das Europaparlament will seine eigenen Arbeitsabläufe reformieren – die erste Reform seit 1999. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hatte die Arbeitsgruppe “Parlament 2024” im März einberufen und leitet sie selbst mit höchster Disziplin, wie zu hören ist. Bereits am 22. November soll die Arbeitsgruppe, bestehend aus je zwei Mitgliedern der großen Fraktionen und einem Mitglied der kleinen Fraktionen, fertig sein.
Noch vor der Europawahl im Juni sollen die fälligen Änderungen vom Verfassungsausschuss AFCO und im Plenum beschlossen werden. Es geht hier ausdrücklich nicht darum, die Ausschüsse im Europaparlament neu zuzuschneiden. Dafür müsste der Anhang sechs der Geschäftsordnung geändert werden. Dazu wird es nach Einschätzung der beteiligten Abgeordneten in dieser Wahlperiode nicht kommen.
Vielmehr sollen die parlamentarischen Verfahren gestrafft werden. Das Parlament soll schlagkräftiger werden, das Gerangel von konkurrierenden Ausschüssen bei der Gesetzgebungsarbeit verhindert werden. Es soll zudem erstmals klare Regeln für das informelle Vermittlungsverfahren der Triloge geben, das zum Standard geworden ist.
Auch am Außenauftritt des EP wird gefeilt. Derzeit gibt es 46 Delegationen des Parlaments, die für die bilateralen und multilateralen Beziehungen zuständig sind. Im Gespräch ist, die Zahl der Delegationen drastisch zu reduzieren und ihre Aufgaben präziser zu fassen. Gestern Abend tagte die Arbeitsgruppe wieder. In der morgigen Ausgabe liefern wir Ihnen die Details.
Vor einem Jahr schienen die Standpunkte unvereinbar. Deutschland liebäugelte sogar mit einer Blockade des geplanten neuen Medienfreiheits-Gesetzes (European Media Freedom Act, kurz EMFA). Für diese Verordnung auf EU-Ebene gebe es keine Rechtsgrundlage. Zudem sei das bewährte System der deutschen Medienaufsicht gefährdet, hieß es vor allem aus den für Medienpolitik zuständigen Landeshauptstädten. Ein Rats-Rechtsgutachten und viele Diskussionen später sieht die Lage vor dem Trilog-Auftakt nun anders aus – der EMFA wird kommen.
“Wir sind sehr weit gekommen”, sagte Renate Nikolay, Stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien in der EU-Kommission, beim jährlichen Brüsseler Mediengespräch. Mittlerweile sei allgemein anerkannt, dass Medien und Journalisten einen besonderen Schutz bräuchten – auch auf EU-Ebene.
Mit dem DSA, dem Digitale-Dienste-Gesetz, sei die Brüsseler Behörde ein “digitaler Regulator für große Plattformen geworden”, so Nikolay. Die Vorteile dieser neuen Aufsicht gelte es mit dem EMFA nun auch zugunsten der Medienfreiheit in der EU zu nutzen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland habe dabei nichts zu fürchten.
Die EU-Kommission sei “manchmal am Rand ihres Mandats” unterwegs, kritisiert dagegen Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragter in der Direktorenkonferenz der Medienanstalten. Sie laufe Gefahr, die Tektonik des europäischen Mediensystems zu erschüttern. Der Trilog werde deshalb “sehr ernst”.
In der ersten EMFA-Trilogsitzung wird es zunächst um technische und administrative Fragen gehen. Allerdings sollen dabei – ungewöhnlich für das Trilogverfahren – auch bereits erste Einigungen in Punkten erzielt werden. Dabei handelt es sich um jene Aspekte, die als unstrittig gelten.
Die politisch “heißen Eisen” stehen erst bei der zweiten oder dritten Runde auf der Tagesordnung. Die Knackpunkte sind vor allem der Schutz der redaktionellen Freiheit (Artikel 4) und das Verhältnis zwischen den großen Internet-Plattformen auf der einen, öffentlich-rechtlichen Sendern, Presse und neuen Medienformaten auf der anderen Seite (Artikel 17). Insbesondere letzterer Artikel, mit dem anerkannte, unabhängige und selbstregulierte Medien eine Sonderstellung bei der Inhaltemoderation entsprechend dem Digital Services Act erhalten sollen, wird von großen Techunternehmen abgelehnt.
Das Europaparlament hatte in seine EMFA-Verhandlungsposition Anfang Oktober einige wichtige Safeguards aufgenommen. Die stellt der Rat nun infrage. Dies gelte es zu verhindern, sagte Petra Kammerevert (SPD), die als Schattenberichterstatterin an dem Trilog teilnimmt. So versuche Frankreich, den Redaktionsschutz-Artikel 4 aufzuweichen. Der soll nach dem Willen des Parlaments Journalisten umfassenden Schutz für ihre Tätigkeit bieten, bis hin zu einem weitreichenden Quellenschutz. Sogar bis hin zu Fällen wie dem abgehörten Pressetelefon der “Letzten Generation” könnte die EP-Fassung greifen.
In den Änderungswünschen des Rates ist zudem vorgesehen, dass Spionagesoftware gegen Journalisten eingesetzt werden darf, wenn dies dem Schutz der nationalen Sicherheit dient. Das Parlament will den Einsatz deutlich restriktiver regeln. Nach dem Willen der Abgeordneten darf sie nur als letztes Mittel und in begründeten Einzelfällen eingesetzt werden. Doch die Zahl der Mitgliedstaaten, in denen Journalisten in den vergangenen Jahren zu Unrecht mit Spähsoftware angegriffen worden, ist lang: Frankreich, Griechenland und Polen sind hier nur die prominentesten Beispiele. Mit Pegasus und Predator wurde dabei Überwachungssoftware angewandt, die hochumstritten ist und einen Parlamentssonderausschuss beschäftigte.
Grundsätzliche Bedenken gegen den EMFA äußert weiterhin der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). “Trotz Verbesserungen bleiben wesentliche Probleme des Vorschlags ungelöst”, heißt es in einer Stellungnahme. Das Medienfreiheitsgesetz dürfe nicht dazu führen, dass funktionierende Mediensysteme und bestehende Medienrechte und -freiheiten in Deutschland ausgehebelt werden.
In einem Gastbeitrag hatte der BDZV schon im November 2022 in Europe.Table vor einem “Bruch mit der Pressefreiheit” gewarnt. Einen offenen Brief hatten dann im Juni 400 Verlage, Pressetitel und Verbänden aus ganz Europa unterzeichnet. Für Berichterstatterin Sabine Verheyen (CDU) ist genau diese Gefahr inzwischen gebannt. Sie sieht durch den EMFA keine wesentlichen Probleme mehr für das deutsche System der Medienaufsicht und Selbstregulierung. (Mitarbeit: Falk Steiner)
Wie ein Befreiungsschlag wirkte auf manche die Einigung der EU-Energieminister vom Dienstag auf eine Strommarktreform. Doch was bedeutet das komplizierte Regelwerk für einen deutschen Industriestrompreis und die Rechnungen der Verbraucher?
Eher nicht. Bis 2030 will das Wirtschaftsministerium laut einem Arbeitspapier aus dem Mai einen Brückenstrompreis, der aus öffentlichen Mitteln finanziert werden müsste. Solche direkten Subventionen werden in der Strommarktreform nicht behandelt und müssten weiter nach dem europäischen Beihilferecht genehmigt werden.
Zwar kursieren Spekulationen, Frankreich könnte nach der Einigung im Rat vom Dienstag versöhnlich gestimmt sein und einen deutschen Industriestrompreis unterstützen. Doch welchen Einfluss hätte die französische Regierung auf die Generaldirektion Wettbewerb? Einer, der am Dienstag im Rat dabei war, glaubt außerdem nicht an eine konzertierte Aktion: “Die Vorstellungen von Deutschland und Frankreich waren fast bis zum letzten Moment sehr unterschiedlich.”
Neue Chancen für einen schnelleren Industriestrompreis sieht dagegen Karsten Neuhoff vom DIW. Der Energieökonom ist ein Ideengeber für den langfristigen Transformationsstrompreis aus dem Hause Habeck. Neue Ökostrom-Anlagen sollen mit staatlichen Differenzverträgen (CfDs) finanziert und zu einem Pool zusammengefasst werden. Der günstige Strom aus diesem Pool könnte dann bevorzugt der Industrie zugutekommen.
Da durch die Einigung auch bestehende Anlagen unter einen CfD schlüpfen könnten, ließe sich das Pool-Modell vorziehen, argumentiert Neuhoff. Doch die Anlagenbetreiber müssten dies freiwillig tun und günstige Pool-Preise für die Industrie müsste die Kommission wohl ebenfalls beihilferechtlich genehmigen. Es wäre also nichts gewonnen.
Das ist noch nicht sicher. Zwar wird durch die Einigung festgeschrieben, dass die EU-Staaten auch bestehende Kraftwerke durch Differenzverträge (CfD) fördern können. Grundsätzlich besteht auch die “Missbrauchsmöglichkeit”, die CfDs für das Abschöpfen von Gewinnen zu nutzen und diese an die Industrie zu verteilen. Doch Frankreich müsste sich die Verteilung an seine Industrie beihilferechtlich genehmigen lassen, insofern stelle der am Dienstag vereinbarte Text lediglich den Status quo klar, argumentiert ein EU-Diplomat. Ein Zusatz in der Vereinbarung soll die Kommission gewissermaßen unter Beobachtung stellen und dafür sorgen, dass sie die Auswirkungen auf den Binnenmarkt wirklich berücksichtigt.
