Table.Briefing: Europe

Geschwächte EU auf der COP29 + Reform der öffentlichen Beschaffung

Liebe Leserin, lieber Leser,

in der Energiepolitik dreht sich der Wind. Die zuständigen Minister beraten heute in Brüssel zwar einmal mehr über Versorgungssicherheit und russische Energieexporte. Doch was die Preise angeht, setzen sich Deutschland und elf andere Mitgliedstaaten für einen Richtungswechsel ein. Die “Freunde der Erneuerbaren” schrieben am Montag in einem Positionspapier, Verbraucher und Produzenten erneuerbarer Energie müssten schrittweise ein höheres Marktrisiko tragen.

Die Krisenpolitik nach 2022 war aber gerade darauf ausgerichtet, Haushalte und Unternehmen vom kurzfristigen Auf und Ab an den Energiemärkten abzuschirmen. Durch den neuen Kurs wollen Deutschland und seine Mitstreiter die Flexibilität im Energiesystem erhöhen und alle dazu bewegen, Verbrauch und Produktion stärker am Markt auszurichten. Genau dies würde das Auf und Ab der Preise dämpfen – und so schlösse sich der Kreis doch wieder.

Streit zwischen der Erneuerbaren- und der Atomenergie-Fraktion dürfte sich aber vor allem an der Wasserstoffförderung entzünden. Frankreich und sieben Mitstreiter fordern in einem anderen Papier die Kommission dazu auf, über die Europäische Wasserstoffbank künftig auch “kohlenstoffarmen” Wasserstoff etwa aus Atomstrom zu fördern. Angesichts knapper Fördermittel und des zuletzt noch weiter gestiegenen Finanzbedarfs würde das die Entwicklung von grünem Wasserstoff noch stärker unter Druck setzen.

Ich wünsche Ihnen viel Freude mit der 800. Ausgabe unseres Briefings.

Ihr
Manuel Berkel
Bild von Manuel  Berkel
  • Atomkraft
  • Blauer Wasserstoff
  • Energiepolitik
  • Energiepreise
  • Erneuerbare Energien
  • Frankreich
  • Grüner Wasserstoff
  • Wasserstoff

Analyse

COP29: Welche Rolle die EU in Baku spielt

Europa hat in Baku vor allem ein Ziel. Bei der UN-Klimakonferenz im November (COP29) soll der Kreis der Geberländer für die internationale Klimafinanzierung erweitert werden. Das legten die für die Klimapolitik zuständigen Minister am Montag beim Umweltrat in Luxemburg fest.

Bislang zahlen die Anfang der 1990er-Jahre als solche eingestuften Industriestaaten für Klimaschutz- und Klimaanpassungs-Maßnahmen im Globalen Süden. Geht es nach der EU, muss diese Einstufung nach drei Jahrzehnten überarbeitet werden. Vor allem jene Länder, die in der Zwischenzeit zu erheblichem Wohlstand gekommen sind und zusätzlich mit einem hohen Treibhausgasausstoß zur Erderwärmung beitragen, sollen ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Dazu gehören China sowie die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten.

Beim Umweltrat legten die EU-Staaten nun ihre offizielle Verhandlungsposition für die COP29 fest. Darin heißt es unter anderem:

  • Die Mitgliedstaaten unterstreichen die Einigung der COP28 auf einen Übergang weg von fossilen Brennstoffen.
  • Lange wurde um die Rolle der Kernenergie in den Schlussfolgerungen gestritten. Frankreich und andere Atomländer wollten Kernkraft als eine von vielen Möglichkeiten zur Dekarbonisierung festschreiben. Deutschland und eine Fraktion der Atomkraftgegner wollten einen besonderen Fokus auf Erneuerbare. Obwohl das Thema bei der COP kaum eine Rolle spielt, hielt es die Einigung über Stunden auf. Schließlich entschied man sich für eine Formulierung aus der COP28-Einigung, in der Kernenergie als eine von vielen Möglichkeiten angesehen wird.
  • Die EU-Länder fordern ein neues Klimafinanzierungsziel (NCQG), das erreichbar und zweckmäßig ist.
  • Die Voraussetzung für ein ambitioniertes NCQG ist für die EU, dass die Gruppe der Geberländer für internationale Klimafinanzierung erweitert wird. Länder, die in der Lage sind, einen Beitrag zu zahlen, sollten dies tun, forderte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.
  • Entwicklungs- und Schwellenländer, die bereits beitragen, sollten dies offenlegen, um Transparenz zu schaffen.

Europa baut “zusätzliche Front” auf

Eine konkrete Zahl für den europäischen Beitrag zum NCQG wollen die EU-Länder aus taktischen Gründen jedoch nicht nennen. Sie fürchten, dass ihr Ziel, den Kreis der Geberländer zu erweitern, scheitern könnte, wenn sie sich schon jetzt zu einer bestimmten Summe verpflichten. Sven Harmeling, Head of Climate beim Climate Action Network Europa (CAN Europe), hält diese Strategie nicht für zielführend. “Es baut eine zusätzliche Front auf.”

Harmeling kritisiert im Gespräch mit Table.Briefings, der EU fehle eine klare Strategie, wie man andere als Geberländer gewinnt oder sie dazu bringt, ihre Beiträge zur Klimafinanzierung offenzulegen. Gleichzeitig müsse die EU auch klar benennen, dass sie bei der Klimafinanzierung in der Hauptverantwortung sei.

Das NCQG ist der Nachfolger des derzeit noch geltenden 100-Milliarden-Ziels, in dem Industrieländer an Entwicklungsländer zahlen. “Solange die Industrieländer nicht klar machen, dass sie diesmal höher gehen als die 100 Milliarden, sollten sie selbst auch keine Voraussetzungen festlegen.” Dass sie sich nicht bereit erklärten, die 100 Milliarden fortzuführen, sondern sie im schlimmsten Fall sogar unterbieten, spiegelt laut Harmeling weder die Weltökonomie wider noch wird es der historischen Verantwortung der Industrieländer gerecht. Sogar die USA haben die 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr als Mindestgröße für das NCQG betitelt. “Europa müsste da mehr Offenheit signalisieren”, fordert Harmeling.

Geldsorgen und wenig Ehrgeiz in Ungarn

Die Gründe für die fehlende Offenheit Europas sind die schwierige Haushaltslage in den großen EU-Mitgliedstaaten und die in den Hauptstädten geführte politische Debatte über Finanzen. Frankreich ist geplagt von einem massiven Haushaltsdefizit, in Berlin drohen Haushaltsstreitigkeiten immer wieder die Regierungskoalition zu sprengen, zudem sinkt die Klimafinanzierung, und die italienische Regierung hat andere Prioritäten als den Kampf gegen den Klimawandel und dessen Finanzierung. Die EU fährt entsprechend geschwächt nach Baku, besonders beim Thema Finanzen.

Doch Geld ist nicht das einzige Problem. Zwar bleibt der Worst Case aus, denn Klimakommissar Wopke Hoekstra bleibt im Amt, fährt also nicht als scheidender Kommissar nach Baku. Er bringt sowohl für die Klimaverhandlungen als auch als Finanzexperte einiges an Erfahrung mit. Doch die ungarische Ratspräsidentschaft gilt nicht als besonders ambitioniert und dürfte sich in Baku daher auf seine Moderationsrolle innerhalb der EU beschränken. Umso mehr stehen in den Verhandlungen mit den anderen Ländern in Baku die Haushalts-gebeutelten großen Mitgliedstaaten im Fokus.

“Sehr komplizierte Verhandlungslage”

“Im Optimalfall hat die EU bis zur COP eine Strategie, wie weit sie bei der Klimafinanzierung gehen kann, sowohl über öffentliche Finanzierung als auch über die Entwicklungsbanken”, sagt Harmeling vom CAN Europe. Er vermutet: Sollte die EU von ihrem harten Kurs zur Erweiterung der Geberländer abrücken, könnten auch andere Länder einwilligen, ihre Klimafinanzierung offenzulegen und einen längerfristigen Prozess mit dem Ziel, die Geberländer zu erweitern, starten.

In der offiziellen Schlussfolgerung der EU-Mitgliedstaaten wird zwar noch keine solche Strategie angedeutet, jedoch sagte Klimakommissar Hoekstra am Montagabend, man wolle sicherstellen, dass mehr Geld aus öffentlichen und privaten Quellen für die bedürftigsten Länder zur Verfügung steht. Ob dies auch gelinge, müsse sich zeigen. Die derzeitige geopolitische Situation sorge für eine komplizierte Verhandlungslage. Auch die Positionen der COP-Teilnehmerländer seien teilweise noch sehr weit voneinander entfernt, so Hoekstra.

Die Ratsschlussfolgerungen zur COP29 sind also nur das Minimum zum Thema Klimafinanzierung. In Baku werden sie nachlegen müssen, um ihrer Führungsrolle gerecht zu werden. Ein Scheitern der COP in Baku, ähnlich wie in Kopenhagen 2009 würde vor allem der EU schaden, sagt Harmeling. “Die europäische Öffentlichkeit ist immer noch relativ stark sensibilisiert für diese Themen.”

  • Atomkraft
  • COP29
  • Dekarbonisierung
  • EU-Klimapolitik
  • Europapolitik
  • Klima & Umwelt
  • Klimafinanzierung
  • NCQG
Translation missing.

Öffentliche Beschaffung: Was eine Reform erschwert

Die öffentliche Beschaffung ist eigentlich ein naheliegendes Instrument der Industriepolitik. Wenn Staatshaushalte knapp und Regulierungen nur schwer zu ändern sind, bleibt die öffentliche Vergabe, um die Wirtschaft zu gestalten. Der europäische Markt für die öffentliche Beschaffung beläuft sich auf circa 14 Prozent des BIP. Dennoch nutzt die EU dieses Instrument noch kaum. Grundsätzlich gilt: Der günstigste Anbieter erhält den Zuschlag.

In der neuen Kommission soll sich das ändern. Schon in ihren politischen Leitlinien hatte Ursula von der Leyen angekündigt, die öffentliche Beschaffung verstärkt zu nutzen. In ihrem Mission Letter für den designierten Kommissionsvizepräsidenten Stéphane Séjourné, erteilt sie ihm den Auftrag, die Richtlinien für die öffentliche Beschaffung zu überarbeiten, “um Angebotssicherheit für einige wichtige Technologien, Produkte und Dienstleistungen zu sichern”.

Zudem sollen die Regeln einfacher und der Verwaltungsaufwand geringer werden. Die Reform “sollte eine Präferenz für europäische Produkte in der öffentlichen Beschaffung in gewissen strategischen Sektoren und Technologien ermöglichen”, heißt es im Mission Letter.

Kommunen haben kaum Ressourcen für komplexe Regeln

Grundsätzlich ist es heute schon möglich, qualitative Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung zu berücksichtigen. Doch der entsprechend relevante Artikel 67 in der Richtlinie für öffentliche Auftragsvergabe ist sehr verklausuliert formuliert. Laut Kerstin Jorna, Generaldirektorin von DG GROW, schafft diese Komplexität Unsicherheit. Viele Kommunen und andere Verwaltungseinheiten haben keine Ressourcen, sich detailliert mit den Möglichkeiten der Regelung zu beschäftigen. Deshalb würden sie meist schlicht das günstigste Angebot auswählen, um auf der sicheren Seite zu sein, sagte Jorna auf einer Konferenz des wirtschaftspolitischen Thinktanks Bruegel im September. DG GROW steht in der Hauptverantwortung, die Reform vorzubereiten.

In Deutschland strengt das BMWK ein Vergabe-Transformationspaket an. Das Ziel ist ähnlich: Vereinfachung für Verwaltung und KMUs und Förderung für innovatives, ökologisches Wirtschaften. Die Ankündigung des Pakets erwähnt keine europäische Präferenz, doch die Reform soll ermöglichen, “Unternehmen aus gewissen Drittstaaten in kritischen Bereichen” auszuschließen.

Während das deutsche Vergabetransformationspaket für die kleineren öffentlichen Aufträge gilt, bestimmt die EU-Richtlinie, welchen Regeln die öffentliche Beschaffung oberhalb definierter Grenzwerte des Auftragswerts folgen muss.

Das Ziel: Grüne Leitmärkte schaffen

Hinter den Reformbemühungen liegt das industriepolitische Anliegen, eine Nachfrage für europäische Anbieter innovativer und ökologischer Technologien zu schaffen. Einer der Gründe für die fehlenden Investitionen in Europa ist die fehlende Sicherheit, dass es einen Markt gibt für die neuen Produkte, zum Beispiel grünen Stahl. “Die Wettbewerbsfähigkeit hängt sehr stark am zukünftigen Marktwachstum” sagt André Wolf vom Centrum für Europäische Politik (CEP). Nachfrage aus dem öffentlichen Sektor, zum Beispiel bei Infrastrukturprojekten, soll dieser Unsicherheit entgegenwirken und “grüne Leitmärkte” schaffen.

Die USA und China setzen diese Strategie schon länger ein, indem sie auf eine Präferenz für heimische Anbieter setzen. Die EU ist bisher davor zurückgeschreckt, weil eine explizite Präferenz nicht WTO-kompatibel wäre. Stattdessen nimmt sie den Umweg über Resilienzkriterien.

Unklare Kriterien im Net Zero Industry Act

Resilienzkriterien schreiben nicht vor, dass Produkte aus der EU stammen müssen, sondern dass Abhängigkeiten bei kritischen Technologien reduziert werden sollen. Im Net Zero Industry Act (NZIA) hat die EU solche Kriterien für Nettonull-Technologien eingeführt. Bei Technologien, bei denen die EU eine hohe Abhängigkeit (über 50 Prozent der Importe) von einem einzelnen Drittstaat aufweist, müssen öffentlich ausgeschriebene Nettonull-Projekte auch den Beitrag der einzelnen Bewerbungen zur Behebung dieser Importabhängigkeit berücksichtigen.

Wie genau die Resilienz zu berechnen und zu berücksichtigen ist, ist jedoch unklar. “Es kommen noch mindestens zwei Durchführungsrechtsakte, von denen man sich dazu Klarheit erhofft”, sagt Wolf, der für das CEP eine Studie zu den Resilienzkriterien im NZIA geschrieben hat. “Denn so ist es auch für uns erstmal nicht ganz durchschaubar.”

Kommissionsvorschlag für 2025 erwartet

Hier zeigt sich ein Problem, das auch die öffentliche Vergabereform zu bewältigen hat. Wenn die EU die europäische Industrie fördern, dies aber WTO-konform ausgestalten will, drohen komplexe Regulierungen, die Unternehmen und Verwaltungen das Leben schwer machen. Industriepolitik, WTO-Konformität und Vereinfachung bilden ein Trilemma, das zu überwinden nicht leicht wird.

Dazu kommt, dass nicht nur die Industrie Ansprüche hat. Die Gewerkschaften fordern zum Beispiel, dass soziale Kriterien wie die Tarifbindung viel expliziter als relevante qualitative Kriterien in der öffentlichen Beschaffung genutzt werden können. Zudem gibt es Forderungen, ökologische Kriterien besser zu berücksichtigen.

In Diplomatenkreisen wird erwartet, dass die Kommission noch Ende 2024 oder Anfang 2025 eine öffentliche Konsultation für die Vergabereform starten will. Der darauffolgende Legislativvorschlag der Kommission soll Teil des Arbeitsprogramms der Kommission für 2025 sein.

  • Europapolitik
  • Industriepolitik
  • Net Zero Industry Act
  • Öffentliche Beschaffung
  • Stéphane Séjourné
  • Technologie
  • Ursula von der Leyen
  • Vergaberecht

Termine

16.10.2024 – 12:00-13:00 Uhr, online
FNF, Diskussion Über Grenzen hinweg: Globale Lösungsansätze für den Fachkräftemangel
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) setzt sich mit Lösungsansätzen für den Fachkräftemangel auseinander. INFOS & ANMELDUNG

16.10.2024 – 18:00-19:00 Uhr, online
HBS, Diskussion Amerika wählt: Die USA auf der Weltbühne
Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) diskutiert die möglichen Auswirkungen der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen auf die Politik in Deutschland und der EU. INFOS & ANMELDUNG

17.10.2024 – 10:00-11:30 Uhr, online
BEUC, Panel Discussion Railway to (consumer) heaven? How the EU can promote rail
The European Consumer Organisation (BEUC) discusses the necessity for an EU masterplan for rail. INFOS & REGISTRATION

17.10.2024 – 15:30-17:30 Uhr, Berlin/online
DGAP Keynote Speech on the EU’s Green Industrial Policy by Vice Chancellor Robert Habeck
The German Council on Foreign Relations (DGAP) discusses the complex landscape of transitioning to a net-zero economy. Infos & REGISTRATION

News

Zölle auf E-Autos: Verhandlungen mit China könnten länger dauern

Die EU-Zölle auf Elektroautos aus China sollen am 31. Oktober in Kraft treten, aber die Verhandlungen zwischen EU-Kommission und China könnten nach Angaben von Ursula von der Leyen auch danach fortgesetzt werden. Der Verhandlungsprozess würde nicht abrupt unterbrochen, wenn die Ausgleichszölle in Kraft träten, sagte die Kommissionspräsidentin in Berlin auf einer Pressekonferenz mit Kanzler Olaf Scholz. “Wichtig ist: Die Verhandlungen können, werden und dürfen auch über den Tag hinaus gehen, an dem die Ausgleichszölle in Kraft treten sollen.”

Scholz betonte, dass man die gemeinsame Hoffnung habe, den Konflikt noch lösen zu können. Die Kommission hat Ausgleichszölle für E-Autos vorgeschlagen, die aus China in die EU eingeführt werden. Sie sollen den Wettbewerbsvorteil ausgleichen, den die untersuchten chinesischen Hersteller durch staatliche Subventionen erhielten. Aktuell verhandeln Brüssel und Peking über mögliche alternative Ausgleichsmaßnahmen. Dabei gehe es auch um die Frage von Preisverpflichtungen für die chinesischen Hersteller sowie um Investitionen in Europa, sagte von der Leyen.

Peking nimmt Milchprodukte-Firmen ins Visier

Die Äußerungen deuten darauf hin, wie schwierig die laufenden Verhandlungen sind. In den Mindestpreisen für E-Autos sieht die Kommission keine kurzfristige Lösung: “Ich schließe es nicht aus, aber es erscheint sehr, sehr schwierig, bis Ende Oktober eine Einigung zu erzielen, weil es sehr komplexe und schwierige Probleme zu lösen gibt”, sagte ein EU-Beamter zu Reuters. Ein Problem bestehe darin, dass es Mindestpreise bisher nur für leicht vergleichbare Waren gegeben habe, nicht aber für komplexe Produkte wie Autos. 

Peking bereitet bereits eigene Vergeltungsmaßnahmen für die E-Auto-Zölle vor. Am Montag gab die Regierung bekannt, welche EU-Unternehmen als Stichproben in seiner Anti-Subventionsuntersuchung zu Milchprodukten untersucht werden:

  • Elvi Co in Frankreich
  • Friesland Campina in den Niederlanden
  • Friesland Campina in Belgien
  • Sterilgarda Alimenti in Italien

Für die Importe der vier Unternehmen würde bei der Einführung von Zusatzzöllen dann ein eigener Zollsatz gelten, für andere ein Durchschnitt aus den vier Werten. Wie hoch diese ausfallen können, ist offen. 

China hatte im August, einen Tag nach der ersten Abstimmung der EU-Staaten über Zusatzzölle auf chinesische E-Auto-Importe, eine Anti-Subventionsuntersuchung gegen bestimmte Milchprodukte aus der Europäischen Union eingeleitet. Brüssel hat dazu bereits Beschwerde bei der Welthandelsorganisation eingereicht. In China läuft derzeit auch eine Anti-Dumpinguntersuchung zu europäischem Schweinefleisch. tho/ari

  • EU-Kommission
  • Handel
  • Lebensmittelindustrie
  • Ursula von der Leyen

EU-Außenminister verurteilen Israels Angriffe auf UN-Positionen im Libanon 

Israels Streitkräfte hätten im Libanon mit dem Beschuss von Positionen der UN-Friedenstruppe (Unifil) eine gefährliche weitere rote Linie überschritten, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach dem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Die Minister hätten ihre volle Unterstützung für die Uno-Mission ausgesprochen, und niemand sei für einen Abzug der Blauhelme, wie es von Israel gefordert werde.

Die Mitgliedstaaten tun sich sonst schwer mit gemeinsamen Erklärungen zum Nahostkonflikt, doch diesmal klappte es, wenn auch mit Verzögerung. So hatte Tschechien eine Erklärung Ende vergangener Woche noch blockiert. Der Angriff gegen Unifil, bei dem mehrere Blauhelmsoldaten verletzt wurden, stelle einen schweren Verstoß gegen internationales Recht dar und sei “völlig inakzeptabel”, heißt es in der Erklärung. Diese Angriffe müssten sofort aufhören. Nicht auf der Agenda des Treffens war die Forderung einzelner Mitgliedstaaten nach einem Waffenembargo gegen Israel.

Neue Sanktionen gegen den Iran

Beschlossen wurden hingegen neue Sanktionen gegen den Iran wegen der Lieferung ballistischer Raketen an Russland. Laut US-Angaben geht es um Kurzstreckenraketen vom Typ Fath-360 mit einer Reichweite von etwa 120 Kilometern. Die Sanktionen treffen unter anderem die Fluggesellschaft Iran Air, weil sie an der Lieferung von Waffen und Technologie beteiligt sein soll.

Die Airline, die als einzige noch direkte Linienflüge etwa von Frankfurt, Hamburg oder Wien anbot, darf in der EU künftig keine Tickets mehr verkaufen. Neu gelistet werden insgesamt je sieben Personen und Entitäten. Darunter ein Forschungszentrum sowie unter anderem Verantwortliche der Luft- und Raumfahrtindustrie. Es gebe ganz klare Belege dafür, dass der Iran ballistische Raketen geliefert habe, sagte Europa-Staatssekretärin Anna Lührmann. Sie vertrat Außenministerin Annalena Baerbock, die wegen eines privaten Termins nicht anreisen konnte. 

Borrells Trick, um Ungarns Blockade zu umgehen

Auf der Agenda stand auch ein Vorschlag von Josep Borrell, wie die Blockade Ungarns bei der Friedensfazilität umgangen werden könnte: “Wir sind fast am Ziel”, sagte der EU-Chefdiplomat nach den Beratungen. Die Idee: Beiträge der Mitgliedstaaten für die Friedensfazilität wären nicht mehr obligatorisch, sondern würden formell für freiwillig erklärtUngarn müsste also nicht zahlen, könnte aber das gemeinsame Instrument zur Unterstützung der Ukraine auch nicht länger blockieren.

Borrell sagte, er glaube nicht, dass neben Ungarn auch andere Mitgliedstaaten nicht zahlen würden, sollten die Beiträge freiwillig sein. Dem Außenminister der Ukraine habe er versprochen, vor Ende seiner Amtszeit nach Kiew zu kommen – aber erst, wenn die Blockade der Friedensfazilität überwunden sei. sti

  • EU-Außenpolitik
  • Israel
  • Josep Borrell
  • Nahost
  • Technologie
  • Ukraine

Pläne zur Asylrecht-Einschränkung: Polen droht Ärger mit Kommission

Polen muss wegen seiner Pläne zur Aussetzung des Asylrechts Gegenwind der EU-Kommission befürchten. Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde verwies am Montag darauf, dass die EU-Staaten durch gemeinsame Regeln verpflichtet seien, Schutzsuchenden Zugang zu Asylverfahren zu bieten.

Demnach lässt es sich möglicherweise auch ohne eine Aussetzung des Rechts auf Zugang zum Asylverfahren verhindern, dass Länder wie Russland und Belarus Migration instrumentalisieren und als Waffe gegen EU-Staaten nutzen. Dazu soll es in Krisenfällen etwa eine verstärkte Zusammenarbeit und Solidarität in der EU geben.

Polens Regierung will an diesem Dienstag über die vorübergehende Aussetzung des Rechts auf Asyl beraten. Bei einer Kabinettssitzung soll eine Strategie für die Steuerung irregulärer Migration vorgestellt werden. Ministerpräsident Donald Tusk hatte am Samstag auf einem Parteitag seiner liberalkonservativen Bürgerkoalition angekündigt, sein Land wolle das Recht auf Asyl zumindest vorübergehend aussetzen.

Koalitionspartner zieht Vergleich zu PiS und Orbán

Polen und die EU werfen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, Migranten aus Krisenregionen in organisierter Form an die polnische Ostgrenze zu bringen. Diese ist auch eine EU-Außengrenze.

Die Ankündigung verärgerte auch die Koalitionspartner in Tusks Regierung. Ein Vertreter des mitregierenden Linksbündnisses Lewica sagte der Nachrichtenagentur PAP, Tusk übernehme die Rhetorik der früheren nationalkonservativen PiS-Regierung und stelle sich “in eine Reihe mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán”. 

Bei einer Entscheidung, die Asylregeln auszusetzen, könnte sich die polnische Regierung auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union berufen. Dieser wird so interpretiert, dass Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der inneren Sicherheit in Ausnahmefällen von anderen EU-Regeln abweichen können. Wie ernst die Lage dafür sein muss, ist aber rechtlich unklar. dpa

  • Asylpolitik
  • Migration
  • Migrationspolitik
  • Polen
  • Wladimir Putin

Plenković: Kleine Mitgliedstaaten brauchen eigenen Kommissar

Der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković sieht keine Bereitschaft unter den EU-Staaten, zur Verkleinerung der EU-Kommission auf einen eigenen Vertreter dort zu verzichten. “Für kleinere Länder wie meines wäre das der Weg zur Irrelevanz”, sagte Plenković bei einem Auftritt in der Bertelsmann-Stiftung in Berlin. Keinen Kommissar zu entsenden, sei gleichbedeutend damit, in Brüssel nicht zu existieren.

Die 27 Mitgliedstaaten sind mit jeweils einer Kommissarin oder einem Kommissar in der EU-Exekutive vertreten. Über eine Verkleinerung wird seit Langem diskutiert. Angesichts des möglichen Beitritts der Westbalkan-Staaten sowie der Ukraine und Moldaus hatte auch Kanzler Olaf Scholz davor gewarnt, eine Kommission mit bis zu 36 Mitgliedern stoße an die Grenze der Arbeitsfähigkeit.

Scholz hofft auf Aufnahme neuer Mitglieder

Scholz hatte am Montag die Staats- und Regierungschefs der sechs Westbalkan-Länder im Rahmen des 2014 angeschobenen Berlin-Prozesses ins Kanzleramt geladen. “Ich hoffe, dass es nicht noch einmal zehn Jahre braucht, bis alle sechs Staaten endlich zu EU-Mitgliedern geworden sind”, sagte er.

Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagten, dass Albanien, Serbien, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina jeweils einzeln an ihren Fortschritten bei der Übernahme der EU-Standards gemessen würden. Es werde keinen Gruppenbeitritt geben, betonte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Scholz forderte die Regierungen auf, einander keine Steine in den Weg zu legen. “Alle müssen wissen, dass sie in einer gemeinsamen Zukunft sein werden und dass man sich nicht wechselseitig blockieren kann“, sagte er.

Bei dem Gipfel wurden ein Aktionsplan für einen gemeinsamen regionalen Markt unterzeichnet sowie ein neues Mobilitätsabkommen, bei dem es um den Zugang zur Hochschulbildung geht. Vor wenigen Tagen war unter deutscher Vermittlung bereits eine jahrelange Blockade des Freihandelsabkommens Cefta der sechs Staaten gelöst worden. “Das ist nichts Geringeres als ein Durchbruch für die regionale Zusammenarbeit”, sagte Scholz. tho/dpa

  • EU-Erweiterung
  • EU-Kommission
  • Ursula von der Leyen
  • Westbalkan

Presseschau

Aktionsplan verabschiedet: Scholz treibt EU-Beitritt des Westbalkans voran N-TV
Tagung in Luxemburg: EU verhängt wegen Raketenlieferungen neue Iran-Sanktionen DEUTSCHLANDFUNK
Waffenlieferungen: EU-Sanktionen gegen Iran: Ukrainischer Außenminister Sybiha begrüßt Strafmaßnahmen DEUTSCHLANDFUNK
EU-Chefdiplomat kündigt mögliche Konsequenzen für Israel an T-ONLINE
Luftverschmutzung: Neue Grenzwerte für Schadstoffe in der EU DEUTSCHLANDFUNK
EU und Ukraine: Verzweifeln an Orbáns Sturheit SÜDDEUTSCHE
Geplante Asylrecht-Einschränkung: Polen droht Konflikt mit EU-Kommission DEUTSCHLANDFUNK
“Genug ist genug”: Ligen reichen bei EU-Kommission Beschwerde gegen Fifa-Spielpläne ein WELT
Kommunale Kläranlagen halten EU-Vorgaben sicher ein RECYCLING MAGAZIN
EU-Fonds für Wettbewerbsfähigkeit: Kritik an Kommissionsplänen EURACTIV
Gegen Scheinselbständigkeit: EU-Staaten befürworten Richtlinie für Lieferdienste HEISE
EU erlaubt Frankreich erhebliche Trassenpreisermäßigung DVZ
“EU Inc”: Gründer von Personio, DeepL und bekannte Investoren starten Petition für neue Gesellschaftsform BUSINESS INSIDER
Zubringer-Abkommen: Streit zwischen Condor und Lufthansa geht auf EU-Ebene AEROTELEGRAPH
Warum die belgischen Wahlen in die Geschichtsbücher eingehen werden AACHENER-ZEITUNG
Nato-Übung mit Atomwaffen auch in Belgien BRF
Ehrgeizige Klimaziele: Griechenland macht Tempo bei der Energiewende RND
Härter statt hart? – Griechische Migrationspolitik nach deutschem Alleingang SR
Spanien: Nationalfeiertag im Regen ZDF
Neue Strategie: Großbritannien will sich für Investoren aufhübschen DER STANDARD
Frankreich: Wie Marine Le Pen ihre Macht weiter ausbauen will HANDELSBLATT
Sanktionen: Gericht beschlagnahmt mutmaßliche Oligarchen-Villen in Frankreich SPIEGEL
Unruhen auf Martinique wegen drastisch gestiegener Preise für Lebensmittel SÜDDEUTSCHE
Seit 2011 keine eigenen Panzer: Niederlande kaufen 46 Leopard-Panzer N-TV
Neue Koalition in den Niederlanden: Rechte Regierung in Den Haag verhakt sich beim Asylrecht TAGESANZEIGER

Heads

Marta Kos: Erweiterungskommissarin tritt schweres Erbe an

Marta Kos ist Kandidatin für den Posten der Erweiterungskommissarin.

Marta Kos kommt aus einem Land, das für den frühen Erfolg des EU-Erweiterungsprozesses steht. An diese Erfolgsgeschichte will die Slowenin anknüpfen, wenn das EU-Parlament sie bei den Anhörungen im November als Erweiterungskommissarin bestätigt.

Die Slowenin wird auch den Wiederaufbau der Ukraine mit den internationalen Partnern koordinieren, wie es im Mission Letter heißt.

Erweiterung als erfolgreichste Außenpolitik

Sie werde intensiv mit der Ukraine, Georgien, Moldau, der Türkei und den Westbalkanstaaten zusammenarbeiten, um deren “Europäische Perspektive” bis hin zum vollständigen Beitritt zu realisieren, sagte Kos. Erweiterung habe als erfolgreichste Außenpolitik der EU Frieden, Stabilität, Prosperität und neue Chancen für alle Europäerinnen und Europäer gebracht. Dies sei im aktuellen geopolitischen Umfeld wichtiger denn je, in dem Russland die Ukraine überfallen und den Krieg nach Europa getragen habe.

Marta Kos wird die sechste Erweiterungskommissarin sein, seitdem die EU allen ehemals jugoslawischen Teilrepubliken und Albanien 2003 in Thessaloniki den Beitritt in Aussicht gestellt hat. Allerdings hat es seit Kroatiens Beitritt vor gut zehn Jahren keines der Kandidatenländer mehr geschafft, Teil der EU zu werden. Das stellt die Glaubwürdigkeit des Prozesses infrage.

Vorgänger war Viktor Orbáns Mann in Brüssel

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Erweiterungspolitik zwar neu in den Fokus gerückt, doch frischer Elan ist nach den fünf Jahren mit Olivér Várhelyi dringend nötig. Die Erleichterung über den Wechsel von Viktor Orbáns Statthalter auf den geopolitisch weniger exponierten Posten als Gesundheitskommissar ist nicht nur in Brüssel groß. Die Erweiterungskommissarin komme immerhin nicht aus einem Land, das selbst ein Problem mit den grundlegenden Werten der EU habe, so ein Diplomat.

Damit die Slowenin Erfolg hat, müssen auch die Mitgliedstaaten ihren Teil beitragen. Die Verhandlungen mit Nordmazedonien zum Beispiel kommen wegen Bulgariens Blockadepolitik nicht voran. Kos wird auch viel Energie investieren müssen, die Kandidatenländer von den nötigen Reformen zu überzeugen. Zuletzt gab es in gewissen Balkanstaaten mehr Rückschritte als Fortschritte. Wenn sie Glück hat, wird sie noch vor Ende ihres Mandats Montenegro als 28. EU-Mitglied begrüßen können.

Botschafterin in Berlin und Bern

Kos hat bisher kein Exekutivamt ausgeübt. Die gelernte Journalistin war unter anderem Regierungssprecherin und Miteigentümerin einer in der Unternehmensberatung tätigen Firma, bevor sie 2013 Sloweniens Botschafterin in Deutschland wurde, mit Zuständigkeit auch für Lettland. In Berlin sorgte sie unter anderem dafür, dass ihre Heimat nicht mehr mit der Slowakei verwechselt wurde.

2017 wechselte sie auf den Botschafterposten in Bern, wo sie ihren Mann kennenlernte, den damaligen Schweizer Diplomaten Henri Gétaz. Sie wurde 2022 eine der Vizepräsidentinnen der Svoboda-Partei von Ministerpräsident Robert Golob und kandidierte für dessen neue grün-liberale Bewegung bei den Präsidentschaftswahlen, zog sich aber im Wahlkampf im Streit mit dem Parteigründer zurück. Der Konflikt mit Robert Golob sei inzwischen ausgeräumt, heißt es in Ljubljana.

Kritische Themen bei der Anhörung im Europaparlament

Mobbingvorwürfe sorgten 2020 für den vorzeitigen Abgang vom Botschafterposten in der Schweiz. Das Thema könnte bei der Anhörung im Europaparlamant zur Sprache kommen. Beobachter sprechen von einem politisch motivierten Verfahren, lanciert vom Populisten Janez Janša, damals vorübergehend zurück als Regierungschef. Ähnlich verhält es sich mit Behauptungen über angebliche Verbindungen zum damaligen jugoslawischen Geheimdienst Udba.

Kritische Fragen dürfte es beim Hearing auch zu Kos’ Rolle als Senior Advisor bei Kreab in Brüssel geben, eine der größten Beratungsfirmen, für die sie ab 2023 tätig war. Bei den Vorbereitungen für die Anhörungen hilft als Teil des Übergangsteams der Slowene Marko Makovec, hoher Beamter beim Europäischen Auswärtigen Dienst und als Kabinettschef vorgesehen. Stephan Israel

  • EU-Außenpolitik
  • EU-Beitritt
  • EU-Erweiterung
  • Europäische Kommission

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in der Energiepolitik dreht sich der Wind. Die zuständigen Minister beraten heute in Brüssel zwar einmal mehr über Versorgungssicherheit und russische Energieexporte. Doch was die Preise angeht, setzen sich Deutschland und elf andere Mitgliedstaaten für einen Richtungswechsel ein. Die “Freunde der Erneuerbaren” schrieben am Montag in einem Positionspapier, Verbraucher und Produzenten erneuerbarer Energie müssten schrittweise ein höheres Marktrisiko tragen.

    Die Krisenpolitik nach 2022 war aber gerade darauf ausgerichtet, Haushalte und Unternehmen vom kurzfristigen Auf und Ab an den Energiemärkten abzuschirmen. Durch den neuen Kurs wollen Deutschland und seine Mitstreiter die Flexibilität im Energiesystem erhöhen und alle dazu bewegen, Verbrauch und Produktion stärker am Markt auszurichten. Genau dies würde das Auf und Ab der Preise dämpfen – und so schlösse sich der Kreis doch wieder.

    Streit zwischen der Erneuerbaren- und der Atomenergie-Fraktion dürfte sich aber vor allem an der Wasserstoffförderung entzünden. Frankreich und sieben Mitstreiter fordern in einem anderen Papier die Kommission dazu auf, über die Europäische Wasserstoffbank künftig auch “kohlenstoffarmen” Wasserstoff etwa aus Atomstrom zu fördern. Angesichts knapper Fördermittel und des zuletzt noch weiter gestiegenen Finanzbedarfs würde das die Entwicklung von grünem Wasserstoff noch stärker unter Druck setzen.

    Ich wünsche Ihnen viel Freude mit der 800. Ausgabe unseres Briefings.

    Ihr
    Manuel Berkel
    Bild von Manuel  Berkel
    • Atomkraft
    • Blauer Wasserstoff
    • Energiepolitik
    • Energiepreise
    • Erneuerbare Energien
    • Frankreich
    • Grüner Wasserstoff
    • Wasserstoff

    Analyse

    COP29: Welche Rolle die EU in Baku spielt

    Europa hat in Baku vor allem ein Ziel. Bei der UN-Klimakonferenz im November (COP29) soll der Kreis der Geberländer für die internationale Klimafinanzierung erweitert werden. Das legten die für die Klimapolitik zuständigen Minister am Montag beim Umweltrat in Luxemburg fest.

    Bislang zahlen die Anfang der 1990er-Jahre als solche eingestuften Industriestaaten für Klimaschutz- und Klimaanpassungs-Maßnahmen im Globalen Süden. Geht es nach der EU, muss diese Einstufung nach drei Jahrzehnten überarbeitet werden. Vor allem jene Länder, die in der Zwischenzeit zu erheblichem Wohlstand gekommen sind und zusätzlich mit einem hohen Treibhausgasausstoß zur Erderwärmung beitragen, sollen ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Dazu gehören China sowie die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten.

    Beim Umweltrat legten die EU-Staaten nun ihre offizielle Verhandlungsposition für die COP29 fest. Darin heißt es unter anderem:

    • Die Mitgliedstaaten unterstreichen die Einigung der COP28 auf einen Übergang weg von fossilen Brennstoffen.
    • Lange wurde um die Rolle der Kernenergie in den Schlussfolgerungen gestritten. Frankreich und andere Atomländer wollten Kernkraft als eine von vielen Möglichkeiten zur Dekarbonisierung festschreiben. Deutschland und eine Fraktion der Atomkraftgegner wollten einen besonderen Fokus auf Erneuerbare. Obwohl das Thema bei der COP kaum eine Rolle spielt, hielt es die Einigung über Stunden auf. Schließlich entschied man sich für eine Formulierung aus der COP28-Einigung, in der Kernenergie als eine von vielen Möglichkeiten angesehen wird.
    • Die EU-Länder fordern ein neues Klimafinanzierungsziel (NCQG), das erreichbar und zweckmäßig ist.
    • Die Voraussetzung für ein ambitioniertes NCQG ist für die EU, dass die Gruppe der Geberländer für internationale Klimafinanzierung erweitert wird. Länder, die in der Lage sind, einen Beitrag zu zahlen, sollten dies tun, forderte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.
    • Entwicklungs- und Schwellenländer, die bereits beitragen, sollten dies offenlegen, um Transparenz zu schaffen.

    Europa baut “zusätzliche Front” auf

    Eine konkrete Zahl für den europäischen Beitrag zum NCQG wollen die EU-Länder aus taktischen Gründen jedoch nicht nennen. Sie fürchten, dass ihr Ziel, den Kreis der Geberländer zu erweitern, scheitern könnte, wenn sie sich schon jetzt zu einer bestimmten Summe verpflichten. Sven Harmeling, Head of Climate beim Climate Action Network Europa (CAN Europe), hält diese Strategie nicht für zielführend. “Es baut eine zusätzliche Front auf.”

    Harmeling kritisiert im Gespräch mit Table.Briefings, der EU fehle eine klare Strategie, wie man andere als Geberländer gewinnt oder sie dazu bringt, ihre Beiträge zur Klimafinanzierung offenzulegen. Gleichzeitig müsse die EU auch klar benennen, dass sie bei der Klimafinanzierung in der Hauptverantwortung sei.

    Das NCQG ist der Nachfolger des derzeit noch geltenden 100-Milliarden-Ziels, in dem Industrieländer an Entwicklungsländer zahlen. “Solange die Industrieländer nicht klar machen, dass sie diesmal höher gehen als die 100 Milliarden, sollten sie selbst auch keine Voraussetzungen festlegen.” Dass sie sich nicht bereit erklärten, die 100 Milliarden fortzuführen, sondern sie im schlimmsten Fall sogar unterbieten, spiegelt laut Harmeling weder die Weltökonomie wider noch wird es der historischen Verantwortung der Industrieländer gerecht. Sogar die USA haben die 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr als Mindestgröße für das NCQG betitelt. “Europa müsste da mehr Offenheit signalisieren”, fordert Harmeling.

    Geldsorgen und wenig Ehrgeiz in Ungarn

    Die Gründe für die fehlende Offenheit Europas sind die schwierige Haushaltslage in den großen EU-Mitgliedstaaten und die in den Hauptstädten geführte politische Debatte über Finanzen. Frankreich ist geplagt von einem massiven Haushaltsdefizit, in Berlin drohen Haushaltsstreitigkeiten immer wieder die Regierungskoalition zu sprengen, zudem sinkt die Klimafinanzierung, und die italienische Regierung hat andere Prioritäten als den Kampf gegen den Klimawandel und dessen Finanzierung. Die EU fährt entsprechend geschwächt nach Baku, besonders beim Thema Finanzen.

    Doch Geld ist nicht das einzige Problem. Zwar bleibt der Worst Case aus, denn Klimakommissar Wopke Hoekstra bleibt im Amt, fährt also nicht als scheidender Kommissar nach Baku. Er bringt sowohl für die Klimaverhandlungen als auch als Finanzexperte einiges an Erfahrung mit. Doch die ungarische Ratspräsidentschaft gilt nicht als besonders ambitioniert und dürfte sich in Baku daher auf seine Moderationsrolle innerhalb der EU beschränken. Umso mehr stehen in den Verhandlungen mit den anderen Ländern in Baku die Haushalts-gebeutelten großen Mitgliedstaaten im Fokus.

    “Sehr komplizierte Verhandlungslage”

    “Im Optimalfall hat die EU bis zur COP eine Strategie, wie weit sie bei der Klimafinanzierung gehen kann, sowohl über öffentliche Finanzierung als auch über die Entwicklungsbanken”, sagt Harmeling vom CAN Europe. Er vermutet: Sollte die EU von ihrem harten Kurs zur Erweiterung der Geberländer abrücken, könnten auch andere Länder einwilligen, ihre Klimafinanzierung offenzulegen und einen längerfristigen Prozess mit dem Ziel, die Geberländer zu erweitern, starten.

    In der offiziellen Schlussfolgerung der EU-Mitgliedstaaten wird zwar noch keine solche Strategie angedeutet, jedoch sagte Klimakommissar Hoekstra am Montagabend, man wolle sicherstellen, dass mehr Geld aus öffentlichen und privaten Quellen für die bedürftigsten Länder zur Verfügung steht. Ob dies auch gelinge, müsse sich zeigen. Die derzeitige geopolitische Situation sorge für eine komplizierte Verhandlungslage. Auch die Positionen der COP-Teilnehmerländer seien teilweise noch sehr weit voneinander entfernt, so Hoekstra.

    Die Ratsschlussfolgerungen zur COP29 sind also nur das Minimum zum Thema Klimafinanzierung. In Baku werden sie nachlegen müssen, um ihrer Führungsrolle gerecht zu werden. Ein Scheitern der COP in Baku, ähnlich wie in Kopenhagen 2009 würde vor allem der EU schaden, sagt Harmeling. “Die europäische Öffentlichkeit ist immer noch relativ stark sensibilisiert für diese Themen.”

    • Atomkraft
    • COP29
    • Dekarbonisierung
    • EU-Klimapolitik
    • Europapolitik
    • Klima & Umwelt
    • Klimafinanzierung
    • NCQG
    Translation missing.

    Öffentliche Beschaffung: Was eine Reform erschwert

    Die öffentliche Beschaffung ist eigentlich ein naheliegendes Instrument der Industriepolitik. Wenn Staatshaushalte knapp und Regulierungen nur schwer zu ändern sind, bleibt die öffentliche Vergabe, um die Wirtschaft zu gestalten. Der europäische Markt für die öffentliche Beschaffung beläuft sich auf circa 14 Prozent des BIP. Dennoch nutzt die EU dieses Instrument noch kaum. Grundsätzlich gilt: Der günstigste Anbieter erhält den Zuschlag.

    In der neuen Kommission soll sich das ändern. Schon in ihren politischen Leitlinien hatte Ursula von der Leyen angekündigt, die öffentliche Beschaffung verstärkt zu nutzen. In ihrem Mission Letter für den designierten Kommissionsvizepräsidenten Stéphane Séjourné, erteilt sie ihm den Auftrag, die Richtlinien für die öffentliche Beschaffung zu überarbeiten, “um Angebotssicherheit für einige wichtige Technologien, Produkte und Dienstleistungen zu sichern”.

    Zudem sollen die Regeln einfacher und der Verwaltungsaufwand geringer werden. Die Reform “sollte eine Präferenz für europäische Produkte in der öffentlichen Beschaffung in gewissen strategischen Sektoren und Technologien ermöglichen”, heißt es im Mission Letter.

    Kommunen haben kaum Ressourcen für komplexe Regeln

    Grundsätzlich ist es heute schon möglich, qualitative Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung zu berücksichtigen. Doch der entsprechend relevante Artikel 67 in der Richtlinie für öffentliche Auftragsvergabe ist sehr verklausuliert formuliert. Laut Kerstin Jorna, Generaldirektorin von DG GROW, schafft diese Komplexität Unsicherheit. Viele Kommunen und andere Verwaltungseinheiten haben keine Ressourcen, sich detailliert mit den Möglichkeiten der Regelung zu beschäftigen. Deshalb würden sie meist schlicht das günstigste Angebot auswählen, um auf der sicheren Seite zu sein, sagte Jorna auf einer Konferenz des wirtschaftspolitischen Thinktanks Bruegel im September. DG GROW steht in der Hauptverantwortung, die Reform vorzubereiten.

    In Deutschland strengt das BMWK ein Vergabe-Transformationspaket an. Das Ziel ist ähnlich: Vereinfachung für Verwaltung und KMUs und Förderung für innovatives, ökologisches Wirtschaften. Die Ankündigung des Pakets erwähnt keine europäische Präferenz, doch die Reform soll ermöglichen, “Unternehmen aus gewissen Drittstaaten in kritischen Bereichen” auszuschließen.

    Während das deutsche Vergabetransformationspaket für die kleineren öffentlichen Aufträge gilt, bestimmt die EU-Richtlinie, welchen Regeln die öffentliche Beschaffung oberhalb definierter Grenzwerte des Auftragswerts folgen muss.

    Das Ziel: Grüne Leitmärkte schaffen

    Hinter den Reformbemühungen liegt das industriepolitische Anliegen, eine Nachfrage für europäische Anbieter innovativer und ökologischer Technologien zu schaffen. Einer der Gründe für die fehlenden Investitionen in Europa ist die fehlende Sicherheit, dass es einen Markt gibt für die neuen Produkte, zum Beispiel grünen Stahl. “Die Wettbewerbsfähigkeit hängt sehr stark am zukünftigen Marktwachstum” sagt André Wolf vom Centrum für Europäische Politik (CEP). Nachfrage aus dem öffentlichen Sektor, zum Beispiel bei Infrastrukturprojekten, soll dieser Unsicherheit entgegenwirken und “grüne Leitmärkte” schaffen.

    Die USA und China setzen diese Strategie schon länger ein, indem sie auf eine Präferenz für heimische Anbieter setzen. Die EU ist bisher davor zurückgeschreckt, weil eine explizite Präferenz nicht WTO-kompatibel wäre. Stattdessen nimmt sie den Umweg über Resilienzkriterien.

    Unklare Kriterien im Net Zero Industry Act

    Resilienzkriterien schreiben nicht vor, dass Produkte aus der EU stammen müssen, sondern dass Abhängigkeiten bei kritischen Technologien reduziert werden sollen. Im Net Zero Industry Act (NZIA) hat die EU solche Kriterien für Nettonull-Technologien eingeführt. Bei Technologien, bei denen die EU eine hohe Abhängigkeit (über 50 Prozent der Importe) von einem einzelnen Drittstaat aufweist, müssen öffentlich ausgeschriebene Nettonull-Projekte auch den Beitrag der einzelnen Bewerbungen zur Behebung dieser Importabhängigkeit berücksichtigen.

    Wie genau die Resilienz zu berechnen und zu berücksichtigen ist, ist jedoch unklar. “Es kommen noch mindestens zwei Durchführungsrechtsakte, von denen man sich dazu Klarheit erhofft”, sagt Wolf, der für das CEP eine Studie zu den Resilienzkriterien im NZIA geschrieben hat. “Denn so ist es auch für uns erstmal nicht ganz durchschaubar.”

    Kommissionsvorschlag für 2025 erwartet

    Hier zeigt sich ein Problem, das auch die öffentliche Vergabereform zu bewältigen hat. Wenn die EU die europäische Industrie fördern, dies aber WTO-konform ausgestalten will, drohen komplexe Regulierungen, die Unternehmen und Verwaltungen das Leben schwer machen. Industriepolitik, WTO-Konformität und Vereinfachung bilden ein Trilemma, das zu überwinden nicht leicht wird.

    Dazu kommt, dass nicht nur die Industrie Ansprüche hat. Die Gewerkschaften fordern zum Beispiel, dass soziale Kriterien wie die Tarifbindung viel expliziter als relevante qualitative Kriterien in der öffentlichen Beschaffung genutzt werden können. Zudem gibt es Forderungen, ökologische Kriterien besser zu berücksichtigen.

    In Diplomatenkreisen wird erwartet, dass die Kommission noch Ende 2024 oder Anfang 2025 eine öffentliche Konsultation für die Vergabereform starten will. Der darauffolgende Legislativvorschlag der Kommission soll Teil des Arbeitsprogramms der Kommission für 2025 sein.

    • Europapolitik
    • Industriepolitik
    • Net Zero Industry Act
    • Öffentliche Beschaffung
    • Stéphane Séjourné
    • Technologie
    • Ursula von der Leyen
    • Vergaberecht

    Termine

    16.10.2024 – 12:00-13:00 Uhr, online
    FNF, Diskussion Über Grenzen hinweg: Globale Lösungsansätze für den Fachkräftemangel
    Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) setzt sich mit Lösungsansätzen für den Fachkräftemangel auseinander. INFOS & ANMELDUNG

    16.10.2024 – 18:00-19:00 Uhr, online
    HBS, Diskussion Amerika wählt: Die USA auf der Weltbühne
    Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) diskutiert die möglichen Auswirkungen der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen auf die Politik in Deutschland und der EU. INFOS & ANMELDUNG

    17.10.2024 – 10:00-11:30 Uhr, online
    BEUC, Panel Discussion Railway to (consumer) heaven? How the EU can promote rail
    The European Consumer Organisation (BEUC) discusses the necessity for an EU masterplan for rail. INFOS & REGISTRATION

    17.10.2024 – 15:30-17:30 Uhr, Berlin/online
    DGAP Keynote Speech on the EU’s Green Industrial Policy by Vice Chancellor Robert Habeck
    The German Council on Foreign Relations (DGAP) discusses the complex landscape of transitioning to a net-zero economy. Infos & REGISTRATION

    News

    Zölle auf E-Autos: Verhandlungen mit China könnten länger dauern

    Die EU-Zölle auf Elektroautos aus China sollen am 31. Oktober in Kraft treten, aber die Verhandlungen zwischen EU-Kommission und China könnten nach Angaben von Ursula von der Leyen auch danach fortgesetzt werden. Der Verhandlungsprozess würde nicht abrupt unterbrochen, wenn die Ausgleichszölle in Kraft träten, sagte die Kommissionspräsidentin in Berlin auf einer Pressekonferenz mit Kanzler Olaf Scholz. “Wichtig ist: Die Verhandlungen können, werden und dürfen auch über den Tag hinaus gehen, an dem die Ausgleichszölle in Kraft treten sollen.”

    Scholz betonte, dass man die gemeinsame Hoffnung habe, den Konflikt noch lösen zu können. Die Kommission hat Ausgleichszölle für E-Autos vorgeschlagen, die aus China in die EU eingeführt werden. Sie sollen den Wettbewerbsvorteil ausgleichen, den die untersuchten chinesischen Hersteller durch staatliche Subventionen erhielten. Aktuell verhandeln Brüssel und Peking über mögliche alternative Ausgleichsmaßnahmen. Dabei gehe es auch um die Frage von Preisverpflichtungen für die chinesischen Hersteller sowie um Investitionen in Europa, sagte von der Leyen.

