Table.Briefing: Europe

Erste Kompromisse zur Plattformarbeit + Diskussion um Data Act + Lieferkettengesetz

  • Plattformarbeit: Parlament schmiedet erste Kompromisse
  • Data Act: Das sind die Diskussionspunkte
  • Termine
  • Westbalkan-Gipfel: EU fordert klares Bekenntnis
  • Lieferkettengesetz: Rat will Position beschließen
  • Verpackungsverordnung: Kommission plant strengere Auflagen
  • ITRE verschiebt Abstimmung über Gebäuderichtlinie
  • Energiekrise: Italien plant Übergewinnsteuer von 50 Prozent
  • Lagarde: Gipfel der Inflation wohl noch nicht erreicht
  • 265 Millionen Euro Strafe gegen Meta in Irland
  • Heads: Stefan Schnorr – Der Digitalstratege
  • Apéropa: Boris Johnson und die Plastiktüten
Liebe Leserin, lieber Leser,

rund 28 Millionen Europäer arbeiteten 2020 über digitale Plattformunternehmen wie Google und Uber. 5,5 Millionen von ihnen sind nach Schätzungen der Kommission falsch als selbstständig eingestuft. Zurzeit laufen die Verhandlungen zur Richtlinie für die Plattformarbeit, mit der die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert werden sollen. Die Beratungen von Parlament und Rat dauern unerwartet lange. Im Parlament zeichnen sich nun jedoch erste Kompromisse ab, wie Markus Grabitz berichtet. 

Auch beim Datengesetz gibt es noch eine Menge Gesprächsbedarf – das zeigen allein schon die über 1100 Änderungsanträge im federführenden Industrieausschuss. Heute steht der Data Act auf der Tagesordnung im Binnenmarktausschuss. Von der Industrie gibt es klare Forderungen zu dem Gesetz – welche das sind, fasst Corinna Visser zusammen. 

In den News berichten wir außerdem über die Kernpunkte der Ratsposition zum Lieferkettengesetz und den Vorschlag der Kommission zur Verpackungsverordnung.

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Ihre
Sarah Schaefer
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Analyse

Plattformarbeit: Parlament schmiedet erste Kompromisse

Bei den Verhandlungen zur Richtlinie für die Plattformarbeit zeichnen sich im Europaparlament erste Kompromisse ab. Am umstrittensten im Entwurf von EU-Arbeitskommissar Nicolas Schmit sind die Kriterien, wann eine Plattform ein Arbeitgeber ist, sowie der Mechanismus, wie ein Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Mindestlohn, Sozialversicherung und Recht auf bezahlten Urlaub erstritten werden kann.

Im Europaparlament wird es nach Informationen von Europe.Table im Bericht von Elisabetta Gualmini (S&D) auf eine Klarstellung in Artikel 4 zur “Vermutung” hinauslaufen, die ein Angestelltenverhältnis auslöst. Zum Hintergrund: Die Kommission hatte eine Beweislastumkehr vorgeschlagen. Demnach soll künftig nicht mehr der Plattformarbeiter nachweisen müssen, dass er bei einer Plattform beschäftigt ist, sondern die Plattform muss nachweisen, dass dies nicht der Fall ist.

2020 arbeiteten rund 28 Millionen Europäer für digitale Plattformunternehmen. Schätzungen der Kommission zufolge werde es 2025 43 Millionen Plattformarbeiter in der EU geben. Die übergroße Mehrheit der Plattformarbeiter sei selbstständig. 5,5 Millionen davon seien falsch als selbstständig eingestuft, schätzt die Kommission. Die Kommission will die Rechte von Plattformarbeitern stärken. Das Europaparlament hat dazu bereits einen Initiativbericht (INI Brunet) erarbeitet.

Plattformen dürfen Stellung nehmen

Laut dem anvisierten Kompromiss im Parlament soll es dafür zwei Möglichkeiten geben: Entweder der Plattformarbeiter ficht seinen Status an. Oder: Eine nationale Behörde, in Deutschland etwa die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, moniert bei der Plattform Unregelmäßigkeiten bei der Einstufung der Menschen, die auf der Plattform tätig sind. Ist aber dieser Mechanismus einmal ausgelöst, soll die Plattform die Gelegenheit bekommen, das Gegenteil zu beweisen. Dies habe aufschiebende Wirkung. Kein Plattformarbeiter werde also in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis eingestuft, bevor die Plattform dazu Stellung nehmen könne.

Dies helfe zum einen Arbeitnehmern in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Zum anderen profitierten Selbstständige, die unabhängig bleiben wollten. Selbstständige könnten frei entscheiden, wann sie arbeiten, ob sie arbeiten und ob sie überhaupt einen Auftrag annehmen wollten. Die Plattform könnte ihnen dann auch nicht verbieten, einen eigenen Kundenkreis aufzubauen.

Abstimmung im EMPL-Ausschuss erst am 12. Dezember

Am Mittwoch wollen die Experten im EMPL-Ausschuss weiter verhandeln, daher soll anders als zunächst geplant jetzt erst am 12. Dezember im Ausschuss über den Gualmini-Bericht abgestimmt werden. Dennis Radtke (CDU), Schattenberichterstatter und sozialpolitischer Sprecher der EVP, hebt die Bedeutung des Vorschlags hervor: “Die Richtlinie bietet die Chance, denen zu helfen, die bisher keinen Zugang zu elementaren Dingen wie Mindestlöhnen und Sozialversicherungen haben.” Zudem gehe es darum, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen: “Diejenigen, die sich an die Spielregeln halten, dürfen nicht die Dummen sein.” Für Uber etwa müsse es mehr Spielregeln geben als nur die Straßenverkehrsordnung.

Der Rat hat seine Haltung noch nicht geklärt. Letzte Woche war es den EU-Botschaftern nicht gelungen, die allgemeine Ausrichtung vorzunehmen. Auch die Bundesregierung hat noch keine abgestimmte Position. Wie zu hören ist, setzen sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die grün geführten Ministerien für die Richtlinie ein, die FDP stehe auf der Bremse.

Zunächst hieß es, Frankreich lehne den Vorschlag ab. Nun hört man, dass im Rat doch nicht mit einer Blockade zu rechnen sei. Luxemburg, Belgien und die Niederlande – immerhin Mitgliedstaaten mit liberaler Beteiligung – sowie Spanien setzten sich für den Vorschlag ein. Tschechien und andere osteuropäische Staaten sind skeptisch. In Brüssel heißt es, eine Einigung im Rat werde dauern. Ob sie unter schwedischer Ratspräsidentschaft (Januar bis Juni) gelinge, sei nicht garantiert.   

BDA und Bitkom sind skeptisch

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) übt Kritik am Vorschlag der Kommission: Er verfolge das richtige Ziel, schieße aber deutlich darüber hinaus. “Es kann nicht sein, dass Unternehmer, die Solo-Selbstständige sind, entgegen ihrem eigenen Interesse in Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden, die vor Gericht nur schwer zu widerlegen sind.” Dies hätte auch weitreichende Folgen für Betriebe.

Die BDA lehnt auch Vorschläge ab, die die Definition von digitalen Arbeitsplattformen auf die gesamte Wirtschaft ausweiten würden: “Unternehmen, die ihre Arbeitsprozesse digital organisieren, dürfen nicht als Plattform gelten. Das ist absurd und widerspricht jedem Verständnis einer modernen, sich digitalisierenden Arbeitswelt.”

Der Digitalverband Bitkom mahnt an, dass die Antwort auf die Frage, wann ein Arbeitsverhältnis zwischen einer Plattform und einem dort Tätigen vorliegt, stärker an die Marktrealitäten der Plattformökonomie angepasst werden müsse: Viele wollten ihre Flexibilität bewahren und nicht abhängig Beschäftigte werden: “Die Richtlinie muss sicherstellen, dass selbstständige Plattformtätige, die selbstständig sein wollen, nicht automatisch als Beschäftigte eingestuft werden”, sagt Adél Holdampf-Wendel.

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Data Act: Das sind die Diskussionspunkte

Mehr als 1100 Änderungsanträge allein im federführenden Industrieausschuss (ITRE) zeigen, dass es beim Datengesetz noch viel zu diskutieren gibt. Am heutigen Dienstag steht der Data Act (DA) auf der Tagesordnung im Binnenmarktausschuss (IMCO). Die Abgeordneten debattieren die Stellungnahme von Adam Bielan (EKR).

ITRE-Berichterstatterin Pilar del Castillo Vera (EVP) hatte ihren Entwurf Mitte September präsentiert. Bis zum 9. November konnten die Fraktionen Änderungsanträge vorlegen (Teil 1, 2, 3, 4). Die Abstimmung im ITRE-Ausschuss wird für Februar/März 2023 erwartet.

Kommission hat sich zu stark am Konsumentenmarkt orientiert

Das Internet für Verbraucher ist fest in der Hand der großen Gatekeeper aus den USA. Beim Industrial Internet sieht die europäische Industrie dagegen große Chancen: “In Europa haben wir alle Assets, diesen Markt für uns zu gewinnen”, ist von den Unternehmen zu hören. Der Vorschlag der Kommission sei jedoch zu sehr vom Konsumentenmarkt inspiriert. Der sei völlig anders aufgebaut und folge anderen Mechanismen. In diese Richtung gehen auch die Änderungsanträge von Schattenberichterstatter Damian Boeselager (Grüne/EFA).

Daher sehen die Unternehmen hier noch großen Handlungsbedarf. Insbesondere wünschen Sie sich die Möglichkeit, mehr Dinge vertraglich zu regeln.

Außerdem fürchten die Unternehmen um ihre Geschäftsgeheimnisse, wenn sie Daten teilen müssen. Sie wünschen sich, dass sie wenigstens gewisse vertragliche Anforderungen an den Umgang mit den Geheimnissen stellen können – ohne deren Erfüllung dann kein Datenaustausch stattfindet. Das könnte mehr Vertrauen in das Teilen von Daten schaffen, heißt es. So argumentiert unter anderem auch Angelika Niebler (CSU). Der ZVEI warnt: Sollten Geschäftsgeheimnisse nicht technisch und rechtssicher geschützt werden, gingen Investitionsanreize verloren.