Auch mit dem staatseigenen Atomkonzern EDF muss sich die Regierung in Paris noch auseinandersetzen. Das Unternehmen ist hoch verschuldet und braucht die Einnahmen aus dem Stromverkauf für Investitionen. Die Konzernführung leistet öffentlich Widerstand dagegen, sich für die Industrie schröpfen zu lassen.
Heftige Widerstände gegen CfDs für französische AKWs zeichnen sich zudem im heute beginnenden Trilog ab. Nach den Grünen kritisiert auch die EVP die Einigung als Formelkompromiss. Die Konflikte seien nur aufgeschoben, sagt Christian Ehler (CDU): “In letzter Instanz müsste die Kommission, wenn die Lösung des Rats Bestand haben sollte, eine Unterstützung der französischen Industrie durch Einnahmen aus den Differenzverträgen ab einem gewissen Punkt nach unten begrenzen, um Verzerrungen auf dem Binnenmarkt zu verhindern – einen französischen Industriestrompreis quasi aus Brüssel heraus setzen.”
Die Forderung eines Mindestpreises für Industriestrom, wie von den Grünen aufgemacht, sei aber auch nicht im Sinne eines funktionsfähigen Marktes, sagt der Koordinator der EVP im Industrieausschuss. “Sollte durch die vermehrte Produktion von erneuerbaren Energien der Marktpreis für Strom sinken, könnte die Industrie mit diesem Mindestpreis nicht davon profitieren.”
In diesem Punkt gibt es widersprüchliche Aussagen von Experten und Verbänden. Die Strompreise zu senken, war einst das wichtigste Ziel der Reform. Einen nennenswerten positiven Effekt dürfte die Verpflichtung haben, die Gewinne neuer Kraftwerke zu begrenzen. Genau dies ist der Sinn der neuen zweiseitigen CfDs.
In Deutschland waren die Einnahmen von Betreibern von Wind- und Solarparks bisher nur durch einen Mindestpreis nach unten abgesichert. Entsprechend stellten sich gestern erneut mehrere Energieverbände gegen die Begrenzung ihrer Einnahmen. Von allen Erzeugern machen Neuanlagen jedoch nur einen kleinen Teil aus, kurzfristig wird der Effekt auf die Preise deshalb überschaubar sein.
CfDs können außerdem auch negative Effekte haben, warnen manche Experten. So könnten die Anlagenbetreiber wegen der beschlossenen Gewinnbegrenzung in den Ausschreibungen die Risikoaufschläge erhöhen. Durch die Staatsverträge würden Stromerzeuger zudem aus dem Terminmarkt verdrängt, schreibt Christoph Maurer von Consentec auf Bluesky. Lieferanten von Haushaltskunden hätten deshalb eventuell weniger Möglichkeiten, sich gegen Preisschwankungen abzusichern.
Einen Wert an sich sieht der Branchenverband Eurelectric allerdings in einem schnellen Abschluss des Trilogs. “Eine endgültige Einigung zwischen Rat und Parlament ist dringend erforderlich, um Investitionen in erneuerbare und kohlenstoffarme Energien und in Verteilnetze voranzutreiben”, sagt Generalsekretär Kristian Ruby.
20.10.2023 – 09:00-18:00 Uhr, Hamburg
Eco, Workshop NIS2 Directive – Impact on the DNS Industry
The Association of the Internet Industry (Eco) discusses the legislation that impacts the domain name industry in the EU. INFOS & ANMELDUNG
23.10.2023 – 09:30-16:45 Uhr, Brüssel (Belgien)
FES, Conference Walking the Talk: Feminist Foreign Policy in Action
The Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) discusses how to apply feminist thinking to selected fields of EU external action, such as EU trade policy, the reconstruction of Ukraine, and EU development policy. INFOS & REGISTRATION
23.10.2023 – 15:00-16:45 Uhr, online
ESC, Roundtable Long-duration energy storage: charting pathways for more renewables in Europe?
The Energy Storage Coalition (ESC) addresses the role of long-duration energy storage in charting pathways for more renewable energies in Europe. INFOS & REGISTRATION
24.10.2023 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Neue Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung – Wie können Sie Ihr Unternehmen für die CSRD aufstellen?
Der TÜV präsentiert einen Überblick über die konkreten Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund der CSRD und der ESRS in Verbindung mit der EU-Taxonomie. INFOS & ANMELDUNG
24.10.2023 – 18:00-19:30 Uhr, Hannover/online
VWS, Podiumsdiskussion Internationaler Agrarhandel: Wie die EU auf Kosten anderer Länder grüner wird
Die Volkswagenstiftung (VWS) beschäftigt sich mit dem Missverhältnis aus der Verschärfung der Standards für in der EU hergestellte Agrarprodukte und der fehlenden Förderung von einer nachhaltigen Produktion in den Ländern, aus denen die EU importiert. INFOS & ANMELDUNG
24.10.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Bonn
KAS, Diskussion The Biden Presidency – A Critical Evaluation
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) analysiert die Präsidentschaft von Joe Biden. INFOS & ANMELDUNG
24.10.2023 – 19:00-20:30 Uhr, online
FNF, Seminar Die Schweiz hat die Wahl – Wohin soll es gehen bei Zuwanderung und Klimawandel?
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) betrachtet die Hintergründe der schweizer Nationalrats- und Ständeratswahlen. INFOS & ANMELDUNG
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnt nach dem verheerenden Raketeneinschlag in einem Krankenhaus in Gaza vor einer Ausweitung des Konflikts. “Dieser Konflikt driftet leider in einen Konflikt zwischen der muslimischen und der christlichen Welt ab, und das können wir nicht zulassen”, sagte er im Europaparlament. “Die Sicherheit unserer Straßen hängt davon ab”, mahnte er mit Blick auf die jüngsten Anschläge in Frankreich und Belgien. Eine solche Polarisierung gefährde auch das geopolitische Gleichgewicht in der Welt. Nötig sei daher eine “gigantische Anstrengung”, um zu verhindern, dass sich der Konflikt auf die Grenze Israels zum Libanon ausweite.
Die Hamas-Regierung im Gazastreifen macht Israel verantwortlich für den Raketeneinschlag im Ahli-Arab-Baptist-Krankenhaus in Gaza. Israels Armee spricht hingegen von einer fehlgeleiteten Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad, die auf einem Parkplatz vor dem Krankenhaus explodiert sei. Auch US-Präsident Joe Biden machte im Beisein von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu “das andere Team” für den Raketenangriff auf das von der anglikanischen Episkopalkirche betriebene Krankenhaus verantwortlich.
Der Vorfall könnte dafür sorgen, dass sich das Zeitfenster für Diplomatie im Nahen Osten schnell wieder schließt, das sich mit den Besuchen von Biden und von Bundeskanzler Olaf Scholz in Israel und Ägypten zu öffnen schien. In Beirut und Teheran kam es zu Straßenprotesten, Jordaniens König Abdullah bezichtigte Israel des Raketenangriffs – und sagte den Krisengipfel der Arabischen Liga in Amman und den Besuch Bidens ab.
Immerhin kündigte das Büro von Ministerpräsident Netanjahu an, humanitäre Hilfslieferungen aus Ägypten in den Gazastreifen nicht zu behindern. Dies betreffe Lieferungen wie Lebensmittel, Wasser und Medikamente für die Zivilbevölkerung. Scholz hatte zuvor gefordert, so schnell wie möglich einen humanitären Zugang zum Gazastreifen zu eröffnen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte, die EU solle sich weiter für die historische Annäherung zwischen Israel und den arabischen Ländern einsetzen. “Der Dialog zwischen Israel und seinen Nachbarn kann und muss fortgesetzt werden”, sagte sie im Europaparlament. Diese Zeit des Krieges müsse daher auch eine “Zeit der unnachgiebigen Diplomatie sein”.
EVP-Chef Manfred Weber dankte von der Leyen für ihren Besuch in Tel Aviv vergangene Woche und verteidigte sie gegen Kritik. Aus einigen Mitgliedstaaten und dem Umfeld von Ratspräsident Charles Michel war der Kommissionspräsidentin vorgeworfen worden, ihre klare Solidarisierung mit Israel sei unabgestimmt und zu einseitig gewesen. “Wir stehen zu Israel. Ohne Zögern, ohne Ausreden, ohne Wenn und Aber”, sagte Weber.
Der CSU-Politiker zeigte sich “überrascht”, dass der Europäische Rat erst am Dienstag, zehn Tage nach dem Hamas-Angriff auf Israel, zu einer Videokonferenz zusammengekommen sei – ein Seitenhieb auf Michel. Borrell warf er vor, sich zu wenig für einen Friedensprozess in Nahost eingesetzt zu haben. tho/mrb
Die EU-Kommission hat am Mittwoch eine Reihe von Empfehlungen für die Mitgliedstaaten veröffentlicht, um ihre Reaktion auf die Verbreitung illegaler Inhalte zu koordinieren. So will die Kommission verhindern, dass terroristischer Inhalt oder Hassrede zu einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Sicherheit führen. Ziel sei es, die Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung des Digital Services Act (DSA) gegenüber sehr großen Online-Plattformen (VLOPs) zu unterstützen.
Die Mitgliedstaaten sind noch nicht alle auf die Durchsetzung des DSA vorbereitet. Auch in Deutschland ist immer noch kein Digital Services Coordinator (DSC) benannt. Mit der Empfehlung ermutigt die Kommission die Mitgliedstaaten, bereits jetzt eine unabhängige Behörde zu benennen, die Teil eines informellen Netzwerks potenzieller Digital Services Coordinators ist, bevor die gesetzliche Frist am 17. Februar 2024 abläuft.
Zudem legt die Kommission den Staaten nahe, das Krisenprotokoll für terroristische Inhalte online zu aktivieren. Dabei kommt Europol eine zentrale Rolle zu – die Zentrale in Den Haag kann im Rahmen des Verfahrens unterstützend tätig werden. Unter anderem verfügt Europol über spezialisierte Einheiten, die zum einen gerichtsfeste Beweissicherung vornehmen können, zum anderen Erfahrung haben mit den Verfahren mit den großen Plattformbetreibern (sogenannte Internet Referral Units, IRU). Aktivieren müssten das Krisenprotokoll die jeweiligen Mitgliedstaaten.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Morgen, der terroristische Angriff der Hamas habe auch zu einem Onlineangriff mit “abscheulichen illegalen Inhalten geführt”, die Hass und Terror förderten. Mit dem DSA habe Europa nun starke Regeln, um Benutzer vor Einschüchterung zu schützen und die Grundfreiheiten online sicherzustellen. “Die heutige Empfehlung wird uns helfen, unsere Maßnahmen mit den Mitgliedstaaten abzustimmen und unsere Gesellschaft zu schützen”, sagte von der Leyen.
Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion, nannte es unfassbar, was in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien passiert sei. “Die Hamas-Propaganda verherrlicht den Terror ohne Grenzen. Der Mörder von Brüssel war online und erklärte, warum er unschuldige Menschen tötet, unsere Jugend hört sich solche Dinge online an.” Das müsse sofort aufhören.
Die Kommission schlägt einen gemeinsamen Reaktionsmechanismus auf die Verbreitung illegaler Inhalte und Desinformation vor. Der Mechanismus würde regelmäßige Treffen des DSC-Netzwerks umfassen, um bewährte Verfahren und Methoden zu erörtern, wie auf illegale Inhalte und Desinformation am besten zu reagieren sei. Darunter fiele eine regelmäßige Berichterstattung und der Austausch von Informationen, die auf nationaler Ebene gesammelten wurden. Die Informationen aus dem Netzwerk könnten der Kommission dann Beweise für die Ausübung ihrer Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse gemäß dem DSA liefern.
In einer Parlamentsaussprache am Nachmittag sagte Kommissar Thierry Breton, Europa stehe an einer Wende und müsse schnell, entschieden und koordiniert reagieren. “Wir sind bereit, unsere Bürger zu schützen und unsere Werte zu verteidigen.” Die Kommission habe große Plattformen wie X, Meta, Alphabet oder Tiktok auf die Gefahren, die von Hamas ausgehen, hingewiesen und sie aufgefordert, entsprechend zu handeln. Explizit sprach Breton davon, dass er Medienplattformen gebeten habe, sich auf das Risiko möglicher Live-Streaming-Hinrichtungen durch die Hamas vorzubereiten.
Gegen X hat die Kommission bereits eine Untersuchung eingeleitet, um zu ermitteln, was das Netzwerk getan hat und tun muss, um den DSA einzuhalten. vis/fst
Die spanische Ratspräsidentschaft hat in Vorbereitung des vierten Trilogs zum AI Act ein neues Papier vorgelegt. Für diesen Vorschlag, der Contexte vorliegt, haben die Spanier die Delegationen zu den Kompromissvorschlägen und potenziellen Einigungsbereichen konsultiert. Die wollen sie mit Parlament und Kommission diskutieren.
Der vierte Trilog ist für den 24. Oktober anberaumt. Ein Folgetermin für den 6. Dezember. Kommissar Thierry Breton macht Druck, dass die Verhandlungen baldmöglichst zu einem Ende kommen. Während die Arbeit der spanischen Ratspräsidentschaft in Brüssel als professionell und ambitioniert bezeichnet wird, gibt es immer wieder Kritik an der Verhandlungsführung der Parlamentsberichterstatter.
Der Text der Spanier beinhaltet Vorschläge zu folgenden Themen:
Während es bei den ersten beiden Punkten “einige Flexibilität” bei den Ländervertretern gebe, enthalte der Vorschlag zu den Reallaboren zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, um dem Parlament entgegenzukommen. Ausgenommen sind allerdings die Anwendungsfälle im Zusammenhang mit biometrischen Daten und Strafverfolgungsbehörden. Diese will die Präsidentschaft zusammen mit Artikel 5 über verbotene KI-Anwendungen zu einem späteren Zeitpunkt erörtern. Hier liegen Rat und Parlament weit auseinander.
Außerdem stehen auch die Basismodelle (Foundation Models) und Allzweck-KI (General Purpose AI, GPAI) auf der Tagesordnung. Zu Allzweck-KI plant die Ratspräsidentschaft bei dem kommenden Treffen eine “Landezone” zu definieren – auf deren Basis dann nach weiteren technischen Verhandlungen im Dezember eine Einigung gefunden werden soll.
Für Foundation Models und GPAI, die eigentlich nicht in die Regulierung passen, weil sie gerade nicht für eine konkrete Anwendung entwickelt werden, schlagen die Spanier vor:
Deutschland habe sich mit zahlreichen Papieren in die Verhandlungen eingebracht, heißt es in Brüssel. Zum Beispiel zum Thema GPAI, wo Deutschland sich eine zweistufige Regulierung vorstellt, wie es auch die Spanier jetzt vorschlagen. Aus deutscher Sicht gehen die Kompromissideen, die bisher im Raum stehen, nicht in die falsche Richtung, wie zu hören ist.
Bei dem größten Streitpunkt zwischen Rat und Parlament, der biometrischen Fernüberwachung beziehungsweise den Ausnahmen vom Verbot der biometrischen Fernidentifizierung für Strafverfolgung und Terrorabwehr, ist die deutsche Positionierung offenbar noch nicht abgeschlossen. vis
Die Verhandlungsposition der EU-Staaten für die UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Jahres (COP28) ruft auf der einen Seite enttäuschte Reaktionen hervor. Ein Grund dafür ist das noch immer nicht vollständig geschlossenen Schlupfloch für CO₂-Abscheidungstechnologien (CCS) auf dem Weg zur fossilfreien Wirtschaft. Auf der anderen Seite wird das Mandat von vielen Seiten auch als positives Signal für die Verhandlungen mit anderen Staaten gewertet.
Dass die EU-Staaten nur den Ausstieg aus den Fossilen ohne CCS (“global phase out of unabated fossil fuels”) fordern, sei die entscheidende Schwächung in der Erklärung, sagt Petter Lydén. Er ist Bereichsleiter für internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Zwar schränkten sie in den nachfolgenden Sätzen dieses Schlupfloch wieder ein, doch sei es nicht komplett geschlossen worden.
Auch die Forderung nach einem fossilfreien Energiesektor beinhalte noch eine kleine Tür für CCS, bemängelt Lydén im Gespräch mit Table.Media. Dort heißt es, der Energiesektor solle weitgehend (“predominantly”) frei sein von fossilen Brennstoffen. Zwar sei “predominantly” etwas stärker als “unabated”, doch habe es auf G7-Ebene auch schon Diskussionen über die genaue Definition gegeben. Die progressiven Länder meinten “predominantly” bedeute etwas annähernd 100 Prozent. Japan beharrte auf 51 Prozent als Marke für ein überwiegend fossilfreies Energiesystem. “Es ist also immer noch nicht ganz klar, was hier gemeint ist”, sagte Lydén.
Es wäre schön gewesen, einen Beschluss ohne das Wort “unabated” zu bekommen, sagt Linda Kalcher. Sie ist Gründerin und Direktorin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives. “Realpolitisch war das aber nicht erwartbar.”
Auch Deutschland setzt bei Restemissionen aus Industrieprozessen in Zukunft auf CCS. Die EU-Positionierung spiegelt die Haltung der Bundesregierung, die zu den ambitioniertesten in Europa zählt, daher fast vollständig wider. “CCS ist hier und da durchaus in ein paar Industriebereichen sinnvoll, aber es geht um die Größenordnung und die Signalwirkung”, sagt Kalcher zu Table.Media. Hier habe Europa die richtigen Einschränkungen für die Technologie gemacht.
Gemeint ist die Klarstellung der EU-Länder, dass CCS nur in begrenztem Umfang vorhanden ist und daher nur in schwer zu dekarbonisierenden Sektoren eingesetzt werden soll. “Das ist besonders wichtig, da man zuletzt merkt, dass die designierte COP-Präsidentschaft es mit einem fossilfreien Energiesystem scheinbar doch nicht so ernst meint. Europa zeigt jetzt, wir meinen es ernst”, betont Kalcher.
Der europäische NGO-Dachverband Climate Action Network Europe (CAN Europe) mahnt, CCS sei noch nicht in dem Umfang erprobt, der erforderlich wäre, um eine signifikante Wirkung zu erzielen. CAN-Europe-Direktorin Chiara Martinelli fordert daher eine Kurskorrektur der EU. “Auf der COP28 sollten sich alle Parteien auf einen raschen, gerechten und ausgewogenen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in allen Sektoren einigen.” Für die EU bedeute dies, ein Ausstieg aus der Kohle bis 2030, aus fossilem Gas bis 2035 und aus Öl bis 2040, meint Martinelli. luk
Die EU-Kommission will mit einem Aktionsplan die illegale Migration über das östliche Mittelmeer eindämmen. Der Grenzschutz solle deutlich verstärkt werden, teilte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Mittwoch in Brüssel mit. Außerdem brauche es eine bessere Kooperation mit Herkunfts- und Transitländern in Asien und Afrika, um Schleuserkriminalität zu verhindern. Mit der Türkei will die EU weiter eng zusammenarbeiten, zum Beispiel sollen mehr Flüchtlinge zurückgeführt werden. Zudem will die Kommission den Ausbau der Grenze und Grenzüberwachungskapazität an der türkischen Ostgrenze zum Iran unterstützen.
Die Migrationsroute über das östliches Mittelmeer führt in die EU-Länder Griechenland, Zypern und Bulgarien. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der irregulären Grenzübertritte dort im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Für andere Flüchtlingsrouten gibt es solche Aktionspläne bereits.
Die EU-Kommission hatte am Mittwoch zudem vorgeschlagen, die Aussetzung der Visafreiheit im Falle hybrider Bedrohungen zu erleichtern und strikter gegen Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren vorgehen zu wollen. Es sollen auch neue Dringlichkeitsverfahren eingeführt werden, um im Falle einer Sicherheitsbedrohung oder eines starken Anstiegs der Zahl der ankommenden Migranten schneller reagieren zu können.
Die Migrationspolitik wird auch heute beim Treffen der Innenminister in Luxemburg auf der Agenda stehen. Unter anderem soll es darum gehen, wie innerhalb des grenzkontrollfreien Schengen-Raums Menschenschmuggel effektiver verhindert werden kann. Außerdem werden die Innenminister mögliche künftige Migrationsabkommen debattieren.
Italien führte unterdessen am Mittwoch Grenzkontrollen zu Slowenien ein. “Die Verschärfung der Krisenherde an den Grenzen Europas, insbesondere nach dem Anschlag auf Israel, hat das Bedrohungsniveau durch gewalttätige Aktionen auch innerhalb der Union erhöht”, hieß es in der Erklärung. dpa/rtr
Trotz schwerer internationaler Konflikte und Spannungen zwischen den großen Volkswirtschaften sieht China seine Neue Seidenstraße auf Erfolgskurs. “Sie ist der richtige Pfad voran”, sagte Staats- und Parteichef Xi Jinping am Mittwoch in Peking zur Eröffnung des dritten Gipfeltreffens zum gigantischen Infrastruktur- und Investitionsprojekt. Nie dagewesene historische Veränderungen entfalteten sich in der Welt. Von dem vor zehn Jahren begonnenen Seidenstraßen-Projekt sollen Xi zufolge auch Entwicklungsländer profitieren.
Vertreter aus mehr als 140 solcher Staaten etwa in Afrika, Südamerika oder Asien, aber auch die Taliban aus Afghanistan waren seit Dienstag zu Gast in Peking. China vergibt in deren Ländern mit der Initiative Kredite und setzt milliardenschwere Bauprojekte um, unter anderem in Verkehrsnetze oder Häfen. Perspektivisch sollen die Bemühungen um den Globalen Süden sogar noch weiter verstärkt werden, kündigte Xi an.
Kritisch äußerte sich Xi in Richtung der USA und EU-Staaten wie Deutschland, die keine Seidenstraßenmitglieder sind, aber Sanktionen gegen China verhängt oder Untersuchungen gegen chinesische Produkte laufen haben. “Wir sind gegen einseitige Sanktionen, wirtschaftliche Zwänge, Decoupling und Unterbrechungen von Lieferketten.” China werde sich nicht an ideologischer Konfrontation, geopolitischen Spielen oder Konfrontation durch Block-Politik beteiligen.
Nach Xi sprach Russlands Präsident Wladimir Putin – ein Zeichen, dass der Kremlchef einer der wichtigsten Gäste aus chinesischer Sicht war. Putin lobte die Neue Seidenstraße. Das Projekt und die russische Beteiligung daran sorgten dafür, gemeinsame Lösungen für die wichtigen regionalen Probleme zu finden. Während seiner Rede verließen einige Vertreter aus dem Westen den Raum. Im anschließenden bilateralen Treffen zwischen Xi und Putin sicherte der Chinese seinem Gegenüber weiter Unterstützung zu. Xi nannte Putin in seiner Begrüßung einen “alten Freund”. dpa/jpe
Mehr zu dem Treffen finden Sie bei den Kollegen von China.Table
Die proeuropäische georgische Staatspräsidentin Salome Surabischwili hat ihre Amtsenthebung durch ihre ehemalige Partei abgewandt. Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte sie beschuldigt, gegen das Gesetz verstoßen zu haben, weil Surabischwili aktiv für einen EU-Beitritt Georgiens geworben und führende EU-Politiker besucht habe.
86 von 150 Abgeordneten im georgischen Parlament stimmten für das Amtsenthebungsverfahren. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde damit verfehlt. Die Oppositionsparteien boykottierten die Abstimmung.
Die ehemalige französische Diplomatin georgischer Abstammung war 2018 mit Unterstützung der Partei Georgischer Traum in das Präsidentinnenamt gewählt worden. Es ist vor allem ein repräsentatives Amt. Seitdem hat sie mit der Partei gebrochen. Surabischwili hat diese wiederholt beschuldigt, prorussisch zu sein und sich nicht ausreichend für eine Annäherung an den Westen einzusetzen.
Im März versprach Surabischwili, ihr Veto gegen ein Gesetz einzulegen, das vorgesehen hätte, dass Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als “ausländische Agenten” registrieren lassen müssten. In Russland gibt es ähnliche Gesetze. Nach großen Straßenprotesten wurde der Gesetzentwurf schließlich zurückgezogen. Die EU hat wiederholt davor gewarnt, dass ein fortschreitender Autoritarismus Georgiens EU-Bewerbung zum Scheitern bringen könne. rtr
Kommt den Sozis schon wieder ein Kommissar abhanden? Erst hat sich Frans Timmermans, Spitzenkandidat der sozialistischen Parteienfamilie SPE 2019 und Exekutiv-Vize-Präsident der Kommission, in die Büsche geschlagen, weil er in den Niederlanden noch Ministerpräsident werden will. Aufgerückt und aufgestiegen vom einfachen Vize-Präsidenten zum Exekutiv-Vize-Präsidenten war dann kürzlich Maroš Šefčovič. Mit der Beförderung des Slowaken, der bereits seit 2009 der Kommission angehört und lagerübergreifend einen guten Ruf genießt, hatten wieder alle drei Parteienfamilien der “von-der-Leyen-Koalition” im College je einen der ranghöchsten Kommissare. Valdis Dombrovskis ist der “Exekutive” der christdemokratischen EVP, Margrethe Vestager die der Liberalen und Šefčovič eben der der Sozialisten.
Doch dann kam die SPE, die europäische Parteienfamilie, auf die Idee, ihre slowakische Mitgliedspartei SMER herauszuwerfen. Der Grund ist, dass nach den Wahlen in der Slowakei SMER-Urgestein Robert Fico zum vierten Mal eine Regierung bilden kann und dabei mit der rechtsextremen SNS koalieren will. Fico ist zudem Putin-Versteher und pöbelt gegen die EU und die LGBTIQ-Gemeinde. Auch die sozialistische S&D-Fraktion hatte angekündigt, ihre drei slowakischen Abgeordneten auszuschließen.
In der Fraktionssitzung am Dienstag wurde 40 Minuten über das Thema gesprochen. Zwei slowakische Fraktionsmitglieder, Monika Beňová und Katarína Roth Neveďalová, zogen sich vor der Sitzung freiwillig zurück. Robert Hajšel, der dritte slowakische MEP der Fraktion, wurde ausgeschlossen. Hajšel hat kein SMER-Parteibuch, ist aber auf dem Ticket der SMER ins Europaparlament eingezogen.
Der Fall von Maroš Šefčovič ist ganz ähnlich gelagert. Er ist nicht Mitglied der SMER, wurde aber von Robert Fico seinerzeit für den Brüsseler Job nominiert. Die Frage, ob die sozialistische Fraktion sich nun auch von “ihrem” Exekutiv-Vize der Kommission Šefčovič distanziert, wurde bei der Fraktionssitzung zwar aufgeworfen, aber nicht richtig beantwortet.
Bislang wurde Šefčovič immer eingeladen, wenn die sozialistische Parteienfamilie vor dem EU-Gipfel ihre “Leader”, die Staats- und Regierungschefs und andere hohe Funktionsträger, in Brüssel versammelt hat. Auch in der Fraktion war er immer wieder gern gesehener Gast. Nächste Woche steht der nächste Gipfel an, und die Frage ist: Ist Šefčovič bei den Sozis noch ein gern gesehener Gast?
Auf Anfrage teilt dazu ein Sprecher der SPE am Abend mit: “Nach unserem Verständnis ist Šefčovič derzeit weder Mitglied bei SMER noch bei Hlas.” Der Exekutiv-Vize der Kommission habe all die Jahre über positiv beigetragen zur Parteienfamilie. “In dieser Rolle werden wir ihn weiter einladen zu unseren Treffen und Veranstaltungen.” Gefühlt bleibt Šefčovič damit ein Sozi. Markus Grabitz
das Europaparlament will seine eigenen Arbeitsabläufe reformieren – die erste Reform seit 1999. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hatte die Arbeitsgruppe “Parlament 2024” im März einberufen und leitet sie selbst mit höchster Disziplin, wie zu hören ist. Bereits am 22. November soll die Arbeitsgruppe, bestehend aus je zwei Mitgliedern der großen Fraktionen und einem Mitglied der kleinen Fraktionen, fertig sein.
Noch vor der Europawahl im Juni sollen die fälligen Änderungen vom Verfassungsausschuss AFCO und im Plenum beschlossen werden. Es geht hier ausdrücklich nicht darum, die Ausschüsse im Europaparlament neu zuzuschneiden. Dafür müsste der Anhang sechs der Geschäftsordnung geändert werden. Dazu wird es nach Einschätzung der beteiligten Abgeordneten in dieser Wahlperiode nicht kommen.
Vielmehr sollen die parlamentarischen Verfahren gestrafft werden. Das Parlament soll schlagkräftiger werden, das Gerangel von konkurrierenden Ausschüssen bei der Gesetzgebungsarbeit verhindert werden. Es soll zudem erstmals klare Regeln für das informelle Vermittlungsverfahren der Triloge geben, das zum Standard geworden ist.
Auch am Außenauftritt des EP wird gefeilt. Derzeit gibt es 46 Delegationen des Parlaments, die für die bilateralen und multilateralen Beziehungen zuständig sind. Im Gespräch ist, die Zahl der Delegationen drastisch zu reduzieren und ihre Aufgaben präziser zu fassen. Gestern Abend tagte die Arbeitsgruppe wieder. In der morgigen Ausgabe liefern wir Ihnen die Details.
Vor einem Jahr schienen die Standpunkte unvereinbar. Deutschland liebäugelte sogar mit einer Blockade des geplanten neuen Medienfreiheits-Gesetzes (European Media Freedom Act, kurz EMFA). Für diese Verordnung auf EU-Ebene gebe es keine Rechtsgrundlage. Zudem sei das bewährte System der deutschen Medienaufsicht gefährdet, hieß es vor allem aus den für Medienpolitik zuständigen Landeshauptstädten. Ein Rats-Rechtsgutachten und viele Diskussionen später sieht die Lage vor dem Trilog-Auftakt nun anders aus – der EMFA wird kommen.
“Wir sind sehr weit gekommen”, sagte Renate Nikolay, Stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien in der EU-Kommission, beim jährlichen Brüsseler Mediengespräch. Mittlerweile sei allgemein anerkannt, dass Medien und Journalisten einen besonderen Schutz bräuchten – auch auf EU-Ebene.
Mit dem DSA, dem Digitale-Dienste-Gesetz, sei die Brüsseler Behörde ein “digitaler Regulator für große Plattformen geworden”, so Nikolay. Die Vorteile dieser neuen Aufsicht gelte es mit dem EMFA nun auch zugunsten der Medienfreiheit in der EU zu nutzen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland habe dabei nichts zu fürchten.
Die EU-Kommission sei “manchmal am Rand ihres Mandats” unterwegs, kritisiert dagegen Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und Europabeauftragter in der Direktorenkonferenz der Medienanstalten. Sie laufe Gefahr, die Tektonik des europäischen Mediensystems zu erschüttern. Der Trilog werde deshalb “sehr ernst”.
In der ersten EMFA-Trilogsitzung wird es zunächst um technische und administrative Fragen gehen. Allerdings sollen dabei – ungewöhnlich für das Trilogverfahren – auch bereits erste Einigungen in Punkten erzielt werden. Dabei handelt es sich um jene Aspekte, die als unstrittig gelten.
Die politisch “heißen Eisen” stehen erst bei der zweiten oder dritten Runde auf der Tagesordnung. Die Knackpunkte sind vor allem der Schutz der redaktionellen Freiheit (Artikel 4) und das Verhältnis zwischen den großen Internet-Plattformen auf der einen, öffentlich-rechtlichen Sendern, Presse und neuen Medienformaten auf der anderen Seite (Artikel 17). Insbesondere letzterer Artikel, mit dem anerkannte, unabhängige und selbstregulierte Medien eine Sonderstellung bei der Inhaltemoderation entsprechend dem Digital Services Act erhalten sollen, wird von großen Techunternehmen abgelehnt.
Das Europaparlament hatte in seine EMFA-Verhandlungsposition Anfang Oktober einige wichtige Safeguards aufgenommen. Die stellt der Rat nun infrage. Dies gelte es zu verhindern, sagte Petra Kammerevert (SPD), die als Schattenberichterstatterin an dem Trilog teilnimmt. So versuche Frankreich, den Redaktionsschutz-Artikel 4 aufzuweichen. Der soll nach dem Willen des Parlaments Journalisten umfassenden Schutz für ihre Tätigkeit bieten, bis hin zu einem weitreichenden Quellenschutz. Sogar bis hin zu Fällen wie dem abgehörten Pressetelefon der “Letzten Generation” könnte die EP-Fassung greifen.
In den Änderungswünschen des Rates ist zudem vorgesehen, dass Spionagesoftware gegen Journalisten eingesetzt werden darf, wenn dies dem Schutz der nationalen Sicherheit dient. Das Parlament will den Einsatz deutlich restriktiver regeln. Nach dem Willen der Abgeordneten darf sie nur als letztes Mittel und in begründeten Einzelfällen eingesetzt werden. Doch die Zahl der Mitgliedstaaten, in denen Journalisten in den vergangenen Jahren zu Unrecht mit Spähsoftware angegriffen worden, ist lang: Frankreich, Griechenland und Polen sind hier nur die prominentesten Beispiele. Mit Pegasus und Predator wurde dabei Überwachungssoftware angewandt, die hochumstritten ist und einen Parlamentssonderausschuss beschäftigte.
Grundsätzliche Bedenken gegen den EMFA äußert weiterhin der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). “Trotz Verbesserungen bleiben wesentliche Probleme des Vorschlags ungelöst”, heißt es in einer Stellungnahme. Das Medienfreiheitsgesetz dürfe nicht dazu führen, dass funktionierende Mediensysteme und bestehende Medienrechte und -freiheiten in Deutschland ausgehebelt werden.
In einem Gastbeitrag hatte der BDZV schon im November 2022 in Europe.Table vor einem “Bruch mit der Pressefreiheit” gewarnt. Einen offenen Brief hatten dann im Juni 400 Verlage, Pressetitel und Verbänden aus ganz Europa unterzeichnet. Für Berichterstatterin Sabine Verheyen (CDU) ist genau diese Gefahr inzwischen gebannt. Sie sieht durch den EMFA keine wesentlichen Probleme mehr für das deutsche System der Medienaufsicht und Selbstregulierung. (Mitarbeit: Falk Steiner)
Wie ein Befreiungsschlag wirkte auf manche die Einigung der EU-Energieminister vom Dienstag auf eine Strommarktreform. Doch was bedeutet das komplizierte Regelwerk für einen deutschen Industriestrompreis und die Rechnungen der Verbraucher?
Eher nicht. Bis 2030 will das Wirtschaftsministerium laut einem Arbeitspapier aus dem Mai einen Brückenstrompreis, der aus öffentlichen Mitteln finanziert werden müsste. Solche direkten Subventionen werden in der Strommarktreform nicht behandelt und müssten weiter nach dem europäischen Beihilferecht genehmigt werden.
Zwar kursieren Spekulationen, Frankreich könnte nach der Einigung im Rat vom Dienstag versöhnlich gestimmt sein und einen deutschen Industriestrompreis unterstützen. Doch welchen Einfluss hätte die französische Regierung auf die Generaldirektion Wettbewerb? Einer, der am Dienstag im Rat dabei war, glaubt außerdem nicht an eine konzertierte Aktion: “Die Vorstellungen von Deutschland und Frankreich waren fast bis zum letzten Moment sehr unterschiedlich.”
Neue Chancen für einen schnelleren Industriestrompreis sieht dagegen Karsten Neuhoff vom DIW. Der Energieökonom ist ein Ideengeber für den langfristigen Transformationsstrompreis aus dem Hause Habeck. Neue Ökostrom-Anlagen sollen mit staatlichen Differenzverträgen (CfDs) finanziert und zu einem Pool zusammengefasst werden. Der günstige Strom aus diesem Pool könnte dann bevorzugt der Industrie zugutekommen.
Da durch die Einigung auch bestehende Anlagen unter einen CfD schlüpfen könnten, ließe sich das Pool-Modell vorziehen, argumentiert Neuhoff. Doch die Anlagenbetreiber müssten dies freiwillig tun und günstige Pool-Preise für die Industrie müsste die Kommission wohl ebenfalls beihilferechtlich genehmigen. Es wäre also nichts gewonnen.
Das ist noch nicht sicher. Zwar wird durch die Einigung festgeschrieben, dass die EU-Staaten auch bestehende Kraftwerke durch Differenzverträge (CfD) fördern können. Grundsätzlich besteht auch die “Missbrauchsmöglichkeit”, die CfDs für das Abschöpfen von Gewinnen zu nutzen und diese an die Industrie zu verteilen. Doch Frankreich müsste sich die Verteilung an seine Industrie beihilferechtlich genehmigen lassen, insofern stelle der am Dienstag vereinbarte Text lediglich den Status quo klar, argumentiert ein EU-Diplomat. Ein Zusatz in der Vereinbarung soll die Kommission gewissermaßen unter Beobachtung stellen und dafür sorgen, dass sie die Auswirkungen auf den Binnenmarkt wirklich berücksichtigt.
Auch mit dem staatseigenen Atomkonzern EDF muss sich die Regierung in Paris noch auseinandersetzen. Das Unternehmen ist hoch verschuldet und braucht die Einnahmen aus dem Stromverkauf für Investitionen. Die Konzernführung leistet öffentlich Widerstand dagegen, sich für die Industrie schröpfen zu lassen.
Heftige Widerstände gegen CfDs für französische AKWs zeichnen sich zudem im heute beginnenden Trilog ab. Nach den Grünen kritisiert auch die EVP die Einigung als Formelkompromiss. Die Konflikte seien nur aufgeschoben, sagt Christian Ehler (CDU): “In letzter Instanz müsste die Kommission, wenn die Lösung des Rats Bestand haben sollte, eine Unterstützung der französischen Industrie durch Einnahmen aus den Differenzverträgen ab einem gewissen Punkt nach unten begrenzen, um Verzerrungen auf dem Binnenmarkt zu verhindern – einen französischen Industriestrompreis quasi aus Brüssel heraus setzen.”
Die Forderung eines Mindestpreises für Industriestrom, wie von den Grünen aufgemacht, sei aber auch nicht im Sinne eines funktionsfähigen Marktes, sagt der Koordinator der EVP im Industrieausschuss. “Sollte durch die vermehrte Produktion von erneuerbaren Energien der Marktpreis für Strom sinken, könnte die Industrie mit diesem Mindestpreis nicht davon profitieren.”
In diesem Punkt gibt es widersprüchliche Aussagen von Experten und Verbänden. Die Strompreise zu senken, war einst das wichtigste Ziel der Reform. Einen nennenswerten positiven Effekt dürfte die Verpflichtung haben, die Gewinne neuer Kraftwerke zu begrenzen. Genau dies ist der Sinn der neuen zweiseitigen CfDs.
In Deutschland waren die Einnahmen von Betreibern von Wind- und Solarparks bisher nur durch einen Mindestpreis nach unten abgesichert. Entsprechend stellten sich gestern erneut mehrere Energieverbände gegen die Begrenzung ihrer Einnahmen. Von allen Erzeugern machen Neuanlagen jedoch nur einen kleinen Teil aus, kurzfristig wird der Effekt auf die Preise deshalb überschaubar sein.
CfDs können außerdem auch negative Effekte haben, warnen manche Experten. So könnten die Anlagenbetreiber wegen der beschlossenen Gewinnbegrenzung in den Ausschreibungen die Risikoaufschläge erhöhen. Durch die Staatsverträge würden Stromerzeuger zudem aus dem Terminmarkt verdrängt, schreibt Christoph Maurer von Consentec auf Bluesky. Lieferanten von Haushaltskunden hätten deshalb eventuell weniger Möglichkeiten, sich gegen Preisschwankungen abzusichern.
Einen Wert an sich sieht der Branchenverband Eurelectric allerdings in einem schnellen Abschluss des Trilogs. “Eine endgültige Einigung zwischen Rat und Parlament ist dringend erforderlich, um Investitionen in erneuerbare und kohlenstoffarme Energien und in Verteilnetze voranzutreiben”, sagt Generalsekretär Kristian Ruby.
20.10.2023 – 09:00-18:00 Uhr, Hamburg
Eco, Workshop NIS2 Directive – Impact on the DNS Industry
The Association of the Internet Industry (Eco) discusses the legislation that impacts the domain name industry in the EU. INFOS & ANMELDUNG
23.10.2023 – 09:30-16:45 Uhr, Brüssel (Belgien)
FES, Conference Walking the Talk: Feminist Foreign Policy in Action
The Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) discusses how to apply feminist thinking to selected fields of EU external action, such as EU trade policy, the reconstruction of Ukraine, and EU development policy. INFOS & REGISTRATION
23.10.2023 – 15:00-16:45 Uhr, online
ESC, Roundtable Long-duration energy storage: charting pathways for more renewables in Europe?
The Energy Storage Coalition (ESC) addresses the role of long-duration energy storage in charting pathways for more renewable energies in Europe. INFOS & REGISTRATION
24.10.2023 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Neue Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung – Wie können Sie Ihr Unternehmen für die CSRD aufstellen?
Der TÜV präsentiert einen Überblick über die konkreten Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund der CSRD und der ESRS in Verbindung mit der EU-Taxonomie. INFOS & ANMELDUNG
24.10.2023 – 18:00-19:30 Uhr, Hannover/online
VWS, Podiumsdiskussion Internationaler Agrarhandel: Wie die EU auf Kosten anderer Länder grüner wird
Die Volkswagenstiftung (VWS) beschäftigt sich mit dem Missverhältnis aus der Verschärfung der Standards für in der EU hergestellte Agrarprodukte und der fehlenden Förderung von einer nachhaltigen Produktion in den Ländern, aus denen die EU importiert. INFOS & ANMELDUNG
24.10.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Bonn
KAS, Diskussion The Biden Presidency – A Critical Evaluation
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) analysiert die Präsidentschaft von Joe Biden. INFOS & ANMELDUNG
24.10.2023 – 19:00-20:30 Uhr, online
FNF, Seminar Die Schweiz hat die Wahl – Wohin soll es gehen bei Zuwanderung und Klimawandel?
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) betrachtet die Hintergründe der schweizer Nationalrats- und Ständeratswahlen. INFOS & ANMELDUNG
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnt nach dem verheerenden Raketeneinschlag in einem Krankenhaus in Gaza vor einer Ausweitung des Konflikts. “Dieser Konflikt driftet leider in einen Konflikt zwischen der muslimischen und der christlichen Welt ab, und das können wir nicht zulassen”, sagte er im Europaparlament. “Die Sicherheit unserer Straßen hängt davon ab”, mahnte er mit Blick auf die jüngsten Anschläge in Frankreich und Belgien. Eine solche Polarisierung gefährde auch das geopolitische Gleichgewicht in der Welt. Nötig sei daher eine “gigantische Anstrengung”, um zu verhindern, dass sich der Konflikt auf die Grenze Israels zum Libanon ausweite.
Die Hamas-Regierung im Gazastreifen macht Israel verantwortlich für den Raketeneinschlag im Ahli-Arab-Baptist-Krankenhaus in Gaza. Israels Armee spricht hingegen von einer fehlgeleiteten Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad, die auf einem Parkplatz vor dem Krankenhaus explodiert sei. Auch US-Präsident Joe Biden machte im Beisein von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu “das andere Team” für den Raketenangriff auf das von der anglikanischen Episkopalkirche betriebene Krankenhaus verantwortlich.
Der Vorfall könnte dafür sorgen, dass sich das Zeitfenster für Diplomatie im Nahen Osten schnell wieder schließt, das sich mit den Besuchen von Biden und von Bundeskanzler Olaf Scholz in Israel und Ägypten zu öffnen schien. In Beirut und Teheran kam es zu Straßenprotesten, Jordaniens König Abdullah bezichtigte Israel des Raketenangriffs – und sagte den Krisengipfel der Arabischen Liga in Amman und den Besuch Bidens ab.
Immerhin kündigte das Büro von Ministerpräsident Netanjahu an, humanitäre Hilfslieferungen aus Ägypten in den Gazastreifen nicht zu behindern. Dies betreffe Lieferungen wie Lebensmittel, Wasser und Medikamente für die Zivilbevölkerung. Scholz hatte zuvor gefordert, so schnell wie möglich einen humanitären Zugang zum Gazastreifen zu eröffnen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte, die EU solle sich weiter für die historische Annäherung zwischen Israel und den arabischen Ländern einsetzen. “Der Dialog zwischen Israel und seinen Nachbarn kann und muss fortgesetzt werden”, sagte sie im Europaparlament. Diese Zeit des Krieges müsse daher auch eine “Zeit der unnachgiebigen Diplomatie sein”.
EVP-Chef Manfred Weber dankte von der Leyen für ihren Besuch in Tel Aviv vergangene Woche und verteidigte sie gegen Kritik. Aus einigen Mitgliedstaaten und dem Umfeld von Ratspräsident Charles Michel war der Kommissionspräsidentin vorgeworfen worden, ihre klare Solidarisierung mit Israel sei unabgestimmt und zu einseitig gewesen. “Wir stehen zu Israel. Ohne Zögern, ohne Ausreden, ohne Wenn und Aber”, sagte Weber.
Der CSU-Politiker zeigte sich “überrascht”, dass der Europäische Rat erst am Dienstag, zehn Tage nach dem Hamas-Angriff auf Israel, zu einer Videokonferenz zusammengekommen sei – ein Seitenhieb auf Michel. Borrell warf er vor, sich zu wenig für einen Friedensprozess in Nahost eingesetzt zu haben. tho/mrb
Die EU-Kommission hat am Mittwoch eine Reihe von Empfehlungen für die Mitgliedstaaten veröffentlicht, um ihre Reaktion auf die Verbreitung illegaler Inhalte zu koordinieren. So will die Kommission verhindern, dass terroristischer Inhalt oder Hassrede zu einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Sicherheit führen. Ziel sei es, die Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung des Digital Services Act (DSA) gegenüber sehr großen Online-Plattformen (VLOPs) zu unterstützen.
Die Mitgliedstaaten sind noch nicht alle auf die Durchsetzung des DSA vorbereitet. Auch in Deutschland ist immer noch kein Digital Services Coordinator (DSC) benannt. Mit der Empfehlung ermutigt die Kommission die Mitgliedstaaten, bereits jetzt eine unabhängige Behörde zu benennen, die Teil eines informellen Netzwerks potenzieller Digital Services Coordinators ist, bevor die gesetzliche Frist am 17. Februar 2024 abläuft.
Zudem legt die Kommission den Staaten nahe, das Krisenprotokoll für terroristische Inhalte online zu aktivieren. Dabei kommt Europol eine zentrale Rolle zu – die Zentrale in Den Haag kann im Rahmen des Verfahrens unterstützend tätig werden. Unter anderem verfügt Europol über spezialisierte Einheiten, die zum einen gerichtsfeste Beweissicherung vornehmen können, zum anderen Erfahrung haben mit den Verfahren mit den großen Plattformbetreibern (sogenannte Internet Referral Units, IRU). Aktivieren müssten das Krisenprotokoll die jeweiligen Mitgliedstaaten.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Morgen, der terroristische Angriff der Hamas habe auch zu einem Onlineangriff mit “abscheulichen illegalen Inhalten geführt”, die Hass und Terror förderten. Mit dem DSA habe Europa nun starke Regeln, um Benutzer vor Einschüchterung zu schützen und die Grundfreiheiten online sicherzustellen. “Die heutige Empfehlung wird uns helfen, unsere Maßnahmen mit den Mitgliedstaaten abzustimmen und unsere Gesellschaft zu schützen”, sagte von der Leyen.
Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion, nannte es unfassbar, was in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien passiert sei. “Die Hamas-Propaganda verherrlicht den Terror ohne Grenzen. Der Mörder von Brüssel war online und erklärte, warum er unschuldige Menschen tötet, unsere Jugend hört sich solche Dinge online an.” Das müsse sofort aufhören.
Die Kommission schlägt einen gemeinsamen Reaktionsmechanismus auf die Verbreitung illegaler Inhalte und Desinformation vor. Der Mechanismus würde regelmäßige Treffen des DSC-Netzwerks umfassen, um bewährte Verfahren und Methoden zu erörtern, wie auf illegale Inhalte und Desinformation am besten zu reagieren sei. Darunter fiele eine regelmäßige Berichterstattung und der Austausch von Informationen, die auf nationaler Ebene gesammelten wurden. Die Informationen aus dem Netzwerk könnten der Kommission dann Beweise für die Ausübung ihrer Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse gemäß dem DSA liefern.
In einer Parlamentsaussprache am Nachmittag sagte Kommissar Thierry Breton, Europa stehe an einer Wende und müsse schnell, entschieden und koordiniert reagieren. “Wir sind bereit, unsere Bürger zu schützen und unsere Werte zu verteidigen.” Die Kommission habe große Plattformen wie X, Meta, Alphabet oder Tiktok auf die Gefahren, die von Hamas ausgehen, hingewiesen und sie aufgefordert, entsprechend zu handeln. Explizit sprach Breton davon, dass er Medienplattformen gebeten habe, sich auf das Risiko möglicher Live-Streaming-Hinrichtungen durch die Hamas vorzubereiten.
Gegen X hat die Kommission bereits eine Untersuchung eingeleitet, um zu ermitteln, was das Netzwerk getan hat und tun muss, um den DSA einzuhalten. vis/fst
Die spanische Ratspräsidentschaft hat in Vorbereitung des vierten Trilogs zum AI Act ein neues Papier vorgelegt. Für diesen Vorschlag, der Contexte vorliegt, haben die Spanier die Delegationen zu den Kompromissvorschlägen und potenziellen Einigungsbereichen konsultiert. Die wollen sie mit Parlament und Kommission diskutieren.
Der vierte Trilog ist für den 24. Oktober anberaumt. Ein Folgetermin für den 6. Dezember. Kommissar Thierry Breton macht Druck, dass die Verhandlungen baldmöglichst zu einem Ende kommen. Während die Arbeit der spanischen Ratspräsidentschaft in Brüssel als professionell und ambitioniert bezeichnet wird, gibt es immer wieder Kritik an der Verhandlungsführung der Parlamentsberichterstatter.
Der Text der Spanier beinhaltet Vorschläge zu folgenden Themen:
Während es bei den ersten beiden Punkten “einige Flexibilität” bei den Ländervertretern gebe, enthalte der Vorschlag zu den Reallaboren zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, um dem Parlament entgegenzukommen. Ausgenommen sind allerdings die Anwendungsfälle im Zusammenhang mit biometrischen Daten und Strafverfolgungsbehörden. Diese will die Präsidentschaft zusammen mit Artikel 5 über verbotene KI-Anwendungen zu einem späteren Zeitpunkt erörtern. Hier liegen Rat und Parlament weit auseinander.
Außerdem stehen auch die Basismodelle (Foundation Models) und Allzweck-KI (General Purpose AI, GPAI) auf der Tagesordnung. Zu Allzweck-KI plant die Ratspräsidentschaft bei dem kommenden Treffen eine “Landezone” zu definieren – auf deren Basis dann nach weiteren technischen Verhandlungen im Dezember eine Einigung gefunden werden soll.
Für Foundation Models und GPAI, die eigentlich nicht in die Regulierung passen, weil sie gerade nicht für eine konkrete Anwendung entwickelt werden, schlagen die Spanier vor:
Deutschland habe sich mit zahlreichen Papieren in die Verhandlungen eingebracht, heißt es in Brüssel. Zum Beispiel zum Thema GPAI, wo Deutschland sich eine zweistufige Regulierung vorstellt, wie es auch die Spanier jetzt vorschlagen. Aus deutscher Sicht gehen die Kompromissideen, die bisher im Raum stehen, nicht in die falsche Richtung, wie zu hören ist.
Bei dem größten Streitpunkt zwischen Rat und Parlament, der biometrischen Fernüberwachung beziehungsweise den Ausnahmen vom Verbot der biometrischen Fernidentifizierung für Strafverfolgung und Terrorabwehr, ist die deutsche Positionierung offenbar noch nicht abgeschlossen. vis
Die Verhandlungsposition der EU-Staaten für die UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Jahres (COP28) ruft auf der einen Seite enttäuschte Reaktionen hervor. Ein Grund dafür ist das noch immer nicht vollständig geschlossenen Schlupfloch für CO₂-Abscheidungstechnologien (CCS) auf dem Weg zur fossilfreien Wirtschaft. Auf der anderen Seite wird das Mandat von vielen Seiten auch als positives Signal für die Verhandlungen mit anderen Staaten gewertet.
Dass die EU-Staaten nur den Ausstieg aus den Fossilen ohne CCS (“global phase out of unabated fossil fuels”) fordern, sei die entscheidende Schwächung in der Erklärung, sagt Petter Lydén. Er ist Bereichsleiter für internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Zwar schränkten sie in den nachfolgenden Sätzen dieses Schlupfloch wieder ein, doch sei es nicht komplett geschlossen worden.
Auch die Forderung nach einem fossilfreien Energiesektor beinhalte noch eine kleine Tür für CCS, bemängelt Lydén im Gespräch mit Table.Media. Dort heißt es, der Energiesektor solle weitgehend (“predominantly”) frei sein von fossilen Brennstoffen. Zwar sei “predominantly” etwas stärker als “unabated”, doch habe es auf G7-Ebene auch schon Diskussionen über die genaue Definition gegeben. Die progressiven Länder meinten “predominantly” bedeute etwas annähernd 100 Prozent. Japan beharrte auf 51 Prozent als Marke für ein überwiegend fossilfreies Energiesystem. “Es ist also immer noch nicht ganz klar, was hier gemeint ist”, sagte Lydén.
Es wäre schön gewesen, einen Beschluss ohne das Wort “unabated” zu bekommen, sagt Linda Kalcher. Sie ist Gründerin und Direktorin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives. “Realpolitisch war das aber nicht erwartbar.”
Auch Deutschland setzt bei Restemissionen aus Industrieprozessen in Zukunft auf CCS. Die EU-Positionierung spiegelt die Haltung der Bundesregierung, die zu den ambitioniertesten in Europa zählt, daher fast vollständig wider. “CCS ist hier und da durchaus in ein paar Industriebereichen sinnvoll, aber es geht um die Größenordnung und die Signalwirkung”, sagt Kalcher zu Table.Media. Hier habe Europa die richtigen Einschränkungen für die Technologie gemacht.
Gemeint ist die Klarstellung der EU-Länder, dass CCS nur in begrenztem Umfang vorhanden ist und daher nur in schwer zu dekarbonisierenden Sektoren eingesetzt werden soll. “Das ist besonders wichtig, da man zuletzt merkt, dass die designierte COP-Präsidentschaft es mit einem fossilfreien Energiesystem scheinbar doch nicht so ernst meint. Europa zeigt jetzt, wir meinen es ernst”, betont Kalcher.
Der europäische NGO-Dachverband Climate Action Network Europe (CAN Europe) mahnt, CCS sei noch nicht in dem Umfang erprobt, der erforderlich wäre, um eine signifikante Wirkung zu erzielen. CAN-Europe-Direktorin Chiara Martinelli fordert daher eine Kurskorrektur der EU. “Auf der COP28 sollten sich alle Parteien auf einen raschen, gerechten und ausgewogenen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in allen Sektoren einigen.” Für die EU bedeute dies, ein Ausstieg aus der Kohle bis 2030, aus fossilem Gas bis 2035 und aus Öl bis 2040, meint Martinelli. luk
Die EU-Kommission will mit einem Aktionsplan die illegale Migration über das östliche Mittelmeer eindämmen. Der Grenzschutz solle deutlich verstärkt werden, teilte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Mittwoch in Brüssel mit. Außerdem brauche es eine bessere Kooperation mit Herkunfts- und Transitländern in Asien und Afrika, um Schleuserkriminalität zu verhindern. Mit der Türkei will die EU weiter eng zusammenarbeiten, zum Beispiel sollen mehr Flüchtlinge zurückgeführt werden. Zudem will die Kommission den Ausbau der Grenze und Grenzüberwachungskapazität an der türkischen Ostgrenze zum Iran unterstützen.
Die Migrationsroute über das östliches Mittelmeer führt in die EU-Länder Griechenland, Zypern und Bulgarien. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der irregulären Grenzübertritte dort im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Für andere Flüchtlingsrouten gibt es solche Aktionspläne bereits.
Die EU-Kommission hatte am Mittwoch zudem vorgeschlagen, die Aussetzung der Visafreiheit im Falle hybrider Bedrohungen zu erleichtern und strikter gegen Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren vorgehen zu wollen. Es sollen auch neue Dringlichkeitsverfahren eingeführt werden, um im Falle einer Sicherheitsbedrohung oder eines starken Anstiegs der Zahl der ankommenden Migranten schneller reagieren zu können.
Die Migrationspolitik wird auch heute beim Treffen der Innenminister in Luxemburg auf der Agenda stehen. Unter anderem soll es darum gehen, wie innerhalb des grenzkontrollfreien Schengen-Raums Menschenschmuggel effektiver verhindert werden kann. Außerdem werden die Innenminister mögliche künftige Migrationsabkommen debattieren.
Italien führte unterdessen am Mittwoch Grenzkontrollen zu Slowenien ein. “Die Verschärfung der Krisenherde an den Grenzen Europas, insbesondere nach dem Anschlag auf Israel, hat das Bedrohungsniveau durch gewalttätige Aktionen auch innerhalb der Union erhöht”, hieß es in der Erklärung. dpa/rtr
Trotz schwerer internationaler Konflikte und Spannungen zwischen den großen Volkswirtschaften sieht China seine Neue Seidenstraße auf Erfolgskurs. “Sie ist der richtige Pfad voran”, sagte Staats- und Parteichef Xi Jinping am Mittwoch in Peking zur Eröffnung des dritten Gipfeltreffens zum gigantischen Infrastruktur- und Investitionsprojekt. Nie dagewesene historische Veränderungen entfalteten sich in der Welt. Von dem vor zehn Jahren begonnenen Seidenstraßen-Projekt sollen Xi zufolge auch Entwicklungsländer profitieren.
Vertreter aus mehr als 140 solcher Staaten etwa in Afrika, Südamerika oder Asien, aber auch die Taliban aus Afghanistan waren seit Dienstag zu Gast in Peking. China vergibt in deren Ländern mit der Initiative Kredite und setzt milliardenschwere Bauprojekte um, unter anderem in Verkehrsnetze oder Häfen. Perspektivisch sollen die Bemühungen um den Globalen Süden sogar noch weiter verstärkt werden, kündigte Xi an.
Kritisch äußerte sich Xi in Richtung der USA und EU-Staaten wie Deutschland, die keine Seidenstraßenmitglieder sind, aber Sanktionen gegen China verhängt oder Untersuchungen gegen chinesische Produkte laufen haben. “Wir sind gegen einseitige Sanktionen, wirtschaftliche Zwänge, Decoupling und Unterbrechungen von Lieferketten.” China werde sich nicht an ideologischer Konfrontation, geopolitischen Spielen oder Konfrontation durch Block-Politik beteiligen.
Nach Xi sprach Russlands Präsident Wladimir Putin – ein Zeichen, dass der Kremlchef einer der wichtigsten Gäste aus chinesischer Sicht war. Putin lobte die Neue Seidenstraße. Das Projekt und die russische Beteiligung daran sorgten dafür, gemeinsame Lösungen für die wichtigen regionalen Probleme zu finden. Während seiner Rede verließen einige Vertreter aus dem Westen den Raum. Im anschließenden bilateralen Treffen zwischen Xi und Putin sicherte der Chinese seinem Gegenüber weiter Unterstützung zu. Xi nannte Putin in seiner Begrüßung einen “alten Freund”. dpa/jpe
Mehr zu dem Treffen finden Sie bei den Kollegen von China.Table
Die proeuropäische georgische Staatspräsidentin Salome Surabischwili hat ihre Amtsenthebung durch ihre ehemalige Partei abgewandt. Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte sie beschuldigt, gegen das Gesetz verstoßen zu haben, weil Surabischwili aktiv für einen EU-Beitritt Georgiens geworben und führende EU-Politiker besucht habe.
86 von 150 Abgeordneten im georgischen Parlament stimmten für das Amtsenthebungsverfahren. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde damit verfehlt. Die Oppositionsparteien boykottierten die Abstimmung.
Die ehemalige französische Diplomatin georgischer Abstammung war 2018 mit Unterstützung der Partei Georgischer Traum in das Präsidentinnenamt gewählt worden. Es ist vor allem ein repräsentatives Amt. Seitdem hat sie mit der Partei gebrochen. Surabischwili hat diese wiederholt beschuldigt, prorussisch zu sein und sich nicht ausreichend für eine Annäherung an den Westen einzusetzen.
Im März versprach Surabischwili, ihr Veto gegen ein Gesetz einzulegen, das vorgesehen hätte, dass Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als “ausländische Agenten” registrieren lassen müssten. In Russland gibt es ähnliche Gesetze. Nach großen Straßenprotesten wurde der Gesetzentwurf schließlich zurückgezogen. Die EU hat wiederholt davor gewarnt, dass ein fortschreitender Autoritarismus Georgiens EU-Bewerbung zum Scheitern bringen könne. rtr
Kommt den Sozis schon wieder ein Kommissar abhanden? Erst hat sich Frans Timmermans, Spitzenkandidat der sozialistischen Parteienfamilie SPE 2019 und Exekutiv-Vize-Präsident der Kommission, in die Büsche geschlagen, weil er in den Niederlanden noch Ministerpräsident werden will. Aufgerückt und aufgestiegen vom einfachen Vize-Präsidenten zum Exekutiv-Vize-Präsidenten war dann kürzlich Maroš Šefčovič. Mit der Beförderung des Slowaken, der bereits seit 2009 der Kommission angehört und lagerübergreifend einen guten Ruf genießt, hatten wieder alle drei Parteienfamilien der “von-der-Leyen-Koalition” im College je einen der ranghöchsten Kommissare. Valdis Dombrovskis ist der “Exekutive” der christdemokratischen EVP, Margrethe Vestager die der Liberalen und Šefčovič eben der der Sozialisten.
Doch dann kam die SPE, die europäische Parteienfamilie, auf die Idee, ihre slowakische Mitgliedspartei SMER herauszuwerfen. Der Grund ist, dass nach den Wahlen in der Slowakei SMER-Urgestein Robert Fico zum vierten Mal eine Regierung bilden kann und dabei mit der rechtsextremen SNS koalieren will. Fico ist zudem Putin-Versteher und pöbelt gegen die EU und die LGBTIQ-Gemeinde. Auch die sozialistische S&D-Fraktion hatte angekündigt, ihre drei slowakischen Abgeordneten auszuschließen.
In der Fraktionssitzung am Dienstag wurde 40 Minuten über das Thema gesprochen. Zwei slowakische Fraktionsmitglieder, Monika Beňová und Katarína Roth Neveďalová, zogen sich vor der Sitzung freiwillig zurück. Robert Hajšel, der dritte slowakische MEP der Fraktion, wurde ausgeschlossen. Hajšel hat kein SMER-Parteibuch, ist aber auf dem Ticket der SMER ins Europaparlament eingezogen.
Der Fall von Maroš Šefčovič ist ganz ähnlich gelagert. Er ist nicht Mitglied der SMER, wurde aber von Robert Fico seinerzeit für den Brüsseler Job nominiert. Die Frage, ob die sozialistische Fraktion sich nun auch von “ihrem” Exekutiv-Vize der Kommission Šefčovič distanziert, wurde bei der Fraktionssitzung zwar aufgeworfen, aber nicht richtig beantwortet.
Bislang wurde Šefčovič immer eingeladen, wenn die sozialistische Parteienfamilie vor dem EU-Gipfel ihre “Leader”, die Staats- und Regierungschefs und andere hohe Funktionsträger, in Brüssel versammelt hat. Auch in der Fraktion war er immer wieder gern gesehener Gast. Nächste Woche steht der nächste Gipfel an, und die Frage ist: Ist Šefčovič bei den Sozis noch ein gern gesehener Gast?
Auf Anfrage teilt dazu ein Sprecher der SPE am Abend mit: “Nach unserem Verständnis ist Šefčovič derzeit weder Mitglied bei SMER noch bei Hlas.” Der Exekutiv-Vize der Kommission habe all die Jahre über positiv beigetragen zur Parteienfamilie. “In dieser Rolle werden wir ihn weiter einladen zu unseren Treffen und Veranstaltungen.” Gefühlt bleibt Šefčovič damit ein Sozi. Markus Grabitz