    Peking nimmt Milchprodukte-Firmen ins Visier

    Die Äußerungen deuten darauf hin, wie schwierig die laufenden Verhandlungen sind. In den Mindestpreisen für E-Autos sieht die Kommission keine kurzfristige Lösung: “Ich schließe es nicht aus, aber es erscheint sehr, sehr schwierig, bis Ende Oktober eine Einigung zu erzielen, weil es sehr komplexe und schwierige Probleme zu lösen gibt”, sagte ein EU-Beamter zu Reuters. Ein Problem bestehe darin, dass es Mindestpreise bisher nur für leicht vergleichbare Waren gegeben habe, nicht aber für komplexe Produkte wie Autos. 

    Peking bereitet bereits eigene Vergeltungsmaßnahmen für die E-Auto-Zölle vor. Am Montag gab die Regierung bekannt, welche EU-Unternehmen als Stichproben in seiner Anti-Subventionsuntersuchung zu Milchprodukten untersucht werden:

    • Elvi Co in Frankreich
    • Friesland Campina in den Niederlanden
    • Friesland Campina in Belgien
    • Sterilgarda Alimenti in Italien

    Für die Importe der vier Unternehmen würde bei der Einführung von Zusatzzöllen dann ein eigener Zollsatz gelten, für andere ein Durchschnitt aus den vier Werten. Wie hoch diese ausfallen können, ist offen. 

    China hatte im August, einen Tag nach der ersten Abstimmung der EU-Staaten über Zusatzzölle auf chinesische E-Auto-Importe, eine Anti-Subventionsuntersuchung gegen bestimmte Milchprodukte aus der Europäischen Union eingeleitet. Brüssel hat dazu bereits Beschwerde bei der Welthandelsorganisation eingereicht. In China läuft derzeit auch eine Anti-Dumpinguntersuchung zu europäischem Schweinefleisch. tho/ari

    • EU-Kommission
    • Handel
    • Lebensmittelindustrie
    • Ursula von der Leyen

    EU-Außenminister verurteilen Israels Angriffe auf UN-Positionen im Libanon 

    Israels Streitkräfte hätten im Libanon mit dem Beschuss von Positionen der UN-Friedenstruppe (Unifil) eine gefährliche weitere rote Linie überschritten, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach dem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Die Minister hätten ihre volle Unterstützung für die Uno-Mission ausgesprochen, und niemand sei für einen Abzug der Blauhelme, wie es von Israel gefordert werde.

    Die Mitgliedstaaten tun sich sonst schwer mit gemeinsamen Erklärungen zum Nahostkonflikt, doch diesmal klappte es, wenn auch mit Verzögerung. So hatte Tschechien eine Erklärung Ende vergangener Woche noch blockiert. Der Angriff gegen Unifil, bei dem mehrere Blauhelmsoldaten verletzt wurden, stelle einen schweren Verstoß gegen internationales Recht dar und sei “völlig inakzeptabel”, heißt es in der Erklärung. Diese Angriffe müssten sofort aufhören. Nicht auf der Agenda des Treffens war die Forderung einzelner Mitgliedstaaten nach einem Waffenembargo gegen Israel.

    Neue Sanktionen gegen den Iran

    Beschlossen wurden hingegen neue Sanktionen gegen den Iran wegen der Lieferung ballistischer Raketen an Russland. Laut US-Angaben geht es um Kurzstreckenraketen vom Typ Fath-360 mit einer Reichweite von etwa 120 Kilometern. Die Sanktionen treffen unter anderem die Fluggesellschaft Iran Air, weil sie an der Lieferung von Waffen und Technologie beteiligt sein soll.

    Die Airline, die als einzige noch direkte Linienflüge etwa von Frankfurt, Hamburg oder Wien anbot, darf in der EU künftig keine Tickets mehr verkaufen. Neu gelistet werden insgesamt je sieben Personen und Entitäten. Darunter ein Forschungszentrum sowie unter anderem Verantwortliche der Luft- und Raumfahrtindustrie. Es gebe ganz klare Belege dafür, dass der Iran ballistische Raketen geliefert habe, sagte Europa-Staatssekretärin Anna Lührmann. Sie vertrat Außenministerin Annalena Baerbock, die wegen eines privaten Termins nicht anreisen konnte. 

    Borrells Trick, um Ungarns Blockade zu umgehen

    Auf der Agenda stand auch ein Vorschlag von Josep Borrell, wie die Blockade Ungarns bei der Friedensfazilität umgangen werden könnte: “Wir sind fast am Ziel”, sagte der EU-Chefdiplomat nach den Beratungen. Die Idee: Beiträge der Mitgliedstaaten für die Friedensfazilität wären nicht mehr obligatorisch, sondern würden formell für freiwillig erklärtUngarn müsste also nicht zahlen, könnte aber das gemeinsame Instrument zur Unterstützung der Ukraine auch nicht länger blockieren.

    Borrell sagte, er glaube nicht, dass neben Ungarn auch andere Mitgliedstaaten nicht zahlen würden, sollten die Beiträge freiwillig sein. Dem Außenminister der Ukraine habe er versprochen, vor Ende seiner Amtszeit nach Kiew zu kommen – aber erst, wenn die Blockade der Friedensfazilität überwunden sei. sti

    • EU-Außenpolitik
    • Israel
    • Josep Borrell
    • Nahost
    • Technologie
    • Ukraine

    Pläne zur Asylrecht-Einschränkung: Polen droht Ärger mit Kommission

    Polen muss wegen seiner Pläne zur Aussetzung des Asylrechts Gegenwind der EU-Kommission befürchten. Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde verwies am Montag darauf, dass die EU-Staaten durch gemeinsame Regeln verpflichtet seien, Schutzsuchenden Zugang zu Asylverfahren zu bieten.

    Demnach lässt es sich möglicherweise auch ohne eine Aussetzung des Rechts auf Zugang zum Asylverfahren verhindern, dass Länder wie Russland und Belarus Migration instrumentalisieren und als Waffe gegen EU-Staaten nutzen. Dazu soll es in Krisenfällen etwa eine verstärkte Zusammenarbeit und Solidarität in der EU geben.

    Polens Regierung will an diesem Dienstag über die vorübergehende Aussetzung des Rechts auf Asyl beraten. Bei einer Kabinettssitzung soll eine Strategie für die Steuerung irregulärer Migration vorgestellt werden. Ministerpräsident Donald Tusk hatte am Samstag auf einem Parteitag seiner liberalkonservativen Bürgerkoalition angekündigt, sein Land wolle das Recht auf Asyl zumindest vorübergehend aussetzen.

    Koalitionspartner zieht Vergleich zu PiS und Orbán

    Polen und die EU werfen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, Migranten aus Krisenregionen in organisierter Form an die polnische Ostgrenze zu bringen. Diese ist auch eine EU-Außengrenze.

    Die Ankündigung verärgerte auch die Koalitionspartner in Tusks Regierung. Ein Vertreter des mitregierenden Linksbündnisses Lewica sagte der Nachrichtenagentur PAP, Tusk übernehme die Rhetorik der früheren nationalkonservativen PiS-Regierung und stelle sich “in eine Reihe mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán”. 

    Bei einer Entscheidung, die Asylregeln auszusetzen, könnte sich die polnische Regierung auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union berufen. Dieser wird so interpretiert, dass Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der inneren Sicherheit in Ausnahmefällen von anderen EU-Regeln abweichen können. Wie ernst die Lage dafür sein muss, ist aber rechtlich unklar. dpa

    • Asylpolitik
    • Migration
    • Migrationspolitik
    • Polen
    • Wladimir Putin

    Plenković: Kleine Mitgliedstaaten brauchen eigenen Kommissar

    Der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković sieht keine Bereitschaft unter den EU-Staaten, zur Verkleinerung der EU-Kommission auf einen eigenen Vertreter dort zu verzichten. “Für kleinere Länder wie meines wäre das der Weg zur Irrelevanz”, sagte Plenković bei einem Auftritt in der Bertelsmann-Stiftung in Berlin. Keinen Kommissar zu entsenden, sei gleichbedeutend damit, in Brüssel nicht zu existieren.

    Die 27 Mitgliedstaaten sind mit jeweils einer Kommissarin oder einem Kommissar in der EU-Exekutive vertreten. Über eine Verkleinerung wird seit Langem diskutiert. Angesichts des möglichen Beitritts der Westbalkan-Staaten sowie der Ukraine und Moldaus hatte auch Kanzler Olaf Scholz davor gewarnt, eine Kommission mit bis zu 36 Mitgliedern stoße an die Grenze der Arbeitsfähigkeit.

    Scholz hofft auf Aufnahme neuer Mitglieder

    Scholz hatte am Montag die Staats- und Regierungschefs der sechs Westbalkan-Länder im Rahmen des 2014 angeschobenen Berlin-Prozesses ins Kanzleramt geladen. “Ich hoffe, dass es nicht noch einmal zehn Jahre braucht, bis alle sechs Staaten endlich zu EU-Mitgliedern geworden sind”, sagte er.

    Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagten, dass Albanien, Serbien, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina jeweils einzeln an ihren Fortschritten bei der Übernahme der EU-Standards gemessen würden. Es werde keinen Gruppenbeitritt geben, betonte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Scholz forderte die Regierungen auf, einander keine Steine in den Weg zu legen. “Alle müssen wissen, dass sie in einer gemeinsamen Zukunft sein werden und dass man sich nicht wechselseitig blockieren kann“, sagte er.

    Bei dem Gipfel wurden ein Aktionsplan für einen gemeinsamen regionalen Markt unterzeichnet sowie ein neues Mobilitätsabkommen, bei dem es um den Zugang zur Hochschulbildung geht. Vor wenigen Tagen war unter deutscher Vermittlung bereits eine jahrelange Blockade des Freihandelsabkommens Cefta der sechs Staaten gelöst worden. “Das ist nichts Geringeres als ein Durchbruch für die regionale Zusammenarbeit”, sagte Scholz. tho/dpa

    • EU-Erweiterung
    • EU-Kommission
    • Ursula von der Leyen
    • Westbalkan

    Presseschau

    Aktionsplan verabschiedet: Scholz treibt EU-Beitritt des Westbalkans voran N-TV
    Tagung in Luxemburg: EU verhängt wegen Raketenlieferungen neue Iran-Sanktionen DEUTSCHLANDFUNK
    Waffenlieferungen: EU-Sanktionen gegen Iran: Ukrainischer Außenminister Sybiha begrüßt Strafmaßnahmen DEUTSCHLANDFUNK
    EU-Chefdiplomat kündigt mögliche Konsequenzen für Israel an T-ONLINE
    Luftverschmutzung: Neue Grenzwerte für Schadstoffe in der EU DEUTSCHLANDFUNK
    EU und Ukraine: Verzweifeln an Orbáns Sturheit SÜDDEUTSCHE
    Geplante Asylrecht-Einschränkung: Polen droht Konflikt mit EU-Kommission DEUTSCHLANDFUNK
    “Genug ist genug”: Ligen reichen bei EU-Kommission Beschwerde gegen Fifa-Spielpläne ein WELT
    Kommunale Kläranlagen halten EU-Vorgaben sicher ein RECYCLING MAGAZIN
    EU-Fonds für Wettbewerbsfähigkeit: Kritik an Kommissionsplänen EURACTIV
    Gegen Scheinselbständigkeit: EU-Staaten befürworten Richtlinie für Lieferdienste HEISE
    EU erlaubt Frankreich erhebliche Trassenpreisermäßigung DVZ
    “EU Inc”: Gründer von Personio, DeepL und bekannte Investoren starten Petition für neue Gesellschaftsform BUSINESS INSIDER
    Zubringer-Abkommen: Streit zwischen Condor und Lufthansa geht auf EU-Ebene AEROTELEGRAPH
    Warum die belgischen Wahlen in die Geschichtsbücher eingehen werden AACHENER-ZEITUNG
    Nato-Übung mit Atomwaffen auch in Belgien BRF
    Ehrgeizige Klimaziele: Griechenland macht Tempo bei der Energiewende RND
    Härter statt hart? – Griechische Migrationspolitik nach deutschem Alleingang SR
    Spanien: Nationalfeiertag im Regen ZDF
    Neue Strategie: Großbritannien will sich für Investoren aufhübschen DER STANDARD
    Frankreich: Wie Marine Le Pen ihre Macht weiter ausbauen will HANDELSBLATT
    Sanktionen: Gericht beschlagnahmt mutmaßliche Oligarchen-Villen in Frankreich SPIEGEL
    Unruhen auf Martinique wegen drastisch gestiegener Preise für Lebensmittel SÜDDEUTSCHE
    Seit 2011 keine eigenen Panzer: Niederlande kaufen 46 Leopard-Panzer N-TV
    Neue Koalition in den Niederlanden: Rechte Regierung in Den Haag verhakt sich beim Asylrecht TAGESANZEIGER

    Heads

    Marta Kos: Erweiterungskommissarin tritt schweres Erbe an

    Marta Kos ist Kandidatin für den Posten der Erweiterungskommissarin.

    Marta Kos kommt aus einem Land, das für den frühen Erfolg des EU-Erweiterungsprozesses steht. An diese Erfolgsgeschichte will die Slowenin anknüpfen, wenn das EU-Parlament sie bei den Anhörungen im November als Erweiterungskommissarin bestätigt.

    Die Slowenin wird auch den Wiederaufbau der Ukraine mit den internationalen Partnern koordinieren, wie es im Mission Letter heißt.

    Erweiterung als erfolgreichste Außenpolitik

    Sie werde intensiv mit der Ukraine, Georgien, Moldau, der Türkei und den Westbalkanstaaten zusammenarbeiten, um deren “Europäische Perspektive” bis hin zum vollständigen Beitritt zu realisieren, sagte Kos. Erweiterung habe als erfolgreichste Außenpolitik der EU Frieden, Stabilität, Prosperität und neue Chancen für alle Europäerinnen und Europäer gebracht. Dies sei im aktuellen geopolitischen Umfeld wichtiger denn je, in dem Russland die Ukraine überfallen und den Krieg nach Europa getragen habe.

    Marta Kos wird die sechste Erweiterungskommissarin sein, seitdem die EU allen ehemals jugoslawischen Teilrepubliken und Albanien 2003 in Thessaloniki den Beitritt in Aussicht gestellt hat. Allerdings hat es seit Kroatiens Beitritt vor gut zehn Jahren keines der Kandidatenländer mehr geschafft, Teil der EU zu werden. Das stellt die Glaubwürdigkeit des Prozesses infrage.

    Vorgänger war Viktor Orbáns Mann in Brüssel

    Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Erweiterungspolitik zwar neu in den Fokus gerückt, doch frischer Elan ist nach den fünf Jahren mit Olivér Várhelyi dringend nötig. Die Erleichterung über den Wechsel von Viktor Orbáns Statthalter auf den geopolitisch weniger exponierten Posten als Gesundheitskommissar ist nicht nur in Brüssel groß. Die Erweiterungskommissarin komme immerhin nicht aus einem Land, das selbst ein Problem mit den grundlegenden Werten der EU habe, so ein Diplomat.

    Damit die Slowenin Erfolg hat, müssen auch die Mitgliedstaaten ihren Teil beitragen. Die Verhandlungen mit Nordmazedonien zum Beispiel kommen wegen Bulgariens Blockadepolitik nicht voran. Kos wird auch viel Energie investieren müssen, die Kandidatenländer von den nötigen Reformen zu überzeugen. Zuletzt gab es in gewissen Balkanstaaten mehr Rückschritte als Fortschritte. Wenn sie Glück hat, wird sie noch vor Ende ihres Mandats Montenegro als 28. EU-Mitglied begrüßen können.

    Botschafterin in Berlin und Bern

    Kos hat bisher kein Exekutivamt ausgeübt. Die gelernte Journalistin war unter anderem Regierungssprecherin und Miteigentümerin einer in der Unternehmensberatung tätigen Firma, bevor sie 2013 Sloweniens Botschafterin in Deutschland wurde, mit Zuständigkeit auch für Lettland. In Berlin sorgte sie unter anderem dafür, dass ihre Heimat nicht mehr mit der Slowakei verwechselt wurde.

    2017 wechselte sie auf den Botschafterposten in Bern, wo sie ihren Mann kennenlernte, den damaligen Schweizer Diplomaten Henri Gétaz. Sie wurde 2022 eine der Vizepräsidentinnen der Svoboda-Partei von Ministerpräsident Robert Golob und kandidierte für dessen neue grün-liberale Bewegung bei den Präsidentschaftswahlen, zog sich aber im Wahlkampf im Streit mit dem Parteigründer zurück. Der Konflikt mit Robert Golob sei inzwischen ausgeräumt, heißt es in Ljubljana.

    Kritische Themen bei der Anhörung im Europaparlament

    Mobbingvorwürfe sorgten 2020 für den vorzeitigen Abgang vom Botschafterposten in der Schweiz. Das Thema könnte bei der Anhörung im Europaparlamant zur Sprache kommen. Beobachter sprechen von einem politisch motivierten Verfahren, lanciert vom Populisten Janez Janša, damals vorübergehend zurück als Regierungschef. Ähnlich verhält es sich mit Behauptungen über angebliche Verbindungen zum damaligen jugoslawischen Geheimdienst Udba.

    Kritische Fragen dürfte es beim Hearing auch zu Kos’ Rolle als Senior Advisor bei Kreab in Brüssel geben, eine der größten Beratungsfirmen, für die sie ab 2023 tätig war. Bei den Vorbereitungen für die Anhörungen hilft als Teil des Übergangsteams der Slowene Marko Makovec, hoher Beamter beim Europäischen Auswärtigen Dienst und als Kabinettschef vorgesehen. Stephan Israel

    • EU-Außenpolitik
    • EU-Beitritt
    • EU-Erweiterung
    • Europäische Kommission

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen