die hohen Erwartungen und großen Hoffnungen, die der Amazonas-Gipfel gerade bei Klima- und Umweltschützern geweckt hatte, konnte das Treffen der acht Anrainerstaaten im brasilianischen Belém nicht erfüllen. Dennoch kann die Abschlusserklärung eine Grundlage für weitreichende Kooperationen zum Schutz der Wälder sein. Dabei gibt sie der EU ein deutliches Signal.
Bereits in einem der ersten Absätze verurteilen die acht Staaten die “Verbreitung einseitiger Handelsmaßnahmen, die auf der Grundlage von Umweltanforderungen und -standards zu Handelshemmnissen führen.” Zwar wird die Europäische Union nicht explizit erwähnt. Dennoch wird deutlich, dass es hier um die Verhandlungen des Mercosur-Staatenbunds mit der EU geht.
Das, was die EU Nachhaltigkeitsregeln nennt, beschreibt das Abschlussdokument als Handelshemmnisse, die in erster Linie heimische Kleinerzeuger belasten und ihr “Streben nach nachhaltiger Entwicklung” sowie ihren Kampf gegen Armut und Hunger erschweren. (Die ausführliche Analyse von Daniela Chiaretti zum Amazonas-Gipfel lesen Sie bei den Kollegen von Climate.Table.)
In die gleiche Richtung gehen die Äußerungen von Paraguays designiertem Präsidenten Santiago Peña. Sein Land gehört zwar nicht zu den Amazonas-Anrainern, wohl aber zu Mercosur wie Brasilien auch. Mercosur und die EU sollten die Gespräche über ein Freihandelsabkommen auf Eis legen, sagte Peña in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. Die derzeitigen Umweltforderungen der EU seien “inakzeptabel”. Sie behinderten etwa die wirtschaftliche Entwicklung des wichtigsten Sojaexporteurs Paraguays.
Die Europäische Kommission ist jedoch weiter fest entschlossen, das EU-Mercosur-Abkommen vor Ende des Jahres zum Abschluss zu bringen. Derzeit bereiten Mercosur-Vertreter einen Gegenvorschlag vor. Darin will die EU ihre Vorschläge zur Nachhaltigkeit und dem Schutz der Wälder berücksichtigt sehen. Die Mercosur-Staaten kritisieren die Umweltauflagen ihrerseits als reinen Protektionismus.
Daher meint Peña, die EU müsse klarstellen, ob sie ein Freihandelsabkommen vorantreiben wolle oder nicht. “Heute bezweifle ich, dass sie ein echtes Interesse daran hat.” Aus seiner Sicht sollten die Verhandlungen abgeschlossen sein und einfach eine Entscheidung getroffen werden: “Wollen wir das, oder wollen wir das nicht?” Aber wie so oft, so einfach ist die Sache nicht.
Herr Lins, Moskau hat das Getreideabkommen aufgekündigt und bombardiert die Logistik für den Getreideexport der Ukraine. Wie läuft der Export der Ernte?
Sehr stockend. Wichtig ist, dass die EU jetzt der Ukraine eine Perspektive gibt und alle möglichen Grenzübergänge öffnet und Logistikinfrastruktur für den Abtransport zur Verfügung stellt.
Im vergangenen Jahr war es gelungen, über die EU 33 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide auszuführen. Um welche Mengen geht es dieses Mal?
Die Schätzungen belaufen sich auf 50 Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide, das in der Saison 2023/24 zur Ausfuhr bereitstehen würde. Insgesamt sind im vergangenen Jahr über 60 Millionen Tonnen ausgeführt worden, ein Großteil über die Schwarzmeerhäfen und besagte 33 Millionen Tonnen über das EU-Festland. In diesem Jahr dürften die ukrainische Ernte etwas niedriger sein. Gründe sind die Verminung der Felder, Treibstoff- und Düngermangel.
Wie sind die Prognosen?
Im letzten Jahr betrug die Ernte etwa 58 Millionen Tonnen, hinzu kamen Restbestände aus dem Vorjahr. Nun geht man von einer Ernte von knapp 50 Millionen Tonnen in der Ukraine aus. Das sind Schätzungen, die Ernte ist noch nicht abgeschlossen. Gerste ist eingefahren, Weizen läuft gerade, Mais kommt erst im Herbst. Die Prognosen für Mais sind daher am unsichersten. Man kann damit rechnen, dass in dieser Saison 20 Prozent weniger Getreide aus der Ukraine kommt.
Ist es realistisch, diese Mengen ohne Transport über das Schwarzmeer zu exportieren?
Ich halte es für möglich, wenn die EU und die Kommission sich endlich stärker engagieren.
Was ist nötig?
Der Transport über Land ist teurer, weil die Strecken länger sind. Der Transport per Lastwagen kostet am meisten, aber auch der Zug ist deutlich teurer als das Schiff. Die EU sollte Logistikzuschüsse gewähren, damit die Transportkosten für die Unternehmen heruntergehen. Der Agrarkommissar hat sich diesen Vorschlag des Agrarausschusses kürzlich zu eigen gemacht, was ich ausdrücklich begrüße.
Wie soll das funktionieren?
Die Getreidehändler müssten vorweisen, wohin das Getreide gehen soll. Zum Beispiel: Destination Polen wäre nicht ok, weil es dort einen Überschuss gibt. Destination Spanien etwa, wo Futtergetreide in diesem Jahr gebraucht wird, wäre ok. Dafür würde es Logistikzuschüsse geben. Anhand der Kalkulation und dem Weltmarktpreis wird deutlich, wie hoch der Transportzuschuss sein muss, damit der Händler wettbewerbsfähig wird.
Soll es Zuschüsse für alle Getreidedeals aus der Ukraine geben?
Es muss Priorität der EU sein, ukrainischen Brotweizen auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu machen. Wenn Russland Brotweizen etwa in Länder wie Tunesien oder Ägypten exportiert, können russische Händler bessere Preise machen als ukrainische Händler, die den aufwendigeren Transport über Land bezahlen müssen. Da ist die Sache am eindeutigsten. Ich sehe aber auch Handlungsbedarf für die EU bei Ölsaaten, also Raps und Sonnenblumen, sowohl für Drittmärkte als auch für den EU-Markt.
Warum?
Gerade bei Futtergetreide sind Lieferanten aus Südamerika Konkurrenten auf dem EU-Markt für Händler von ukrainischem Getreide. Spanien braucht, zumal in diesem Jahr, große Mengen Futtergetreide. Wenn der Transport auf dem Landweg ukrainisches Getreide verteuert, ist Soja aus Südamerika häufig günstiger. Das sollte ausgeglichen werden.
Preisverzerrungen auf den EU-Märkten befürchten Sie nicht?
Es bedarf einer sorgfältigen Abwägung, Beobachtung der Entwicklungen und Organisation der Logistikhilfen. Es geht ausdrücklich nicht darum, den EU-Markt zu fluten und hier die Preise in den Keller zu bringen. Der Drittmarkt ist im Fokus: Die EU sollte sich nicht damit abfinden, dass Russland den Vorteil der Direktverschiffung über das Schwarzmeer dafür nutzen kann, das Geschäft mit Brotweizen zu dominieren.
Wie hat Agrarkommissar Janusz Wojciechowski die Krise bisher gemanagt?
Das Krisenmanagement des polnischen Landwirtschaftskommissars ist mangelhaft. Er hat sich am Anfang des Krieges für die Solidarity Lanes eingesetzt. Als er Gegenwind aus seinem Heimatland spürte, hat er aber beigedreht. Seine Tatenlosigkeit hat dazu beigetragen, dass die Lage in den Anrainerstaaten so schlimm wurde und ukrainische Agrarprodukte dort in großen Mengen verblieben. Dies hatte zur Folge, dass Polen und die vier anderen Nachbarstaaten der Ukraine im Mai den Importstopp für ihre Länder erwirkten. Wenn der Kommissar früher den Weg frei gemacht hätte für Logistikhilfen, die der Ausschuss schon lange fordert, wäre es gar nicht so weit gekommen.
Wie kann die Kommission den Weg frei machen für Logistikhilfen?
Das Geld dafür ist derzeit nicht verfügbar. Es gibt auch keine Schätzungen, wie teuer die Logistikhilfen wären. Die Kommission muss jetzt eine Initiative dafür ergreifen. Es bedarf des politischen Willens. Ich fordere den deutschen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf, eine Koalition der Willigen zu schmieden. Er sollte jetzt Gleichgesinnte unter den Mitgliedstaaten suchen und den Stein ins Rollen bringen. Es ist in unserem Interesse, die Ernährungssituation auf der Welt zu stabilisieren. Dazu würde das ukrainische Getreide beitragen. Die Kosten für Europa werden höher sein, sollte die EU nicht handeln. Wir haben erlebt, wie Putin auf dem jüngsten Gipfel in Petersburg Weizen verschenkt hat. Wir müssen verhindern, dass die ärmsten Länder komplett von Russland abhängig werden.
Ist mit Preisanstiegen zu rechnen?
Man muss mit höheren Preisen für Brotweizen rechnen. Die Qualitäten des Brotweizens leiden darunter, dass es in diesem Jahr erst zu trocken war und jetzt zu nass ist. Es wird dadurch deutlich mehr Futterweizen vorhanden sein. Der Handel erwartet mindestens zwölf Prozent Proteingehalt bei Brotweizen. Ab 14 Prozent spricht man von Eliteweizen. Die Preisspanne zwischen Brot- und Futterweizen dürfte also auseinandergehen. Bei Mais wird nach wie vor eine gute Ernte erwartet.
Wen träfen Preissteigerungen?
Es trifft besonders die Länder, die auf Brotweizenimporte angewiesen sind. Es trifft aber auch die EU, weil bei uns Weltmarktpreise gezahlt werden. Im Mai 2022 hatten wir Höchstpreise von 430 Euro je Tonne Weizen, im Augenblick liegt der Preis bei 220 Euro. Eine moderate Steigerung wäre also verkraftbar.
Welche Rolle spielt die EU beim Brotweizen?
Die EU exportiert deutlich mehr Brotweizen als die Ukraine. Es müsste jetzt auch darum gehen, den EU-Export von Getreide zu sichern. Die Kommission sollte für die nächste Ernte ein Signal setzen und die befristete Außerkraftsetzung der Regeln für Flächenstilllegung und Fruchtfolge noch einmal verlängern. Diese Maßnahme hat dazu beigetragen, dass die Ernte in der EU dieses Jahr nicht geringer ausfällt als 2022, vielleicht gibt es sogar ein Plus von bis zu drei Prozent.
Im Mai meldete die Polizei der Stadt Baotou in der inneren Mongolei, dass ein Mann mithilfe von Deepfake-Technologie um umgerechnet 622.000 US-Dollar betrogen wurde. Ein Hacker hatte ihn mit einem täuschend echten KI-Klon eines Freundes hinters Licht geführt. In einem Video-Call erklärte er, dringend Geld zu benötigen. Dabei handelte es sich nicht um das naive Opfer eines Enkel-Tricks. Der betrogene Mann ist leitender Angestellter einer Tech-Firma aus Fuzhou. Trotzdem hat ihn die lebensechte Körpersprache und Stimme seines falschen Freundes so sehr getäuscht, dass er umgehend den Geldbeutel zückte.
Der Begriff Deepfake setzt sich zusammen aus Deep Learning (ein Teilbereich des maschinellen Lernens) und Fake (Fälschung). Lippensynchrone Bild- und Videofälschungen mit künstlicher Intelligenz können dank wachsender Rechenleistung und Speicherkapazitäten immer müheloser umgesetzt werden. Die Ergebnisse dieser Deepfakes sind für den Laien kaum noch vom Original zu unterscheiden. Das beweisen gefälschte Reden von Politikern wie Putin oder Trump. Fälscher setzen die Technik zum Beispiel ein, um im Internet Klicks zu generieren – etwa indem sie prominente Schauspieler in Filme versetzen, in denen diese nie mitgespielt haben.
Deepfake-Technologie birgt große Gefahren, etwa wenn gefälschte Politikerreden für bare Münze genommen oder gezielt in politischen Verleumdungskampagnen eingesetzt werden. Schon jetzt wird der digitale Identitätsklau massiv für pornografische Videos und zunehmend auch für Erpressungen eingesetzt.
Weltweit haben die Betrugsfälle mit Deepfakes in den vergangenen drei Jahren massiv zugenommen. Das hat das auf KI-Sicherheit spezialisierte Unternehmen Sumsub errechnet. Besonders betroffen waren Australien (5,3 Prozent), Argentinien (5,1 Prozent) und China (4,9 Prozent), was den Anteil von Deepfakes an Betrugsverbrechen in den Jahren 2022 und 2023 betrug.
Obwohl der betrogene Tech-Executive in der Inneren Mongolei den Großteil seines Geldes mithilfe der Polizei zurückbekam, löste der Fall in China hitzige Diskussionen über Online-Sicherheit aus. Die Internet Society of China gab eine Warnung heraus, in der sie die Öffentlichkeit zu erhöhter Wachsamkeit aufruft.
In China, dessen Medienwelt von professionellen Live-Streamern durchdrungen ist, ist die Angst vor Online-Betrug realer als in Deutschland. So kam es in den vergangenen Monaten zum Beispiel immer häufiger vor, dass unbekannte Online-Influencer sich auf Video-Seiten wie Bilibili mit Faceswap-Technik als Celebrities ausgaben und Klicks und Geld generierten.
Auch die Musikindustrie führt derzeit einen erbitterten Kampf gegen die wirtschaftlichen Bedrohungen durch Deepfakes. So berichtet die FT, dass Universal Music gerade mit Google über die Lizenzierung von Melodien und Stimmen von Künstlern für Songs verhandelt, die Dritte mittels Künstlicher Intelligenz produzieren. Denn bisher werden bekannte Stimmen und populäre Melodien in der Regel ohne die Zustimmung der Künstler verwendet.
Peking bewertet Deepfake-Technik als hochriskant, nicht zuletzt da sie das Potenzial hat, die öffentliche Ordnung zu untergraben. Schon im Januar hatte Chinas Cyberspace-Verwaltung (CAC) eine Reihe von Regularien zur sogenannten “Technologie der Tiefensynthese” erlassen. Inhalte, die “die nationale Sicherheit und die nationalen Interessen gefährden und das nationale Image schädigen” sind nach den “Vorschriften für die Verwaltung von Internet-Informationsdiensten in der Tiefensynthese” von vornherein verboten.
Von Anbietern harmloserer Inhalte verlangt die Behörde eine “auffällige Kennzeichnung” von KI-generierten Inhalten, da sie sonst “in der Öffentlichkeit Verwirrung stiften oder zu einer falschen Identifizierung führen können”. Nutzer müssten authentische Medieninhalte sofort von Fälschungen unterscheiden können. Genannt werden etwa Wasserzeichen. Zuwiderhandlung der Kennzeichnung steht unter Strafe.
Alle Produzenten von Deepfakes und Nutzer von Deepfake-Dienstleistungen wie Faceswap-Apps müssen sich gemäß der neuen Regeln zudem mit echtem Namen registrieren. Ein Kalkül ist, dass bestimmte Deepfakes bei diesem Aufwand gar nicht erst entstehen. Chinas Cyberspace-Verwaltung bekräftigte diesen Monat zudem, dass alle generativen KI-Dienste im Einklang mit den sozialistischen Grundwerten der Partei stehen müssen.
China ist eines der ersten Länder, das umfassende Regeln zum Umgang mit Deepfake-Technologie vorgelegt hat. Andere Länder wie Taiwan, England und einige US-Staaten wie Florida gehen bereits gesetzlich gegen bestimmte Teilbereiche wie künstlich erstellte Pornos und gefälschte Politikerreden vor. Andernorts arbeiten Regierungen daran, bestehende Regelwerke an die neuen Gefahren anzupassen. So erweitert um Beispiel Singapur den Personal Data Protection Act (PDPA), der die Erhebung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten regelt, hinsichtlich Deepfake-Risiken.
