Table.Briefing: Europe

FDP blockiert bei Verpackungen + Fall Malte Gallée + Macron stichelt gegen Scholz

Liebe Leserin, lieber Leser,

an diesem Freitag kommt es in Brüssel (erneut) zum Showdown: Die Vize-Botschafter der Mitgliedstaaten stimmen zum dritten Mal über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (CSDDD) ab und sollen zudem die Verpackungsverordnung absegnen. Beide Vorhaben haben inhaltlich wenig miteinander zu tun, politisch aber eine ganze Menge.

Ob die hochstrittige Lieferkettenrichtlinie diesmal die erforderliche qualifizierte Mehrheit erhält, ist offen. Ausschlaggebend dürften die Voten von Frankreich und Italien sein. Die belgische Ratspräsidentschaft versucht dem Vernehmen nach, insbesondere Rom umzustimmen – und zwar durch Zugeständnisse bei der Verpackungsverordnung, die dem Land große Sorgen bereitet. Ein solcher Paketdeal könnte womöglich den Weg für beide Gesetzesvorhaben ebnen.

Zudem hat die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch einen neuen Vorschlag verteilt, der Table.Briefings vorliegt und den Text noch einmal in wichtigen Punkten abschwächt. So sollen etwa Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro Nettoumsatz in den Anwendungsbereich fallen, zuvor lag die Schwelle bei 300 Millionen Euro. Gestrichen wurde die Verpflichtung für Unternehmen ab einem bestimmten Schwellenwert, Klimaübergangspläne zu erstellen und diese mit finanziellen Anreizen für das Management zu unterlegen.

Die Bundesregierung wird sich erneut enthalten, das hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) klargemacht. Auch bei der Verpackungsverordnung stellte sich die FDP gestern quer. In der Ampelkoalition wurde am Abend unter Hochdruck versucht, ein weiteres German Vote zu verhindern. Mehr dazu lesen Sie in den News.

Ihr
Till Hoppe
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Analyse

Regelwerk der Grünen-Fraktion im Europaparlament für den Umgang mit Belästigung am Arbeitsplatz lähmt Fraktionsspitze

Im Fall des zurückgetretenen Grünen-Abgeordneten Malte Gallée haben inzwischen 14 weibliche EVP-Abgeordnete der grünen Fraktionsführung einen Brief geschrieben. “Weil es unsere Pflicht ist, unsere Mitarbeiter zu schützen”, bitten sie “unverzüglich um Antworten” auf sieben Fragen. Darunter:

  • Wann haben die Co-Vorsitzenden Terry Reintke und Philippe Lamberts persönlich von den Vorwürfen gehört?
  • Was haben sie unternommen?
  • Wurden die EP-internen Hilfsangebote eingeschaltet, wie etwa das “Advisory Committee on complaints about Members of the European Parliament for harassment”?

Die grüne Fraktionsführung hat auf den Brief der Christdemokratinnen bis Redaktionsschluss nicht geantwortet. Auf Fragen von Journalisten gibt die Fraktionsführung in der Sache ebenfalls keine Antworten. Terry Reintke reagiert mit Sätzen wie: “Leider kann ich aus Rücksicht auf möglicherweise Betroffene diese Frage nicht beantworten.”

Anfang März hatte der “Stern” einen ausführlichen Artikel über Gallée veröffentlicht. Darin kommen mehrere Menschen zu Wort, die von einem unangemessen Verhalten Gallées berichten, von unerwünschten intimen Berührungen und einem psychisch belastenden Arbeitsumfeld. “Wie mehrere Frauen es darstellen, mieden deshalb vor allem weibliche Betroffene seit einiger Zeit Veranstaltungen, auf denen sie Gallée vermuteten”, heißt es darin etwa. Er selbst bestreitet die Vorwürfe.

2019 gibt sich Grünen-Fraktion eigene Regeln

Das Regelwerk, das sich die Grünen-Fraktion 2019 für den Umgang mit psychischer oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gegeben hat, dürfte eine Ursache sein für das vielfach als unglücklich angesehene Agieren der Fraktionsspitze in dem Fall. In dem Text heißt es etwa: “Die Informationen, die den internen Vertrauenspersonen der Fraktion übermittelt werden, sind als vertraulich zu betrachten. Solche Informationen dürfen nur im Rahmen von Verfahren im Zusammenhang mit Mobbing und mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Person weitergegeben werden.”

Ein Mitglied der Europa-Grünen analysiert im Gespräch mit Table.Briefings: Personen, die Belästigung anzeigen wollten, sei damals komplette Vertraulichkeit zugesichert worden. Der gut gemeinte Schutz für mögliche Opfer sei dabei übertrieben worden. Ombudsleute etwa durften nach den Regeln, die zwischen 2019 und 2023 galten, nicht einmal sagen, ob es ein, zwei oder zwölf Eingaben gegeben habe.

Die Pflicht zur vollkommenen Verschwiegenheit sei so weitgehend gewesen, dass eine substanzielle Untersuchung eines Falles unmöglich gewesen sei. So seien jegliche Versuche der Verfolgung und Klärung von tatsächlichen oder vermeintlichen Belästigungen an einen toten Punkt gekommen. Das Fazit: Womöglich habe sich die grüne Fraktion selbst überschätzt, als sie es 2021 besser machen wollte als das Europaparlament und sich eigene Regeln gegeben hat.

Interne Verfahren ohne Ergebnis

Nach eigener Aussage hat Malte Gallée im Sommer 2022 selbst die internen Ombudsleute angerufen. Angeblich, weil Gerüchte über grenzüberschreitendes Verhalten von ihm in Fraktionskreisen kursierten, und er eine Klärung wollte. Fakt ist, dass das Verfahren über die Dauer von mehr als einem Jahr keine greifbaren Ergebnisse gebracht hat. Weder erfuhren mögliche Betroffene Gerechtigkeit, noch wurde Malte Gallée entlastet.

Gallée sagt, dass er sich keiner Schuld bewusst sei. Mögliche Betroffene haben ihre Vorwürfe weder bei der Justiz in Belgien, Frankreich oder Deutschland noch bei den zuständigen Stellen im Europaparlament angezeigt. Bis heute ist unklar, ob sich Mitarbeiter über den Abgeordneten beschwert haben, und wie viele Beschwerden es gab. Unbekannt ist auch, welche Substanz etwaige Beschwerden hatten.

Erst kurz vor der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Karlsruhe Ende November kam wieder Bewegung in den Fall. Gallées bayerischer Landesverband drängte den Abgeordneten, seine Kandidatur für einen sicheren Listenplatz beim Europaparteitag kurzfristig zurückzuziehen. Zuvor war Gallée im Landesverband überraschend vor der zweiten Europaabgeordneten aus Bayern, Henrike Hahn, nominiert worden. Kurz vor dem Europaparteitag zog Gallée dann “aus persönlichen Gründen” seine Bewerbung um einen sicheren Listenplatz zurück.

Auf Platz 16 gewählt wurde Andie Wörle, die damit als einzige Bewerberin aus Bayern Aussicht auf den Einzug ins Europaparlament hat. Um die sicheren Listenplätze wurde diesmal mit besonders harten Bandagen gekämpft. Bei den Grünen fragt man sich: Hat jemand die Vorwürfe gegen Gallée gezielt vor dem Bundesparteitag gestreut?

Reintke war Gesicht von MeToo im Europaparlament

Co-Fraktionschefin Terry Reintke ist in einer schwierigen Lage. 2017 war sie das Gesicht der Grünen bei der MeToo-Debatte im Europaparlament. “Ich bin Opfer von sexueller Gewalt gewesen”, hatte sie im Plenum gesagt. Sie prangerte eine Kultur des Schweigens im Europaparlament an, machte dafür die bestehenden Anti-Harassment-Regeln verantwortlich und forderte, Opfer besser zu schützen und Taten strenger zu ahnden. Nun wurde der Fraktionsführung im Artikel des “Stern” von anonymer Seite der Vorwurf gemacht, Hinweisen auf Grenzüberschreitungen im Fall Gallée nicht konsequent nachgegangen zu sein.

Parteiintern ist die Unruhe auch deswegen groß, weil die Vorwürfe Reintkes Spitzenkandidatur zu beschädigen drohen. Im September 2022 ist Reintke Co-Fraktionschefin geworden. Sie kann für sich in Anspruch nehmen, die Überarbeitung der sich jetzt als unzureichend herausgestellten internen Regeln der Grünen im Fall von psychologischer oder sexueller Belästigung eingeleitet zu haben. Die neuen Regeln traten im November 2023 in Kraft.

Kritik an Umgangsformen mancher Abgeordneter

In der Fraktion gibt es einen zweiten Herd der Unzufriedenheit. Assistenten und “Advisors” (Berater) sowie Fraktionsmitarbeiter beklagen sich über die Umgangsformen einiger Abgeordneter. Die Vorwürfe lauten: Einige Abgeordnete würden immer wieder laut, würden Mitarbeiter in großer Runde hart kritisieren. Auch über extreme Arbeitszeiten wird geklagt. Die Unzufriedenheit komme wohl auch daher, dass manche Assistenten und Berater nicht einverstanden seien mit der Linie gerade deutscher Grünen-Abgeordneter im Konflikt in Nahost, heißt es in der Fraktion. Persönlicher Frust mische sich mit Unverständnis für die israelfreundliche Haltung.

Die Fraktion beschloss Mittwochabend bei ihrer Sitzung in Straßburg einen Fahrplan für Sofort-Maßnahmen. Dazu zählen:

  • externe Bewertung der bestehenden Regeln
  • Angebot von psychologischer Unterstützung für Mitarbeiter, die eine Beschwerde einreichen, sowie für Mitarbeiter, um mit der augenblicklichen Krise umzugehen
  • Informationsveranstaltungen alle drei Monate zu Hilfsangeboten bei Belästigung
  • Personen, deren Verhalten Gegenstand einer internen Untersuchung ist, dürfen nicht mehr an internen Veranstaltungen der Fraktion teilnehmen
  • ein Verhaltenskodex soll aufgestellt werden, der am Anfang des Mandats von allen MEPs und Mitarbeitern unterschrieben werden muss
  • Verpflichtende Teilnahme an Kursen gegen Belästigung   
  • Europäisches Parlament
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Interessenkonflikte, Drehtür-Effekte und Kampf gegen Korruption: So stellt sich der Ethikrat auf

Die EU-Institutionen wollen gemeinsame ethische Standards erarbeiten, um Interessenkonflikte, Drehtür-Effekte und Korruption zu vermeiden. Rund 15 Monate nach “Katargate”, dem bisher größten und immer noch nicht aufklärten Korruptionsskandal, verkündeten die Verhandlungsführer des Parlaments am Donnerstag eine Einigung. Allerdings sprechen sie nicht mehr von einer Ethikbehörde, sondern nur noch von einem Ethik-Gremium. Und zwei wichtige Institutionen sind vorerst nicht an Bord. 

Die Verhandlungen waren noch auf der Zielgeraden ins Schlingern geraten. Der Europäische Rat und der Ministerrat hatten sich zurückgezogen, die Europäische Volkspartei (EVP) kündigte ein Nein an. Das Vorhaben, das auf ein Versprechen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit zurückgeht, soll nun aber doch noch rechtzeitig vor der Europawahl starten. Sieben EU-Institutionen machen den Anfang, der Ministerrat könnte später noch hinzustoßen.

Die Leitung des Ethik-Gremiums soll jährlich wechseln

Die Vertragsparteien sind nun (1) das Europäische Parlament, (2) die Europäische Kommission, (3) der Gerichtshof der Europäischen Union (als Beobachter ohne Teilnahme an Entscheidungen), (4) die Europäische Zentralbank, (5) der Rechnungshof, (6) der Wirtschafts- und Sozialausschuss und (7) der Ausschuss der Regionen. Es wird keine neue Behörde geschaffen, sondern nur ein Sekretariat, das bei der Kommission angesiedelt wird. Die Leitung soll jährlich wechseln, beginnend mit dem Parlament. 

Das Vorgehen ist noch recht vage. Nach einem Papier, das die beiden deutschen Europaabgeordneten Daniel Freund (Grüne) und Katarina Barley (SPD) veröffentlicht haben, sollen die Vertreter der Institutionen gemeinsame Standards setzen. “Je ein Vertreter pro Institution oder beratender Ausschuss (der Body) verhandeln und beschließen gemeinsame Mindest-Standards zu Interessenerklärungen, Nebentätigkeiten, Geschenken, Anschlussjobs (Drehtüren), Lobbytreffen, der Durchsetzung von Regeln in den Institutionen”, heißt es in dem Papier.  

Konsequenzen aus Katargate

Die teilnehmenden Institutionen müssen ihre bisher gültigen Regeln den neuen Ethik-Standards anpassen. Der Body soll das dann überprüfen und die Ergebnisse veröffentlichen. Unabhängige Experten sollen strittige Einzelfälle prüfen. Konkret sollen sie sich mit Interessenerklärungen oder “anderen schriftlichen standardisierten Erklärungen” beschäftigen. Im Parlament soll dies auch Lobbytreffen, Einladungen durch Dritte etc. einschließen.

Dies ist offenbar eine Konsequenz aus Katargate, bei dem Europaabgeordnete nach Katar gereist und an dubiosen Lobbyrunden teilgenommen hatten, wobei auch Geld geflossen sein soll. Bei möglichen Verstößen sollen die Experten ihre Einschätzungen und Empfehlungen an die betroffene Institution schicken, die dann über mögliche Sanktionen entscheidet. Eine zentrale Instanz für Sanktionen ist nicht vorgesehen. Die Institutionen behalten also eine gewisse Autonomie.

EVP sieht Freiheit des Mandats beeinträchtigt

Dennoch geht die Vereinbarung aus Sicht der EVP viel zu weit. “Das ist ein Frontalangriff gegen das Parlament”, erklärte der verfassungspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Sven Simon (CDU). Es sei grotesk, dass das “Machtzentrum” (das Sekretariat) bei der Kommission angesiedelt werden soll. Damit werde ein Organ mit Durchgriffsrechten gegen Abgeordnete geschaffen und die Freiheit des Mandats massiv beeinträchtigt. 

Völlig anders sehen dies die beiden Verhandlungsführer Barley und Freund. “Das Ethik-Gremium ist ein großer Schritt nach vorn für Transparenz und Offenheit in Europa. Wir stellen die Interessen der Bürger:innen in den Vordergrund und stellen sicher, dass die EU-Institutionen sich an die höchsten ethischen Standards halten”, erklärte Barley.  

“Wir schaffen jetzt erstmals ein Gremium, das die Integrität sowohl von EU-Kommissaren als auch Abgeordneten überwacht”, betont Freund. “Ohne den unermüdlichen Einsatz des Europaparlaments für mehr Transparenz wäre es nicht so weit gekommen. Dass sich das neue Gremium dezidiert auch mit Einzelfällen auseinandersetzen kann, ist ein enormer Verhandlungserfolg.”

Machtkampf zwischen Parlament und Kommission

Allerdings wird dieser Durchbruch nicht nur durch die Abwesenheit des Rates relativiert. Wenige Stunden zuvor war auch ein neuer Machtkampf zwischen Parlament und Kommission ausgebrochen: Das Parlament verklagt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihre Behörde wegen der umstrittenen Freigabe von EU-Fördergeldern für Ungarn. Begründet wurde die Klage mit Zweifeln an der Unparteilichkeit der Brüsseler Behörde, sogar von “Erpressung” ist die Rede. 

Von der Leyen und die zuständige EU-Kommissarin Věra Jourová hatten fast vier Jahre gebraucht, um einen Vorschlag für das Ethik-Gremium zu präsentieren. Bei der Vorlage im Juni 2023 hatten sich die Europaabgeordneten unzufrieden gezeigt. Von der Leyen habe ihre Hausaufgaben nicht gemacht, hieß es.  

Kurz vor der Europawahl im Juni wollten die Parlamentarier nun aber doch noch einen Erfolg vorweisen. Das Plenum des EP soll Ende April über die Einigung abstimmen – als eine der letzten Abstimmungen dieser Legislatur. Sie könnte dann ab Juni in Kraft treten.  

  • Ethik
  • Europäischer Rat
  • Europäisches Parlament
  • EVP
  • Katargate
  • Korruption
  • Transparenz

Wie die EU die Europawahl vor Manipulation schützen will

Die Angst ist groß: Könnte Russlands Machthaber Wladimir Putin versuchen, die Wahl zum Europaparlament zu beeinflussen? Wenn ja, wie? Immer mehr Bürger würden bei Umfragen der Demokratie weniger vertrauen, sagt EU-Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová in dieser Woche im Europaparlament. Das dürfe nicht sein, und die Integrität der Wahlen müsse sichergestellt werden. Zuständig dafür: in erster Linie die Nationalstaaten. Doch auch EU-Institutionen versuchen einiges.

Auch wenn der Wahlvorgang weiterhin vor allem mit Stift und Papier stattfinde, spielten Netzwerk- und Informationssicherheit eine immer größere Rolle, heißt es in einem gerade erst von der Europäischen Netzwerk- und Informationssicherheitsbehörde (ENISA) aktualisierten Kompendium zur Absicherung von Wahlen. Bei der Europawahl hänge die Integrität des Wahlvorgangs von jedem einzelnen Mitgliedstaat ab.

ENISA listet in dem umfangreichen Werk eine Vielzahl möglicher technischer Angriffsvarianten auf:

  • Ransomware und Wiper-Attacken, also Verschlüsselungstrojaner und Löschviren
  • Distributed Denial of Service, bei denen Zielsysteme mit Verkehr “beschossen” werden, bis sie zusammenbrechen
  • Social Engineering und Phishing, um an sensible Informationen zu gelangen
  • Defacement, also die gezielte Entstellung von Webseiten
  • Supply-Chain-Attacks – also Angriffe auf die Wahlinfrastruktur über dabei verwendete Software

Hierauf müssten sich die zuständigen Wahlleitungen einstellen und Vorsorge treffen. ENISA listet eine Vielzahl an Maßnahmen zur Vorbereitung auf, um im Fall der Fälle nicht ins Chaos zu stürzen.

Einflussnahme mit Social Media

Doch auch jenseits des Wahlvorgangs selbst sieht ENISA hybride Bedrohungslagen – vor allem durch “FIMI”, die Einmischung und Manipulation aus dem Ausland, die mit klassischen Cyberangriffen kombiniert werden könnte.

Insbesondere Soziale Medien gelten als Ort der Möglichkeiten für Einflussnahmeversuche. ENISA nennt hier die gezielte Streuung von Falschinformationen sowie vor allem die Verstärkung. Dabei werden Inhalte, die nicht zwingend unwahr sind, mit den Mechanismen der Mediengesellschaft befeuert. Das meint etwa eine stärkere, algorithmisch getriebene Verbreitung von Inhalten durch hohe Interaktionsraten – was sich über unechte Accounts befeuern lässt.

Dies ist ein Grund, warum viel Hoffnung auf dem Digital Services Act (DSA) liegt. Denn der verpflichtet die größten Plattformen, gegen sogenannte systemische Risiken vorzugehen, die ihren Geschäftsmodellen und Plattformmechanismen inhärent sind. Und dazu zählt auch die Manipulation von Öffentlichkeit durch ausländische Einflussnahme. Die größten Social-Media-Plattformen haben sich zudem im Rahmen eines Code of Practice zum Kampf gegen Desinformation verpflichtet. Die Ausnahme bildet Elon Musks X (früher Twitter).

Plattformen sollen sich vorbereiten

Die EU-Kommission will von den Plattformen verlangen, dass diese sich auf Probleme bestmöglich vorbereiten. Aus Sicht der Behörde ist noch zu wenig geklärt, inwiefern Plattformen einschreiten, wenn KI-generierte oder -unterstützte Inhalte auf ihnen verbreitet werden. Deshalb hat sie am Donnerstag Auskunftsverlangen an Microsofts Bing, Instagram, Snapchat, Facebook, Google Search, Tik Tok, You Tube und X geschickt.

Bis zum 5. April müssen diese nun Fragen rund um ihre Gefahreneinschätzung und ihren Umgang mit KI-bezogenen Problemen im Zusammenhang mit Wahlen beantworten. Die Erkenntnisse daraus sollen dann in formelle Empfehlungen eingearbeitet werden, die die Kommission rechtzeitig vor den Europawahlen im Juni den Betreibern zur Verfügung stellen will.

Amplifizierung als Strategie

Doch Probleme gibt es auch ganz ohne KI. Lutz Güllner, Leiter der Abteilung für Strategische Kommunikation im Europäischen Auswärtigen Dienst, muss sich jeden Tag mit Einflussnahme-Versuchen beschäftigen. Er nennt die Bauernproteste als Beispiel für die Amplifizierungs-Aktivitäten: Niemand bezweifle, dass es echte Sorgen bei den Landwirten gebe. “Trotzdem haben wir auch in diesem Falle wieder gesehen, dass Desinformationsakteure – und ich beziehe mich insbesondere hier auf externe Akteure – immer wieder auf dieses Thema aufspringen”, sagt Güllner. Opportunistisch würden diese auf “Konfliktstoffe, auf diese Bruchlinien in der Gesellschaft aufspringen, sie benutzen, sie verstärken”.

Diese Kampagnen müssten keineswegs immer groß sein, sagt Güllner. Für die Europawahlen sieht er keineswegs eine Zwangsläufigkeit, dass etwa Russland unmittelbare Einflussnahme versuche oder damit gar erfolgreich sei. Aber: “Es gibt ein Risiko. Für dieses Risiko, für diese Verletzbarkeit, für diese Vulnerabilität müssen wir uns vorbereiten.” Defätismus, dass die Wahlen in jedem Fall delegitimiert würden, wäre aber falsch, sagt er: “Sie sind sicher, sie sind wichtig, ein wichtiger Ausdruck unserer Demokratie – und deswegen müssen wir sie eben auch schützen.”

DSA wirkt nicht rechtzeitig bis zur Wahl

Dass der DSA bereits zur Europawahl bei den größten Anbietern vollständig wirkt, erwarten Experten eher nicht. Dafür ist die Vorlaufzeit zu kurz, die Mechanismen sind noch nicht eingespielt. Umso wichtiger, dass die Institutionen auch ansonsten gut aufgestellt sind. In Deutschland kümmert sich eine interministerielle Arbeitsgruppe um Fake-News und andere Probleme, etwa mit KI-Fakes. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet ausländische Einflussnahmekampagnen. Frankreich hat mit Viginum eine formelle Stelle beim Auswärtigen Dienst geschaffen, die sich auf die Suche nach Desinformationskampagnen begibt.

Im Februar veröffentlichte Viginum etwa einen technischen Bericht zu “Portal Kombat”, eine so getaufte Desinformationskampagne, bei der Newswebseiten erstellt und mit prorussischen Inhalten befüllt wurden – unter anderem “pravda-de.com”. Aber auch Nachbauten etablierter, westlicher Nachrichtenwebseiten beschäftigen die Desinformationsenttarner – auch deutsche Newsportale sind hiervon regelmäßig betroffen. Das wesentlichste Mittel, sagen daher sowohl EU-Vertreter als auch die ENISA, sei daher nicht nur die Sensibilisierung der Zuständigen, sondern vor allem auch die der breiten Öffentlichkeit – eine Aufgabe für Medien und Politik.

  • Cybersicherheit
  • Desinformation
  • Digitalisierung
  • Europawahlen 2024
  • Wahlen
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EU-Monitoring

18.03.-19.03.2024
Sitzung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE)
Themen: Aussprache über die Zusammenarbeit von Frontex mit libyschen Milizen, Aussprache mit dem Exekutivdirektor von Frontex über die Einsätze von Frontex insbesondere in Griechenland, Aussprache zur Verwendung von Spähsoftware in der EU (unter Ausschluss der Öffentlichkeit). Vorläufige Tagesordnung

18.03.-19.03.2024
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI)
Themen: Aussprache mit der Kommission über den EU-Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Unternehmens- und Marketingpraktiken, Aussprache mit Kommissionsmitglied Janusz Wojciechowski über das unlängst vorgelegte Vereinfachungspaket für Landwirte, Bericht über die Schaffung eines Unionsrahmens für die Zertifizierung von CO₂-Entnahmen. Vorläufige Tagesordnung

18.03.2024 – 10:30 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zu Russlands Aggression gegen die Ukraine, Gedankenaustausch zu Belarus, Gedankenaustausch zur Lage im Nahen Osten. Vorläufige Tagesordnung

19.03.2024 – 08:30-10:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
Themen: Gedankenaustausch mit den Außenministern der Mitgliedstaaten über die EU-Erweiterungspolitik im Vorfeld der Tagung des Europäischen Rates im März 2024. Vorläufige Tagesordnung

19.03.2024 – 08:45-17:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
Themen: Berichterstattung über die laufenden Trilog-Verhandlungen, Aussprache über das Paket “Ein Stoff, eine Bewertung”, Abstimmung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, Abstimmung über die Vermeidung der Freisetzung von Kunststoffgranulat zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik. Vorläufige Tagesordnung

19.03.2024 – 09:00-16:30 Uhr
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
Themen: Abstimmung über Teile des Haushalts 2024, Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten vertriebener Arbeitnehmer, Gedankenaustausch mit dem Haushaltsausschuss des ukrainischen Parlaments. Vorläufige Tagesordnung

19.03.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zum Europäischen Semester, von Polen übermittelte Informationen zur Rechtsstaatlichkeit in Polen, von Deutschland übermittelte Informationen zu den Wahlen in den Kandidatenländern. Vorläufige Tagesordnung (Französisch)

19.03.2024 – 10:15-18:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL)
Themen: Abstimmung über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit, Abstimmung über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die
Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer, Reflexion des EMPL-Ausschusses zum Ende der Wahlperiode.
Vorläufige Tagesordnung

19.03.2024 – 11:00-18:00 Uhr
Sitzung des Rechtsausschusses (JURI)
Themen: Abstimmung über Rechtsstreitigkeiten, an denen das Parlament beteiligt ist (unter Ausschluss der Öffentlichkeit), Aussprache zur Festlegung harmonisierter Anforderungen im Binnenmarkt bezüglich der Transparenz der im Auftrag von Drittländern durchgeführten Interessenvertretung, Vorstellung des Jahresberichts 2023 und des Arbeitsprogramms 2024 durch Ewa Kopacz (Koordinatorin des Europäischen Parlaments für die Rechte des Kindes und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments). Vorläufige Tagesordnung

19.03.2024 – 11:30-18:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung (SEDE)
Themen: Überblick über die sicherheits- und verteidigungspolitischen Prioritäten der EU (unter Ausschluss der Öffentlichkeit), Aussprache mit Ludivine Dedonder (belgische Ministerin der
Landesverteidigung) über die europäischen Prioritäten im Bereich Sicherheit und Verteidigung während des Vorsitzes Belgiens im Rat der EU, Aussprache mit Binnenmarktkommissar Thierry Breton zu den Erläuterungen der Europäischen Strategie für die Verteidigungsindustrie (EDIS) und des Programms für Europäische Verteidigungsinvestitionen (EDIP).
Vorläufige Tagesordnung

20.03.-21.03.2024
Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
Themen: Gedankenaustausch über die außenpolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit, Maximierung der Wirksamkeit der Sanktionen gegen Russland und Überführung russischer Vermögenswerte in die Ukraine, Vorstellung einer eingehenden Analyse des 10-Punkte-Friedensplans der Ukraine und des Kiewer Sicherheitspakts. Vorläufige Tagesordnung

20.03.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: EU-Initiative für Biotechnologie und Bioproduktion, Qualifikations- und Arbeitskräftemangel in der EU (Aktionsplan), verstärkter Qualitätsrahmen für Praktika, Mitteilung über Reformen im Vorfeld der Erweiterung und Überprüfung der Politik. Vorläufige Tagesordnung

20.03.2024 – 09:00-18:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN)
Themen: Bericht zur Umsetzung des einheitlichen europäischen Luftraums (Neufassung), Gedankenaustausch mit dem Haushaltsausschuss des ukrainischen Parlaments zum Thema “Wiederaufbau der verkehrs- und tourismusbezogenen Infrastruktur in der Ukraine in der Nachkriegszeit”, Vorstellung einer Studie über “Trends, Herausforderungen und Chancen auf dem Arbeitsmarkt im Verkehrssektor”. Vorläufige Tagesordnung

20.03.2024 – 09:00-18:15 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
Themen: Abstimmung über die Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, Aussprache über die Anwendung des Gesetzes über digitale Dienste (Durchsetzung, Benennung von sehr großen Online-Plattformen und internationale Zusammenarbeit), Erläuterung des Jahresberichts 2024 über den Binnenmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit durch die Kommission. Vorläufige Tagesordnung

21.03.-22.03.2024
Europäischer Rat
Themen: Ukraine, Sicherheit und Verteidigung, Naher Osten, Agrarpolitik. Vorläufige Tagesordnung

22.03.2024
Euro-Gipfel
Themen: Erörterung der Wirtschaftslage, Gedankenaustausch über die politische Koordinierung, Bestandsaufnahme des Berichts der Euro-Gruppe über die Zukunft der Kapitalmarktunion. Infos

24.03.-25.03.2024
Informelle Ministertagung Fischerei
Themen: Die für Fischerei zuständigen Minister kommen zu Beratungen zusammen. Infos

News

Vor Berlin-Besuch: Macron verteidigt Bodentruppen-Initiative

Vor seinem Berlin-Besuch am heutigen Freitag hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstagabend seine Aussagen zu Bodentruppen in der Ukraine verteidigt. Dabei stichelte er auch gegen Bundeskanzler Olaf Scholz.

“Ich will daran erinnern, dass wir systematisch das gemacht haben, von dem wir gesagt haben, dass wir es nicht tun werden”, sagte Macron. “Was auch die sehr definitiven Aussagen relativiert, die manche manchmal in Europa getroffen haben.” Mit dem Ausschluss von Panzer-Lieferungen, die man dann doch tätigte, habe man sich “zu viele Limits gesetzt”. Scholz hatte zunächst die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine ausgeschlossen, sie der Ukraine dann dennoch ausgehändigt.

Außerdem verhielten sich einige Partner widersprüchlich, weil sie bereit seien, auf ukrainischem Boden zu produzieren, aber nicht bereit seien, “bestimmte Verpflichtungen für die Zukunft einzugehen”. Macron dürfte damit auf Scholz’ Weigerung, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, angespielt haben sowie den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall, der plant, in der Ukraine Artilleriemunition zu produzieren.

Macron will verdeutlichen, “dass sich die Dinge ändern”

Seine Aufgabe sehe Macron darin, “die Europäer und unsere Verbündeten davon zu überzeugen, weiterzugehen” und “allen klarzumachen, dass sich die Dinge ändern, und zwar schnell und nicht in die richtige Richtung”. Das wolle er auch mit nach Berlin nehmen, sagte Macron.  

