wer sich für den Wettlauf um Künstliche Intelligenz und die optimalen Regeln für KI interessiert, blickt dieser Tage nach Paris. Dorthin lädt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum AI Action Summit. Es geht um die Frage, wie Lösungen und Standards entwickelt werden können, die sicherstellen, dass Künstliche Intelligenz dem öffentlichen Interesse dient.
Der AI Action Summit in Paris ist der dritte in einer Reihe von internationalen KI-Gipfeln, die mit dem Bletchley Park Summit im November 2023 in Großbritannien begann und mit dem Seoul AI Summit im Mai 2024 in Südkorea fortgesetzt wurde. Während Bletchley den Grundstein für eine globale Kooperation legte und Seoul technische Lösungen und Sicherheitsmaßnahmen in den Fokus rückte, soll Paris nun Wege zur praktischen Umsetzung und wirtschaftlichen Nutzung von KI aufzeigen.
Rund um den eigentlichen Gipfel, wo sich am Montag die Wirtschaft und am Dienstag Staats- und Regierungschefs zu dem Thema austauschen, finden im Rahmen der AI Action Week weitere Veranstaltungen statt. So treffen sich am heutigen Freitag auf Einladung von Numeum, dem führenden französischen Verband der Digitalwirtschaft, 1.000 internationale Führungskräfte zum AI France Summit 2025, um die neuesten Entwicklungen und Anwendungen der KI zu diskutieren.
Dort wollen die Vertreter der wichtigsten Digitalverbände der G7-Staaten – darunter Bitkom aus Deutschland – ein gemeinsames Papier mit Handlungsempfehlungen an die Politik veröffentlichen. Dabei ist auch ITI aus den USA. “Es ist gerade jetzt sinnvoll, sich zum Thema Künstliche Intelligenz auszutauschen”, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. “Wenn sich da auf amerikanischer Seite etwas geändert hat, ist es für die anderen beteiligten Nationen umso wichtiger, sich in die Augen zu gucken und zu sagen, was ist denn unser europäischer Weg?”
Zuletzt habe sich die EU sehr viel mit Regulierung befasst. “Jetzt ist es höchste Zeit, dass wir uns die Projekte vornehmen, die wir gemeinsam angehen können in Forschung und Förderung und in der Infrastruktur“, sagt Dehmel. Ziel müsse es sein, mit den guten Köpfen, die es in Europa gebe, weiterhin mitzuspielen, und zwar noch besser als bisher.
Also: Action, bitte!
Vor den anstehenden EU-Haushaltsverhandlungen bringen sich Agrarpolitiker in Stellung, das Budget für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu verteidigen. Noch in diesem Jahr werden Vorschläge der Europäischen Kommission für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028 bis 2034 erwartet. Agrarpolitiker werden erneut rechtfertigen müssen, warum aus ihrer Sicht ein bedeutender Teil der EU-Mittel – derzeit etwa ein Drittel – in Subventionen für die Landwirtschaft fließen soll.
Welche Argumente dabei zum Tragen kommen, hat auch mit der inhaltlichen Ausrichtung der GAP zu tun. In vergangenen Verhandlungsrunden verwiesen Verfechter eines starken Agrarbudgets etwa darauf, die GAP fördere Gemeinwohlleistungen wie Tier-, Arten- oder Umweltschutz. Sie komme also der ganzen Gesellschaft zugute. Die parallel vorbereiteten GAP-Reformen führten Instrumente wie Greening oder Ökoregelungen ein.
Trotz der Lockerungen von GAP-Umweltregeln dürften solche Argumente auch diesmal eine Rolle spielen, meint Agrarökonom Alan Matthews. Die Kommission betone seit Amtsantritt weiter Umwelt- und Klimaschutzziele, wolle diese aber durch Anreize statt Vorgaben erreichen – und das koste. “Das Argument kann also lauten: Mehr Anreize für Landwirte erfordern auch ein höheres Budget”, sagt der Forscher, der die Entwicklung der GAP seit Langem beobachtet, zu Table.Briefings.
Auch der Zeitplan für die Verhandlungen ist Gegenstand politischer Strategien. Die Generaldirektion Landwirtschaft der Kommission (GD Agri) will möglichst wenige Details zur künftigen GAP preisgeben, bevor die Vorschläge zum Haushalt bekannt sind. Allein das Visionspapier von Agrarkommissar Christophe Hansen zur Zukunft der Landwirtschaft soll schon vorher grobe Linien zur GAP nach 2027 skizzieren. Es wird in den kommenden Wochen erwartet, dürfte aber kurz und unkonkret bleiben.
Ein Grund für die Zurückhaltung der GD Agri dürfte die Unklarheit über die Struktur des künftigen Haushalts sein. Im Herbst 2024 aus der Haushaltsabteilung der Kommission durchgesickerte Überlegungen zu einer Budgetreform sahen vor, die Agrarsubventionen als eigenen Budgetposten aufzulösen und die Mittel stattdessen im Gegenzug für Reformen an die nationalen Haushalte zu überweisen.
Vieles deutet aber darauf hin, dass es bei der GAP am Ende keine solch weitreichenden Umstürze gibt. Zu groß scheint der Widerstand, der sich seitdem gegen die Ideen regte. Klar für die Agrargelder als eigenen Budgetposten ausgesprochen hat sich neben Bauernverbänden und vielen EU-Abgeordneten auch Agrarkommissar Hansen.
Unter Zugzwang könnte die GD Agri geraten, sollten sich die Haushaltsgespräche hinziehen. Die Vorschläge der Kommission zum Finanzrahmen werden im Sommer erwartet. Danach müssen sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten über den Finanzplan einigen – das könnte dauern, während das Ende der jetzigen GAP-Förderperiode 2027 näher rückt.
Schon jetzt abzusehen ist derweil: Wachsen dürfte das GAP-Budget eher nicht. Das derzeitige Niveau beizubehalten, sähe er schon als Erfolg, dämpft selbst Hansen die Erwartungen. Zu groß sind die anderweitigen Erwartungen an den EU-Haushalt: Er soll Prioritäten wie Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigung oder die Steuerung der Migration finanzieren. Gleichzeitig muss die EU Schulden zurückzahlen, die sie während der Corona-Pandemie aufgenommen hat.
Agrarpolitiker dürften trotzdem versuchen, solche Trends zu ihren Gunsten zu nutzen – zum Beispiel den Fokus auf Sicherheitspolitik. “Wir sehen bereits, dass EU-Abgeordnete im Agrarausschuss anführen: zur Sicherheit Europas gehöre auch die Ernährungssicherheit“, erläutert Matthews. Günther Felßner, Anwärter auf den Posten des Bundeslandwirtschaftsministers, nutzt ebenfalls dieses Argument: Auch die Ernährungssicherheit müsse als öffentliche Leistung gefördert werden, sagte er im Interview mit Table.Briefings. Und auch die Unions-Agrarminister der Länder verweisen auf die strategische Bedeutung der Ernährungsversorgung angesichts von Kriegen “in der europäischen Nachbarschaft”.
Stichhaltig ist das Argument der Ernährungssicherheit für Matthews aber nicht: Die Selbstversorgungsquote der EU mit Lebensmitteln steige ohnehin. Risiken für die Versorgung gingen eher von der Importabhängigkeit bei Betriebsmitteln wie Dünger oder von möglichen Angriffen auf kritische Infrastruktur aus. “All das lässt sich durch mehr Geld für Landwirte nicht lösen”, so der Agrarökonom.
Auch über die Gesamthöhe des Agraretats hinaus stellt der Finanzrahmen Weichen für die künftige GAP. In den Haushaltsverhandlungen muss die Streitfrage geklärt werden, wie viel jeder Mitgliedstaat aus der GAP erhält. Außerdem ist zu regeln, wie sich die Mittel zwischen erster und zweiter Säule aufteilen – also Direktzahlungen einerseits und Programme für Nachhaltigkeit und ländliche Entwicklung andererseits.
Die Gemeinsame Forschungsstelle (Joint Research Centre – JRC) der EU-Kommission stellt dem Green Deal ein eher positives Zwischenzeugnis aus. Der in dieser Woche publizierte Bericht “Delivering the EU Green Deal” untersucht, wie weit die EU bei der Erreichung der im Green Deal formulierten Ziele bislang gekommen ist. Dafür identifizierten die Forscher des JRC zunächst 154 Ziele, die die Kommission in einem bestimmten Zeitrahmen erreichen möchte. Anschließend entwickelten sie Indikatoren, um die Ziele messen zu können, und zogen zur Untersuchung aussagekräftige Daten heran.
Die quantitative Bestandsaufnahme hat vor allem illustrativen Charakter, da zwischen der Bedeutsamkeit einzelner Ziele nicht gewichtet wird. In den einzelnen Kapiteln werden jedoch detailliertere Einschätzungen vorgenommen. Das Gesamtergebnis ist eher ermutigend:
“Die Studie zeigt, dass bisher erhebliche Erfolge erzielt wurden”, heißt es daher, “aber die Fortschritte müssen in vielen Bereichen beschleunigt werden”.
Im Energiebereich müssen die Mitgliedstaaten bei allen relevanten Indikatoren schneller werden. Gar keine nennenswerten Fortschritte sieht das JRC bislang bei der Verwendung von grünem Wasserstoff in der Industrie. Dabei müssen die Mitgliedstaaten bis 2030 dort bereits einen Anteil von 42 Prozent erreichen.
Mehr Tempo braucht es auch beim Hochlauf der erneuerbaren Energien (42,5 Prozent bis 2030). Das gilt auch für einzelne Sektoren – wie dem Heizen und Kühlen. Ganz vorne liegt derzeit Schweden, wo Wärmepumpen und Biomasse-Heizungen bereits einen Anteil von fast 70 Prozent ausmachen.
Schlecht sieht es auch bei der Energieeffizienz aus. Beim derzeitigen Tempo werden die EU-Staaten bis 2030 nur die Hälfte der vereinbarten Endenergieeinsparungen erreichen. Einsparziele für individuelle Wohngebäude hatten die Mitgliedstaaten in den Verhandlungen um die Gebäudeenergierichtlinie zwar abgewendet. Für die EU als Ganzes gilt allerdings ein verpflichtendes Effizienzziel für den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des Wohngebäudebestands (minus 16 Prozent gegenüber 2020). Dafür brauche es bis 2030 eine “starke Beschleunigung”.
Das ursprüngliche Prinzip, zunächst die ineffizientesten Gebäude zu renovieren, könnte sogar komplett irrelevant werden. Schon die unterschiedlichen Definitionen in den Mitgliedstaaten lassen den Experten zufolge keine Vergleiche zu. Mit dem Ansatz “worst first” wollte die EU-Kommission eigentlich die Energiearmut bekämpfen.
Den Wert von Materialien wie Metallen, Mineralien und Kunststoffen so lange wie möglich zu erhalten, ist ein zentrales Ziel der Kommission. Ihr Kalkül: Wenn die Wirtschaft weniger neue Ressourcen verbraucht, schont Umwelt und Klima. Zudem würde die Abhängigkeit von Rohstoffimporten aus Drittstatten reduziert. Im Mittelpunkt steht dabei das Recycling von Material, etwa aus Batterien oder Fahrzeugen.
Der Bericht des JRC zeigt jedoch, dass der Rohstoffverbrauch und verbundene Umweltauswirkungen in den 2010er-Jahren gestiegen sind. Gleiches gilt für die Abfallmenge. Das Wirtschaftswachstum hat sich bislang nur leicht vom Rohstoffverbrauch entkoppelt.
Damit laufen drei der vier übergreifenden Ziele des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft der EU-Kommission in die falsche Richtung. In der vergangenen Legislaturperiode hat sie deshalb Maßnahmen vorgeschlagen, die inzwischen auch verabschiedet sind – zum Beispiel das Gesetz über kritische Rohstoffe, die Batterieverordnung, die Ökodesignverordnung oder die Verpackungsverordnung. Einige Vorhaben wie die Verordnung zu Altfahrzeugen sind noch offen.
Ungefähr ein Drittel der quantifizierbaren Ziele lassen sich laut des Berichts erreichen, bei etwa einem weiteren Drittel muss sich das Umsetzungstempo erhöhen. Zwei Ziele liefen Gefahr, überhaupt nicht erreicht zu werden: die Halbierung von Siedlungsabfällen bis 2030 und die Verdopplung der Zirkularitätsrate, die das Verhältnis von Recyclingmaterial zu Rohstoffverbrauch darstellt.
Als Teil des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft sind die beiden Ziele rechtlich nicht bindend. Der Bericht kritisiert aber das Gleiche wie bei den verpflichtenden Zielen: Die meisten seien aufs Recycling fokussiert. Künftige Regulierung könnte die Abfallvermeidung und Maßnahmen für die Wiederverwendung stärker adressieren, heißt es.
Eine intakte Natur ist grundlegend für alle Menschen und auch für die Wirtschaft – Schätzungen zufolge basiert die Hälfte des globalen BIP auf Naturleistungen. Um die Biodiversität Europas zu schützen, hat die EU deshalb 2020 eine übergreifende Strategie beschlossen und daraus 33 quantifizierbare Ziele abgeleitet, von denen laut Report 85 Prozent verpflichtend für die EU-Staaten sind.
Wirksam sind sie allerdings nicht. Ein Beispiel: 61 Prozent der Böden gelten als “ungesund” – und während aktuell jährlich zweieinhalb Tonnen des Bodens pro Hektar Land degradieren, erholen sich im gleichen Zeitraum nur maximal 1,4 Tonnen pro Hektar. Um die Biodiversität steht es also schlecht, und die wichtigste Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt seien vor allem “wirtschaftliche Aktivitäten”, schreiben die Autoren des Berichts.
Ein besonders großes Problem im Bereich Biodiversität: Es fehlen Daten. Von allen im Bericht untersuchten Bereichen klaffen hier mit Abstand die größten Informationslücken. In 45 Prozent der Fälle tappen Politik und Forschung im Dunkeln. Darunter auch bei sehr grundlegenden Fragen. So sollen die EU-Mitglieder zunächst Maßnahmen ergreifen, um mindestens 20 Prozent der Gebiete und Ökosysteme zu erfassen, die bis zum Jahr 2030 wiederhergestellt werden müssen.
Systematisch gesammelt würden Daten dazu derzeit aber nicht, stellt der Report fest. Längst nicht alle EU-Staaten hätten demnach die bereitgestellten Instrumente übernommen. Außerdem gebe es keine Bereitschaft, ausreichend Geld für die Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Manuel Berkel, Nicolas Heronymus, Alex Veit, Marc Winkelmann
An Albin Kurti dürfte auch in Zukunft kein Weg vorbeiführen. Wenn die Prognosen stimmen, wird der Spitzenkandidat der linksnationalistischen Bewegung Vetëvendosje! (“Selbstbestimmung”) bei den Parlamentswahlen vom Sonntag in Kosovo mit Abstand am meisten Stimmen bekommen.
Kurti kann auf eine zweite Amtszeit als Regierungschef hoffen. Es wäre falsch zu sagen, dass der 49-Jährige sich mit seinem unbeugsamen bis dogmatischen Auftritt in Brüssel viele Freunde gemacht hat, im Gegenteil. Der bisherige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und sein Sondergesandter Miroslav Lajčák haben Albin Kurti regelmäßig beschuldigt, hauptverantwortlich dafür zu sein, dass der Dialog zwischen Belgrad und Pristina bisher kaum Fortschritte gebracht hat.
Nun hat Kaja Kallas das Amt der EU-Außenbeauftragten übernommen und mit dem Dänen Peter Sørensen einen neuen Sondergesandten bestimmt. Wie stehen die Chancen für einen Neuanfang, auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Studentenproteste in Serbien, die erstmals die Position von Präsident Aleksandar Vučić infrage stellen?
Die EU habe in den vergangenen Jahren das eigentliche Ziel des Dialogs aus den Augen verloren, sagt Toby Vogel vom Democratization Policy Council in Brüssel. Statt wie vorgesehen eine Normalisierung zwischen Belgrad und Pristina zu ermöglichen, sei es nur noch um Krisenmanagement gegangen. Die EU habe mit ihrem einseitigen Ansatz dazu beigetragen, dass die Lage noch verfahrener als nötig geworden sei.
Einseitig, weil die EU immer nur auf Kosovo als schwächeren Partner Druck ausgeübt und Belgrad gleichzeitig geschont habe, sagt Toby Vogel. Kallas und ihr Team müssten versuchen, diese negative Dynamik zu überwinden und sich auf das eigentliche Ziel des Dialogs zurückzubesinnen. Die Schritte hin zu einer Normalisierung seien zwar in den Abkommen von Brüssel und Ohrid festgelegt. Serbiens Präsident Vučić hat sich aber geweigert, die Vereinbarungen zu unterzeichnen und hat sich wiederholt auch vom Inhalt distanziert.
Brüssel halte die Fiktion aufrecht, dass es die Abkommen gebe, erklärt Toby Vogel. Die EU erwarte, dass Serbien Kosovo am Ende anerkenne. Gleichzeitig fehle die Bereitschaft, mit Blick auf die Schritte zu diesem Ziel, auch Druck auf Belgrad auszuüben.
Kritik an den ungleichen Maßstäben der EU gegenüber Belgrad und Pristina kommt regelmäßig aus dem EU-Parlament. Die Parlamentarier weisen darauf hin, dass sowohl Borrell als auch Lajčák aus Ländern kamen, die Kosovo nicht anerkannt haben. Dies habe der Glaubwürdigkeit des Tandems auf dem Balkan geschadet.
Nun gibt es die Erwartung, dass die Estin Kaja Kallas Serbien und den russischen Einfluss in Belgrad kritischer sieht. Die ersten Schritte der neuen Außenbeauftragten deuten aber bisher nicht auf einen Kurswechsel hin. “Auf dem Westbalkan hat für uns Stabilität Priorität”, sagte Kaja Kallas nach dem Außenrat, an dem ihr neuer Sonderbeauftragter Sørensen formell ernannt wurde.
Stabilität war bisher schon das Leitmotiv in den Hauptstädten der EU, und Vučić galt als Garant dafür. Daran scheinen auch die seit Wochen anhaltenden Studentenproteste in serbischen Städten nichts zu ändern. In einem offenen Brief an Universitäten und Vertreter der Zivilgesellschaft in Serbien hielt sich Erweiterungskommissarin Marta Kos diese Woche auffallend mit Kritik an der Führung in Belgrad zurück.
Opposition und Zivilgesellschaft sehen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die EU mit Deutschland und Frankreich an der Spitze in Wahrheit auf eine “Stabilokratie” setzt, in der demokratische oder rechtsstaatliche Standards für eine falsche Stabilität geopfert werden.
Dabei sei Vučić längst ein Faktor der Instabilität in der Region, heißt es dazu aus dem EU-Parlament. Nicht nur mit Blick auf regelmäßige Konfrontationen im Norden Kosovos, sondern auch auf den negativen Einfluss Belgrads in Bosnien-Herzegowina und die jüngsten Spannungen mit EU-Mitglied Kroatien.
Doch auch Albin Kurti spielt aus seiner Position der Schwäche regelmäßig mit dem Feuer. Im Wahlkampf wirbt der Linksnationalist damit, in seiner Amtszeit als Regierungschef die Souveränität des jungen Staates über das gesamte Territorium gefestigt und die serbischen Parallelstrukturen im Norden zurückgedrängt zu haben. Unlilateral und nicht in Koordination mit Belgrad.
Zu Hause wird ihm dies Stimmen bringen, doch in Brüssel hat Albin Kurti seine europäischen Partner nachhaltig verärgert. Dabei könnte er die bald mehr brauchen denn je, wenn nämlich Washington den Deal für einen Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo wieder aus der Schublade holt. Mit diesem wollte US-Präsident Donald Trump bereits in seiner ersten Amtszeit die Region “befrieden”. Allen voran Deutschland verhinderte damals noch, dass aus dem Plan ein gefährlicher Präzedenzfall für die Region wurde.
10.02.2025
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Arbeitsplan, Klimaabkommen, WHO
Themen: Wiederaufnahme der Sitzungsperiode und Arbeitsplan, Aussprache zum Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und der WHO. Vorläufige Tagesordnung
10.-11.02.2025
Informelle Tagung der Entwicklungsminister
Themen: Aktuelle Entwicklungs- und humanitäre Politik der EU sowie strategische Herausforderungen der Zukunft, Stärkung der Widerstandsfähigkeit der öffentlichen Institutionen und Gesellschaften in Entwicklungsländern anhand der Beispiele Mauretanien, Ukraine und Syrien. Infos
11.02.2025
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Unterstützung der Ukraine, Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen
Themen: Aussprache zur Fortsetzung der EU-Unterstützung der Ukraine, Abstimmungen zum Abkommen mit der Volksrepublik Bangladesch zu Luftverkehrsdiensten, Verlängerung des Abkommens über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit der Ukraine, Aussprache zum Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen und Förderung der beruflichen Bildung in Zeiten von Arbeitsmarktübergängen. Vorläufige Tagesordnung
11.02.2025
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Das diesjährige Arbeitsprogramm der Kommission sowie der Weg zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen. Vorläufige Tagesordnung
12.02.2025
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Opposition in Russland, Wettbewerbsfähigkeit, Mehrwertsteuervorschriften
Themen: Aussprachen zur anhaltenden Unterdrückung der demokratischen Opposition in Russland, zur Notwendigkeit einer gezielten Unterstützung der an Russland angrenzenden EU-Regionen, Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit, Abstimmungen zu Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter, Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, Einwand über die Zulassung von genetisch verändertem Mais. Vorläufige Tagesordnung
13.02.2025
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Abhängigkeiten in der Kommunikationsinfrastruktur, politische Lage in Georgien
Themen: Aussprachen zur Gefährdung der Souveränität der EU aufgrund strategischer Abhängigkeiten in der Kommunikationsinfrastruktur, Abstimmungen zur Zuspitzung der politischen Lage in Georgien. Vorläufige Tagesordnung
Die Kommission hat Leitlinien zur Definition von KI-Systemen veröffentlicht. Sie sollen die Anwendung der Regeln des AI Acts erleichtern, indem sie Anbietern und anderen relevanten Akteuren dabei helfen, festzustellen, ob ein Softwaresystem ein KI-System ist.
Die Leitlinien zur Frage, was KI-Systeme ausmacht, sind zwölf Seiten lang. Tatsächlich war die Definition ein umstrittenes Thema bei den Verhandlungen zum AI Act. Einige Parlamentarier hatten die Befürchtung, dass die Definition so weit gefasst sein könnte, dass praktisch jedes Softwaresystem darunter fallen könnte. Andere argumentierten, dass die EU sich an international bereits bestehenden Definitionen wie etwa die der OECD orientieren sollte, um international anschlussfähig zu sein.
Die Leitlinien erläutern die sieben Hauptelemente, die ein KI-System nach dem AI Act ausmachen:
Dabei hebt die Kommission hervor, dass die Definition flexibel sein muss, um der raschen technologischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Auch müsse nicht jede Komponente zu jedem Zeitpunkt des Lebenszyklus aktiv sein. Die Leitlinien liefern außerdem Beispiele für Systeme, die nicht als KI-Systeme gelten, wie etwa solche, die auf einfacher Datenverarbeitung oder klassischen Heuristiken beruhen.
Das Ziel ist es, eine einheitliche Anwendung des AI Act zu fördern. Die Leitlinien sind jedoch nicht bindend. Sie ergänzen die Leitlinien zu verbotenen Praktiken der künstlichen Intelligenz. Einige Regeln des AI Act, einschließlich der Definition von KI-Systemen, gelten bereits seit dem 2. Februar. Die Leitlinien sind von der Kommission genehmigt, aber noch nicht formell verabschiedet. vis
Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und andere Umwelt- und Sozialverbände kritisieren das “chaotische”, intransparente und aus ihrer Sicht undemokratische Omnibus-Verfahren der Kommission. Der am Donnerstag als Beteiligungsrunde angesetzte “Simplification Roundtable” bei Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis sei eine Lobbyveranstaltung gewesen, bei der es darum gegangen sei, sich von den Unternehmen die Agenda bestätigen zu lassen. Dies sagten die Organisationen WWF, EGB, Friends of the Earth, Share Action sowie European Coalition for Corporate Justice (ECCJ).
“Nur ein Fünftel der Teilnehmer waren NGOs oder Gewerkschaften – der Rest waren fast ausschließlich riesige Unternehmen und Wirtschaftsverbände aller Ebenen”, sagte die stellvertretende EGB-Generalvorsitzende Isabelle Schömann. Herein kam nur, wer eine Einladung hatte.
Nach Angaben der NGO Somo machten kleine und mittelständische Unternehmen mit 13 Prozent nur einen Bruchteil der Teilnehmer aus – obwohl gerade die nach Kommissionsangaben besonders entlastet werden sollen. Nachhaltige Unternehmen, die EU-Gesetze für fairen und nachhaltigen Wettbewerb forderten, seien gar nicht eingeladen worden. Anwesend dagegen waren etwa Exxon Mobile Europe oder Total Energies, kritisierte der EGB.
Zudem warten die Sozial- und Umweltverbände noch immer auf Entwürfe und Zeitpläne zu dem Vorhaben. Paul de Clerck, Koordinator für wirtschaftliche Gerechtigkeit bei der NGO Friends of the Earth Europe, sagte: “Gesetze, an denen wir die letzten zehn Jahre gearbeitet haben, sollen jetzt im Schnelldurchlauf aufgemacht werden.” Die Verbände betonten: Der Roundtable mit seinem ausgewählten Teilnehmerkreis ersetze keine ordentliche Konsultation. Schömann sprach von einem “manipulierten” und undemokratischen Prozedere. Die Kommission verstoße gegen ihre eigenen Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung.
Konkrete Angaben zum Roundtable wollte die Kommission auf Anfrage von Table.Briefings nicht machen. Stattdessen kursieren fast täglich neue Spekulationen und Gerüchte über den Inhalt der Debatten. So meldete das Portal Responsible Investor zuletzt, dass die Kommission ihre Omnibus-Vorschläge nicht Ende Februar, sondern Anfang März veröffentlichen würde – und dass sie die Axt an die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) legen werde. Das hätte zur Folge, dass 85 Prozent der eigentlich verpflichteten Unternehmen in Europa doch keine CSRD-Nachhaltigkeitsreports veröffentlichen müssten.
Infrage gestellt werde zudem die doppelte Wesentlichkeitsprüfung. Dieses zentrale Instrument sieht eigentlich vor, dass Unternehmen zum einen darlegen müssen, welche Folgen ihr Geschäftsmodell auf Menschen und die Umwelt haben – und zum anderen, welche finanziellen Folgen etwa externe Klimakatastrophen auf das Unternehmen haben. Andere berichteten davon, dass das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) womöglich erst im Jahr 2030 eingeführt werden könnte – und wesentlich weniger Vorgaben machen werde als aktuell vorgesehen.
Gegen solche drastischen Maßnahmen hatte sich Anfang der Woche ein Zusammenschluss von mehr als 150 Investoren ausgesprochen. Die Gruppe wies darauf hin, dass sie umfassende, vergleichbare Informationen benötige, um Gelder künftig in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten leiten zu können. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und das Institut der Wirtschaftsprüfer sprachen sich hingegen ebenso für eine nennenswerte Vereinfachung aus wie das International Sustainability Standards Board (ISSB). Das Standardsetzungsgremium plädiert dafür, die CSRD mit seinem Kriterienset zu harmonisieren. Hinter dem ISSB stehen unter anderem Investoren wie Black Rock, Vanguard und Allianz Global Investors. lei, maw
In der Konferenz der Präsidenten (COP) haben S&D und Grüne gemeinsam mit den beiden rechtsradikalen Fraktionen Patrioten für Europa und ESN (Europa der Souveränen Nationen) eine Plenardebatte in der kommenden Sitzungswoche in Straßburg durchgesetzt. Die EVP hatte dagegen gestimmt. Am Donnerstag um 10.30 Uhr debattiert das Europaparlament zum Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. mgr
Friedrich Pürner, der für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Juni ins Parlament eingezogen ist, verlässt die Partei. Anlass sei “die Diskrepanz zwischen dem, was wir am Gründungsparteitag (27.1.2024) als Ziele und Visionen anstrebten und dem, was nun gelebte Realität im Partei-Alltag ist”.
Pürner war einer von sechs BSW-Abgeordneten im Europaparlament. Die BSW-Abgeordneten sind nicht Mitglied in einer Fraktion.
Der Politiker kritisiert das Klima in der Partei: Es herrsche eine “Kultur des Misstrauens” und “der Überwachung”. “Autoritäres Verhalten” habe sich breitgemacht, viele Entscheidungen oder Parteistrategien seien nicht nachvollziehbar. Er behalte seinen Sitz. mgr
Kapitänen und Eignern von Schiffen der sogenannten Schattenflotte Russlands drohen Strafmaßnahmen der EU. Nach Angaben des polnischen Außenministers Radosław Sikorski werden in Brüssel derzeit Änderungen von Sanktionsregeln diskutiert, die ein entsprechendes Vorgehen gegen Personen ermöglichen sollen. Ziel ist es, sie mit dem 16. Russland-Sanktionspaket zu beschließen. Dieses wird zum dritten Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar vorbereitet.
Die sogenannte russische Schattenflotte besteht aus Schiffen mit unklaren Eigentumsverhältnissen, die zum Teil nicht einmal versichert sind. Diese werden zum Beispiel dazu genutzt, den westlichen Preisdeckel für russische Ölexporte in Drittstaaten zu umgehen oder aus der Ukraine gestohlenes Getreide zu transportieren. Zudem gibt es die Befürchtung, dass sie künftig für Sabotageaktionen gegen Datenkabel in der Ost- und Nordsee genutzt werden. Nach Angaben von Sikorski werden dafür oft Anker genutzt.
Von der EU sanktionierte Kapitäne und Eigner dürften nicht mehr in die EU einreisen. Zudem müssten von ihnen in der EU vorhandene Vermögen eingefrorenen werden. Sikorski sagte, Ziel sei vor allem Abschreckung. Er machte dabei auch deutlich, dass Kapitäne bislang nicht mit Strafen rechnen mussten, weil das Auswerfen von Ankern in internationalen Gewässern nicht verboten ist.
Im Kampf gegen die Aktivitäten der russischen Schattenflotte hatte die EU bereits im Laufe des vergangenen Jahres knapp 80 Schiffen das Einlaufen in Häfen untersagt und Unternehmen verboten, ihnen Dienstleistungen anzubieten. Mit Sanktionen gegen Kapitäne ging jüngst die Ukraine voran. Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete am Mittwoch einen Erlass mit Strafmaßnahmen gegen mehr als 50 russische Schiffsführer und einen Kapitän aus dem Iran.
Neben den Regeländerungen für neue personenbezogene Strafmaßnahmen soll das nächste Paket mit Russland-Sanktionen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch ein weitgehendes Einfuhrverbot für russisches Aluminium und Aluminium-Legierungen sowie ein Ausfuhrverbot für Videospielkonsolen und Controller enthalten. Letztere werden nach EU-Angaben zur Steuerung von Kampfdrohnen genutzt. Zudem ist geplant, Dutzende weiteren Schiffe auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. dpa
Nach monatelangem Streit hat Frankreichs Parlament den überfälligen Haushalt für das laufende Jahr verabschiedet. Eine Mehrheit von 219 zu 107 Senatoren stimmte im Oberhaus für den Gesetzestext.
Die Mitte-rechts-Regierung will mit ihrem Haushaltsplan das Staatsdefizit senken – unter anderem durch geringere Ausgaben. Als Ziel hatte sie ausgegeben, das Defizit von circa 6,1 Prozent im vergangenen Jahr in diesem Jahr auf 5,4 Prozent der Wirtschaftsleistung herabzubringen. 2029 solle es wieder unter den europäischen Grenzwert von drei Prozent kommen. Wegen einer zu hohen Neuverschuldung läuft ein Defizitverfahren der EU-Kommission gegen Frankreich.
Frankreichs vorherige Minderheitsregierung unter Michel Barnier war im Dezember im Streit um den Sozialhaushalt von der linken und rechtsnationalen Opposition gestürzt worden. Auch für Premier François Bayrou waren die Haushaltsverhandlungen eine Zerreißprobe. Er drückte den Haushalt letztlich ohne Endabstimmung durch die Nationalversammlung, das Unterhaus des Parlaments.
Nach zahlreichen Gesprächen mit der Regierung stützten die Sozialisten Bayrou bei zwei Misstrauensvoten am Mittwoch. Auch die rechtsnationalen Abgeordneten um Marine Le Pen stellten sich trotz Kritik am Haushalt nicht gegen die Regierung. dpa
Eine Redewendung besagt: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Geht es nach Stefan Solle, Abteilungsleiter Internationales beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall, kann man in dieser Aufzählung noch einen Ort ergänzen: Brüssel. Denn bei den komplexen interinstitutionellen Verfahren wisse man nie genau, wie Gesetzesverfahren am Ende ausgingen.
Diesen komplexen Prozess im Sinne der deutschen M+E-Unternehmen zu begleiten und zu beeinflussen – das ist das Ziel des obersten europäischen Lobbyisten der deutschen Metall- und Elektroarbeitgeber in der belgischen Hauptstadt. “Ich möchte unseren Mitgliedern zeigen, welche Brüsseler Themen für sie relevant sein können – um dann gemeinsame Positionen zu erarbeiten. Und mein Anspruch ist es, diese dann zur richtigen Zeit und an der richtigen Stelle in Brüssel einzubringen”, sagt der 44-Jährige. Das macht Solle in Brüssel mit seinem Team seit 2013 als Leiter des dortigen Verbindungsbüros von Gesamtmetall.
Aktuelles Topthema für die Unternehmen seiner Branche: die anstehende Omnibus-Verordnung. “Die Vorgaben an Sorgfalts- und Berichtspflichten sind extrem geworden. Wir hoffen, dass konsolidiert und verschlankt wird, und zwar nicht nur ein bisschen“, sagt Solle. Die aktuellen Vorschläge auf dem Tisch reichen ihm da nicht. Für ihn gehören auch die Verordnungen zu Zwangsarbeit, Konfliktmineralien, Anti-Entwaldung sowie Batterien mit in den Omnibus.
Solle nennt ein Beispiel: “Bei einem Auto gelten für die Reifen die Sorgfaltspflichten nach der Entwaldungs-Verordnung, für die Batterie die der Batterie-Verordnung, für das verbaute Wolfram die Konfliktmineralien-Verordnung und für den Rest des Autos die Lieferketten-Richtlinie.” Obendrein gelte für alles die Zwangsprodukte-Verordnung – “auch wenn alle vorgenannten Rechtsakte bereits inhaltsgleiche Sorgfaltspflichten zu Zwangsarbeit vorsehen.” Würde man diese Anforderungen vereinheitlichen, könnte das Unternehmen entlasten – “ohne dass Sozial- oder Umweltschutzstandards angetastet werden”, sagt Solle.
Solle lässt durchblicken, was man in Brüssel immer wieder von Wirtschaftsvertretern hört: Die ersten fünf Jahre unter von der Leyen waren nicht einfach. Dass die Entbürokratisierung jetzt so früh und prominent auf der Agenda steht, freut ihn. Er sagt: “Wir sind definitiv optimistischer als vor fünf Jahren, was diese Legislaturperiode betrifft.” Was ihm etwa Hoffnung macht: Die Budapester Erklärung, in der sich im November die europäischen Staats- und Regierungschefs zu einem neuen Deal für Wettbewerbsfähigkeit bekannten.
“Aber am Ende muss man schauen, was tatsächlich an Taten folgt“, sagt Solle. Was für ihn zählt: spürbare Entlastungen, die bei den Unternehmen ankommen. Ziele wie 25 Prozent weniger Bürokratie seien dagegen schwer nachzuprüfen. Als Beispiel nennt er das Prinzip “One in, one out”, das vor steigender Bürokratie schützen soll. “Die Kommission hat erklärt, dass sie ‘One in, one out’ in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich praktiziert habe. Nur davon merken unsere Unternehmen rein gar nichts.”
Solle selbst lässt das Thema Europa schon mehr als ein halbes Leben nicht los: Er hat Neuere Geschichte, Politikwissenschaften und European Business Studies in Jena und Antwerpen studiert, 2002 absolvierte er sein Auslandssemester in Belgien. Danach war für ihn klar, dass er sich beruflich mit Europa befassen will. Das klappte: erst als Wahlkreismitarbeiter der damaligen CSU-Europaabgeordneten Anja Weisgerber (heute MdB), danach als Referent im Brüsseler Büro des Verbandes der chemischen Industrie (VCI). Und inzwischen seit mehr als zehn Jahren als Chef des Büros von Gesamtmetall in Brüssel. Seit 2022 leitet er dort zudem den Fachbereich Internationales.
Auch im Privaten geht es bei Solle europäisch zu. Er selbst lebt seit 2009 in der belgischen Hauptstadt, ist mit einer Polin liiert, die wiederum in den Niederlanden lebt. Als er dort für die gemeinsame Tochter beim Amt das polnische Namensrecht und zugleich Vaterschaftsrecht gemäß deutschen Regeln anwenden ließ, merkte er: “Europa ist absurd kompliziert, aber am Ende wird eine Lösung gefunden.” Alina Leimbach
wer sich für den Wettlauf um Künstliche Intelligenz und die optimalen Regeln für KI interessiert, blickt dieser Tage nach Paris. Dorthin lädt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum AI Action Summit. Es geht um die Frage, wie Lösungen und Standards entwickelt werden können, die sicherstellen, dass Künstliche Intelligenz dem öffentlichen Interesse dient.
Der AI Action Summit in Paris ist der dritte in einer Reihe von internationalen KI-Gipfeln, die mit dem Bletchley Park Summit im November 2023 in Großbritannien begann und mit dem Seoul AI Summit im Mai 2024 in Südkorea fortgesetzt wurde. Während Bletchley den Grundstein für eine globale Kooperation legte und Seoul technische Lösungen und Sicherheitsmaßnahmen in den Fokus rückte, soll Paris nun Wege zur praktischen Umsetzung und wirtschaftlichen Nutzung von KI aufzeigen.
Rund um den eigentlichen Gipfel, wo sich am Montag die Wirtschaft und am Dienstag Staats- und Regierungschefs zu dem Thema austauschen, finden im Rahmen der AI Action Week weitere Veranstaltungen statt. So treffen sich am heutigen Freitag auf Einladung von Numeum, dem führenden französischen Verband der Digitalwirtschaft, 1.000 internationale Führungskräfte zum AI France Summit 2025, um die neuesten Entwicklungen und Anwendungen der KI zu diskutieren.
Dort wollen die Vertreter der wichtigsten Digitalverbände der G7-Staaten – darunter Bitkom aus Deutschland – ein gemeinsames Papier mit Handlungsempfehlungen an die Politik veröffentlichen. Dabei ist auch ITI aus den USA. “Es ist gerade jetzt sinnvoll, sich zum Thema Künstliche Intelligenz auszutauschen”, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. “Wenn sich da auf amerikanischer Seite etwas geändert hat, ist es für die anderen beteiligten Nationen umso wichtiger, sich in die Augen zu gucken und zu sagen, was ist denn unser europäischer Weg?”
Zuletzt habe sich die EU sehr viel mit Regulierung befasst. “Jetzt ist es höchste Zeit, dass wir uns die Projekte vornehmen, die wir gemeinsam angehen können in Forschung und Förderung und in der Infrastruktur“, sagt Dehmel. Ziel müsse es sein, mit den guten Köpfen, die es in Europa gebe, weiterhin mitzuspielen, und zwar noch besser als bisher.
Also: Action, bitte!
Vor den anstehenden EU-Haushaltsverhandlungen bringen sich Agrarpolitiker in Stellung, das Budget für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu verteidigen. Noch in diesem Jahr werden Vorschläge der Europäischen Kommission für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028 bis 2034 erwartet. Agrarpolitiker werden erneut rechtfertigen müssen, warum aus ihrer Sicht ein bedeutender Teil der EU-Mittel – derzeit etwa ein Drittel – in Subventionen für die Landwirtschaft fließen soll.
Welche Argumente dabei zum Tragen kommen, hat auch mit der inhaltlichen Ausrichtung der GAP zu tun. In vergangenen Verhandlungsrunden verwiesen Verfechter eines starken Agrarbudgets etwa darauf, die GAP fördere Gemeinwohlleistungen wie Tier-, Arten- oder Umweltschutz. Sie komme also der ganzen Gesellschaft zugute. Die parallel vorbereiteten GAP-Reformen führten Instrumente wie Greening oder Ökoregelungen ein.
Trotz der Lockerungen von GAP-Umweltregeln dürften solche Argumente auch diesmal eine Rolle spielen, meint Agrarökonom Alan Matthews. Die Kommission betone seit Amtsantritt weiter Umwelt- und Klimaschutzziele, wolle diese aber durch Anreize statt Vorgaben erreichen – und das koste. “Das Argument kann also lauten: Mehr Anreize für Landwirte erfordern auch ein höheres Budget”, sagt der Forscher, der die Entwicklung der GAP seit Langem beobachtet, zu Table.Briefings.
Auch der Zeitplan für die Verhandlungen ist Gegenstand politischer Strategien. Die Generaldirektion Landwirtschaft der Kommission (GD Agri) will möglichst wenige Details zur künftigen GAP preisgeben, bevor die Vorschläge zum Haushalt bekannt sind. Allein das Visionspapier von Agrarkommissar Christophe Hansen zur Zukunft der Landwirtschaft soll schon vorher grobe Linien zur GAP nach 2027 skizzieren. Es wird in den kommenden Wochen erwartet, dürfte aber kurz und unkonkret bleiben.
Ein Grund für die Zurückhaltung der GD Agri dürfte die Unklarheit über die Struktur des künftigen Haushalts sein. Im Herbst 2024 aus der Haushaltsabteilung der Kommission durchgesickerte Überlegungen zu einer Budgetreform sahen vor, die Agrarsubventionen als eigenen Budgetposten aufzulösen und die Mittel stattdessen im Gegenzug für Reformen an die nationalen Haushalte zu überweisen.
Vieles deutet aber darauf hin, dass es bei der GAP am Ende keine solch weitreichenden Umstürze gibt. Zu groß scheint der Widerstand, der sich seitdem gegen die Ideen regte. Klar für die Agrargelder als eigenen Budgetposten ausgesprochen hat sich neben Bauernverbänden und vielen EU-Abgeordneten auch Agrarkommissar Hansen.
Unter Zugzwang könnte die GD Agri geraten, sollten sich die Haushaltsgespräche hinziehen. Die Vorschläge der Kommission zum Finanzrahmen werden im Sommer erwartet. Danach müssen sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten über den Finanzplan einigen – das könnte dauern, während das Ende der jetzigen GAP-Förderperiode 2027 näher rückt.
Schon jetzt abzusehen ist derweil: Wachsen dürfte das GAP-Budget eher nicht. Das derzeitige Niveau beizubehalten, sähe er schon als Erfolg, dämpft selbst Hansen die Erwartungen. Zu groß sind die anderweitigen Erwartungen an den EU-Haushalt: Er soll Prioritäten wie Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigung oder die Steuerung der Migration finanzieren. Gleichzeitig muss die EU Schulden zurückzahlen, die sie während der Corona-Pandemie aufgenommen hat.
Agrarpolitiker dürften trotzdem versuchen, solche Trends zu ihren Gunsten zu nutzen – zum Beispiel den Fokus auf Sicherheitspolitik. “Wir sehen bereits, dass EU-Abgeordnete im Agrarausschuss anführen: zur Sicherheit Europas gehöre auch die Ernährungssicherheit“, erläutert Matthews. Günther Felßner, Anwärter auf den Posten des Bundeslandwirtschaftsministers, nutzt ebenfalls dieses Argument: Auch die Ernährungssicherheit müsse als öffentliche Leistung gefördert werden, sagte er im Interview mit Table.Briefings. Und auch die Unions-Agrarminister der Länder verweisen auf die strategische Bedeutung der Ernährungsversorgung angesichts von Kriegen “in der europäischen Nachbarschaft”.
Stichhaltig ist das Argument der Ernährungssicherheit für Matthews aber nicht: Die Selbstversorgungsquote der EU mit Lebensmitteln steige ohnehin. Risiken für die Versorgung gingen eher von der Importabhängigkeit bei Betriebsmitteln wie Dünger oder von möglichen Angriffen auf kritische Infrastruktur aus. “All das lässt sich durch mehr Geld für Landwirte nicht lösen”, so der Agrarökonom.
Auch über die Gesamthöhe des Agraretats hinaus stellt der Finanzrahmen Weichen für die künftige GAP. In den Haushaltsverhandlungen muss die Streitfrage geklärt werden, wie viel jeder Mitgliedstaat aus der GAP erhält. Außerdem ist zu regeln, wie sich die Mittel zwischen erster und zweiter Säule aufteilen – also Direktzahlungen einerseits und Programme für Nachhaltigkeit und ländliche Entwicklung andererseits.
Die Gemeinsame Forschungsstelle (Joint Research Centre – JRC) der EU-Kommission stellt dem Green Deal ein eher positives Zwischenzeugnis aus. Der in dieser Woche publizierte Bericht “Delivering the EU Green Deal” untersucht, wie weit die EU bei der Erreichung der im Green Deal formulierten Ziele bislang gekommen ist. Dafür identifizierten die Forscher des JRC zunächst 154 Ziele, die die Kommission in einem bestimmten Zeitrahmen erreichen möchte. Anschließend entwickelten sie Indikatoren, um die Ziele messen zu können, und zogen zur Untersuchung aussagekräftige Daten heran.
Die quantitative Bestandsaufnahme hat vor allem illustrativen Charakter, da zwischen der Bedeutsamkeit einzelner Ziele nicht gewichtet wird. In den einzelnen Kapiteln werden jedoch detailliertere Einschätzungen vorgenommen. Das Gesamtergebnis ist eher ermutigend:
“Die Studie zeigt, dass bisher erhebliche Erfolge erzielt wurden”, heißt es daher, “aber die Fortschritte müssen in vielen Bereichen beschleunigt werden”.
Im Energiebereich müssen die Mitgliedstaaten bei allen relevanten Indikatoren schneller werden. Gar keine nennenswerten Fortschritte sieht das JRC bislang bei der Verwendung von grünem Wasserstoff in der Industrie. Dabei müssen die Mitgliedstaaten bis 2030 dort bereits einen Anteil von 42 Prozent erreichen.
Mehr Tempo braucht es auch beim Hochlauf der erneuerbaren Energien (42,5 Prozent bis 2030). Das gilt auch für einzelne Sektoren – wie dem Heizen und Kühlen. Ganz vorne liegt derzeit Schweden, wo Wärmepumpen und Biomasse-Heizungen bereits einen Anteil von fast 70 Prozent ausmachen.
Schlecht sieht es auch bei der Energieeffizienz aus. Beim derzeitigen Tempo werden die EU-Staaten bis 2030 nur die Hälfte der vereinbarten Endenergieeinsparungen erreichen. Einsparziele für individuelle Wohngebäude hatten die Mitgliedstaaten in den Verhandlungen um die Gebäudeenergierichtlinie zwar abgewendet. Für die EU als Ganzes gilt allerdings ein verpflichtendes Effizienzziel für den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des Wohngebäudebestands (minus 16 Prozent gegenüber 2020). Dafür brauche es bis 2030 eine “starke Beschleunigung”.
Das ursprüngliche Prinzip, zunächst die ineffizientesten Gebäude zu renovieren, könnte sogar komplett irrelevant werden. Schon die unterschiedlichen Definitionen in den Mitgliedstaaten lassen den Experten zufolge keine Vergleiche zu. Mit dem Ansatz “worst first” wollte die EU-Kommission eigentlich die Energiearmut bekämpfen.
Den Wert von Materialien wie Metallen, Mineralien und Kunststoffen so lange wie möglich zu erhalten, ist ein zentrales Ziel der Kommission. Ihr Kalkül: Wenn die Wirtschaft weniger neue Ressourcen verbraucht, schont Umwelt und Klima. Zudem würde die Abhängigkeit von Rohstoffimporten aus Drittstatten reduziert. Im Mittelpunkt steht dabei das Recycling von Material, etwa aus Batterien oder Fahrzeugen.
Der Bericht des JRC zeigt jedoch, dass der Rohstoffverbrauch und verbundene Umweltauswirkungen in den 2010er-Jahren gestiegen sind. Gleiches gilt für die Abfallmenge. Das Wirtschaftswachstum hat sich bislang nur leicht vom Rohstoffverbrauch entkoppelt.
Damit laufen drei der vier übergreifenden Ziele des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft der EU-Kommission in die falsche Richtung. In der vergangenen Legislaturperiode hat sie deshalb Maßnahmen vorgeschlagen, die inzwischen auch verabschiedet sind – zum Beispiel das Gesetz über kritische Rohstoffe, die Batterieverordnung, die Ökodesignverordnung oder die Verpackungsverordnung. Einige Vorhaben wie die Verordnung zu Altfahrzeugen sind noch offen.
Ungefähr ein Drittel der quantifizierbaren Ziele lassen sich laut des Berichts erreichen, bei etwa einem weiteren Drittel muss sich das Umsetzungstempo erhöhen. Zwei Ziele liefen Gefahr, überhaupt nicht erreicht zu werden: die Halbierung von Siedlungsabfällen bis 2030 und die Verdopplung der Zirkularitätsrate, die das Verhältnis von Recyclingmaterial zu Rohstoffverbrauch darstellt.
Als Teil des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft sind die beiden Ziele rechtlich nicht bindend. Der Bericht kritisiert aber das Gleiche wie bei den verpflichtenden Zielen: Die meisten seien aufs Recycling fokussiert. Künftige Regulierung könnte die Abfallvermeidung und Maßnahmen für die Wiederverwendung stärker adressieren, heißt es.
Eine intakte Natur ist grundlegend für alle Menschen und auch für die Wirtschaft – Schätzungen zufolge basiert die Hälfte des globalen BIP auf Naturleistungen. Um die Biodiversität Europas zu schützen, hat die EU deshalb 2020 eine übergreifende Strategie beschlossen und daraus 33 quantifizierbare Ziele abgeleitet, von denen laut Report 85 Prozent verpflichtend für die EU-Staaten sind.
Wirksam sind sie allerdings nicht. Ein Beispiel: 61 Prozent der Böden gelten als “ungesund” – und während aktuell jährlich zweieinhalb Tonnen des Bodens pro Hektar Land degradieren, erholen sich im gleichen Zeitraum nur maximal 1,4 Tonnen pro Hektar. Um die Biodiversität steht es also schlecht, und die wichtigste Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt seien vor allem “wirtschaftliche Aktivitäten”, schreiben die Autoren des Berichts.
Ein besonders großes Problem im Bereich Biodiversität: Es fehlen Daten. Von allen im Bericht untersuchten Bereichen klaffen hier mit Abstand die größten Informationslücken. In 45 Prozent der Fälle tappen Politik und Forschung im Dunkeln. Darunter auch bei sehr grundlegenden Fragen. So sollen die EU-Mitglieder zunächst Maßnahmen ergreifen, um mindestens 20 Prozent der Gebiete und Ökosysteme zu erfassen, die bis zum Jahr 2030 wiederhergestellt werden müssen.
Systematisch gesammelt würden Daten dazu derzeit aber nicht, stellt der Report fest. Längst nicht alle EU-Staaten hätten demnach die bereitgestellten Instrumente übernommen. Außerdem gebe es keine Bereitschaft, ausreichend Geld für die Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Manuel Berkel, Nicolas Heronymus, Alex Veit, Marc Winkelmann
An Albin Kurti dürfte auch in Zukunft kein Weg vorbeiführen. Wenn die Prognosen stimmen, wird der Spitzenkandidat der linksnationalistischen Bewegung Vetëvendosje! (“Selbstbestimmung”) bei den Parlamentswahlen vom Sonntag in Kosovo mit Abstand am meisten Stimmen bekommen.
Kurti kann auf eine zweite Amtszeit als Regierungschef hoffen. Es wäre falsch zu sagen, dass der 49-Jährige sich mit seinem unbeugsamen bis dogmatischen Auftritt in Brüssel viele Freunde gemacht hat, im Gegenteil. Der bisherige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und sein Sondergesandter Miroslav Lajčák haben Albin Kurti regelmäßig beschuldigt, hauptverantwortlich dafür zu sein, dass der Dialog zwischen Belgrad und Pristina bisher kaum Fortschritte gebracht hat.
Nun hat Kaja Kallas das Amt der EU-Außenbeauftragten übernommen und mit dem Dänen Peter Sørensen einen neuen Sondergesandten bestimmt. Wie stehen die Chancen für einen Neuanfang, auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Studentenproteste in Serbien, die erstmals die Position von Präsident Aleksandar Vučić infrage stellen?
Die EU habe in den vergangenen Jahren das eigentliche Ziel des Dialogs aus den Augen verloren, sagt Toby Vogel vom Democratization Policy Council in Brüssel. Statt wie vorgesehen eine Normalisierung zwischen Belgrad und Pristina zu ermöglichen, sei es nur noch um Krisenmanagement gegangen. Die EU habe mit ihrem einseitigen Ansatz dazu beigetragen, dass die Lage noch verfahrener als nötig geworden sei.
Einseitig, weil die EU immer nur auf Kosovo als schwächeren Partner Druck ausgeübt und Belgrad gleichzeitig geschont habe, sagt Toby Vogel. Kallas und ihr Team müssten versuchen, diese negative Dynamik zu überwinden und sich auf das eigentliche Ziel des Dialogs zurückzubesinnen. Die Schritte hin zu einer Normalisierung seien zwar in den Abkommen von Brüssel und Ohrid festgelegt. Serbiens Präsident Vučić hat sich aber geweigert, die Vereinbarungen zu unterzeichnen und hat sich wiederholt auch vom Inhalt distanziert.
Brüssel halte die Fiktion aufrecht, dass es die Abkommen gebe, erklärt Toby Vogel. Die EU erwarte, dass Serbien Kosovo am Ende anerkenne. Gleichzeitig fehle die Bereitschaft, mit Blick auf die Schritte zu diesem Ziel, auch Druck auf Belgrad auszuüben.
Kritik an den ungleichen Maßstäben der EU gegenüber Belgrad und Pristina kommt regelmäßig aus dem EU-Parlament. Die Parlamentarier weisen darauf hin, dass sowohl Borrell als auch Lajčák aus Ländern kamen, die Kosovo nicht anerkannt haben. Dies habe der Glaubwürdigkeit des Tandems auf dem Balkan geschadet.
Nun gibt es die Erwartung, dass die Estin Kaja Kallas Serbien und den russischen Einfluss in Belgrad kritischer sieht. Die ersten Schritte der neuen Außenbeauftragten deuten aber bisher nicht auf einen Kurswechsel hin. “Auf dem Westbalkan hat für uns Stabilität Priorität”, sagte Kaja Kallas nach dem Außenrat, an dem ihr neuer Sonderbeauftragter Sørensen formell ernannt wurde.
Stabilität war bisher schon das Leitmotiv in den Hauptstädten der EU, und Vučić galt als Garant dafür. Daran scheinen auch die seit Wochen anhaltenden Studentenproteste in serbischen Städten nichts zu ändern. In einem offenen Brief an Universitäten und Vertreter der Zivilgesellschaft in Serbien hielt sich Erweiterungskommissarin Marta Kos diese Woche auffallend mit Kritik an der Führung in Belgrad zurück.
Opposition und Zivilgesellschaft sehen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die EU mit Deutschland und Frankreich an der Spitze in Wahrheit auf eine “Stabilokratie” setzt, in der demokratische oder rechtsstaatliche Standards für eine falsche Stabilität geopfert werden.
Dabei sei Vučić längst ein Faktor der Instabilität in der Region, heißt es dazu aus dem EU-Parlament. Nicht nur mit Blick auf regelmäßige Konfrontationen im Norden Kosovos, sondern auch auf den negativen Einfluss Belgrads in Bosnien-Herzegowina und die jüngsten Spannungen mit EU-Mitglied Kroatien.
Doch auch Albin Kurti spielt aus seiner Position der Schwäche regelmäßig mit dem Feuer. Im Wahlkampf wirbt der Linksnationalist damit, in seiner Amtszeit als Regierungschef die Souveränität des jungen Staates über das gesamte Territorium gefestigt und die serbischen Parallelstrukturen im Norden zurückgedrängt zu haben. Unlilateral und nicht in Koordination mit Belgrad.
Zu Hause wird ihm dies Stimmen bringen, doch in Brüssel hat Albin Kurti seine europäischen Partner nachhaltig verärgert. Dabei könnte er die bald mehr brauchen denn je, wenn nämlich Washington den Deal für einen Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo wieder aus der Schublade holt. Mit diesem wollte US-Präsident Donald Trump bereits in seiner ersten Amtszeit die Region “befrieden”. Allen voran Deutschland verhinderte damals noch, dass aus dem Plan ein gefährlicher Präzedenzfall für die Region wurde.
10.02.2025
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Arbeitsplan, Klimaabkommen, WHO
Themen: Wiederaufnahme der Sitzungsperiode und Arbeitsplan, Aussprache zum Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und der WHO. Vorläufige Tagesordnung
10.-11.02.2025
Informelle Tagung der Entwicklungsminister
Themen: Aktuelle Entwicklungs- und humanitäre Politik der EU sowie strategische Herausforderungen der Zukunft, Stärkung der Widerstandsfähigkeit der öffentlichen Institutionen und Gesellschaften in Entwicklungsländern anhand der Beispiele Mauretanien, Ukraine und Syrien. Infos
11.02.2025
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Unterstützung der Ukraine, Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen
Themen: Aussprache zur Fortsetzung der EU-Unterstützung der Ukraine, Abstimmungen zum Abkommen mit der Volksrepublik Bangladesch zu Luftverkehrsdiensten, Verlängerung des Abkommens über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit der Ukraine, Aussprache zum Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen und Förderung der beruflichen Bildung in Zeiten von Arbeitsmarktübergängen. Vorläufige Tagesordnung
11.02.2025
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Das diesjährige Arbeitsprogramm der Kommission sowie der Weg zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen. Vorläufige Tagesordnung
12.02.2025
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Opposition in Russland, Wettbewerbsfähigkeit, Mehrwertsteuervorschriften
Themen: Aussprachen zur anhaltenden Unterdrückung der demokratischen Opposition in Russland, zur Notwendigkeit einer gezielten Unterstützung der an Russland angrenzenden EU-Regionen, Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit, Abstimmungen zu Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter, Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, Einwand über die Zulassung von genetisch verändertem Mais. Vorläufige Tagesordnung
13.02.2025
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Abhängigkeiten in der Kommunikationsinfrastruktur, politische Lage in Georgien
Themen: Aussprachen zur Gefährdung der Souveränität der EU aufgrund strategischer Abhängigkeiten in der Kommunikationsinfrastruktur, Abstimmungen zur Zuspitzung der politischen Lage in Georgien. Vorläufige Tagesordnung
Die Kommission hat Leitlinien zur Definition von KI-Systemen veröffentlicht. Sie sollen die Anwendung der Regeln des AI Acts erleichtern, indem sie Anbietern und anderen relevanten Akteuren dabei helfen, festzustellen, ob ein Softwaresystem ein KI-System ist.
Die Leitlinien zur Frage, was KI-Systeme ausmacht, sind zwölf Seiten lang. Tatsächlich war die Definition ein umstrittenes Thema bei den Verhandlungen zum AI Act. Einige Parlamentarier hatten die Befürchtung, dass die Definition so weit gefasst sein könnte, dass praktisch jedes Softwaresystem darunter fallen könnte. Andere argumentierten, dass die EU sich an international bereits bestehenden Definitionen wie etwa die der OECD orientieren sollte, um international anschlussfähig zu sein.
Die Leitlinien erläutern die sieben Hauptelemente, die ein KI-System nach dem AI Act ausmachen:
Dabei hebt die Kommission hervor, dass die Definition flexibel sein muss, um der raschen technologischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Auch müsse nicht jede Komponente zu jedem Zeitpunkt des Lebenszyklus aktiv sein. Die Leitlinien liefern außerdem Beispiele für Systeme, die nicht als KI-Systeme gelten, wie etwa solche, die auf einfacher Datenverarbeitung oder klassischen Heuristiken beruhen.
Das Ziel ist es, eine einheitliche Anwendung des AI Act zu fördern. Die Leitlinien sind jedoch nicht bindend. Sie ergänzen die Leitlinien zu verbotenen Praktiken der künstlichen Intelligenz. Einige Regeln des AI Act, einschließlich der Definition von KI-Systemen, gelten bereits seit dem 2. Februar. Die Leitlinien sind von der Kommission genehmigt, aber noch nicht formell verabschiedet. vis
Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und andere Umwelt- und Sozialverbände kritisieren das “chaotische”, intransparente und aus ihrer Sicht undemokratische Omnibus-Verfahren der Kommission. Der am Donnerstag als Beteiligungsrunde angesetzte “Simplification Roundtable” bei Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis sei eine Lobbyveranstaltung gewesen, bei der es darum gegangen sei, sich von den Unternehmen die Agenda bestätigen zu lassen. Dies sagten die Organisationen WWF, EGB, Friends of the Earth, Share Action sowie European Coalition for Corporate Justice (ECCJ).
“Nur ein Fünftel der Teilnehmer waren NGOs oder Gewerkschaften – der Rest waren fast ausschließlich riesige Unternehmen und Wirtschaftsverbände aller Ebenen”, sagte die stellvertretende EGB-Generalvorsitzende Isabelle Schömann. Herein kam nur, wer eine Einladung hatte.
Nach Angaben der NGO Somo machten kleine und mittelständische Unternehmen mit 13 Prozent nur einen Bruchteil der Teilnehmer aus – obwohl gerade die nach Kommissionsangaben besonders entlastet werden sollen. Nachhaltige Unternehmen, die EU-Gesetze für fairen und nachhaltigen Wettbewerb forderten, seien gar nicht eingeladen worden. Anwesend dagegen waren etwa Exxon Mobile Europe oder Total Energies, kritisierte der EGB.
Zudem warten die Sozial- und Umweltverbände noch immer auf Entwürfe und Zeitpläne zu dem Vorhaben. Paul de Clerck, Koordinator für wirtschaftliche Gerechtigkeit bei der NGO Friends of the Earth Europe, sagte: “Gesetze, an denen wir die letzten zehn Jahre gearbeitet haben, sollen jetzt im Schnelldurchlauf aufgemacht werden.” Die Verbände betonten: Der Roundtable mit seinem ausgewählten Teilnehmerkreis ersetze keine ordentliche Konsultation. Schömann sprach von einem “manipulierten” und undemokratischen Prozedere. Die Kommission verstoße gegen ihre eigenen Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung.
Konkrete Angaben zum Roundtable wollte die Kommission auf Anfrage von Table.Briefings nicht machen. Stattdessen kursieren fast täglich neue Spekulationen und Gerüchte über den Inhalt der Debatten. So meldete das Portal Responsible Investor zuletzt, dass die Kommission ihre Omnibus-Vorschläge nicht Ende Februar, sondern Anfang März veröffentlichen würde – und dass sie die Axt an die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) legen werde. Das hätte zur Folge, dass 85 Prozent der eigentlich verpflichteten Unternehmen in Europa doch keine CSRD-Nachhaltigkeitsreports veröffentlichen müssten.
Infrage gestellt werde zudem die doppelte Wesentlichkeitsprüfung. Dieses zentrale Instrument sieht eigentlich vor, dass Unternehmen zum einen darlegen müssen, welche Folgen ihr Geschäftsmodell auf Menschen und die Umwelt haben – und zum anderen, welche finanziellen Folgen etwa externe Klimakatastrophen auf das Unternehmen haben. Andere berichteten davon, dass das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) womöglich erst im Jahr 2030 eingeführt werden könnte – und wesentlich weniger Vorgaben machen werde als aktuell vorgesehen.
Gegen solche drastischen Maßnahmen hatte sich Anfang der Woche ein Zusammenschluss von mehr als 150 Investoren ausgesprochen. Die Gruppe wies darauf hin, dass sie umfassende, vergleichbare Informationen benötige, um Gelder künftig in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten leiten zu können. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und das Institut der Wirtschaftsprüfer sprachen sich hingegen ebenso für eine nennenswerte Vereinfachung aus wie das International Sustainability Standards Board (ISSB). Das Standardsetzungsgremium plädiert dafür, die CSRD mit seinem Kriterienset zu harmonisieren. Hinter dem ISSB stehen unter anderem Investoren wie Black Rock, Vanguard und Allianz Global Investors. lei, maw
In der Konferenz der Präsidenten (COP) haben S&D und Grüne gemeinsam mit den beiden rechtsradikalen Fraktionen Patrioten für Europa und ESN (Europa der Souveränen Nationen) eine Plenardebatte in der kommenden Sitzungswoche in Straßburg durchgesetzt. Die EVP hatte dagegen gestimmt. Am Donnerstag um 10.30 Uhr debattiert das Europaparlament zum Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. mgr
Friedrich Pürner, der für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Juni ins Parlament eingezogen ist, verlässt die Partei. Anlass sei “die Diskrepanz zwischen dem, was wir am Gründungsparteitag (27.1.2024) als Ziele und Visionen anstrebten und dem, was nun gelebte Realität im Partei-Alltag ist”.
Pürner war einer von sechs BSW-Abgeordneten im Europaparlament. Die BSW-Abgeordneten sind nicht Mitglied in einer Fraktion.
Der Politiker kritisiert das Klima in der Partei: Es herrsche eine “Kultur des Misstrauens” und “der Überwachung”. “Autoritäres Verhalten” habe sich breitgemacht, viele Entscheidungen oder Parteistrategien seien nicht nachvollziehbar. Er behalte seinen Sitz. mgr
Kapitänen und Eignern von Schiffen der sogenannten Schattenflotte Russlands drohen Strafmaßnahmen der EU. Nach Angaben des polnischen Außenministers Radosław Sikorski werden in Brüssel derzeit Änderungen von Sanktionsregeln diskutiert, die ein entsprechendes Vorgehen gegen Personen ermöglichen sollen. Ziel ist es, sie mit dem 16. Russland-Sanktionspaket zu beschließen. Dieses wird zum dritten Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar vorbereitet.
Die sogenannte russische Schattenflotte besteht aus Schiffen mit unklaren Eigentumsverhältnissen, die zum Teil nicht einmal versichert sind. Diese werden zum Beispiel dazu genutzt, den westlichen Preisdeckel für russische Ölexporte in Drittstaaten zu umgehen oder aus der Ukraine gestohlenes Getreide zu transportieren. Zudem gibt es die Befürchtung, dass sie künftig für Sabotageaktionen gegen Datenkabel in der Ost- und Nordsee genutzt werden. Nach Angaben von Sikorski werden dafür oft Anker genutzt.
Von der EU sanktionierte Kapitäne und Eigner dürften nicht mehr in die EU einreisen. Zudem müssten von ihnen in der EU vorhandene Vermögen eingefrorenen werden. Sikorski sagte, Ziel sei vor allem Abschreckung. Er machte dabei auch deutlich, dass Kapitäne bislang nicht mit Strafen rechnen mussten, weil das Auswerfen von Ankern in internationalen Gewässern nicht verboten ist.
Im Kampf gegen die Aktivitäten der russischen Schattenflotte hatte die EU bereits im Laufe des vergangenen Jahres knapp 80 Schiffen das Einlaufen in Häfen untersagt und Unternehmen verboten, ihnen Dienstleistungen anzubieten. Mit Sanktionen gegen Kapitäne ging jüngst die Ukraine voran. Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete am Mittwoch einen Erlass mit Strafmaßnahmen gegen mehr als 50 russische Schiffsführer und einen Kapitän aus dem Iran.
Neben den Regeländerungen für neue personenbezogene Strafmaßnahmen soll das nächste Paket mit Russland-Sanktionen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch ein weitgehendes Einfuhrverbot für russisches Aluminium und Aluminium-Legierungen sowie ein Ausfuhrverbot für Videospielkonsolen und Controller enthalten. Letztere werden nach EU-Angaben zur Steuerung von Kampfdrohnen genutzt. Zudem ist geplant, Dutzende weiteren Schiffe auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. dpa
Nach monatelangem Streit hat Frankreichs Parlament den überfälligen Haushalt für das laufende Jahr verabschiedet. Eine Mehrheit von 219 zu 107 Senatoren stimmte im Oberhaus für den Gesetzestext.
Die Mitte-rechts-Regierung will mit ihrem Haushaltsplan das Staatsdefizit senken – unter anderem durch geringere Ausgaben. Als Ziel hatte sie ausgegeben, das Defizit von circa 6,1 Prozent im vergangenen Jahr in diesem Jahr auf 5,4 Prozent der Wirtschaftsleistung herabzubringen. 2029 solle es wieder unter den europäischen Grenzwert von drei Prozent kommen. Wegen einer zu hohen Neuverschuldung läuft ein Defizitverfahren der EU-Kommission gegen Frankreich.
Frankreichs vorherige Minderheitsregierung unter Michel Barnier war im Dezember im Streit um den Sozialhaushalt von der linken und rechtsnationalen Opposition gestürzt worden. Auch für Premier François Bayrou waren die Haushaltsverhandlungen eine Zerreißprobe. Er drückte den Haushalt letztlich ohne Endabstimmung durch die Nationalversammlung, das Unterhaus des Parlaments.
Nach zahlreichen Gesprächen mit der Regierung stützten die Sozialisten Bayrou bei zwei Misstrauensvoten am Mittwoch. Auch die rechtsnationalen Abgeordneten um Marine Le Pen stellten sich trotz Kritik am Haushalt nicht gegen die Regierung. dpa
Eine Redewendung besagt: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Geht es nach Stefan Solle, Abteilungsleiter Internationales beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall, kann man in dieser Aufzählung noch einen Ort ergänzen: Brüssel. Denn bei den komplexen interinstitutionellen Verfahren wisse man nie genau, wie Gesetzesverfahren am Ende ausgingen.
Diesen komplexen Prozess im Sinne der deutschen M+E-Unternehmen zu begleiten und zu beeinflussen – das ist das Ziel des obersten europäischen Lobbyisten der deutschen Metall- und Elektroarbeitgeber in der belgischen Hauptstadt. “Ich möchte unseren Mitgliedern zeigen, welche Brüsseler Themen für sie relevant sein können – um dann gemeinsame Positionen zu erarbeiten. Und mein Anspruch ist es, diese dann zur richtigen Zeit und an der richtigen Stelle in Brüssel einzubringen”, sagt der 44-Jährige. Das macht Solle in Brüssel mit seinem Team seit 2013 als Leiter des dortigen Verbindungsbüros von Gesamtmetall.
Aktuelles Topthema für die Unternehmen seiner Branche: die anstehende Omnibus-Verordnung. “Die Vorgaben an Sorgfalts- und Berichtspflichten sind extrem geworden. Wir hoffen, dass konsolidiert und verschlankt wird, und zwar nicht nur ein bisschen“, sagt Solle. Die aktuellen Vorschläge auf dem Tisch reichen ihm da nicht. Für ihn gehören auch die Verordnungen zu Zwangsarbeit, Konfliktmineralien, Anti-Entwaldung sowie Batterien mit in den Omnibus.
Solle nennt ein Beispiel: “Bei einem Auto gelten für die Reifen die Sorgfaltspflichten nach der Entwaldungs-Verordnung, für die Batterie die der Batterie-Verordnung, für das verbaute Wolfram die Konfliktmineralien-Verordnung und für den Rest des Autos die Lieferketten-Richtlinie.” Obendrein gelte für alles die Zwangsprodukte-Verordnung – “auch wenn alle vorgenannten Rechtsakte bereits inhaltsgleiche Sorgfaltspflichten zu Zwangsarbeit vorsehen.” Würde man diese Anforderungen vereinheitlichen, könnte das Unternehmen entlasten – “ohne dass Sozial- oder Umweltschutzstandards angetastet werden”, sagt Solle.
Solle lässt durchblicken, was man in Brüssel immer wieder von Wirtschaftsvertretern hört: Die ersten fünf Jahre unter von der Leyen waren nicht einfach. Dass die Entbürokratisierung jetzt so früh und prominent auf der Agenda steht, freut ihn. Er sagt: “Wir sind definitiv optimistischer als vor fünf Jahren, was diese Legislaturperiode betrifft.” Was ihm etwa Hoffnung macht: Die Budapester Erklärung, in der sich im November die europäischen Staats- und Regierungschefs zu einem neuen Deal für Wettbewerbsfähigkeit bekannten.
“Aber am Ende muss man schauen, was tatsächlich an Taten folgt“, sagt Solle. Was für ihn zählt: spürbare Entlastungen, die bei den Unternehmen ankommen. Ziele wie 25 Prozent weniger Bürokratie seien dagegen schwer nachzuprüfen. Als Beispiel nennt er das Prinzip “One in, one out”, das vor steigender Bürokratie schützen soll. “Die Kommission hat erklärt, dass sie ‘One in, one out’ in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich praktiziert habe. Nur davon merken unsere Unternehmen rein gar nichts.”
Solle selbst lässt das Thema Europa schon mehr als ein halbes Leben nicht los: Er hat Neuere Geschichte, Politikwissenschaften und European Business Studies in Jena und Antwerpen studiert, 2002 absolvierte er sein Auslandssemester in Belgien. Danach war für ihn klar, dass er sich beruflich mit Europa befassen will. Das klappte: erst als Wahlkreismitarbeiter der damaligen CSU-Europaabgeordneten Anja Weisgerber (heute MdB), danach als Referent im Brüsseler Büro des Verbandes der chemischen Industrie (VCI). Und inzwischen seit mehr als zehn Jahren als Chef des Büros von Gesamtmetall in Brüssel. Seit 2022 leitet er dort zudem den Fachbereich Internationales.
Auch im Privaten geht es bei Solle europäisch zu. Er selbst lebt seit 2009 in der belgischen Hauptstadt, ist mit einer Polin liiert, die wiederum in den Niederlanden lebt. Als er dort für die gemeinsame Tochter beim Amt das polnische Namensrecht und zugleich Vaterschaftsrecht gemäß deutschen Regeln anwenden ließ, merkte er: “Europa ist absurd kompliziert, aber am Ende wird eine Lösung gefunden.” Alina Leimbach