Zu viele Überschneidungen mit anderen Vorschriften

Eine weitere Forderung aus der Industrie ist, den Data Act stärker von anderen Rechtsakten abzugrenzen – auch um Rechtssicherheit zu schaffen. Überschneidungen sehen die Unternehmen etwa mit dem Digital Markets Act (DMA), der marktbeherrschende Unternehmen ja bereits reguliert.

Auch dürften die Verpflichtungen zum Data-Sharing im DA nicht mit den Bestimmungen des Data Governance Act oder der DSGVO kollidieren. Grundsätzlich geht es im Data Act nicht um personenbezogene Daten, doch die Abgrenzung ist nicht immer eindeutig. Daten, die ein Auto produziert, sind andere als Daten, die ein Windrad produziert. Hier wünschen sich die Unternehmen mehr Klarheit. In diese Richtung gehen auch die Änderungsanträge von Sergey Lagodinsky für den LIBE-Ausschuss.

Wechsel der Cloud

Der Data Act soll auch den Wechsel eines Cloud-Anbieters regulieren, um Lock-in-Effekte zu vermeiden. Dabei gibt es verschiedene Ansichten, wie lange so ein Wechsel dauern darf. Die Industrie argumentiert, bei Unternehmen dauere ein Wechsel des Anbieters sehr viel länger als bei Konsumenten, weil die IT-Systeme komplexer sind und es um größere Datenvolumina geht. Unternehmen sollten die im B2B-Markt üblichen Fristen und Laufzeiten vereinbaren können.

Auch den Vorschlag der funktionalen Äquivalenz sehen die Unternehmen kritisch – unter anderem wollten Kunden oft gerade deshalb wechseln, weil ein anderer Anbieter andere Funktionen anbietet. Was die Industrie brauche, seien Tools, Schnittstellen und Standards, über die der Wechsel funktionieren könne. 

Ebenfalls umstritten ist die Höhe der Wechselgebühren, die die Kommission nach einer Frist ganz abschaffen wollte. Etwaige überhöhte Gebühren für das Cloud-Switching von marktbeherrschenden Unternehmen sollten durch die Regeln des DMA adressiert werden, argumentiert ein Unternehmensvertreter.

Rat liefert Fortschrittsbericht – keinen neuen Kompromiss

Das Dossier wird im Rat noch in den Vorbereitungsgremien verhandelt. Die tschechische Ratspräsidentschaft hat bereits ein zweites Kompromisspapier erarbeitet und wird den Ministern auf der kommenden Tagung des Rates Verkehr und Telekommunikation am 6. Dezember voraussichtlich einen Fortschrittsbericht zur Kenntnis vorlegen. Folglich wird sie das Dossier nicht mehr zu einer gemeinsamen Ausrichtung bringen und an die schwedische Präsidentschaft übergeben.

Deutschland hat noch keine fertige Stellungnahme

Die Bundesregierung hat eine vorläufige Stellungnahme abgegeben, in der sie sich aber noch nicht mit allen Themen beschäftigt – zum Beispiel nicht mit dem Thema Cloud-Switching. Die Bundesregierung behält sich ausdrücklich eine Ergänzung vor. Zunächst sind es fünf Punkte, die sie priorisiert:

  • Abgrenzung von und Kohärenz mit datenschutzrechtlichen (DSGVO) und anderen datenrelevanten europäischen Rechtsnormen
  • Datenzugangs- und -nutzungsregelungen stärker zwischen B2C- und B2B-Anwendungen differenzieren
  • Fairnesskontrolle bei Vertragsbedingungen stärker nach rechtlichem Prüfungsmaßstab auslegen (analog RL 93/13/EWG)
  • Schaffung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen des öffentlichen Sektors, der Wirtschaft und der Bürger bei der Datenerhebung durch den öffentlichen Sektor
  • Berücksichtigung von besonderen Interessen der Forschung im erheblichen öffentlichen Interesse
  • Data Act
  • Daten
  • Digitalisierung
  • Digitalpolitik

Termine

30.11.-02.12.2022, Berlin
KAS, Seminar European Data Summit 2022
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) diskutiert die aktuellen politischen Herausforderungen Digitalisierung, gerechte Globalisierung und Nachhaltigkeit. INFOS & ANMELDUNG

30.11.-01.12.2022, Berlin
Behörden Spiegel, Conference Berlin Security Conference
The Behörden Spiegel invites top level politicians to discuss security related issues. INFOS & REGISTRATION

30.11.2022 – 09:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
ECSA WESS Final Conference
The European Community Shipowners’ Associations (ECSA) addresses the fast transition towards decarbonisation and digitalisation in the shipping industry. INFOS & REGISTRATION

30.11.2022 – 09:30-17:00 Uhr, online
Handelsblatt, Konferenz Wasserstoff-Gipfel Update 2022
Das Handelsblatt geht der Frage nach, wie die nächsten Schritte in der Wasserstoff-Transformation aussehen müssen und wie diese beschleunigt werden kann. INFOS & ANMELDUNG

30.11.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
ZIA, Seminar Grundlagen der ESG-Regulierung – Aktuelles im Überblick zu SFDR, Taxonomie, MiFID
Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) gibt einen Überblick über die wesentlichen Veröffentlichungs- und Handlungspflichten im Hinblick auf die ESG-Gesetzgebung ab Anfang 2023. INFOS & ANMELDUNG

30.11.2022 – 18:00-22:00 Uhr Uhr, Belgien (Brüssel)
Bayerische Landesvertretung bei der EU, Podiumsdiskussion Zwischen Energiekrise und Green Deal: Auf was müssen sich Unternehmen einstellen?
Die Bayerische Landesvertretung bei der EU diskutiert das EU-Notfallpaket und seine Auswirkungen auf Unternehmen. INFOS & ANMELDUNG

30.11.2022 – 18:00-19:15 Uhr, Essen
DGAP, Podiumsdiskussion Der europäische Green Deal in Zeiten der Energiekrise
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) beschäftigt sich mit den Auswirkungen der gegenwärtigen Krise auf die Umsetzung des europäischen Green Deal. INFOS & ANMELDUNG

01.12.-02.12.2022, Rust
BVDW, Conference The Metaverse Summit feat. Aurea Award
The German Association for the Digital Economy (BVDW) presents keynotes from industry thought leaders and knowledge exchange with experts on all aspects of XR technology and business models. INFOS & REGISTRATION

01.12.-02.12.2022, online
FSR, Conference Climate Annual Conference
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the main climate-related existing policies at the EU, national, international and sub-national levels. INFOS & REGISTRATION

01.12.2022
AI, Workshop German-American Trade-Tech Dialogue
Das Aspen Institute (AI) lädt zur Eröffnungsveranstaltung des German-American Trade and Tech Dialogue ein, der sich zum Ziel setzt, Verständnis und Vertrauen zwischen führenden transatlantischen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu fördern. INFOS & ANMELDUNG

01.12.2022 – 08:00-09:00 Uhr, online
BDI, Diskussion Technologische Souveränität – Handel zwischen Konfrontation und Kooperation
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht der Frage nach, wie westliche Industriestaaten die Spielregeln auf dem Parkett der internationalen Normung für sich nutzen können. INFOS & ANMELDUNG

01.12.2022 – 09:00-17:00 Uhr, online
DBU, Panel Discussion Ressourcenverbrauch in der Textilindustrie
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) stellt die Frage, wie Circular-Economy-Ansätze den Ressourcenverbrauch in der Textilindustrie reduzieren können. INFOS & REGISTRATION

01.12.2022 – 09:00-17:00 Uhr, Lille (Frankreich)
ERA/ENISA, Conference Cybersecurity in Railways
The European Union Agency for Railways (ERA) and the European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) provide information on the latest developments and raise awareness among railway stakeholders about vulnerabilities caused by cybersecurity threats. INFOS & REGISTRATION

01.12.2022 – 09:15-13:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Krisenmanagement im Stromnetz
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) bietet eine Schulung zum Krisenmanagement der Stromnetzbetreiber. INFOS & ANMELDUNG

News

Westbalkan-Gipfel: EU fordert klares Bekenntnis

Die sechs Staaten auf dem Westbalkan sollen sich angesichts der geopolitischen Spannungen klar zur Europäischen Union bekennen. “Der Zusammenhalt mit der EU ist ein klares Zeichen für die strategische Ausrichtung der Partner, mehr denn je, da Russland seinen Krieg in der Ukraine eskalieren lässt”, heißt es in einem Entwurf der Abschlusserklärung des EU-Westbalkan-Gipfels am 6. Dezember, der von “Contexte” veröffentlicht wurde. Daher bekräftige man die Erwartung, dass sich Länder der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU anschlössen und auch die Sanktionen gegen Russland übernähmen.

Die Botschaft richtet sich vor allen an Serbien, das trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine versucht, seine engen Beziehungen zu Moskau zu erhalten. Aber auch von den anderen Beitrittsaspiranten verlangt die EU mehr Einsatz. Die EU sei nach wie vor der wichtigste Investor, Handelspartner und Hauptgeldgeber der Region, heißt es in der Erklärung. “Das außergewöhnliche Ausmaß und die Bandbreite dieser Unterstützung müssen von den Partnern in ihrer öffentlichen Debatte und Kommunikation sichtbarer gemacht werden, damit die Bürger die konkreten Vorteile der Partnerschaft mit der EU erkennen können.”

Der Gipfel soll in einer Woche in der albanischen Hauptstadt Tirana stattfinden. Anfang November hatte Kanzler Olaf Scholz die Staats- und Regierungschefs von Serbien, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Montenegro sowie etliche EU-Regierungen bereits nach Berlin eingeladen. Dort vereinbarten sie unter anderem eine engere Zusammenarbeit in der Energiepolitik und neue Finanzhilfen. tho

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Lieferkettengesetz: Rat will Position beschließen

Die Mitgliedstaaten werden bei den Sorgfaltspflichten für Unternehmen voraussichtlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen. Beim Wettbewerbsfähigkeitsrat am Donnerstag wollen die Wirtschaftsminister im EU-Rat ihre Position für die abschließenden Verhandlungen mit dem Europaparlament verabschieden.

Auf dem Tisch liegt ein Kompromiss, der unter den Ständigen Vertretern am Freitag eine Mehrheit fand. Noch strittig ist aber unter anderem, wie stark die Finanzbranche einbezogen werden soll. Frankreich versuche, den Sektor komplett außen vorzuhalten, heißt es in Brüssel, und versuche dafür eine Sperrminorität zu organisieren.

