Table.Briefing: Europe

EU-Schuldenregeln + Data Act + Luftreinhaltung

Liebe Leserin, lieber Leser,

in den vergangenen Monaten schleppten sich die Verhandlungen über die Reform der EU-Schuldenregeln dahin, ohne dass sich die Pole der Diskussion nennenswert aufeinander zubewegt hätten. In den vergangenen Tagen aber ist Bewegung in die Gespräche gekommen. Die heutige Diskussion der EU-Finanzminister in Brüssel dürfte zwar noch keinen Durchbruch bringen. EU-Diplomaten halten aber eine politische Verständigung unter den Mitgliedstaaten bis Jahresende inzwischen für realistisch.

Deutschland und Frankreich verhandeln intensiv miteinander. Ein Deal der beiden Schwergewichte könnte die Basis für eine Einigung der 27 bilden. In Berlin wird mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass Paris und Madrid die deutsche Kernforderung inzwischen aufgegriffen haben: verbindliche Benchmarks für den Schuldenabbau in den Mitgliedstaaten. Die spanische Ratspräsidentschaft hat in ihren jüngsten Kompromissvorschlag eine Art Sicherheitsmarge für eine solide Haushaltspolitik aufgenommen, um in der Neuverschuldung einen ausreichenden Abstand zum Grenzwert von drei Prozent des BIP zu gewährleisten.

Viele Einzelfragen sind noch strittig, etwa welche Reformen die Regierungen leisten müssen, um mehr Zeit für die Haushaltskonsolidierung zu erhalten. Der belgische Finanzminister Vincent van Peteghem zeigte sich gestern aber zuversichtlich, eine Verständigung im Rat auf den Rechtstext unter belgischer Ratspräsidentschaft Anfang 2024 hinzubekommen und den Trilog mit dem Europaparlament abzuschließen.

Die Zeit drängt: Ab 1. Januar greifen wieder die aktuell wegen Pandemie und Krieg ausgesetzten Sparvorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Hoch verschuldete Staaten wie Italien, Belgien oder Frankreich müssten dann eigentlich heftige fiskalische Bremsmanöver einleiten. Zudem müssten die Verhandlungen mit dem Europaparlament über Teile der Reform bis April abgeschlossen sein – sonst klappt es nicht mehr vor der Europawahl im Juni.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Beitrittsgespräche: Weg für Ukraine und Moldau bald frei, Bosnien muss warten

Die EU-Kommission hat wie erwartet die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und Moldau empfohlen. Zurückhaltender zeigt sich die Behörde im Falle von Bosnien und Herzegowina: Die Beitrittsverhandlungen sollten erst beginnen, wenn die Bedingungen dafür erfüllt seien, sagte Ursula von der Leyen.

Russlands Angriffskrieg und die Beitrittsperspektive der Ukraine hat zwar auch die Kandidaten auf dem Westbalkan neu in den Fokus gerückt. Vor allem Österreich, Slowenien, Kroatien und Italien drängten auf ein klar positives Signal auch für Bosnien und Herzegowina. Die Kommission listet aber 14 Bedingungen auf, die Bosnien zunächst erfüllen muss. Die Behörde will dem Rat im kommenden März über Fortschritte berichten.

Viel Nachholbedarf in Bosnien

Negativ hob von der Leyen vor allem verfassungswidrige Gesetze hervor, verabschiedet in der Republika Srpska, der serbischen Entität Bosniens. Tatsächlich ist der bosnische Gesamtstaat weitgehend dysfunktional, insbesondere wegen der Obstruktionspolitik von Milorad Dodik, Präsident der Republika Srspka und seit Jahren starker Mann in Banja Luka.

Von der Leyen hob zwar Fortschritte beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen, gegen Geldwäsche und Terrorismus hervor. Im Bericht selber wird allerdings selbst dies relativiert: Manchmal wurde eine Strategie beschlossen oder ein Aktionsplan, aber nicht für alle Bereiche und von einer erfolgreichen Umsetzung kann noch keine Rede sein.

Fortschritte in Montenegro

Von der Leyen und Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi versuchten am Mittwoch, die eher bescheidenen Fortschritte der Westbalkanländer hervorzuheben.

  • Am besten von den sechs Staaten steht Montenegro da. Zuletzt sei der Reformprozess aber wegen politischer Instabilität und Polarisierung ins Stocken geraten. Mit einer neuen Regierung und nach der Konstituierung des Parlaments könnte es rasch vorwärtsgehen. Konkret müsste Montenegro Meilensteine bei der Rechtsstaatsreform erreichen. Es geht auch um die Ernennung von Richtern, entsprechend den Vorgaben der Venedig-Kommission. Auch beim Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen seien mehr Anstrengungen nötig, heißt es im Bericht.
  • Serbien habe die Meilensteine erfüllt, um die Kapitel des dritten Clusters mit den Themen Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum zu eröffnen, heißt es im Bericht. Negativ erwähnt wird, dass Serbien sich nach wie vor weigert, das Sanktionsregime der EU gegen Russland zu übernehmen. Kritisch angemerkt wird auch, dass Belgrad zuletzt mit China ein Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. Serbien müsse zudem eine konstruktive Rolle im Dialog mit Pristina spielen und bei der Aufklärung der jüngsten Eskalation im Norden Kosovos mitarbeiten.
  • Albanien, Kosovo und Nordmazedonien stehen ebenfalls bei wichtigen Reformen noch am Anfang. Bei ihnen wird jedoch positiv hervorgehoben, dass alle drei die Sanktionspolitik der EU übernommen haben.

Als neuen Anreiz präsentierte Ursula von der Leyen einen “Wachstumsplan für den Westbalkan”. Dabei sollen die sechs Länder untereinander die Hürden für den wirtschaftlichen Austausch mit Blick auf einen “gemeinsamen regionalen Markt” abbauen. Dies soll Firmen wettbewerbsfähiger machen, Investoren anlocken und die Abwanderung von Arbeitskräften stoppen. Im Gegenzug und geknüpft an Fortschritte in der Region will die EU ihren Binnenmarkt für die sechs Länder schrittweise öffnen, inklusive freien Verkehr von Waren sowie Dienstleistungen und Zugang zum einheitlichen Euro-Zahlungsraum.

Ukraine: 95 Prozent der Bedingungen erfüllt

Das positive Votum der Kommission für die Ukraine und Moldau hatte sich seit einigen Tagen abgezeichnet. Georgien soll aufgewertet werden und den Kandidatenstatus erhalten.

Von der Leyen sprach von einem “historischen Tag”: Zehn Jahre nach dem Euro-Maidan in Kiew, der Ende 2013 begann, komme die Ukraine auf ihrem europäischen Weg einen großen Schritt voran. Ein Datum für den Beitritt nannte sie nicht. Das hänge von Reformen ab.

Die Ukraine habe aber mehr als 95 Prozent der Bedingungen erfüllt, sagte von der Leyen. Die Kommission hat sieben speziell auf die Ukraine zugeschnittene Prüfsteine entwickelt. Dabei geht es etwa um die Bekämpfung der Korruption, die Bändigung der Oligarchen und den Schutz der Minderheiten. Auch Medienfreiheit und Justizreform stehen auf dem Programm.

“Arbeit kann auf der Stelle beginnen”

Nach den nun vorgelegten Fortschrittsberichten kann die Ukraine begrenzte Erfolge vorweisen. Die ukrainische Wirtschaft befinde sich noch “in einem frühen Stadium” auf dem Weg in einer Marktwirtschaft, heißt es darin. Beim Kampf gegen die Korruption gebe es wichtige Fortschritte. Allerdings müssten sie durch weitere Ermittlungen, zusätzliche Strafverfolgung und höchstrichterliche Urteile untermauert werden. Die rechtlichen und operationellen Vorkehrungen im Kampf gegen organisierte Kriminalität seien weiter schwach, erklärt die Kommission.

Von der Leyen sieht darin aber kein Problem für Beitrittsverhandlungen. Einige Reformen seien “noch in der Pipeline”. Diese könnten aber schnell angegangen werden. “Die Arbeit kann auf der Stelle beginnen”, gab sich die Kommissionschefin optimistisch. Auch hier will die Behörde die Reformfortschritte im März erneut bewerten. Danach könnte die Beitrittskonferenz beginnen, sagte von der Leyen.

EU-Staaten müssen einstimmig zustimmen

Zuvor müssen allerdings noch alle 27 EU-Staaten zustimmen. Dies soll beim EU-Gipfel im Dezember geschehen. “Es wäre ein wichtiges Signal, wenn wir im Dezember die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Kiew und Chișinău beschließen”, sagte Anna Lührmann, Europa-Staatsministerin im Auswärtigen Amt, zu Table.Media. Parallel zur Erweiterung solle die EU aber auch interne Reformen vorantreiben. “Unser Ziel ist eine größere und stärkere Union“, so die Grünen-Politikerin.

Noch offen ist, ob Ungarn ein positives Votum blockieren wird. Ein Mitarbeiter von Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte, die Regierung in Budapest werde die Annäherung der Ukraine nur unterstützen, wenn die Minderheitenrechte dort besser geschützt seien.

Unterstützung aus dem Europaparlament

Einhellige Zustimmung kommt aus dem Europaparlament. “Die Entwicklung der Ukraine ist trotz des russischen Angriffs und der Kriegslasten beeindruckend”, sagte der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler. Das Land habe bei Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaat “erhebliche Fortschritte” gemacht. Auch die Republik Moldau habe die Vorbedingungen der EU erfüllt. Sogar die Linke begrüßte das grüne Licht aus Brüssel für die Ukraine.

Vor übertriebenen Hoffnungen warnte allerdings die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD). Allen Beteiligten müsse klar sein, dass die Verhandlungen ihre Zeit benötigen werden. “Die für einen formalen Beitritt notwendigen Kriterien müssen erfüllt werden. Hier dürfen keine Abkürzungen genommen werden.” Von Stephan Israel, Eric Bonse und Till Hoppe

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Data Act: Das Parlament stimmt ab, die Unternehmen bleiben skeptisch

Am heutigen Donnerstag wird das Plenum des Europäischen Parlaments erwartungsgemäß einem Gesetzesvorschlag zustimmen, der von Beginn an großen Widerstand in der deutschen Industrie hervorgerufen hat. Doch auch wenn die Parlamentarier jetzt dem Trilog-Ergebnis zustimmen, wird die Kritik nicht abreißen. Die Unternehmen befürchten Rechtsunsicherheit und Chaos bei der Aufsicht.

“Viele Fragen im EU-Datengesetz sind leider noch offen und zahlreiche Punkte unklar bis widersprüchlich“, kritisiert etwa der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Rechtsunsicherheit gehe zum Beispiel von Begriffen wie “angemessen” aus, der in den Erwägungsgründen mehr als 60-mal vorkommt, wie der IT-Verband Bitkom anmerkt. Etwa wenn Dateninhaber und Nutzer “angemessene technische und organisatorische Maßnahmen” ergreifen sollen, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen.

Datenmonopole aufbrechen

Mit dem Datengesetz will die EU faire Regeln für den Austausch von Daten schaffen, die von vernetzten Produkten erzeugt werden. So soll ein europäischer Binnenmarkt für Daten entstehen. Ziel sei es “die Datenmonopole der Hersteller” zu brechen und den “Nutzern die Kontrolle über ihre Daten” zu geben, sagt etwa Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Europa-SPD.

Insgesamt sieht Wölken darin eine Stärkung des Verbraucherschutzes. Das Gesetz “kurbelt den Wettbewerb um die besten Produkte und Ideen an und bricht die Macht dominanter Tech-Konzerne“. Viele deutsche Unternehmen – vor allem die großen Player – fürchten dagegen, dass ihnen beim Teilen der Daten Geschäftsgeheimnisse verloren gehen.

Verbände verlangen Unterstützung von der Kommission

Die Unternehmen benötigten Unterstützung von der Kommission in Form von Auslegungshilfen, erklärt der VDMA. Auch sollte die Kommission die avisierte offizielle “Muster-Datenteilungsvereinbarung für den B2B-Bereich” schnellstmöglich zur Verfügung stellen, damit die Unternehmen den neuen Anforderungen schnell und rechtssicher Rechnung tragen könnten.

Ähnlich sieht das Jochen Reinschmidt, Bereichsleiter Digitalisierung beim ZVEI. Der Data Act werde voraussichtlich für große Teile der Elektro- und Digitalindustrie weitreichendere Folgen haben als die DSGVO. Viele Unternehmen seien sich der Konsequenzen des Datengesetzes jedoch noch nicht bewusst. “Es benötigt dringend mehr Vorlauf, um sich auf neue regulatorische Vorgaben einzustellen“, sagt Reinschmidt. Viele Fragen der praktischen Umsetzung des Data Acts seien offen. Daher fordert auch er von der Kommission “praxisnahe Guidelines zur Umsetzung”.

Alle sollten jetzt mit der Vorbereitung beginnen

Zeitgleich empfehlen die Verbände den Unternehmen, sich bereits jetzt auf die veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen vorzubereiten. Um die Möglichkeiten der Datenökonomie für sich nutzen zu können, sei es wichtig, “die eigenen Datenströme und -flüsse zu analysieren sowie die zugehörigen Chancen und Risiken individuell zu bewerten” – auch im Hinblick auf bestehende oder neu entstehende Geschäftsmodelle, rät Jan Paul Marschollek vom VDMA.

Aber nicht nur die Unternehmen müssen sich vorbereiten – auch die Bundesregierung. Der Data Act wird als Verordnung unmittelbar wirksam und sieht vor, dass die Mitgliedstaaten selbst die Aufsicht übernehmen. “Die Bundesregierung muss sich jetzt frühzeitig um die Ernennung und die personelle Ausstattung der vom Data Act geforderten neuen Institutionen bemühen”, sagt Reinschmidt vom ZVEI. Neu zu schaffende Stellen, wie der Data Coordinator oder die Schiedsstellen müssten bereits vor Ablauf der Übergangsfrist arbeitsfähig sein, um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben.

Wer soll die Aufsicht übernehmen?

Der Bitkom hofft, dass es nicht erneut zu Streit und Kompetenzgerangel kommt, so wie etwa beim Digital Service Coordinator. Auch für den Data Governance Act sei noch keine Stelle benannt, kritisiert der Verband. Erschwerend kommt beim Data Act hinzu, dass sich hier verschiedene Stellen berufen fühlen könnten. Zum einen die Datenschutzbeauftragten: Denn auch wenn es im Data Act in der Hauptsache um nicht-personenbezogene Daten geht und er die DSGVO ausdrücklich unangetastet lässt, so können auch personenbezogene Daten unter den Data Act fallen. Zumindest besteht hier ein Abgrenzungsproblem.

Als Aufsichtsbehörde käme zudem die Bundesnetzagentur infrage. Mitreden wollen werden auch sektorale Aufsichtsbehörden – wie etwa das Kraftfahrtbundesamt oder auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Entscheidend sei aber, wer das ganze koordiniert und dass es klare und effiziente Verfahren gebe, betont der Bitkom.

Der Data Act etabliert das Eigentumsrecht im digitalen Raum

“In den Grabenkämpfen der Brüsseler Lobbyschlacht um Geschäftsgeheimnisse und die DSGVO ist die eigentliche Revolution, die der Data Act mitbringt, untergegangen”, meint Damian Boeselager (Volt), der als Schattenberichterstatter für die Fraktion der Grünen/EFA den Data Act mitverhandelt hat. Der Data Act gebe der europäischen Industrie die Chance, “ihre digitalen Geschäftsmodelle weltweit führend zu machen”.

Entscheidend sei zum Beispiel, dass der Data Act das Eigentumsrecht im digitalen Raum etabliere und damit den vergütungsfreien Zugriff von Herstellern auf die Daten aus Produkten beende, die ihnen nicht mehr gehören. Bisher habe das Recht des Stärkeren gegolten, nun liege es bei den Nutzern. Der Data Act schaffe mehr Wettbewerb. Und anders als etwa der DSA oder der DMA sei er keine Regulierung ex-post in Märkten, die bereits “gekippt” seien. Vielmehr schaffe der Data Act neue Datenmärkte, “indem er Nutzern die Wahl lässt, mit wem sie Daten teilen wollen”.

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Termine

10.11.-12.11.2023, Berlin
RLS, Konferenz Wohnen klimagerecht organisieren
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) diskutiert die Herausforderungen des Wohnungsbaus. INFOS & ANMELDUNG

10.11.-12.11.2023, Bonn
FES, Seminar Chinas Aufstieg – Konsequenzen und Herausforderungen für die EU
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) geht der Frage nach, in welchen Bereichen China Partner, Wettbewerber oder systemischer Rivale ist. INFOS & ANMELDUNG

10.11.2023 – 09:00-16:00 Uhr, Berlin/online
TÜV, Konferenz AI Forum 2023
Der TÜV beschäftigt sich mit der Prüfbarkeit von generativer KI. INFOS & ANMELDUNG

12.12.-14.12.2023, Ho Chi-Minh City (Vietnam)
FSR, Seminar Gas market design, structure and regulation
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the LNGnet Project, launched in Spring of 2021 by the European Commission to enhance the liquidity, flexibility, transparency, and sustainability of the global LNG market.  INFOS & REGISTRATION

13.11.-16.11.2023, Berlin
Tagesspiegel, Konferenz Future Sustainability Week 2023
Der Tagesspiegel setzt sich mit den Hebeln für die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auseinander. INFOS & ANMELDUNG

13.11.-15.11.2023, Berlin/online
SZ, Konferenz Wirtschaftsgipfel
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) diskutiert aktuelle Herausforderungen für die globale Wirtschaftspolitik. INFOS & ANMELDUNG

13.11.2023 – 14:00-15:00 Uhr, online
ETUI, Presentation Surveillance capitalism and EU (de)regulation
The European Trade Union Institute (ETUI) discusses the lack of political will to enforce GDPR and data protection regulation, as related to AI production. INFOS & REGISTRATION

13.11.2023 – 17:00-18:30 Uhr, online
Europa Union, Discussion Navigating the future – German-Polish relations in 2023 and beyond
Europa Union discusses the future of German-Polish relations after the pivotal elections in Poland on October 15th. INFOS & REGISTRATION

14.11.-15.11.2023, Berlin
Handelsblatt, Konferenz Real Estate – Bewährungsprobe für die Branche: Chancen und Geschäftsmodelle 2024
Das Handelsblatt stellt aktuelle Marktinformationen zur Verfügung. INFOS & ANMELDUNG

14.11.-15.11.2023, Bordeaux (Frankreich)/online
Conference Battery Innovation Days
The Battery Innovation Days provide a dialogue plattform for the research community, policymakers, industry players and end-users to boost battery research and innovation in Europe.  INFOS & REGISTRATION

14.11.2023 – 09:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Pillars, Conference Future-Proofing the Workforce
Pillars discusses how to future-proof the workforce in the face of technological disruption. INFOS & REGISTRATION

14.11.2023 – 14:00-18:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
Eurogas, Conference Gas Infrastructure Planning: Challenges & Opportunities
Eurogas addresses the question how gas infrastructure can evolve to support the establishment of an integrated, resilient and decarbonised energy ecosystem. INFOS & REGISTRATION

14.11.2023 – 17:00-18:30 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
FES, Panel Discussion On a Mission to reshape Europe
The Friedrich-Ebert-Stiftung discusses how to build an EU that succeeds in protecting us at home, through community, and from external risks. INFOS & REGISTRATION

14.11.2023 – 18:00-20:00 Uhr, Berlin
DGAP, Podiumsdiskussion Altes aufgeben, Neues wagen: Politik zwischen Westafrika, Deutschland und Frankreich
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) beschäftigt sich mit der politischen Situation in Mali und Burkina-Faso nach dem Abzug der französischen Truppen.  INFOS & ANMELDUNG

14.11.2023 – 19:00 Uhr, Hamburg
Körber Stiftung, Vortrag Afghanistan unter den Taliban: Ein Land im freien Fall
Die Körber Stiftung geht der Frage nach, wie es den Menschen in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban geht. INFOS & ANMELDUNG

17.11.2023 – 09:30-15:45 Uhr, Bologna (Italien)
FAAS, Conference Sustainability Day 2023!
The Forum on Automotive Aftermarket Sustainability (FAAS) provides presentations on topics and challenges while highlighting the innovations necessary to achieve net-zero and other sustainability objectives. INFOS & REGISTRATION

News

Rat und Parlament einigen sich auf eID

Rat und Parlament haben am Mittwoch im Trilog eine vorläufige Einigung über einen neuen Rechtsrahmen für eine europäische digitale Identität (eID) erzielt. Mit der Verordnung mache die EU “einen grundlegenden Schritt, damit die Bürgerinnen und Bürger über eine eindeutige und sichere europäische digitale Identität verfügen können”, sagte Nadia Calviño, Spaniens Wirtschafts- und Digitalministerin.

Die überarbeitete Verordnung soll den universellen Zugang für Menschen und Unternehmen zu einer sicheren und vertrauenswürdigen elektronischen Identifizierung und Authentifizierung gewährleisten. Bisher haben viele Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – die digitale Brieftasche nicht in vollem Umfang umgesetzt. Das soll sich nun ändern.

Auch Führerschein oder Diplom passen in die digitale Brieftasche

Die digitale Brieftasche soll nicht nur die nationale Identität nachweisen, sondern auch andere elektronische Nachweise umfassen, wie etwa den Führerschein, Diplome oder das Bankkonto.

Mit der eID werde die Digitalisierung des öffentlichen Sektors und der Gesellschaft als Ganzes vorangetrieben, sagte die Berichterstatterin des Parlaments, Romana Jerković (S&D). “Das Gesetz zielt darauf ab, das tägliche Leben der EU-Bürger zu verbessern, indem es den Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen erleichtert – nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf Reisen und Aufenthalten in anderen EU-Mitgliedstaaten.” Dabei behielten die Bürger die vollständige Kontrolle über die Verwendung und Weitergabe ihrer Daten.

Das Ergebnis des Trilogs muss nun von Parlament und Rat gebilligt werden. Der Industrieausschuss ITRE wird am 28. November darüber abstimmen. vis

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Luftreinhaltung: Deutschland enthält sich

Bei der heutigen Abstimmung im Kreis der EU-Botschafter (AStV I) zur Luftreinhaltungsrichtlinie wird sich Deutschland nach Informationen von Table.Media enthalten. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Die Mitgliedstaaten, die einen Prüfvorbehalt geltend gemacht haben, hatten bis gestern Abend Zeit, um ihre Position deutlich zu machen. Zu den Mitgliedstaaten, die Prüfbedarf hatten, gehört Deutschland. In EU-Kreisen wird damit gerechnet, dass der spanische Kompromissvorschlag heute eine qualifizierte Mehrheit bekommt und auf dieser Basis beim Umweltrat am 18. Dezember die allgemeine Ausrichtung erfolgen kann.  

Die Kommission hatte vorgeschlagen, die Grenzwerte für Luftschadstoffe 2030 an die Empfehlungen der WHO anzunähern. Ihren Plänen nach sollten Grenzwerte für wichtige Luftschadstoffe teils mehr als halbiert werden. Das Parlament will noch darüber hinausgehen und macht sich für eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der WHO-Empfehlungen stark. mgr

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Renaturierung: Spannung vor letztem Trilog

Am heutigen Donnerstag startet um 14 Uhr der letzte Trilog über den Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur – ein Text, der politischen Sprengstoff birgt. Die Kommission wird einen Kompromissvorschlag vorlegen.

Noch offen ist, ob das Parlament diesen Kompromiss unterstützen wird. Insbesondere die konservative EVP lehnt laut einer den Verhandlungen nahestehenden Quelle weiterhin jegliche Wiedereinführung von Wiederherstellungszielen in landwirtschaftlichen Ökosystemen ab. Deshalb haben die Befürworter des Textes die Sorge, dass die Verhandlungen doch noch in eine Sackgasse führen könnten – denn der Kompromissentwurf enthält bereits viele Zugeständnisse an die Konservativen, heißt es.

Die Wiederaufnahme dieser Ziele in den Text ist auch ein Ziel der spanischen Ratspräsidentschaft, die von der spanischen Ministerin für Energie, Umwelt und Klimawandel, Teresa Ribera, vertreten wurde. Dass Minister selbst verhandeln, ist äußerst selten. Normalerweise sitzen die EU-Botschafter für den Rat am Tisch. Die Personalwahl der spanischen Ratspräsidentschaft kann als Zeichen für die politisch aufgeheizte Situation gewertet werden. Riberas Verhandlungsführung gilt als offen, kommunikativ und hart in der Sache. cst

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Wirtschaftsweise fordern Stärkung der EU-Wertpapieraufsicht ESMA

Der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung fordert eine stärkere Harmonisierung der Wertpapieraufsicht in der EU, um die Kapitalmärkte zu stärken. In ihrem Jahresgutachten 2023/2024 schreiben die sogenannten Wirtschaftsweisen, trotz der Kapitalverkehrsfreiheit seien die Kapitalmärkte in der EU immer noch stark fragmentiert. Um diese Zersplitterung zu reduzieren, sollte die regulatorische Harmonisierung etwa bei finanzieller Berichterstattung von Unternehmen oder bei der steuerlichen Behandlung von grenzüberschreitenden Investitionen vorangetrieben werden.

“Eine starke europäische Aufsicht durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) könnte die Harmonisierung und Integration vorantreiben und wäre somit ein wichtiger Schritt hin zur Vollendung der Kapitalmarktunion”, heißt es in dem Gutachten. Die Wirtschaftsweisen unterstreichen, sehr gut “integrierte europäische Kapitalmärkte können Risiken diversifizieren und bieten Unternehmen ein breites Spektrum von Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere in Form von Eigenkapital”.

Die Sachverständigen mahnen zudem mehr Tempo für die Vollendung der Bankenunion in der EU an. “Angesichts der Größe der europäischen Banken und ihrer Rolle als Kapitalmarktakteure würde die Vollendung der Bankenunion die grenzüberschreitende Kapitalmarktintegration fördern”, schreiben die Gutachter. Auch wenn es keine direkten rechtlichen Hindernisse für grenzüberschreitende Bankgeschäfte gebe, spielten institutionelle Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. So würden beispielsweise grenzüberschreitende Bankenfusionen durch die fehlende gemeinsame europäische Einlagensicherung und die noch nicht vollständig auf die EU-Ebene übertragene Bankenabwicklung behindert. cr

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Arbeitgeber fordern weniger Staat in der Wirtschaft

Der Arbeitgeberverband Business Europe fordert, dass die Kommission im nächsten Mandat bei Gesetzgebungsvorschlägen Zurückhaltung übt bei neuen Vorgaben für die Wirtschaft. Zudem soll sie ernst machen mit dem Bürokratieabbau. Das steht im Sieben-Punkte-Plan des Interessenverbandes an die Parteien im Vorfeld der Europawahl 2024.

“Die Europäische Union muss aufhören, die Unternehmen bis ins kleinste Detail zu micromanagen“, heißt es von Business Europe. Die von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte 25-Prozent-Reduzierung der Berichtspflichten für Unternehmen sei zwar “ein guter erster Schritt”, aber Europa müsse weit darüber hinaus gehen.

Weniger Eingriffe bei Sozialpolitik

Daher drängt Business Europe auf Zurückhaltung bei politischen Eingriffen. Zudem solle es weniger Reformen bei Verordnungen im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik geben. Hier hatte die EU in der aktuellen Legislaturperiode mehr Maßnahmen auf den Weg gebracht, beispielsweise die Mindestlohnrichtlinie oder das Gesetz zur Plattformarbeit.

Der aktuelle “regulative und übermäßig präskriptive Ansatz in der europäischen Sozialpolitik” missachte häufig die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, kritisiert Business Europe. Stattdessen soll sich die Union auf das Funktionieren des Binnenmarktes konzentrieren. Zum Beispiel beim Abbau von Hürden bei der Freizügigkeit helfen und dafür sorgen, dass Abschlüsse unionsweit besser anerkennt werden. Zudem müssten Gesetzesinitiativen immer unter der Prämisse der Wettbewerbsfähigkeit geprüft werden.

Handelsabkommen auch mit “Nicht-Gleichgesinnten”

Ein zentraler Punkt ist für die Arbeitgeber außerdem Europas Rolle in der Welt. Der Verband warnt davor, dass Europa sich zu sehr abschotten könnte. Das würde der Wirtschaft schaden. Schon jetzt werde Europa von vielen Entwicklungsländern als zunehmend protektionistisch wahrgenommen. Business Europe fordert dagegen neue Handelsabkommen – mit weniger Fokus darauf, ob die Partner das Wertesystem der Europäer teilen.

“Europa wird Wege finden müssen, sich mit allen Handelspartnern zu arrangieren und nicht nur mit denen, die wir als gleich gesinnt betrachten. Angesichts der sich ständig verändernden politischen Landschaft, kann ein gleichgesinnter Partner von heute schon morgen nicht mehr ein gleichgesinnter Partner sein”, heißt es in dem Papier.

Entzug von EU-Mitteln bei Haushalts-Laissez-Faire

Beim Thema Haushalt pocht man auf verbindliche Vorgaben. “Die Schaffung eines glaubwürdigen, respektierten, investitions- und wachstumsfreundlichen Rahmens für die wirtschaftliche Governance ist wesentlich.” Eine Konzentration auf die Netto-Primärausgaben der Mitgliedstaaten könne die Regeln vereinfachen und den Staaten helfen, mittelfristige Anpassungspfade zu entwickeln, um zu den Stabilitätskriterien zurückzukehren. Um das glaubwürdig Durchzusetzen will der Verband Defizitsünder mit dem Entzug von EU-Mitteln bestrafen.

Der Verband legte auch seinen ökonomischen Herbstausblick vor. Darin geht Business Europe von einem Wirtschaftswachstum in der EU von 0,7 Prozent für 2023 aus und von 1,4 Prozent für 2024. Das entspricht einer leichten Anpassung um 0,2 Prozentpunkte nach unten für das kommende Jahr gegenüber dem Ausblick aus dem Sommer. lei

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Mercosur: Entwaldungsfreie Lieferketten Thema

Brasilianische Beamte haben am Mittwoch erklärt, dass die Richtlinie zur Bekämpfung von Entwaldung die Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Mercosur-Block erschweren. Die EU-Gesetzgeber hatten die Vorschriften im April verabschiedet. Diese verlangen von den Herstellern von Soja, Rindfleisch, Kaffee, Holz und anderen Waren den Nachweis erbringen müssen, dass ihre Lieferkette frei von Abholzung ist. Ansonsten dürfen diese Produkte nicht in die EU eingeführt werden.

Obwohl die EU-Importeure für die Einhaltung der neuen Vorschriften verantwortlich sind, sagte die brasilianische Außenhandelsministerin Tatiana Prazeres, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Exporteure in Form von höheren Kosten und mehr Bürokratie bei den Handelsgesprächen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. “Man kann nicht mit einer Hand anbieten, was man mit der anderen wegnimmt”, sagte die Außenhandelsministerin. Sie hofft, dass das Thema der Umsetzung der Richtlinie bei den Verhandlungen zum Mercosur-Freihandelsabkommen auf den Tisch kommt.

Ein europäischer Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters: “Wir versuchen, ihnen zu versichern, dass die Umsetzung einige ihrer Bedenken berücksichtigen wird.” Außenhandelsministerin Pazeres als auch der Wirtschafts- und Finanzminister des Außenministeriums, Mauricio Lyrio, erklärten, dass sie damit rechnen, dass am 7. Dezember das Zustandekommen des Mercosur-Abkommen verkündet werden könne. rtr

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DSA: Tiktok und Youtube sollen Infos zum Jugendschutz vorlegen

Youtube und Tiktok sollen der EU Informationen darüber liefern, wie sie die neuen EU-Vorschriften für Online-Inhalte zum Schutz von Kindern einhalten. Das sagte eine Person mit direkter Kenntnis der Angelegenheit am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. EU-Industriechef Thierry Breton werde seine Aufforderung an die Unternehmen am Freitag senden, fügte die Quelle hinzu.

Die neuen EU-Vorschriften, die mit dem Digital Services Act (DSA) in Kraft getreten sind, verlangen von Big Tech, dass sie mehr tun, um schädliche und illegale Online-Inhalte zu bekämpfen, insbesondere Inhalte, die auf Minderjährige abzielen. Gegen die Plattform X, ehemals Twitter, hat die EU wegen möglicher Nichteinhaltung des DSAs sogar eine Ermittlung eingeleitet. rtr

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Presseschau

EU-Kommission empfiehlt Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ukraine und Moldau EURONEWS
Selenskyj: Europa hat den richtigen Schritt getan NDR
Jubel, Trubel, Heiterkeit: Georgiens Hauptstädter glücklich über EU-Empfehlung BERLINER ZEITUNG
Staatsschulden: EU-Finanzminister verschleppen Reform des Stabilitätspakts HANDELSBLATT
EU-Klimawandel-Forscher sehen wärmstes Jahr seit 125.000 Jahren MDR
Inhaftierung: Schwedischer EU-Mitarbeiter im Iran angeklagt DER STANDARD
Cate Blanchett fordert EU auf, Menschlichkeit wieder in den Mittelpunkt der Asylpolitik zu stellen EURONEWS
Auffällig hohe Reisekosten der EU-Agentur Frontex WELT
Biodiversitätskrise: Der Artenschwund spitzt sich zu SUEDDEUTSCHE
Neue Regeln fürs Banking: Sofortüberweisungen bald in der ganzen EU SPIEGEL
EU-Einigung auf letzte Details zur digitalen Brieftasche HANDELSBLATT
E-Schrottsammelmenge in der EU steigt auf fast fünf Mio Tonnen EUWID-RECYCLING
E-Autos könnten deutlich teurer werden: Berlin bittet die EU um Zoll-Aufschub FAZ
Agrarpolitik: Wie die EU den Bauern das Leben schwer macht SWR
EU erteilt Zulassung für Tierfutter aus dem Labor WEB.DE
Dieses Ranking zeigt die europäischen Wirtschafts-Riesen WELT
KI-Experte: EU vernachlässigt Investitionen, priorisiert Regularien EURACTIV
YouTube: Adblocker-Erkennung verstößt angeblich gegen EU-Recht COMPUTERBASE

Standpunkt

Wenn am Sonntag Europawahl wäre … Ein Comeback der EVP

Von Manuel Müller
Manuel Müller erstellt seit 2014 regelmäßig Sitzprojektionen zur Europawahl.

Noch vor acht Wochen sah es so aus, als ob das Rennen um den ersten Platz bei der Europawahl 2024 besonders spannend werden könnte. In der letzten Sitzprojektion im September hatten die Sozialdemokrat:innen (S&D) erheblich Boden gutgemacht, und der Vorsprung der Europäischen Volkspartei (EVP) war so niedrig wie fast nie in dieser Wahlperiode.

Blickt man jetzt auf die europäischen Umfragen, zeigt sich ein ganz anderes Bild: Die EVP erzielte zuletzt nicht nur bei den nationalen Wahlen in Luxemburg und Polen Erfolge, sondern konnte auch in Deutschland und Spanien stark zulegen. Insgesamt käme die Fraktion damit im Basisszenario der Sitzprojektion auf 170 Sitze – acht mehr als im September. Im dynamischen Szenario, das auch mögliche Fraktionsbeitritte neuer Mitgliedsparteien mit berücksichtigt, erreicht die EVP mit 178 Sitzen sogar mehr als im aktuellen Parlament.

S&D büßt für Rauswurf slowakischer Mitgliedsparteien

Die S&D hingegen muss starke Einbußen hinnehmen und kommt nur noch auf 137 Sitze (-⁠10 gegenüber September / dynamisches Szenario: 138). Das liegt zum Teil daran, dass die Sozialdemokrat:innen in verschiedenen größeren Mitgliedstaaten in den Umfragen zuletzt etwas schwächer abschnitten. Wichtiger ist aber ein anderer Faktor – nämlich die Entscheidung der Fraktion, ihre slowakischen Mitgliedsparteien Smer und Hlas auszuschließen. Bei der slowakischen Parlamentswahl im September hatte sich Smer-Chef Robert Fico durch LGBT-feindliche und russlandfreundliche Äußerungen hervorgetan; nach seinem Wahlsieg hatten Smer und Hlas eine Koalition mit der rechtsextremen Partei SNS gebildet.

Die Sozialdemokrat:innen, die in der Vergangenheit die EVP für deren langes Festhalten an der ungarischen Fidesz kritisiert hatten, sahen ihre eigene Glaubwürdigkeit gefährdet. Mit dem Ausschluss von Smer und Hlas gaben sie einer kohärenten Linie in Wertefragen den Vorrang gegenüber dem Ziel, die größte Fraktion im Parlament zu werden. Ohne die beiden slowakischen Parteien, die in der Projektion zusammen immerhin auf sieben Sitze kommen, dürfte die S&D große Schwierigkeiten haben, die EVP noch einzuholen.

Renew, Grüne und Linke verlieren

Aber nicht nur die S&D fällt in der aktuellen Sitzprojektion zurück. Auch die übrigen Fraktionen des Mitte-links-Lagers kommen nicht aus ihrem Umfragetief. Die liberale Renew-Fraktion steht nach Einbußen in Frankreich bei 90 Sitzen (-1 / dynamisches Szenario: 96), ihr schlechtester Wert seit drei Jahren. Die Grünen erreichen nach dem Wahldebakel in Luxemburg und schwachen Umfragewerten in einigen anderen Mitgliedstaaten derzeit nur noch 43 Sitze (-⁠3 / dynamisches Szenario: 47). Auch die Linksfraktion stagniert bei 43 Sitzen (±0 / dynamisches Szenario: 46).

Hingegen können sich auf der anderen Seite des politischen Spektrums die beiden Rechtsfraktionen auf hohem Niveau konsolidieren. Die EKR-Fraktion um Giorgia Melonis Fratelli d’Italia und die polnische PiS käme nun auf 78 Sitze (+1 / dynamisches Szenario: 89), die ID-Fraktion mit Marine Le Pens Rassemblement National und der deutschen AfD auf 76 Sitze (+2 / dynamisches Szenario 92). Wenig Veränderung gibt es bei den fraktionslosen Abgeordneten, die nun auf 38 Sitze kämen (+1 / dynamisches Szenario: 34).

Historischer Rechtsruck

Sollte sich diese Sitzprojektion bei der Europawahl bewahrheiten, wäre es ein Rechtsruck historischen Ausmaßes. Mit 181 von 720 Sitzen würden die Fraktionen rechts der EVP erstmals mehr als ein Viertel des gesamten Parlaments ausmachen. Umgekehrt wären die Fraktionen links der EVP – Sozialdemokrat:innen, Liberale, Grüne und Linke – mit zusammen 327 von 720 Sitzen so schwach wie noch nie und hätten auch keine gemeinsame Mehrheit mehr. Entscheidungen im Europäischen Parlament wären damit de facto nur noch mit der EVP möglich, der ihrerseits gleich drei verschiedene Mehrheitsoptionen zur Verfügung stünden: mit S&D und Renew (412 Sitze), mit Renew und EKR (363 Sitze) oder sogar mit EKR und ID (359 Sitze).

Ob es wirklich dazu kommt, bleibt aber natürlich den europäischen Wähler:innen überlassen. Die Sitzprojektion ist nur eine Momentaufnahme der politischen Stimmung – und bis zur Europawahl ist es noch über ein halbes Jahr.

Da es keine gesamteuropäischen Wahlumfragen gibt, basiert die hier vorgestellte Sitzprojektion auf aggregierten nationalen Umfragen und Wahlergebnissen aus allen Mitgliedstaaten. Im Basisszenario sind alle nationalen Parteien jeweils ihrer aktuellen Fraktion (bzw. der Fraktion ihrer europäischen Dachpartei) zugeordnet; Parteien ohne eindeutige Zuordnung sind als “Sonstige” ausgewiesen. Das dynamische Szenario weist alle “sonstigen” Parteien jeweils einer Fraktion zu, der diese plausiblerweise beitreten könnten, und bezieht auch andere mögliche Veränderungen der Fraktionen ein.

Nähere Hinweise zu Datengrundlage und Methodik der Projektion sowie eine genauere Aufschlüsselung der Ergebnisse finden sich auf dem Blog Der (europäische) Föderalist.

  • Europawahlen 2024

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in den vergangenen Monaten schleppten sich die Verhandlungen über die Reform der EU-Schuldenregeln dahin, ohne dass sich die Pole der Diskussion nennenswert aufeinander zubewegt hätten. In den vergangenen Tagen aber ist Bewegung in die Gespräche gekommen. Die heutige Diskussion der EU-Finanzminister in Brüssel dürfte zwar noch keinen Durchbruch bringen. EU-Diplomaten halten aber eine politische Verständigung unter den Mitgliedstaaten bis Jahresende inzwischen für realistisch.

    Deutschland und Frankreich verhandeln intensiv miteinander. Ein Deal der beiden Schwergewichte könnte die Basis für eine Einigung der 27 bilden. In Berlin wird mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass Paris und Madrid die deutsche Kernforderung inzwischen aufgegriffen haben: verbindliche Benchmarks für den Schuldenabbau in den Mitgliedstaaten. Die spanische Ratspräsidentschaft hat in ihren jüngsten Kompromissvorschlag eine Art Sicherheitsmarge für eine solide Haushaltspolitik aufgenommen, um in der Neuverschuldung einen ausreichenden Abstand zum Grenzwert von drei Prozent des BIP zu gewährleisten.

    Viele Einzelfragen sind noch strittig, etwa welche Reformen die Regierungen leisten müssen, um mehr Zeit für die Haushaltskonsolidierung zu erhalten. Der belgische Finanzminister Vincent van Peteghem zeigte sich gestern aber zuversichtlich, eine Verständigung im Rat auf den Rechtstext unter belgischer Ratspräsidentschaft Anfang 2024 hinzubekommen und den Trilog mit dem Europaparlament abzuschließen.

    Die Zeit drängt: Ab 1. Januar greifen wieder die aktuell wegen Pandemie und Krieg ausgesetzten Sparvorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Hoch verschuldete Staaten wie Italien, Belgien oder Frankreich müssten dann eigentlich heftige fiskalische Bremsmanöver einleiten. Zudem müssten die Verhandlungen mit dem Europaparlament über Teile der Reform bis April abgeschlossen sein – sonst klappt es nicht mehr vor der Europawahl im Juni.

    Ihr
    Till Hoppe
    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    Beitrittsgespräche: Weg für Ukraine und Moldau bald frei, Bosnien muss warten

    Die EU-Kommission hat wie erwartet die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und Moldau empfohlen. Zurückhaltender zeigt sich die Behörde im Falle von Bosnien und Herzegowina: Die Beitrittsverhandlungen sollten erst beginnen, wenn die Bedingungen dafür erfüllt seien, sagte Ursula von der Leyen.

    Russlands Angriffskrieg und die Beitrittsperspektive der Ukraine hat zwar auch die Kandidaten auf dem Westbalkan neu in den Fokus gerückt. Vor allem Österreich, Slowenien, Kroatien und Italien drängten auf ein klar positives Signal auch für Bosnien und Herzegowina. Die Kommission listet aber 14 Bedingungen auf, die Bosnien zunächst erfüllen muss. Die Behörde will dem Rat im kommenden März über Fortschritte berichten.

    Viel Nachholbedarf in Bosnien

    Negativ hob von der Leyen vor allem verfassungswidrige Gesetze hervor, verabschiedet in der Republika Srpska, der serbischen Entität Bosniens. Tatsächlich ist der bosnische Gesamtstaat weitgehend dysfunktional, insbesondere wegen der Obstruktionspolitik von Milorad Dodik, Präsident der Republika Srspka und seit Jahren starker Mann in Banja Luka.

    Von der Leyen hob zwar Fortschritte beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen, gegen Geldwäsche und Terrorismus hervor. Im Bericht selber wird allerdings selbst dies relativiert: Manchmal wurde eine Strategie beschlossen oder ein Aktionsplan, aber nicht für alle Bereiche und von einer erfolgreichen Umsetzung kann noch keine Rede sein.

    Fortschritte in Montenegro

    Von der Leyen und Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi versuchten am Mittwoch, die eher bescheidenen Fortschritte der Westbalkanländer hervorzuheben.

    • Am besten von den sechs Staaten steht Montenegro da. Zuletzt sei der Reformprozess aber wegen politischer Instabilität und Polarisierung ins Stocken geraten. Mit einer neuen Regierung und nach der Konstituierung des Parlaments könnte es rasch vorwärtsgehen. Konkret müsste Montenegro Meilensteine bei der Rechtsstaatsreform erreichen. Es geht auch um die Ernennung von Richtern, entsprechend den Vorgaben der Venedig-Kommission. Auch beim Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen seien mehr Anstrengungen nötig, heißt es im Bericht.
    • Serbien habe die Meilensteine erfüllt, um die Kapitel des dritten Clusters mit den Themen Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum zu eröffnen, heißt es im Bericht. Negativ erwähnt wird, dass Serbien sich nach wie vor weigert, das Sanktionsregime der EU gegen Russland zu übernehmen. Kritisch angemerkt wird auch, dass Belgrad zuletzt mit China ein Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. Serbien müsse zudem eine konstruktive Rolle im Dialog mit Pristina spielen und bei der Aufklärung der jüngsten Eskalation im Norden Kosovos mitarbeiten.
    • Albanien, Kosovo und Nordmazedonien stehen ebenfalls bei wichtigen Reformen noch am Anfang. Bei ihnen wird jedoch positiv hervorgehoben, dass alle drei die Sanktionspolitik der EU übernommen haben.

    Als neuen Anreiz präsentierte Ursula von der Leyen einen “Wachstumsplan für den Westbalkan”. Dabei sollen die sechs Länder untereinander die Hürden für den wirtschaftlichen Austausch mit Blick auf einen “gemeinsamen regionalen Markt” abbauen. Dies soll Firmen wettbewerbsfähiger machen, Investoren anlocken und die Abwanderung von Arbeitskräften stoppen. Im Gegenzug und geknüpft an Fortschritte in der Region will die EU ihren Binnenmarkt für die sechs Länder schrittweise öffnen, inklusive freien Verkehr von Waren sowie Dienstleistungen und Zugang zum einheitlichen Euro-Zahlungsraum.

    Ukraine: 95 Prozent der Bedingungen erfüllt

    Das positive Votum der Kommission für die Ukraine und Moldau hatte sich seit einigen Tagen abgezeichnet. Georgien soll aufgewertet werden und den Kandidatenstatus erhalten.

    Von der Leyen sprach von einem “historischen Tag”: Zehn Jahre nach dem Euro-Maidan in Kiew, der Ende 2013 begann, komme die Ukraine auf ihrem europäischen Weg einen großen Schritt voran. Ein Datum für den Beitritt nannte sie nicht. Das hänge von Reformen ab.

    Die Ukraine habe aber mehr als 95 Prozent der Bedingungen erfüllt, sagte von der Leyen. Die Kommission hat sieben speziell auf die Ukraine zugeschnittene Prüfsteine entwickelt. Dabei geht es etwa um die Bekämpfung der Korruption, die Bändigung der Oligarchen und den Schutz der Minderheiten. Auch Medienfreiheit und Justizreform stehen auf dem Programm.

    “Arbeit kann auf der Stelle beginnen”

    Nach den nun vorgelegten Fortschrittsberichten kann die Ukraine begrenzte Erfolge vorweisen. Die ukrainische Wirtschaft befinde sich noch “in einem frühen Stadium” auf dem Weg in einer Marktwirtschaft, heißt es darin. Beim Kampf gegen die Korruption gebe es wichtige Fortschritte. Allerdings müssten sie durch weitere Ermittlungen, zusätzliche Strafverfolgung und höchstrichterliche Urteile untermauert werden. Die rechtlichen und operationellen Vorkehrungen im Kampf gegen organisierte Kriminalität seien weiter schwach, erklärt die Kommission.

    Von der Leyen sieht darin aber kein Problem für Beitrittsverhandlungen. Einige Reformen seien “noch in der Pipeline”. Diese könnten aber schnell angegangen werden. “Die Arbeit kann auf der Stelle beginnen”, gab sich die Kommissionschefin optimistisch. Auch hier will die Behörde die Reformfortschritte im März erneut bewerten. Danach könnte die Beitrittskonferenz beginnen, sagte von der Leyen.

    EU-Staaten müssen einstimmig zustimmen

    Zuvor müssen allerdings noch alle 27 EU-Staaten zustimmen. Dies soll beim EU-Gipfel im Dezember geschehen. “Es wäre ein wichtiges Signal, wenn wir im Dezember die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Kiew und Chișinău beschließen”, sagte Anna Lührmann, Europa-Staatsministerin im Auswärtigen Amt, zu Table.Media. Parallel zur Erweiterung solle die EU aber auch interne Reformen vorantreiben. “Unser Ziel ist eine größere und stärkere Union“, so die Grünen-Politikerin.

    Noch offen ist, ob Ungarn ein positives Votum blockieren wird. Ein Mitarbeiter von Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte, die Regierung in Budapest werde die Annäherung der Ukraine nur unterstützen, wenn die Minderheitenrechte dort besser geschützt seien.

    Unterstützung aus dem Europaparlament

    Einhellige Zustimmung kommt aus dem Europaparlament. “Die Entwicklung der Ukraine ist trotz des russischen Angriffs und der Kriegslasten beeindruckend”, sagte der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler. Das Land habe bei Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaat “erhebliche Fortschritte” gemacht. Auch die Republik Moldau habe die Vorbedingungen der EU erfüllt. Sogar die Linke begrüßte das grüne Licht aus Brüssel für die Ukraine.

    Vor übertriebenen Hoffnungen warnte allerdings die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD). Allen Beteiligten müsse klar sein, dass die Verhandlungen ihre Zeit benötigen werden. “Die für einen formalen Beitritt notwendigen Kriterien müssen erfüllt werden. Hier dürfen keine Abkürzungen genommen werden.” Von Stephan Israel, Eric Bonse und Till Hoppe

    • Bosnien-Herzegowina
    • EU-Erweiterung
    • Georgien
    • Kosovo
    • Moldau
    • Serbien

    Data Act: Das Parlament stimmt ab, die Unternehmen bleiben skeptisch

    Am heutigen Donnerstag wird das Plenum des Europäischen Parlaments erwartungsgemäß einem Gesetzesvorschlag zustimmen, der von Beginn an großen Widerstand in der deutschen Industrie hervorgerufen hat. Doch auch wenn die Parlamentarier jetzt dem Trilog-Ergebnis zustimmen, wird die Kritik nicht abreißen. Die Unternehmen befürchten Rechtsunsicherheit und Chaos bei der Aufsicht.

    “Viele Fragen im EU-Datengesetz sind leider noch offen und zahlreiche Punkte unklar bis widersprüchlich“, kritisiert etwa der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Rechtsunsicherheit gehe zum Beispiel von Begriffen wie “angemessen” aus, der in den Erwägungsgründen mehr als 60-mal vorkommt, wie der IT-Verband Bitkom anmerkt. Etwa wenn Dateninhaber und Nutzer “angemessene technische und organisatorische Maßnahmen” ergreifen sollen, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen.

    Datenmonopole aufbrechen

    Mit dem Datengesetz will die EU faire Regeln für den Austausch von Daten schaffen, die von vernetzten Produkten erzeugt werden. So soll ein europäischer Binnenmarkt für Daten entstehen. Ziel sei es “die Datenmonopole der Hersteller” zu brechen und den “Nutzern die Kontrolle über ihre Daten” zu geben, sagt etwa Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Europa-SPD.

    Insgesamt sieht Wölken darin eine Stärkung des Verbraucherschutzes. Das Gesetz “kurbelt den Wettbewerb um die besten Produkte und Ideen an und bricht die Macht dominanter Tech-Konzerne“. Viele deutsche Unternehmen – vor allem die großen Player – fürchten dagegen, dass ihnen beim Teilen der Daten Geschäftsgeheimnisse verloren gehen.

    Verbände verlangen Unterstützung von der Kommission

    Die Unternehmen benötigten Unterstützung von der Kommission in Form von Auslegungshilfen, erklärt der VDMA. Auch sollte die Kommission die avisierte offizielle “Muster-Datenteilungsvereinbarung für den B2B-Bereich” schnellstmöglich zur Verfügung stellen, damit die Unternehmen den neuen Anforderungen schnell und rechtssicher Rechnung tragen könnten.

    Ähnlich sieht das Jochen Reinschmidt, Bereichsleiter Digitalisierung beim ZVEI. Der Data Act werde voraussichtlich für große Teile der Elektro- und Digitalindustrie weitreichendere Folgen haben als die DSGVO. Viele Unternehmen seien sich der Konsequenzen des Datengesetzes jedoch noch nicht bewusst. “Es benötigt dringend mehr Vorlauf, um sich auf neue regulatorische Vorgaben einzustellen“, sagt Reinschmidt. Viele Fragen der praktischen Umsetzung des Data Acts seien offen. Daher fordert auch er von der Kommission “praxisnahe Guidelines zur Umsetzung”.

    Alle sollten jetzt mit der Vorbereitung beginnen

    Zeitgleich empfehlen die Verbände den Unternehmen, sich bereits jetzt auf die veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen vorzubereiten. Um die Möglichkeiten der Datenökonomie für sich nutzen zu können, sei es wichtig, “die eigenen Datenströme und -flüsse zu analysieren sowie die zugehörigen Chancen und Risiken individuell zu bewerten” – auch im Hinblick auf bestehende oder neu entstehende Geschäftsmodelle, rät Jan Paul Marschollek vom VDMA.

    Aber nicht nur die Unternehmen müssen sich vorbereiten – auch die Bundesregierung. Der Data Act wird als Verordnung unmittelbar wirksam und sieht vor, dass die Mitgliedstaaten selbst die Aufsicht übernehmen. “Die Bundesregierung muss sich jetzt frühzeitig um die Ernennung und die personelle Ausstattung der vom Data Act geforderten neuen Institutionen bemühen”, sagt Reinschmidt vom ZVEI. Neu zu schaffende Stellen, wie der Data Coordinator oder die Schiedsstellen müssten bereits vor Ablauf der Übergangsfrist arbeitsfähig sein, um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben.

    Wer soll die Aufsicht übernehmen?

    Der Bitkom hofft, dass es nicht erneut zu Streit und Kompetenzgerangel kommt, so wie etwa beim Digital Service Coordinator. Auch für den Data Governance Act sei noch keine Stelle benannt, kritisiert der Verband. Erschwerend kommt beim Data Act hinzu, dass sich hier verschiedene Stellen berufen fühlen könnten. Zum einen die Datenschutzbeauftragten: Denn auch wenn es im Data Act in der Hauptsache um nicht-personenbezogene Daten geht und er die DSGVO ausdrücklich unangetastet lässt, so können auch personenbezogene Daten unter den Data Act fallen. Zumindest besteht hier ein Abgrenzungsproblem.

    Als Aufsichtsbehörde käme zudem die Bundesnetzagentur infrage. Mitreden wollen werden auch sektorale Aufsichtsbehörden – wie etwa das Kraftfahrtbundesamt oder auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Entscheidend sei aber, wer das ganze koordiniert und dass es klare und effiziente Verfahren gebe, betont der Bitkom.

    Der Data Act etabliert das Eigentumsrecht im digitalen Raum

    “In den Grabenkämpfen der Brüsseler Lobbyschlacht um Geschäftsgeheimnisse und die DSGVO ist die eigentliche Revolution, die der Data Act mitbringt, untergegangen”, meint Damian Boeselager (Volt), der als Schattenberichterstatter für die Fraktion der Grünen/EFA den Data Act mitverhandelt hat. Der Data Act gebe der europäischen Industrie die Chance, “ihre digitalen Geschäftsmodelle weltweit führend zu machen”.

    Entscheidend sei zum Beispiel, dass der Data Act das Eigentumsrecht im digitalen Raum etabliere und damit den vergütungsfreien Zugriff von Herstellern auf die Daten aus Produkten beende, die ihnen nicht mehr gehören. Bisher habe das Recht des Stärkeren gegolten, nun liege es bei den Nutzern. Der Data Act schaffe mehr Wettbewerb. Und anders als etwa der DSA oder der DMA sei er keine Regulierung ex-post in Märkten, die bereits “gekippt” seien. Vielmehr schaffe der Data Act neue Datenmärkte, “indem er Nutzern die Wahl lässt, mit wem sie Daten teilen wollen”.

    • Bitkom
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    Termine

    10.11.-12.11.2023, Berlin
    RLS, Konferenz Wohnen klimagerecht organisieren
    Die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) diskutiert die Herausforderungen des Wohnungsbaus. INFOS & ANMELDUNG

    10.11.-12.11.2023, Bonn
    FES, Seminar Chinas Aufstieg – Konsequenzen und Herausforderungen für die EU
    Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) geht der Frage nach, in welchen Bereichen China Partner, Wettbewerber oder systemischer Rivale ist. INFOS & ANMELDUNG

    10.11.2023 – 09:00-16:00 Uhr, Berlin/online
    TÜV, Konferenz AI Forum 2023
    Der TÜV beschäftigt sich mit der Prüfbarkeit von generativer KI. INFOS & ANMELDUNG

    12.12.-14.12.2023, Ho Chi-Minh City (Vietnam)
    FSR, Seminar Gas market design, structure and regulation
    The Florence School of Regulation (FSR) addresses the LNGnet Project, launched in Spring of 2021 by the European Commission to enhance the liquidity, flexibility, transparency, and sustainability of the global LNG market.  INFOS & REGISTRATION

    13.11.-16.11.2023, Berlin
    Tagesspiegel, Konferenz Future Sustainability Week 2023
    Der Tagesspiegel setzt sich mit den Hebeln für die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auseinander. INFOS & ANMELDUNG

    13.11.-15.11.2023, Berlin/online
    SZ, Konferenz Wirtschaftsgipfel
    Die Süddeutsche Zeitung (SZ) diskutiert aktuelle Herausforderungen für die globale Wirtschaftspolitik. INFOS & ANMELDUNG

    13.11.2023 – 14:00-15:00 Uhr, online
    ETUI, Presentation Surveillance capitalism and EU (de)regulation
    The European Trade Union Institute (ETUI) discusses the lack of political will to enforce GDPR and data protection regulation, as related to AI production. INFOS & REGISTRATION

    13.11.2023 – 17:00-18:30 Uhr, online
    Europa Union, Discussion Navigating the future – German-Polish relations in 2023 and beyond
    Europa Union discusses the future of German-Polish relations after the pivotal elections in Poland on October 15th. INFOS & REGISTRATION

    14.11.-15.11.2023, Berlin
    Handelsblatt, Konferenz Real Estate – Bewährungsprobe für die Branche: Chancen und Geschäftsmodelle 2024
    Das Handelsblatt stellt aktuelle Marktinformationen zur Verfügung. INFOS & ANMELDUNG

    14.11.-15.11.2023, Bordeaux (Frankreich)/online
    Conference Battery Innovation Days
    The Battery Innovation Days provide a dialogue plattform for the research community, policymakers, industry players and end-users to boost battery research and innovation in Europe.  INFOS & REGISTRATION

    14.11.2023 – 09:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    Pillars, Conference Future-Proofing the Workforce
    Pillars discusses how to future-proof the workforce in the face of technological disruption. INFOS & REGISTRATION

    14.11.2023 – 14:00-18:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
    Eurogas, Conference Gas Infrastructure Planning: Challenges & Opportunities
    Eurogas addresses the question how gas infrastructure can evolve to support the establishment of an integrated, resilient and decarbonised energy ecosystem. INFOS & REGISTRATION