Auch die Europäische Union will mit dem AI Act, ihrem eigenen Regelwerk zur künstlichen Intelligenz, Deepfakes eindämmen. Bis die Verhandlungen zum AI Act abgeschlossen sind und der AI Act in Kraft tritt, besteht dennoch keine Regellosigkeit. So hat die EU Anfang Juni einen verschärften Verhaltenskodex gegen Desinformation vorgelegt, den mehr als 40 Unternehmen unterzeichnet haben.
Schnelles Handeln ist in jedem Fall angesagt. Mit immer größeren Bandbreiten können schon bald nicht mehr nur Personen, sondern ganze Szenarien so realistisch gefälscht werden, dass man sie nicht von tatsächlichen Ereignissen unterscheiden kann. Der KI-Experte Kai-Fu Lee schreibt in seinem jüngsten Buch, einem Zukunftsausblick ins Jahr 2041, dass Anti-Deepfake-Programme bald so normal sein werden wie Anti-Viren-Software.
Sowohl Facebook als auch Google haben bereits Preise für die beste Deepfake-Erkennungssoftware ausgelobt. Doch auch die Fälschungen dürften dabei immer besser werden. Ein Katz-und-Maus-Spiel mit unbekanntem Ausgang, glaubt Lee. Er sagt: Wir müssen uns an eine Welt gewöhnen, in der wir noch mehr als heute alles hinterfragen müssen, was uns im Netz serviert wird. Auch deshalb wird es ohne verbindliche Gesetze und entsprechende Strafen nicht gehen.
Die Texte der Table.Media-Serie “Der Globale Wettlauf um Künstliche Intelligenz” finden Sie hier.
14.08.-18.08.2023, Bonn
FES, Seminar Klima(un)gerechtigkeit – Die Folgen des Klimawandels im Globalen Süden
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit den konkreten Folgen des Klimawandels für den Globalen Süden und Möglichkeiten zur Anpassung. INFOS & ANMELDUNG
14.08.2023, online
AI, Workshop U.S.-German Forum Future Agriculture
Das Aspen Institute (AI) erarbeitet Handlungsempfehlungen für die zukünftige Gestaltung der Landwirtschaftspolitik. INFOS
15.08.2023 – 16:00-19:15 Uhr, Köln
Medizin NRW, Konferenz VR und digitale Technologien in Medizin und Life Sciences
Medizin NRW beschäftigt sich mit der Bedeutung von Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und digitalen Technologien für die Zukunft der Medizin. INFOS & ANMELDUNG
Als Reaktion auf die jüngste Wasserstoff-Studie der EU-Kommission betont der Industrieverband Hydrogen Europe die Rolle Deutschlands als Drehscheibe eines Wasserstoffmarktes in Europa. “Die Aussage der Studie, in Deutschland würden so gut wie keine Kapazitäten für Elektrolyse gebraucht, überrascht nur auf den ersten Blick“, sagte CEO Jorgo Chatzimarkakis am Mittwoch zu Table.Media.
“Schaut man auf die abschließende Schlussfolgerung, dass Wasserstoff in Europa nur dann kostengünstig produziert werden kann, wenn es eine entsprechende Infrastruktur für Wasserstoff gibt, dann kann Deutschland seine Vorteile besonders ausspielen“, ist Chatzimarkakis überzeugt. Berlin habe klare Signale gesendet, mit dem Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes inklusive Speichern zu beginnen. Damit positioniere sich Deutschland bereits für das in der Studie beschriebene Szenario.
“Außerdem wird Deutschland als einer der Hauptproduzenten von Elektrolyseuren massiv vom EU-Binnenmarkt und dem enorm steigenden Bedarf an der Technologie profitieren. Je partnerschaftlicher der Ansatz, desto besser für Deutschland”, sagte der Vorsitzende von Hydrogen Europe.
Inhaltliche Kritik an der Studie des Fraunhofer ISI für die Generaldirektion Energie kam von der Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm, die auch Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung ist: “Das Szenario, das in der Studie beschrieben wird, kann nur bei sehr geringen Elektrolysekosten und bei extrem hohem Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa eintreten. Insbesondere für Frankreich darf man die Frage stellen, ob das angesichts der Opposition der extremen Rechten gegen den Ausbau an Windkraft überhaupt realistisch ist.”
Grimm kritisierte auch das Studienergebnis, Europa könne sich am kostengünstigsten durch heimische Wasserstoffproduktion versorgen: “Gerade beim Import von Wasserstoffderivaten wird es darauf ankommen, diesen klug zu diversifizieren und nicht nur beim günstigsten Anbieter zu kaufen.” Außerdem gelte es, Produkte zu importieren, für die ein globaler Commodity-Markt entstehen könne. “Daher ist es gefährlich, nun zu suggerieren, wir seien nicht auf Importe angewiesen”, sagte Grimm.
Einfuhren aus Drittstaaten gehören auch für die Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrats, Katherina Reiche, zum nötigen Dreiklang, um die erforderlichen Mengen für Deutschland zu sichern: “Das wird uns nur gelingen, wenn wir drei Dinge miteinander verzahnen: die heimische Produktion hochfahren, die entsprechende Infrastruktur aufbauen und langfristige Importpartnerschaften schließen. Deutschland braucht internationale Partnerschaften – in Europa und darüber hinaus.”
Für die heimische Produktion müsse die Bundesregierung auch Geld in die Hand nehmen. “Die hohen Energiepreise werden die Kosten für die Elektrolyse in Deutschland ohne staatliche Förderungen auch weiterhin auf einem hohen Niveau halten. Hier braucht es nationale Lösungen”, sagt die Vorstandsvorsitzende des zu Eon gehörenden Netzbetreibers Westenergie. ber
Die Kommission hat angekündigt, einen umstrittenen Vertrag mit dem Beratungsunternehmen RBB Economics zur Wettbewerbspolitik der EU zu beenden. “Nachdem die Europäische Bürgerbeauftragte eine Untersuchung darüber eingeleitet hat, wie die Kommission das Risiko eines potenziellen beruflichen Interessenkonflikts bei dieser Auftragsvergabe bewertet hat, hat die Kommission RBB am 27. Juli über ihre Absicht informiert, den Auftrag zu kündigen”, schreibt Kommissionsvize Margrethe Vestager in einer am Dienstag veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zweier Abgeordneter der Linken.
Die Untersuchung der Bürgerbeauftragten geht auf eine Beschwerde von LobbyControl und Corporate Europe Observatory zurück. LobbyControl wertete die Ankündigung am Mittwoch als großen Erfolg. “Gleichzeitig muss die Kommission nun dafür sorgen, dass sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt und deshalb die laufenden Verhandlungen zur Finanzregulierung nutzen, um die Regeln zu Interessenkonflikten deutlich zu verschärfen”, sagte Campaigner Felix Duffy.
Hintergrund ist eine 2021 angestoßene Überprüfung der europäischen Wettbewerbspolitik mit dem Ziel, digitale Monopole abzubauen. RBB ist beauftragt, diese Studie durchzuführen. Das Unternehmen habe allerdings davor große Konzerne in Wettbewerbsfragen beraten – unter anderem Google und zwar “im Zusammenhang mit den drei Geldbußen, die die Kommission gegen das Unternehmen wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens und Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verhängt hat”, kritisierten die Parlamentarier José Gusmão und Marisa Matias in ihrer Anfrage.
Die Kommission sei der Ansicht, dass die Studie von bestimmten Interessengruppen als voreingenommen wahrgenommen werden könnte, antwortete nun Vestager: “Die Beendigung des Vertrags wird es der Kommission ermöglichen, die Studie entweder mithilfe eines anderen Auftragnehmers oder ausschließlich mit eigenen Ressourcen so abzuschließen, dass der Eindruck mangelnder Unabhängigkeit und Objektivität vermieden wird.” ber
Welchen Daten kann ich trauen? Um dies leichter erkennen zu können, hat die Kommission jetzt gemeinsame Logos eingeführt. Anhand der geschützten Markenzeichen können Nutzer in der EU anerkannte Anbieter von Datenvermittlungsdiensten und datenaltruistische Organisationen besser identifizieren. Datenaltruismus heißt, dass eine Organisation die Daten freiwillig und ohne Entlohnung teilt.
Ziel der Kommission ist es, auf diese Weise zur Transparenz auf dem Datenmarkt beizutragen. In den Geltungsbereich des DGA fallen sowohl personenbezogene als auch nicht-personenbezogene Daten, öffentliche sowie geheime Daten. Wo personenbezogene Daten betroffen sind, gilt auch die DSGVO.
Die Einführung dieser Logos mittels Durchsetzungsverordnung ist Teil der Umsetzung des Data Governance Acts. Der DGA ist ein sektorübergreifendes Instrument, das mehr Daten in der EU verfügbar machen soll, indem es das Vertrauen in die Wiederverwendung und gemeinsame Nutzung von Daten erhöht. Dazu fördert das Gesetz die Einführung neuartiger Datenvermittler und begünstigt die gemeinsame Nutzung von Daten zu gesellschaftlich erwünschten Zwecken. Dazu gehören etwa Daten für die Forschung in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Mobilität.
Die Datenvermittler und Organisationen sollen Dateninhaber (Einzelpersonen oder Unternehmen) mit Datennutzern verbinden. Solche, die die im DGA festgelegten Bedingungen erfüllen und sich für die Verwendung der Logos entscheiden, müssen diese auf jeder Online- und Offline-Veröffentlichung deutlich zeigen. Darüber hinaus muss das Logo mit einem QR-Code versehen werden. Dieser enthält einen Link zum öffentlichen EU-Register der anerkannten Organisationen des Datenaltruismus. Das Register wird ab dem 24. September 2023 verfügbar sein. vis
Die Europäische Union hat begonnen, Sanktionen gegen die Mitglieder der Junta in Niger vorzubereiten. Das sagten europäische Quellen gestern Reuters. Die Junta hatte in dem westafrikanischem Land im vergangenen Monat die Macht gewaltsam an sich gerissen.
Ein mit Sanktionen befasster EU-Beamter und ein EU-Diplomat sagten, die EU habe begonnen, die Kriterien für Strafmaßnahmen zu diskutieren. Dazu gehöre auch die “Untergrabung der Demokratie” in Niger, so der Beamte, und man werde sich wahrscheinlich bald einigen. “Der nächste Schritt wären Sanktionen gegen einzelne Mitglieder der Junta”, die für verantwortlich gehalten werden, sagte der EU-Diplomat. Nationale Beamte hätten die Angelegenheit am Mittwoch besprochen, sagten der Beamte und ein weiterer EU-Diplomat. Alle drei Quellen sprachen unter der Bedingung der Anonymität. Für die Verhängung von Sanktionen ist die Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedstaaten erforderlich.
Die Staats- und Regierungschefs der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) wollten sich heute treffen, nachdem die Frist für die Wiedereinsetzung des gestürzten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum abgelaufen ist. “Die EU ist bereit, die Entscheidungen der ECOWAS zu unterstützen, einschließlich der Verabschiedung von Sanktionen”, sagte Peter Stano, Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD).
Es wird erwartet, dass die EU-Außenminister die Situation in Niger, einschließlich der Sanktionen, bei einem Treffen in Toledo, Spanien, am 31. August besprechen werden. Die EU, einer der größten Geber von Hilfe für Niger, hatte bereits im vergangenen Monat erklärt, dass sie die Sicherheitszusammenarbeit und die finanzielle Unterstützung aussetzen werde. Für den Zeitraum 2021 bis 2024 waren dem Land 503 Millionen Euro zugesagt worden, vor allem um die Regierungsführung und die Bildung zu verbessern.
Am Mittwoch rief der ehemalige Rebellenführer und frühere Minister, Rhissa Ag Boula, eine Bewegung gegen die Junta ins Leben – das erste Anzeichen für internen Widerstand gegen die Armeeherrschaft in Niger seit dem Putsch am 26. Juli. rtr/lei
Die EU wird Slowenien mindestens 400 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um die Folgen der Flut zu bekämpfen, sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, am Mittwoch. Bei den verheerenden Überschwemmungen in dem Land sind mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen und Zehntausende Haushalte betroffen.
“Wir haben ein gutes Paket an sofortiger, mittel- und langfristiger Unterstützung für Slowenien”, sagte von der Leyen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem slowenischen Premierminister Robert Golob bei einem Besuch in einem vom Hochwasser betroffenen Gebiet.
Die Kommissionspräsidentin sagte, das Land könne auch Hilfe aus dem Fördertopf NextGenerationEU beantragen, aus dem Slowenien 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Zudem könnten 3,3 Milliarden Euro aus anderen EU-Fonds für die unmittelbare Unterstützung nach den Überschwemmungen umgewidmet werden, die Slowenien bereits zugewiesen wurden, sagte von der Leyen. rtr
Nils Redeker ist Optimist. Etwas anderes bleibt ihm gar nicht übrig. Menschen, die sagen, warum etwas nicht geht, gebe es genug. “Es gibt nichts Sinnloseres als einen zynischen Thinktanker”, sagt der stellvertretende Direktor des Jacques Delors Centres in Berlin. Der Thinktank wurde 2014 gegründet und ist eine Forschungseinrichtung mit Sitz in Berlin, angegliedert an die private Hertie School in Berlin. Das Centre verknüpft wissenschaftliche Forschung im Bereich Europapolitik mit der Entwicklung konkreter Zukunftsideen.
2019, als das Institut Teil der Hertie School wurde, übernahm Redeker dort eine Stelle als Policy Fellow für europäische Wirtschaftspolitik, 2022 stieg er zum stellvertretenden Direktor auf. Seitdem berät er die deutsche Regierung und die Europäische Union zu Wirtschaftsfragen. Kurz nach Aufkommen der Energiekrise hat er eng mit dem deutschen Finanzministerium und Stiftungen wie der European Climate Foundation zusammengearbeitet. Eine turbulente Zeit, in der laut Redeker aber auch viele Chancen für Fortschritt stecken: “Je mehr Dinge in der Welt passieren, desto mehr Möglichkeiten haben Einrichtungen wie wir, einen Beitrag zu leisten.” Gäbe es keine Schocks von außen, verharrten viele Länder in Europa auf ihren Positionen. “Als Experten in Sachen Europapolitik müssen wir versuchen, ganz knapp vor der politischen Welle zu surfen und die Antworten parat zu haben, noch bevor die Fragen von der Politik gestellt werden.”
Redeker studierte Politikwissenschaften und VWL in Berlin und London. 2014 schrieb er seine Doktorarbeit zu makroökonomischen Ungleichgewichten in der Eurozone an der Universität Zürich. Er war Visiting Fellow an der Harvard University, absolvierte Praktika im Bundestag, schrieb Reden für den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Das Jacques Delores Centre sei für ihn dann der ideale Weg gewesen, Politik und Wissenschaft in einem Job zu vereinen. “Ich sehe mich auch als ‘Übersetzer’ zwischen den einzelnen Ebenen in Europa”, sagt Redeker.
In Berlin sei vielen politischen Akteuren nicht klar, was auf europäischer Ebene institutionell möglich ist und in Brüssel sei man häufig von den Entscheidungen aus Berlin irritiert. “Viele unterschätzen, wie wichtig solche Übersetzungsarbeit von uns Nicht-Politikern ist”, sagt Redeker. “Wir können glaubhaft, ohne Agenda auftreten und zwischen den Akteuren vermitteln.”
Woran man erkennt, dass Nils Redeker tatsächlich ein Optimist ist? Auf die Frage, was in Europa schlecht läuft, betont er zuallererst das, was gut läuft. “In den Krisen der letzten Jahre hat sich eines gezeigt: Wenn die Hütte brennt, sind wir in Europa gut darin, abzuliefern.” Was allerdings fehlt, sei eine wirklich langfristige Strategie für die Wirtschaft Europas. Gregor Scheu
die hohen Erwartungen und großen Hoffnungen, die der Amazonas-Gipfel gerade bei Klima- und Umweltschützern geweckt hatte, konnte das Treffen der acht Anrainerstaaten im brasilianischen Belém nicht erfüllen. Dennoch kann die Abschlusserklärung eine Grundlage für weitreichende Kooperationen zum Schutz der Wälder sein. Dabei gibt sie der EU ein deutliches Signal.
Bereits in einem der ersten Absätze verurteilen die acht Staaten die “Verbreitung einseitiger Handelsmaßnahmen, die auf der Grundlage von Umweltanforderungen und -standards zu Handelshemmnissen führen.” Zwar wird die Europäische Union nicht explizit erwähnt. Dennoch wird deutlich, dass es hier um die Verhandlungen des Mercosur-Staatenbunds mit der EU geht.
Das, was die EU Nachhaltigkeitsregeln nennt, beschreibt das Abschlussdokument als Handelshemmnisse, die in erster Linie heimische Kleinerzeuger belasten und ihr “Streben nach nachhaltiger Entwicklung” sowie ihren Kampf gegen Armut und Hunger erschweren. (Die ausführliche Analyse von Daniela Chiaretti zum Amazonas-Gipfel lesen Sie bei den Kollegen von Climate.Table.)
In die gleiche Richtung gehen die Äußerungen von Paraguays designiertem Präsidenten Santiago Peña. Sein Land gehört zwar nicht zu den Amazonas-Anrainern, wohl aber zu Mercosur wie Brasilien auch. Mercosur und die EU sollten die Gespräche über ein Freihandelsabkommen auf Eis legen, sagte Peña in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. Die derzeitigen Umweltforderungen der EU seien “inakzeptabel”. Sie behinderten etwa die wirtschaftliche Entwicklung des wichtigsten Sojaexporteurs Paraguays.
Die Europäische Kommission ist jedoch weiter fest entschlossen, das EU-Mercosur-Abkommen vor Ende des Jahres zum Abschluss zu bringen. Derzeit bereiten Mercosur-Vertreter einen Gegenvorschlag vor. Darin will die EU ihre Vorschläge zur Nachhaltigkeit und dem Schutz der Wälder berücksichtigt sehen. Die Mercosur-Staaten kritisieren die Umweltauflagen ihrerseits als reinen Protektionismus.
Daher meint Peña, die EU müsse klarstellen, ob sie ein Freihandelsabkommen vorantreiben wolle oder nicht. “Heute bezweifle ich, dass sie ein echtes Interesse daran hat.” Aus seiner Sicht sollten die Verhandlungen abgeschlossen sein und einfach eine Entscheidung getroffen werden: “Wollen wir das, oder wollen wir das nicht?” Aber wie so oft, so einfach ist die Sache nicht.
Herr Lins, Moskau hat das Getreideabkommen aufgekündigt und bombardiert die Logistik für den Getreideexport der Ukraine. Wie läuft der Export der Ernte?
Sehr stockend. Wichtig ist, dass die EU jetzt der Ukraine eine Perspektive gibt und alle möglichen Grenzübergänge öffnet und Logistikinfrastruktur für den Abtransport zur Verfügung stellt.
Im vergangenen Jahr war es gelungen, über die EU 33 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide auszuführen. Um welche Mengen geht es dieses Mal?
Die Schätzungen belaufen sich auf 50 Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide, das in der Saison 2023/24 zur Ausfuhr bereitstehen würde. Insgesamt sind im vergangenen Jahr über 60 Millionen Tonnen ausgeführt worden, ein Großteil über die Schwarzmeerhäfen und besagte 33 Millionen Tonnen über das EU-Festland. In diesem Jahr dürften die ukrainische Ernte etwas niedriger sein. Gründe sind die Verminung der Felder, Treibstoff- und Düngermangel.
Wie sind die Prognosen?
Im letzten Jahr betrug die Ernte etwa 58 Millionen Tonnen, hinzu kamen Restbestände aus dem Vorjahr. Nun geht man von einer Ernte von knapp 50 Millionen Tonnen in der Ukraine aus. Das sind Schätzungen, die Ernte ist noch nicht abgeschlossen. Gerste ist eingefahren, Weizen läuft gerade, Mais kommt erst im Herbst. Die Prognosen für Mais sind daher am unsichersten. Man kann damit rechnen, dass in dieser Saison 20 Prozent weniger Getreide aus der Ukraine kommt.
Ist es realistisch, diese Mengen ohne Transport über das Schwarzmeer zu exportieren?
Ich halte es für möglich, wenn die EU und die Kommission sich endlich stärker engagieren.
Was ist nötig?
Der Transport über Land ist teurer, weil die Strecken länger sind. Der Transport per Lastwagen kostet am meisten, aber auch der Zug ist deutlich teurer als das Schiff. Die EU sollte Logistikzuschüsse gewähren, damit die Transportkosten für die Unternehmen heruntergehen. Der Agrarkommissar hat sich diesen Vorschlag des Agrarausschusses kürzlich zu eigen gemacht, was ich ausdrücklich begrüße.
Wie soll das funktionieren?
Die Getreidehändler müssten vorweisen, wohin das Getreide gehen soll. Zum Beispiel: Destination Polen wäre nicht ok, weil es dort einen Überschuss gibt. Destination Spanien etwa, wo Futtergetreide in diesem Jahr gebraucht wird, wäre ok. Dafür würde es Logistikzuschüsse geben. Anhand der Kalkulation und dem Weltmarktpreis wird deutlich, wie hoch der Transportzuschuss sein muss, damit der Händler wettbewerbsfähig wird.
Soll es Zuschüsse für alle Getreidedeals aus der Ukraine geben?
Es muss Priorität der EU sein, ukrainischen Brotweizen auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu machen. Wenn Russland Brotweizen etwa in Länder wie Tunesien oder Ägypten exportiert, können russische Händler bessere Preise machen als ukrainische Händler, die den aufwendigeren Transport über Land bezahlen müssen. Da ist die Sache am eindeutigsten. Ich sehe aber auch Handlungsbedarf für die EU bei Ölsaaten, also Raps und Sonnenblumen, sowohl für Drittmärkte als auch für den EU-Markt.
Warum?
Gerade bei Futtergetreide sind Lieferanten aus Südamerika Konkurrenten auf dem EU-Markt für Händler von ukrainischem Getreide. Spanien braucht, zumal in diesem Jahr, große Mengen Futtergetreide. Wenn der Transport auf dem Landweg ukrainisches Getreide verteuert, ist Soja aus Südamerika häufig günstiger. Das sollte ausgeglichen werden.
Preisverzerrungen auf den EU-Märkten befürchten Sie nicht?
Es bedarf einer sorgfältigen Abwägung, Beobachtung der Entwicklungen und Organisation der Logistikhilfen. Es geht ausdrücklich nicht darum, den EU-Markt zu fluten und hier die Preise in den Keller zu bringen. Der Drittmarkt ist im Fokus: Die EU sollte sich nicht damit abfinden, dass Russland den Vorteil der Direktverschiffung über das Schwarzmeer dafür nutzen kann, das Geschäft mit Brotweizen zu dominieren.
Wie hat Agrarkommissar Janusz Wojciechowski die Krise bisher gemanagt?
Das Krisenmanagement des polnischen Landwirtschaftskommissars ist mangelhaft. Er hat sich am Anfang des Krieges für die Solidarity Lanes eingesetzt. Als er Gegenwind aus seinem Heimatland spürte, hat er aber beigedreht. Seine Tatenlosigkeit hat dazu beigetragen, dass die Lage in den Anrainerstaaten so schlimm wurde und ukrainische Agrarprodukte dort in großen Mengen verblieben. Dies hatte zur Folge, dass Polen und die vier anderen Nachbarstaaten der Ukraine im Mai den Importstopp für ihre Länder erwirkten. Wenn der Kommissar früher den Weg frei gemacht hätte für Logistikhilfen, die der Ausschuss schon lange fordert, wäre es gar nicht so weit gekommen.
Wie kann die Kommission den Weg frei machen für Logistikhilfen?
Das Geld dafür ist derzeit nicht verfügbar. Es gibt auch keine Schätzungen, wie teuer die Logistikhilfen wären. Die Kommission muss jetzt eine Initiative dafür ergreifen. Es bedarf des politischen Willens. Ich fordere den deutschen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf, eine Koalition der Willigen zu schmieden. Er sollte jetzt Gleichgesinnte unter den Mitgliedstaaten suchen und den Stein ins Rollen bringen. Es ist in unserem Interesse, die Ernährungssituation auf der Welt zu stabilisieren. Dazu würde das ukrainische Getreide beitragen. Die Kosten für Europa werden höher sein, sollte die EU nicht handeln. Wir haben erlebt, wie Putin auf dem jüngsten Gipfel in Petersburg Weizen verschenkt hat. Wir müssen verhindern, dass die ärmsten Länder komplett von Russland abhängig werden.
Ist mit Preisanstiegen zu rechnen?
Man muss mit höheren Preisen für Brotweizen rechnen. Die Qualitäten des Brotweizens leiden darunter, dass es in diesem Jahr erst zu trocken war und jetzt zu nass ist. Es wird dadurch deutlich mehr Futterweizen vorhanden sein. Der Handel erwartet mindestens zwölf Prozent Proteingehalt bei Brotweizen. Ab 14 Prozent spricht man von Eliteweizen. Die Preisspanne zwischen Brot- und Futterweizen dürfte also auseinandergehen. Bei Mais wird nach wie vor eine gute Ernte erwartet.
Wen träfen Preissteigerungen?
Es trifft besonders die Länder, die auf Brotweizenimporte angewiesen sind. Es trifft aber auch die EU, weil bei uns Weltmarktpreise gezahlt werden. Im Mai 2022 hatten wir Höchstpreise von 430 Euro je Tonne Weizen, im Augenblick liegt der Preis bei 220 Euro. Eine moderate Steigerung wäre also verkraftbar.
Welche Rolle spielt die EU beim Brotweizen?
Die EU exportiert deutlich mehr Brotweizen als die Ukraine. Es müsste jetzt auch darum gehen, den EU-Export von Getreide zu sichern. Die Kommission sollte für die nächste Ernte ein Signal setzen und die befristete Außerkraftsetzung der Regeln für Flächenstilllegung und Fruchtfolge noch einmal verlängern. Diese Maßnahme hat dazu beigetragen, dass die Ernte in der EU dieses Jahr nicht geringer ausfällt als 2022, vielleicht gibt es sogar ein Plus von bis zu drei Prozent.
Im Mai meldete die Polizei der Stadt Baotou in der inneren Mongolei, dass ein Mann mithilfe von Deepfake-Technologie um umgerechnet 622.000 US-Dollar betrogen wurde. Ein Hacker hatte ihn mit einem täuschend echten KI-Klon eines Freundes hinters Licht geführt. In einem Video-Call erklärte er, dringend Geld zu benötigen. Dabei handelte es sich nicht um das naive Opfer eines Enkel-Tricks. Der betrogene Mann ist leitender Angestellter einer Tech-Firma aus Fuzhou. Trotzdem hat ihn die lebensechte Körpersprache und Stimme seines falschen Freundes so sehr getäuscht, dass er umgehend den Geldbeutel zückte.
Der Begriff Deepfake setzt sich zusammen aus Deep Learning (ein Teilbereich des maschinellen Lernens) und Fake (Fälschung). Lippensynchrone Bild- und Videofälschungen mit künstlicher Intelligenz können dank wachsender Rechenleistung und Speicherkapazitäten immer müheloser umgesetzt werden. Die Ergebnisse dieser Deepfakes sind für den Laien kaum noch vom Original zu unterscheiden. Das beweisen gefälschte Reden von Politikern wie Putin oder Trump. Fälscher setzen die Technik zum Beispiel ein, um im Internet Klicks zu generieren – etwa indem sie prominente Schauspieler in Filme versetzen, in denen diese nie mitgespielt haben.
Deepfake-Technologie birgt große Gefahren, etwa wenn gefälschte Politikerreden für bare Münze genommen oder gezielt in politischen Verleumdungskampagnen eingesetzt werden. Schon jetzt wird der digitale Identitätsklau massiv für pornografische Videos und zunehmend auch für Erpressungen eingesetzt.
Weltweit haben die Betrugsfälle mit Deepfakes in den vergangenen drei Jahren massiv zugenommen. Das hat das auf KI-Sicherheit spezialisierte Unternehmen Sumsub errechnet. Besonders betroffen waren Australien (5,3 Prozent), Argentinien (5,1 Prozent) und China (4,9 Prozent), was den Anteil von Deepfakes an Betrugsverbrechen in den Jahren 2022 und 2023 betrug.
Obwohl der betrogene Tech-Executive in der Inneren Mongolei den Großteil seines Geldes mithilfe der Polizei zurückbekam, löste der Fall in China hitzige Diskussionen über Online-Sicherheit aus. Die Internet Society of China gab eine Warnung heraus, in der sie die Öffentlichkeit zu erhöhter Wachsamkeit aufruft.
In China, dessen Medienwelt von professionellen Live-Streamern durchdrungen ist, ist die Angst vor Online-Betrug realer als in Deutschland. So kam es in den vergangenen Monaten zum Beispiel immer häufiger vor, dass unbekannte Online-Influencer sich auf Video-Seiten wie Bilibili mit Faceswap-Technik als Celebrities ausgaben und Klicks und Geld generierten.
Auch die Musikindustrie führt derzeit einen erbitterten Kampf gegen die wirtschaftlichen Bedrohungen durch Deepfakes. So berichtet die FT, dass Universal Music gerade mit Google über die Lizenzierung von Melodien und Stimmen von Künstlern für Songs verhandelt, die Dritte mittels Künstlicher Intelligenz produzieren. Denn bisher werden bekannte Stimmen und populäre Melodien in der Regel ohne die Zustimmung der Künstler verwendet.
Peking bewertet Deepfake-Technik als hochriskant, nicht zuletzt da sie das Potenzial hat, die öffentliche Ordnung zu untergraben. Schon im Januar hatte Chinas Cyberspace-Verwaltung (CAC) eine Reihe von Regularien zur sogenannten “Technologie der Tiefensynthese” erlassen. Inhalte, die “die nationale Sicherheit und die nationalen Interessen gefährden und das nationale Image schädigen” sind nach den “Vorschriften für die Verwaltung von Internet-Informationsdiensten in der Tiefensynthese” von vornherein verboten.
Von Anbietern harmloserer Inhalte verlangt die Behörde eine “auffällige Kennzeichnung” von KI-generierten Inhalten, da sie sonst “in der Öffentlichkeit Verwirrung stiften oder zu einer falschen Identifizierung führen können”. Nutzer müssten authentische Medieninhalte sofort von Fälschungen unterscheiden können. Genannt werden etwa Wasserzeichen. Zuwiderhandlung der Kennzeichnung steht unter Strafe.
Alle Produzenten von Deepfakes und Nutzer von Deepfake-Dienstleistungen wie Faceswap-Apps müssen sich gemäß der neuen Regeln zudem mit echtem Namen registrieren. Ein Kalkül ist, dass bestimmte Deepfakes bei diesem Aufwand gar nicht erst entstehen. Chinas Cyberspace-Verwaltung bekräftigte diesen Monat zudem, dass alle generativen KI-Dienste im Einklang mit den sozialistischen Grundwerten der Partei stehen müssen.
China ist eines der ersten Länder, das umfassende Regeln zum Umgang mit Deepfake-Technologie vorgelegt hat. Andere Länder wie Taiwan, England und einige US-Staaten wie Florida gehen bereits gesetzlich gegen bestimmte Teilbereiche wie künstlich erstellte Pornos und gefälschte Politikerreden vor. Andernorts arbeiten Regierungen daran, bestehende Regelwerke an die neuen Gefahren anzupassen. So erweitert um Beispiel Singapur den Personal Data Protection Act (PDPA), der die Erhebung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten regelt, hinsichtlich Deepfake-Risiken.
Auch die Europäische Union will mit dem AI Act, ihrem eigenen Regelwerk zur künstlichen Intelligenz, Deepfakes eindämmen. Bis die Verhandlungen zum AI Act abgeschlossen sind und der AI Act in Kraft tritt, besteht dennoch keine Regellosigkeit. So hat die EU Anfang Juni einen verschärften Verhaltenskodex gegen Desinformation vorgelegt, den mehr als 40 Unternehmen unterzeichnet haben.
Schnelles Handeln ist in jedem Fall angesagt. Mit immer größeren Bandbreiten können schon bald nicht mehr nur Personen, sondern ganze Szenarien so realistisch gefälscht werden, dass man sie nicht von tatsächlichen Ereignissen unterscheiden kann. Der KI-Experte Kai-Fu Lee schreibt in seinem jüngsten Buch, einem Zukunftsausblick ins Jahr 2041, dass Anti-Deepfake-Programme bald so normal sein werden wie Anti-Viren-Software.
Sowohl Facebook als auch Google haben bereits Preise für die beste Deepfake-Erkennungssoftware ausgelobt. Doch auch die Fälschungen dürften dabei immer besser werden. Ein Katz-und-Maus-Spiel mit unbekanntem Ausgang, glaubt Lee. Er sagt: Wir müssen uns an eine Welt gewöhnen, in der wir noch mehr als heute alles hinterfragen müssen, was uns im Netz serviert wird. Auch deshalb wird es ohne verbindliche Gesetze und entsprechende Strafen nicht gehen.
Die Texte der Table.Media-Serie “Der Globale Wettlauf um Künstliche Intelligenz” finden Sie hier.
14.08.-18.08.2023, Bonn
FES, Seminar Klima(un)gerechtigkeit – Die Folgen des Klimawandels im Globalen Süden
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit den konkreten Folgen des Klimawandels für den Globalen Süden und Möglichkeiten zur Anpassung. INFOS & ANMELDUNG
14.08.2023, online
AI, Workshop U.S.-German Forum Future Agriculture
Das Aspen Institute (AI) erarbeitet Handlungsempfehlungen für die zukünftige Gestaltung der Landwirtschaftspolitik. INFOS
15.08.2023 – 16:00-19:15 Uhr, Köln
Medizin NRW, Konferenz VR und digitale Technologien in Medizin und Life Sciences
Medizin NRW beschäftigt sich mit der Bedeutung von Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und digitalen Technologien für die Zukunft der Medizin. INFOS & ANMELDUNG
Als Reaktion auf die jüngste Wasserstoff-Studie der EU-Kommission betont der Industrieverband Hydrogen Europe die Rolle Deutschlands als Drehscheibe eines Wasserstoffmarktes in Europa. “Die Aussage der Studie, in Deutschland würden so gut wie keine Kapazitäten für Elektrolyse gebraucht, überrascht nur auf den ersten Blick“, sagte CEO Jorgo Chatzimarkakis am Mittwoch zu Table.Media.
“Schaut man auf die abschließende Schlussfolgerung, dass Wasserstoff in Europa nur dann kostengünstig produziert werden kann, wenn es eine entsprechende Infrastruktur für Wasserstoff gibt, dann kann Deutschland seine Vorteile besonders ausspielen“, ist Chatzimarkakis überzeugt. Berlin habe klare Signale gesendet, mit dem Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes inklusive Speichern zu beginnen. Damit positioniere sich Deutschland bereits für das in der Studie beschriebene Szenario.
“Außerdem wird Deutschland als einer der Hauptproduzenten von Elektrolyseuren massiv vom EU-Binnenmarkt und dem enorm steigenden Bedarf an der Technologie profitieren. Je partnerschaftlicher der Ansatz, desto besser für Deutschland”, sagte der Vorsitzende von Hydrogen Europe.
Inhaltliche Kritik an der Studie des Fraunhofer ISI für die Generaldirektion Energie kam von der Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm, die auch Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung ist: “Das Szenario, das in der Studie beschrieben wird, kann nur bei sehr geringen Elektrolysekosten und bei extrem hohem Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa eintreten. Insbesondere für Frankreich darf man die Frage stellen, ob das angesichts der Opposition der extremen Rechten gegen den Ausbau an Windkraft überhaupt realistisch ist.”
Grimm kritisierte auch das Studienergebnis, Europa könne sich am kostengünstigsten durch heimische Wasserstoffproduktion versorgen: “Gerade beim Import von Wasserstoffderivaten wird es darauf ankommen, diesen klug zu diversifizieren und nicht nur beim günstigsten Anbieter zu kaufen.” Außerdem gelte es, Produkte zu importieren, für die ein globaler Commodity-Markt entstehen könne. “Daher ist es gefährlich, nun zu suggerieren, wir seien nicht auf Importe angewiesen”, sagte Grimm.
Einfuhren aus Drittstaaten gehören auch für die Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrats, Katherina Reiche, zum nötigen Dreiklang, um die erforderlichen Mengen für Deutschland zu sichern: “Das wird uns nur gelingen, wenn wir drei Dinge miteinander verzahnen: die heimische Produktion hochfahren, die entsprechende Infrastruktur aufbauen und langfristige Importpartnerschaften schließen. Deutschland braucht internationale Partnerschaften – in Europa und darüber hinaus.”
Für die heimische Produktion müsse die Bundesregierung auch Geld in die Hand nehmen. “Die hohen Energiepreise werden die Kosten für die Elektrolyse in Deutschland ohne staatliche Förderungen auch weiterhin auf einem hohen Niveau halten. Hier braucht es nationale Lösungen”, sagt die Vorstandsvorsitzende des zu Eon gehörenden Netzbetreibers Westenergie. ber
Die Kommission hat angekündigt, einen umstrittenen Vertrag mit dem Beratungsunternehmen RBB Economics zur Wettbewerbspolitik der EU zu beenden. “Nachdem die Europäische Bürgerbeauftragte eine Untersuchung darüber eingeleitet hat, wie die Kommission das Risiko eines potenziellen beruflichen Interessenkonflikts bei dieser Auftragsvergabe bewertet hat, hat die Kommission RBB am 27. Juli über ihre Absicht informiert, den Auftrag zu kündigen”, schreibt Kommissionsvize Margrethe Vestager in einer am Dienstag veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zweier Abgeordneter der Linken.
Die Untersuchung der Bürgerbeauftragten geht auf eine Beschwerde von LobbyControl und Corporate Europe Observatory zurück. LobbyControl wertete die Ankündigung am Mittwoch als großen Erfolg. “Gleichzeitig muss die Kommission nun dafür sorgen, dass sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt und deshalb die laufenden Verhandlungen zur Finanzregulierung nutzen, um die Regeln zu Interessenkonflikten deutlich zu verschärfen”, sagte Campaigner Felix Duffy.
Hintergrund ist eine 2021 angestoßene Überprüfung der europäischen Wettbewerbspolitik mit dem Ziel, digitale Monopole abzubauen. RBB ist beauftragt, diese Studie durchzuführen. Das Unternehmen habe allerdings davor große Konzerne in Wettbewerbsfragen beraten – unter anderem Google und zwar “im Zusammenhang mit den drei Geldbußen, die die Kommission gegen das Unternehmen wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens und Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verhängt hat”, kritisierten die Parlamentarier José Gusmão und Marisa Matias in ihrer Anfrage.
Die Kommission sei der Ansicht, dass die Studie von bestimmten Interessengruppen als voreingenommen wahrgenommen werden könnte, antwortete nun Vestager: “Die Beendigung des Vertrags wird es der Kommission ermöglichen, die Studie entweder mithilfe eines anderen Auftragnehmers oder ausschließlich mit eigenen Ressourcen so abzuschließen, dass der Eindruck mangelnder Unabhängigkeit und Objektivität vermieden wird.” ber
Welchen Daten kann ich trauen? Um dies leichter erkennen zu können, hat die Kommission jetzt gemeinsame Logos eingeführt. Anhand der geschützten Markenzeichen können Nutzer in der EU anerkannte Anbieter von Datenvermittlungsdiensten und datenaltruistische Organisationen besser identifizieren. Datenaltruismus heißt, dass eine Organisation die Daten freiwillig und ohne Entlohnung teilt.
Ziel der Kommission ist es, auf diese Weise zur Transparenz auf dem Datenmarkt beizutragen. In den Geltungsbereich des DGA fallen sowohl personenbezogene als auch nicht-personenbezogene Daten, öffentliche sowie geheime Daten. Wo personenbezogene Daten betroffen sind, gilt auch die DSGVO.
Die Einführung dieser Logos mittels Durchsetzungsverordnung ist Teil der Umsetzung des Data Governance Acts. Der DGA ist ein sektorübergreifendes Instrument, das mehr Daten in der EU verfügbar machen soll, indem es das Vertrauen in die Wiederverwendung und gemeinsame Nutzung von Daten erhöht. Dazu fördert das Gesetz die Einführung neuartiger Datenvermittler und begünstigt die gemeinsame Nutzung von Daten zu gesellschaftlich erwünschten Zwecken. Dazu gehören etwa Daten für die Forschung in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Mobilität.
Die Datenvermittler und Organisationen sollen Dateninhaber (Einzelpersonen oder Unternehmen) mit Datennutzern verbinden. Solche, die die im DGA festgelegten Bedingungen erfüllen und sich für die Verwendung der Logos entscheiden, müssen diese auf jeder Online- und Offline-Veröffentlichung deutlich zeigen. Darüber hinaus muss das Logo mit einem QR-Code versehen werden. Dieser enthält einen Link zum öffentlichen EU-Register der anerkannten Organisationen des Datenaltruismus. Das Register wird ab dem 24. September 2023 verfügbar sein. vis
Die Europäische Union hat begonnen, Sanktionen gegen die Mitglieder der Junta in Niger vorzubereiten. Das sagten europäische Quellen gestern Reuters. Die Junta hatte in dem westafrikanischem Land im vergangenen Monat die Macht gewaltsam an sich gerissen.
Ein mit Sanktionen befasster EU-Beamter und ein EU-Diplomat sagten, die EU habe begonnen, die Kriterien für Strafmaßnahmen zu diskutieren. Dazu gehöre auch die “Untergrabung der Demokratie” in Niger, so der Beamte, und man werde sich wahrscheinlich bald einigen. “Der nächste Schritt wären Sanktionen gegen einzelne Mitglieder der Junta”, die für verantwortlich gehalten werden, sagte der EU-Diplomat. Nationale Beamte hätten die Angelegenheit am Mittwoch besprochen, sagten der Beamte und ein weiterer EU-Diplomat. Alle drei Quellen sprachen unter der Bedingung der Anonymität. Für die Verhängung von Sanktionen ist die Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedstaaten erforderlich.
Die Staats- und Regierungschefs der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) wollten sich heute treffen, nachdem die Frist für die Wiedereinsetzung des gestürzten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum abgelaufen ist. “Die EU ist bereit, die Entscheidungen der ECOWAS zu unterstützen, einschließlich der Verabschiedung von Sanktionen”, sagte Peter Stano, Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD).
Es wird erwartet, dass die EU-Außenminister die Situation in Niger, einschließlich der Sanktionen, bei einem Treffen in Toledo, Spanien, am 31. August besprechen werden. Die EU, einer der größten Geber von Hilfe für Niger, hatte bereits im vergangenen Monat erklärt, dass sie die Sicherheitszusammenarbeit und die finanzielle Unterstützung aussetzen werde. Für den Zeitraum 2021 bis 2024 waren dem Land 503 Millionen Euro zugesagt worden, vor allem um die Regierungsführung und die Bildung zu verbessern.
Am Mittwoch rief der ehemalige Rebellenführer und frühere Minister, Rhissa Ag Boula, eine Bewegung gegen die Junta ins Leben – das erste Anzeichen für internen Widerstand gegen die Armeeherrschaft in Niger seit dem Putsch am 26. Juli. rtr/lei
Die EU wird Slowenien mindestens 400 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um die Folgen der Flut zu bekämpfen, sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, am Mittwoch. Bei den verheerenden Überschwemmungen in dem Land sind mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen und Zehntausende Haushalte betroffen.
“Wir haben ein gutes Paket an sofortiger, mittel- und langfristiger Unterstützung für Slowenien”, sagte von der Leyen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem slowenischen Premierminister Robert Golob bei einem Besuch in einem vom Hochwasser betroffenen Gebiet.
Die Kommissionspräsidentin sagte, das Land könne auch Hilfe aus dem Fördertopf NextGenerationEU beantragen, aus dem Slowenien 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Zudem könnten 3,3 Milliarden Euro aus anderen EU-Fonds für die unmittelbare Unterstützung nach den Überschwemmungen umgewidmet werden, die Slowenien bereits zugewiesen wurden, sagte von der Leyen. rtr
Nils Redeker ist Optimist. Etwas anderes bleibt ihm gar nicht übrig. Menschen, die sagen, warum etwas nicht geht, gebe es genug. “Es gibt nichts Sinnloseres als einen zynischen Thinktanker”, sagt der stellvertretende Direktor des Jacques Delors Centres in Berlin. Der Thinktank wurde 2014 gegründet und ist eine Forschungseinrichtung mit Sitz in Berlin, angegliedert an die private Hertie School in Berlin. Das Centre verknüpft wissenschaftliche Forschung im Bereich Europapolitik mit der Entwicklung konkreter Zukunftsideen.
2019, als das Institut Teil der Hertie School wurde, übernahm Redeker dort eine Stelle als Policy Fellow für europäische Wirtschaftspolitik, 2022 stieg er zum stellvertretenden Direktor auf. Seitdem berät er die deutsche Regierung und die Europäische Union zu Wirtschaftsfragen. Kurz nach Aufkommen der Energiekrise hat er eng mit dem deutschen Finanzministerium und Stiftungen wie der European Climate Foundation zusammengearbeitet. Eine turbulente Zeit, in der laut Redeker aber auch viele Chancen für Fortschritt stecken: “Je mehr Dinge in der Welt passieren, desto mehr Möglichkeiten haben Einrichtungen wie wir, einen Beitrag zu leisten.” Gäbe es keine Schocks von außen, verharrten viele Länder in Europa auf ihren Positionen. “Als Experten in Sachen Europapolitik müssen wir versuchen, ganz knapp vor der politischen Welle zu surfen und die Antworten parat zu haben, noch bevor die Fragen von der Politik gestellt werden.”
Redeker studierte Politikwissenschaften und VWL in Berlin und London. 2014 schrieb er seine Doktorarbeit zu makroökonomischen Ungleichgewichten in der Eurozone an der Universität Zürich. Er war Visiting Fellow an der Harvard University, absolvierte Praktika im Bundestag, schrieb Reden für den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Das Jacques Delores Centre sei für ihn dann der ideale Weg gewesen, Politik und Wissenschaft in einem Job zu vereinen. “Ich sehe mich auch als ‘Übersetzer’ zwischen den einzelnen Ebenen in Europa”, sagt Redeker.
In Berlin sei vielen politischen Akteuren nicht klar, was auf europäischer Ebene institutionell möglich ist und in Brüssel sei man häufig von den Entscheidungen aus Berlin irritiert. “Viele unterschätzen, wie wichtig solche Übersetzungsarbeit von uns Nicht-Politikern ist”, sagt Redeker. “Wir können glaubhaft, ohne Agenda auftreten und zwischen den Akteuren vermitteln.”
Woran man erkennt, dass Nils Redeker tatsächlich ein Optimist ist? Auf die Frage, was in Europa schlecht läuft, betont er zuallererst das, was gut läuft. “In den Krisen der letzten Jahre hat sich eines gezeigt: Wenn die Hütte brennt, sind wir in Europa gut darin, abzuliefern.” Was allerdings fehlt, sei eine wirklich langfristige Strategie für die Wirtschaft Europas. Gregor Scheu