der Abschlussbericht des Strategiedialogs Landwirtschaft ist so gut wie fertig. Der Vorsitzende der Kommission, der deutsche Hochschullehrer Peter Strohschneider, wolle das Papier diese Woche noch vorstellen, heißt es. Vielleicht morgen, vielleicht Donnerstag. Derzeit werden noch die letzten redaktionellen Änderungen vorgenommen.
Noch gibt es keinen Leak. Lediglich den Teilnehmern des Dialogs – Bauern, Tier- und Umweltschützer und Vertreter der Lebensmittelwirtschaft – waren erste Details zu entlocken. Bei aller Vorsicht: Ihre Berichte dämpfen eher die Erwartungen. Es handele sich eher nicht um eine Blaupause für die künftige Agrarpolitik der Kommission.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zugesagt, innerhalb von 100 Tagen ihre Pläne für die Branche vorzustellen. Wie man hört, sollen immerhin die Vorschläge der Experten recht konkret ausfallen zu der Frage, wie die Stellung der Landwirte gegenüber dem Handel gestärkt werden kann.
Unterm Strich durfte man wohl nicht zu viel erwarten: Sieben Mal haben sich die 30 Experten getroffen, teils zu zweitägigen Plenarsitzungen. Bei diesem komplexen Thema reicht diese Zeit sicher nicht aus, um eine umfassende Vision für die Zukunft der Landwirtschaft zu entwerfen. Warten wir es ab.
Kommen Sie gut durch den Tag.
Paolo Gentiloni ist aller Voraussicht nach nur noch wenige Wochen im Amt, der scheidende EU-Wirtschaftskommissar kann daher freimütiger über politischen Entwicklungen in Mitgliedstaaten sprechen. “Der Groll gegen alles und jeden hat gesiegt”, kommentierte der italienische Sozialdemokrat das starke Abschneiden von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Sachsen und Thüringen. Profitiert von diesem Groll hätten “die schlimmste europäische Rechte” und “die schlimmste Linke”.
Die beiden ostdeutschen Landtagswahlen finden angesichts der deutschen Geschichte weit über die Bundesrepublik hinaus Aufmerksamkeit. Mit der AfD in Thüringen gewinnt zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine rechtsextreme Partei in einem Bundesland. Die “New York Times” etwa schreibt von einem “besorgniserregenden Zeichen für die Gesundheit und Zukunft der deutschen Demokratie”. Sowohl AfD als auch BSW werden zudem als Handlanger des russischen Präsidenten Wladimir Putin wahrgenommen, Gentiloni bezeichnet sie als “die Freunde der Russen im ehemaligen Satelliten-Deutschland der UdSSR”.
Zugleich wirft das desaströse Abschneiden von SPD, Grünen und FDP bei den Wahlen in anderen Hauptstädten Fragen zur Handlungsfähigkeit der aktuellen Bundesregierung auf. “Die Ampel ist am Ende”, sagt ein Diplomat. Manche Beobachter rechnen damit, dass die FDP nach den Landtagswahlen in Brandenburg die Koalition verlässt und Kanzler Olaf Scholz versucht, mit den Grünen bis zum Bundestagswahltermin Ende September 2025 in einer Minderheitsregierung weiterzumachen. Andere halten es für wahrscheinlicher, dass “die Agonie der Ampel noch 13 Monate andauert”, wie es ein ausländischer Deutschlandkenner formuliert. Solange bleibe die Bundesregierung gelähmt.
Leiden dürfte der Einfluss Berlins auf die anstehenden Weichenstellungen in der neuen EU-Legislaturperiode, etwa in den anlaufenden Verhandlungen zum neuen Mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2028 bis 2035. Die Autorität von Kanzler Scholz habe schon vor den jüngsten Wahlen unter der Zerstrittenheit der Koalition gelitten, heißt es: Seine Zusagen hätten häufig nicht auch für die Koalitionspartner gegolten, Robert Habeck und Christian Lindner hätten ihre jeweils eigene Agenda verfolgt. “In großen Fragen müssen wir vorerst nicht nach Berlin kommen”, folgert ein Diplomat.
Im Europaparlament wird die Schwäche der drei proeuropäischen Regierungsparteien mit Besorgnis registriert. “Es ist schockierend, dass die Kanzler-Partei SPD noch nicht einmal annähernd an die Zehn-Prozent-Schwelle kommt”, sagt der rumänische EVP-Fraktionsvize Siegfried Mureșan zu Table.Briefings. Ebenso besorgniserregend sei, wie die Grünen und Liberalen an Bedeutung verlören. Lediglich die CDU habe sich behauptet: Wie beim Wahlsieg von Donald Tusk in Polen über die PiS-Regierung im vergangenen Jahr zeige sich, dass “nur proeuropäische Mitte-Rechts-Parteien in der Lage sind, den Populisten etwas entgegenzusetzen”, sagt Mureșan.
Der italienische Abgeordnete Sandro Gozi, einer der drei Spitzenkandidaten der Liberalen bei den jüngsten Europawahlen, plädiert für eine stärkere Kooperation der proeuropäischen Kräfte: “Diese Ergebnisse zeigen uns, dass die demokratischen Kräfte der Linken, der Mitte und der Rechten ihre Zusammenarbeit verstärken sollten, um konkrete Lösungen auf europäischer und nationaler Ebene zu finden.”