    14.11.2023 – 17:00-18:30 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    FES, Panel Discussion On a Mission to reshape Europe
    The Friedrich-Ebert-Stiftung discusses how to build an EU that succeeds in protecting us at home, through community, and from external risks. INFOS & REGISTRATION

    14.11.2023 – 18:00-20:00 Uhr, Berlin
    DGAP, Podiumsdiskussion Altes aufgeben, Neues wagen: Politik zwischen Westafrika, Deutschland und Frankreich
    Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) beschäftigt sich mit der politischen Situation in Mali und Burkina-Faso nach dem Abzug der französischen Truppen.  INFOS & ANMELDUNG

    14.11.2023 – 19:00 Uhr, Hamburg
    Körber Stiftung, Vortrag Afghanistan unter den Taliban: Ein Land im freien Fall
    Die Körber Stiftung geht der Frage nach, wie es den Menschen in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban geht. INFOS & ANMELDUNG

    17.11.2023 – 09:30-15:45 Uhr, Bologna (Italien)
    FAAS, Conference Sustainability Day 2023!
    The Forum on Automotive Aftermarket Sustainability (FAAS) provides presentations on topics and challenges while highlighting the innovations necessary to achieve net-zero and other sustainability objectives. INFOS & REGISTRATION

    News

    Rat und Parlament einigen sich auf eID

    Rat und Parlament haben am Mittwoch im Trilog eine vorläufige Einigung über einen neuen Rechtsrahmen für eine europäische digitale Identität (eID) erzielt. Mit der Verordnung mache die EU “einen grundlegenden Schritt, damit die Bürgerinnen und Bürger über eine eindeutige und sichere europäische digitale Identität verfügen können”, sagte Nadia Calviño, Spaniens Wirtschafts- und Digitalministerin.

    Die überarbeitete Verordnung soll den universellen Zugang für Menschen und Unternehmen zu einer sicheren und vertrauenswürdigen elektronischen Identifizierung und Authentifizierung gewährleisten. Bisher haben viele Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – die digitale Brieftasche nicht in vollem Umfang umgesetzt. Das soll sich nun ändern.

    Auch Führerschein oder Diplom passen in die digitale Brieftasche

    Die digitale Brieftasche soll nicht nur die nationale Identität nachweisen, sondern auch andere elektronische Nachweise umfassen, wie etwa den Führerschein, Diplome oder das Bankkonto.

    Mit der eID werde die Digitalisierung des öffentlichen Sektors und der Gesellschaft als Ganzes vorangetrieben, sagte die Berichterstatterin des Parlaments, Romana Jerković (S&D). “Das Gesetz zielt darauf ab, das tägliche Leben der EU-Bürger zu verbessern, indem es den Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen erleichtert – nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf Reisen und Aufenthalten in anderen EU-Mitgliedstaaten.” Dabei behielten die Bürger die vollständige Kontrolle über die Verwendung und Weitergabe ihrer Daten.

    Das Ergebnis des Trilogs muss nun von Parlament und Rat gebilligt werden. Der Industrieausschuss ITRE wird am 28. November darüber abstimmen. vis

    • Digitalisierung
    • Digitalpolitik
    • eID
    • ITRE

    Luftreinhaltung: Deutschland enthält sich

    Bei der heutigen Abstimmung im Kreis der EU-Botschafter (AStV I) zur Luftreinhaltungsrichtlinie wird sich Deutschland nach Informationen von Table.Media enthalten. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Die Mitgliedstaaten, die einen Prüfvorbehalt geltend gemacht haben, hatten bis gestern Abend Zeit, um ihre Position deutlich zu machen. Zu den Mitgliedstaaten, die Prüfbedarf hatten, gehört Deutschland. In EU-Kreisen wird damit gerechnet, dass der spanische Kompromissvorschlag heute eine qualifizierte Mehrheit bekommt und auf dieser Basis beim Umweltrat am 18. Dezember die allgemeine Ausrichtung erfolgen kann.  

    Die Kommission hatte vorgeschlagen, die Grenzwerte für Luftschadstoffe 2030 an die Empfehlungen der WHO anzunähern. Ihren Plänen nach sollten Grenzwerte für wichtige Luftschadstoffe teils mehr als halbiert werden. Das Parlament will noch darüber hinausgehen und macht sich für eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der WHO-Empfehlungen stark. mgr

    • Deutschland
    • Gesundheit
    • Klima & Umwelt
    • Luftqualität
    • Umweltpolitik

    Renaturierung: Spannung vor letztem Trilog

    Am heutigen Donnerstag startet um 14 Uhr der letzte Trilog über den Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur – ein Text, der politischen Sprengstoff birgt. Die Kommission wird einen Kompromissvorschlag vorlegen.

    Noch offen ist, ob das Parlament diesen Kompromiss unterstützen wird. Insbesondere die konservative EVP lehnt laut einer den Verhandlungen nahestehenden Quelle weiterhin jegliche Wiedereinführung von Wiederherstellungszielen in landwirtschaftlichen Ökosystemen ab. Deshalb haben die Befürworter des Textes die Sorge, dass die Verhandlungen doch noch in eine Sackgasse führen könnten – denn der Kompromissentwurf enthält bereits viele Zugeständnisse an die Konservativen, heißt es.

    Die Wiederaufnahme dieser Ziele in den Text ist auch ein Ziel der spanischen Ratspräsidentschaft, die von der spanischen Ministerin für Energie, Umwelt und Klimawandel, Teresa Ribera, vertreten wurde. Dass Minister selbst verhandeln, ist äußerst selten. Normalerweise sitzen die EU-Botschafter für den Rat am Tisch. Die Personalwahl der spanischen Ratspräsidentschaft kann als Zeichen für die politisch aufgeheizte Situation gewertet werden. Riberas Verhandlungsführung gilt als offen, kommunikativ und hart in der Sache. cst

    • Klima & Umwelt
    • Trilog

    Wirtschaftsweise fordern Stärkung der EU-Wertpapieraufsicht ESMA

    Der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung fordert eine stärkere Harmonisierung der Wertpapieraufsicht in der EU, um die Kapitalmärkte zu stärken. In ihrem Jahresgutachten 2023/2024 schreiben die sogenannten Wirtschaftsweisen, trotz der Kapitalverkehrsfreiheit seien die Kapitalmärkte in der EU immer noch stark fragmentiert. Um diese Zersplitterung zu reduzieren, sollte die regulatorische Harmonisierung etwa bei finanzieller Berichterstattung von Unternehmen oder bei der steuerlichen Behandlung von grenzüberschreitenden Investitionen vorangetrieben werden.

    “Eine starke europäische Aufsicht durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) könnte die Harmonisierung und Integration vorantreiben und wäre somit ein wichtiger Schritt hin zur Vollendung der Kapitalmarktunion”, heißt es in dem Gutachten. Die Wirtschaftsweisen unterstreichen, sehr gut “integrierte europäische Kapitalmärkte können Risiken diversifizieren und bieten Unternehmen ein breites Spektrum von Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere in Form von Eigenkapital”.

    Die Sachverständigen mahnen zudem mehr Tempo für die Vollendung der Bankenunion in der EU an. “Angesichts der Größe der europäischen Banken und ihrer Rolle als Kapitalmarktakteure würde die Vollendung der Bankenunion die grenzüberschreitende Kapitalmarktintegration fördern”, schreiben die Gutachter. Auch wenn es keine direkten rechtlichen Hindernisse für grenzüberschreitende Bankgeschäfte gebe, spielten institutionelle Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. So würden beispielsweise grenzüberschreitende Bankenfusionen durch die fehlende gemeinsame europäische Einlagensicherung und die noch nicht vollständig auf die EU-Ebene übertragene Bankenabwicklung behindert. cr

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    Arbeitgeber fordern weniger Staat in der Wirtschaft

    Der Arbeitgeberverband Business Europe fordert, dass die Kommission im nächsten Mandat bei Gesetzgebungsvorschlägen Zurückhaltung übt bei neuen Vorgaben für die Wirtschaft. Zudem soll sie ernst machen mit dem Bürokratieabbau. Das steht im Sieben-Punkte-Plan des Interessenverbandes an die Parteien im Vorfeld der Europawahl 2024.

    “Die Europäische Union muss aufhören, die Unternehmen bis ins kleinste Detail zu micromanagen“, heißt es von Business Europe. Die von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte 25-Prozent-Reduzierung der Berichtspflichten für Unternehmen sei zwar “ein guter erster Schritt”, aber Europa müsse weit darüber hinaus gehen.

    Weniger Eingriffe bei Sozialpolitik

    Daher drängt Business Europe auf Zurückhaltung bei politischen Eingriffen. Zudem solle es weniger Reformen bei Verordnungen im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik geben. Hier hatte die EU in der aktuellen Legislaturperiode mehr Maßnahmen auf den Weg gebracht, beispielsweise die Mindestlohnrichtlinie oder das Gesetz zur Plattformarbeit.

    Der aktuelle “regulative und übermäßig präskriptive Ansatz in der europäischen Sozialpolitik” missachte häufig die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, kritisiert Business Europe. Stattdessen soll sich die Union auf das Funktionieren des Binnenmarktes konzentrieren. Zum Beispiel beim Abbau von Hürden bei der Freizügigkeit helfen und dafür sorgen, dass Abschlüsse unionsweit besser anerkennt werden. Zudem müssten Gesetzesinitiativen immer unter der Prämisse der Wettbewerbsfähigkeit geprüft werden.

    Handelsabkommen auch mit “Nicht-Gleichgesinnten”

    Ein zentraler Punkt ist für die Arbeitgeber außerdem Europas Rolle in der Welt. Der Verband warnt davor, dass Europa sich zu sehr abschotten könnte. Das würde der Wirtschaft schaden. Schon jetzt werde Europa von vielen Entwicklungsländern als zunehmend protektionistisch wahrgenommen. Business Europe fordert dagegen neue Handelsabkommen – mit weniger Fokus darauf, ob die Partner das Wertesystem der Europäer teilen.