Die Kernpunkte der Ratsposition:

  • Auch der Rat plädiert für die Einführung einer zivilrechtlichen Haftung bei Verletzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen. Das Internationale Privatrecht solle so modifiziert werden, dass sich die faktische Justizgewährung wesentlich verbessere, heißt es aus Kreisen der Bundesregierung. Insbesondere müsste dann vor Gerichten in den Mitgliedstaaten der EU nicht mehr nach dem Recht am Ort des Schadenseintritts geklagt werden. Dies hatte in der Vergangenheit den Rechtsschutz praktisch unmöglich gemacht und in einem viel beachteten Verfahren zur Abweisung von Opferklagen gegen den deutschen Textildiscounter Kik geführt.
  • Klima- und Nachhaltigkeitspläne sollen für Großunternehmen obligatorisch werden.
  • Zudem soll die Richtlinie demnach die gesamte Wertschöpfungskette adressieren. Auch der sogenannte Downstream von Produkten wird einbezogen, wenn auch nur geringfügig. Unternehmensnahe Risiken sollen mit Blick auf Entsorgung und Recycling adressiert werden.

Die Bundesregierung konnte sich nicht mit ihrer Position der Schaffung eines Safe Harbour für Unternehmen durchsetzen. Damit wollte Berlin Anreize schaffen, damit Unternehmen bei der Umsetzung nachhaltiger Lieferketten über die Regulierung hinausgehen. Dazu sollen sie im Gegenzug bei Vorfällen aufgrund leichter Fahrlässigkeit nicht haften müssen. Vertreter aus der deutschen Wirtschaft befürworten diesen Ansatz, die Zivilgesellschaft hält ihn für einen Fehler.

Menschenrechte in der Lieferkette schützen – das ist ein erklärtes Ziel des Europäischen Betriebsrates und des Weltbetriebsrates, der sich jetzt bei Daimler Truck gegründet hat, dem größten Nutzfahrzeughersteller der Welt. “Das neu gegründete Gremium bildet eine starke Plattform, um Arbeitnehmerrechte bis zu kleinen Zulieferern und Menschenrechte in der Lieferkette insgesamt zu schützen”, sagte Michael Brecht, Gesamtbetriebsratschef von Daimler Truck. cd/mgr

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  • Europapolitik
  • Klima & Umwelt
  • Lieferkettengesetz
  • Nachhaltigkeit

Verpackungsverordnung: Kommission plant strengere Auflagen

Am kommenden Mittwoch will die Kommission ihren Vorschlag zur Verpackungsverordnung vorstellen. Der Gesetzestext soll Standards und Quoten festlegen, um Verpackungen nachhaltiger zu gestalten und Verpackungsmüll zu reduzieren. Europe.Table liegt ein Entwurf des Textes vom 24. November vor.

Darin steht, dass Produzenten Verpackungsmaterialien spätestens ab 2030 so entwerfen müssen, dass sie re­cy­cel­bar sind (Design-for-Recycling-Kriterien). Ab 2035 müssen sie des Weiteren nachweisen, dass die Verpackungen in großem Umfang recycelt werden können.

Der Gesetzestext wird unter anderem festlegen, wie viel Prozent des Verpackungsmaterials aus recyceltem Plastik bestehen darf. Ab 2030 sollen etwa folgende Minimalwerte gelten:

  • 30 Prozent für kontaktempfindliche Verpackungen, die hauptsächlich aus PET bestehen;
  • 10 Prozent für kontaktempfindliche Verpackungen, die aus anderem Plastik als PET bestehen. Die Ausnahme bilden Einwegflaschen. Für diese gilt eine 30-Prozent-Quote;
  • 35 Prozent für alle anderen Verpackungsmaterialien aus Plastik.

Bis 2035 gelten wenige Ausnahmen, beispielsweise für Medizinprodukte.

Plastikauflagen schwer zu erfüllen, sagt Europen

Bereits jetzt ist abzusehen, dass diese Auflagen schwer zu erreichen sein werden. Als unrealistisch bezeichnete der europäische Verpackungsverband Europen die Plastikvorlagen der Kommission in einer Stellungnahme vom 19. November. Damals war ein erster Entwurf des Gesetzes geleakt worden. Tatsächlich ist recyceltes Plastik zurzeit noch ein recht seltenes Gut: Produzenten haben entweder Probleme, die nötigen Quantitäten zu beschaffen, oder aber sie können die Preise nicht stemmen.

Auch weitere Vorlagen des Kommissionsvorschlags bezeichnet Europen als “inadäquat”: Die Kommission riskiere, die Existenz der Verpackungsproduzenten zu gefährden.

Umwelt-NGOs kritisieren ihrerseits, die Kommission sei nicht ambitioniert genug, etwa bei den Zielen zur Reduzierung der Verpackungen. Mitgliedstaaten sollen diese pro Kopf um 5 Prozent bis 2030, 10 Prozent bis 2035 und 15 Prozent bis 2040 reduzieren.

Die Maßnahmen der Kommission müssen nicht erst von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden, denn sie verwandelt die aktuell gültige Richtlinie in eine Verordnung. Die Mitgliedstaaten können allerdings die Strafen bei Verstößen gegen die Verordnung festlegen. Diese sollen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. cw

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ITRE verschiebt Abstimmung über Gebäuderichtlinie

Seinen Bericht zur Gebäuderichtlinie (EPBD) wird der ITRE nicht wie ursprünglich geplant heute annehmen. Einen neuen Termin gebe es noch nicht, die Abstimmung sei aber für Januar zu erwarten, erfuhr Europe.Table aus dem Umfeld des Berichterstatters Ciarán Cuffe (Grüne).

Ein Grund für die Verschiebung war zunächst nicht zu erfahren. Anzunehmen ist aber, dass das Parlament zunächst die allgemeine Ausrichtung des Rates von Ende Oktober analysieren will. Die Mitgliedstaaten wollen die Sanierungspflichten deutlich abschwächen. Streichen will der Rat zum Beispiel schärfere Verpflichtungen für einzelne Bestandsgebäude.

Zudem erscheinen immer wieder neue Positionspapiere. Gestern plädierte ein Bündnis von Gasverbänden für Hybridlösungen aus erneuerbaren Energien und Gasheizungen, statt hauptsächlich auf Wärmepumpen zu setzen. Der Wasserstoffrat der Bundesregierung veröffentlichte außerdem eine Studie zur Rolle von Wasserstoff im Wärmemarkt. ber

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Energiekrise: Italien plant Übergewinnsteuer von 50 Prozent

Italien will in der Energiekrise nächstes Jahr 50 Prozent der Übergewinne abschöpfen, wenn große Konzerne ungewöhnlich hohe Einnahmen haben. Das geht aus einem Entwurf der Regierung in Rom für den Haushalt 2023 hervor, den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte. Belastet werden dürften Unternehmen, die von den gestiegenen Öl- und Gaspreisen profitieren.

Die italienische Regierung rechnet mit Einnahmen von gut 2,5 Milliarden Euro durch die Steuer. Diese orientiert sich an Vorgaben der Europäischen Kommission und ersetzt eine ähnliche Sonderabgabe für dieses Jahr.

Die 50 Prozent sollen greifen, wenn die Einnahmen einer Firma im Energiebereich 2022 mindestens zehn Prozent über dem durchschnittlichen Niveau der Jahre 2018 bis 2021 liegt. Eingezogen ist allerdings ein Deckel bei 25 Prozent der Nettovermögenswerte zum Ende des Jahres 2021. Nach vorherigen Plänen aus dem italienischen Finanzministerium sollte die Sonderabschöpfung eigentlich bei 35 Prozent liegen und orientierte sich eher an den Gewinnen und nicht den Einnahmen der Konzerne. Außerdem war die Laufzeit bis Juli 2023 begrenzt.

In Deutschland sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zuletzt, die Sonderabgabe stehe rechtlich auf dünnem Eis. Er müsse europäisches Recht aber umsetzen. Das Finanzministerium in Berlin plant daher eine Sonderabgabe in Höhe des europarechtlichen Mindestwerts von 33 Prozent. In Deutschland muss der Gewinn betroffener Firmen in den Jahren 2022 und 2023 jeweils um 20 Prozent höher liegen als der Durchschnittsgewinn der Jahre 2018 bis 2021. Betroffen sind dann Unternehmen im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- sowie Raffineriebereich. rtr

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Lagarde: Gipfel der Inflation wohl noch nicht erreicht

Die Europäische Zentralbank (EZB) hält laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde im Kampf gegen Inflation alle Türen für Zinserhöhungen offen. Wie viel weiter die EZB noch gehen und wie schnell sie dahin kommen müsse, hänge von den verschiedensten Faktoren ab, sagte Lagarde am Montag in einer Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EU-Parlaments in Brüssel. Zu diesen gehörten unter anderem die Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte, die Tiefe der wirtschaftlichen Krise, die Entwicklung der Löhne sowie die Inflationserwartungen.

Lagarde äußerte sich skeptisch zu Erwägungen, dass bereits der Gipfelpunkt der Inflation erreicht ist. “Das würde mich überraschen.” Top-Volkswirte der EZB würden aktuell eher das Risiko sehen, dass die Teuerung noch zunehme. “Die Zinssätze sind und bleiben das wichtigste Instrument zur Bekämpfung der Inflation”, so Lagarde. “Wir sind mit der Inflation noch nicht fertig, wir haben noch Arbeit vor uns.”

Die nächste Zinssitzung der EZB findet am 15. Dezember statt. Zu dieser werden den Euro-Wächtern neue Prognosen der EZB-Ökonomen zu Inflation und Wachstum vorliegen.

“Wir sind entschlossen, die Inflation auf unser mittelfristiges Ziel zu senken”, sagte Lagarde. Die EZB strebt zwei Prozent Inflation als Optimalwert an. Im Oktober lag die Teuerung aber, angefacht durch den Energiepreisschub infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine, bei 10,6 Prozent.

Im Dezember wird die EZB Lagarde zufolge die Grundsätze für den Abbau ihrer Anleihenbestände aus dem APP-Programm darlegen. Mit dem billionenschweren Programm hatte die Euro-Notenbank ab 2015 versucht, die Konjunktur anzuschieben. Aktuell werden auslaufende Anleihen aus diesem Programm noch vollständig wieder ersetzt. “Es ist angemessen, dass die Bilanz im Laufe der Zeit auf angemessene und vorhersehbare Weise normalisiert wird”, sagte die Notenbankchefin. rtr

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  • Inflation

265 Millionen Euro Strafe gegen Meta in Irland

Nach der Veröffentlichung persönlicher Daten von bis zu 533 Millionen Facebook-Nutzern muss der Mutterkonzern Meta in Irland 265 Millionen Euro Strafe zahlen. Damit summieren sich die Strafen für Meta in dem EU-Staat auf 910 Millionen Euro in den vergangenen 14 Monaten.

Die irische Datenschutzbehörde DPC teilte am Montag mit, sie habe ihre Untersuchungen abgeschlossen, die sie im April 2021 nach der Veröffentlichung von Namen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen in einem Hacker-Forum aufgenommen hatte. Die Datenschutzbehörden der übrigen EU-Mitglieder hätten mit der irischen Behörde zusammengearbeitet und stimmten ihrer Entscheidung zu.

Facebook teilte mit, das Urteil zu prüfen. Kriminelle hätten die öffentlich zugänglichen Daten vor September 2019 abgeschöpft (scraped) und dann auf Plattformen online gestellt. Die Systeme von Facebook seien aber nicht gehackt worden.

Es ist das vierte Mal seit September 2021, dass die irische Behörde eine hohe Geldstrafe gegen Meta verhängt. Damals musste die Tochter WhatsApp 225 Millionen Euro wegen Verstößen gegen Datenschutzregeln zahlen. Hinzu kam im März 2022 eine weitere Strafe von 17 Millionen Euro gegen den Mutterkonzern ebenfalls wegen Datenschutzverstößen. Im September verhängte die DPC eine Geldstrafe von 405 Millionen Euro gegen Instagram wegen schwerer Verstöße gegen Datenschutzregeln für Kinder.

Meta hat gegen die Instagram- sowie die WhatsApp-Entscheidung jeweils Berufung eingelegt. Nun müssen Richter entscheiden. Ein Urteil gilt als Präzedenzfall für künftige Untersuchungen von Datenrechtsverstößen.

Die irische Datenschutzbehörde stand lange Zeit im Verruf, gegen Vergehen von großen IT-Konzernen aus den USA lasch vorzugehen. Internationale Tech-Konzerne wie Meta sind ein wichtiger Arbeitgeber in Irland. Nach der Entscheidung des Netzwerkriesen, weltweit zahlreiche Stellen zu streichen, stehen dort Hunderte Jobs auf der Kippe. dpa

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Presseschau

EU-Abwehr gegen ausländische Übernahmen beschlossen ORF
Meta muss der EU wegen Datenschutzverstößen Millionenstrafe zahlen ZEIT
Italien plant 50 Prozent Übergewinnsteuer SPIEGEL
Tschechien von steigender Obdachlosigkeit wegen Energiekrise bedroht EURACTIV
EU-Investitionsbank will enger mit Stadt Kiew zusammenarbeiten INVESTING
EU-Mitglieder treiben IT-Sicherheit voran BOERSEN-ZEITUNG
Radikaler Umbau: Wie Bidens riskante Klimawette die EU verärgert HANDELSZEITUNG
Kühlschränke, Staubsauger und Co: Data Act der EU schafft Regeln für datensammelnde Geräte DERSTANDARD
Mica: EU sieht sich vor Kryptopleiten wie FTX gewappnet GOLEM
Europe’s inflation likely hasn’t peaked, ECB’s Lagarde says ABCNEWS
Brüssel genehmigt erneut Staatshilfe für die Deutsche Bahn RP-ONLINE
ESG-Reporting kommt in der EU voran BOERSEN-ZEITUNG
VW CEO says EU is losing competitiveness while urging clean energy investments ELECTREK
Nachhaltigkeit und Kartellrecht: EU-Kommission plant neue Leitlinien HANDELSBLATT
Pegasus spyware inquiry targeted by disinformation campaign, say experts THEGUARDIAN
Griechisches Parlament untersucht “Watergate”-Spionageskandal EURACTIV
E-Scootern droht Verbot in Paris TAGESSCHAU

Heads

Stefan Schnorr – Der Digitalstratege

Porträtfoto von Stefan Schnorr, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, im Anzug vor grauem Himtergrund.
Stefan Schnorr ist Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

Seit den 1990er-Jahren beschäftigt sich Stefan Schnorr mit Digitalisierung. Als er damals von seinem Richteramt ins rheinland-pfälzische Justizministerium berufen wurde, war eine seiner ersten Aufgaben, die ersten Internetverbindungen in der Pressestelle des Ministeriums einzurichten. Die Zeiten kreischender Modems sind längst vorbei, doch das Thema begeistert Schnorr weiterhin.

Der 59-jährige Schnorr stammt aus einer Kleinstadt im Oberbergischen Kreis im Süden von Nordrhein-Westfalen. Er ist seit 2021 Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr und dort für die Digitalisierung zuständig. Seit 2010 war er im Wirtschaftsministerium für Digitalthemen verantwortlich. Trotz FDP-Nähe stieg er unter SPD-Politikern bis zum Abteilungsleiter auf, bevor ihn Volker Wissing ins BMDV holte.

Sein Aufstieg spiegelt dabei die zunehmende Relevanz digitaler Themen. “Früher haben viele das als Spaßthema gesehen, mit dem sich ein paar Experten auseinandersetzen. In den Köpfen war das damals noch nicht angekommen”, sagt Schnorr. Jetzt ist er für wesentliche Teile der Digitalpolitik zuständig – vom Breitbandausbau über die Regierungsabstimmung bis hin zu Datenstrategie und G7- und EU-Koordinierung verlässt sich Volker Wissing auf Schnorr.

Deutschland als Vorreiter

Die amtierende Regierung nehme die Digitalisierung deutlich ernster und schaffe die richtigen Rahmenbedingungen. “Wir haben mit unserer Digitalstrategie klare Ziele und Zwischenschritte formuliert.” So könne die Regierung genau überprüfen, an welchen Zielen nachjustiert werden muss. 2023 will das Digitalministerium dafür eine Zwischenbilanz ziehen. Schnorr sieht Deutschland in der Digitalisierung als Vorreiter – bei einem Thema macht er eine Ausnahme. “Wo wir Nachholbedarf haben, ist die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“, sagt der Staatssekretär.

In anderen Themen stoße Deutschland international viele Prozesse an. Die Bundesregierung habe immer wieder daran erinnert, dass die EU technologieoffen bleiben müsse und Regulierungen nicht überstürzen solle. “Wir müssen erst die richtigen Diskussionen führen, damit wir eine Lösung haben, die trägt. Wenn wir die KI-Verordnung und den Data Act vernünftig ausgestaltet haben, dann haben wir das erreicht.”

EU-Regeln gelten auch für Twitter

Insgesamt ist Schnorr zufrieden mit der Rolle der EU. Mit Gesetzen wie der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) habe die EU eine Führungsrolle. “Die Amerikaner haben uns damals gescholten, kurz danach hat Kalifornien die DSGVO fast wortgleich übernommen.” Mittlerweile hätten viele US-Bundesstaaten ähnliche Gesetze verabschiedet.

Mit Gesetzen wie dem DSA führten Deutschland und die EU auch die Bewegung für den Einsatz gegen Hatespeech im Internet an. Auch der Eigentümerwechsel bei Twitter ändere daran nichts. “Alle großen Online-Plattformen müssen sich in der EU an die rechtlichen Vorgaben halten, das gilt auch für Twitter. Wenn dies nicht gemacht wird, hat das Konsequenzen.”

Twitter nutzt Schnorr selbst nicht. In den wenigen Zeichen könne man wichtige Probleme nicht erläutern und würde schnell missverstanden. Die Debatten auf der Plattform verfolge er aber. Sonst macht er die meisten technischen Innovationen mit und lobt das Smartphone als ein unersetzliches Gerät. Nur Sprachassistenten nutze er nicht, “die haben mir zu viele falsche Antworten auf meine Fragen gegeben”. Robert Laubach

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Apéropa

Boris Johnson hatte es in seiner jugendlichen Zeit als Korrespondent in Brüssel so schön: Er zitierte inexistente Quellen, bezeichnete seine Kollegen als “verhandlungsnahe Experten” und erfand auch mal die ein oder andere Debatte. Vor allem aber hatte er ein Talent darin, Kleinigkeiten in große Dramen zu verwandeln. Erinnern Sie sich noch an die krummen Bananen?

Wir von Europe.Table machen das natürlich ganz anders. Wir recherchieren bis zum Morgengrauen, versuchen, EU-Texte auch noch im kleinsten Detail zu verstehen, quälen uns durch unverständliche Pressemitteilungen und schauen auch bei zähen Kommunikationsvideos der Kommission nicht weg.

Aber manchmal, ja manchmal wäre auch eine Europe.Table-Journalistin gerne ein Boris Johnson. Etwa, wenn sie sich durch 110-seitige, außerordentlich technische Verordnungen liest (würde Boris natürlich nie machen, nicht einmal bei seinen eigenen Gesetzen, schließlich ist Prime Minister Boris heute nur noch “Boris tout court”) und auf einmal auf ein doch so schönes Detail stößt.

Nämlich dieses: Die EU-Kommission will Ihnen (ja Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nicht Ihrer Firma, nicht Ihrem Verband, Ihnen ganz persönlich!) künftig vorschreiben, wie viele Plastiktüten Sie im Jahr nutzen. Es sind ganze 40. Danach ist Schluss, sonst bekommt Ihr Heimatland Ärger mit Frau von der Leyen. Falls Sie also immer noch mit viel Mühe überlegen, was denn dieses Mal Ihr Neujahrsvorsatz sein wird: Diät halten. Keinen Alkohol mehr trinken. Die EU-Gesetze auch wirklich lesen …

Suchen Sie nicht weiter, dies ist Ihr Vorsatz: nicht mehr als 40 Plastiktüten zu verbrauchen. Frau von der Leyen möchte es so. Und schaut Ihnen ab 2025 ganz genau auf die Finger.

