Table.Briefing: Europe

Europas Antwort auf Deepseek + Binnenmarkt-Hürden

Liebe Leserin, lieber Leser,

es lohnt sich, auf den EU-Beitrittskandidaten Serbien zu schauen. Dort hat Präsident Aleksandar Vučić am gestrigen Dienstag unter dem Druck der Straße seinen Regierungschef geopfert. Ausgangspunkt für die anhaltenden Proteste ist der Einsturz des Bahnhofvordachs in Serbiens zweitgrößter Stadt Novi Sad im November. Dabei wurden 15 Passanten getötet und Dutzende verletzt.

Der Bahnhof war als Teil einer Modernisierung der Bahninfrastruktur zwischen Belgrad und Budapest unter chinesischer Ägide renoviert worden. Die Behörden reagierten zuerst mit Vertuschung und dann mit Repression auf die Vorwürfe, dass bei der Sanierung gepfuscht worden sei.

Dies hat die Proteste der Studierenden erst richtig angeheizt, denen sich inzwischen auch Professoren, Anwälte und Landwirte angeschlossen haben. Die jüngere Generation steht auf gegen die Hoffnungslosigkeit in einem Land, in dem man nur als Teil des Machtapparats von Aleksandar Vučić eine Perspektive hat. Die Katastrophe von Novi Sad steht für grassierende Korruption, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch.

Regierungschef Miloš Vučević ist nicht mehr als ein Bauernopfer, die Proteste gingen auch gestern Abend weiter. In den zwölf Jahren an der Macht ist die Position von Aleksandar Vučić erstmals in Gefahr.

Peinlich berührt müsste man in Brüssel, Berlin und Paris darüber sein, dass an den Kundgebungen in Serbien anders als etwa in Georgien oder Moldau keine Europafahnen zu sehen sind. Auf die EU sind die Studierenden nicht gut zu sprechen, denn Ursula von der Leyen, Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Co setzten bisher im Sinne der Stabilität und der guten Geschäfte auf Aleksandar Vučić. Doch Brüssels Lieblingsautokrat ist möglicherweise nur ein Scheinriese und bald Geschichte.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

Ihr
Stephan Israel
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Analyse

KI-Wettlauf: Welche Antworten Europa auf Deepseek hat

Die Aussagen des chinesischen KI-Start-ups Deepseek haben einige fundamentale Annahmen über die erfolgreiche Entwicklung von Künstlicher Intelligenz erschüttert. Die waren: dass man sehr viel Geld, gigantische Rechenleistung und super Talente braucht, um im Wettlauf um Künstliche Intelligenz global die Nase vorn zu haben. Glaubt man der Botschaft von Deepseek, dann muss man annehmen, dass Talent und Unternehmergeist die fehlenden anderen Ressourcen mehr als ausgleichen können.

Was könnte Europas Antwort auf die neue Entwicklung sein? Der Wettlauf um KI sei noch lange nicht zu Ende, sagt Kommissionssprecher Thomas Regnier. Mit solider Infrastruktur und Talenten könne Europa viel erreichen. “Europa hat alles, was es braucht, um bei der vertrauenswürdigen KI führend zu sein: Spitzentalente, Supercomputer von Weltklasse und innovative Start-ups”, sagte Regnier. Derzeit würden europaweit sieben KI-Fabriken eingerichtet. “Wir treiben die Innovation voran und sorgen gleichzeitig für die Sicherheit der KI – das ist unser entscheidender Wettbewerbsvorteil.”

Wissing: “Wir brauchen die Kapitalmarktunion”

Digitalminister Volker Wissing sagt: “Europas Antwort auf diese KI-Herausforderung ist allein die Vertrauenswürdigkeit.” Eine KI, die vertrauenswürdig sei, könne ein Markenzeichen von Deutschland und Europa sein, sagte Wissing am Dienstag in Berlin. Doch “Regulierung allein reicht nicht”, fügte der Minister hinzu. “Wir müssen klug regulieren.” Europa dürfe nicht in Regulierungswut verfallen. “Wir müssen deswegen dringend dafür sorgen, dass Innovationen bei uns nicht nur entwickelt werden, sondern auch die Umsetzung gut funktioniert.”

Und natürlich brauche Europa mehr Risikokapital. “Wir müssen uns mit der Frage der Besteuerung von Verlusten, die sich aus Risikoinvestitionen ergeben, befassen”, forderte Wissing. “Wir brauchen den digitalen Binnenmarkt und wir brauchen auch die Kapitalmarktunion, um unser Finanzpotenzial in Europa stärker zu mobilisieren.”

Talente motivieren, in Europa etwas aufzubauen

Dabei spielt das Thema Finanzierung auch bei der Anwerbung der notwendigen Talente eine Rolle. “Die Ankündigung von Stargate, in den USA 500 Milliarden Dollar in KI-Infrastruktur investieren zu wollen, zieht KI-Experten an. Das ist das Problem in Europa”, sagt Silviu Homoceanu, Gründer und CTO des KI-Start-ups Deltia, das Industrieprozesse optimiert. Es sei aktuell sehr einfach für KI-Arbeitskräfte, in die USA zu gehen, weil sie dort problemlos einen Job finden. “Darunter leiden wir hier in Europa. Das Wichtigste ist, die Leute hier zu binden, und zu motivieren, hier etwas aufzubauen.”

Dabei sei es gar nicht so entscheidend, dass Europa bei der Entwicklung derzeit hinterherhinke. “Europa kann auf die vorhandenen Entwicklungen aufbauen“, sagt Homoceanu. Das gilt um so mehr, als einige Unternehmen – wie jetzt auch Deepseek – ihre Modelle Open Source entwickeln. Deltia selbst nutzt keine großen Sprachmodelle (LLMs), sondern eine eigene Entwicklung und passt die KI an die Bedürfnisse der industriellen Auftraggeber an. “Schon aus Sicherheitsgründen würden unsere Kunden ihre Daten nicht in eine Cloud geben”, sagt der KI-Gründer. Eine Antwort Europas auf die globalen KI-Herausforderungen ist also, seine industrielle Kompetenz in die Entwicklung einzubringen.

Europas Stärken: Forschung und Datenqualität

Die Entwicklung großer Sprachmodelle habe inzwischen ihren Höhepunkt (Peak AI) erreicht, glaubt Bruno Kramm, Sprecher Mitteldeutschland im KI-Verband. Die Fortschritte seien nur noch marginal, was darauf hinweise, dass neue technologische Ansätze notwendig sind. “Europäische Initiativen wie XLSTM bieten hier vielversprechende Perspektiven, insbesondere durch innovative Modellarchitekturen, die über die bisherigen Grenzen klassischer LLMs hinausgehen.”

Zur Erklärung: XLSTM ist ein verbessertes KI-Modell, das Muster in langen und komplexen Daten erkennen und besser verstehen kann, wie Dinge über längere Zeit zusammenhängen. “Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Europa die Zusammenarbeit innerhalb der EU stärken, Finanzierungsstrukturen verbessern und regulatorische Hürden überdenken”, sagt Kramm.

Wenn es – wie Deepseek behaupte – eine Technologie geben sollte, die Machine-Learning-KI effizienter macht, dann bedeute dies, “dass die EU und ihre Mitgliedstaaten Geld und Zeit nicht nur in die Steigerung von Computer-Ressourcen stecken, sondern weiterhin auch auf Forschung setzen müssen”, sagt Sebastian Raible. Er leitet für den OpenSource-Unternehmensverband APELL die Beziehungen zur EU. Die Effizienz hänge auch stark von der Qualität der verwendeten Daten ab. “Und in beiden Bereichen – Forschung und Datenqualität – ist Europa gut aufgestellt.”

Es braucht schnell europäische Gegenangebote

Deepseek habe ganz klare und bekannte Nachteile. Dazu gehöre etwa, dass offensichtlich eine Zensur unerwünschter Inhalte stattfinde. Hinzu kämen Bedenken beim Datenschutz und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen. “Es braucht also schnell europäische Gegenangebote“, sagt Raible. Die ließen sich am besten durch Kooperation erzielen: Open Source als Entwicklungsmodell ermögliche, dass Firmen zusammenarbeiten und trotzdem weiter im Markt in Konkurrenz stehen. “So lassen sich die in der EU verteilten Ressourcen in Form kleiner und mittelständischer Unternehmen effektiv verbinden und zu unserem Vorteil nutzen.”