Am Freitag reist Macron nach Berlin, um mit Scholz die Unterstützung für die Ukraine zu besprechen. Später soll noch Polens Ministerpräsident Donald Tusk hinzukommen. Tusk könnte die Position des Schlichters zwischen Scholz und Macron einnehmen. Große Hoffnungen liegen in der Revitalisierung des Weimarer Dreiecks.

Scholz hatte Macrons Zweideutigkeit zum Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nach dem Unterstützer-Gipfel am 26. Februar in Paris öffentlich ein klares Nein folgen lassen. Dafür bekam Macron am vergangenen Freitag Rückendeckung vom polnischen Außenminister Radosław Sikorski, der Macrons Bodentruppen-Vorstoß begrüßte.

Zwischen Scholz und Macron schwelt ein Streit, wer die Ukraine besser unterstützt. Während Scholz sich gegen Vorwürfe wegen seiner Zögerlichkeit bei der Taurus-Lieferung wehren muss, geht Macron rhetorisch voran. Das Ranking der europäischen Ukraine-Unterstützer mit Material führt hingegen Deutschland an – Frankreich machte seine Waffenlieferungen erst am 4. März öffentlich, um die Kritik zu kontern. bub

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FDP blockiert EU-Verpackungsverordnung

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellt sich bei der geplanten EU-Verpackungsverordnung quer. Sein Ministerium informierte die anderen beteiligten Häuser am Donnerstag, das in Brüssel erzielte Verhandlungsergebnis nicht mittragen zu wollen. Das erfuhr Table.Briefings aus Kreisen der Ampelkoalition. In der Koalition liefen bis in den Abend hinein Gespräch auf Ministerebene, um doch noch eine Einigung zu erreichen.

Bleibt Wissing bei seinem Nein, müsste sich Deutschland bei der für Freitag angesetzten Abstimmung der stellvertretenden EU-Botschafter erneut enthalten. Damit stünde auch die nötige qualifizierte Mehrheit im EU-Rat infrage für das Gesetzesvorhaben zur Reduzierung von Verpackungsmüll.

Berlin enthält sich immer öfter

Die beteiligten Bundesministerien hatten bereits vor Längerem verabredet, ihre Zustimmung an eine Reihe von inhaltlichen Bedingungen zu knüpfen, die in die Verhandlungen zwischen Rat und Europaparlament in Brüssel eingespeist wurden. Aus Sicht von SPD und Grünen erfüllt das Verhandlungsergebnis diese Forderungen. Dort war man davon ausgegangen, dass Deutschland der Verordnung zustimmen kann. Erst am Mittwoch signalisierte das für die FDP-Seite federführende BMDV Bedenken, wie es in den Kreisen hieß. Eine BMDV-Sprecherin sagte, man äußere sich nicht zu laufenden Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung.

Wegen der Uneinigkeit der drei Regierungsparteien hatte sich Berlin zuletzt bei etlichen EU-Gesetzesvorhaben enthalten müssen, etwa bei der Lieferkettenrichtlinie, den Regeln für Arbeiter auf digitalen Plattformen oder dem Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit. Bei den CO₂-Flottengrenzwerten für LKW hatte die Ampel in letzter Minute eine Enthaltung abwenden können, nachdem Wissing kurz vor der Abstimmung Einspruch erhoben hatte. tho

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EU-Kommission nimmt Ali Express genauer unter die DSA-Lupe

Als Aufsichtsbehörde für die größten Anbieter mit Tätigkeit in der EU hat die Kommission jetzt ein formelles Verfahren gegen Ali Express eingeleitet. Der Online-Marktplatz des chinesischen B2B-Anbieters Alibaba ist auch in Europa sehr bekannt, laut eigenen Angaben hat er in der EU 104 Millionen Nutzer.

Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf möglichen Verstößen gegen die Produktsicherheitsvorschriften, die in der Europäischen Union gelten, und gegen urheber- und markenrechtliche Verstöße, wie die Kommission am Donnerstag mitteilte. Es ist die dritte Verfahrenseröffnung nach dem DSA, aber die erste gegen einen Onlinemarktplatz.

Die Kommission vermutet, dass Ali Express gegen die Vorschriften zur Identifizierung und Bewältigung sogenannter systemischer Risiken verstoßen habe. Besonders große Anbieter sind verpflichtet zu prüfen, ob spezifische Risiken mit ihrem Geschäftsmodell verbunden sind. Im Fall von Marktplatzbetreibern sind das üblicherweise Angebote von Kunden, die über die Portale unzulässige Waren verkaufen. Im Fall von Alibaba geht es unter anderem um Spielzeug, Medizinfälschungen und Nahrungsergänzungsmittel.

Betreiber müssen Kontaktdaten der Verkäufer sammeln

Gegen illegal angebotene Waren müssen Marktplatzbetreiber unter dem DSA selbst stichprobenhaft vorgehen. Sie müssen auch die Möglichkeit bieten, dass illegale Angebote gemeldet werden können. Anschließend müssen sie prüfen, ob Angebote gesperrt werden müssen. Zudem sind die Betreiber zur Sammlung vollständiger und echter Kontaktdaten der Verkäufer auf ihren Plattformen verpflichtet. All das sieht die Kommission in diesem Fall als zweifelhaft an.

Außerdem will die Kommission prüfen, ob Ali Express mit einem Influencerprogramm gegen Vorschriften gegen Schleichwerbung verstößt und ob die Empfehlungssysteme der Plattform den DSA-Vorgaben entsprechen. Der DSA fordert unter anderem eine nicht personalisierte, nicht algorithmisch erstellte Darstellung. Sollten sich die Vermutungen bestätigen, sind hohe Geldstrafen möglich. fst

  • Europäische Kommission

Kroatien steht vor Neuwahlen

Kroatiens Parlament hat sich am Donnerstag auf Initiative der Regierung von Ministerpräsident Andrej Plenković aufgelöst, um den Weg für vorgezogene Wahlen freizumachen. Alle 143 anwesenden Abgeordneten aus Regierungspartei und Opposition der 151-sitzigen Volksvertretung stimmten dafür, wie kroatische Medien berichteten. Regulär müsste die Parlamentswahl erst im Herbst stattfinden. 

Kritiker meinen, der Premier wolle die Wahlen vorziehen, weil er befürchtet, dass die Beliebtheit seiner Mitte-Rechts-Partei HDZ sinken könnte. HDZ gehört wie die deutschen Unionsparteien auch zur Europäischen Volkspartei (EVP). Andrej Plenković steht aktuell wegen seiner Justiz- und Medienpolitik im Land stark in der Kritik. Er hatte im Parlament nur eine knappe Mehrheit der Abgeordneten hinter sich.

Wann die Neuwahlen stattfinden, stand zunächst nicht fest. Sie könnten frühestens für den 14. April und spätestens für den 12. Mai angesetzt werden. Über den Termin entscheidet Staatspräsident Zoran Milanović. Der russlandfreundliche Zoran Milanović ist ein erbitterter politischer Feind des prowestlichen Andrej Plenković. dpa

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  • Kroatien

Presseschau

EU-Lieferkettenrichtlinie: Wie die EU versucht, die FDP beim Lieferkettengesetz zu überstimmen HANDELSBLATT
EU-Parlament will Visa-Bestimmungen für ausländische Arbeitskräfte lockern DIE PRESSE
Einfach weggeworfen: Das EU-Parlament stimmte für ehrgeizigere Ziele, um Abfall zu vermeiden DER STANDARD
Entwurf sieht umfangreiche Erleichterungen vor: Erfolg für Bauern – EU-Kommission will strenge Umweltauflagen kippen RND
Nach Notenbank-Entscheidung: Was die neuen EZB-Pläne für Anleger bedeuten FAZ
Frankreich: Debatte über Gesetz zur Nachhaltigkeit gegen Fast Fashion TAGESSCHAU
Spanien: Spanisches Parlament billigt Amnestie für Separatisten im zweiten Anlauf TAGESSCHAU
Spanien: Katalonien wählt früher und Carles Puigdemont will Regierungschef werden FAZ
Niederlande: Geert Wilders verzichtet auf das Amt als Regierungschef HANDELSBLATT
Dänemark: Wehrpflicht kommt für Frauen und Männer kommt aus Gründen der Gleichberechtigung beim Dienst an der Waffe N-TV
Vor Küste Libyens: 60 Migranten im Mittelmeer ertrunken TAGESSCHAU

Dessert

1985 haben die Kulturminister der EU beschlossen, künftig jedes Jahr eine europäische Kulturhauptstadt zu küren. Der Vorschlag kam von der Sängerin und Schauspielerin Melina Mercouri, die viele Jahre Kulturministerin in Griechenland war. Heute ist die Landkarte der EU der 27 Mitgliedstaaten übersät mit Städten, die den Titel jeweils für zwölf Monate mit Stolz getragen haben. Sie haben versucht, sich zu überbieten bei Konzerten, Theaterstücken, Lesungen und Ausstellungen.

Wenn es nach dem Europaparlament geht, sollen die Städte Europas künftig nicht mehr nur ihre Kulturangebote betonen, sondern auch ihre Kinderfreundlichkeit. Das Parlament fordert in einer Resolution die Kommission dazu auf, die Tradition der Kinderhauptstadt in der EU zu begründen. Die Städte sollen in den Wettstreit treten, “eine verantwortungsvolle Kinderpolitik” zu bieten. Kinder müssten beteiligt werden, ihrer Perspektive müsse Vorrang gegeben werden. Es gehe darum, die Idee Europas in den Mittelpunkt der Wahrnehmung von Kindern zu rücken. Ziel sei auch, Kinder untereinander in der EU näherzubringen.

Die Initiative dafür kam vom Förderverein europäische Kinderhauptstadt. Vereinsvorsitzender Jan Haarmeyer war am Donnerstag in Straßburg dabei, als die Resolution abgestimmt wurde und konnte sich über große Zustimmung freuen. Gaby Bischoff (SPD), die seine Initiative als eine der ersten Parlamentarier aufgegriffen hatte, fordert: “Die Kommission sollte noch vor den Europawahlen erste Schritte für die Umsetzung in die Wege leiten.” mgr

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    an diesem Freitag kommt es in Brüssel (erneut) zum Showdown: Die Vize-Botschafter der Mitgliedstaaten stimmen zum dritten Mal über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (CSDDD) ab und sollen zudem die Verpackungsverordnung absegnen. Beide Vorhaben haben inhaltlich wenig miteinander zu tun, politisch aber eine ganze Menge.