Es wäre eine schön reißerische News-Geschichte geworden: Die Kommissionspräsidentin zählt Ihre Plastiktüten. Skandal! Aber wir sind nicht Boris. Wir analysieren lieber in Ruhe, was es mit dem Plastiktüten-Vorstoß auf sich hat. Populismus überlassen wir anderen. Wären wir einmal Premierministerin, würden wir es genauso halten. Charlotte Wirth

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Plattformarbeit: Parlament schmiedet erste Kompromisse
    • Data Act: Das sind die Diskussionspunkte
    • Termine
    • Westbalkan-Gipfel: EU fordert klares Bekenntnis
    • Lieferkettengesetz: Rat will Position beschließen
    • Verpackungsverordnung: Kommission plant strengere Auflagen
    • ITRE verschiebt Abstimmung über Gebäuderichtlinie
    • Energiekrise: Italien plant Übergewinnsteuer von 50 Prozent
    • Lagarde: Gipfel der Inflation wohl noch nicht erreicht
    • 265 Millionen Euro Strafe gegen Meta in Irland
    • Heads: Stefan Schnorr – Der Digitalstratege
    • Apéropa: Boris Johnson und die Plastiktüten
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    rund 28 Millionen Europäer arbeiteten 2020 über digitale Plattformunternehmen wie Google und Uber. 5,5 Millionen von ihnen sind nach Schätzungen der Kommission falsch als selbstständig eingestuft. Zurzeit laufen die Verhandlungen zur Richtlinie für die Plattformarbeit, mit der die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert werden sollen. Die Beratungen von Parlament und Rat dauern unerwartet lange. Im Parlament zeichnen sich nun jedoch erste Kompromisse ab, wie Markus Grabitz berichtet. 

    Auch beim Datengesetz gibt es noch eine Menge Gesprächsbedarf – das zeigen allein schon die über 1100 Änderungsanträge im federführenden Industrieausschuss. Heute steht der Data Act auf der Tagesordnung im Binnenmarktausschuss. Von der Industrie gibt es klare Forderungen zu dem Gesetz – welche das sind, fasst Corinna Visser zusammen. 

    In den News berichten wir außerdem über die Kernpunkte der Ratsposition zum Lieferkettengesetz und den Vorschlag der Kommission zur Verpackungsverordnung.

    Übrigens: Morgen starten unsere Kolleginnen und Kollegen vom ESG.Table unter der Leitung von Caspar Dohmen und Torsten Sewing mit ihrer ersten Ausgabe. Sie berichten über Nachhaltigkeitspolitik, Transformationsstrategien und Lieferkettenverantwortung und analysieren die Entwicklungen für alle, die in Unternehmen oder Verwaltungen über Einkauf, Investitionen, Produkte oder die sozialen und ökologischen Bedingungen innerhalb ihrer Lieferketten entscheiden müssen. Hier können Sie das Angebot kostenlos testen.

    Ihre
    Sarah Schaefer
    Bild von Sarah  Schaefer

    Analyse

    Plattformarbeit: Parlament schmiedet erste Kompromisse

    Bei den Verhandlungen zur Richtlinie für die Plattformarbeit zeichnen sich im Europaparlament erste Kompromisse ab. Am umstrittensten im Entwurf von EU-Arbeitskommissar Nicolas Schmit sind die Kriterien, wann eine Plattform ein Arbeitgeber ist, sowie der Mechanismus, wie ein Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Mindestlohn, Sozialversicherung und Recht auf bezahlten Urlaub erstritten werden kann.

    Im Europaparlament wird es nach Informationen von Europe.Table im Bericht von Elisabetta Gualmini (S&D) auf eine Klarstellung in Artikel 4 zur “Vermutung” hinauslaufen, die ein Angestelltenverhältnis auslöst. Zum Hintergrund: Die Kommission hatte eine Beweislastumkehr vorgeschlagen. Demnach soll künftig nicht mehr der Plattformarbeiter nachweisen müssen, dass er bei einer Plattform beschäftigt ist, sondern die Plattform muss nachweisen, dass dies nicht der Fall ist.

    2020 arbeiteten rund 28 Millionen Europäer für digitale Plattformunternehmen. Schätzungen der Kommission zufolge werde es 2025 43 Millionen Plattformarbeiter in der EU geben. Die übergroße Mehrheit der Plattformarbeiter sei selbstständig. 5,5 Millionen davon seien falsch als selbstständig eingestuft, schätzt die Kommission. Die Kommission will die Rechte von Plattformarbeitern stärken. Das Europaparlament hat dazu bereits einen Initiativbericht (INI Brunet) erarbeitet.

    Plattformen dürfen Stellung nehmen

    Laut dem anvisierten Kompromiss im Parlament soll es dafür zwei Möglichkeiten geben: Entweder der Plattformarbeiter ficht seinen Status an. Oder: Eine nationale Behörde, in Deutschland etwa die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, moniert bei der Plattform Unregelmäßigkeiten bei der Einstufung der Menschen, die auf der Plattform tätig sind. Ist aber dieser Mechanismus einmal ausgelöst, soll die Plattform die Gelegenheit bekommen, das Gegenteil zu beweisen. Dies habe aufschiebende Wirkung. Kein Plattformarbeiter werde also in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis eingestuft, bevor die Plattform dazu Stellung nehmen könne.

    Dies helfe zum einen Arbeitnehmern in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Zum anderen profitierten Selbstständige, die unabhängig bleiben wollten. Selbstständige könnten frei entscheiden, wann sie arbeiten, ob sie arbeiten und ob sie überhaupt einen Auftrag annehmen wollten. Die Plattform könnte ihnen dann auch nicht verbieten, einen eigenen Kundenkreis aufzubauen.

    Abstimmung im EMPL-Ausschuss erst am 12. Dezember

    Am Mittwoch wollen die Experten im EMPL-Ausschuss weiter verhandeln, daher soll anders als zunächst geplant jetzt erst am 12. Dezember im Ausschuss über den Gualmini-Bericht abgestimmt werden. Dennis Radtke (CDU), Schattenberichterstatter und sozialpolitischer Sprecher der EVP, hebt die Bedeutung des Vorschlags hervor: “Die Richtlinie bietet die Chance, denen zu helfen, die bisher keinen Zugang zu elementaren Dingen wie Mindestlöhnen und Sozialversicherungen haben.” Zudem gehe es darum, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen: “Diejenigen, die sich an die Spielregeln halten, dürfen nicht die Dummen sein.” Für Uber etwa müsse es mehr Spielregeln geben als nur die Straßenverkehrsordnung.

    Der Rat hat seine Haltung noch nicht geklärt. Letzte Woche war es den EU-Botschaftern nicht gelungen, die allgemeine Ausrichtung vorzunehmen. Auch die Bundesregierung hat noch keine abgestimmte Position. Wie zu hören ist, setzen sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die grün geführten Ministerien für die Richtlinie ein, die FDP stehe auf der Bremse.

    Zunächst hieß es, Frankreich lehne den Vorschlag ab. Nun hört man, dass im Rat doch nicht mit einer Blockade zu rechnen sei. Luxemburg, Belgien und die Niederlande – immerhin Mitgliedstaaten mit liberaler Beteiligung – sowie Spanien setzten sich für den Vorschlag ein. Tschechien und andere osteuropäische Staaten sind skeptisch. In Brüssel heißt es, eine Einigung im Rat werde dauern. Ob sie unter schwedischer Ratspräsidentschaft (Januar bis Juni) gelinge, sei nicht garantiert.   

    BDA und Bitkom sind skeptisch

    Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) übt Kritik am Vorschlag der Kommission: Er verfolge das richtige Ziel, schieße aber deutlich darüber hinaus. “Es kann nicht sein, dass Unternehmer, die Solo-Selbstständige sind, entgegen ihrem eigenen Interesse in Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden, die vor Gericht nur schwer zu widerlegen sind.” Dies hätte auch weitreichende Folgen für Betriebe.

    Die BDA lehnt auch Vorschläge ab, die die Definition von digitalen Arbeitsplattformen auf die gesamte Wirtschaft ausweiten würden: “Unternehmen, die ihre Arbeitsprozesse digital organisieren, dürfen nicht als Plattform gelten. Das ist absurd und widerspricht jedem Verständnis einer modernen, sich digitalisierenden Arbeitswelt.”

    Der Digitalverband Bitkom mahnt an, dass die Antwort auf die Frage, wann ein Arbeitsverhältnis zwischen einer Plattform und einem dort Tätigen vorliegt, stärker an die Marktrealitäten der Plattformökonomie angepasst werden müsse: Viele wollten ihre Flexibilität bewahren und nicht abhängig Beschäftigte werden: “Die Richtlinie muss sicherstellen, dass selbstständige Plattformtätige, die selbstständig sein wollen, nicht automatisch als Beschäftigte eingestuft werden”, sagt Adél Holdampf-Wendel.

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    Data Act: Das sind die Diskussionspunkte

    Mehr als 1100 Änderungsanträge allein im federführenden Industrieausschuss (ITRE) zeigen, dass es beim Datengesetz noch viel zu diskutieren gibt. Am heutigen Dienstag steht der Data Act (DA) auf der Tagesordnung im Binnenmarktausschuss (IMCO). Die Abgeordneten debattieren die Stellungnahme von Adam Bielan (EKR).

    ITRE-Berichterstatterin Pilar del Castillo Vera (EVP) hatte ihren Entwurf Mitte September präsentiert. Bis zum 9. November konnten die Fraktionen Änderungsanträge vorlegen (Teil 1, 2, 3, 4). Die Abstimmung im ITRE-Ausschuss wird für Februar/März 2023 erwartet.

    Kommission hat sich zu stark am Konsumentenmarkt orientiert

    Das Internet für Verbraucher ist fest in der Hand der großen Gatekeeper aus den USA. Beim Industrial Internet sieht die europäische Industrie dagegen große Chancen: “In Europa haben wir alle Assets, diesen Markt für uns zu gewinnen”, ist von den Unternehmen zu hören. Der Vorschlag der Kommission sei jedoch zu sehr vom Konsumentenmarkt inspiriert. Der sei völlig anders aufgebaut und folge anderen Mechanismen. In diese Richtung gehen auch die Änderungsanträge von Schattenberichterstatter Damian Boeselager (Grüne/EFA).

    Daher sehen die Unternehmen hier noch großen Handlungsbedarf. Insbesondere wünschen Sie sich die Möglichkeit, mehr Dinge vertraglich zu regeln.

    Außerdem fürchten die Unternehmen um ihre Geschäftsgeheimnisse, wenn sie Daten teilen müssen. Sie wünschen sich, dass sie wenigstens gewisse vertragliche Anforderungen an den Umgang mit den Geheimnissen stellen können – ohne deren Erfüllung dann kein Datenaustausch stattfindet. Das könnte mehr Vertrauen in das Teilen von Daten schaffen, heißt es. So argumentiert unter anderem auch Angelika Niebler (CSU). Der ZVEI warnt: Sollten Geschäftsgeheimnisse nicht technisch und rechtssicher geschützt werden, gingen Investitionsanreize verloren.

    Zu viele Überschneidungen mit anderen Vorschriften

    Eine weitere Forderung aus der Industrie ist, den Data Act stärker von anderen Rechtsakten abzugrenzen – auch um Rechtssicherheit zu schaffen. Überschneidungen sehen die Unternehmen etwa mit dem Digital Markets Act (DMA), der marktbeherrschende Unternehmen ja bereits reguliert.

    Auch dürften die Verpflichtungen zum Data-Sharing im DA nicht mit den Bestimmungen des Data Governance Act oder der DSGVO kollidieren. Grundsätzlich geht es im Data Act nicht um personenbezogene Daten, doch die Abgrenzung ist nicht immer eindeutig. Daten, die ein Auto produziert, sind andere als Daten, die ein Windrad produziert. Hier wünschen sich die Unternehmen mehr Klarheit. In diese Richtung gehen auch die Änderungsanträge von Sergey Lagodinsky für den LIBE-Ausschuss.

    Wechsel der Cloud

    Der Data Act soll auch den Wechsel eines Cloud-Anbieters regulieren, um Lock-in-Effekte zu vermeiden. Dabei gibt es verschiedene Ansichten, wie lange so ein Wechsel dauern darf. Die Industrie argumentiert, bei Unternehmen dauere ein Wechsel des Anbieters sehr viel länger als bei Konsumenten, weil die IT-Systeme komplexer sind und es um größere Datenvolumina geht. Unternehmen sollten die im B2B-Markt üblichen Fristen und Laufzeiten vereinbaren können.

    Auch den Vorschlag der funktionalen Äquivalenz sehen die Unternehmen kritisch – unter anderem wollten Kunden oft gerade deshalb wechseln, weil ein anderer Anbieter andere Funktionen anbietet. Was die Industrie brauche, seien Tools, Schnittstellen und Standards, über die der Wechsel funktionieren könne. 

    Ebenfalls umstritten ist die Höhe der Wechselgebühren, die die Kommission nach einer Frist ganz abschaffen wollte. Etwaige überhöhte Gebühren für das Cloud-Switching von marktbeherrschenden Unternehmen sollten durch die Regeln des DMA adressiert werden, argumentiert ein Unternehmensvertreter.

    Rat liefert Fortschrittsbericht – keinen neuen Kompromiss

    Das Dossier wird im Rat noch in den Vorbereitungsgremien verhandelt. Die tschechische Ratspräsidentschaft hat bereits ein zweites Kompromisspapier erarbeitet und wird den Ministern auf der kommenden Tagung des Rates Verkehr und Telekommunikation am 6. Dezember voraussichtlich einen Fortschrittsbericht zur Kenntnis vorlegen. Folglich wird sie das Dossier nicht mehr zu einer gemeinsamen Ausrichtung bringen und an die schwedische Präsidentschaft übergeben.

    Deutschland hat noch keine fertige Stellungnahme

    Die Bundesregierung hat eine vorläufige Stellungnahme abgegeben, in der sie sich aber noch nicht mit allen Themen beschäftigt – zum Beispiel nicht mit dem Thema Cloud-Switching. Die Bundesregierung behält sich ausdrücklich eine Ergänzung vor. Zunächst sind es fünf Punkte, die sie priorisiert:

    • Abgrenzung von und Kohärenz mit datenschutzrechtlichen (DSGVO) und anderen datenrelevanten europäischen Rechtsnormen
    • Datenzugangs- und -nutzungsregelungen stärker zwischen B2C- und B2B-Anwendungen differenzieren
    • Fairnesskontrolle bei Vertragsbedingungen stärker nach rechtlichem Prüfungsmaßstab auslegen (analog RL 93/13/EWG)
    • Schaffung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen des öffentlichen Sektors, der Wirtschaft und der Bürger bei der Datenerhebung durch den öffentlichen Sektor
    • Berücksichtigung von besonderen Interessen der Forschung im erheblichen öffentlichen Interesse
    • Data Act
    • Daten
    • Digitalisierung
    • Digitalpolitik

    Termine

    30.11.-02.12.2022, Berlin
    KAS, Seminar European Data Summit 2022
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) diskutiert die aktuellen politischen Herausforderungen Digitalisierung, gerechte Globalisierung und Nachhaltigkeit. INFOS & ANMELDUNG

    30.11.-01.12.2022, Berlin
    Behörden Spiegel, Conference Berlin Security Conference
    The Behörden Spiegel invites top level politicians to discuss security related issues. INFOS & REGISTRATION

    30.11.2022 – 09:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    ECSA WESS Final Conference
    The European Community Shipowners’ Associations (ECSA) addresses the fast transition towards decarbonisation and digitalisation in the shipping industry. INFOS & REGISTRATION

    30.11.2022 – 09:30-17:00 Uhr, online
    Handelsblatt, Konferenz Wasserstoff-Gipfel Update 2022
    Das Handelsblatt geht der Frage nach, wie die nächsten Schritte in der Wasserstoff-Transformation aussehen müssen und wie diese beschleunigt werden kann. INFOS & ANMELDUNG

    30.11.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
    ZIA, Seminar Grundlagen der ESG-Regulierung – Aktuelles im Überblick zu SFDR, Taxonomie, MiFID
    Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) gibt einen Überblick über die wesentlichen Veröffentlichungs- und Handlungspflichten im Hinblick auf die ESG-Gesetzgebung ab Anfang 2023. INFOS & ANMELDUNG

    30.11.2022 – 18:00-22:00 Uhr Uhr, Belgien (Brüssel)
    Bayerische Landesvertretung bei der EU, Podiumsdiskussion Zwischen Energiekrise und Green Deal: Auf was müssen sich Unternehmen einstellen?
    Die Bayerische Landesvertretung bei der EU diskutiert das EU-Notfallpaket und seine Auswirkungen auf Unternehmen. INFOS & ANMELDUNG

    30.11.2022 – 18:00-19:15 Uhr, Essen
    DGAP, Podiumsdiskussion Der europäische Green Deal in Zeiten der Energiekrise
    Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) beschäftigt sich mit den Auswirkungen der gegenwärtigen Krise auf die Umsetzung des europäischen Green Deal. INFOS & ANMELDUNG

    01.12.-02.12.2022, Rust
    BVDW, Conference The Metaverse Summit feat. Aurea Award
    The German Association for the Digital Economy (BVDW) presents keynotes from industry thought leaders and knowledge exchange with experts on all aspects of XR technology and business models. INFOS & REGISTRATION

    01.12.-02.12.2022, online
    FSR, Conference Climate Annual Conference
    The Florence School of Regulation (FSR) addresses the main climate-related existing policies at the EU, national, international and sub-national levels. INFOS & REGISTRATION

    01.12.2022
    AI, Workshop German-American Trade-Tech Dialogue
    Das Aspen Institute (AI) lädt zur Eröffnungsveranstaltung des German-American Trade and Tech Dialogue ein, der sich zum Ziel setzt, Verständnis und Vertrauen zwischen führenden transatlantischen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu fördern. INFOS & ANMELDUNG

    01.12.2022 – 08:00-09:00 Uhr, online
    BDI, Diskussion Technologische Souveränität – Handel zwischen Konfrontation und Kooperation
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht der Frage nach, wie westliche Industriestaaten die Spielregeln auf dem Parkett der internationalen Normung für sich nutzen können. INFOS & ANMELDUNG

    01.12.2022 – 09:00-17:00 Uhr, online
    DBU, Panel Discussion Ressourcenverbrauch in der Textilindustrie
    Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) stellt die Frage, wie Circular-Economy-Ansätze den Ressourcenverbrauch in der Textilindustrie reduzieren können. INFOS & REGISTRATION

    01.12.2022 – 09:00-17:00 Uhr, Lille (Frankreich)
    ERA/ENISA, Conference Cybersecurity in Railways
    The European Union Agency for Railways (ERA) and the European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) provide information on the latest developments and raise awareness among railway stakeholders about vulnerabilities caused by cybersecurity threats. INFOS & REGISTRATION

    01.12.2022 – 09:15-13:00 Uhr, online
    ASEW, Seminar Krisenmanagement im Stromnetz
    Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) bietet eine Schulung zum Krisenmanagement der Stromnetzbetreiber. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Westbalkan-Gipfel: EU fordert klares Bekenntnis

    Die sechs Staaten auf dem Westbalkan sollen sich angesichts der geopolitischen Spannungen klar zur Europäischen Union bekennen. “Der Zusammenhalt mit der EU ist ein klares Zeichen für die strategische Ausrichtung der Partner, mehr denn je, da Russland seinen Krieg in der Ukraine eskalieren lässt”, heißt es in einem Entwurf der Abschlusserklärung des EU-Westbalkan-Gipfels am 6. Dezember, der von “Contexte” veröffentlicht wurde. Daher bekräftige man die Erwartung, dass sich Länder der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU anschlössen und auch die Sanktionen gegen Russland übernähmen.

    Die Botschaft richtet sich vor allen an Serbien, das trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine versucht, seine engen Beziehungen zu Moskau zu erhalten. Aber auch von den anderen Beitrittsaspiranten verlangt die EU mehr Einsatz. Die EU sei nach wie vor der wichtigste Investor, Handelspartner und Hauptgeldgeber der Region, heißt es in der Erklärung. “Das außergewöhnliche Ausmaß und die Bandbreite dieser Unterstützung müssen von den Partnern in ihrer öffentlichen Debatte und Kommunikation sichtbarer gemacht werden, damit die Bürger die konkreten Vorteile der Partnerschaft mit der EU erkennen können.”

    Der Gipfel soll in einer Woche in der albanischen Hauptstadt Tirana stattfinden. Anfang November hatte Kanzler Olaf Scholz die Staats- und Regierungschefs von Serbien, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Montenegro sowie etliche EU-Regierungen bereits nach Berlin eingeladen. Dort vereinbarten sie unter anderem eine engere Zusammenarbeit in der Energiepolitik und neue Finanzhilfen. tho

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    Lieferkettengesetz: Rat will Position beschließen

    Die Mitgliedstaaten werden bei den Sorgfaltspflichten für Unternehmen voraussichtlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen. Beim Wettbewerbsfähigkeitsrat am Donnerstag wollen die Wirtschaftsminister im EU-Rat ihre Position für die abschließenden Verhandlungen mit dem Europaparlament verabschieden.

    Auf dem Tisch liegt ein Kompromiss, der unter den Ständigen Vertretern am Freitag eine Mehrheit fand. Noch strittig ist aber unter anderem, wie stark die Finanzbranche einbezogen werden soll. Frankreich versuche, den Sektor komplett außen vorzuhalten, heißt es in Brüssel, und versuche dafür eine Sperrminorität zu organisieren.

    Die Kernpunkte der Ratsposition:

    • Auch der Rat plädiert für die Einführung einer zivilrechtlichen Haftung bei Verletzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen. Das Internationale Privatrecht solle so modifiziert werden, dass sich die faktische Justizgewährung wesentlich verbessere, heißt es aus Kreisen der Bundesregierung. Insbesondere müsste dann vor Gerichten in den Mitgliedstaaten der EU nicht mehr nach dem Recht am Ort des Schadenseintritts geklagt werden. Dies hatte in der Vergangenheit den Rechtsschutz praktisch unmöglich gemacht und in einem viel beachteten Verfahren zur Abweisung von Opferklagen gegen den deutschen Textildiscounter Kik geführt.
    • Klima- und Nachhaltigkeitspläne sollen für Großunternehmen obligatorisch werden.
    • Zudem soll die Richtlinie demnach die gesamte Wertschöpfungskette adressieren. Auch der sogenannte Downstream von Produkten wird einbezogen, wenn auch nur geringfügig. Unternehmensnahe Risiken sollen mit Blick auf Entsorgung und Recycling adressiert werden.

    Die Bundesregierung konnte sich nicht mit ihrer Position der Schaffung eines Safe Harbour für Unternehmen durchsetzen. Damit wollte Berlin Anreize schaffen, damit Unternehmen bei der Umsetzung nachhaltiger Lieferketten über die Regulierung hinausgehen. Dazu sollen sie im Gegenzug bei Vorfällen aufgrund leichter Fahrlässigkeit nicht haften müssen. Vertreter aus der deutschen Wirtschaft befürworten diesen Ansatz, die Zivilgesellschaft hält ihn für einen Fehler.

    Menschenrechte in der Lieferkette schützen – das ist ein erklärtes Ziel des Europäischen Betriebsrates und des Weltbetriebsrates, der sich jetzt bei Daimler Truck gegründet hat, dem größten Nutzfahrzeughersteller der Welt. “Das neu gegründete Gremium bildet eine starke Plattform, um Arbeitnehmerrechte bis zu kleinen Zulieferern und Menschenrechte in der Lieferkette insgesamt zu schützen”, sagte Michael Brecht, Gesamtbetriebsratschef von Daimler Truck. cd/mgr

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    Verpackungsverordnung: Kommission plant strengere Auflagen

    Am kommenden Mittwoch will die Kommission ihren Vorschlag zur Verpackungsverordnung vorstellen. Der Gesetzestext soll Standards und Quoten festlegen, um Verpackungen nachhaltiger zu gestalten und Verpackungsmüll zu reduzieren. Europe.Table liegt ein Entwurf des Textes vom 24. November vor.

    Darin steht, dass Produzenten Verpackungsmaterialien spätestens ab 2030 so entwerfen müssen, dass sie re­cy­cel­bar sind (Design-for-Recycling-Kriterien). Ab 2035 müssen sie des Weiteren nachweisen, dass die Verpackungen in großem Umfang recycelt werden können.

    Der Gesetzestext wird unter anderem festlegen, wie viel Prozent des Verpackungsmaterials aus recyceltem Plastik bestehen darf. Ab 2030 sollen etwa folgende Minimalwerte gelten:

    • 30 Prozent für kontaktempfindliche Verpackungen, die hauptsächlich aus PET bestehen;
    • 10 Prozent für kontaktempfindliche Verpackungen, die aus anderem Plastik als PET bestehen. Die Ausnahme bilden Einwegflaschen. Für diese gilt eine 30-Prozent-Quote;
    • 35 Prozent für alle anderen Verpackungsmaterialien aus Plastik.

    Bis 2035 gelten wenige Ausnahmen, beispielsweise für Medizinprodukte.

    Plastikauflagen schwer zu erfüllen, sagt Europen

    Bereits jetzt ist abzusehen, dass diese Auflagen schwer zu erreichen sein werden. Als unrealistisch bezeichnete der europäische Verpackungsverband Europen die Plastikvorlagen der Kommission in einer Stellungnahme vom 19. November. Damals war ein erster Entwurf des Gesetzes geleakt worden. Tatsächlich ist recyceltes Plastik zurzeit noch ein recht seltenes Gut: Produzenten haben entweder Probleme, die nötigen Quantitäten zu beschaffen, oder aber sie können die Preise nicht stemmen.

    Auch weitere Vorlagen des Kommissionsvorschlags bezeichnet Europen als “inadäquat”: Die Kommission riskiere, die Existenz der Verpackungsproduzenten zu gefährden.

    Umwelt-NGOs kritisieren ihrerseits, die Kommission sei nicht ambitioniert genug, etwa bei den Zielen zur Reduzierung der Verpackungen. Mitgliedstaaten sollen diese pro Kopf um 5 Prozent bis 2030, 10 Prozent bis 2035 und 15 Prozent bis 2040 reduzieren.

    Die Maßnahmen der Kommission müssen nicht erst von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden, denn sie verwandelt die aktuell gültige Richtlinie in eine Verordnung. Die Mitgliedstaaten können allerdings die Strafen bei Verstößen gegen die Verordnung festlegen. Diese sollen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. cw

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    ITRE verschiebt Abstimmung über Gebäuderichtlinie

    Seinen Bericht zur Gebäuderichtlinie (EPBD) wird der ITRE nicht wie ursprünglich geplant heute annehmen. Einen neuen Termin gebe es noch nicht, die Abstimmung sei aber für Januar zu erwarten, erfuhr Europe.Table aus dem Umfeld des Berichterstatters Ciarán Cuffe (Grüne).

    Ein Grund für die Verschiebung war zunächst nicht zu erfahren. Anzunehmen ist aber, dass das Parlament zunächst die allgemeine Ausrichtung des Rates von Ende Oktober analysieren will. Die Mitgliedstaaten wollen die Sanierungspflichten deutlich abschwächen. Streichen will der Rat zum Beispiel schärfere Verpflichtungen für einzelne Bestandsgebäude.

    Zudem erscheinen immer wieder neue Positionspapiere. Gestern plädierte ein Bündnis von Gasverbänden für Hybridlösungen aus erneuerbaren Energien und Gasheizungen, statt hauptsächlich auf Wärmepumpen zu setzen. Der Wasserstoffrat der Bundesregierung veröffentlichte außerdem eine Studie zur Rolle von Wasserstoff im Wärmemarkt. ber

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    Energiekrise: Italien plant Übergewinnsteuer von 50 Prozent

    Italien will in der Energiekrise nächstes Jahr 50 Prozent der Übergewinne abschöpfen, wenn große Konzerne ungewöhnlich hohe Einnahmen haben. Das geht aus einem Entwurf der Regierung in Rom für den Haushalt 2023 hervor, den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte. Belastet werden dürften Unternehmen, die von den gestiegenen Öl- und Gaspreisen profitieren.

    Die italienische Regierung rechnet mit Einnahmen von gut 2,5 Milliarden Euro durch die Steuer. Diese orientiert sich an Vorgaben der Europäischen Kommission und ersetzt eine ähnliche Sonderabgabe für dieses Jahr.

    Die 50 Prozent sollen greifen, wenn die Einnahmen einer Firma im Energiebereich 2022 mindestens zehn Prozent über dem durchschnittlichen Niveau der Jahre 2018 bis 2021 liegt. Eingezogen ist allerdings ein Deckel bei 25 Prozent der Nettovermögenswerte zum Ende des Jahres 2021. Nach vorherigen Plänen aus dem italienischen Finanzministerium sollte die Sonderabschöpfung eigentlich bei 35 Prozent liegen und orientierte sich eher an den Gewinnen und nicht den Einnahmen der Konzerne. Außerdem war die Laufzeit bis Juli 2023 begrenzt.

    In Deutschland sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zuletzt, die Sonderabgabe stehe rechtlich auf dünnem Eis. Er müsse europäisches Recht aber umsetzen. Das Finanzministerium in Berlin plant daher eine Sonderabgabe in Höhe des europarechtlichen Mindestwerts von 33 Prozent. In Deutschland muss der Gewinn betroffener Firmen in den Jahren 2022 und 2023 jeweils um 20 Prozent höher liegen als der Durchschnittsgewinn der Jahre 2018 bis 2021. Betroffen sind dann Unternehmen im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- sowie Raffineriebereich. rtr

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    Lagarde: Gipfel der Inflation wohl noch nicht erreicht

    Die Europäische Zentralbank (EZB) hält laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde im Kampf gegen Inflation alle Türen für Zinserhöhungen offen. Wie viel weiter die EZB noch gehen und wie schnell sie dahin kommen müsse, hänge von den verschiedensten Faktoren ab, sagte Lagarde am Montag in einer Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EU-Parlaments in Brüssel. Zu diesen gehörten unter anderem die Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte, die Tiefe der wirtschaftlichen Krise, die Entwicklung der Löhne sowie die Inflationserwartungen.

    Lagarde äußerte sich skeptisch zu Erwägungen, dass bereits der Gipfelpunkt der Inflation erreicht ist. “Das würde mich überraschen.” Top-Volkswirte der EZB würden aktuell eher das Risiko sehen, dass die Teuerung noch zunehme. “Die Zinssätze sind und bleiben das wichtigste Instrument zur Bekämpfung der Inflation”, so Lagarde. “Wir sind mit der Inflation noch nicht fertig, wir haben noch Arbeit vor uns.”

    Die nächste Zinssitzung der EZB findet am 15. Dezember statt. Zu dieser werden den Euro-Wächtern neue Prognosen der EZB-Ökonomen zu Inflation und Wachstum vorliegen.

    “Wir sind entschlossen, die Inflation auf unser mittelfristiges Ziel zu senken”, sagte Lagarde. Die EZB strebt zwei Prozent Inflation als Optimalwert an. Im Oktober lag die Teuerung aber, angefacht durch den Energiepreisschub infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine, bei 10,6 Prozent.

    Im Dezember wird die EZB Lagarde zufolge die Grundsätze für den Abbau ihrer Anleihenbestände aus dem APP-Programm darlegen. Mit dem billionenschweren Programm hatte die Euro-Notenbank ab 2015 versucht, die Konjunktur anzuschieben. Aktuell werden auslaufende Anleihen aus diesem Programm noch vollständig wieder ersetzt. “Es ist angemessen, dass die Bilanz im Laufe der Zeit auf angemessene und vorhersehbare Weise normalisiert wird”, sagte die Notenbankchefin. rtr

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    265 Millionen Euro Strafe gegen Meta in Irland

    Nach der Veröffentlichung persönlicher Daten von bis zu 533 Millionen Facebook-Nutzern muss der Mutterkonzern Meta in Irland 265 Millionen Euro Strafe zahlen. Damit summieren sich die Strafen für Meta in dem EU-Staat auf 910 Millionen Euro in den vergangenen 14 Monaten.

    Die irische Datenschutzbehörde DPC teilte am Montag mit, sie habe ihre Untersuchungen abgeschlossen, die sie im April 2021 nach der Veröffentlichung von Namen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen in einem Hacker-Forum aufgenommen hatte. Die Datenschutzbehörden der übrigen EU-Mitglieder hätten mit der irischen Behörde zusammengearbeitet und stimmten ihrer Entscheidung zu.

    Facebook teilte mit, das Urteil zu prüfen. Kriminelle hätten die öffentlich zugänglichen Daten vor September 2019 abgeschöpft (scraped) und dann auf Plattformen online gestellt. Die Systeme von Facebook seien aber nicht gehackt worden.

    Es ist das vierte Mal seit September 2021, dass die irische Behörde eine hohe Geldstrafe gegen Meta verhängt. Damals musste die Tochter WhatsApp 225 Millionen Euro wegen Verstößen gegen Datenschutzregeln zahlen. Hinzu kam im März 2022 eine weitere Strafe von 17 Millionen Euro gegen den Mutterkonzern ebenfalls wegen Datenschutzverstößen. Im September verhängte die DPC eine Geldstrafe von 405 Millionen Euro gegen Instagram wegen schwerer Verstöße gegen Datenschutzregeln für Kinder.

    Meta hat gegen die Instagram- sowie die WhatsApp-Entscheidung jeweils Berufung eingelegt. Nun müssen Richter entscheiden. Ein Urteil gilt als Präzedenzfall für künftige Untersuchungen von Datenrechtsverstößen.

    Die irische Datenschutzbehörde stand lange Zeit im Verruf, gegen Vergehen von großen IT-Konzernen aus den USA lasch vorzugehen. Internationale Tech-Konzerne wie Meta sind ein wichtiger Arbeitgeber in Irland. Nach der Entscheidung des Netzwerkriesen, weltweit zahlreiche Stellen zu streichen, stehen dort Hunderte Jobs auf der Kippe. dpa

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    Kühlschränke, Staubsauger und Co: Data Act der EU schafft Regeln für datensammelnde Geräte DERSTANDARD
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    Nachhaltigkeit und Kartellrecht: EU-Kommission plant neue Leitlinien HANDELSBLATT
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    Griechisches Parlament untersucht “Watergate”-Spionageskandal EURACTIV
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    Heads

    Stefan Schnorr – Der Digitalstratege

    Porträtfoto von Stefan Schnorr, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, im Anzug vor grauem Himtergrund.
    Stefan Schnorr ist Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

    Seit den 1990er-Jahren beschäftigt sich Stefan Schnorr mit Digitalisierung. Als er damals von seinem Richteramt ins rheinland-pfälzische Justizministerium berufen wurde, war eine seiner ersten Aufgaben, die ersten Internetverbindungen in der Pressestelle des Ministeriums einzurichten. Die Zeiten kreischender Modems sind längst vorbei, doch das Thema begeistert Schnorr weiterhin.

    Der 59-jährige Schnorr stammt aus einer Kleinstadt im Oberbergischen Kreis im Süden von Nordrhein-Westfalen. Er ist seit 2021 Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr und dort für die Digitalisierung zuständig. Seit 2010 war er im Wirtschaftsministerium für Digitalthemen verantwortlich. Trotz FDP-Nähe stieg er unter SPD-Politikern bis zum Abteilungsleiter auf, bevor ihn Volker Wissing ins BMDV holte.

    Sein Aufstieg spiegelt dabei die zunehmende Relevanz digitaler Themen. “Früher haben viele das als Spaßthema gesehen, mit dem sich ein paar Experten auseinandersetzen. In den Köpfen war das damals noch nicht angekommen”, sagt Schnorr. Jetzt ist er für wesentliche Teile der Digitalpolitik zuständig – vom Breitbandausbau über die Regierungsabstimmung bis hin zu Datenstrategie und G7- und EU-Koordinierung verlässt sich Volker Wissing auf Schnorr.

    Deutschland als Vorreiter

    Die amtierende Regierung nehme die Digitalisierung deutlich ernster und schaffe die richtigen Rahmenbedingungen. “Wir haben mit unserer Digitalstrategie klare Ziele und Zwischenschritte formuliert.” So könne die Regierung genau überprüfen, an welchen Zielen nachjustiert werden muss. 2023 will das Digitalministerium dafür eine Zwischenbilanz ziehen. Schnorr sieht Deutschland in der Digitalisierung als Vorreiter – bei einem Thema macht er eine Ausnahme. “Wo wir Nachholbedarf haben, ist die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“, sagt der Staatssekretär.

    In anderen Themen stoße Deutschland international viele Prozesse an. Die Bundesregierung habe immer wieder daran erinnert, dass die EU technologieoffen bleiben müsse und Regulierungen nicht überstürzen solle. “Wir müssen erst die richtigen Diskussionen führen, damit wir eine Lösung haben, die trägt. Wenn wir die KI-Verordnung und den Data Act vernünftig ausgestaltet haben, dann haben wir das erreicht.”

    EU-Regeln gelten auch für Twitter

    Insgesamt ist Schnorr zufrieden mit der Rolle der EU. Mit Gesetzen wie der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) habe die EU eine Führungsrolle. “Die Amerikaner haben uns damals gescholten, kurz danach hat Kalifornien die DSGVO fast wortgleich übernommen.” Mittlerweile hätten viele US-Bundesstaaten ähnliche Gesetze verabschiedet.

    Mit Gesetzen wie dem DSA führten Deutschland und die EU auch die Bewegung für den Einsatz gegen Hatespeech im Internet an. Auch der Eigentümerwechsel bei Twitter ändere daran nichts. “Alle großen Online-Plattformen müssen sich in der EU an die rechtlichen Vorgaben halten, das gilt auch für Twitter. Wenn dies nicht gemacht wird, hat das Konsequenzen.”

    Twitter nutzt Schnorr selbst nicht. In den wenigen Zeichen könne man wichtige Probleme nicht erläutern und würde schnell missverstanden. Die Debatten auf der Plattform verfolge er aber. Sonst macht er die meisten technischen Innovationen mit und lobt das Smartphone als ein unersetzliches Gerät. Nur Sprachassistenten nutze er nicht, “die haben mir zu viele falsche Antworten auf meine Fragen gegeben”. Robert Laubach

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    Apéropa

    Boris Johnson hatte es in seiner jugendlichen Zeit als Korrespondent in Brüssel so schön: Er zitierte inexistente Quellen, bezeichnete seine Kollegen als “verhandlungsnahe Experten” und erfand auch mal die ein oder andere Debatte. Vor allem aber hatte er ein Talent darin, Kleinigkeiten in große Dramen zu verwandeln. Erinnern Sie sich noch an die krummen Bananen?

    Wir von Europe.Table machen das natürlich ganz anders. Wir recherchieren bis zum Morgengrauen, versuchen, EU-Texte auch noch im kleinsten Detail zu verstehen, quälen uns durch unverständliche Pressemitteilungen und schauen auch bei zähen Kommunikationsvideos der Kommission nicht weg.

    Aber manchmal, ja manchmal wäre auch eine Europe.Table-Journalistin gerne ein Boris Johnson. Etwa, wenn sie sich durch 110-seitige, außerordentlich technische Verordnungen liest (würde Boris natürlich nie machen, nicht einmal bei seinen eigenen Gesetzen, schließlich ist Prime Minister Boris heute nur noch “Boris tout court”) und auf einmal auf ein doch so schönes Detail stößt.

    Nämlich dieses: Die EU-Kommission will Ihnen (ja Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nicht Ihrer Firma, nicht Ihrem Verband, Ihnen ganz persönlich!) künftig vorschreiben, wie viele Plastiktüten Sie im Jahr nutzen. Es sind ganze 40. Danach ist Schluss, sonst bekommt Ihr Heimatland Ärger mit Frau von der Leyen. Falls Sie also immer noch mit viel Mühe überlegen, was denn dieses Mal Ihr Neujahrsvorsatz sein wird: Diät halten. Keinen Alkohol mehr trinken. Die EU-Gesetze auch wirklich lesen …

    Suchen Sie nicht weiter, dies ist Ihr Vorsatz: nicht mehr als 40 Plastiktüten zu verbrauchen. Frau von der Leyen möchte es so. Und schaut Ihnen ab 2025 ganz genau auf die Finger.

    Es wäre eine schön reißerische News-Geschichte geworden: Die Kommissionspräsidentin zählt Ihre Plastiktüten. Skandal! Aber wir sind nicht Boris. Wir analysieren lieber in Ruhe, was es mit dem Plastiktüten-Vorstoß auf sich hat. Populismus überlassen wir anderen. Wären wir einmal Premierministerin, würden wir es genauso halten. Charlotte Wirth

    Europe.Table Redaktion

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