Für den Digitalverband Bitkom zeigt Deepseek, dass der KI-Markt noch viel dynamischer ist als angenommen. “Weder die Sieger noch die Verlierer stehen schon fest”, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. “Für die Diskussion um digitale Souveränität in Deutschland und Europa ist das eine gute Nachricht.”

Europa dürfe aber weder wegen Stargate in eine Schockstarre noch wegen Deepseek in Euphorie geraten. “Ohne eigene Anstrengungen werden wir bei KI nicht weiterkommen.” Dazu gehöre neben Geld und mehr Unterstützung auch, “künstliche Intelligenz nicht immer zuallererst als Bedrohung, sondern als Chance wahrzunehmen und den Regulierungsrahmen wirklich innovationsfreundlich zu gestalten”.

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Abbau von Binnenmarkthürden: Wirtschaft beklagt passive Kommission

Der Binnenmarkt ist das Kerngeschäft der EU. Doch in den vergangenen Jahren verlor der Abbau von Binnenmarkthürden an Priorität. Die Kommission nutzt Vertragsverletzungsverfahren seltener als früher, und die Binnenmarkthürden werden nehmen zu. Immer mehr Wirtschaftsverbände beklagen die Passivität der Kommission. Es gibt aber Anzeichen dafür, dass sie das Problem erkannt hat.

“Die Binnenmarkthürden sind dieselben, die schon vor 20 Jahren da waren“, sagt Frederico Martins, Senior Policy Advisor beim Verband der Europäischen Handelskammern Eurochambres. Auch aus dem BDI klingt der Befund beinahe resigniert. Der letzte Aktionsplan der Kommission zur besseren Durchsetzung von Binnenmarktregeln stammt aus dem Jahr 2020, sagt BDI-Binnenmarktexperte Christoph Bausch zu Table.Briefings. “Es ist alles richtig, was die Kommission da schreibt. Das Problem ist, dass sich seither nichts verändert hat.” Stattdessen sieht der BDI “noch mehr Fragmentierung im Binnenmarkt, vor allem auch im Warenhandel”.

EU-interner Handel stagniert

Der jährliche Binnenmarktbericht der Kommission, der am heutigen Mittwoch vorgestellt werden soll und dessen Entwurf Table.Briefings vorliegt, gibt den Wirtschaftsverbänden recht. Der Wert des EU-internen Warenhandels relativ zum Gesamt-BIP wächst mittelfristig nur sehr langsam und war 2023 sogar rückläufig. Der EU-interne Dienstleistungshandel stagniert auf tiefem Niveau. Zudem identifiziert der Bericht ein “Muster erhöhter Binnenmarkthürden”.

Nach Ansicht der Kommission sind die Gründe dafür vor allem bei den Mitgliedstaaten zu finden. “Oft treten Hürden durch nationale Regulierung auf, speziell durch das ‘Gold-Plating’ der Mitgliedstaaten”, sagte eine Kommissionssprecherin Table.Briefings. Gold Plating ist eine Praxis, in der Mitgliedstaaten EU-Richtlinien zwar umsetzen, sie aber mit nationalen Zusatzregeln versehen. Dies sei zwar legal, führe aber zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts.

Kommission startet weniger Vertragsverletzungsverfahren

Holger Kunze, Brüsseler Büroleiter des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagebauer (VDMA) sieht den Grund für die Fragmentierung darin, dass der Binnenmarkt im vergangenen Kommissionsmandat keine Priorität hatte. “Es fehlte der Mut und der Wille, im entscheidenden Moment den Mitgliedstaaten auf die Füße zu treten”, sagte Kunze über die erste Von-der-Leyen-Kommission.

In den vergangenen Jahren setzte die Kommission vermehrt auf administrative Koordination mit Mitgliedstaaten, um Binnenmarkthürden abzuschaffen. Ein Beispiel dafür ist die Single Market Enforcement Taskforce (SMET). Diese administrative Kooperation soll verhindern, dass die Binnenmarkthürden später durch ein aufwändigeres und konfrontatives Vertragsverletzungsverfahren bekämpft werden müssen.

Eine Auswertung der Kommissionsdaten zu Vertragsverletzungsverfahren zeigt, dass sie immer seltener als Instrument zum Zug kommen. Der Trend zu weniger Vertragsverletzungsverfahren ist in vielen EU-Politikbereichen sichtbar, aber besonders markant im Bereich Binnenmarkt und Industrie.

Der Trend sorgt auch innerhalb der Kommission für Unmut, wie mehrere Quellen bestätigen. “Auf technischer Ebene wollen Kommissionsbeamte normalerweise gegen Vertragsverletzungen vorgehen, aber die politische Ebene ist langsam”, beobachtet Ilya Bruggeman, Direktor für Binnenmarktpolitik beim Handelsverband Eurocommerce. “Prozesse werden oft auf politischer Ebene unterbunden.” Auch Quellen innerhalb des zuständigen Generaldirektorats DG GROW bestätigen, dass ein konsequenteres Vorgehen gegen Mitgliedstaaten von der politischen Führung nicht erwünscht ist.

Mitgliedstaaten ignorieren Binnenmarktregeln

Holger Kunze vom VDMA merkt an, dass die Kommission jene Vertragsverletzungsverfahren, die sie startet, nicht konsequent weiterverfolgt. Bruggeman, dessen Verband Euro Commerce jährlich mehrere Beschwerden über Binnenmarkthürden an die Kommission trägt, beobachtet, dass diese weniger schnell behandelt werden als früher. Zudem gibt es Reibungen zwischen den Generaldirektoraten. Während DG GROW eigentlich für Binnenmarktthemen zuständig ist, fallen viele Standards und Richtlinien, deren inkorrekte Umsetzung zu Binnenmarkthürden führen können, unter die Zuständigkeit anderer DGs, für die der Binnenmarkt keine Priorität ist.

Die Passivität der Kommission hat auch Einfluss auf das Verhalten der EU-Länder. “Mitgliedstaaten wissen, dass das, was sie tun, eine Vertragsverletzung ist, aber es ist ihnen mittlerweile egal“, sagt Bruggeman. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist Ungarn, wo die Regierung nicht-ungarische Firmen in einigen Branchen systematisch hinauszuekeln scheint. Aber Bruggeman nennt auch andere Länder wie Rumänien. Die Mitgliedstaaten müssten neue Gesetzesentwürfe eigentlich bei der Kommission melden, sagt er. Doch es komme vor, dass sie diese Vorgabe ignorieren, um die Kommission im Dunkeln zu lassen.

Binnenmarkthürden auf ministerieller Ebene angehen

Es gibt Anzeichen dafür, dass das Problem in der Kommission mittlerweile auch auf politischer Ebene erkannt wurde. Im Mission Letter für Kommissionsvizepräsident Stéphane Séjourné beauftragt die Kommissionspräsidentin ihn, über einen “Single Market Barriers Prevention Act” nachzudenken. Eine Sprecherin sagte, die Kommission werde weiterhin auf präventive und kollaborative Instrumente einsetzen, aber wenn nötig auch korrektive Mittel wie Vertragsverletzungsverfahren einsetzen.

Im Wettbewerbsfähigkeitskompass (Competitiveness Compass), den Ursula von der Leyen am Mittwoch vorstellen wird und dessen Entwurf Table.Briefings vorliegt, schlägt die Kommission vor, die Durchsetzungstaskforce SMET zu verstärken und weitere Harmonisierungsmaßnahmen zu lancieren.

In hohen Kommissionskreisen wird diskutiert, die Beseitigung von Binnenmarkthürden von einer administrativen auf eine ministerielle Ebene zu heben, um dem Thema stärkeres Gewicht zu geben. Ob die Kommission aber auch bereit ist, den Mitgliedstaaten wieder stärker auf die Füße zu treten, wird sich zeigen müssen. Mit Stefanie Weber

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News

eDeclaration-Portal: Streit um zuständige Ausschüsse

Bislang ist nicht geklärt, inwieweit der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) beim eDeclaration-Portal mitreden darf. Wie Table.Briefings erfuhr, hat der Binnenmarktausschuss (IMCO) die alleinige Federführung für das Dossier statt einer geteilten Zuständigkeit gefordert. Die Begründung: Es handele sich nur um ein technisches Vorhaben. Das EP-Sekretariat empfahl laut informierten Kreisen, diesen Antrag in der Conference of Presidents abzulehnen. Dort stand das Thema in der vergangenen Woche dann als Abstimmung ohne Aussprache auf der Agenda.

Die Angelegenheit wurde aber doch diskutiert – auf Antrag des stellvertretenden EVP-Fraktionsvorsitzenden Jeroen Lenaers. Dieser unterstützte die Empfehlung des IMCO, den EMPL nur als stellungnehmenden Ausschuss einzustufen. Bei der anschließenden Abstimmung votierten die EVP und die EKR für den IMCO als alleinigen federführenden Ausschuss, Grüne, Linke, Renew und S&D dagegen. Bei der Sitzung war kein Vertreter der ESN-Fraktion anwesend. Über die Zuständigkeiten beim Dossier solle demnächst eine finale Entscheidung getroffen werden, hieß es aus Kreisen des EPs.

Portal soll helfen, Bürokratie zu reduzieren

Martin Schirdewan, Co-Fraktionsvorsitzender der Linken im Europaparlament, kritisierte den Vorgang scharf: “Es ist klar, dass sowohl der Binnenmarkt- als auch der Beschäftigungsausschuss bei dem Dossier mitsprechen müssen.” Er sagte zu Table.Briefings, dass die EVP versuche, gemeinsame Sache mit den Rechten zu machen. Auch andere befürchten, dass dies ein erster Versuch sein könnte, den Beschäftigungsausschuss in dieser Legislaturperiode im Zuge der Entbürokratisierung außen vorzulassen.

Aus Kreisen des EPs hieß es, dass der ursprüngliche IMCO-Antrag zur alleinigen Federführung von der grünen Binnenmarktausschussvorsitzenden Anna Cavazzini gestellt worden sei – und dass im IMCO sämtliche Koordinatoren dem Anliegen zugestimmt hätten. Das Büro Cavazzini bestätigte, dass der IMCO die alleinige Federführung beantragt hat.

Die Kommission hatte im November einen Vorschlag für eine Verordnung für ein digitales, einheitliches Meldeportal für Unternehmen mit mobilen Beschäftigten vorgelegt. Bislang hat jedes EU-Land eigene nationale Systeme, um Entsendungen anzumelden. Das Portal soll helfen, Bürokratie zu reduzieren und Kosten zu sparen. Die Mitgliedstaaten müssen das Portal jedoch nicht nutzen. Gewerkschaften haben Sorge, dass im neuen Portal im Zuge der Entbürokratisierung zu wenige Daten abgefragt werden könnten, um Schutzstandards zu gewährleisten. lei

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Elektrifizierung: Energiewirtschaft mahnt Aktionsplan an

Der Branchenverband Eurelectric zeigt sich alarmiert angesichts des Strategischen Kompass zur Wirtschaftspolitik, den die EU-Kommission heute vorstellen will. “Der Kompass bekräftigt die Schlüsselrolle der Elektrifizierung als Mittel zur Energieunabhängigkeit. Er versäumt es jedoch, einen Aktionsplan für die Elektrifizierung in die Liste der für dieses Jahr geplanten Initiativen aufzunehmen”, teilte der Verband am Dienstag mit. Der Entwurf des Kompass listet sogar Vorhaben für 2026 auf, der Elektrifizierungsplan fehlt darin aber komplett.

Wichtig ist der Plan zur Elektrifizierung von Wärme, Industrie und Verkehr, weil Gesetzesreformen den Ausbau erneuerbarer Energien zuletzt beschleunigt haben, die Abnehmer dieses Stroms aber nicht Schritt halten, wie der Streit um das Gebäudeenergiegesetz gezeigt hat. Auch die Erneuerbaren-Verbände in Brüssel warnen deshalb schon seit einem Jahr davor, dass der Zubau von Wind- und Solaranlagen gebremst werden könnte. Besonders in deutschen Medien gibt es nun seit einigen Wochen Warnungen vor “zu viel Strom“.

Die Kommission solle deshalb Anreize zur Elektrifizierung für Industrie, Gebäude und Verkehr in ihren Vorschlägen zum Clean Industrial Deal und im Strategischen Dialog mit der Automobilindustrie berücksichtigen, fordert Eurelectric. ber

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Gas aus Russland: Deutschland zentral bei LNG-Importen

Bei der Einfuhr von Flüssigerdgas aus Russland in die EU spielt Deutschland einer Analyse zufolge weiterhin eine zentrale Rolle. Wie aus einem Bericht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und anderen Organisationen hervorgeht, importierte das bundeseigene Energieunternehmen Sefe im vergangenen Jahr mehr als sechsmal so viel Flüssigerdgas (LNG) in die Europäische Union wie noch 2023. Grundlage dafür sind Daten des Rohstoffanalyseunternehmens Kpler. Demnach kamen 5,66 Milliarden Kubikmeter von Sefe aus Russland importiertes Flüssigerdgas im französischen Dünkirchen am Ärmelkanal an.

Angaben der EU-Kommission zufolge wurden 2024 insgesamt 20 Milliarden Kubikmeter russisches LNG eingeführt – nach 18 Milliarden im Jahr zuvor. Insgesamt wurden 2023 nach Angaben aus Brüssel mehr als 120 Milliarden Kubikmeter LNG in die EU eingeführt. Den Daten von Kpler zufolge waren es 2024 knapp 22 Milliarden Kubikmeter aus Russland nach 18,41 Milliarden Kubikmetern 2023. Das meiste Flüssigerdgas in der EU kommt nach Angaben der Brüsseler Behörde aus den USA.

LNG aus Moskau wird in EU weiter genutzt

Die größten LNG-Importeure in der EU sind nach Angaben der EU-Kommission Frankreich, Spanien, die Niederlande, Belgien und Italien. Von den Terminals in diesen Ländern wird das Gas in die Leitungen eingespeist, vermischt sich mit dem vorhandenen Gas und wird weiter transportiert – auch nach Deutschland.

Die EU hat zahlreiche Sanktionen gegen russische Energieträger wie Kohle und Öl verhängt. Seit dem Jahreswechsel lässt die Ukraine auch kein Erdgas mehr passieren und hat den Transit durch Pipelines über ihr Staatsgebiet unterbunden. LNG aus Moskau wird aber weiterhin in die Staatengemeinschaft eingeführt.

Wegen eines laufenden Vertrags importiert das bundeseigene Unternehmen Sefe weiter LNG nach Frankreich. Da Europa keine Sanktionen gegen den Import von russischem LNG nach Europa verhängt habe, gebe es derzeit keine rechtliche Grundlage für die Kündigung oder Aussetzung eines bestehenden Altvertrags zwischen einem russischen Lieferanten und Sefe, teilte das Energieunternehmen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Selbst wenn Sefe das Gas nicht abnähme, müssten die vereinbarten Mengen bezahlt werden. Die Nichtabnahme würde dem Lieferanten ermöglichen, diese Mengen erneut zu verkaufen, was die russische Wirtschaft unterstützen würde, hieß es.

“Sefe liefert kein russisches LNG nach Deutschland”

Die von Sefe in Dünkirchen angenommenen LNG-Importe würden an zwei Handelsplätzen in Frankreich und Belgien verkauft. “Sefe liefert kein russisches LNG nach Deutschland oder hat versucht, es dorthin zu liefern”, teilte das Unternehmen weiter mit.

Die DUH sowie die Organisationen Urgewald, Razom We Stand (Ukraine) und Bond Beter Leefmilieu (Belgien) gehen jedoch davon aus, dass der Anteil russischen Flüssiggases über indirekte Importe via Frankreich und Belgien an den gesamten deutschen Gasimporten im Jahr 2023 zwischen 3 und 9,2 Prozent lag.

Das Unternehmen Sefe (Securing Energy for Europe GmbH) hieß früher Gazprom Germania, war eine Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom und wurde als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der Energiekrise verstaatlicht. dpa

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Kommission schlägt Zölle auf Düngemittel aus Russland vor

Die Kommission hat einen Vorschlag zur Einführung von Zöllen auf eine Reihe landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Russland und Belarus sowie auf bestimmte Düngemittel veröffentlicht. Ziel sei es, die Abhängigkeit von Einfuhren aus den beiden Ländern zu verringern. Vor allem der Import von Düngemittel mache die EU anfällig für mögliche russische Zwangsmaßnahmen und stelle eine Gefahr für die Ernährungssicherheit dar, hieß es von der Brüsseler Behörde.

