langsam wird es ernst mit den neuen EU-Schuldenregeln. Heute läuft die Frist für die Mitgliedstaaten ab, um bei der Kommission ihre mehrjährigen Fiskalpläne einzureichen – theoretisch zumindest. In der Kommission erwartet man dem Vernehmen nach, dass sich nur zwei Musterschüler an die Deadline halten: Dänemark und Malta. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, unter anderem Deutschland und Italien, wird die Mehrjahrespläne wohl erst am 15. Oktober einreichen, weil das auch die Deadline für die Abgabe des Jahreshaushalts ist.
Von neun Mitgliedstaaten hat man in der Kommission noch nichts gehört oder man erwartet, dass sie die Deadline nicht einhalten werden. Dazu gehören auch Frankreich und Belgien, wo sich die Regierungsbildung hinzieht. Niemand rechnet damit, dass Frankreich rechtzeitig einen Plan verabschieden kann. Damit sind die Konflikte programmiert.
Ende November will die Kommission im Herbstpaket des Europäischen Semesters die von ihr geprüften mittelfristigen Fiskalpläne für alle Mitgliedstaaten vorlegen. Für Staaten, die keinen Plan eingegeben haben, wird die Kommission ihren eigenen Vorschlag von Mitte Juni – den sogenannten “technical trajectory” – präsentieren. Gerade für Frankreich wird dieser Pfad weit abseits dessen liegen, was in dem Land aktuell politisch realistisch ist. Es ist aber am Rat, nicht an der Kommission, den Fiskalplan final zu bestätigen.
Wer nicht rechtzeitig einen eigenen Plan einsendet, kann auch im nächsten Jahr noch mit der Kommission verhandeln und den von der Behörde vorgeschlagenen Pfad abändern. Aber einfacher wird es durch die Verzögerung nicht. Der designierte Wirtschaftskommissar und Hüter der EU-Fiskalregeln, Valdis Dombrovskis, kann sich auf schwierige Diskussionen mit der französischen und anderen Regierungen einstellen.
Einen angenehmen Tag ohne Budgetsorgen wünscht Ihnen
Die Debatte um die EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Autos wird sich auch in den kommenden Wochen fortsetzen. Einen großen Verhandlungserfolg gab es bei einem Treffen zwischen EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis und Chinas Handelsminister Wang Wentao am Donnerstag nicht. Dombrovskis betonte, dass die Untersuchung der EU auf Fakten basiere und WTO-Recht respektiere. Aber die EU-Kommission zeigte sich bereit, den chinesischen Vorschlag zu Preisverpflichtungen trotz abgelaufener Deadline nochmals genauer anzuschauen.
Vergangene Woche hatte die Kommission mitgeteilt, dass sie keine neuen Preisverpflichtungen der betroffenen chinesischen Autohersteller mehr akzeptieren würde, weil die entsprechende Deadline Ende August verstrichen sei. In den Verpflichtungen hatten die Autohersteller zugesagt, Mindestverkaufspreise für ihre Elektrofahrzeuge festzulegen. Dies soll den Preisdruck auf europäische Hersteller mindern und so die vorgeschlagenen Zölle vermeiden.
Nun nutzt die Kommission einen Artikel der Regulierung für Antisubventionsmaßnahmen, um die Deadline für die chinesischen Autohersteller zu verlängern. Das heißt: Chinesische Hersteller können neue Preisverpflichtungen abgeben, die die Kommission berücksichtigen wird.
Dennoch wird die Kommission die Untersuchung gemäß ihren Fristen weiterführen. Und die Uhr tickt: Spätestens am 30. Oktober muss die Untersuchung zu Ende sein. Eine kleine Verzögerung gibt es bei der Koordination mit den Mitgliedstaaten. Die für die kommende Woche angesetzte Abstimmung im Ratsausschuss für Handelsschutzinstrumente wurde verschoben, wie EU-Diplomaten Table.Briefings bestätigen – wahrscheinlich auf die Woche danach.
Die EU-Handelskammer in China hofft weiterhin auf eine politische Lösung: “Wir wünschen uns einen Ausgang, der weiterhin eine starke Handels- und Investitionsbeziehung ermöglicht”, sagt Adam Dunnett, Generalsekretär der Handelskammer, im Gespräch mit Table.Briefings. Zwar machten die E-Fahrzeuge noch einen kleinen Teil im Gesamthandel zwischen China und der EU aus. Aber die Bedenken darüber wüchsen und er verstehe, dass die EU so früh eingegriffen habe. Die ganze Situation sei allerdings “unglücklich”. Dunnett hofft, dass ein Dominoeffekt auf andere Industrien ausbleibt.
Die designierte EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera betonte, sie halte die Vermeidung eines Handelskriegs für ebenso wichtig wie die Entwicklung der europäischen Autoindustrie. “Die Hauptbotschaft ist, dass es wichtig ist, einen Zusammenstoß, einen Handelskrieg zu vermeiden“, sagte Ribera der “Financial Times”. “Wir müssen die besten Instrumente finden, mit denen wir die Automobilindustrie in Europa entwickeln können, die aber auch wirksam sind, um diesen Handelskrieg zu vermeiden”, sagte sie. “Die Kommissionsdienste und die Handelsleute prüfen dies bereits.”
Handelsminister Wang sagte am Mittwochabend bei einem Treffen mit chinesischen und europäischen Autoherstellern in Brüssel, dass die Handelsbeziehungen zwischen China und der EU nun an einem “Scheideweg” stünden. Es gebe einen “Weg, der zu Offenheit und Zusammenarbeit führt, und einen anderen, der zu Protektionismus und Isolation führt”, wie die chinesische Handelskammer bei der EU mitteilte.
Experten haben die Befürchtung geäußert, dass die Zusatzzölle das CO₂-Ziel der EU beeinträchtigen könnte. Diese Tendenz zeigt sich auch in den Autoverkaufsdaten: Sie zeigen einen Rückgang der Verkäufe von vollelektrischen Autos um fast 44 Prozent im August. Die größten Märkte für Elektrofahrzeuge, Deutschland und Frankreich, verzeichneten Rückgänge von 68,8 Prozent beziehungsweise 33,1 Prozent, was auch mit reduzierten Kaufsubventionen für Elektroautos zusammenhängt.
Die drei größten Autokonzerne Europas, Volkswagen, Stellantis und Renault, verzeichneten einen Rückgang der Gesamtverkäufe um 14,8 Prozent, 29,5 Prozent und 13,9 Prozent. Auch Tesla und SAIC bleiben nicht verschont: Deren Verkäufe in Europa sanken um 43,2 Prozent und 27,5 Prozent. Wie sich die Zusatzzölle auf die Verbraucher auswirken könnten, liegt im Spielraum der Hersteller. Tesla beispielsweise hat die Preise für seine Fahrzeuge des Modells 3 in Europa bereits erhöht. Geelys Marke Lynk & Co. hatte angekündigt, die Preise nicht zu erhöhen.
Wer sich von Henna Virkkunens Verantwortungsbereich ein Bild machen will, braucht eine große Leinwand. Das Portfolio der designierten Exekutiv-Vizepräsidentin für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie ist umfangreich und überschneidet sich an vielen Stellen mit anderen Ressorts. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte die Finnin zur Verantwortlichen für das riesige Thema Digitalisierung und digitale Infrastruktur.
Es gibt gute Gründe, sie nicht einfach zur Digitalkommissarin zu ernennen. Doch bei dem großen Portfolio gibt es auch die Befürchtung, dass sich die Kommissionsmitglieder erneut in die Quere kommen. So wie Margrethe Vestager und Thierry Breton im vergangenen Mandat. Im Fall von Virkkunen gibt es sogar zwei starke Mitstreiter: die Exekutiv-Vizepräsidenten für Wettbewerb und für Industrie, Teresa Ribera und Stéphane Séjourné.
Einerseits sei es positiv, dass Sicherheit und Demokratie nun zusammengefasst sind, sagt Anselm Küsters, Fachbereichsleiter Digitalisierung und Neue Technologien beim Centrum für Europäische Politik (cep). “Einer meiner Hauptkritikpunkte an der letzten Kommission und ihrer Digitalpolitik war, dass man sie viel zu sehr als neutral gesehen und den geopolitischen Faktor ein bisschen ausgeblendet hat.”
Andererseits könnten die Überschneidungen natürlich zu Konflikten führen. “Auf dem Papier sieht es gut aus, aber wie so oft hängt es wahrscheinlich am Ende davon ab, wie die Personen ihre Positionen ausfüllen.” Küsters sieht aber viele Vorteile in der neuen Struktur. “Die Änderungen sind grundsätzlich zu begrüßen, weil bei der letzten Kommission das Silodenken zu Recht in der Kritik stand.”
Konfliktpotenzial sieht Küsters gerade bei der Verquickung von Technologie und Sicherheit, was ja das zentrale Merkmal von Virkkunens Portfolio sei. Einerseits lege die Kommission wie im vergangenen Mandat den Fokus auf technologische Souveränität. Europa will sich nicht vollständig abkoppeln, aber eigene KI-Modelle entwickeln, eigene Infrastruktur aufbauen, das Teilen von Daten erleichtern. “Das läuft nicht unbedingt synchron mit dem Thema Sicherheit, bei dem wir nach wie vor zentral auf die USA angewiesen sind“, argumentiert Küsters.
Die Frage sei: “Geht die Kommission jetzt weiter so aggressiv gegen Big Tech vor, wie Margrethe Vestager das noch gemacht hat? Oder lässt man das jetzt ein bisschen abklingen, weil Sicherheitserwägungen für eine engere Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa sprechen?” Die sei vor allem in den Bereichen Standardisierung, Normierung und bei der Ausgrenzung potenziell gefährlicher Technologien notwendig. “Das wäre ein Beispiel für einen Zielkonflikt, den man da jetzt schon absehen kann.”
Ist ein solcher Konflikt einfacher zu lösen, wenn die Aufgaben auf verschiedene Personen verteilt ist, die einen Kompromiss finden müssen? Oder kann eine Person, die den Überblick hat, zu einer besseren Lösung kommen? “Aus ordnungspolitischer Sicht fände ich es theoretisch etwas transparenter, wenn es zwei verschiedene Kommissare sind, die dann ihre Argumente auch offenlegen müssen”, sagt Küsters. Dennoch sei er optimistisch. “Es ist der richtige Ansatz, zumindest zu versuchen, das Thema politischer zu betrachten und unter einer Person zu vereinen.”
Sergey Lagodinsky (Grüne) begrüßt, dass das Digitalportfolio aus dem Wettbewerbsportfolio ausgelagert wurde. Ebenso, dass mit Ekaterina Sachariewa nun eine Kommissarin für Start-ups zuständig ist. “Dann beschränkt sich die Politik nicht nur auf die Großindustrie, wie das bei Thierry Breton war”, sagt Lagodinsky. Unklar sei hingegen, wie die Abgrenzung zum Aufgabenbereich von Industriekommissar Stéphane Séjourné aussehen soll, der ja ebenfalls für Innovation zuständig sein wird.
Mit den Generaldirektionen DG CONNECT und DG DIGIT unter ihrer Verantwortung hat Virkkunen Zugriff auf die Schlüsselagenturen, die für digitale Märkte und Technologien zuständig sind. Dadurch hat sie eine starke institutionelle Basis, um die Digitalisierung voranzutreiben.
Doch der Blick in die Mission Letters der anderen Kommissare und Exekutiv-Vizepräsidenten zeigt einige potenzielle Überschneidungen in den Zuständigkeiten sowie Bereiche, in denen Abstimmungsprobleme oder Konflikte entstehen könnten. Überschneidungen gibt es mit den Exekutiv-Vizepräsidenten:
Die Entscheidung für Virkkunen kommt beim Digitalverband Bitkom gut an. Die direkte Ansiedlung der digitalpolitischen Herausforderungen im Portfolio der Exekutiv-Vizepräsidentin sei richtig. In den Bereichen Sicherheit und Demokratie könnten wichtige Synergien erzeugt werden, denn “technologische Souveränität ist kein Selbstzweck“. Vor allem freut sich der Bitkom, dass es endlich eine Start-up-Kommissarin gibt. Für die hat der Verband lange plädiert, “damit die Bedingungen für europäische Start-ups und Scale-ups gezielt verbessert werden können”.
Ganz entscheidend wird auch Virkkunens Arbeit an der KI-Strategie der Union sein. In einem offenen Brief fordert eine Gruppe von Unternehmen, Forschern und Institutionen – darunter Meta, Prada und SAP – klare und einheitliche KI-Regulierungen in der EU. Sie warnen, dass Europa ohne diese Regelungen den Anschluss an globale KI-Innovationen verlieren könnte, insbesondere bei Open-Source- und multimodalen Modellen. Diese Technologien böten großes Potenzial für wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt, doch fragmentierte Vorschriften gefährdeten Europas Wettbewerbsfähigkeit.
23.09.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zur Marktsituation (insbesondere nach dem Einmarsch in die Ukraine), Gedankenaustausch zur Bestandsaufnahme des zweiten Jahres der Umsetzung der GAP-Strategiepläne. Vorläufige Tagesordnung
23.09.2024 – 15:00-18:30 Uhr
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
Themen: Abstimmung zur Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der EU zur Unterstützung von Italien, Slowenien, Österreich, Griechenland und Frankreich im Zusammenhang mit sechs Naturkatastrophen im Jahr 2023, Gedankenaustausch über die Gebäudepolitik der Institutionen (Europäische Kommission), Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten vertriebener Arbeitnehmer. Vorläufige Tagesordnung
23.09.2024 – 15:00-18:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
Themen: Aussprache zu aktuellen Informationen zum digitalen Euro, öffentliche Anhörung mit Dominique Laboureix (Vorsitzender des Einheitlichen Abwicklungsausschusses), Überprüfung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsmaßnahmen. Vorläufige Tagesordnung
24.-30.09.2024
UN-Generalversammlung
Themen: Die UN-Generalversammlung der Vereinten Nationen kommt in New York City zusammen. Infos
24.09.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zu Prioritäten des ungarischen Vorsitzes, Gedankenaustausch zur Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 17./18. Oktober 2024, Gedankenaustausch zur allgemeinen Entwicklung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in ausgewählten Bewerberländern. Vorläufige Tagesordnung
26.09.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wettbewerbsfähigkeit
Themen: Aussprache zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und zur Bewältigung der Herausforderungen für Industrie und Unternehmen im Binnenmarkt, Aussprache zum Rahmen für staatliche Beihilfen und zu dessen Beitrag zu den politischen Zielen der EU, Informationen aus Deutschland, unterstützt von Österreich, über die Notwendigkeit, ein einheitliches Konzept hinsichtlich der Durchsetzung von EU-Standards im elektronischen Handel zu diskutieren. Vorläufige Tagesordnung
Angesichts der massiven Kritik aus der Industrie will Ursula von der Leyen bei der bereits verabschiedeten Entwaldungsrichtlinie nachbessern. Die EU-Kommissionspräsidentin kündigte am Dienstagabend in der EVP-Fraktion an, den Umsetzungszeitplan des Vorhabens noch einmal überprüfen zu wollen. Das erfuhr Table.Briefings von Personen, die mit der Sache vertraut sind. Eigentlich sollen die Regeln für große Unternehmen am 30. Dezember in Kraft treten, für kleine Unternehmen ein halbes Jahr später. Aber so wie geplant könne die Verordnung nicht kommen, habe von der Leyen gesagt, ohne konkreter zu werden.
Laut den Vorgaben dürfen Unternehmen Einfuhren bestimmter Produkte – unter anderem Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz – nur in der EU verkaufen, wenn die Lieferanten eine Sorgfaltserklärung eingereicht haben. Diese bestätigt, dass ein Produkt nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammt, und dass bei seiner Herstellung die lokale Gesetzgebung eingehalten wurde.
Die EVP drängt bereits seit Monaten auf eine Verschiebung der Umsetzungsfrist. “Wir fordern die Kommission auf, die Umsetzung des Entwaldungsgesetzes unverzüglich zu verschieben“, betonten Herbert Dorfmann und Peter Liese, Sprecher der Fraktion im Landwirtschafts- bzw. Umweltausschuss des EU-Parlaments, am Donnerstag noch einmal. Liese hatte zuvor das Jahr 2027 als alternative Frist für die Umsetzung genannt und erklärt, man könne die Verschiebung kurzfristig im Dringlichkeitsverfahren annehmen.
Neben EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland hatten sich Verbände wie Eurocommerce und mehrere Handelspartner der EU – darunter die USA, Australien und Brasilien – in den vergangenen Monaten an die EU-Kommission gewandt und um eine Verschiebung der Regeln gebeten.
“Die Entwaldungsverordnung abzusägen, wäre ein schwerer Vertrauensbruch und Fehlstart in die neue Amtszeit für die Zusammenarbeit über die eigenen Parteigrenzen hinaus”, kommentierte hingegen Delara Burkhardt, die das Gesetz als Schattenberichterstatterin für die sozialdemokratische Fraktion (S&D) mitverhandelt hatte. Ein Vorschlag für Umsetzungsleitlinien, die viele der noch offenen Fragen der Wirtschaft beantworten würden, liege seit Monaten auf von der Leyens Schreibtisch. “Sie muss ihre Hausaufgaben machen und sie endlich freigeben.”
Die S&D-Fraktion forderte von der Leyen und den Kommissionsvize Maroš Šefčovič am Donnerstag auch in einem Schreiben auf, die EU-Entwaldungsverordnung fristgerecht umzusetzen und zügig die noch fehlenden Hilfsdokumente zu veröffentlichen. “Die Europäische Union trägt eine große Verantwortung für den Schutz der Wälder weltweit“, heißt es darin. Die Annahme des Gesetzes sei “ein Meilenstein in unserem Engagement für den Naturschutz” gewesen. Die EU müsse nun auch sicherstellen, dass ihre “Handlungen den Zielen ihrer Politik entsprechen”. Auch die Grünen setzen sich für eine Einhaltung der Frist ein. Ihre Befürchtung: Wird im Gesetz die Umsetzungsfrist geändert, könnte es in diesem Verfahren zu weiteren, inhaltlichen Abschwächungen kommen.
Vonseiten der Kommission selbst hieß es am Donnerstag wie bisher: Der Termin stehe fest, man arbeite hart daran, für eine reibungslose Umsetzung zu sorgen. “Die Co-Gesetzgeber haben den Termin für das Inkrafttreten auf das nächste Jahr festgelegt, da es angesichts der anhaltend hohen Entwaldungsraten dringend erforderlich ist”, sagte ein Sprecher zu Table.Briefings. leo/tho
Die Anhörungen der Kommissarsanwärter im Europaparlament werden wahrscheinlich am 4. November beginnen. Die Vorsitzenden der Ausschüsse, in denen die Anhörungen stattfinden, treffen sich am 1. Oktober außer der Reihe, um den Zeitplan zu beschließen. Der Rechtsausschuss (JURI) hat die Sitzung zur Prüfung der Erklärungen zu finanziellen und sonstigen Interessen der Kommissarsanwärter um eine Woche auf den 30. September verschoben. Die Prüfung wird in Anwesenheit aller 48 Mitglieder und unter Zusicherung von Vertraulichkeit vorgenommen.
Der Rechtsausschuss muss entscheiden, ob mögliche Interessenkonflikte zwischen dem Vermögen der Anwärter, ihrer Partner und Kinder mit dem spezifischen Portfolio bestehen. Sollte es Hinweise darauf geben, kann der Rechtsausschuss weitere Fragen stellen oder den Kandidaten vorladen. Wenn ein Interessenskonflikt aus Sicht des Rechtsausschusses besteht und nicht auszuräumen ist, kann der Rechtsausschuss entscheiden, dass der betreffende Kandidat nicht in die Anhörung kommt.
Das Parlament kann die Anhörungen erst dann planen, wenn es vom Rat konsultiert wird und die Erklärungen der Kommissarsanwärter zu Interessenskonflikten vorliegen hat. Am Donnerstag ging das noch fehlende offizielle Nominierungsschreiben Sloweniens für Marta Kos ein, worauf die ungarische Ratspräsidentschaft die Unterlagen ans Parlament übermittelte. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hätte es gern gesehen, wenn die Anhörungen noch im Oktober begonnen hätten. Nur dann wäre es zeitlich möglich gewesen, dass ihre Kommission Anfang November antritt. Andernfalls ist der Start im Dezember oder Januar wahrscheinlich.
Wie zu hören ist, haben bei einem Treffen am Mittwoch im Berlaymont die erfahrenen Kommissare die Neulinge davor gewarnt, die Anhörungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Bevor die Anhörungen beginnen, müssen die Anwärter schriftliche Fragen beantworten. Die Anhörungen, die – je nachdem, wie viele Ausschüsse beteiligt sind – drei oder vier Stunden dauern, beginnen mit einem Eingangsstatement der Bewerber, danach stellen die Abgeordneten Fragen. mgr/tho
Zwei Wochen nach seiner Ernennung hat Frankreichs neuer Premierminister Michel Barnier die schwierige Regierungsbildung abgeschlossen. Am Abend wollte er die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts Präsident Emmanuel Macron vorlegen, teilte die Regierung in Paris mit.
Vorangegangen waren Beratungen Barniers mit führenden Vertretern der Parteien aus dem Mitte-Lager und der Konservativen, auf deren Unterstützung er für die künftige Regierung setzt. Bei dem Treffen, an dem auch Barniers Amtsvorgänger Gabriel Attal teilnahm, sei die Architektur und die Ausgewogenheit der künftigen Regierung vorgestellt worden, hieß es von der Regierung.
Barnier habe bei den Beratungen auch die Grundlinien seiner künftigen Politik dargelegt. Dabei gehe es um eine Verbesserung des Lebensstandards der Franzosen und des Funktionierens der öffentlichen Dienste, insbesondere der Schulen und des Gesundheitswesens. Ein weiterer Schwerpunkt sei mehr innere Sicherheit, eine Kontrolle der Einwanderung und die Förderung der Integration. Außerdem sollten Unternehmen und Landwirte sowie die wirtschaftliche Attraktivität Frankreichs gefördert werden. Zudem müssten die öffentlichen Finanzen saniert und die Umweltpolitik gestärkt werden.
Erwartet wird, dass die neue Regierung am heutigen Freitag öffentlich vorgestellt wird. Offen ist, inwieweit Barnier Ministerposten auch mit Politikern aus dem linken Lager besetzen wird. Die linken Parteien hatten sich zu einer Beteiligung an einer Regierung zunächst nicht bereiterklärt. Wie unter anderem die Zeitung “Libération” und der Sender BFMTV berichteten, sollen von den 16 Ministerinnen und Ministern der künftigen Regierung sieben aus Macrons Mitte-Lager stammen, drei von den konservativen Republikanern, einer von einer linken und einer von einer rechten Partei und die übrigen von Parteien der Mitte.
Möglicherweise wird Barnier je nach Regierungsvorhaben auf die Unterstützung unterschiedlicher Partner setzen müssen und auch auf die Duldung durch den rechtsnationalen Rassemblement National von Marine le Pen angewiesen sein. Ob Barnier und die neue Regierung lange im Amt bleiben, ist unsicher. Sowohl von links als auch von rechts könnte schon kurzfristig ein Misstrauensvotum drohen. Eine Regierungserklärung von Barnier ist nach Medienberichten am 1. Oktober geplant.
Die politische Lage in Frankreich war angespannt, seitdem bei der vorgezogenen Parlamentswahl vor gut zwei Monaten keines der politischen Lager eine absolute Mehrheit erhielt. Dass Macron mit dem konservativen ehemaligen EU-Kommissar Barnier (73) einen Premierminister eines Lagers ernannte, das bei der Wahl nur schwach abschnitt, sorgte über das Linksbündnis hinaus für Missmut in Frankreich. dpa
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bittet die EU-Kommission um längere Übergangsfristen bei der Produktion von CO₂-armem Wasserstoff. In einem Brief an EU-Energiekommissarin Kadri Simson, der Table.Briefings vorliegt, schreibt Habeck, dass der Hochlauf des Wasserstoffmarkts signifikant langsamer verlaufe als erwartet: “Ich höre viele Sorgen von Unternehmen, dass wir an Geschwindigkeit beim Klimaschutz verlieren.”
Daher müsse dem “zerbrechlichen Markt” ein Anschub gegeben werden. Konkret schlägt Habeck vor, die zwingende Nutzung von erneuerbarem Strom bei der Produktion von Wasserstoff hinauszuschieben.
Dabei geht es einerseits um “Zusätzlichkeit”: Bislang regelt der delegierte Rechtsakt 2023/1184, dass ab 2028 neu eingerichtete Wasserstoff-Elektrolyseure an ebenfalls neu errichtete Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung angeschlossen werden müssen. So soll sichergestellt werden, dass die Erzeugung von Wasserstoff auch zu einer Erhöhung der Grünstromproduktion führt. Andernfalls könnte der vermeintlich klimaneutrale Wasserstoff bisweilen mit Fossilstrom erzeugt werden, besonders an wind- und sonnenarmen Tagen. Habeck plädiert nun dafür, die Übergangsregelung um sieben Jahre, bis 2035, zu verlängern.
Ähnlich gelagert ist Habecks Ansinnen zur “zeitlichen Korrelation”, bei der eine Übergangsfrist bis Ende 2029 gilt. Hierbei müssen Wasserstoffproduzenten nachweisen, dass genügend erneuerbarer Strom im Netz vorhanden ist, während ihre Elektrolyseure Wasserstoff produzieren. Bislang bezieht sich dieser Nachweis auf einen ganzen Monat, später soll stundengenau abgerechnet werden. Habeck bittet die EU-Kommission, diese Frist um ein Jahr zu verlängern.
“Dies würde es den Unternehmen erleichtern, die sehr hohen Projektkosten, insbesondere in der Markthochlaufphase zu tragen”, schreibt Habeck, “und den von der Industrie in Europa dringend benötigten Wasserstoff zu produzieren”. av
Die russische und die westliche Atomindustrie sind weiterhin voneinander abhängig. So lautet das Fazit des World Nuclear Industry Status Report, ein jährlicher Bericht zur Situation der weltweiten Nuklearindustrie. Diese Verflechtung habe Russland vor europäischen Sanktionen geschützt.
“Die engen gegenseitigen Industrie- und Marktinterdependenzen zwischen der russischen Nuklearindustrie und ihren westlichen Pendants erklären zumindest teilweise das Zögern der Europäer, Sanktionen gegen den Nuklearsektor zu verhängen“, heißt es in dem Bericht. Doch die Abhängigkeit von Russland zu verringern, werde voraussichtlich die Kosten in die Höhe treiben.
Seit Russlands Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 hätten fünf EU-Mitgliedstaaten, die über Reaktoren russischer Bauart (WWER) verfügen, die mit russischem Brennstoff betrieben werden, nach alternativen Brennstoffquellen gesucht – insbesondere bei dem US-Unternehmen Westinghouse Electric. Mehrere dieser Länder hätten jedoch im vergangenen Jahr russische Brennstoffvorräte angelegt, was die Importe in die Höhe trieb.
Einige westliche Unternehmen seien außerdem stark vom Bau neuer Reaktoren durch das russische Staatsunternehmen Rosatom im Ausland abhängig, um ihre Bauteile zu verkaufen, heißt es in dem Bericht weiter. “Da Rosatom alle 13 in den vergangenen fünf Jahren außerhalb Chinas begonnenen Baustellen für Kernkraftreaktoren realisiert hat, haben die Anbieter von Bauteilen, z. B. die französischen Arabelle-Turbinen, neben Rosatom keinen anderen ausländischen Kunden“, schreiben die Autoren.
Der Report gibt einen Überblick über die weltweite Stromerzeugung aus Kernenergie im vergangenen Jahr, die gegenüber 2022 um 2,2 Prozent anstieg, obwohl ihr Anteil an der kommerziellen Bruttostromerzeugung leicht zurückging. rtr
Die Europäische Kommission schränkt die Verwendung einer Untergruppe sogenannter PFAS-Chemikalien ein. “Wir entfernen schädliche Stoffe aus Produkten, die die Bürger täglich benutzen, wie Textilien, Kosmetika und Lebensmittelverpackungen“, sagte der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič. Dabei geht es etwa um Regenwesten, Pizzakartons, Imprägniersprays oder Hautpflegeprodukte.
PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) sind Stoffe, die sich in der natürlichen Umwelt nicht abbauen und für die menschliche Gesundheit und die Umwelt schädlich sein können. Sie werden auch Ewigkeits-Chemikalien genannt. Es gibt jedoch über 10.000 unterschiedliche PFAS-Verbindungen, was ein Verbot erheblich erschwert.
Die Beschränkung zielt den Angaben zufolge auf sogenannte Undecafluorhexansäure (PFHxA) und PFHxA-verwandte Stoffe ab, die sehr beständig sind und “deren Verwendung in bestimmten Produkten ein inakzeptables Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt”, teilte die Kommission mit. Es handelt sich um besonders schädliche PFAS-Verbindungen. Halbleiter, Batterien oder Brennstoffzellen für grünen Wasserstoff sollen von der Maßnahme ausgenommen werden. Die neuen Beschränkungen sollen im nächsten Monat in Kraft treten und nach Übergangszeiträumen zwischen 18 Monaten und fünf Jahren wirksam werden.
Das bereits laufende Prüfungsverfahren der EU-Kommission für ein umfassendes PFAS-Verbot ist davon nicht betroffen. Die Kommission will das Ergebnis dieser Prüfung weiterhin Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres bekanntgeben. Die Bundesregierung hatte die Prüfung anfangs mit initiiert, ist aber mittlerweile von der Forderung eines Pauschalverbots abgerückt.
Die Europaabgeordnete und Umweltpolitikerin Jutta Paulus (Grüne) unterstützt das Komplettverbot und bezeichnet das Teilverbot daher als “Trippelschritt” und längst überfällig. Es dürfe nicht dabei bleiben, jeden Stoff einzeln auf seine Gefährlichkeit zu prüfen. “Denn sonst zieht sich das Verfahren bis ins nächste Jahrtausend.” Es gelte, die ganze Stoffgruppe auf einmal zu erfassen. “Dabei braucht es natürlich Übergangsfristen für Anwendungen, in denen noch keine Alternative in Sicht ist.” Pizzaschachteln, Outdoorjacken oder Bratpfannen gehörten laut Paulus jedoch nicht dazu. luk/dpa
Eine neue Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (EPRS) empfiehlt, den Anwendungsbereich der von der Kommission vorgeschlagenen speziellen Richtlinie für die zivilrechtliche Haftung von künstlicher Intelligenz zu erweitern. