Table.Briefing: Europe

Erste Wahlrunde in Frankreich + Ungarns Ratspräsidentschaft beginnt + Neues rechtes Parteienbündnis

Liebe Leserin, lieber Leser,

Frankreich hat gewählt. Die erste Runde der Parlamentswahlen ist durch. Claire Stam fasst Ergebnisse und Reaktionen für Sie zusammen und wirft auch schon einen Blick auf die zweite Wahlrunde am nächsten Sonntag. Parteien, die an der Stichwahl teilnehmen, werden nun versuchen, lokale Bündnisse zu schmieden, um Unterstützer für ihre Kandidaten zu gewinnen.

Eine andere Wahl wirft bereits ihre Schatten voraus. Die US-Wahl könnte die heute startende ungarische Ratspräsidentschaft entscheidend beeinflussen – vor allem in der internationalen Klimapolitik auf der COP29, wie Sie in unserer Analyse lesen können.

Apropos Ungarn: Aus Budapest kamen am Sonntag bemerkenswerte Neuigkeiten. Victor Orbáns Fidesz-Partei will mit der österreichischen FPÖ und der tschechischen ANO eine Fraktion der Rechtspopulisten im Europaparlament gründen. Mehr dazu in den News.

Ihr
Lukas Knigge
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Analyse

Frankreich-Wahl: Worum es im zweiten Wahlgang nun geht

Emmanuel Macrons politisches Kalkül hat sich nicht ausgezahlt. Mit 21 Prozent der Stimmen wurde seine Partei “Ensemble pour la République” nur drittstärkste Kraft. Sie liegt damit hinter dem Linksbündnis “Nouveau Front Populaire” (NFP) mit 28,1 Prozent und dem rechtsextremen Wahlsieger “Rassemblement National” (RN) mit 33,2 Prozent. Macrons Niederlage wiegt umso schwerer, da die Wahlbeteiligung sehr hoch war: bei 67,5 Prozent. 2022 lag sie mit 46,5 Prozent deutlicher niedriger.

Mit der Auflösung der Nationalversammlung direkt nach der Europawahl wollte Macron seine Partei wieder als einziges “Bollwerk gegen das RN” aufstellen. Eine Strategie, mit der er die letzten beiden Präsidentschaftswahlen 2017 und 2022 gewonnen hatte. Die Ergebnisse der ersten Runde der Parlamentswahlen zeigen genau das Gegenteil: Der RN ist der große Gewinner dieser Wahlen. Macrons “Ensemble” scheint nicht mehr in der Lage, die Zügel in die Hand zu nehmen. Macron bleibt zwar Präsident der Republik, wird aber einen Premierminister haben, der entweder vom RN oder NFP kommt. Frankreich wird also eine sogenannte “Koalitionsregierung” bekommen.

“Es ist ein eindeutiges Votum”, sagte Marine Le Pen, bisherige Fraktionschefin des RN. Das Wahlergebnis bedeute für Macron “das Ende der Macht”, die sie als “arrogant” und “aggressiv” bezeichnete. Eine “vernichtende Niederlage” für Macrons Lager, nannte es auch Clémentine Autain, Abgeordnete der französischen Linken. Er sei kein Bollwerk gegen die extreme Rechte, sondern werde zum Trittbrettfahrer des RN. “Wir haben eine Woche Zeit, um zu verhindern, dass die extreme Rechte an die Macht kommt. Entweder sie oder wir.”

Rechte gegen Linke in der Stichwahl

In der zweiten Runde am 7. Juli könnte überwiegend zwischen rechtem RN und linker NFP entschieden werden. Die beiden Kandidaten eines Wahlkreises mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang kommen in die zweite Runde. Aber auch ein dritter Kandidat kann es in die Stichwahl schaffen, wenn er mindestens 12,5 Prozent der registrierten Wähler auf sich vereint hat. Im zweiten Wahlgang gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen, auch wenn er nicht mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält. In den meisten Wahlkreisen stehen sich drei Kandidaten gegenüber, in einigen aber auch nur zwei – meist vom RN und der NFP.

Ziel des RN ist die absolute Mehrheit, also 289 von 577 Abgeordnetensitze. Zuletzt hielten die Rechtspopulisten 89 Abgeordnete in der Nationalversammlung. Die Meinungsforschungsinstitute in Frankreich präsentierten am Sonntagabend unterschiedliche Sitzprognosen. Sie sehen alle eine relative Mehrheit für den RN und einige auch die absolute Mehrheit – zwischen 230 und 280 Sitze. NFP könnte demnach zwischen 125 und 165 Sitze erhalten und Macrons Ensemble zwischen 70 und 100 Sitze.

Übertragungen von Stimmen im zweiten Wahlgang

Im zweiten Wahlgang könnten die drittplatzierten Kandidaten nun ihren Platz räumen und den Zweitplatzierten somit zu besseren Gewinnchancen verhelfen. Macron rief bereits zu einem “breiten, demokratischen und republikanischen Bündnis” auf. Kandidaten seiner Partei würden zugunsten derer zurücktreten, die in der Lage sind, den RN zu schlagen. Die Chefs einiger Parteien des NFP-Bündnisses erklärten ebenfalls, Kandidaten zurückzuziehen, um einen Sieg über den RN zu ermöglichen.

Demokratische Parteien müssen sich gegen den RN unterhaken, um das Schlimmste zu verhindern, forderte René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD. “Die Angst, dass der RN in der Lage sein könnte, Frankreich zu regieren oder zu lähmen und damit die EU langsam aber sicher zu zerstören, ist real.”

Macrons Spielraum in Europa wird kleiner

Diese erste Wahlrunde bestätigt, dass Macrons Spielraum auf der europäischen Bühne stark eingeschränkt ist. Der französische Präsident hat die Wahlniederlage wohl vorausgesehen, denn er kündigte bereits zuvor an, Thierry Breton für eine weitere Amtszeit als Frankreichs EU-Kommissar nach Brüssel schicken zu wollen. Es sei sein Vorrecht, eine Person zu nominieren, hatte er betont.