Die Zölle sollen außerdem dazu dienen, das Wachstum der europäischen Produktion und der Düngemittelindustrie der EU zu fördern. Nach Annahme des Vorschlags durch den Rat würden alle Agrareinfuhren aus Russland EU-Zöllen unterliegen.

Europäische Düngehersteller hatten hohe Zölle gefordert

“Diese Zölle sind sorgfältig kalibriert und dienen mehreren Zielen”, sagte Maroš Šefčovič, Kommissar für Handel und wirtschaftliche Sicherheit. “Wir wollen Russlands Kriegswirtschaft weiter schwächen und gleichzeitig die Abhängigkeiten der EU verringern, unsere Industrie unterstützen und die weltweite Ernährungssicherheit erhalten.”

Europäische Düngehersteller hatten die Kommission erst kürzlich dazu aufgefordert, hohe Zölle zu erheben. Zwischen europäischen und russischen Herstellern herrschten ungleiche Wettbewerbsbedingungen, sagte Mitte Januar Svein Tore Holsether, Präsident und CEO des norwegischen Düngemittelherstellers Yara International. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sei Europa mit hohen Energiekosten konfrontiert. Gleichzeitig profitiere in Russland die energieintensive Düngemittelproduktion davon, dass mehr Gas im Land bleibe.

Die Durchfuhr aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Düngemittel aus Russland und Belarus in Drittländer bleibe von den EU-Maßnahmen unberührt, teilte die Kommission mit. sas/jd

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EU-Zölle: Mercedes schließt sich Geely-Klage an

Der Autobauer Mercedes-Benz schließt sich einer Klage seines chinesischen Joint-Venture-Partners Geely gegen die EU-Strafzölle auf Elektroautos aus China an. Das Gemeinschaftsunternehmen produziert den elektrischen Smart in China, auch für den europäischen Markt. Zuvor wurde bekannt, dass neben Geely und anderen chinesischen Herstellern wie BYD und SAIC auch Tesla und BMW gegen die EU-Zölle klagen. Bei BMW ist der elektrische Mini betroffen.

Die EU hat die Zusatzzölle im vergangenen Jahr nach Anti-Subventionsermittlungen eingeführt. Sie liegen zwischen 17 Prozent für BYD und 35,3 Prozent für SAIC, dazu kommen noch die regulären Abgaben von zehn Prozent. Der Zollaufschlag auf den Smart liegt bei knapp 19 Prozent. Die deutsche Autoindustrie lehnt die Zölle ab, da sie chinesische Gegenmaßnahmen befürchtet. rtr

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Presseschau

“Bereit zur Verteidigung”: Härtere Haltung der EU zu Grönland nach erneuten Drohungen Trumps EURONEWS
Zurückweisungen an der Grenze: Merz will EU-Recht igno­rieren LTO
EU-Kommission: Deutsche Minister von Brüssels Plänen zum Bürokratieabbau enttäuscht ZEIT
Russland streut Desinformation: EU-Parlament fordert härtere Sanktionen T-ONLINE
EU plans ban on sales of video game kit to Russia FT
Gasversorgung in der EU: Deutschland ermöglicht große LNG-Importe von Russland nach Europa SPIEGEL
MKS: Özdemir bittet um EU-Gelder für betroffene Landwirte AGRARHEUTE
EU-Kommissar Andrius Kubilius: Die Raumfahrt hat für die EU oberste Priorität EURONEWS
“Hauptthema und Hauptproblem”: Finnland für striktes Vorgehen gegen russische Schattenflotte N-TV
Nach Protesten tritt serbischer Ministerpräsident Vucevic zurück ZDF
Besuch aus Dänemark: “Brauchen ein Europa, das sich selbst verteidigt” – Scholz empfängt Frederiksen WELT
Freilassung von Libyer in Italien: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Meloni TAGESSCHAU
Repression in der Türkei gegen Oppositionelle und Kulturschaffende TAZ
Frankreichs Minderheitsregierung: François Bayrou könnte Unterstützung der Sozialisten verlieren ZEIT
Mahnbrief: Ärztinnenverein sorgt sich um Frauenrechte in Österreich unter Blau-Schwarz DER STANDARD
Raketenabwehrsystem: Österreich dürfte aus Sky Shield aussteigen KLEINE ZEITUNG
Unmut in der Slowakei: Fico sucht die Offensive FAZ
Russlands Geldquelle: Litauen geht gegen Raubgetreide aus besetzten ukrainischen Gebieten vor TOPAGRAR

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Leonardo-CEO Roberto Cingolani: Europäischer Allrounder

Roberto Cingolani, CEO des italienischen Rüstungsbauers Leonardo, in Rom im Dezember 2022.

Etwa zwei Wochen nach dem Einmarsch Russlands 2022 in den Osten der Ukraine kündigte Italien an, die Energieabhängigkeit des Landes von Russland innerhalb von 24 bis 30 Monaten zu beenden. Kopf dahinter: Roberto Cingolani, damals Minister für ökologische Transformation in Italien.

Gerade strebt Cingolani wieder einmal nach mehr Unabhängigkeit – diesmal als Geschäftsführer des italienischen Waffenallrounders Leonardo. Seit er im Mai 2023 zum CEO von Leonardo wurde, arbeitet Cingolani an einer unabhängigeren europäischen Rüstungsindustrie. Der italienische Staat hält rund 30 Prozent an dem Rüstungskonzern.

Er habe sich zum Ziel gesetzt, Allianzen in der europäischen Verteidigungsindustrie voranzutreiben, sagte er kürzlich der Süddeutschen Zeitung: “Wir sind groß, aber längst nicht so groß wie etwa US-amerikanische Unternehmen.” Er wolle deshalb “europäische Giganten” schaffen, die “auf Kooperation gründen”. Und er sagt einen ungewöhnlichen Satz für einen Rüstungsmanager: “Wenn wir effizienter planen, brauchen wir vielleicht nicht einmal die zwei Prozent.”

Rheinmetall und Leonardo hoffen auf lukrativen Auftrag

Das lässt sich leicht sagen, wenn man auf große Geschäfte hoffen kann. Im Oktober hatte Cingolani in Rom Arm in Arm mit Rheinmetall-Geschäftsführer Armin Papperger die Gründung der Leonardo Rheinmetall Military Vehicles (LRMV) besiegelt. Nachdem vergangene Woche das deutsche Kartellamt das Joint Venture genehmigt hat, hoffen Rheinmetall und Leonardo auf einen lukrativen Auftrag der italienischen Regierung. Italien will in den kommenden Jahren 23 Milliarden Euro für gepanzerte Fahrzeuge ausgeben.

Einen Absatzmarkt erhofft sich Leonardo auch über Italien hinaus. Die EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten und der Nähe zu Russland und Ländern des Nahen Ostens biete einen großen Absatzmarkt für Landesverteidigung, sagte Cingolani bei dem Treffen in Rom.

Akademische Karriere führte ihn nach Deutschland

Leonardo produziert Hubschrauber, Flugzeuge, Waffen für maritime Einsätze und Elektronik. “Ein Zehnkämpfer” wäre sein Unternehmen, wenn es ein Sportler wäre, sagte Cingolani der SZ. Er selbst versucht, das auch zu sein. Früher boxte er, soll gerne Fahrrad und Motorrad fahren und hat in seiner akademischen Karriere als Physiker über 1.000 Artikel veröffentlicht.

Zehn Jahre leitete er das Istituto italiano di tecnologia in Genua, bis Cingolani 2019 zunächst Innovationschef bei Leonardo wurde und dann Energieminister unter Mario Draghi. Seine Universitätskarriere brachte ihn nach Japan, in die USA und auch nach Deutschland. Von 1988 bis 1991 war er am Max-Planck-Institut in Stuttgart tätig. In Sachbüchern wie “Il mondo è piccolo come un’arancia” (Die Welt ist so klein wie eine Orange) von 2014 versucht er, die Möglichkeiten von Nano-Technologie breiter zu erklären.

Mit der Energieabhängigkeit Italiens läuft es derzeit allerdings nicht ganz so gut. 2024 importierte Rom wieder mehr Gas aus Russland als im Vorjahr. Gabriel Bub

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Der Bahnhof war als Teil einer Modernisierung der Bahninfrastruktur zwischen Belgrad und Budapest unter chinesischer Ägide renoviert worden. Die Behörden reagierten zuerst mit Vertuschung und dann mit Repression auf die Vorwürfe, dass bei der Sanierung gepfuscht worden sei.

    Dies hat die Proteste der Studierenden erst richtig angeheizt, denen sich inzwischen auch Professoren, Anwälte und Landwirte angeschlossen haben. Die jüngere Generation steht auf gegen die Hoffnungslosigkeit in einem Land, in dem man nur als Teil des Machtapparats von Aleksandar Vučić eine Perspektive hat. Die Katastrophe von Novi Sad steht für grassierende Korruption, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch.

    Regierungschef Miloš Vučević ist nicht mehr als ein Bauernopfer, die Proteste gingen auch gestern Abend weiter. In den zwölf Jahren an der Macht ist die Position von Aleksandar Vučić erstmals in Gefahr.

    Peinlich berührt müsste man in Brüssel, Berlin und Paris darüber sein, dass an den Kundgebungen in Serbien anders als etwa in Georgien oder Moldau keine Europafahnen zu sehen sind. Auf die EU sind die Studierenden nicht gut zu sprechen, denn Ursula von der Leyen, Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Co setzten bisher im Sinne der Stabilität und der guten Geschäfte auf Aleksandar Vučić. Doch Brüssels Lieblingsautokrat ist möglicherweise nur ein Scheinriese und bald Geschichte.

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    KI-Wettlauf: Welche Antworten Europa auf Deepseek hat

    Die Aussagen des chinesischen KI-Start-ups Deepseek haben einige fundamentale Annahmen über die erfolgreiche Entwicklung von Künstlicher Intelligenz erschüttert. Die waren: dass man sehr viel Geld, gigantische Rechenleistung und super Talente braucht, um im Wettlauf um Künstliche Intelligenz global die Nase vorn zu haben. Glaubt man der Botschaft von Deepseek, dann muss man annehmen, dass Talent und Unternehmergeist die fehlenden anderen Ressourcen mehr als ausgleichen können.

    Was könnte Europas Antwort auf die neue Entwicklung sein? Der Wettlauf um KI sei noch lange nicht zu Ende, sagt Kommissionssprecher Thomas Regnier. Mit solider Infrastruktur und Talenten könne Europa viel erreichen. “Europa hat alles, was es braucht, um bei der vertrauenswürdigen KI führend zu sein: Spitzentalente, Supercomputer von Weltklasse und innovative Start-ups”, sagte Regnier. Derzeit würden europaweit sieben KI-Fabriken eingerichtet. “Wir treiben die Innovation voran und sorgen gleichzeitig für die Sicherheit der KI – das ist unser entscheidender Wettbewerbsvorteil.”

    Wissing: “Wir brauchen die Kapitalmarktunion”

    Digitalminister Volker Wissing sagt: “Europas Antwort auf diese KI-Herausforderung ist allein die Vertrauenswürdigkeit.” Eine KI, die vertrauenswürdig sei, könne ein Markenzeichen von Deutschland und Europa sein, sagte Wissing am Dienstag in Berlin. Doch “Regulierung allein reicht nicht”, fügte der Minister hinzu. “Wir müssen klug regulieren.” Europa dürfe nicht in Regulierungswut verfallen. “Wir müssen deswegen dringend dafür sorgen, dass Innovationen bei uns nicht nur entwickelt werden, sondern auch die Umsetzung gut funktioniert.”

    Und natürlich brauche Europa mehr Risikokapital. “Wir müssen uns mit der Frage der Besteuerung von Verlusten, die sich aus Risikoinvestitionen ergeben, befassen”, forderte Wissing. “Wir brauchen den digitalen Binnenmarkt und wir brauchen auch die Kapitalmarktunion, um unser Finanzpotenzial in Europa stärker zu mobilisieren.”

    Talente motivieren, in Europa etwas aufzubauen

    Dabei spielt das Thema Finanzierung auch bei der Anwerbung der notwendigen Talente eine Rolle. “Die Ankündigung von Stargate, in den USA 500 Milliarden Dollar in KI-Infrastruktur investieren zu wollen, zieht KI-Experten an. Das ist das Problem in Europa”, sagt Silviu Homoceanu, Gründer und CTO des KI-Start-ups Deltia, das Industrieprozesse optimiert. Es sei aktuell sehr einfach für KI-Arbeitskräfte, in die USA zu gehen, weil sie dort problemlos einen Job finden. “Darunter leiden wir hier in Europa. Das Wichtigste ist, die Leute hier zu binden, und zu motivieren, hier etwas aufzubauen.”

    Dabei sei es gar nicht so entscheidend, dass Europa bei der Entwicklung derzeit hinterherhinke. “Europa kann auf die vorhandenen Entwicklungen aufbauen“, sagt Homoceanu. Das gilt um so mehr, als einige Unternehmen – wie jetzt auch Deepseek – ihre Modelle Open Source entwickeln. Deltia selbst nutzt keine großen Sprachmodelle (LLMs), sondern eine eigene Entwicklung und passt die KI an die Bedürfnisse der industriellen Auftraggeber an. “Schon aus Sicherheitsgründen würden unsere Kunden ihre Daten nicht in eine Cloud geben”, sagt der KI-Gründer. Eine Antwort Europas auf die globalen KI-Herausforderungen ist also, seine industrielle Kompetenz in die Entwicklung einzubringen.

    Europas Stärken: Forschung und Datenqualität

    Die Entwicklung großer Sprachmodelle habe inzwischen ihren Höhepunkt (Peak AI) erreicht, glaubt Bruno Kramm, Sprecher Mitteldeutschland im KI-Verband. Die Fortschritte seien nur noch marginal, was darauf hinweise, dass neue technologische Ansätze notwendig sind. “Europäische Initiativen wie XLSTM bieten hier vielversprechende Perspektiven, insbesondere durch innovative Modellarchitekturen, die über die bisherigen Grenzen klassischer LLMs hinausgehen.”

    Zur Erklärung: XLSTM ist ein verbessertes KI-Modell, das Muster in langen und komplexen Daten erkennen und besser verstehen kann, wie Dinge über längere Zeit zusammenhängen. “Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Europa die Zusammenarbeit innerhalb der EU stärken, Finanzierungsstrukturen verbessern und regulatorische Hürden überdenken”, sagt Kramm.

    Wenn es – wie Deepseek behaupte – eine Technologie geben sollte, die Machine-Learning-KI effizienter macht, dann bedeute dies, “dass die EU und ihre Mitgliedstaaten Geld und Zeit nicht nur in die Steigerung von Computer-Ressourcen stecken, sondern weiterhin auch auf Forschung setzen müssen”, sagt Sebastian Raible. Er leitet für den OpenSource-Unternehmensverband APELL die Beziehungen zur EU. Die Effizienz hänge auch stark von der Qualität der verwendeten Daten ab. “Und in beiden Bereichen – Forschung und Datenqualität – ist Europa gut aufgestellt.”

    Es braucht schnell europäische Gegenangebote

    Deepseek habe ganz klare und bekannte Nachteile. Dazu gehöre etwa, dass offensichtlich eine Zensur unerwünschter Inhalte stattfinde. Hinzu kämen Bedenken beim Datenschutz und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen. “Es braucht also schnell europäische Gegenangebote“, sagt Raible. Die ließen sich am besten durch Kooperation erzielen: Open Source als Entwicklungsmodell ermögliche, dass Firmen zusammenarbeiten und trotzdem weiter im Markt in Konkurrenz stehen. “So lassen sich die in der EU verteilten Ressourcen in Form kleiner und mittelständischer Unternehmen effektiv verbinden und zu unserem Vorteil nutzen.”

    Für den Digitalverband Bitkom zeigt Deepseek, dass der KI-Markt noch viel dynamischer ist als angenommen. “Weder die Sieger noch die Verlierer stehen schon fest”, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. “Für die Diskussion um digitale Souveränität in Deutschland und Europa ist das eine gute Nachricht.”

