtsextremen in Flandern, erklärt eine belgische diplomatische Quelle.

Gerade in Flandern spielt die Landwirtschaft eine herausragende wirtschaftliche Rolle. “Wie auch in Frankreich wird die Wut der Bauern sehr ernst genommen”, führt unsere Quelle fort. Mit anderen Worten: De Croo versucht, den Aufstieg der extremen Rechten in Belgien einzudämmen, indem er einen europäischen Gesetzentwurf angreift, der nach zahlreichen hitzigen politischen Kämpfen und Kompromissen bereits eine Mehrheit gefunden hatte.

  • Belgien
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  • Nature Restoration Law
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  • Umweltrat
  • Ungarn
  • Wiederherstellung der Natur

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die EU will nun gegen Agrarimporte aus Russland vorgehen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Abend beim Gipfel einen Vorschlag an für hohe Einfuhrzölle auf russisches Getreide, Ölsaaten und verarbeitete Produkte. Dadurch werde verhindert, dass russisches Getreide den EU-Markt für diese Produkte destabilisiere und Russland daran verdiene, sagte sie. Zudem wolle man sicherstellen, “dass illegale russische Exporte von gestohlenem ukrainischem Getreide nicht auf den EU-Markt gelangen”. Schon heute dürfte der Vorschlag kommen.

    Zuvor hatte unter anderem der litauische Präsident Gitanas Nausėda gefordert, russische Getreideimporte zu stoppen. Die Bundesregierung sperrt sich nicht gegen die Pläne, auch wenn man die eingeführten Mengen für nicht so gewichtig hält und ein Stopp daher für recht symbolisch. Aber auch in Berlin erkennt man an, wie groß der Druck der protestierenden Landwirte vielerorts ist, und vor allem auf die polnische Regierung. Ministerpräsident Donald Tusk fordert daher noch weitergehende Importbeschränkungen für ukrainische Agrarerzeugnisse. Die Bundesregierung möchte das abwenden, um nicht eine Lebensader der ukrainischen Wirtschaft abzuklemmen.        

    Der gestrige Gipfeltag endete bereits gegen 22 Uhr. Recht ausgeruht also werden die EU-Staats- und Regierungschefs heute in Brüssel nochmals zusammenkommen. Neben den Agrarthemen nehmen sie sich die Finanzwirtschaft vor, und dabei insbesondere die Kapitalmarktunion.

    Als Scholz gestern vor dem Beginn der Sitzung zu den Medien sprach, wurde er bei diesem Punkt deutlich: “Das wichtigste Defizit in der Wettbewerbsfähigkeit Europas ist die fehlende Kapitalmarktunion und die fehlende Bankenunion”. Die Gespräche gingen zu langsam voran. “Ich möchte, dass wir substanzielle Fortschritte machen in der nächsten Periode”, sagte der Bundeskanzler. Da auch Frankreich drängt, könnte der Gipfel den nötigen Impuls geben, um das seit zehn Jahren stockende Projekt in Gang zu kriegen.

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    Regierungschefs einigen sich auf schärferen Ton gegenüber Israel: Die wichtigsten Einigungen des EU-Gipfels im Überblick

    UNO-Generalsekretär António Guterres im Gespräch mit Mitgliedern des Europäischen Rats.

    Die EU hat ihre Tonart gegenüber Israel verschärft und zu einer “sofortigen humanitären Pause” im Gazastreifen aufgerufen. Diese solle zu einem dauerhaften Waffenstillstand führen, heißt es in der Erklärung des EU-Gipfels. Zugleich forderten die Staats- und Regierungschefs “die bedingungslose Freilassung aller Geiseln”. Israel wurde gedrängt, auf die geplante Bodenoffensive in Rafah zu verzichten, da diese “die ohnehin katastrophale humanitäre Situation (in Gaza) verschlimmern würde”.

    Dem Appell waren stundenlange, kontroverse Diskussionen vorausgegangen. Österreich und Tschechien standen lange auf der Bremse und forderten ein härteres “Wording” zu der Terrororganisation Hamas. Teilweise konnten sie sich durchsetzen. So fordert der Gipfel nun “unabhängige Untersuchungen zu allen Vorwürfen sexueller Gewalt”, die bei den Angriffen am 7. Oktober verübt worden sei. Insgesamt haben sich jedoch die Befürworter einer härteren Linie gegenüber Israel durchgesetzt.