Ein Beobachter aus einem mitteleuropäischen Land hält das für den falschen Weg. Die große Zustimmung zu AfD und BSW in den beiden ostdeutschen Bundesländern zeige, dass die Menschen dort anders auf Probleme wie Migration, Ukrainekrieg oder Kulturkämpfe wie das Gendern blickten. Und sich ihre Meinung von westdeutsch dominierten Parteien oder Medien nicht vorgeben lassen wollten. Erst wenn die Politik in Deutschland diese Spaltung überwinde, etwa durch einen Kurswechsel in der Migrationspolitik, könne dies auch in Europa gelingen. Doch der Wille dazu sei zumindest bei den Ampel-Parteien in Berlin bislang kaum zu erkennen.
Der italienische Wirtschaftsexperte Michele Geraci, der der rechten Lega nahesteht, sieht Parallelen zum eigenen Land. Die Wählerinnen und Wähler in Sachsen und Thüringen hätten “gegen die EU gestimmt, gegen das, was aus der Nato geworden ist, und gegen illegale Migranten”. Es seien dieselben Motive, die die Italiener zur Wahl der Fünf-Sterne-Bewegung, Matteo Salvinis und Giorgia Melonis veranlasst hätten.
Weit rechts stehende, nationalistische Parteien haben bereits in etlichen europäischen Ländern Wahlerfolge errungen. In Italien regiert die rechte Ministerpräsidentin Meloni, in den Niederlanden sitzt der Islamgegner Geert Wilders in der Regierung, in Frankreich rechnet sich Marine Le Pen gute Chancen aus, 2027 neue Staatspräsidentin zu werden. Auch eine linkspopulistische Partei mit EU-kritischen, nationalistischen Untertönen wie das BSW ist keine deutsche Erfindung. “Deutschland wird ein normales europäisches Land”, kommentiert ein Diplomat.
Und doch rufen insbesondere die Erfolge der AfD zusätzliche Befürchtungen hervor. Die AfD-Vertreter gelten selbst Marine Le Pen und Viktor Orbán als zu extrem, sie schlossen die Abgeordneten deshalb aus ihrer neuen Fraktion im Europaparlament aus. “Rechtsextreme Politiker aus Deutschland sind viel schrecklicher als die aus Frankreich, Spanien oder Portugal”, sagt ein ausländischer Beobachter.
Zufrieden werden die Ergebnisse der Landtagswahlen hingegen in Moskau zur Kenntnis genommen. “Panik in Berlin. In Deutschland haben die Gegner der Aufrüstung Kiews gesiegt”, titelt die kremlnahe Zeitung “Argumenty i fakty”. Russische Politiker und Medien bedienen immer wieder das Narrativ, Scholz habe Deutschland unnötig in den Ukrainekrieg hineingezogen.
Für alle sei offensichtlich geworden, dass die Scholz-Regierung nicht Deutschlands Entwicklung und die Probleme der Bürger priorisiere, sagte der Sprecher der russischen Duma, Wjatscheslaw Wolodin. Nach Wolodins Darstellung sei die Wirtschaft in Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig, weil es günstige russische Energieressourcen verloren habe. Mit Viktor Funk, Markus Grabitz, Almut Siefert
Die Bundesregierung setzt sich in Brüssel gegen eine geplante Regelung ein, die die Ansiedlung von Batteriezellfabriken in Deutschland erschweren könnte. Ende Juli hatten sich bereits fünf große deutsche Wirtschaftsverbände gegen den Entwurf der EU-Kommission für einen delegierten Rechtsakt zur Batterieverordnung ausgesprochen. Ab 2028 sollen für Akkus von Elektroautos Höchstwerte für den CO2-Fußabdruck gelten, der bei der Produktion entsteht. Staaten mit einem hohen Anteil von Kohlestrom wären im Nachteil. Der Rechtsakt soll die Methode regeln, um den Fußabdruck zu berechnen.
Gegen den Entwurf wehrt sich nun die Bundesregierung in einem Schreiben an die Kommission, das von Anfang Juli datiert und das Table.Briefings am Montag exklusiv vorlag: “Insgesamt sollten die Methode zur Berechnung des Kohlenstoff-Fußabdrucks von Batterien für Elektrofahrzeuge und die Schwellenwerte, die ab 2026 festgelegt werden sollen, die Investitionen in den EU-Mitgliedstaaten in die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge nicht untergraben, sondern vielmehr dazu beitragen, eine saubere europäische Produktion von weniger klimafreundlichen Batterien aus Drittstaaten zu unterscheiden.”
Bislang war keine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung bekannt zu diesem Rechtsakt, in dem die Industrie eine Richtungsentscheidung für die Ansiedlung von Fabriken für grüne Technologien sieht. Einen ersten Antrag von Table.Briefings auf Zugang zu dem Dokument hatte die Kommission nach Rücksprache mit der Bundesregierung unter anderem mit dem Argument abgelehnt, dass die Stellungnahme die internationalen Beziehungen beeinflussen könne. Ein Blick ins Dokument zeigt nun, warum.
Als Drittstaaten nennt die Bundesregierung explizit die USA und China. Dort sei der CO2-Fußabdruck der Stromproduktion 50 Prozent höher beziehungsweise doppelt so hoch wie im EU-Schnitt. Allerdings will die Bundesregierung offenbar dafür sorgen, dass günstige Batterien aus China weiter importiert werden können: “Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass die geplanten Höchstwerte den Zugang der europäischen Automobilhersteller zu ausländischer Batterietechnologie und die Ziele für Elektrofahrzeuge nicht behindern.”
Flexible Regelungen sollen laut der Stellungnahme sicherstellen, dass ausreichend Batterien verfügbar sind. Als eine Option für mehr Flexibilität nennt die Bundesregierung das “Pooling”. Eine Erklärung fehlt. Gemeint sein könnte damit, dass der zulässige CO2-Fußabdruck nicht für jede einzelne Batterie gelten soll, sondern für einen Durchschnitt einer größeren Zahl von Akkus.
Wichtigstes Ziel der Bundesregierung ist aber, dass der europäische Durchschnittswert für spezifischen Treibhausgasemission der Stromproduktion von aktuell 270 Gramm CO2 pro Kilowattstunde in der Berechnungsmethode für alle Mitgliedstaaten bis 2030 maßgeblich sein soll. Erst nach einer anschließenden, schrittweisen Übergangsphase sollen in dem delegierten Rechtsakt ab 2035 die nationalen Werte für den Strommix voll gelten.
Die EU-Kommission dagegen will die nationalen Werte schon von Beginn an verbindlich machen. Profitieren würden davon Staaten wie Schweden, Finnland und Frankreich, die besonders hohe Anteile von erneuerbaren Energien und Kernkraft haben.
Um ihren Kurs gegenüber den europäischen Partnern zu rechtfertigen, bemüht die Bundesregierung eher allgemeine Argumente: “Eine zu schnelle Verwendung nationaler Strommixe droht das Vertrauen der Investoren in die Batteriezellenproduktion und der OEMs in die Hersteller aus den Mitgliedstaaten zu untergraben, da die CO2-Intensität in den Mitgliedstaaten im Status quo sehr unterschiedlich ist.” Alternativ will die Kommission den Batterieherstellern ermöglichen, ihre Fabriken direkt mit Wind- oder Solarparks zu verbinden. Doch auch der Bau solcher Leitungen brauche mehr Zeit, argumentiert Berlin.
Bemerkenswert: Indirekt räumt die Bundesregierung ein, dass die von der Industrie favorisierten Zertifikate für den Nachweis des Grünstrombezugs anfällig für Missbrauch sind: “Die strikte Beschränkung der Anrechnung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, die direkt an den Verbraucher angeschlossen sind, verhindert zwar den Missbrauch von Zertifikaten, da ein direkter Anschluss leichter zu kontrollieren ist als ein Zertifikat, benachteiligt aber strukturell die Offshore-Windenergie.”
Bis 2035 sollten laut Bundesregierung auch Beteiligungen oder Investitionen von Industrieunternehmen in Erneuerbare-Energien-Anlagen auf den CO2-Fußabdruck angerechnet werden, wobei an verschiedenen Stellen nicht nur von Offshore-Windparks die Rede ist. Genau das hatten auch die Wirtschaftsverbände gefordert.
Ohne ausreichend ausgebaute Stromnetze könnte es allerdings dazu kommen, dass fossile Kraftwerke in Deutschland hochgefahren werden müssen, wenn zum Beispiel der saubere Strom aus einem firmeneigenen Windpark in Spanien oder der Nordsee nicht bis zur Fabrik nach Ludwigshafen gelangt. Mit Markus Grabitz
04.09.-05.09.2024 – Frankfurt
“Handelsblatt”, Konferenz Zinsen, Immobilien, Geopolitik: Das Jahr der Entscheidungen
Das “Handelsblatt” diskutiert die Wahlen in Europa und den USA, eine mögliche Wende der Zinswende, anhaltende geopolitische Spannungen und technologische Disruptionen. INFOS & ANMELDUNG
04.09.2024 – 18:00-22:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Bayern, Podiumsdiskussion Natur auf Zeit – Rechtssicherer Artenschutz in Rohstoffgewinnungsstätten
Das Land Bayern diskutiert das Potenzial von Rohstoffgewinnungsstätten als Ersatzlebensräume für Tier- und Pflanzenarten. INFOS & ANMELDUNG
04.09.2024 – 18:00 Uhr, Hannover
KAS, Vortrag 75 Jahre NATO – Wie kann Deutschland “kriegstauglich” werden?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) diskutiert, wie die “Kriegstüchtigkeit” Deutschlands umgesetzt wird. INFOS & ANMELDUNG
05.09.2024 – 19:00-21:00 Uhr, Berlin
FNF, Podiumsdiskussion Innovationen im Verteidigungssektor – was Europa wirklich braucht und wie wir es erreichen
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert neue Technologien und technische wie institutionelle Innovationen im Verteidigungssektor. INFOS & ANMELDUNG
Die Ziele der Aufbau- und Resilienzfazilität sind in Gefahr. Das sagt ein Bericht des EU-Rechnungshofs, der am gestrigen Montag veröffentlicht wurde. Als Grund gibt der Bericht die Verzögerungen bei der Umsetzung der Investitionen und Reformen auf Ebene der Mitgliedstaaten an.
Bis Ende 2023 sind EU-weit nur 70 Prozent der geplanten Zahlungsanträge bei der Kommission eingegangen. Gemessen an den Zeitplänen in den Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten und EU-Kommission hätten bis Ende 2023 insgesamt 104 Zahlungsanträge eingehen müssen. Tatsächlich waren es nur 73. Gemessen am Geldbetrag sind Zahlungsanträge in der Höhe von 228 Milliarden Euro anstatt der geplanten 273 Milliarden Euro eingegangen. Ausbezahlt waren bis Ende 2023 ingesamt 182 Milliarden Euro.
Es gibt große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Deutschland und Italien haben alle bis Ende 2023 geplanten Zahlungsanträge eingereicht – im Falle Deutschlands war das allerdings auch nur ein einziger. Frankreich hingegen hat nur zwei Drittel der geplanten Zahlungsanträge an die Kommission vorgetragen. Belgien liegt bei nur einem Viertel und die Niederlande, Schweden und Ungarn bei null Prozent.
Bei der Umsetzung der Maßnahmen, die zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten abgemacht wurden, sieht es noch kritischer aus. Erst 30 Prozent sind laut Eigenangaben der Mitgliedstaaten bis Ende 2023 umgesetzt worden. Aktuelle Zahlen der Kommission sprechen von 23 Prozent verifiziert umgesetzten Maßnahmen und zusätzlichen 16 Prozent nach Angaben der Mitgliedstaaten.
Der Rechnungshof warnt, dass sich die Verzögerungen bei der Umsetzung summieren könnten. Zudem seien die Zielwerte in der zweiten Hälfte des Umsetzungszeitraums häufig schwieriger zu erreichen als die Etappenziele auf dem Weg.
Als Beispiel bringt der Rechnungshof ein Etappenziel aus dem italienischen Umsetzungsplan: Bis zum 1. Quartal 2023 soll Italien Projekte zur Wasserstofferzeugung in aufgegebenen Industriegebieten vergeben haben. Während das Etappenziel gut umsetzbar scheint, sieht der finale Zielwert viel ambitionierter aus: Bis zum 2. Quartal 2026 müssen mindestens zehn Projekte zur Wasserstofferzeugung in aufgegebenen Industriegebieten mit einer durchschnittlichen Kapazität von 1 bis 5 MW abgeschlossen sein.
Oft gehe es bei den Etappenzielen um konzeptionelle Arbeit, während der schlussendliche Zielwert auf die physische Umsetzung eines Projekts abziele, sagte Rechnungshofmitglied Ivana Maletić vor Journalisten. Aufgrund der akkumulierten Verspätung würden viele Maßnahmen erst 2025 und 2026 umgesetzt. Die Verzögerung und potenzielle Nicht-Umsetzung gewisser Maßnahmen gefährde die Erreichung der Ziele des Wiederaufbaufonds.
“In manchen Fällen werden Mitgliedstaaten substanzielle Geldsummen ausbezahlt bekommen, ohne dass die abgemachten Maßnahmen finalisiert worden sind”, sagte Maletić. Im Gegensatz zum Auszahlungsmodus in der Kohäsionspolitik, bei der die Gelder in der Regel erst später ausbezahlt werden, fließt das Geld beim RRF oft schon vor der Umsetzung einer Maßnahme. Zudem hat die Kommission keine juristische Handhabe, ausbezahltes Geld von den Mitgliedstaaten zurückzufordern, falls die zugehörige Maßnahme nicht umgesetzt wird. “Das ist kein solides Finanzmanagement”, urteilt Maletić.
Auch die zeitliche Befristung des Wiederaufbaufonds sei ein Problem, sagte Maletić, die den Bericht für den Rechnungshof verantwortet. Der Fonds läuft 2026 aus und die Gefahr besteht, dass die Mitgliedstaaten bis dahin viele Maßnahmen noch nicht umgesetzt haben werden.
Es wäre es besser, die Frist für den Aufbaufonds zu verlängern, sagte Maletić. Ansonsten hätte die EU viel Geld ausgegeben, aber viele der Projekte nicht fertiggestellt. Das sei aus der Sicht eines optimalen Einsatzes öffentlicher Gelder nicht wünschenswert. Ein Sprecher des Rechnungshofs präzisierte später, dass der Rechnungshof keine politischen Forderungen stellen könne.
Die EU-Kommission wehrt sich in einer Mitteilung gegen die Einschätzung, dass das Ziel gefährdet sei, die Volkswirtschaften resilienter zu machen. Zudem verteidigte sie die Auszahlungsmethodik. Dass die Zahlungen nicht erst am Schluss ausbezahlt werden, sei in der Regulierung so vorgesehen und kein Risiko – es gehöre sogar zur “Kern-DNA” des Wiederaufbaufonds, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung zu unterstützen.
In Bezug auf den Umsetzungsfortschritt wendet die EU-Kommission ein, dass ein Teil der Verzögerung eine Folge der notwendigen Plananpassungen im Zuge des russischen Angriffs der Ukraine sei. Zudem habe die Umsetzungsgeschwindigkeit in den vergangenen Monaten zugenommen. Frankreich, Italien und drei weitere Mitgliedstaaten hätten schon mehr als die Hälfte der ihnen zustehenden Wiederaufbau-Gelder erhalten.
Die Nominierung kam zwei Tage zu spät, dürfte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aber dennoch erfreuen: Belgien will Außenministerin Hadja Lahbib in die nächste EU-Kommission schicken. Dies kündigte der Chef der liberalen Partei MR, George-Louis Bouchez, am Montag in Brüssel an. Der bisherige EU-Justizkommissar Didier Reynders ist demnach aus dem Rennen.
Bouchez preist Lahbib für eine erfolgreiche belgische EU-Ratspräsidentschaft, die im Juni endete. Die Ministerin habe in den sechs Monaten “brillante Arbeit” geleistet. Die Nominierung muss noch formell von der künftigen belgischen Regierung bestätigt werden. Das kann noch einige Wochen dauern, da die Koalitionsverhandlungen ins Stocken geraten sind. Bis dahin soll Lahbib weiter als belgische Außenministerin tätig sein sowie für die Liberalen bei den Kommunalwahlen im Oktober antreten.
Belgien kommt mit der Entscheidung von der Leyen entgegen, die eine männliche Dominanz in ihrer neuen Kommission vermeiden möchte. Wohl auch auf Druck der Kommissionspräsidentin hin wechselte Rumänien seinen Kandidaten aus: Statt Victor Negrescu will Premierminister Marcel Ciolacu nun die Europaabgeordnete Roxana Mînzatu nominieren, wie er am Montag sagte. Mînzatu habe am Sonntag bereits ein einstündiges Vorstellungsgespräch mit von der Leyen absolviert. ebo/tho
der Abschlussbericht des Strategiedialogs Landwirtschaft ist so gut wie fertig. Der Vorsitzende der Kommission, der deutsche Hochschullehrer Peter Strohschneider, wolle das Papier diese Woche noch vorstellen, heißt es. Vielleicht morgen, vielleicht Donnerstag. Derzeit werden noch die letzten redaktionellen Änderungen vorgenommen.