    Europa dürfe aber weder wegen Stargate in eine Schockstarre noch wegen Deepseek in Euphorie geraten. “Ohne eigene Anstrengungen werden wir bei KI nicht weiterkommen.” Dazu gehöre neben Geld und mehr Unterstützung auch, “künstliche Intelligenz nicht immer zuallererst als Bedrohung, sondern als Chance wahrzunehmen und den Regulierungsrahmen wirklich innovationsfreundlich zu gestalten”.

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    Abbau von Binnenmarkthürden: Wirtschaft beklagt passive Kommission

    Der Binnenmarkt ist das Kerngeschäft der EU. Doch in den vergangenen Jahren verlor der Abbau von Binnenmarkthürden an Priorität. Die Kommission nutzt Vertragsverletzungsverfahren seltener als früher, und die Binnenmarkthürden werden nehmen zu. Immer mehr Wirtschaftsverbände beklagen die Passivität der Kommission. Es gibt aber Anzeichen dafür, dass sie das Problem erkannt hat.

    “Die Binnenmarkthürden sind dieselben, die schon vor 20 Jahren da waren“, sagt Frederico Martins, Senior Policy Advisor beim Verband der Europäischen Handelskammern Eurochambres. Auch aus dem BDI klingt der Befund beinahe resigniert. Der letzte Aktionsplan der Kommission zur besseren Durchsetzung von Binnenmarktregeln stammt aus dem Jahr 2020, sagt BDI-Binnenmarktexperte Christoph Bausch zu Table.Briefings. “Es ist alles richtig, was die Kommission da schreibt. Das Problem ist, dass sich seither nichts verändert hat.” Stattdessen sieht der BDI “noch mehr Fragmentierung im Binnenmarkt, vor allem auch im Warenhandel”.

    EU-interner Handel stagniert

    Der jährliche Binnenmarktbericht der Kommission, der am heutigen Mittwoch vorgestellt werden soll und dessen Entwurf Table.Briefings vorliegt, gibt den Wirtschaftsverbänden recht. Der Wert des EU-internen Warenhandels relativ zum Gesamt-BIP wächst mittelfristig nur sehr langsam und war 2023 sogar rückläufig. Der EU-interne Dienstleistungshandel stagniert auf tiefem Niveau. Zudem identifiziert der Bericht ein “Muster erhöhter Binnenmarkthürden”.

    Nach Ansicht der Kommission sind die Gründe dafür vor allem bei den Mitgliedstaaten zu finden. “Oft treten Hürden durch nationale Regulierung auf, speziell durch das ‘Gold-Plating’ der Mitgliedstaaten”, sagte eine Kommissionssprecherin Table.Briefings. Gold Plating ist eine Praxis, in der Mitgliedstaaten EU-Richtlinien zwar umsetzen, sie aber mit nationalen Zusatzregeln versehen. Dies sei zwar legal, führe aber zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts.

    Kommission startet weniger Vertragsverletzungsverfahren

    Holger Kunze, Brüsseler Büroleiter des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagebauer (VDMA) sieht den Grund für die Fragmentierung darin, dass der Binnenmarkt im vergangenen Kommissionsmandat keine Priorität hatte. “Es fehlte der Mut und der Wille, im entscheidenden Moment den Mitgliedstaaten auf die Füße zu treten”, sagte Kunze über die erste Von-der-Leyen-Kommission.

    In den vergangenen Jahren setzte die Kommission vermehrt auf administrative Koordination mit Mitgliedstaaten, um Binnenmarkthürden abzuschaffen. Ein Beispiel dafür ist die Single Market Enforcement Taskforce (SMET). Diese administrative Kooperation soll verhindern, dass die Binnenmarkthürden später durch ein aufwändigeres und konfrontatives Vertragsverletzungsverfahren bekämpft werden müssen.

    Eine Auswertung der Kommissionsdaten zu Vertragsverletzungsverfahren zeigt, dass sie immer seltener als Instrument zum Zug kommen. Der Trend zu weniger Vertragsverletzungsverfahren ist in vielen EU-Politikbereichen sichtbar, aber besonders markant im Bereich Binnenmarkt und Industrie.

    Der Trend sorgt auch innerhalb der Kommission für Unmut, wie mehrere Quellen bestätigen. “Auf technischer Ebene wollen Kommissionsbeamte normalerweise gegen Vertragsverletzungen vorgehen, aber die politische Ebene ist langsam”, beobachtet Ilya Bruggeman, Direktor für Binnenmarktpolitik beim Handelsverband Eurocommerce. “Prozesse werden oft auf politischer Ebene unterbunden.” Auch Quellen innerhalb des zuständigen Generaldirektorats DG GROW bestätigen, dass ein konsequenteres Vorgehen gegen Mitgliedstaaten von der politischen Führung nicht erwünscht ist.

    Mitgliedstaaten ignorieren Binnenmarktregeln

    Holger Kunze vom VDMA merkt an, dass die Kommission jene Vertragsverletzungsverfahren, die sie startet, nicht konsequent weiterverfolgt. Bruggeman, dessen Verband Euro Commerce jährlich mehrere Beschwerden über Binnenmarkthürden an die Kommission trägt, beobachtet, dass diese weniger schnell behandelt werden als früher. Zudem gibt es Reibungen zwischen den Generaldirektoraten. Während DG GROW eigentlich für Binnenmarktthemen zuständig ist, fallen viele Standards und Richtlinien, deren inkorrekte Umsetzung zu Binnenmarkthürden führen können, unter die Zuständigkeit anderer DGs, für die der Binnenmarkt keine Priorität ist.

    Die Passivität der Kommission hat auch Einfluss auf das Verhalten der EU-Länder. “Mitgliedstaaten wissen, dass das, was sie tun, eine Vertragsverletzung ist, aber es ist ihnen mittlerweile egal“, sagt Bruggeman. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist Ungarn, wo die Regierung nicht-ungarische Firmen in einigen Branchen systematisch hinauszuekeln scheint. Aber Bruggeman nennt auch andere Länder wie Rumänien. Die Mitgliedstaaten müssten neue Gesetzesentwürfe eigentlich bei der Kommission melden, sagt er. Doch es komme vor, dass sie diese Vorgabe ignorieren, um die Kommission im Dunkeln zu lassen.

    Binnenmarkthürden auf ministerieller Ebene angehen

    Es gibt Anzeichen dafür, dass das Problem in der Kommission mittlerweile auch auf politischer Ebene erkannt wurde. Im Mission Letter für Kommissionsvizepräsident Stéphane Séjourné beauftragt die Kommissionspräsidentin ihn, über einen “Single Market Barriers Prevention Act” nachzudenken. Eine Sprecherin sagte, die Kommission werde weiterhin auf präventive und kollaborative Instrumente einsetzen, aber wenn nötig auch korrektive Mittel wie Vertragsverletzungsverfahren einsetzen.

    Im Wettbewerbsfähigkeitskompass (Competitiveness Compass), den Ursula von der Leyen am Mittwoch vorstellen wird und dessen Entwurf Table.Briefings vorliegt, schlägt die Kommission vor, die Durchsetzungstaskforce SMET zu verstärken und weitere Harmonisierungsmaßnahmen zu lancieren.

    In hohen Kommissionskreisen wird diskutiert, die Beseitigung von Binnenmarkthürden von einer administrativen auf eine ministerielle Ebene zu heben, um dem Thema stärkeres Gewicht zu geben. Ob die Kommission aber auch bereit ist, den Mitgliedstaaten wieder stärker auf die Füße zu treten, wird sich zeigen müssen. Mit Stefanie Weber

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    News

    eDeclaration-Portal: Streit um zuständige Ausschüsse

    Bislang ist nicht geklärt, inwieweit der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) beim eDeclaration-Portal mitreden darf. Wie Table.Briefings erfuhr, hat der Binnenmarktausschuss (IMCO) die alleinige Federführung für das Dossier statt einer geteilten Zuständigkeit gefordert. Die Begründung: Es handele sich nur um ein technisches Vorhaben. Das EP-Sekretariat empfahl laut informierten Kreisen, diesen Antrag in der Conference of Presidents abzulehnen. Dort stand das Thema in der vergangenen Woche dann als Abstimmung ohne Aussprache auf der Agenda.

    Die Angelegenheit wurde aber doch diskutiert – auf Antrag des stellvertretenden EVP-Fraktionsvorsitzenden Jeroen Lenaers. Dieser unterstützte die Empfehlung des IMCO, den EMPL nur als stellungnehmenden Ausschuss einzustufen. Bei der anschließenden Abstimmung votierten die EVP und die EKR für den IMCO als alleinigen federführenden Ausschuss, Grüne, Linke, Renew und S&D dagegen. Bei der Sitzung war kein Vertreter der ESN-Fraktion anwesend. Über die Zuständigkeiten beim Dossier solle demnächst eine finale Entscheidung getroffen werden, hieß es aus Kreisen des EPs.

    Portal soll helfen, Bürokratie zu reduzieren

    Martin Schirdewan, Co-Fraktionsvorsitzender der Linken im Europaparlament, kritisierte den Vorgang scharf: “Es ist klar, dass sowohl der Binnenmarkt- als auch der Beschäftigungsausschuss bei dem Dossier mitsprechen müssen.” Er sagte zu Table.Briefings, dass die EVP versuche, gemeinsame Sache mit den Rechten zu machen. Auch andere befürchten, dass dies ein erster Versuch sein könnte, den Beschäftigungsausschuss in dieser Legislaturperiode im Zuge der Entbürokratisierung außen vorzulassen.

    Aus Kreisen des EPs hieß es, dass der ursprüngliche IMCO-Antrag zur alleinigen Federführung von der grünen Binnenmarktausschussvorsitzenden Anna Cavazzini gestellt worden sei – und dass im IMCO sämtliche Koordinatoren dem Anliegen zugestimmt hätten. Das Büro Cavazzini bestätigte, dass der IMCO die alleinige Federführung beantragt hat.

    Die Kommission hatte im November einen Vorschlag für eine Verordnung für ein digitales, einheitliches Meldeportal für Unternehmen mit mobilen Beschäftigten vorgelegt. Bislang hat jedes EU-Land eigene nationale Systeme, um Entsendungen anzumelden. Das Portal soll helfen, Bürokratie zu reduzieren und Kosten zu sparen. Die Mitgliedstaaten müssen das Portal jedoch nicht nutzen. Gewerkschaften haben Sorge, dass im neuen Portal im Zuge der Entbürokratisierung zu wenige Daten abgefragt werden könnten, um Schutzstandards zu gewährleisten. lei

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    Elektrifizierung: Energiewirtschaft mahnt Aktionsplan an

    Der Branchenverband Eurelectric zeigt sich alarmiert angesichts des Strategischen Kompass zur Wirtschaftspolitik, den die EU-Kommission heute vorstellen will. “Der Kompass bekräftigt die Schlüsselrolle der Elektrifizierung als Mittel zur Energieunabhängigkeit. Er versäumt es jedoch, einen Aktionsplan für die Elektrifizierung in die Liste der für dieses Jahr geplanten Initiativen aufzunehmen”, teilte der Verband am Dienstag mit. Der Entwurf des Kompass listet sogar Vorhaben für 2026 auf, der Elektrifizierungsplan fehlt darin aber komplett.

    Wichtig ist der Plan zur Elektrifizierung von Wärme, Industrie und Verkehr, weil Gesetzesreformen den Ausbau erneuerbarer Energien zuletzt beschleunigt haben, die Abnehmer dieses Stroms aber nicht Schritt halten, wie der Streit um das Gebäudeenergiegesetz gezeigt hat. Auch die Erneuerbaren-Verbände in Brüssel warnen deshalb schon seit einem Jahr davor, dass der Zubau von Wind- und Solaranlagen gebremst werden könnte. Besonders in deutschen Medien gibt es nun seit einigen Wochen Warnungen vor “zu viel Strom“.

    Die Kommission solle deshalb Anreize zur Elektrifizierung für Industrie, Gebäude und Verkehr in ihren Vorschlägen zum Clean Industrial Deal und im Strategischen Dialog mit der Automobilindustrie berücksichtigen, fordert Eurelectric. ber

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    Gas aus Russland: Deutschland zentral bei LNG-Importen

    Bei der Einfuhr von Flüssigerdgas aus Russland in die EU spielt Deutschland einer Analyse zufolge weiterhin eine zentrale Rolle. Wie aus einem Bericht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und anderen Organisationen hervorgeht, importierte das bundeseigene Energieunternehmen Sefe im vergangenen Jahr mehr als sechsmal so viel Flüssigerdgas (LNG) in die Europäische Union wie noch 2023. Grundlage dafür sind Daten des Rohstoffanalyseunternehmens Kpler. Demnach kamen 5,66 Milliarden Kubikmeter von Sefe aus Russland importiertes Flüssigerdgas im französischen Dünkirchen am Ärmelkanal an.

    Angaben der EU-Kommission zufolge wurden 2024 insgesamt 20 Milliarden Kubikmeter russisches LNG eingeführt – nach 18 Milliarden im Jahr zuvor. Insgesamt wurden 2023 nach Angaben aus Brüssel mehr als 120 Milliarden Kubikmeter LNG in die EU eingeführt. Den Daten von Kpler zufolge waren es 2024 knapp 22 Milliarden Kubikmeter aus Russland nach 18,41 Milliarden Kubikmetern 2023. Das meiste Flüssigerdgas in der EU kommt nach Angaben der Brüsseler Behörde aus den USA.

    LNG aus Moskau wird in EU weiter genutzt

    Die größten LNG-Importeure in der EU sind nach Angaben der EU-Kommission Frankreich, Spanien, die Niederlande, Belgien und Italien. Von den Terminals in diesen Ländern wird das Gas in die Leitungen eingespeist, vermischt sich mit dem vorhandenen Gas und wird weiter transportiert – auch nach Deutschland.

    Die EU hat zahlreiche Sanktionen gegen russische Energieträger wie Kohle und Öl verhängt. Seit dem Jahreswechsel lässt die Ukraine auch kein Erdgas mehr passieren und hat den Transit durch Pipelines über ihr Staatsgebiet unterbunden. LNG aus Moskau wird aber weiterhin in die Staatengemeinschaft eingeführt.

    Wegen eines laufenden Vertrags importiert das bundeseigene Unternehmen Sefe weiter LNG nach Frankreich. Da Europa keine Sanktionen gegen den Import von russischem LNG nach Europa verhängt habe, gebe es derzeit keine rechtliche Grundlage für die Kündigung oder Aussetzung eines bestehenden Altvertrags zwischen einem russischen Lieferanten und Sefe, teilte das Energieunternehmen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Selbst wenn Sefe das Gas nicht abnähme, müssten die vereinbarten Mengen bezahlt werden. Die Nichtabnahme würde dem Lieferanten ermöglichen, diese Mengen erneut zu verkaufen, was die russische Wirtschaft unterstützen würde, hieß es.

    “Sefe liefert kein russisches LNG nach Deutschland”

    Die von Sefe in Dünkirchen angenommenen LNG-Importe würden an zwei Handelsplätzen in Frankreich und Belgien verkauft. “Sefe liefert kein russisches LNG nach Deutschland oder hat versucht, es dorthin zu liefern”, teilte das Unternehmen weiter mit.

    Die DUH sowie die Organisationen Urgewald, Razom We Stand (Ukraine) und Bond Beter Leefmilieu (Belgien) gehen jedoch davon aus, dass der Anteil russischen Flüssiggases über indirekte Importe via Frankreich und Belgien an den gesamten deutschen Gasimporten im Jahr 2023 zwischen 3 und 9,2 Prozent lag.

    Das Unternehmen Sefe (Securing Energy for Europe GmbH) hieß früher Gazprom Germania, war eine Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom und wurde als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der Energiekrise verstaatlicht. dpa

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    Kommission schlägt Zölle auf Düngemittel aus Russland vor

    Die Kommission hat einen Vorschlag zur Einführung von Zöllen auf eine Reihe landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Russland und Belarus sowie auf bestimmte Düngemittel veröffentlicht. Ziel sei es, die Abhängigkeit von Einfuhren aus den beiden Ländern zu verringern. Vor allem der Import von Düngemittel mache die EU anfällig für mögliche russische Zwangsmaßnahmen und stelle eine Gefahr für die Ernährungssicherheit dar, hieß es von der Brüsseler Behörde.

    Die Zölle sollen außerdem dazu dienen, das Wachstum der europäischen Produktion und der Düngemittelindustrie der EU zu fördern. Nach Annahme des Vorschlags durch den Rat würden alle Agrareinfuhren aus Russland EU-Zöllen unterliegen.

    Europäische Düngehersteller hatten hohe Zölle gefordert

    “Diese Zölle sind sorgfältig kalibriert und dienen mehreren Zielen”, sagte Maroš Šefčovič, Kommissar für Handel und wirtschaftliche Sicherheit. “Wir wollen Russlands Kriegswirtschaft weiter schwächen und gleichzeitig die Abhängigkeiten der EU verringern, unsere Industrie unterstützen und die weltweite Ernährungssicherheit erhalten.”

    Europäische Düngehersteller hatten die Kommission erst kürzlich dazu aufgefordert, hohe Zölle zu erheben. Zwischen europäischen und russischen Herstellern herrschten ungleiche Wettbewerbsbedingungen, sagte Mitte Januar Svein Tore Holsether, Präsident und CEO des norwegischen Düngemittelherstellers Yara International. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sei Europa mit hohen Energiekosten konfrontiert. Gleichzeitig profitiere in Russland die energieintensive Düngemittelproduktion davon, dass mehr Gas im Land bleibe.

    Die Durchfuhr aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Düngemittel aus Russland und Belarus in Drittländer bleibe von den EU-Maßnahmen unberührt, teilte die Kommission mit. sas/jd

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    EU-Zölle: Mercedes schließt sich Geely-Klage an

    Der Autobauer Mercedes-Benz schließt sich einer Klage seines chinesischen Joint-Venture-Partners Geely gegen die EU-Strafzölle auf Elektroautos aus China an. Das Gemeinschaftsunternehmen produziert den elektrischen Smart in China, auch für den europäischen Markt. Zuvor wurde bekannt, dass neben Geely und anderen chinesischen Herstellern wie BYD und SAIC auch Tesla und BMW gegen die EU-Zölle klagen. Bei BMW ist der elektrische Mini betroffen.

    Die EU hat die Zusatzzölle im vergangenen Jahr nach Anti-Subventionsermittlungen eingeführt. Sie liegen zwischen 17 Prozent für BYD und 35,3 Prozent für SAIC, dazu kommen noch die regulären Abgaben von zehn Prozent. Der Zollaufschlag auf den Smart liegt bei knapp 19 Prozent. Die deutsche Autoindustrie lehnt die Zölle ab, da sie chinesische Gegenmaßnahmen befürchtet. rtr

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    “Bereit zur Verteidigung”: Härtere Haltung der EU zu Grönland nach erneuten Drohungen Trumps EURONEWS
    Zurückweisungen an der Grenze: Merz will EU-Recht igno­rieren LTO
    EU-Kommission: Deutsche Minister von Brüssels Plänen zum Bürokratieabbau enttäuscht ZEIT
    Russland streut Desinformation: EU-Parlament fordert härtere Sanktionen T-ONLINE
    EU plans ban on sales of video game kit to Russia FT
    Gasversorgung in der EU: Deutschland ermöglicht große LNG-Importe von Russland nach Europa SPIEGEL
    MKS: Özdemir bittet um EU-Gelder für betroffene Landwirte AGRARHEUTE
    EU-Kommissar Andrius Kubilius: Die Raumfahrt hat für die EU oberste Priorität EURONEWS
    “Hauptthema und Hauptproblem”: Finnland für striktes Vorgehen gegen russische Schattenflotte N-TV
    Nach Protesten tritt serbischer Ministerpräsident Vucevic zurück ZDF
    Besuch aus Dänemark: “Brauchen ein Europa, das sich selbst verteidigt” – Scholz empfängt Frederiksen WELT
    Freilassung von Libyer in Italien: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Meloni TAGESSCHAU
    Repression in der Türkei gegen Oppositionelle und Kulturschaffende TAZ
    Frankreichs Minderheitsregierung: François Bayrou könnte Unterstützung der Sozialisten verlieren ZEIT
    Mahnbrief: Ärztinnenverein sorgt sich um Frauenrechte in Österreich unter Blau-Schwarz DER STANDARD
    Raketenabwehrsystem: Österreich dürfte aus Sky Shield aussteigen KLEINE ZEITUNG
    Unmut in der Slowakei: Fico sucht die Offensive FAZ
    Russlands Geldquelle: Litauen geht gegen Raubgetreide aus besetzten ukrainischen Gebieten vor TOPAGRAR

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    Leonardo-CEO Roberto Cingolani: Europäischer Allrounder

    Roberto Cingolani, CEO des italienischen Rüstungsbauers Leonardo, in Rom im Dezember 2022.

    Etwa zwei Wochen nach dem Einmarsch Russlands 2022 in den Osten der Ukraine kündigte Italien an, die Energieabhängigkeit des Landes von Russland innerhalb von 24 bis 30 Monaten zu beenden. Kopf dahinter: Roberto Cingolani, damals Minister für ökologische Transformation in Italien.

    Gerade strebt Cingolani wieder einmal nach mehr Unabhängigkeit – diesmal als Geschäftsführer des italienischen Waffenallrounders Leonardo. Seit er im Mai 2023 zum CEO von Leonardo wurde, arbeitet Cingolani an einer unabhängigeren europäischen Rüstungsindustrie. Der italienische Staat hält rund 30 Prozent an dem Rüstungskonzern.

    Er habe sich zum Ziel gesetzt, Allianzen in der europäischen Verteidigungsindustrie voranzutreiben, sagte er kürzlich der Süddeutschen Zeitung: “Wir sind groß, aber längst nicht so groß wie etwa US-amerikanische Unternehmen.” Er wolle deshalb “europäische Giganten” schaffen, die “auf Kooperation gründen”. Und er sagt einen ungewöhnlichen Satz für einen Rüstungsmanager: “Wenn wir effizienter planen, brauchen wir vielleicht nicht einmal die zwei Prozent.”

    Rheinmetall und Leonardo hoffen auf lukrativen Auftrag

    Das lässt sich leicht sagen, wenn man auf große Geschäfte hoffen kann. Im Oktober hatte Cingolani in Rom Arm in Arm mit Rheinmetall-Geschäftsführer Armin Papperger die Gründung der Leonardo Rheinmetall Military Vehicles (LRMV) besiegelt. Nachdem vergangene Woche das deutsche Kartellamt das Joint Venture genehmigt hat, hoffen Rheinmetall und Leonardo auf einen lukrativen Auftrag der italienischen Regierung. Italien will in den kommenden Jahren 23 Milliarden Euro für gepanzerte Fahrzeuge ausgeben.

    Einen Absatzmarkt erhofft sich Leonardo auch über Italien hinaus. Die EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten und der Nähe zu Russland und Ländern des Nahen Ostens biete einen großen Absatzmarkt für Landesverteidigung, sagte Cingolani bei dem Treffen in Rom.

    Akademische Karriere führte ihn nach Deutschland

    Leonardo produziert Hubschrauber, Flugzeuge, Waffen für maritime Einsätze und Elektronik. “Ein Zehnkämpfer” wäre sein Unternehmen, wenn es ein Sportler wäre, sagte Cingolani der SZ. Er selbst versucht, das auch zu sein. Früher boxte er, soll gerne Fahrrad und Motorrad fahren und hat in seiner akademischen Karriere als Physiker über 1.000 Artikel veröffentlicht.

    Zehn Jahre leitete er das Istituto italiano di tecnologia in Genua, bis Cingolani 2019 zunächst Innovationschef bei Leonardo wurde und dann Energieminister unter Mario Draghi. Seine Universitätskarriere brachte ihn nach Japan, in die USA und auch nach Deutschland. Von 1988 bis 1991 war er am Max-Planck-Institut in Stuttgart tätig. In Sachbüchern wie “Il mondo è piccolo come un’arancia” (Die Welt ist so klein wie eine Orange) von 2014 versucht er, die Möglichkeiten von Nano-Technologie breiter zu erklären.

    Mit der Energieabhängigkeit Italiens läuft es derzeit allerdings nicht ganz so gut. 2024 importierte Rom wieder mehr Gas aus Russland als im Vorjahr. Gabriel Bub

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    Europe.Table Redaktion

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