    Ob die hochstrittige Lieferkettenrichtlinie diesmal die erforderliche qualifizierte Mehrheit erhält, ist offen. Ausschlaggebend dürften die Voten von Frankreich und Italien sein. Die belgische Ratspräsidentschaft versucht dem Vernehmen nach, insbesondere Rom umzustimmen – und zwar durch Zugeständnisse bei der Verpackungsverordnung, die dem Land große Sorgen bereitet. Ein solcher Paketdeal könnte womöglich den Weg für beide Gesetzesvorhaben ebnen.

    Zudem hat die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch einen neuen Vorschlag verteilt, der Table.Briefings vorliegt und den Text noch einmal in wichtigen Punkten abschwächt. So sollen etwa Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro Nettoumsatz in den Anwendungsbereich fallen, zuvor lag die Schwelle bei 300 Millionen Euro. Gestrichen wurde die Verpflichtung für Unternehmen ab einem bestimmten Schwellenwert, Klimaübergangspläne zu erstellen und diese mit finanziellen Anreizen für das Management zu unterlegen.

    Die Bundesregierung wird sich erneut enthalten, das hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) klargemacht. Auch bei der Verpackungsverordnung stellte sich die FDP gestern quer. In der Ampelkoalition wurde am Abend unter Hochdruck versucht, ein weiteres German Vote zu verhindern. Mehr dazu lesen Sie in den News.

    Ihr
    Till Hoppe
    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    Regelwerk der Grünen-Fraktion im Europaparlament für den Umgang mit Belästigung am Arbeitsplatz lähmt Fraktionsspitze

    Im Fall des zurückgetretenen Grünen-Abgeordneten Malte Gallée haben inzwischen 14 weibliche EVP-Abgeordnete der grünen Fraktionsführung einen Brief geschrieben. “Weil es unsere Pflicht ist, unsere Mitarbeiter zu schützen”, bitten sie “unverzüglich um Antworten” auf sieben Fragen. Darunter:

    • Wann haben die Co-Vorsitzenden Terry Reintke und Philippe Lamberts persönlich von den Vorwürfen gehört?
    • Was haben sie unternommen?
    • Wurden die EP-internen Hilfsangebote eingeschaltet, wie etwa das “Advisory Committee on complaints about Members of the European Parliament for harassment”?

    Die grüne Fraktionsführung hat auf den Brief der Christdemokratinnen bis Redaktionsschluss nicht geantwortet. Auf Fragen von Journalisten gibt die Fraktionsführung in der Sache ebenfalls keine Antworten. Terry Reintke reagiert mit Sätzen wie: “Leider kann ich aus Rücksicht auf möglicherweise Betroffene diese Frage nicht beantworten.”

    Anfang März hatte der “Stern” einen ausführlichen Artikel über Gallée veröffentlicht. Darin kommen mehrere Menschen zu Wort, die von einem unangemessen Verhalten Gallées berichten, von unerwünschten intimen Berührungen und einem psychisch belastenden Arbeitsumfeld. “Wie mehrere Frauen es darstellen, mieden deshalb vor allem weibliche Betroffene seit einiger Zeit Veranstaltungen, auf denen sie Gallée vermuteten”, heißt es darin etwa. Er selbst bestreitet die Vorwürfe.

    2019 gibt sich Grünen-Fraktion eigene Regeln

    Das Regelwerk, das sich die Grünen-Fraktion 2019 für den Umgang mit psychischer oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gegeben hat, dürfte eine Ursache sein für das vielfach als unglücklich angesehene Agieren der Fraktionsspitze in dem Fall. In dem Text heißt es etwa: “Die Informationen, die den internen Vertrauenspersonen der Fraktion übermittelt werden, sind als vertraulich zu betrachten. Solche Informationen dürfen nur im Rahmen von Verfahren im Zusammenhang mit Mobbing und mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Person weitergegeben werden.”

    Ein Mitglied der Europa-Grünen analysiert im Gespräch mit Table.Briefings: Personen, die Belästigung anzeigen wollten, sei damals komplette Vertraulichkeit zugesichert worden. Der gut gemeinte Schutz für mögliche Opfer sei dabei übertrieben worden. Ombudsleute etwa durften nach den Regeln, die zwischen 2019 und 2023 galten, nicht einmal sagen, ob es ein, zwei oder zwölf Eingaben gegeben habe.

    Die Pflicht zur vollkommenen Verschwiegenheit sei so weitgehend gewesen, dass eine substanzielle Untersuchung eines Falles unmöglich gewesen sei. So seien jegliche Versuche der Verfolgung und Klärung von tatsächlichen oder vermeintlichen Belästigungen an einen toten Punkt gekommen. Das Fazit: Womöglich habe sich die grüne Fraktion selbst überschätzt, als sie es 2021 besser machen wollte als das Europaparlament und sich eigene Regeln gegeben hat.

    Interne Verfahren ohne Ergebnis

    Nach eigener Aussage hat Malte Gallée im Sommer 2022 selbst die internen Ombudsleute angerufen. Angeblich, weil Gerüchte über grenzüberschreitendes Verhalten von ihm in Fraktionskreisen kursierten, und er eine Klärung wollte. Fakt ist, dass das Verfahren über die Dauer von mehr als einem Jahr keine greifbaren Ergebnisse gebracht hat. Weder erfuhren mögliche Betroffene Gerechtigkeit, noch wurde Malte Gallée entlastet.

    Gallée sagt, dass er sich keiner Schuld bewusst sei. Mögliche Betroffene haben ihre Vorwürfe weder bei der Justiz in Belgien, Frankreich oder Deutschland noch bei den zuständigen Stellen im Europaparlament angezeigt. Bis heute ist unklar, ob sich Mitarbeiter über den Abgeordneten beschwert haben, und wie viele Beschwerden es gab. Unbekannt ist auch, welche Substanz etwaige Beschwerden hatten.

    Erst kurz vor der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Karlsruhe Ende November kam wieder Bewegung in den Fall. Gallées bayerischer Landesverband drängte den Abgeordneten, seine Kandidatur für einen sicheren Listenplatz beim Europaparteitag kurzfristig zurückzuziehen. Zuvor war Gallée im Landesverband überraschend vor der zweiten Europaabgeordneten aus Bayern, Henrike Hahn, nominiert worden. Kurz vor dem Europaparteitag zog Gallée dann “aus persönlichen Gründen” seine Bewerbung um einen sicheren Listenplatz zurück.

    Auf Platz 16 gewählt wurde Andie Wörle, die damit als einzige Bewerberin aus Bayern Aussicht auf den Einzug ins Europaparlament hat. Um die sicheren Listenplätze wurde diesmal mit besonders harten Bandagen gekämpft. Bei den Grünen fragt man sich: Hat jemand die Vorwürfe gegen Gallée gezielt vor dem Bundesparteitag gestreut?

    Reintke war Gesicht von MeToo im Europaparlament

    Co-Fraktionschefin Terry Reintke ist in einer schwierigen Lage. 2017 war sie das Gesicht der Grünen bei der MeToo-Debatte im Europaparlament. “Ich bin Opfer von sexueller Gewalt gewesen”, hatte sie im Plenum gesagt. Sie prangerte eine Kultur des Schweigens im Europaparlament an, machte dafür die bestehenden Anti-Harassment-Regeln verantwortlich und forderte, Opfer besser zu schützen und Taten strenger zu ahnden. Nun wurde der Fraktionsführung im Artikel des “Stern” von anonymer Seite der Vorwurf gemacht, Hinweisen auf Grenzüberschreitungen im Fall Gallée nicht konsequent nachgegangen zu sein.

    Parteiintern ist die Unruhe auch deswegen groß, weil die Vorwürfe Reintkes Spitzenkandidatur zu beschädigen drohen. Im September 2022 ist Reintke Co-Fraktionschefin geworden. Sie kann für sich in Anspruch nehmen, die Überarbeitung der sich jetzt als unzureichend herausgestellten internen Regeln der Grünen im Fall von psychologischer oder sexueller Belästigung eingeleitet zu haben. Die neuen Regeln traten im November 2023 in Kraft.

    Kritik an Umgangsformen mancher Abgeordneter

    In der Fraktion gibt es einen zweiten Herd der Unzufriedenheit. Assistenten und “Advisors” (Berater) sowie Fraktionsmitarbeiter beklagen sich über die Umgangsformen einiger Abgeordneter. Die Vorwürfe lauten: Einige Abgeordnete würden immer wieder laut, würden Mitarbeiter in großer Runde hart kritisieren. Auch über extreme Arbeitszeiten wird geklagt. Die Unzufriedenheit komme wohl auch daher, dass manche Assistenten und Berater nicht einverstanden seien mit der Linie gerade deutscher Grünen-Abgeordneter im Konflikt in Nahost, heißt es in der Fraktion. Persönlicher Frust mische sich mit Unverständnis für die israelfreundliche Haltung.

    Die Fraktion beschloss Mittwochabend bei ihrer Sitzung in Straßburg einen Fahrplan für Sofort-Maßnahmen. Dazu zählen:

    • externe Bewertung der bestehenden Regeln
    • Angebot von psychologischer Unterstützung für Mitarbeiter, die eine Beschwerde einreichen, sowie für Mitarbeiter, um mit der augenblicklichen Krise umzugehen
    • Informationsveranstaltungen alle drei Monate zu Hilfsangeboten bei Belästigung
    • Personen, deren Verhalten Gegenstand einer internen Untersuchung ist, dürfen nicht mehr an internen Veranstaltungen der Fraktion teilnehmen
    • ein Verhaltenskodex soll aufgestellt werden, der am Anfang des Mandats von allen MEPs und Mitarbeitern unterschrieben werden muss
    • Verpflichtende Teilnahme an Kursen gegen Belästigung   
    • Europäisches Parlament
    Translation missing.

    Interessenkonflikte, Drehtür-Effekte und Kampf gegen Korruption: So stellt sich der Ethikrat auf

    Die EU-Institutionen wollen gemeinsame ethische Standards erarbeiten, um Interessenkonflikte, Drehtür-Effekte und Korruption zu vermeiden. Rund 15 Monate nach “Katargate”, dem bisher größten und immer noch nicht aufklärten Korruptionsskandal, verkündeten die Verhandlungsführer des Parlaments am Donnerstag eine Einigung. Allerdings sprechen sie nicht mehr von einer Ethikbehörde, sondern nur noch von einem Ethik-Gremium. Und zwei wichtige Institutionen sind vorerst nicht an Bord. 

    Die Verhandlungen waren noch auf der Zielgeraden ins Schlingern geraten. Der Europäische Rat und der Ministerrat hatten sich zurückgezogen, die Europäische Volkspartei (EVP) kündigte ein Nein an. Das Vorhaben, das auf ein Versprechen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit zurückgeht, soll nun aber doch noch rechtzeitig vor der Europawahl starten. Sieben EU-Institutionen machen den Anfang, der Ministerrat könnte später noch hinzustoßen.

    Die Leitung des Ethik-Gremiums soll jährlich wechseln

    Die Vertragsparteien sind nun (1) das Europäische Parlament, (2) die Europäische Kommission, (3) der Gerichtshof der Europäischen Union (als Beobachter ohne Teilnahme an Entscheidungen), (4) die Europäische Zentralbank, (5) der Rechnungshof, (6) der Wirtschafts- und Sozialausschuss und (7) der Ausschuss der Regionen. Es wird keine neue Behörde geschaffen, sondern nur ein Sekretariat, das bei der Kommission angesiedelt wird. Die Leitung soll jährlich wechseln, beginnend mit dem Parlament. 

    Das Vorgehen ist noch recht vage. Nach einem Papier, das die beiden deutschen Europaabgeordneten Daniel Freund (Grüne) und Katarina Barley (SPD) veröffentlicht haben, sollen die Vertreter der Institutionen gemeinsame Standards setzen. “Je ein Vertreter pro Institution oder beratender Ausschuss (der Body) verhandeln und beschließen gemeinsame Mindest-Standards zu Interessenerklärungen, Nebentätigkeiten, Geschenken, Anschlussjobs (Drehtüren), Lobbytreffen, der Durchsetzung von Regeln in den Institutionen”, heißt es in dem Papier.  

    Konsequenzen aus Katargate

    Die teilnehmenden Institutionen müssen ihre bisher gültigen Regeln den neuen Ethik-Standards anpassen. Der Body soll das dann überprüfen und die Ergebnisse veröffentlichen. Unabhängige Experten sollen strittige Einzelfälle prüfen. Konkret sollen sie sich mit Interessenerklärungen oder “anderen schriftlichen standardisierten Erklärungen” beschäftigen. Im Parlament soll dies auch Lobbytreffen, Einladungen durch Dritte etc. einschließen.

    Dies ist offenbar eine Konsequenz aus Katargate, bei dem Europaabgeordnete nach Katar gereist und an dubiosen Lobbyrunden teilgenommen hatten, wobei auch Geld geflossen sein soll. Bei möglichen Verstößen sollen die Experten ihre Einschätzungen und Empfehlungen an die betroffene Institution schicken, die dann über mögliche Sanktionen entscheidet. Eine zentrale Instanz für Sanktionen ist nicht vorgesehen. Die Institutionen behalten also eine gewisse Autonomie.

    EVP sieht Freiheit des Mandats beeinträchtigt

    Dennoch geht die Vereinbarung aus Sicht der EVP viel zu weit. “Das ist ein Frontalangriff gegen das Parlament”, erklärte der verfassungspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Sven Simon (CDU). Es sei grotesk, dass das “Machtzentrum” (das Sekretariat) bei der Kommission angesiedelt werden soll. Damit werde ein Organ mit Durchgriffsrechten gegen Abgeordnete geschaffen und die Freiheit des Mandats massiv beeinträchtigt. 

    Völlig anders sehen dies die beiden Verhandlungsführer Barley und Freund. “Das Ethik-Gremium ist ein großer Schritt nach vorn für Transparenz und Offenheit in Europa. Wir stellen die Interessen der Bürger:innen in den Vordergrund und stellen sicher, dass die EU-Institutionen sich an die höchsten ethischen Standards halten”, erklärte Barley.  

    “Wir schaffen jetzt erstmals ein Gremium, das die Integrität sowohl von EU-Kommissaren als auch Abgeordneten überwacht”, betont Freund. “Ohne den unermüdlichen Einsatz des Europaparlaments für mehr Transparenz wäre es nicht so weit gekommen. Dass sich das neue Gremium dezidiert auch mit Einzelfällen auseinandersetzen kann, ist ein enormer Verhandlungserfolg.”

    Machtkampf zwischen Parlament und Kommission

    Allerdings wird dieser Durchbruch nicht nur durch die Abwesenheit des Rates relativiert. Wenige Stunden zuvor war auch ein neuer Machtkampf zwischen Parlament und Kommission ausgebrochen: Das Parlament verklagt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihre Behörde wegen der umstrittenen Freigabe von EU-Fördergeldern für Ungarn. Begründet wurde die Klage mit Zweifeln an der Unparteilichkeit der Brüsseler Behörde, sogar von “Erpressung” ist die Rede. 

    Von der Leyen und die zuständige EU-Kommissarin Věra Jourová hatten fast vier Jahre gebraucht, um einen Vorschlag für das Ethik-Gremium zu präsentieren. Bei der Vorlage im Juni 2023 hatten sich die Europaabgeordneten unzufrieden gezeigt. Von der Leyen habe ihre Hausaufgaben nicht gemacht, hieß es.  

    Kurz vor der Europawahl im Juni wollten die Parlamentarier nun aber doch noch einen Erfolg vorweisen. Das Plenum des EP soll Ende April über die Einigung abstimmen – als eine der letzten Abstimmungen dieser Legislatur. Sie könnte dann ab Juni in Kraft treten.  

    • Ethik
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    Wie die EU die Europawahl vor Manipulation schützen will

    Die Angst ist groß: Könnte Russlands Machthaber Wladimir Putin versuchen, die Wahl zum Europaparlament zu beeinflussen? Wenn ja, wie? Immer mehr Bürger würden bei Umfragen der Demokratie weniger vertrauen, sagt EU-Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová in dieser Woche im Europaparlament. Das dürfe nicht sein, und die Integrität der Wahlen müsse sichergestellt werden. Zuständig dafür: in erster Linie die Nationalstaaten. Doch auch EU-Institutionen versuchen einiges.

    Auch wenn der Wahlvorgang weiterhin vor allem mit Stift und Papier stattfinde, spielten Netzwerk- und Informationssicherheit eine immer größere Rolle, heißt es in einem gerade erst von der Europäischen Netzwerk- und Informationssicherheitsbehörde (ENISA) aktualisierten Kompendium zur Absicherung von Wahlen. Bei der Europawahl hänge die Integrität des Wahlvorgangs von jedem einzelnen Mitgliedstaat ab.

    ENISA listet in dem umfangreichen Werk eine Vielzahl möglicher technischer Angriffsvarianten auf:

    • Ransomware und Wiper-Attacken, also Verschlüsselungstrojaner und Löschviren
    • Distributed Denial of Service, bei denen Zielsysteme mit Verkehr “beschossen” werden, bis sie zusammenbrechen
    • Social Engineering und Phishing, um an sensible Informationen zu gelangen
    • Defacement, also die gezielte Entstellung von Webseiten
    • Supply-Chain-Attacks – also Angriffe auf die Wahlinfrastruktur über dabei verwendete Software

    Hierauf müssten sich die zuständigen Wahlleitungen einstellen und Vorsorge treffen. ENISA listet eine Vielzahl an Maßnahmen zur Vorbereitung auf, um im Fall der Fälle nicht ins Chaos zu stürzen.

    Einflussnahme mit Social Media

    Doch auch jenseits des Wahlvorgangs selbst sieht ENISA hybride Bedrohungslagen – vor allem durch “FIMI”, die Einmischung und Manipulation aus dem Ausland, die mit klassischen Cyberangriffen kombiniert werden könnte.

    Insbesondere Soziale Medien gelten als Ort der Möglichkeiten für Einflussnahmeversuche. ENISA nennt hier die gezielte Streuung von Falschinformationen sowie vor allem die Verstärkung. Dabei werden Inhalte, die nicht zwingend unwahr sind, mit den Mechanismen der Mediengesellschaft befeuert. Das meint etwa eine stärkere, algorithmisch getriebene Verbreitung von Inhalten durch hohe Interaktionsraten – was sich über unechte Accounts befeuern lässt.

    Dies ist ein Grund, warum viel Hoffnung auf dem Digital Services Act (DSA) liegt. Denn der verpflichtet die größten Plattformen, gegen sogenannte systemische Risiken vorzugehen, die ihren Geschäftsmodellen und Plattformmechanismen inhärent sind. Und dazu zählt auch die Manipulation von Öffentlichkeit durch ausländische Einflussnahme. Die größten Social-Media-Plattformen haben sich zudem im Rahmen eines Code of Practice zum Kampf gegen Desinformation verpflichtet. Die Ausnahme bildet Elon Musks X (früher Twitter).

    Plattformen sollen sich vorbereiten

    Die EU-Kommission will von den Plattformen verlangen, dass diese sich auf Probleme bestmöglich vorbereiten. Aus Sicht der Behörde ist noch zu wenig geklärt, inwiefern Plattformen einschreiten, wenn KI-generierte oder -unterstützte Inhalte auf ihnen verbreitet werden. Deshalb hat sie am Donnerstag Auskunftsverlangen an Microsofts Bing, Instagram, Snapchat, Facebook, Google Search, Tik Tok, You Tube und X geschickt.

    Bis zum 5. April müssen diese nun Fragen rund um ihre Gefahreneinschätzung und ihren Umgang mit KI-bezogenen Problemen im Zusammenhang mit Wahlen beantworten. Die Erkenntnisse daraus sollen dann in formelle Empfehlungen eingearbeitet werden, die die Kommission rechtzeitig vor den Europawahlen im Juni den Betreibern zur Verfügung stellen will.

    Amplifizierung als Strategie

    Doch Probleme gibt es auch ganz ohne KI. Lutz Güllner, Leiter der Abteilung für Strategische Kommunikation im Europäischen Auswärtigen Dienst, muss sich jeden Tag mit Einflussnahme-Versuchen beschäftigen. Er nennt die Bauernproteste als Beispiel für die Amplifizierungs-Aktivitäten: Niemand bezweifle, dass es echte Sorgen bei den Landwirten gebe. “Trotzdem haben wir auch in diesem Falle wieder gesehen, dass Desinformationsakteure – und ich beziehe mich insbesondere hier auf externe Akteure – immer wieder auf dieses Thema aufspringen”, sagt Güllner. Opportunistisch würden diese auf “Konfliktstoffe, auf diese Bruchlinien in der Gesellschaft aufspringen, sie benutzen, sie verstärken”.

    Diese Kampagnen müssten keineswegs immer groß sein, sagt Güllner. Für die Europawahlen sieht er keineswegs eine Zwangsläufigkeit, dass etwa Russland unmittelbare Einflussnahme versuche oder damit gar erfolgreich sei. Aber: “Es gibt ein Risiko. Für dieses Risiko, für diese Verletzbarkeit, für diese Vulnerabilität müssen wir uns vorbereiten.” Defätismus, dass die Wahlen in jedem Fall delegitimiert würden, wäre aber falsch, sagt er: “Sie sind sicher, sie sind wichtig, ein wichtiger Ausdruck unserer Demokratie – und deswegen müssen wir sie eben auch schützen.”

    DSA wirkt nicht rechtzeitig bis zur Wahl

    Dass der DSA bereits zur Europawahl bei den größten Anbietern vollständig wirkt, erwarten Experten eher nicht. Dafür ist die Vorlaufzeit zu kurz, die Mechanismen sind noch nicht eingespielt. Umso wichtiger, dass die Institutionen auch ansonsten gut aufgestellt sind. In Deutschland kümmert sich eine interministerielle Arbeitsgruppe um Fake-News und andere Probleme, etwa mit KI-Fakes. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet ausländische Einflussnahmekampagnen. Frankreich hat mit Viginum eine formelle Stelle beim Auswärtigen Dienst geschaffen, die sich auf die Suche nach Desinformationskampagnen begibt.

    Im Februar veröffentlichte Viginum etwa einen technischen Bericht zu “Portal Kombat”, eine so getaufte Desinformationskampagne, bei der Newswebseiten erstellt und mit prorussischen Inhalten befüllt wurden – unter anderem “pravda-de.com”. Aber auch Nachbauten etablierter, westlicher Nachrichtenwebseiten beschäftigen die Desinformationsenttarner – auch deutsche Newsportale sind hiervon regelmäßig betroffen. Das wesentlichste Mittel, sagen daher sowohl EU-Vertreter als auch die ENISA, sei daher nicht nur die Sensibilisierung der Zuständigen, sondern vor allem auch die der breiten Öffentlichkeit – eine Aufgabe für Medien und Politik.

    • Cybersicherheit
    • Desinformation
    • Digitalisierung
    • Europawahlen 2024
    • Wahlen
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    EU-Monitoring

    18.03.-19.03.2024
    Sitzung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE)
    Themen: Aussprache über die Zusammenarbeit von Frontex mit libyschen Milizen, Aussprache mit dem Exekutivdirektor von Frontex über die Einsätze von Frontex insbesondere in Griechenland, Aussprache zur Verwendung von Spähsoftware in der EU (unter Ausschluss der Öffentlichkeit). Vorläufige Tagesordnung

    18.03.-19.03.2024
    Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI)
    Themen: Aussprache mit der Kommission über den EU-Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Unternehmens- und Marketingpraktiken, Aussprache mit Kommissionsmitglied Janusz Wojciechowski über das unlängst vorgelegte Vereinfachungspaket für Landwirte, Bericht über die Schaffung eines Unionsrahmens für die Zertifizierung von CO₂-Entnahmen. Vorläufige Tagesordnung

    18.03.2024 – 10:30 Uhr
    Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
    Themen: Gedankenaustausch zu Russlands Aggression gegen die Ukraine, Gedankenaustausch zu Belarus, Gedankenaustausch zur Lage im Nahen Osten. Vorläufige Tagesordnung

    19.03.2024 – 08:30-10:00 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
    Themen: Gedankenaustausch mit den Außenministern der Mitgliedstaaten über die EU-Erweiterungspolitik im Vorfeld der Tagung des Europäischen Rates im März 2024. Vorläufige Tagesordnung

    19.03.2024 – 08:45-17:00 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
    Themen: Berichterstattung über die laufenden Trilog-Verhandlungen, Aussprache über das Paket “Ein Stoff, eine Bewertung”, Abstimmung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, Abstimmung über die Vermeidung der Freisetzung von Kunststoffgranulat zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik. Vorläufige Tagesordnung

    19.03.2024 – 09:00-16:30 Uhr
    Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
    Themen: Abstimmung über Teile des Haushalts 2024, Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten vertriebener Arbeitnehmer, Gedankenaustausch mit dem Haushaltsausschuss des ukrainischen Parlaments. Vorläufige Tagesordnung

    19.03.2024 – 09:30 Uhr
    Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
    Themen: Gedankenaustausch zum Europäischen Semester, von Polen übermittelte Informationen zur Rechtsstaatlichkeit in Polen, von Deutschland übermittelte Informationen zu den Wahlen in den Kandidatenländern. Vorläufige Tagesordnung (Französisch)

    19.03.2024 – 10:15-18:00 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL)
    Themen: Abstimmung über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit, Abstimmung über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die
    Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer, Reflexion des EMPL-Ausschusses zum Ende der Wahlperiode.
    Vorläufige Tagesordnung

    19.03.2024 – 11:00-18:00 Uhr
    Sitzung des Rechtsausschusses (JURI)
    Themen: Abstimmung über Rechtsstreitigkeiten, an denen das Parlament beteiligt ist (unter Ausschluss der Öffentlichkeit), Aussprache zur Festlegung harmonisierter Anforderungen im Binnenmarkt bezüglich der Transparenz der im Auftrag von Drittländern durchgeführten Interessenvertretung, Vorstellung des Jahresberichts 2023 und des Arbeitsprogramms 2024 durch Ewa Kopacz (Koordinatorin des Europäischen Parlaments für die Rechte des Kindes und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments). Vorläufige Tagesordnung

    19.03.2024 – 11:30-18:30 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung (SEDE)
    Themen: Überblick über die sicherheits- und verteidigungspolitischen Prioritäten der EU (unter Ausschluss der Öffentlichkeit), Aussprache mit Ludivine Dedonder (belgische Ministerin der
    Landesverteidigung) über die europäischen Prioritäten im Bereich Sicherheit und Verteidigung während des Vorsitzes Belgiens im Rat der EU, Aussprache mit Binnenmarktkommissar Thierry Breton zu den Erläuterungen der Europäischen Strategie für die Verteidigungsindustrie (EDIS) und des Programms für Europäische Verteidigungsinvestitionen (EDIP).
    Vorläufige Tagesordnung

    20.03.-21.03.2024
    Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
    Themen: Gedankenaustausch über die außenpolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit, Maximierung der Wirksamkeit der Sanktionen gegen Russland und Überführung russischer Vermögenswerte in die Ukraine, Vorstellung einer eingehenden Analyse des 10-Punkte-Friedensplans der Ukraine und des Kiewer Sicherheitspakts. Vorläufige Tagesordnung

    20.03.2024
    Wöchentliche Kommissionssitzung
    Themen: EU-Initiative für Biotechnologie und Bioproduktion, Qualifikations- und Arbeitskräftemangel in der EU (Aktionsplan), verstärkter Qualitätsrahmen für Praktika, Mitteilung über Reformen im Vorfeld der Erweiterung und Überprüfung der Politik. Vorläufige Tagesordnung

    20.03.2024 – 09:00-18:30 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN)
    Themen: Bericht zur Umsetzung des einheitlichen europäischen Luftraums (Neufassung), Gedankenaustausch mit dem Haushaltsausschuss des ukrainischen Parlaments zum Thema “Wiederaufbau der verkehrs- und tourismusbezogenen Infrastruktur in der Ukraine in der Nachkriegszeit”, Vorstellung einer Studie über “Trends, Herausforderungen und Chancen auf dem Arbeitsmarkt im Verkehrssektor”. Vorläufige Tagesordnung

    20.03.2024 – 09:00-18:15 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
    Themen: Abstimmung über die Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, Aussprache über die Anwendung des Gesetzes über digitale Dienste (Durchsetzung, Benennung von sehr großen Online-Plattformen und internationale Zusammenarbeit), Erläuterung des Jahresberichts 2024 über den Binnenmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit durch die Kommission. Vorläufige Tagesordnung

    21.03.-22.03.2024
    Europäischer Rat
    Themen: Ukraine, Sicherheit und Verteidigung, Naher Osten, Agrarpolitik. Vorläufige Tagesordnung

    22.03.2024
    Euro-Gipfel
    Themen: Erörterung der Wirtschaftslage, Gedankenaustausch über die politische Koordinierung, Bestandsaufnahme des Berichts der Euro-Gruppe über die Zukunft der Kapitalmarktunion. Infos

    24.03.-25.03.2024
    Informelle Ministertagung Fischerei
    Themen: Die für Fischerei zuständigen Minister kommen zu Beratungen zusammen. Infos

    News

    Vor Berlin-Besuch: Macron verteidigt Bodentruppen-Initiative

    Vor seinem Berlin-Besuch am heutigen Freitag hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstagabend seine Aussagen zu Bodentruppen in der Ukraine verteidigt. Dabei stichelte er auch gegen Bundeskanzler Olaf Scholz.

    “Ich will daran erinnern, dass wir systematisch das gemacht haben, von dem wir gesagt haben, dass wir es nicht tun werden”, sagte Macron. “Was auch die sehr definitiven Aussagen relativiert, die manche manchmal in Europa getroffen haben.” Mit dem Ausschluss von Panzer-Lieferungen, die man dann doch tätigte, habe man sich “zu viele Limits gesetzt”. Scholz hatte zunächst die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine ausgeschlossen, sie der Ukraine dann dennoch ausgehändigt.

    Außerdem verhielten sich einige Partner widersprüchlich, weil sie bereit seien, auf ukrainischem Boden zu produzieren, aber nicht bereit seien, “bestimmte Verpflichtungen für die Zukunft einzugehen”. Macron dürfte damit auf Scholz’ Weigerung, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, angespielt haben sowie den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall, der plant, in der Ukraine Artilleriemunition zu produzieren.

    Macron will verdeutlichen, “dass sich die Dinge ändern”

    Seine Aufgabe sehe Macron darin, “die Europäer und unsere Verbündeten davon zu überzeugen, weiterzugehen” und “allen klarzumachen, dass sich die Dinge ändern, und zwar schnell und nicht in die richtige Richtung”. Das wolle er auch mit nach Berlin nehmen, sagte Macron.  

    Am Freitag reist Macron nach Berlin, um mit Scholz die Unterstützung für die Ukraine zu besprechen. Später soll noch Polens Ministerpräsident Donald Tusk hinzukommen. Tusk könnte die Position des Schlichters zwischen Scholz und Macron einnehmen. Große Hoffnungen liegen in der Revitalisierung des Weimarer Dreiecks.

    Scholz hatte Macrons Zweideutigkeit zum Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nach dem Unterstützer-Gipfel am 26. Februar in Paris öffentlich ein klares Nein folgen lassen. Dafür bekam Macron am vergangenen Freitag Rückendeckung vom polnischen Außenminister Radosław Sikorski, der Macrons Bodentruppen-Vorstoß begrüßte.

    Zwischen Scholz und Macron schwelt ein Streit, wer die Ukraine besser unterstützt. Während Scholz sich gegen Vorwürfe wegen seiner Zögerlichkeit bei der Taurus-Lieferung wehren muss, geht Macron rhetorisch voran. Das Ranking der europäischen Ukraine-Unterstützer mit Material führt hingegen Deutschland an – Frankreich machte seine Waffenlieferungen erst am 4. März öffentlich, um die Kritik zu kontern. bub

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    FDP blockiert EU-Verpackungsverordnung

    Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellt sich bei der geplanten EU-Verpackungsverordnung quer. Sein Ministerium informierte die anderen beteiligten Häuser am Donnerstag, das in Brüssel erzielte Verhandlungsergebnis nicht mittragen zu wollen. Das erfuhr Table.Briefings aus Kreisen der Ampelkoalition. In der Koalition liefen bis in den Abend hinein Gespräch auf Ministerebene, um doch noch eine Einigung zu erreichen.

    Bleibt Wissing bei seinem Nein, müsste sich Deutschland bei der für Freitag angesetzten Abstimmung der stellvertretenden EU-Botschafter erneut enthalten. Damit stünde auch die nötige qualifizierte Mehrheit im EU-Rat infrage für das Gesetzesvorhaben zur Reduzierung von Verpackungsmüll.

    Berlin enthält sich immer öfter

    Die beteiligten Bundesministerien hatten bereits vor Längerem verabredet, ihre Zustimmung an eine Reihe von inhaltlichen Bedingungen zu knüpfen, die in die Verhandlungen zwischen Rat und Europaparlament in Brüssel eingespeist wurden. Aus Sicht von SPD und Grünen erfüllt das Verhandlungsergebnis diese Forderungen. Dort war man davon ausgegangen, dass Deutschland der Verordnung zustimmen kann. Erst am Mittwoch signalisierte das für die FDP-Seite federführende BMDV Bedenken, wie es in den Kreisen hieß. Eine BMDV-Sprecherin sagte, man äußere sich nicht zu laufenden Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung.

    Wegen der Uneinigkeit der drei Regierungsparteien hatte sich Berlin zuletzt bei etlichen EU-Gesetzesvorhaben enthalten müssen, etwa bei der Lieferkettenrichtlinie, den Regeln für Arbeiter auf digitalen Plattformen oder dem Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit. Bei den CO₂-Flottengrenzwerten für LKW hatte die Ampel in letzter Minute eine Enthaltung abwenden können, nachdem Wissing kurz vor der Abstimmung Einspruch erhoben hatte. tho

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    EU-Kommission nimmt Ali Express genauer unter die DSA-Lupe

    Als Aufsichtsbehörde für die größten Anbieter mit Tätigkeit in der EU hat die Kommission jetzt ein formelles Verfahren gegen Ali Express eingeleitet. Der Online-Marktplatz des chinesischen B2B-Anbieters Alibaba ist auch in Europa sehr bekannt, laut eigenen Angaben hat er in der EU 104 Millionen Nutzer.

    Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf möglichen Verstößen gegen die Produktsicherheitsvorschriften, die in der Europäischen Union gelten, und gegen urheber- und markenrechtliche Verstöße, wie die Kommission am Donnerstag mitteilte. Es ist die dritte Verfahrenseröffnung nach dem DSA, aber die erste gegen einen Onlinemarktplatz.

    Die Kommission vermutet, dass Ali Express gegen die Vorschriften zur Identifizierung und Bewältigung sogenannter systemischer Risiken verstoßen habe. Besonders große Anbieter sind verpflichtet zu prüfen, ob spezifische Risiken mit ihrem Geschäftsmodell verbunden sind. Im Fall von Marktplatzbetreibern sind das üblicherweise Angebote von Kunden, die über die Portale unzulässige Waren verkaufen. Im Fall von Alibaba geht es unter anderem um Spielzeug, Medizinfälschungen und Nahrungsergänzungsmittel.

    Betreiber müssen Kontaktdaten der Verkäufer sammeln

    Gegen illegal angebotene Waren müssen Marktplatzbetreiber unter dem DSA selbst stichprobenhaft vorgehen. Sie müssen auch die Möglichkeit bieten, dass illegale Angebote gemeldet werden können. Anschließend müssen sie prüfen, ob Angebote gesperrt werden müssen. Zudem sind die Betreiber zur Sammlung vollständiger und echter Kontaktdaten der Verkäufer auf ihren Plattformen verpflichtet. All das sieht die Kommission in diesem Fall als zweifelhaft an.

    Außerdem will die Kommission prüfen, ob Ali Express mit einem Influencerprogramm gegen Vorschriften gegen Schleichwerbung verstößt und ob die Empfehlungssysteme der Plattform den DSA-Vorgaben entsprechen. Der DSA fordert unter anderem eine nicht personalisierte, nicht algorithmisch erstellte Darstellung. Sollten sich die Vermutungen bestätigen, sind hohe Geldstrafen möglich. fst

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    Kroatien steht vor Neuwahlen

    Kroatiens Parlament hat sich am Donnerstag auf Initiative der Regierung von Ministerpräsident Andrej Plenković aufgelöst, um den Weg für vorgezogene Wahlen freizumachen. Alle 143 anwesenden Abgeordneten aus Regierungspartei und Opposition der 151-sitzigen Volksvertretung stimmten dafür, wie kroatische Medien berichteten. Regulär müsste die Parlamentswahl erst im Herbst stattfinden. 

    Kritiker meinen, der Premier wolle die Wahlen vorziehen, weil er befürchtet, dass die Beliebtheit seiner Mitte-Rechts-Partei HDZ sinken könnte. HDZ gehört wie die deutschen Unionsparteien auch zur Europäischen Volkspartei (EVP). Andrej Plenković steht aktuell wegen seiner Justiz- und Medienpolitik im Land stark in der Kritik. Er hatte im Parlament nur eine knappe Mehrheit der Abgeordneten hinter sich.

    Wann die Neuwahlen stattfinden, stand zunächst nicht fest. Sie könnten frühestens für den 14. April und spätestens für den 12. Mai angesetzt werden. Über den Termin entscheidet Staatspräsident Zoran Milanović. Der russlandfreundliche Zoran Milanović ist ein erbitterter politischer Feind des prowestlichen Andrej Plenković. dpa

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    Presseschau

    EU-Lieferkettenrichtlinie: Wie die EU versucht, die FDP beim Lieferkettengesetz zu überstimmen HANDELSBLATT
    EU-Parlament will Visa-Bestimmungen für ausländische Arbeitskräfte lockern DIE PRESSE
    Einfach weggeworfen: Das EU-Parlament stimmte für ehrgeizigere Ziele, um Abfall zu vermeiden DER STANDARD
    Entwurf sieht umfangreiche Erleichterungen vor: Erfolg für Bauern – EU-Kommission will strenge Umweltauflagen kippen RND
    Nach Notenbank-Entscheidung: Was die neuen EZB-Pläne für Anleger bedeuten FAZ
    Frankreich: Debatte über Gesetz zur Nachhaltigkeit gegen Fast Fashion TAGESSCHAU
    Spanien: Spanisches Parlament billigt Amnestie für Separatisten im zweiten Anlauf TAGESSCHAU
    Spanien: Katalonien wählt früher und Carles Puigdemont will Regierungschef werden FAZ
    Niederlande: Geert Wilders verzichtet auf das Amt als Regierungschef HANDELSBLATT
    Dänemark: Wehrpflicht kommt für Frauen und Männer kommt aus Gründen der Gleichberechtigung beim Dienst an der Waffe N-TV
    Vor Küste Libyens: 60 Migranten im Mittelmeer ertrunken TAGESSCHAU

    Dessert

    1985 haben die Kulturminister der EU beschlossen, künftig jedes Jahr eine europäische Kulturhauptstadt zu küren. Der Vorschlag kam von der Sängerin und Schauspielerin Melina Mercouri, die viele Jahre Kulturministerin in Griechenland war. Heute ist die Landkarte der EU der 27 Mitgliedstaaten übersät mit Städten, die den Titel jeweils für zwölf Monate mit Stolz getragen haben. Sie haben versucht, sich zu überbieten bei Konzerten, Theaterstücken, Lesungen und Ausstellungen.

    Wenn es nach dem Europaparlament geht, sollen die Städte Europas künftig nicht mehr nur ihre Kulturangebote betonen, sondern auch ihre Kinderfreundlichkeit. Das Parlament fordert in einer Resolution die Kommission dazu auf, die Tradition der Kinderhauptstadt in der EU zu begründen. Die Städte sollen in den Wettstreit treten, “eine verantwortungsvolle Kinderpolitik” zu bieten. Kinder müssten beteiligt werden, ihrer Perspektive müsse Vorrang gegeben werden. Es gehe darum, die Idee Europas in den Mittelpunkt der Wahrnehmung von Kindern zu rücken. Ziel sei auch, Kinder untereinander in der EU näherzubringen.

    Die Initiative dafür kam vom Förderverein europäische Kinderhauptstadt. Vereinsvorsitzender Jan Haarmeyer war am Donnerstag in Straßburg dabei, als die Resolution abgestimmt wurde und konnte sich über große Zustimmung freuen. Gaby Bischoff (SPD), die seine Initiative als eine der ersten Parlamentarier aufgegriffen hatte, fordert: “Die Kommission sollte noch vor den Europawahlen erste Schritte für die Umsetzung in die Wege leiten.” mgr

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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