    Eröffnet wurde die Debatte beim Mittagessen mit Uno-Generalsekretär António Guterres. Er forderte die EU auf, bei den Kriegen in der Ukraine und in Gaza keine “Doppelstandards” anzuwenden. Kriegsverbrechen müssten überall geahndet werden. Die Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen sei “beispiellos”, beklagte Guterres. “Wir haben eine Situation der Straflosigkeit, in der jedes Land oder jede bewaffnete Gruppe denkt, dass sie tun kann, was sie will.”

    Belgiens Premierminister Alexander De Croo, sagte, die EU müsse im Nahen Osten die “Führung” übernehmen und dürfe nicht einfach nur den USA folgen. Die USA hatten zuletzt ihre Haltung zum Krieg in Gaza geändert; sie fordern nun eine “sofortige Feuerpause”. Die Schlussfolgerungen des Gipfels liegen weitgehend auf einer Linie mit den USA. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz war auf diese Linie eingeschwenkt.

    Grünes Licht für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien

    Die Staats- und Regierungschefs beschlossen zudem, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Die eigentlichen Gespräche sollen aber erst beginnen, wenn das Land die ausstehenden Reformen durchgeführt hat, die die Kommission in einer Empfehlung vom Oktober 2022 gefordert hatte.

    Auf diese Bedingung hatte insbesondere der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bestanden. “Bosnien hat Fortschritte gemacht”, sagte er. Aber es sei entscheidend, dass das Land “wirklich alle Punkte abhakt”. Um den Start der Gespräche nicht unnötig zu verzögern, soll die Kommission den benötigten Verhandlungsrahmen bereits ausarbeiten. 

    Die Entscheidung für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien war verkompliziert worden, weil einige Länder ihre Zustimmung an schnellere Fortschritte im Beitrittsprozess für die Ukraine und Moldau geknüpft hatten. Der litauische Präsident Gitanas Nausėda forderte, die formellen Verhandlungen bis Juni zu starten. Die Ukraine habe die geforderten Reformen unter schwierigen Umständen geliefert, jetzt sei die EU am Zuge. “Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.”

    Auf den konkreten Zeitpunkt wollten sich andere Mitgliedstaaten aber nicht festlegen. Stattdessen ermuntern die Staats- und Regierungschefs den EU-Rat in den Schlussfolgerungen, den Verhandlungsrahmen für beide Länder “zügig anzunehmen und ohne Verzögerung voranzugehen”. 

    Russische Windfall Profits können für Waffenkäufe benutzt werden

    Auch den Vorschlag der EU-Kommission zu den russischen Zentralbankgeldern haben die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag grundsätzlich gutgeheißen. Den Schlussfolgerungen wurde explizit hinzugefügt, dass die sogenannten Windfall Profits auf die blockierten Gelder auch für Waffen- und Munitionskäufe verwendet werden könnten. Für eine Diskussion im Detail über den Kommissionsvorschlag vom Mittwoch sei es aber zu früh gewesen, so ein Diplomat.

    Die Kommission hat vorgeschlagen, 90 Prozent der jährlich voraussichtlich drei Milliarden Euro für die Europäische Friedensfazilität vorzusehen. Zehn Prozent sollen in diesem Jahr über den EU-Haushalt in den Fonds zur wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierung der Ukraine fließen und ab 2025 dann in das neue Programm zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie (EDIP), an dem sich die Ukraine ebenfalls beteiligen kann.

    Finanzierungsfrage bleibt ungelöst

    Die EU sei entschlossen, die Ukraine “solange wie nötig und so intensiv wie nötig” zu unterstützen, heißt es in den Gipfelschlussfolgerungen. In einer Videoschaltung zu Beginn des Gipfels forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eindringlich um mehr militärische Unterstützung für sein Land: “Leider ist der Einsatz von Artillerie an der Front durch unsere Soldaten beschämend für Europa in dem Sinne, dass Europa mehr leisten kann”. Es sei wichtig, dass Europa beweise, was es könne.

    Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas warb beim EU-Gipfel für ein einheitliches Ziel für Militärhilfen. Wenn jedes Land mindestens 0,25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Militärhilfen zur Verfügung stellen würde, könnten die Ukrainer Russland übertrumpfen.

    Die Europäische Union verpflichtet sich in den Gipfelschlussfolgerungen, Verteidigungsbereitschaft und Fähigkeiten in Einklang mit der wachsenden Bedrohung und den Sicherheitsherausforderungen zu bringen. Grundsätzliche Zustimmung gab es auch zu EDIP und der übergreifenden Strategie (EDIS). Der Gipfel fordert die Kommission, den Außenbeauftragten und den Rat auf, die Arbeit schnell voranzutreiben. Die Frage der Finanzierung des bisher nur mit 1,5 Milliarden Euro bescheiden ausgestatteten Programms war am Rande des Gipfels ein Thema. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis schloss sich der Gruppe der Länder an, die Eurobonds fordern, um Europas Verteidigungsindustrie zu stärken.

    • EDIP
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    Slowakei: Fico-Verbündeter Peter Pellegrini geht als Favorit in Präsidentenwahl

    Peter Pellegrini, Präsidentschaftskandidat und Alliierter des slowakischen Regierungschefs Robert Fico.

    So kurz vor der ersten Runde der Präsidentenwahl am kommenden Samstag wollte die Regie des öffentlich-rechtlichen slowakischen Fernsehens RTVS nur ja keinen Fehler machen. Das hätte gerade noch gefehlt – ausgerechnet bei der Ausrichtung der “Elefantenrunde” aller Kandidaten – durchweg Männer -, die sich anschicken, die scheidende Präsidentin Zuzana Čaputová abzulösen.

    RTVS steht unter gewaltigem politischem Druck. Der seit seinem vierten Amtsantritt vor einem halben Jahr jeden Stein in dem kleinen EU- und Nato-Land umdrehende nationalpopulistische Ministerpräsident Robert Fico, der noch nie ein Freund kritischer Medien gewesen ist, will RTVS das Sterbeglöckchen läuten. Politisch völlig unausgewogen und zu freundlich zur Opposition lauten die Vorwürfe.

    Fico will öffentlich-rechtliches Fernsehen unter seine Kontrolle bringen

    Die Regierung wollte anfangs RTVS als gemeinsame öffentlich-rechtliche Institution für Hörfunk und Fernsehen zerschlagen. Da das nicht so einfach geht, sollen Radio und TV nun doch weiter unter einem Dach, aber mit einem neuen Namen STaR (Slowakisches Fernsehen und Radio) bleiben. Aber als staatlich gelenkte Medien, in denen die Politik das Sagen hat. Die Aufsichtsgremien sollen zu Teilen von den Fraktionen im Parlament und zu Teilen auf Vorschlag des Kulturministeriums gebildet werden. Wichtigstes Ziel dabei: der Chef des staatlichen Kanals soll jederzeit abrufbar sein, falls man das für erforderlich halte.

    Fico will diese grundlegende Änderung im Medienbereich – wie zuvor auch die umfangreiche Strafrechtsreform zur Beendigung der strafrechtlichen Verfolgung von zwielichtigen Leuten aus seinem Umfeld – im “beschleunigten Verfahren” durch das Parlament bringen. Sinn der Übung: die regierungskritische Führung von RTVS soll schnellstmöglich die Kündigung bekommen und durch zuverlässige eigene Leute ersetzt werden.

    Wahlkampfparolen statt Debatte

    Um also ja nicht weiter negativ aufzufallen, dachte sich die Regie für die eingangs erwähnte fast vierstündige “Elefantenrunde” am Mittwoch zur besten Sendezeit einen etwas bizarren Verlauf aus: Jeder Kandidat hatte über den Abend verteilt insgesamt 17 Minuten Redezeit, in der er seine Visionen über die Ausfüllung des höchsten Staatsamtes verkünden durfte. Kritik an einem anderen Kandidaten war untersagt. Selbst der Namen eines Mitbewerbers durfte nicht in den Mund genommen werden. Eine Diskussion war damit völlig ausgeschlossen. Hielt sich jemand nicht an die Regeln, griff das Moderatorenpaar sofort ein.

    Im Kern sagten alle Kandidaten somit mehr oder weniger auswendig gelernte Wahlkampfparolen auf. So richtig wohl fühlten sich dabei nur die totalen Außenseiter. Die beiden klaren Favoriten für die erste Runde der Wahl am Samstag, Ficos Mann Peter Pellegrini, und dessen Widersacher aus dem bürgerlichen Lager, der frühere Botschafter in Deutschland und danach Außenminister Ivan Korčok, kamen sich unter diesen Umständen etwas verloren vor.

    Pellegrini als Alliierter Ficos

    Beiden werden sich nach den letzten Umfragen in der ersten Runde ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Für eine nach Lage der Dinge unvermeidliche Stichwahl am 6. April räumen die Umfrageinstitute Pellegrini die größeren Sieg-Chancen ein. Sollte das so kommen, dann hätte sich der 49-jährige Pellegrini einen großen Traum erfüllt. Der wahre Sieger aber hieße Robert Fico. Mit Pellegrini hätte er genau den Mann im Präsidentenpalais, der ihm freie Hand für weitere umstrittene Reformen geben würde. Und der zudem Leute aus Ficos Umfeld amnestieren könnte, die eine fragwürdige Vergangenheit haben.

    Dass Pellegrini noch einmal für Fico durchs Feuer gehen würde, war vor ein paar Jahren nicht absehbar. Fico musste nach der Ermordung des Investigativ-Journalisten Ján Kuciak 2018 unter dem Druck massiver Straßenproteste zurücktreten. Er schlug Pellegrini als seinen Nachfolger im Amt des Regierungschefs vor. Knapp zwei Jahre füllte Pellegrini dieses Amt aus und emanzipierte sich dabei mehr und mehr von Fico. Die anschließende Parlamentswahl 2020 ging für die Partei von Fico und Pellegrini verloren. In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen um den Parteivorsitz. Die endeten damit, dass Pellegrini eine eigene sozialdemokratische Partei mit liberalem Anstrich (Hlas) gründete.

    Korčok will Gegenpol zu Fico sein

    Nach der letzten Parlamentswahl im vergangenen Herbst wurde Pellegrini Zünglein an der Waage: er hätte eine Koalition sowohl mit Fico als auch den Liberalen eingehen können. Am Ende aber schlug er das Angebot der Liberalen aus und ging in eine Koalition mit Fico und einer rechtspopulistischen Partei.

    Während Pellegrini sich unter dem Motto “Die Slowakei braucht Ruhe!” als Versöhner zwischen den zerstrittenen Lagern anbietet, sieht sich Korčok als klarer Gegenpol zur Fico-Regierung. Seine Warnung: Mit Pellegrini als Präsidend hätte Fico alle Macht im Staat. Und könne ungestört die Slowakei nach dem Vorbild Ungarn seines Freundes Viktor Orbán umgestalten. Inklusive enger Bande zum russischen Kriegsherrn Wladimir Putin in Moskau. Hans-Jörg Schmidt, Prag

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    • Wahlen

    EU-Monitoring

    25.03.2024 – 09:30 Uhr
    Rat der EU: Umwelt
    Themen: Orientierungsaussprache zur Verordnung über die Vermeidung der Freisetzung von Kunststoffgranulat zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik, Gedankenaustausch zur Mitteilung zu Europas Klimaziel für 2040, Informationen des Vorsitzes zur Verordnung über einen Monitoringrahmen für widerstandsfähige europäische Wälder. Vorläufige Tagesordnung

    26.03.2024 – 10:00 Uhr
    Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
    Themen: Gedankenaustausch zu raschen und strukturellen Antworten auf die derzeitige Krise im Agrarsektor, Informationen des Vorsitzes zu den Ergebnissen der Veranstaltungen des Vorsitzes zur Zukunft der Landwirtschaft und der GAP, Informationen des Vorsitzes zu den Ergebnissen des Kolloquiums “Call to Care for Animal Welfare”. Vorläufige Tagesordnung

    27.03.2024
    Wöchentliche Kommissionssitzung
    Themen: Hochschulpaket (Mitteilung über einen Entwurf für einen europäischen Abschluss, Empfehlung des Rates zu attraktiven und nachhaltigen Karrieren an Hochschulen, Empfehlung des Rates zu einem europäischen Qualitätssicherungs- und Anerkennungssystem). Vorläufige Tagesordnung

    News

    ECFR-Studie warnt vor Fehlern im Wahlkampf

    Eine neue Studie des European Council on Foreign Relations warnt die proeuropäischen Parteien davor, im Wahlkampf zu stark mit (vermeintlichen) Erfolgen im Krisenmanagement zu werben. Anders als politisch Verantwortliche wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beurteilten viele Bürger den Umgang mit Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg oder Klimawandel negativ, schreiben die beiden Autoren Ivan Krastev und Mark Leonard auf Basis einer Umfrage in zwölf Mitgliedstaaten. Die Erfolge der EU zu feiern, könne zudem besonders Wähler rechtsextremer Parteien mobilisieren, welche die Bewältigung der verschiedenen Krisen sehr kritisch sähen.

    Darüber hinaus warnen die beiden Wissenschaftler davor, in die “Migrationsfalle” zu tappen. Viele Parteien versuchten, dieses Thema zu neutralisieren, indem sie den Hardliner-Kurs von Rechtsaußen-Parteien nachahmten. In den meisten Ländern mit Ausnahme von Österreich und Deutschland sei Einwanderung aus Sicht der Bürger aber nicht die drängendste Krise. Zudem nähmen viele migrationskritische Wähler den Parteien der Mitte den harten Kurs nicht ab.

    Krastev und Leonard empfehlen, stattdessen andere Themen in den Fokus zu rücken. So seien häufig gerade Frauen unentschlossen, ob sie zur Wahl gehen sollten. “Einige von ihnen könnten von Parteien angezogen werden, die ihre Glaubwürdigkeit bei der Bewältigung von Anliegen unter Beweis stellen, die bei Frauen weit verbreitet sind, zum Beispiel in Bezug auf Abtreibungsgesetze, Gleichstellung am Arbeitsplatz und Minderheitenrechte.” tho

    • Europapolitik
    • Europawahlen 2024
    • Rechtsextremismus

    Bundestag stimmt Digitale-Dienste-Gesetz zu

    Das am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Digitale-Dienste-Gesetz legt in erster Linie die Zuständigkeiten für die Durchsetzung des DSA innerhalb der Bundesrepublik fest. Mit ihm soll eine unabhängige Stelle bei der Bundesnetzagentur eingerichtet werden, die auch als Digitale-Dienste-Koordinator im Europäischen Ausschuss der DSA-Zuständigen fungieren wird. Die Landesmedienanstalten, der Bundesdatenschutzbeauftragte, die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendschutz und das Bundeskriminalamt sollen Teilaufgaben der DSA-Durchsetzung übernehmen.

    CDU kritisiert ungenügende Verwaltungskapazitäten

    Digitalminister Volker Wissing (FDP), im Kabinett zuständig für das Gesetz, betonte, dass mehr als 5.000 Anbieter in Deutschland unter das Digitale-Dienste-Gesetz fallen würden. Sicherheit sei dabei die Voraussetzung für Freiheit, und die werde mit dem DDG geschaffen. Die AfD kritisierte DDG und DSA als Zensurgesetze.

    Anders als von der AfD behauptet, gehe es bei DDG und DSA überhaupt nicht um Zensur im Netz, sagte der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Reinhard Brandl. Er kritisierte die Bundesregierung dafür, dass 2024 beim Bundeskriminalamt keine neuen Stellen für die Bearbeitung des erwarteten Meldeaufkommens unter dem DDG geschaffen würden. Damit sei Chaos programmiert, weshalb die Union dem deutschen Begleitgesetz nicht zustimmen könne.

    “Dieses Gesetz hat mit Zensur überhaupt nichts zu tun”, sagte Tabea Rößner, Grünenpolitikerin und Vorsitzende des Digitalausschusses. Das DDG und der DSA würden den Rechtsstaat schützen – und ein Mittel gegen einen Teil des vergifteten Diskurses sein.

    DDG und DSA sollen Demokratie schützen

    Nachdem der Digitalausschuss sich vor einer Woche durch einen Vertreter von X, früher Twitter, Auskunft über dessen Moderationsmechanismen und Strategien im Umgang mit illegalen Inhalten geben ließ, wurde auch das erneut thematisiert. Bei X gebe es gravierende Missstände, was auch nicht überrasche, wenn die Hälfte aller für Moderation Zuständigen entlassen werde. Die Plattform mache sich “mehr und mehr zum Handlanger autoritärer Regime“, sagte der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann. “Mit dem DSA und dem DDG sorgen wir dafür, dass Bürgerinnen und Bürger mehr Macht bekommt gegenüber diesen riesigen Konzernen. Dieses Gesetz ist ein Schutz unserer Demokratie”, betonte der SPD-Politiker.

    Konkret änderte der Bundestag mit Koalitionsmehrheit etwa, dass bei der Koordinierungsstelle für digitale Dienste ein Beschwerdemanagementsystem eingerichtet werden muss. Dieses fehlte in der Kabinettsversion noch. Zudem wurden die Vorschriften für die unabhängige Leitung der Koordinierungsstelle nachgeschärft: Der Besetzung soll eine öffentliche Ausschreibung vorangehen und eine fachfremde Besetzung durch die Kriterien “erforderliche Qualifikation, Erfahrung und Sachkunde insbesondere im Bereich der Geschäftsmodelle digitaler Dienste und über Kenntnisse des Rechtsrahmens digitaler Dienste” weitgehend ausgeschlossen werden. fst

    • Bundestag
    • Digital Services Act
    • Digitalpolitik

    Französischer Senat lehnt CETA-Ratifizierung ab

    Nach einer langen Debatte am Donnerstag (21. März) stimmte ein Großteil der französischen Senatoren gegen die Ratifizierung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada. 211 Senatoren lehnten die Ratifizierung ab, nur 44 Senatoren waren dafür.

    Der französische Handelsminister Franck Riester hatte vergebens argumentiert, dass französische Exporte nach Kanada seit Beginn der provisorischen Anwendung des Abkommens im Jahr 2017 um 33% gestiegen waren. Eine breite Koalition von rechten und linken Senatoren stimmte dennoch dagegen. Sie argumentierten, dass das Abkommen französischen Landwirten schade, da kanadische Bauern sich nicht an dieselben Regeln und Auflagen wie europäische Bauern halten müssten.

    Über die CETA-Ratifizierung muss nun voraussichtlich die Nationalversammlung nochmals abstimmen. Das Unterhaus des französischen Parlaments hatte 2019 für die Ratifizierung gestimmt. Mittlerweile hat die Regierung Emmanuel Macrons dort aber keine absolute Mehrheit mehr.

    Falls auch die Nationalversammlung die CETA-Ratifizierung ablehnt, muss die französische Regierung entscheiden, ob sie Brüssel über die definitive Nicht-Ratifizierung informiert. Wie Table.Briefings berichtete, würde dies die provisorische Anwendung des Handelsabkommens in der ganzen EU infrage stellen. jaa

    • Handel
    • Handelspolitik
    • Kanada

    30 Staaten wollen beschleunigten Ausbau von Atomkraft

    Rund 30 Staaten wollen sich weltweit für den schnelleren Ausbau und eine einfachere Finanzierung von Atomkraftwerken einsetzen. “Wir verpflichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearenergie voll auszuschöpfen“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung, die am Donnerstag auf dem ersten internationalen Gipfeltreffen für Atomenergie in Brüssel verabschiedet wurde.

    Strom aus Atomkraftwerken sei für die Verringerung klimaschädlicher CO2-Emissionen unerlässlich, hieß es weiter. An dem Treffen nahmen unter anderem Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, den Niederlanden und Polen sowie hochrangige Vertreter aus den USA, China und Japan teil. Die Politiker sprachen sich in ihrer Erklärung nicht nur für den Bau neuer AKW, sondern auch für die Verlängerung der Lebenszeit bestehender Anlagen aus. Weiters plädierten sie für den raschen Einsatz neuerer und kleinerer Reaktoren.

    Die Teilnehmer riefen internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank dazu auf, Atomprojekte verstärkt zu unterstützen und deuteten an, dass andere alternative Energieträger aus ihrer Sicht von Entwicklungsbanken bislang bevorzugt behandelt würden. Deutschland, das den Atomausstieg vollzogen hat, nahm nicht an dem Treffen teil, das von einem Protest der Umweltorganisation Greenpeace begleitet wurde. dpa

    • Atomkraft
    • Energiepolitik

    Portugals konservativer neuer Regierungschef hat keine Mehrheit

    Der neu designierte Regierungschef Portugals Luís Montenegro mit Roberta Metsola am 21. März 2024 in Brüssel.

    Elf Tage nach der vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal hat Präsident Marcelo Rebelo de Sousa den konservativen Politiker Luís Montenegro zum neuen Regierungschef ernannt. Das teilte das Präsidentenamt in Lissabon am frühen Donnerstagmorgen mit. Montenegros konservatives Bündnis AD hatte bei der Wahl am Sonntag vor einer Woche die meisten Stimmen erhalten und die seit acht Jahren regierenden Sozialisten knapp übertrumpft, eine Parlamentsmehrheit jedoch klar verfehlt.

    Montenegro kündigte an, er werde dem Präsidenten am 28. März seine Regierungsmannschaft vorstellen. “Der Amtsantritt wird am 2. April sein“, fügte Montenegro im staatlichen TV-Sender RTP hinzu. Auch wenn er noch nicht im Amt ist, war Montenegro am Donnerstag schon in Brüssel, wo er Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola traf.

    Instabile Mehrheitsverhältnisse

    Die Wahlergebnisse waren äußerst knapp gewesen. Nach Auszählung aller Stimmen auch aus dem Ausland kamen die Konservativen nur auf 80 der insgesamt 230 Sitze im Parlament, wie die zentrale Wahlkommission mitteilte. Die sozialistische PS büßte im Vergleich zur Wahl von 2022 insgesamt 42 Sitze ein und stellt nur noch 78 Abgeordnete. 

    Großer Sieger der Wahl war André Ventura von der rechtspopulistischen Partei Chega (Es reicht), die die Zahl ihrer Sitze von bisher zwölf mehr als vervierfachen konnte und künftig 50 Abgeordnete stellt. Da Montenegro Chega als “ausländerfeindliche” und “rassistische” Partei gebrandmarkt und eine Zusammenarbeit mit den Populisten wiederholt abgelehnt hat, dürfte das Regieren für ihn sehr schwierig werden. Ventura rief Montenegro erneut auf, mit ihm zusammen zu regieren.  Die umfassende Parlamentsmehrheit von AD und Chega zusammen dürfe “nicht wegen eines Egos oder aus Arroganz vergeudet” werden, zitierte ihn die Zeitung Público.

    Sollte Montenegro bei der ersten Abstimmung im Parlament über sein Regierungsprogramm keine Mehrheit bekommen, würde eine weitere Neuwahl wahrscheinlicher. Wirklich ernst wird es, wenn Montenegro einen Haushaltsentwurf durchs Parlament bringen muss. Eine “große Koalition” zwischen Konservativen und Sozialisten gilt in Portugal als ausgeschlossen. Ähnlich wie im Nachbarland Spanien trennen die beiden Hauptparteien faktisch unüberwindbare Differenzen. Kleinere Parteien kamen auf insgesamt 22 Sitze. dpa

    • Portugal

    Presseschau

    EU-Gipfel beschließt Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina WELT
    EU-Staaten fordern sofortige Feuerpause im Krieg in Nahost RND
    EU-Gipfel: EU-Staaten wollen Militärhilfe für Ukraine absichern HANDELSBLATT
    Die EU rüstet militärisch auf – doch wer soll das bezahlen? DIE PRESSE
    Streit um Eurobonds: Deutschland und Frankreich stehen vor nächster Zerreißprobe FAZ
    Personalausweis: EU muss Abgabe von Fingerabdrücken erneut regeln NETZPOLITIK
    Überwachung: EU-Staaten wollen die Chatkontrolle doch noch spruchreif machen HEISE
    Ursula Von der Leyen und 14 EU-Staaten sprechen sich für Atomkraft aus HANDELSBLATT
    Slowakische Präsidentschaftswahl wird auch Abstimmung über Regierungskurs DER STANDARD
    Auch Ziel für 2024 wackelt: Frankreichs Haushaltsdefizit deutlich höher als geplant FAZ
    Ceta: Frankreichs Senat stimmt gegen Handelsabkommen mit Kanada HANDELSBLATT
    Simon Harris ist Favorit auf Amt des Regierungschefs in Irland HANDELSBLATT
    Spanien: Carles Puigdemont will zur Regionalwahl in Katalonien antreten ZEIT

    Kolumne

    What’s cooking in Brussels? Wiederherstellung der Natur wackelt wieder

    Von Claire Stam

    “Dieser Krimi nimmt kein Ende”, fasst es die Europaabgeordnete Jutta Paulus zusammen, zuständig für die Grünen/EFA-Fraktion in den Verhandlungen zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur – kurz NRL für Nature Restoration Law.  

    Die offizielle Verabschiedung des Gesetzes sollte am kommenden Montag im Rat der Umweltminister erfolgen. Im Prinzip sollte dies eine Formalität sein. Denn die schwierigste Hürde hatte das Gesetz im vergangenen Monat genommen, als es das Europäische Parlament nach einem schwierigen Verfahren verabschiedete. Zuvor hatte sich auch eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten informell für das Gesetz ausgesprochen. Das Vorhaben, das den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten soll, gilt als das wichtigste europäische Umweltgesetz seit 30 Jahren.

    Ungarn wechselte die Seiten

    Nun hängt es unerwartet wieder am seidenen Faden. Schuld daran ist diesmal der belgische Premierminister Alexander De Croo, ein Liberaler. Zahlreiche Quellen aus verschiedenen Mitgliedsstaaten, Verwaltungen und Nichtregierungsorganisationen deuteten darauf hin, dass De Croo und sein Kabinett seit letzter Woche aktiv Lobbyarbeit in bestimmten europäischen Hauptstädten betrieben haben, um ihre Unterstützung für das Gesetz zurückzuziehen, berichtete am vergangenen Montag die belgische Zeitung De Standaard.

    Und das Manöver hat scheinbar bei Ungarn funktioniert. “Ungarn hat auf Betreiben von De Croo die Seiten von Pro auf Kontra gewechselt,” sagte Jutta Paulus. Wenn sich das Land am 25. März im Umweltrat der Stimme enthält oder den Text ablehnt, ändert sich die Mehrheit im EU-Rat. Tatsächlich repräsentieren die 19 Staaten, die das Abkommen derzeit unterstützen, nur 64 Prozent der EU-Bevölkerung, wobei mindestens 65 Prozent erforderlich wären, erklärte die grüne Europaabgeordnete.

    Die Botschafter der EU-27 sollten am 20. März im AStV dem Gesetz zustimmen. Wegen Ungarns Kehrtwende hätte es jedoch keine Mehrheit gegeben und das Treffen wurde auf dem heutigen Freitag, 15 Uhr, verschoben, erzählte sie weiter. “Das heißt, man kann davon ausgehen, dass der EU-Gipfel genutzt wird, um bilateral auf Mitgliedstaaten zuzugehen und zu versuchen, eine Mehrheit zu organisieren,” sagte Paulus.  

    Unentschlossene könnten doch noch zustimmen

    Die Frage ist nun, ob De Croos Manöver erfolgreich sein wird. Auf nationaler Ebene sorgt die Initiative des belgischen Premierministers für große Verärgerung, und das nicht nur, weil diplomatischen Stimmen innerhalb der belgischen EU-Präsidentschaft sich Sorgen um den Ruf ihres Landes machen: Die Grünen sind Teil der von De Croo geführten Regierungskoalition.

    Der Druck kommt auch von europäischer Seite. EU-Quellen schließen tatsächlich nicht aus, dass Mitgliedsstaaten, die ihre Enthaltung angedeutet haben, doch mit “Ja” stimmen werden, heißt es. Das wäre das Ergebnis von den von Jutta Paulus angedeuteten bilateralen Gesprächen beim EU-Gipfel.

    Von der Leyen müsste Interesse an Erfolg des Gesetzes haben

    Eine nicht-belgische diplomatische Quelle hebt außerdem die Rolle hervor, die Ursula von der Leyen spielen könnte. Denn sie habe ein politisches Interesse daran, dass die NRL-Saga ein Ende findet. Schließlich beanspruchte Manfred Weber, der Chef der Europäische Volkspartei, die Urheberschaft des Green Deals für die EVP: “Wir sind die Partei des Green Deal”, sagte er letzten Monat. Die Christdemokraten hätten etwa für das Klimagesetz gestimmt, im Gegensatz zu den Grünen. Allerdings hatte die EVP-Fraktion angesichts lauter werdender Proteste aus Industrie und Landwirtschaft zuletzt mehrere Vorhaben des Gesetzespakets infrage gestellt.

    Warum stellt De Croo das Gesetz auf die Kippe und das ausgerechnet mitten in der belgischen EU-Ratspräsidentschaft? Aufgrund der nationalen Wahlen, die am selben Tag wie die Europawahlen in Belgien stattfinden. Wie in einer Reihe europäischer Länder sind die Umfragen positiv für die Rechtsextremen in Belgien, in diesem Fall für die Rechtsextremen in Flandern, erklärt eine belgische diplomatische Quelle.

    Gerade in Flandern spielt die Landwirtschaft eine herausragende wirtschaftliche Rolle. “Wie auch in Frankreich wird die Wut der Bauern sehr ernst genommen”, führt unsere Quelle fort. Mit anderen Worten: De Croo versucht, den Aufstieg der extremen Rechten in Belgien einzudämmen, indem er einen europäischen Gesetzentwurf angreift, der nach zahlreichen hitzigen politischen Kämpfen und Kompromissen bereits eine Mehrheit gefunden hatte.

    • Belgien
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    • Ungarn
    • Wiederherstellung der Natur

    Europe.Table Redaktion

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