RN-Chef Jordan Bardella und Marine Le Pen stellen dies allerdings infrage und wollen einen eigenen Kandidaten ins Berlaymont entsenden. Ein weiterer Wahlsieg im zweiten Wahlgang könnte diese Ansprüche unterstreichen und Macrons “Vorrecht” zu einem verzweifelten Versuch machen, Einfluss in Brüssel zu wahren.

  • Emmanuel Macron
  • Europapolitik
  • Frankreich
  • Gabriel Attal
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Klima- und Agrarpolitik: Was die ungarische EU-Ratspräsidentschaft vorhat

“Make Europe Great Again” – das ist der Slogan, den Ungarn für seine sechsmonatige Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union gewählt hat. Diese Woche hat sie begonnen. Die Formel ist natürlich vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump abgekupfert, der gute Chancen hat, die nächsten US-Wahlen im November zu gewinnen. Das heißt, während der ungarischen Ratspräsidentschaft.

Budapest sieht darin jedoch keine Anspielung. “Meines Wissens wollte Donald Trump Europa nie stark machen”, erklärt der ungarische EU-Botschafter Balint Odor. “Unser Motto bezieht sich auf die Idee einer aktiven und bodenständigen Präsidentschaft, auf die Tatsache, dass wir gemeinsam stärker sind, unter Wahrung unserer Identität.”

Landwirtschaft als oberste Priorität

Der Green Deal stand in den vergangenen Jahren nie ganz oben auf der Prioritätenliste Ungarns. Während der Ratspräsidentschaft spielt die EU-Agrarpolitik nun aber eine überraschend wichtige Rolle. Die Landwirtschaft ist eine der sieben Prioritäten der ungarischen Ratspräsidentschaft – neben Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigung, Erweiterung, Einwanderung, Kohäsionspolitik und Demografie. Laut eigenen Angaben will Budapest der EU ihre Souveränität bei Fragen der Ernährung zurückgeben und insbesondere die Nahrungsmittelsicherheit verteidigen. Zwei Parameter, die zur Stärkung der strategischen Autonomie der EU beitragen sollen, erklärt der Diplomat.

Landwirte müssten als die Lösungen für die globale Erwärmung und nicht als die Probleme gesehen werden, fordert Odor. Budapest will daher die Übergangsphase bis zur Bildung der neuen EU-Kommission nutzen, um die Regeln für die EU-Agrarpolitik nach 2027 vorzuformulieren, um eine “wettbewerbsfähige, krisensichere und bauernfreundliche Landwirtschaft” zu gewährleisten.

Eine politische Ratspräsidentschaft

Die ungarische Ratspräsidentschaft findet zu einem kritischen Zeitpunkt statt: während EU-Kommission und Parlament neu besetzt werden. “In den nächsten Monaten werden sich die EU-Institutionen auf die Verteilung der Posten und die Ernennung der neuen Kommission konzentrieren, was die legislative Aktivität verringert”, fasst Linda Kalcher, Direktorin des Thinktanks Strategic Perspectives, zusammen.

In dieser entscheidenden Phase bietet der europäische Werkzeugkasten eine Reihe von Möglichkeiten. “Die Ratspräsidentschaft bestimmt, was auf den Verhandlungstisch kommt, welche Prioritäten sie setzt, sie kann bestimmte Themen verzögern und andere vorantreiben”, erklärt Manon Dufour, Leiterin des Brüsseler Büros des Thinktanks E3G. “Ungarn kann diese Hebel beim Umweltrat im Oktober nutzen.” Dort sollen die Positionen der EU-Staaten für die COP29 in Baku sowie zum Emissionsreduktionsziel bis 2040 festgelegt werden.

COP29: Spannungen bei der Klimafinanzierung

Ungarn kann bei diesen entscheidenden Fragen also massiven Einfluss nehmen. Beim EU-Klimaziel 2040 können sie zwar nicht die einzelnen Gesetzgebungen mitgestalten – diese will die Kommission erst 2026 vorstellen. Doch das grundsätzliche numerische Reduktionsziel soll entweder von den Ministern oder von den Staats- und Regierungschefs beim Gipfel im Dezember unter ungarischer Beteiligung festgelegt werden. Kommission und einige Mitgliedstaaten fordern 90 Prozent; Budapest gilt als weniger ambitioniert.

Bei der COP29 wird der europäische Beitrag zur globalen Klimafinanzierung das heikelste Thema werden, mit dem sich Ungarn befassen muss, beobachtet Manon Dufour. Welche Länder zahlen dafür und welche Länder empfangen künftig Gelder für Anpassung an den Klimawandel und Vermeidung von Emissionen – diese Frage sowie die Höhe der Klimafinanzierung sind das wichtigste Thema in Baku. “Auf europäischer Ebene ist hier eine Entscheidung der Finanzminister im Ecofin-Rat erforderlich und diese muss von der ungarischen Präsidentschaft koordiniert werden.”

Völlig offen ist laut Dufour, wie sich die ungarische Präsidentschaft hier positionieren wird. Vor allem, wenn Donald Trump im November wiedergewählt werden sollte. Die USA sind bei Finanzierungsfragen für Klimaschutz die zögerlichste Industrienation. Unter Trump dürfte sich dies kaum ändern – eher im Gegenteil. “Klar ist, dass die EU nicht der einzige Beitragszahler zur Klimafinanzierung werden will”, sagt die E3G-Klimaexpertin.

Auswirkungen der US-Wahlen

Auf der COP29 wird Ungarn als Ratspräsident den Verhandlungen für die EU-Staaten vorsitzen. Fehlende Koordination durch Budapest könnte die Rolle Europas schwächen, warnt Dufour. Andere einflussreiche EU-Minister sowie der Klimakommissar könnten daher statt des klimapolitisch schwachen Ungarn mehr Verantwortung übernehmen. Linda Kalcher ist überzeugt, dass die Spanierin Teresa Ribera, der Däne Dan Jørgensen sowie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihre Staatssekretärin Jennifer Morgan in diese Rolle schlüpfen könnten.

Dufour und Kalcher warnen gleichermaßen vor einer “neuen Dynamik” auf der COP29 durch eine klimaskeptische Achse aus Ungarn, USA und China. “Man muss abwarten, wie Budapest reagiert, wenn Donald Trump wiedergewählt gewählt wird”, sagt Kalcher. Da Ungarn eine informelle Ratssitzung für den 7. und 8. November geplant hat, also unmittelbar nach den US-Wahlen, würden dort die Auswirkungen der US-Wahlen auf die EU besprochen werden, glaubt sie.

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News

Rechtsbündnis zwischen Fidesz, FPÖ und ANO: Was die AfD nun vorhat

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat ein Bündnis mit populistischen Parteien aus Österreich und Tschechien auf EU-Ebene angekündigt, um eine neue Rechtsaußenfraktion im Europäischen Parlament zu gründen. Die Gruppierung “Patriots for Europe” zwischen der ungarischen Regierungspartei Fidesz, der österreichischen FPÖ und der tschechischen ANO solle bald weitere Mitglieder bekommen und zur “größten Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas” aufsteigen, sagte der Fidesz-Chef am Sonntag in Wien. 

Für die Bildung einer Fraktion wären Abgeordnete aus mindestens vier weiteren EU-Staaten nötig. “Diese Allianz soll eine Trägerrakete darstellen”, sagte Herbert Kickl, der Chef der rechten österreichischen FPÖ. Der tschechische Chef der liberal-populistischen ANO, Ex-Premier Andrej Babiš, erklärte, dass die neue Fraktion im Europäischen Parlament vor allem auf die Verteidigung der nationalstaatlichen Souveränität gegenüber der EU, den Kampf gegen illegale Migration und die Rücknahme der Klima-Maßnahmen des “Green Dea” setze.

Stärksten Kräfte ihrer Länder

FPÖ, ANO und Fidesz bekamen bei der EU-Wahl in ihren jeweiligen Ländern die meisten Stimmen. Die Fidesz stellt elf Abgeordnete im neuen Europaparlament, ANO sieben und die FPÖ sechs. Insgesamt stellen sie damit 24 der 720 Vertreter in dem EU-Gremium.

Während die Fidesz-Partei nach ihrem Austritt aus der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zuletzt keiner Fraktion im EU-Parlament angehörte, war die FPÖ bislang Teil der rechten ID-Fraktion, gemeinsam mit der Rassemblement National (RN) und der ausgeschlossenen AfD. Babis hatte vor kurzem den Austritt seiner Partei aus der liberalen europäischen Fraktion Renew Europe angekündigt.

Was macht die AfD?

Die neue Kooperation wirft die Frage auf, wie sich die kürzlich aus der rechten europäischen ID-Fraktion ausgeschlossene AfD jetzt gegenüber diesem Zusammenschluss verhält. Die AfD gab zudem am Sonntag auch den Austritt aus dem europäischen Parteienverbund der ID bekannt.

Parteichefin Alice Weidel hält einen Beitritt zum neuen EU-Rechtsbündnis für möglich. “Kurzfristig werden wir nicht dazustoßen, aber wer weiß, was wir mittel- und langfristig machen”, sagte sie am Sonntag der ARD. Sie habe volle Bewunderung für Herbert Kickl sowie Viktor Orbándpa/luk

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DSA: Warum die Kommission noch mehr von Temu und Shein wissen will

Die Kommission hat den chinesischen Online-Marktplätzen Temu und Shein am Freitag formelle Auskunftsersuchen im Rahmen des Digital Services Act (DSA) übermittelt. Sie will von Temu und Shein unter anderem wissen, was beide Marktplätze in Bezug auf den “Notice and Action”-Mechanismus unternommen haben. Dieser soll es Nutzern ermöglichen, illegale oder fehlerhafte Produkte zu melden. Das können etwa gefälschte Markenartikel oder nicht zugelassene Medikamente sein.

Außerdem fragt die Kommission weitere Informationen zu Empfehlungssystemen und Online-Schnittstellen ab. Diese sollen nach dem DSA so gestaltet sein, dass sie Nutzer nicht täuschen oder manipulieren (Dark Patterns). Auch zum Kinder- und Jugendschutz und zu den Händlern verlangt die Aufsichtsbehörde genaue Informationen.

Kommission kann Zwangsgelder verhängen

Die Kommission teilte mit, dass diese Anfragen auch auf einer Beschwerde von der Verbraucherorganisation BEUC beruhen. Konkurrierende Online-Händler hatten die Kommission ebenfalls aufgefordert, die chinesischen Marktplätze strenger zu kontrollieren.

Auf der Grundlage der Antworten von Temu und Shein will die Kommission die folgenden Schritte festlegen. Dies könnte die förmliche Eröffnung eines Verfahrens bedeuten. Im Falle einer Nichtbeantwortung kann die Kommission beschließen, die Informationen durch Entscheidung anzufordern. In diesem Fall könnte die nicht fristgerechte Beantwortung zur Verhängung von Zwangsgeldern führen. vis

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Personalpaket: Was Italiens Außenminister jetzt erwartet

Der Europäische Rat hat ein Personalpaket für die EU-Institutionen vorgeschlagen, nun geht es um die Bestätigung im Europaparlament. Italiens Außenminister Antonio Tajani forderte von der designierten Außenbeauftragten, der Estin Kaja Kallas, ein klares Bekenntnis, ihren Fokus auch auf die südliche Nachbarschaft und den Mittelmeerraum zu richten.

Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen könnten hingegen mit der Zustimmung der Abgeordneten der Forza Italia rechnen, die zur EVP-Parteienfamilie gehört. Tajani sprach sich zudem dafür aus, mit konservativen Kräften der EKR-Fraktion zu kooperieren. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen lehnte er ab. tho

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NZIA in Kraft getreten: Was Habeck nun fordert

Am Samstag ist der Net-Zero Industry Act (NZIA) in Kraft getreten. Laut Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) ist das Gesetz “ein Booster für die Produktion von Netto-Null-Technologien in Deutschland und Europa”, für Beschleunigung, Bürokratieabbau und mehr Investitionen. “Mit dem NZIA schaffen wir Planbarkeit für den Ausbau von Produktionskapazitäten, stärken Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz und erhöhen so unsere Wirtschaftssicherheit”, so Habeck.

Der NZIA soll die EU-Staaten als Standort für klimafreundliche Technologien stärken. Bis 2030 will die EU möglichst 40 Prozent ihres jährlichen Bedarfs etwa an Windrädern, Wärmepumpen oder Solaranlagen aus heimischer Produktion decken. Dafür sollen insbesondere die Planungs- und Genehmigungsverfahren für entsprechende Fabriken in den Mitgliedstaaten beschleunigt werden.

Habeck mahnt, den NZIA so schnell wie möglich umzusetzen, “um der Industrie möglichst bald die notwendigen Impulse für den Produktionshochlauf der Netto-Null-Technologien zu geben”. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Gesetz, das den NZIA in nationales Recht übersetzt. luk

  • Industriepolitik
  • Net Zero Industry Act
  • Wirtschaftsministerium

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Heads

Cornelia Ernst – Einsatz für die iranische Zivilgesellschaft

Cornelia Ernst nennt sich selbst “fanatisch, wenn es um Gerechtigkeit geht”.

Wenn Cornelia Ernst etwas anpackt, dann mit absoluter Überzeugung und vollem Einsatz. In ihren Worten klingt immer das absolute Verlangen durch, sich mit ihren Positionen durchzusetzen. Sie versteckt diese Eigenschaft auch nicht, nennt sich selbst “fanatisch, wenn es um Gerechtigkeit geht”. Mit dieser Überzeugung hat sie die vergangenen 15 Jahre für die Linken im Europäischen Parlament gearbeitet, in der Delegation für den Kosovo und Bosnien-Herzegowina, im Industrieausschuss oder in der Delegation für den Iran. Von 2009 bis 2019 war sie stellvertretende Vorsitzende; in der vergangenen Legislaturperiode saß sie der Delegation vor.

Politisiert durch Protest 

Dabei hatte Ernst von Kindheitstagen an eigentlich ganz andere Pläne, als in die Politik zu gehen. “Mit drei Jahren wusste ich schon, dass ich Lehrerin werden möchte”, sagt sie. Nach ihrem Diplom als Pädagogin war sie bis 1991 am Institut für Lehrerbildung im sächsischen Großenhain als Lehrerbildnerin tätig. Währenddessen entdeckte sie die Macht des Protests, als sie gemeinsam mit Studierenden eine Einrichtung an der Universität retten konnte.

Als die Leiterin des Instituts, Brigitte Zschoche, im Jahre 1991 in den Landtag weiterzog, schloss sich Ernst ihr als Mitarbeiterin an. Großen Einfluss auf die politische Karriere der 67-Jährigen hatten auch Unrechtserfahrungen infolge des Mauerfalls 1989. “Die Wendegeschichten haben mich in die Politik gespült”, sagt Ernst heute. Ihrer Meinung nach wurde in dieser Zeit zu viel über Berlin gesprochen, während andere ostdeutsche Regionen vernachlässigt worden seien.

Durch Asylpolitik nach Europa 

Die Asylpolitik war es schließlich, die Ernst nach Europa brachte. Nachdem sie im Sachsen der 1990er-Jahre vor allem “vielen Menschen aus Jugoslawien das Bleiberecht gesichert” habe, war für sie klar, das Thema “noch einmal mit größerem Maßstab” behandeln zu wollen.  

In den vergangenen 15 Jahren in Brüssel und Straßburg habe sich die Linken-Politikerin in Themen der Asylpolitik “radikalisiert”, wie sie selbst sagt. Grund dafür sei die “menschenfeindliche Politik”, die sie denjenigen vorwirft, die “immer wieder Barrieren aufbauen, damit Menschen nicht zu uns kommen können, obwohl sie furchtbaren Verhältnissen ausgesetzt sind”. Auch das Gemeinsame europäische Asylsystem (GEAS) falle darunter. 

Im Iran “einen Fuß in der Tür lassen” 

Auch die Iran-Politik Europas lässt sie teilweise frustriert zurück. In Schutz nimmt die Vorsitzende der Delegation des EU-Parlaments, Josep Borrell. “Ich halte es für richtig, dass er versucht, einen Fuß in der Tür zu belassen”, sagt Ernst. Sanktionen gegen das Regime seien zwar “unumgänglich”, dürften allerdings keinesfalls das einzige Mittel sein.

Vielmehr sollten die Befreiung der restlichen Gefangenen im Land sowie die Unterstützung der Zivilgesellschaft und der Oppositionellen eine größere Rolle einnehmen. Denn: “Wir werden das Regime niemals von außen stürzen können”, begründet Ernst. Während das Land sich politisch und wirtschaftlich schon vor Jahren Russland und China zugewendet habe, seien die Menschen vor Ort dem Westen weiterhin mehrheitlich zugewandt.  

Verbindung zu iranischer Opposition stärken 

Das müsse die EU in Zukunft nutzen: Gerade nach dem Angriff des Iran auf Israel “muss man natürlich klar sagen, was man in der jetzigen Situation von diesem Regime hält”. Dennoch sei es kontraproduktiv, alle Kontakte zum Iran abzubrechen. Gleichzeitig fordert Ernst, die Verbindungen des EU-Parlaments zur Opposition im Iran zu stärken, beispielsweise mithilfe eines Beirats. “Das ist das, was wir in der jetzigen Lage real machen können”, sagt sie.

Langfristig wünscht sie sich ein Modell nach dem Vorbild der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die in den 1970er-Jahren den Ost-West-Konflikt managte. “Wir brauchen eine ähnliche Institution, die Schritt für Schritt eine Normalisierung im Nahen Osten herstellt”, sagt Ernst. 

Sie selbst wird für derartige Bemühungen nicht zur Verfügung stehen. Sie zieht sich aus der Europapolitik zurück. Stattdessen möchte sie sich am Wiederaufbau ihrer Partei, der Linken, beteiligen. “Die braucht meine Unterstützung gerade am meisten”, so Ernst. Jasper Bennink

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Eine andere Wahl wirft bereits ihre Schatten voraus. Die US-Wahl könnte die heute startende ungarische Ratspräsidentschaft entscheidend beeinflussen – vor allem in der internationalen Klimapolitik auf der COP29, wie Sie in unserer Analyse lesen können.

    Apropos Ungarn: Aus Budapest kamen am Sonntag bemerkenswerte Neuigkeiten. Victor Orbáns Fidesz-Partei will mit der österreichischen FPÖ und der tschechischen ANO eine Fraktion der Rechtspopulisten im Europaparlament gründen. Mehr dazu in den News.

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    Lukas Knigge
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    Frankreich-Wahl: Worum es im zweiten Wahlgang nun geht

    Emmanuel Macrons politisches Kalkül hat sich nicht ausgezahlt. Mit 21 Prozent der Stimmen wurde seine Partei “Ensemble pour la République” nur drittstärkste Kraft. Sie liegt damit hinter dem Linksbündnis “Nouveau Front Populaire” (NFP) mit 28,1 Prozent und dem rechtsextremen Wahlsieger “Rassemblement National” (RN) mit 33,2 Prozent. Macrons Niederlage wiegt umso schwerer, da die Wahlbeteiligung sehr hoch war: bei 67,5 Prozent. 2022 lag sie mit 46,5 Prozent deutlicher niedriger.

    Mit der Auflösung der Nationalversammlung direkt nach der Europawahl wollte Macron seine Partei wieder als einziges “Bollwerk gegen das RN” aufstellen. Eine Strategie, mit der er die letzten beiden Präsidentschaftswahlen 2017 und 2022 gewonnen hatte. Die Ergebnisse der ersten Runde der Parlamentswahlen zeigen genau das Gegenteil: Der RN ist der große Gewinner dieser Wahlen. Macrons “Ensemble” scheint nicht mehr in der Lage, die Zügel in die Hand zu nehmen. Macron bleibt zwar Präsident der Republik, wird aber einen Premierminister haben, der entweder vom RN oder NFP kommt. Frankreich wird also eine sogenannte “Koalitionsregierung” bekommen.

    “Es ist ein eindeutiges Votum”, sagte Marine Le Pen, bisherige Fraktionschefin des RN. Das Wahlergebnis bedeute für Macron “das Ende der Macht”, die sie als “arrogant” und “aggressiv” bezeichnete. Eine “vernichtende Niederlage” für Macrons Lager, nannte es auch Clémentine Autain, Abgeordnete der französischen Linken. Er sei kein Bollwerk gegen die extreme Rechte, sondern werde zum Trittbrettfahrer des RN. “Wir haben eine Woche Zeit, um zu verhindern, dass die extreme Rechte an die Macht kommt. Entweder sie oder wir.”

    Rechte gegen Linke in der Stichwahl

    In der zweiten Runde am 7. Juli könnte überwiegend zwischen rechtem RN und linker NFP entschieden werden. Die beiden Kandidaten eines Wahlkreises mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang kommen in die zweite Runde. Aber auch ein dritter Kandidat kann es in die Stichwahl schaffen, wenn er mindestens 12,5 Prozent der registrierten Wähler auf sich vereint hat. Im zweiten Wahlgang gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen, auch wenn er nicht mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält. In den meisten Wahlkreisen stehen sich drei Kandidaten gegenüber, in einigen aber auch nur zwei – meist vom RN und der NFP.

    Ziel des RN ist die absolute Mehrheit, also 289 von 577 Abgeordnetensitze. Zuletzt hielten die Rechtspopulisten 89 Abgeordnete in der Nationalversammlung. Die Meinungsforschungsinstitute in Frankreich präsentierten am Sonntagabend unterschiedliche Sitzprognosen. Sie sehen alle eine relative Mehrheit für den RN und einige auch die absolute Mehrheit – zwischen 230 und 280 Sitze. NFP könnte demnach zwischen 125 und 165 Sitze erhalten und Macrons Ensemble zwischen 70 und 100 Sitze.

    Übertragungen von Stimmen im zweiten Wahlgang

    Im zweiten Wahlgang könnten die drittplatzierten Kandidaten nun ihren Platz räumen und den Zweitplatzierten somit zu besseren Gewinnchancen verhelfen. Macron rief bereits zu einem “breiten, demokratischen und republikanischen Bündnis” auf. Kandidaten seiner Partei würden zugunsten derer zurücktreten, die in der Lage sind, den RN zu schlagen. Die Chefs einiger Parteien des NFP-Bündnisses erklärten ebenfalls, Kandidaten zurückzuziehen, um einen Sieg über den RN zu ermöglichen.

    Demokratische Parteien müssen sich gegen den RN unterhaken, um das Schlimmste zu verhindern, forderte René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD. “Die Angst, dass der RN in der Lage sein könnte, Frankreich zu regieren oder zu lähmen und damit die EU langsam aber sicher zu zerstören, ist real.”

    Macrons Spielraum in Europa wird kleiner

    Diese erste Wahlrunde bestätigt, dass Macrons Spielraum auf der europäischen Bühne stark eingeschränkt ist. Der französische Präsident hat die Wahlniederlage wohl vorausgesehen, denn er kündigte bereits zuvor an, Thierry Breton für eine weitere Amtszeit als Frankreichs EU-Kommissar nach Brüssel schicken zu wollen. Es sei sein Vorrecht, eine Person zu nominieren, hatte er betont.

    RN-Chef Jordan Bardella und Marine Le Pen stellen dies allerdings infrage und wollen einen eigenen Kandidaten ins Berlaymont entsenden. Ein weiterer Wahlsieg im zweiten Wahlgang könnte diese Ansprüche unterstreichen und Macrons “Vorrecht” zu einem verzweifelten Versuch machen, Einfluss in Brüssel zu wahren.

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    Klima- und Agrarpolitik: Was die ungarische EU-Ratspräsidentschaft vorhat

    “Make Europe Great Again” – das ist der Slogan, den Ungarn für seine sechsmonatige Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union gewählt hat. Diese Woche hat sie begonnen. Die Formel ist natürlich vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump abgekupfert, der gute Chancen hat, die nächsten US-Wahlen im November zu gewinnen. Das heißt, während der ungarischen Ratspräsidentschaft.

    Budapest sieht darin jedoch keine Anspielung. “Meines Wissens wollte Donald Trump Europa nie stark machen”, erklärt der ungarische EU-Botschafter Balint Odor. “Unser Motto bezieht sich auf die Idee einer aktiven und bodenständigen Präsidentschaft, auf die Tatsache, dass wir gemeinsam stärker sind, unter Wahrung unserer Identität.”

    Landwirtschaft als oberste Priorität

    Der Green Deal stand in den vergangenen Jahren nie ganz oben auf der Prioritätenliste Ungarns. Während der Ratspräsidentschaft spielt die EU-Agrarpolitik nun aber eine überraschend wichtige Rolle. Die Landwirtschaft ist eine der sieben Prioritäten der ungarischen Ratspräsidentschaft – neben Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigung, Erweiterung, Einwanderung, Kohäsionspolitik und Demografie. Laut eigenen Angaben will Budapest der EU ihre Souveränität bei Fragen der Ernährung zurückgeben und insbesondere die Nahrungsmittelsicherheit verteidigen. Zwei Parameter, die zur Stärkung der strategischen Autonomie der EU beitragen sollen, erklärt der Diplomat.

    Landwirte müssten als die Lösungen für die globale Erwärmung und nicht als die Probleme gesehen werden, fordert Odor. Budapest will daher die Übergangsphase bis zur Bildung der neuen EU-Kommission nutzen, um die Regeln für die EU-Agrarpolitik nach 2027 vorzuformulieren, um eine “wettbewerbsfähige, krisensichere und bauernfreundliche Landwirtschaft” zu gewährleisten.

    Eine politische Ratspräsidentschaft

    Die ungarische Ratspräsidentschaft findet zu einem kritischen Zeitpunkt statt: während EU-Kommission und Parlament neu besetzt werden. “In den nächsten Monaten werden sich die EU-Institutionen auf die Verteilung der Posten und die Ernennung der neuen Kommission konzentrieren, was die legislative Aktivität verringert”, fasst Linda Kalcher, Direktorin des Thinktanks Strategic Perspectives, zusammen.

    In dieser entscheidenden Phase bietet der europäische Werkzeugkasten eine Reihe von Möglichkeiten. “Die Ratspräsidentschaft bestimmt, was auf den Verhandlungstisch kommt, welche Prioritäten sie setzt, sie kann bestimmte Themen verzögern und andere vorantreiben”, erklärt Manon Dufour, Leiterin des Brüsseler Büros des Thinktanks E3G. “Ungarn kann diese Hebel beim Umweltrat im Oktober nutzen.” Dort sollen die Positionen der EU-Staaten für die COP29 in Baku sowie zum Emissionsreduktionsziel bis 2040 festgelegt werden.

    COP29: Spannungen bei der Klimafinanzierung

    Ungarn kann bei diesen entscheidenden Fragen also massiven Einfluss nehmen. Beim EU-Klimaziel 2040 können sie zwar nicht die einzelnen Gesetzgebungen mitgestalten – diese will die Kommission erst 2026 vorstellen. Doch das grundsätzliche numerische Reduktionsziel soll entweder von den Ministern oder von den Staats- und Regierungschefs beim Gipfel im Dezember unter ungarischer Beteiligung festgelegt werden. Kommission und einige Mitgliedstaaten fordern 90 Prozent; Budapest gilt als weniger ambitioniert.

    Bei der COP29 wird der europäische Beitrag zur globalen Klimafinanzierung das heikelste Thema werden, mit dem sich Ungarn befassen muss, beobachtet Manon Dufour. Welche Länder zahlen dafür und welche Länder empfangen künftig Gelder für Anpassung an den Klimawandel und Vermeidung von Emissionen – diese Frage sowie die Höhe der Klimafinanzierung sind das wichtigste Thema in Baku. “Auf europäischer Ebene ist hier eine Entscheidung der Finanzminister im Ecofin-Rat erforderlich und diese muss von der ungarischen Präsidentschaft koordiniert werden.”

    Völlig offen ist laut Dufour, wie sich die ungarische Präsidentschaft hier positionieren wird. Vor allem, wenn Donald Trump im November wiedergewählt werden sollte. Die USA sind bei Finanzierungsfragen für Klimaschutz die zögerlichste Industrienation. Unter Trump dürfte sich dies kaum ändern – eher im Gegenteil. “Klar ist, dass die EU nicht der einzige Beitragszahler zur Klimafinanzierung werden will”, sagt die E3G-Klimaexpertin.

    Auswirkungen der US-Wahlen

    Auf der COP29 wird Ungarn als Ratspräsident den Verhandlungen für die EU-Staaten vorsitzen. Fehlende Koordination durch Budapest könnte die Rolle Europas schwächen, warnt Dufour. Andere einflussreiche EU-Minister sowie der Klimakommissar könnten daher statt des klimapolitisch schwachen Ungarn mehr Verantwortung übernehmen. Linda Kalcher ist überzeugt, dass die Spanierin Teresa Ribera, der Däne Dan Jørgensen sowie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihre Staatssekretärin Jennifer Morgan in diese Rolle schlüpfen könnten.

    Dufour und Kalcher warnen gleichermaßen vor einer “neuen Dynamik” auf der COP29 durch eine klimaskeptische Achse aus Ungarn, USA und China. “Man muss abwarten, wie Budapest reagiert, wenn Donald Trump wiedergewählt gewählt wird”, sagt Kalcher. Da Ungarn eine informelle Ratssitzung für den 7. und 8. November geplant hat, also unmittelbar nach den US-Wahlen, würden dort die Auswirkungen der US-Wahlen auf die EU besprochen werden, glaubt sie.

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    Rechtsbündnis zwischen Fidesz, FPÖ und ANO: Was die AfD nun vorhat

    Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat ein Bündnis mit populistischen Parteien aus Österreich und Tschechien auf EU-Ebene angekündigt, um eine neue Rechtsaußenfraktion im Europäischen Parlament zu gründen. Die Gruppierung “Patriots for Europe” zwischen der ungarischen Regierungspartei Fidesz, der österreichischen FPÖ und der tschechischen ANO solle bald weitere Mitglieder bekommen und zur “größten Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas” aufsteigen, sagte der Fidesz-Chef am Sonntag in Wien. 

    Für die Bildung einer Fraktion wären Abgeordnete aus mindestens vier weiteren EU-Staaten nötig. “Diese Allianz soll eine Trägerrakete darstellen”, sagte Herbert Kickl, der Chef der rechten österreichischen FPÖ. Der tschechische Chef der liberal-populistischen ANO, Ex-Premier Andrej Babiš, erklärte, dass die neue Fraktion im Europäischen Parlament vor allem auf die Verteidigung der nationalstaatlichen Souveränität gegenüber der EU, den Kampf gegen illegale Migration und die Rücknahme der Klima-Maßnahmen des “Green Dea” setze.

    Stärksten Kräfte ihrer Länder

    FPÖ, ANO und Fidesz bekamen bei der EU-Wahl in ihren jeweiligen Ländern die meisten Stimmen. Die Fidesz stellt elf Abgeordnete im neuen Europaparlament, ANO sieben und die FPÖ sechs. Insgesamt stellen sie damit 24 der 720 Vertreter in dem EU-Gremium.

    Während die Fidesz-Partei nach ihrem Austritt aus der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zuletzt keiner Fraktion im EU-Parlament angehörte, war die FPÖ bislang Teil der rechten ID-Fraktion, gemeinsam mit der Rassemblement National (RN) und der ausgeschlossenen AfD. Babis hatte vor kurzem den Austritt seiner Partei aus der liberalen europäischen Fraktion Renew Europe angekündigt.

    Was macht die AfD?

    Die neue Kooperation wirft die Frage auf, wie sich die kürzlich aus der rechten europäischen ID-Fraktion ausgeschlossene AfD jetzt gegenüber diesem Zusammenschluss verhält. Die AfD gab zudem am Sonntag auch den Austritt aus dem europäischen Parteienverbund der ID bekannt.

    Parteichefin Alice Weidel hält einen Beitritt zum neuen EU-Rechtsbündnis für möglich. “Kurzfristig werden wir nicht dazustoßen, aber wer weiß, was wir mittel- und langfristig machen”, sagte sie am Sonntag der ARD. Sie habe volle Bewunderung für Herbert Kickl sowie Viktor Orbándpa/luk

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    DSA: Warum die Kommission noch mehr von Temu und Shein wissen will

    Die Kommission hat den chinesischen Online-Marktplätzen Temu und Shein am Freitag formelle Auskunftsersuchen im Rahmen des Digital Services Act (DSA) übermittelt. Sie will von Temu und Shein unter anderem wissen, was beide Marktplätze in Bezug auf den “Notice and Action”-Mechanismus unternommen haben. Dieser soll es Nutzern ermöglichen, illegale oder fehlerhafte Produkte zu melden. Das können etwa gefälschte Markenartikel oder nicht zugelassene Medikamente sein.

    Außerdem fragt die Kommission weitere Informationen zu Empfehlungssystemen und Online-Schnittstellen ab. Diese sollen nach dem DSA so gestaltet sein, dass sie Nutzer nicht täuschen oder manipulieren (Dark Patterns). Auch zum Kinder- und Jugendschutz und zu den Händlern verlangt die Aufsichtsbehörde genaue Informationen.

    Kommission kann Zwangsgelder verhängen

    Die Kommission teilte mit, dass diese Anfragen auch auf einer Beschwerde von der Verbraucherorganisation BEUC beruhen. Konkurrierende Online-Händler hatten die Kommission ebenfalls aufgefordert, die chinesischen Marktplätze strenger zu kontrollieren.

    Auf der Grundlage der Antworten von Temu und Shein will die Kommission die folgenden Schritte festlegen. Dies könnte die förmliche Eröffnung eines Verfahrens bedeuten. Im Falle einer Nichtbeantwortung kann die Kommission beschließen, die Informationen durch Entscheidung anzufordern. In diesem Fall könnte die nicht fristgerechte Beantwortung zur Verhängung von Zwangsgeldern führen. vis

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    Personalpaket: Was Italiens Außenminister jetzt erwartet

    Der Europäische Rat hat ein Personalpaket für die EU-Institutionen vorgeschlagen, nun geht es um die Bestätigung im Europaparlament. Italiens Außenminister Antonio Tajani forderte von der designierten Außenbeauftragten, der Estin Kaja Kallas, ein klares Bekenntnis, ihren Fokus auch auf die südliche Nachbarschaft und den Mittelmeerraum zu richten.

    Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen könnten hingegen mit der Zustimmung der Abgeordneten der Forza Italia rechnen, die zur EVP-Parteienfamilie gehört. Tajani sprach sich zudem dafür aus, mit konservativen Kräften der EKR-Fraktion zu kooperieren. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen lehnte er ab. tho

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    NZIA in Kraft getreten: Was Habeck nun fordert

    Am Samstag ist der Net-Zero Industry Act (NZIA) in Kraft getreten. Laut Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) ist das Gesetz “ein Booster für die Produktion von Netto-Null-Technologien in Deutschland und Europa”, für Beschleunigung, Bürokratieabbau und mehr Investitionen. “Mit dem NZIA schaffen wir Planbarkeit für den Ausbau von Produktionskapazitäten, stärken Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz und erhöhen so unsere Wirtschaftssicherheit”, so Habeck.

    Der NZIA soll die EU-Staaten als Standort für klimafreundliche Technologien stärken. Bis 2030 will die EU möglichst 40 Prozent ihres jährlichen Bedarfs etwa an Windrädern, Wärmepumpen oder Solaranlagen aus heimischer Produktion decken. Dafür sollen insbesondere die Planungs- und Genehmigungsverfahren für entsprechende Fabriken in den Mitgliedstaaten beschleunigt werden.

    Habeck mahnt, den NZIA so schnell wie möglich umzusetzen, “um der Industrie möglichst bald die notwendigen Impulse für den Produktionshochlauf der Netto-Null-Technologien zu geben”. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Gesetz, das den NZIA in nationales Recht übersetzt. luk

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    Cornelia Ernst – Einsatz für die iranische Zivilgesellschaft

    Cornelia Ernst nennt sich selbst “fanatisch, wenn es um Gerechtigkeit geht”.

    Wenn Cornelia Ernst etwas anpackt, dann mit absoluter Überzeugung und vollem Einsatz. In ihren Worten klingt immer das absolute Verlangen durch, sich mit ihren Positionen durchzusetzen. Sie versteckt diese Eigenschaft auch nicht, nennt sich selbst “fanatisch, wenn es um Gerechtigkeit geht”. Mit dieser Überzeugung hat sie die vergangenen 15 Jahre für die Linken im Europäischen Parlament gearbeitet, in der Delegation für den Kosovo und Bosnien-Herzegowina, im Industrieausschuss oder in der Delegation für den Iran. Von 2009 bis 2019 war sie stellvertretende Vorsitzende; in der vergangenen Legislaturperiode saß sie der Delegation vor.

    Politisiert durch Protest 

    Dabei hatte Ernst von Kindheitstagen an eigentlich ganz andere Pläne, als in die Politik zu gehen. “Mit drei Jahren wusste ich schon, dass ich Lehrerin werden möchte”, sagt sie. Nach ihrem Diplom als Pädagogin war sie bis 1991 am Institut für Lehrerbildung im sächsischen Großenhain als Lehrerbildnerin tätig. Währenddessen entdeckte sie die Macht des Protests, als sie gemeinsam mit Studierenden eine Einrichtung an der Universität retten konnte.

    Als die Leiterin des Instituts, Brigitte Zschoche, im Jahre 1991 in den Landtag weiterzog, schloss sich Ernst ihr als Mitarbeiterin an. Großen Einfluss auf die politische Karriere der 67-Jährigen hatten auch Unrechtserfahrungen infolge des Mauerfalls 1989. “Die Wendegeschichten haben mich in die Politik gespült”, sagt Ernst heute. Ihrer Meinung nach wurde in dieser Zeit zu viel über Berlin gesprochen, während andere ostdeutsche Regionen vernachlässigt worden seien.

    Durch Asylpolitik nach Europa 

    Die Asylpolitik war es schließlich, die Ernst nach Europa brachte. Nachdem sie im Sachsen der 1990er-Jahre vor allem “vielen Menschen aus Jugoslawien das Bleiberecht gesichert” habe, war für sie klar, das Thema “noch einmal mit größerem Maßstab” behandeln zu wollen.  

    In den vergangenen 15 Jahren in Brüssel und Straßburg habe sich die Linken-Politikerin in Themen der Asylpolitik “radikalisiert”, wie sie selbst sagt. Grund dafür sei die “menschenfeindliche Politik”, die sie denjenigen vorwirft, die “immer wieder Barrieren aufbauen, damit Menschen nicht zu uns kommen können, obwohl sie furchtbaren Verhältnissen ausgesetzt sind”. Auch das Gemeinsame europäische Asylsystem (GEAS) falle darunter. 

    Im Iran “einen Fuß in der Tür lassen” 

    Auch die Iran-Politik Europas lässt sie teilweise frustriert zurück. In Schutz nimmt die Vorsitzende der Delegation des EU-Parlaments, Josep Borrell. “Ich halte es für richtig, dass er versucht, einen Fuß in der Tür zu belassen”, sagt Ernst. Sanktionen gegen das Regime seien zwar “unumgänglich”, dürften allerdings keinesfalls das einzige Mittel sein.

    Vielmehr sollten die Befreiung der restlichen Gefangenen im Land sowie die Unterstützung der Zivilgesellschaft und der Oppositionellen eine größere Rolle einnehmen. Denn: “Wir werden das Regime niemals von außen stürzen können”, begründet Ernst. Während das Land sich politisch und wirtschaftlich schon vor Jahren Russland und China zugewendet habe, seien die Menschen vor Ort dem Westen weiterhin mehrheitlich zugewandt.  

    Verbindung zu iranischer Opposition stärken 

    Das müsse die EU in Zukunft nutzen: Gerade nach dem Angriff des Iran auf Israel “muss man natürlich klar sagen, was man in der jetzigen Situation von diesem Regime hält”. Dennoch sei es kontraproduktiv, alle Kontakte zum Iran abzubrechen. Gleichzeitig fordert Ernst, die Verbindungen des EU-Parlaments zur Opposition im Iran zu stärken, beispielsweise mithilfe eines Beirats. “Das ist das, was wir in der jetzigen Lage real machen können”, sagt sie.

    Langfristig wünscht sie sich ein Modell nach dem Vorbild der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die in den 1970er-Jahren den Ost-West-Konflikt managte. “Wir brauchen eine ähnliche Institution, die Schritt für Schritt eine Normalisierung im Nahen Osten herstellt”, sagt Ernst. 

    Sie selbst wird für derartige Bemühungen nicht zur Verfügung stehen. Sie zieht sich aus der Europapolitik zurück. Stattdessen möchte sie sich am Wiederaufbau ihrer Partei, der Linken, beteiligen. “Die braucht meine Unterstützung gerade am meisten”, so Ernst. Jasper Bennink

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    Europe.Table Redaktion

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