    “Europa wird Wege finden müssen, sich mit allen Handelspartnern zu arrangieren und nicht nur mit denen, die wir als gleich gesinnt betrachten. Angesichts der sich ständig verändernden politischen Landschaft, kann ein gleichgesinnter Partner von heute schon morgen nicht mehr ein gleichgesinnter Partner sein”, heißt es in dem Papier.

    Entzug von EU-Mitteln bei Haushalts-Laissez-Faire

    Beim Thema Haushalt pocht man auf verbindliche Vorgaben. “Die Schaffung eines glaubwürdigen, respektierten, investitions- und wachstumsfreundlichen Rahmens für die wirtschaftliche Governance ist wesentlich.” Eine Konzentration auf die Netto-Primärausgaben der Mitgliedstaaten könne die Regeln vereinfachen und den Staaten helfen, mittelfristige Anpassungspfade zu entwickeln, um zu den Stabilitätskriterien zurückzukehren. Um das glaubwürdig Durchzusetzen will der Verband Defizitsünder mit dem Entzug von EU-Mitteln bestrafen.

    Der Verband legte auch seinen ökonomischen Herbstausblick vor. Darin geht Business Europe von einem Wirtschaftswachstum in der EU von 0,7 Prozent für 2023 aus und von 1,4 Prozent für 2024. Das entspricht einer leichten Anpassung um 0,2 Prozentpunkte nach unten für das kommende Jahr gegenüber dem Ausblick aus dem Sommer. lei

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    Mercosur: Entwaldungsfreie Lieferketten Thema

    Brasilianische Beamte haben am Mittwoch erklärt, dass die Richtlinie zur Bekämpfung von Entwaldung die Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Mercosur-Block erschweren. Die EU-Gesetzgeber hatten die Vorschriften im April verabschiedet. Diese verlangen von den Herstellern von Soja, Rindfleisch, Kaffee, Holz und anderen Waren den Nachweis erbringen müssen, dass ihre Lieferkette frei von Abholzung ist. Ansonsten dürfen diese Produkte nicht in die EU eingeführt werden.

    Obwohl die EU-Importeure für die Einhaltung der neuen Vorschriften verantwortlich sind, sagte die brasilianische Außenhandelsministerin Tatiana Prazeres, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Exporteure in Form von höheren Kosten und mehr Bürokratie bei den Handelsgesprächen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. “Man kann nicht mit einer Hand anbieten, was man mit der anderen wegnimmt”, sagte die Außenhandelsministerin. Sie hofft, dass das Thema der Umsetzung der Richtlinie bei den Verhandlungen zum Mercosur-Freihandelsabkommen auf den Tisch kommt.

    Ein europäischer Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters: “Wir versuchen, ihnen zu versichern, dass die Umsetzung einige ihrer Bedenken berücksichtigen wird.” Außenhandelsministerin Pazeres als auch der Wirtschafts- und Finanzminister des Außenministeriums, Mauricio Lyrio, erklärten, dass sie damit rechnen, dass am 7. Dezember das Zustandekommen des Mercosur-Abkommen verkündet werden könne. rtr

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    DSA: Tiktok und Youtube sollen Infos zum Jugendschutz vorlegen

    Youtube und Tiktok sollen der EU Informationen darüber liefern, wie sie die neuen EU-Vorschriften für Online-Inhalte zum Schutz von Kindern einhalten. Das sagte eine Person mit direkter Kenntnis der Angelegenheit am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. EU-Industriechef Thierry Breton werde seine Aufforderung an die Unternehmen am Freitag senden, fügte die Quelle hinzu.

    Die neuen EU-Vorschriften, die mit dem Digital Services Act (DSA) in Kraft getreten sind, verlangen von Big Tech, dass sie mehr tun, um schädliche und illegale Online-Inhalte zu bekämpfen, insbesondere Inhalte, die auf Minderjährige abzielen. Gegen die Plattform X, ehemals Twitter, hat die EU wegen möglicher Nichteinhaltung des DSAs sogar eine Ermittlung eingeleitet. rtr

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    Presseschau

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    Standpunkt

    Wenn am Sonntag Europawahl wäre … Ein Comeback der EVP

    Von Manuel Müller
    Manuel Müller erstellt seit 2014 regelmäßig Sitzprojektionen zur Europawahl.

    Noch vor acht Wochen sah es so aus, als ob das Rennen um den ersten Platz bei der Europawahl 2024 besonders spannend werden könnte. In der letzten Sitzprojektion im September hatten die Sozialdemokrat:innen (S&D) erheblich Boden gutgemacht, und der Vorsprung der Europäischen Volkspartei (EVP) war so niedrig wie fast nie in dieser Wahlperiode.

    Blickt man jetzt auf die europäischen Umfragen, zeigt sich ein ganz anderes Bild: Die EVP erzielte zuletzt nicht nur bei den nationalen Wahlen in Luxemburg und Polen Erfolge, sondern konnte auch in Deutschland und Spanien stark zulegen. Insgesamt käme die Fraktion damit im Basisszenario der Sitzprojektion auf 170 Sitze – acht mehr als im September. Im dynamischen Szenario, das auch mögliche Fraktionsbeitritte neuer Mitgliedsparteien mit berücksichtigt, erreicht die EVP mit 178 Sitzen sogar mehr als im aktuellen Parlament.

    S&D büßt für Rauswurf slowakischer Mitgliedsparteien

    Die S&D hingegen muss starke Einbußen hinnehmen und kommt nur noch auf 137 Sitze (-⁠10 gegenüber September / dynamisches Szenario: 138). Das liegt zum Teil daran, dass die Sozialdemokrat:innen in verschiedenen größeren Mitgliedstaaten in den Umfragen zuletzt etwas schwächer abschnitten. Wichtiger ist aber ein anderer Faktor – nämlich die Entscheidung der Fraktion, ihre slowakischen Mitgliedsparteien Smer und Hlas auszuschließen. Bei der slowakischen Parlamentswahl im September hatte sich Smer-Chef Robert Fico durch LGBT-feindliche und russlandfreundliche Äußerungen hervorgetan; nach seinem Wahlsieg hatten Smer und Hlas eine Koalition mit der rechtsextremen Partei SNS gebildet.

    Die Sozialdemokrat:innen, die in der Vergangenheit die EVP für deren langes Festhalten an der ungarischen Fidesz kritisiert hatten, sahen ihre eigene Glaubwürdigkeit gefährdet. Mit dem Ausschluss von Smer und Hlas gaben sie einer kohärenten Linie in Wertefragen den Vorrang gegenüber dem Ziel, die größte Fraktion im Parlament zu werden. Ohne die beiden slowakischen Parteien, die in der Projektion zusammen immerhin auf sieben Sitze kommen, dürfte die S&D große Schwierigkeiten haben, die EVP noch einzuholen.

    Renew, Grüne und Linke verlieren

    Aber nicht nur die S&D fällt in der aktuellen Sitzprojektion zurück. Auch die übrigen Fraktionen des Mitte-links-Lagers kommen nicht aus ihrem Umfragetief. Die liberale Renew-Fraktion steht nach Einbußen in Frankreich bei 90 Sitzen (-1 / dynamisches Szenario: 96), ihr schlechtester Wert seit drei Jahren. Die Grünen erreichen nach dem Wahldebakel in Luxemburg und schwachen Umfragewerten in einigen anderen Mitgliedstaaten derzeit nur noch 43 Sitze (-⁠3 / dynamisches Szenario: 47). Auch die Linksfraktion stagniert bei 43 Sitzen (±0 / dynamisches Szenario: 46).

    Hingegen können sich auf der anderen Seite des politischen Spektrums die beiden Rechtsfraktionen auf hohem Niveau konsolidieren. Die EKR-Fraktion um Giorgia Melonis Fratelli d’Italia und die polnische PiS käme nun auf 78 Sitze (+1 / dynamisches Szenario: 89), die ID-Fraktion mit Marine Le Pens Rassemblement National und der deutschen AfD auf 76 Sitze (+2 / dynamisches Szenario 92). Wenig Veränderung gibt es bei den fraktionslosen Abgeordneten, die nun auf 38 Sitze kämen (+1 / dynamisches Szenario: 34).

    Historischer Rechtsruck

    Sollte sich diese Sitzprojektion bei der Europawahl bewahrheiten, wäre es ein Rechtsruck historischen Ausmaßes. Mit 181 von 720 Sitzen würden die Fraktionen rechts der EVP erstmals mehr als ein Viertel des gesamten Parlaments ausmachen. Umgekehrt wären die Fraktionen links der EVP – Sozialdemokrat:innen, Liberale, Grüne und Linke – mit zusammen 327 von 720 Sitzen so schwach wie noch nie und hätten auch keine gemeinsame Mehrheit mehr. Entscheidungen im Europäischen Parlament wären damit de facto nur noch mit der EVP möglich, der ihrerseits gleich drei verschiedene Mehrheitsoptionen zur Verfügung stünden: mit S&D und Renew (412 Sitze), mit Renew und EKR (363 Sitze) oder sogar mit EKR und ID (359 Sitze).

    Ob es wirklich dazu kommt, bleibt aber natürlich den europäischen Wähler:innen überlassen. Die Sitzprojektion ist nur eine Momentaufnahme der politischen Stimmung – und bis zur Europawahl ist es noch über ein halbes Jahr.

    Da es keine gesamteuropäischen Wahlumfragen gibt, basiert die hier vorgestellte Sitzprojektion auf aggregierten nationalen Umfragen und Wahlergebnissen aus allen Mitgliedstaaten. Im Basisszenario sind alle nationalen Parteien jeweils ihrer aktuellen Fraktion (bzw. der Fraktion ihrer europäischen Dachpartei) zugeordnet; Parteien ohne eindeutige Zuordnung sind als “Sonstige” ausgewiesen. Das dynamische Szenario weist alle “sonstigen” Parteien jeweils einer Fraktion zu, der diese plausiblerweise beitreten könnten, und bezieht auch andere mögliche Veränderungen der Fraktionen ein.

    Nähere Hinweise zu Datengrundlage und Methodik der Projektion sowie eine genauere Aufschlüsselung der Ergebnisse finden sich auf dem Blog Der (europäische) Föderalist.

    • Europawahlen 2024

    Europe.Table Redaktion

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