Noch gibt es keinen Leak. Lediglich den Teilnehmern des Dialogs – Bauern, Tier- und Umweltschützer und Vertreter der Lebensmittelwirtschaft – waren erste Details zu entlocken. Bei aller Vorsicht: Ihre Berichte dämpfen eher die Erwartungen. Es handele sich eher nicht um eine Blaupause für die künftige Agrarpolitik der Kommission.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zugesagt, innerhalb von 100 Tagen ihre Pläne für die Branche vorzustellen. Wie man hört, sollen immerhin die Vorschläge der Experten recht konkret ausfallen zu der Frage, wie die Stellung der Landwirte gegenüber dem Handel gestärkt werden kann.
Unterm Strich durfte man wohl nicht zu viel erwarten: Sieben Mal haben sich die 30 Experten getroffen, teils zu zweitägigen Plenarsitzungen. Bei diesem komplexen Thema reicht diese Zeit sicher nicht aus, um eine umfassende Vision für die Zukunft der Landwirtschaft zu entwerfen. Warten wir es ab.
Kommen Sie gut durch den Tag.
Paolo Gentiloni ist aller Voraussicht nach nur noch wenige Wochen im Amt, der scheidende EU-Wirtschaftskommissar kann daher freimütiger über politischen Entwicklungen in Mitgliedstaaten sprechen. “Der Groll gegen alles und jeden hat gesiegt”, kommentierte der italienische Sozialdemokrat das starke Abschneiden von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Sachsen und Thüringen. Profitiert von diesem Groll hätten “die schlimmste europäische Rechte” und “die schlimmste Linke”.
Die beiden ostdeutschen Landtagswahlen finden angesichts der deutschen Geschichte weit über die Bundesrepublik hinaus Aufmerksamkeit. Mit der AfD in Thüringen gewinnt zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine rechtsextreme Partei in einem Bundesland. Die “New York Times” etwa schreibt von einem “besorgniserregenden Zeichen für die Gesundheit und Zukunft der deutschen Demokratie”. Sowohl AfD als auch BSW werden zudem als Handlanger des russischen Präsidenten Wladimir Putin wahrgenommen, Gentiloni bezeichnet sie als “die Freunde der Russen im ehemaligen Satelliten-Deutschland der UdSSR”.
Zugleich wirft das desaströse Abschneiden von SPD, Grünen und FDP bei den Wahlen in anderen Hauptstädten Fragen zur Handlungsfähigkeit der aktuellen Bundesregierung auf. “Die Ampel ist am Ende”, sagt ein Diplomat. Manche Beobachter rechnen damit, dass die FDP nach den Landtagswahlen in Brandenburg die Koalition verlässt und Kanzler Olaf Scholz versucht, mit den Grünen bis zum Bundestagswahltermin Ende September 2025 in einer Minderheitsregierung weiterzumachen. Andere halten es für wahrscheinlicher, dass “die Agonie der Ampel noch 13 Monate andauert”, wie es ein ausländischer Deutschlandkenner formuliert. Solange bleibe die Bundesregierung gelähmt.
Leiden dürfte der Einfluss Berlins auf die anstehenden Weichenstellungen in der neuen EU-Legislaturperiode, etwa in den anlaufenden Verhandlungen zum neuen Mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2028 bis 2035. Die Autorität von Kanzler Scholz habe schon vor den jüngsten Wahlen unter der Zerstrittenheit der Koalition gelitten, heißt es: Seine Zusagen hätten häufig nicht auch für die Koalitionspartner gegolten, Robert Habeck und Christian Lindner hätten ihre jeweils eigene Agenda verfolgt. “In großen Fragen müssen wir vorerst nicht nach Berlin kommen”, folgert ein Diplomat.
Im Europaparlament wird die Schwäche der drei proeuropäischen Regierungsparteien mit Besorgnis registriert. “Es ist schockierend, dass die Kanzler-Partei SPD noch nicht einmal annähernd an die Zehn-Prozent-Schwelle kommt”, sagt der rumänische EVP-Fraktionsvize Siegfried Mureșan zu Table.Briefings. Ebenso besorgniserregend sei, wie die Grünen und Liberalen an Bedeutung verlören. Lediglich die CDU habe sich behauptet: Wie beim Wahlsieg von Donald Tusk in Polen über die PiS-Regierung im vergangenen Jahr zeige sich, dass “nur proeuropäische Mitte-Rechts-Parteien in der Lage sind, den Populisten etwas entgegenzusetzen”, sagt Mureșan.
Der italienische Abgeordnete Sandro Gozi, einer der drei Spitzenkandidaten der Liberalen bei den jüngsten Europawahlen, plädiert für eine stärkere Kooperation der proeuropäischen Kräfte: “Diese Ergebnisse zeigen uns, dass die demokratischen Kräfte der Linken, der Mitte und der Rechten ihre Zusammenarbeit verstärken sollten, um konkrete Lösungen auf europäischer und nationaler Ebene zu finden.”
Ein Beobachter aus einem mitteleuropäischen Land hält das für den falschen Weg. Die große Zustimmung zu AfD und BSW in den beiden ostdeutschen Bundesländern zeige, dass die Menschen dort anders auf Probleme wie Migration, Ukrainekrieg oder Kulturkämpfe wie das Gendern blickten. Und sich ihre Meinung von westdeutsch dominierten Parteien oder Medien nicht vorgeben lassen wollten. Erst wenn die Politik in Deutschland diese Spaltung überwinde, etwa durch einen Kurswechsel in der Migrationspolitik, könne dies auch in Europa gelingen. Doch der Wille dazu sei zumindest bei den Ampel-Parteien in Berlin bislang kaum zu erkennen.
Der italienische Wirtschaftsexperte Michele Geraci, der der rechten Lega nahesteht, sieht Parallelen zum eigenen Land. Die Wählerinnen und Wähler in Sachsen und Thüringen hätten “gegen die EU gestimmt, gegen das, was aus der Nato geworden ist, und gegen illegale Migranten”. Es seien dieselben Motive, die die Italiener zur Wahl der Fünf-Sterne-Bewegung, Matteo Salvinis und Giorgia Melonis veranlasst hätten.
Weit rechts stehende, nationalistische Parteien haben bereits in etlichen europäischen Ländern Wahlerfolge errungen. In Italien regiert die rechte Ministerpräsidentin Meloni, in den Niederlanden sitzt der Islamgegner Geert Wilders in der Regierung, in Frankreich rechnet sich Marine Le Pen gute Chancen aus, 2027 neue Staatspräsidentin zu werden. Auch eine linkspopulistische Partei mit EU-kritischen, nationalistischen Untertönen wie das BSW ist keine deutsche Erfindung. “Deutschland wird ein normales europäisches Land”, kommentiert ein Diplomat.
Und doch rufen insbesondere die Erfolge der AfD zusätzliche Befürchtungen hervor. Die AfD-Vertreter gelten selbst Marine Le Pen und Viktor Orbán als zu extrem, sie schlossen die Abgeordneten deshalb aus ihrer neuen Fraktion im Europaparlament aus. “Rechtsextreme Politiker aus Deutschland sind viel schrecklicher als die aus Frankreich, Spanien oder Portugal”, sagt ein ausländischer Beobachter.
Zufrieden werden die Ergebnisse der Landtagswahlen hingegen in Moskau zur Kenntnis genommen. “Panik in Berlin. In Deutschland haben die Gegner der Aufrüstung Kiews gesiegt”, titelt die kremlnahe Zeitung “Argumenty i fakty”. Russische Politiker und Medien bedienen immer wieder das Narrativ, Scholz habe Deutschland unnötig in den Ukrainekrieg hineingezogen.
Für alle sei offensichtlich geworden, dass die Scholz-Regierung nicht Deutschlands Entwicklung und die Probleme der Bürger priorisiere, sagte der Sprecher der russischen Duma, Wjatscheslaw Wolodin. Nach Wolodins Darstellung sei die Wirtschaft in Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig, weil es günstige russische Energieressourcen verloren habe. Mit Viktor Funk, Markus Grabitz, Almut Siefert
Die Bundesregierung setzt sich in Brüssel gegen eine geplante Regelung ein, die die Ansiedlung von Batteriezellfabriken in Deutschland erschweren könnte. Ende Juli hatten sich bereits fünf große deutsche Wirtschaftsverbände gegen den Entwurf der EU-Kommission für einen delegierten Rechtsakt zur Batterieverordnung ausgesprochen. Ab 2028 sollen für Akkus von Elektroautos Höchstwerte für den CO2-Fußabdruck gelten, der bei der Produktion entsteht. Staaten mit einem hohen Anteil von Kohlestrom wären im Nachteil. Der Rechtsakt soll die Methode regeln, um den Fußabdruck zu berechnen.
Gegen den Entwurf wehrt sich nun die Bundesregierung in einem Schreiben an die Kommission, das von Anfang Juli datiert und das Table.Briefings am Montag exklusiv vorlag: “Insgesamt sollten die Methode zur Berechnung des Kohlenstoff-Fußabdrucks von Batterien für Elektrofahrzeuge und die Schwellenwerte, die ab 2026 festgelegt werden sollen, die Investitionen in den EU-Mitgliedstaaten in die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge nicht untergraben, sondern vielmehr dazu beitragen, eine saubere europäische Produktion von weniger klimafreundlichen Batterien aus Drittstaaten zu unterscheiden.”
Bislang war keine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung bekannt zu diesem Rechtsakt, in dem die Industrie eine Richtungsentscheidung für die Ansiedlung von Fabriken für grüne Technologien sieht. Einen ersten Antrag von Table.Briefings auf Zugang zu dem Dokument hatte die Kommission nach Rücksprache mit der Bundesregierung unter anderem mit dem Argument abgelehnt, dass die Stellungnahme die internationalen Beziehungen beeinflussen könne. Ein Blick ins Dokument zeigt nun, warum.
Als Drittstaaten nennt die Bundesregierung explizit die USA und China. Dort sei der CO2-Fußabdruck der Stromproduktion 50 Prozent höher beziehungsweise doppelt so hoch wie im EU-Schnitt. Allerdings will die Bundesregierung offenbar dafür sorgen, dass günstige Batterien aus China weiter importiert werden können: “Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass die geplanten Höchstwerte den Zugang der europäischen Automobilhersteller zu ausländischer Batterietechnologie und die Ziele für Elektrofahrzeuge nicht behindern.”
Flexible Regelungen sollen laut der Stellungnahme sicherstellen, dass ausreichend Batterien verfügbar sind. Als eine Option für mehr Flexibilität nennt die Bundesregierung das “Pooling”. Eine Erklärung fehlt. Gemeint sein könnte damit, dass der zulässige CO2-Fußabdruck nicht für jede einzelne Batterie gelten soll, sondern für einen Durchschnitt einer größeren Zahl von Akkus.
Wichtigstes Ziel der Bundesregierung ist aber, dass der europäische Durchschnittswert für spezifischen Treibhausgasemission der Stromproduktion von aktuell 270 Gramm CO2 pro Kilowattstunde in der Berechnungsmethode für alle Mitgliedstaaten bis 2030 maßgeblich sein soll. Erst nach einer anschließenden, schrittweisen Übergangsphase sollen in dem delegierten Rechtsakt ab 2035 die nationalen Werte für den Strommix voll gelten.
Die EU-Kommission dagegen will die nationalen Werte schon von Beginn an verbindlich machen. Profitieren würden davon Staaten wie Schweden, Finnland und Frankreich, die besonders hohe Anteile von erneuerbaren Energien und Kernkraft haben.
Um ihren Kurs gegenüber den europäischen Partnern zu rechtfertigen, bemüht die Bundesregierung eher allgemeine Argumente: “Eine zu schnelle Verwendung nationaler Strommixe droht das Vertrauen der Investoren in die Batteriezellenproduktion und der OEMs in die Hersteller aus den Mitgliedstaaten zu untergraben, da die CO2-Intensität in den Mitgliedstaaten im Status quo sehr unterschiedlich ist.” Alternativ will die Kommission den Batterieherstellern ermöglichen, ihre Fabriken direkt mit Wind- oder Solarparks zu verbinden. Doch auch der Bau solcher Leitungen brauche mehr Zeit, argumentiert Berlin.
Bemerkenswert: Indirekt räumt die Bundesregierung ein, dass die von der Industrie favorisierten Zertifikate für den Nachweis des Grünstrombezugs anfällig für Missbrauch sind: “Die strikte Beschränkung der Anrechnung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, die direkt an den Verbraucher angeschlossen sind, verhindert zwar den Missbrauch von Zertifikaten, da ein direkter Anschluss leichter zu kontrollieren ist als ein Zertifikat, benachteiligt aber strukturell die Offshore-Windenergie.”
Bis 2035 sollten laut Bundesregierung auch Beteiligungen oder Investitionen von Industrieunternehmen in Erneuerbare-Energien-Anlagen auf den CO2-Fußabdruck angerechnet werden, wobei an verschiedenen Stellen nicht nur von Offshore-Windparks die Rede ist. Genau das hatten auch die Wirtschaftsverbände gefordert.
Ohne ausreichend ausgebaute Stromnetze könnte es allerdings dazu kommen, dass fossile Kraftwerke in Deutschland hochgefahren werden müssen, wenn zum Beispiel der saubere Strom aus einem firmeneigenen Windpark in Spanien oder der Nordsee nicht bis zur Fabrik nach Ludwigshafen gelangt. Mit Markus Grabitz
04.09.-05.09.2024 – Frankfurt
“Handelsblatt”, Konferenz Zinsen, Immobilien, Geopolitik: Das Jahr der Entscheidungen
Das “Handelsblatt” diskutiert die Wahlen in Europa und den USA, eine mögliche Wende der Zinswende, anhaltende geopolitische Spannungen und technologische Disruptionen. INFOS & ANMELDUNG
04.09.2024 – 18:00-22:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Bayern, Podiumsdiskussion Natur auf Zeit – Rechtssicherer Artenschutz in Rohstoffgewinnungsstätten
Das Land Bayern diskutiert das Potenzial von Rohstoffgewinnungsstätten als Ersatzlebensräume für Tier- und Pflanzenarten. INFOS & ANMELDUNG
04.09.2024 – 18:00 Uhr, Hannover
KAS, Vortrag 75 Jahre NATO – Wie kann Deutschland “kriegstauglich” werden?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) diskutiert, wie die “Kriegstüchtigkeit” Deutschlands umgesetzt wird. INFOS & ANMELDUNG
05.09.2024 – 19:00-21:00 Uhr, Berlin
FNF, Podiumsdiskussion Innovationen im Verteidigungssektor – was Europa wirklich braucht und wie wir es erreichen
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Die Ziele der Aufbau- und Resilienzfazilität sind in Gefahr. Das sagt ein Bericht des EU-Rechnungshofs, der am gestrigen Montag veröffentlicht wurde. Als Grund gibt der Bericht die Verzögerungen bei der Umsetzung der Investitionen und Reformen auf Ebene der Mitgliedstaaten an.
Bis Ende 2023 sind EU-weit nur 70 Prozent der geplanten Zahlungsanträge bei der Kommission eingegangen. Gemessen an den Zeitplänen in den Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten und EU-Kommission hätten bis Ende 2023 insgesamt 104 Zahlungsanträge eingehen müssen. Tatsächlich waren es nur 73. Gemessen am Geldbetrag sind Zahlungsanträge in der Höhe von 228 Milliarden Euro anstatt der geplanten 273 Milliarden Euro eingegangen. Ausbezahlt waren bis Ende 2023 ingesamt 182 Milliarden Euro.
Es gibt große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Deutschland und Italien haben alle bis Ende 2023 geplanten Zahlungsanträge eingereicht – im Falle Deutschlands war das allerdings auch nur ein einziger. Frankreich hingegen hat nur zwei Drittel der geplanten Zahlungsanträge an die Kommission vorgetragen. Belgien liegt bei nur einem Viertel und die Niederlande, Schweden und Ungarn bei null Prozent.
Bei der Umsetzung der Maßnahmen, die zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten abgemacht wurden, sieht es noch kritischer aus. Erst 30 Prozent sind laut Eigenangaben der Mitgliedstaaten bis Ende 2023 umgesetzt worden. Aktuelle Zahlen der Kommission sprechen von 23 Prozent verifiziert umgesetzten Maßnahmen und zusätzlichen 16 Prozent nach Angaben der Mitgliedstaaten.
Der Rechnungshof warnt, dass sich die Verzögerungen bei der Umsetzung summieren könnten. Zudem seien die Zielwerte in der zweiten Hälfte des Umsetzungszeitraums häufig schwieriger zu erreichen als die Etappenziele auf dem Weg.
Als Beispiel bringt der Rechnungshof ein Etappenziel aus dem italienischen Umsetzungsplan: Bis zum 1. Quartal 2023 soll Italien Projekte zur Wasserstofferzeugung in aufgegebenen Industriegebieten vergeben haben. Während das Etappenziel gut umsetzbar scheint, sieht der finale Zielwert viel ambitionierter aus: Bis zum 2. Quartal 2026 müssen mindestens zehn Projekte zur Wasserstofferzeugung in aufgegebenen Industriegebieten mit einer durchschnittlichen Kapazität von 1 bis 5 MW abgeschlossen sein.
Oft gehe es bei den Etappenzielen um konzeptionelle Arbeit, während der schlussendliche Zielwert auf die physische Umsetzung eines Projekts abziele, sagte Rechnungshofmitglied Ivana Maletić vor Journalisten. Aufgrund der akkumulierten Verspätung würden viele Maßnahmen erst 2025 und 2026 umgesetzt. Die Verzögerung und potenzielle Nicht-Umsetzung gewisser Maßnahmen gefährde die Erreichung der Ziele des Wiederaufbaufonds.
“In manchen Fällen werden Mitgliedstaaten substanzielle Geldsummen ausbezahlt bekommen, ohne dass die abgemachten Maßnahmen finalisiert worden sind”, sagte Maletić. Im Gegensatz zum Auszahlungsmodus in der Kohäsionspolitik, bei der die Gelder in der Regel erst später ausbezahlt werden, fließt das Geld beim RRF oft schon vor der Umsetzung einer Maßnahme. Zudem hat die Kommission keine juristische Handhabe, ausbezahltes Geld von den Mitgliedstaaten zurückzufordern, falls die zugehörige Maßnahme nicht umgesetzt wird. “Das ist kein solides Finanzmanagement”, urteilt Maletić.
Auch die zeitliche Befristung des Wiederaufbaufonds sei ein Problem, sagte Maletić, die den Bericht für den Rechnungshof verantwortet. Der Fonds läuft 2026 aus und die Gefahr besteht, dass die Mitgliedstaaten bis dahin viele Maßnahmen noch nicht umgesetzt haben werden.
Es wäre es besser, die Frist für den Aufbaufonds zu verlängern, sagte Maletić. Ansonsten hätte die EU viel Geld ausgegeben, aber viele der Projekte nicht fertiggestellt. Das sei aus der Sicht eines optimalen Einsatzes öffentlicher Gelder nicht wünschenswert. Ein Sprecher des Rechnungshofs präzisierte später, dass der Rechnungshof keine politischen Forderungen stellen könne.
Die EU-Kommission wehrt sich in einer Mitteilung gegen die Einschätzung, dass das Ziel gefährdet sei, die Volkswirtschaften resilienter zu machen. Zudem verteidigte sie die Auszahlungsmethodik. Dass die Zahlungen nicht erst am Schluss ausbezahlt werden, sei in der Regulierung so vorgesehen und kein Risiko – es gehöre sogar zur “Kern-DNA” des Wiederaufbaufonds, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung zu unterstützen.
In Bezug auf den Umsetzungsfortschritt wendet die EU-Kommission ein, dass ein Teil der Verzögerung eine Folge der notwendigen Plananpassungen im Zuge des russischen Angriffs der Ukraine sei. Zudem habe die Umsetzungsgeschwindigkeit in den vergangenen Monaten zugenommen. Frankreich, Italien und drei weitere Mitgliedstaaten hätten schon mehr als die Hälfte der ihnen zustehenden Wiederaufbau-Gelder erhalten.
Die Nominierung kam zwei Tage zu spät, dürfte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aber dennoch erfreuen: Belgien will Außenministerin Hadja Lahbib in die nächste EU-Kommission schicken. Dies kündigte der Chef der liberalen Partei MR, George-Louis Bouchez, am Montag in Brüssel an. Der bisherige EU-Justizkommissar Didier Reynders ist demnach aus dem Rennen.
Bouchez preist Lahbib für eine erfolgreiche belgische EU-Ratspräsidentschaft, die im Juni endete. Die Ministerin habe in den sechs Monaten “brillante Arbeit” geleistet. Die Nominierung muss noch formell von der künftigen belgischen Regierung bestätigt werden. Das kann noch einige Wochen dauern, da die Koalitionsverhandlungen ins Stocken geraten sind. Bis dahin soll Lahbib weiter als belgische Außenministerin tätig sein sowie für die Liberalen bei den Kommunalwahlen im Oktober antreten.
Belgien kommt mit der Entscheidung von der Leyen entgegen, die eine männliche Dominanz in ihrer neuen Kommission vermeiden möchte. Wohl auch auf Druck der Kommissionspräsidentin hin wechselte Rumänien seinen Kandidaten aus: Statt Victor Negrescu will Premierminister Marcel Ciolacu nun die Europaabgeordnete Roxana Mînzatu nominieren, wie er am Montag sagte. Mînzatu habe am Sonntag bereits ein einstündiges Vorstellungsgespräch mit von der Leyen absolviert. ebo/tho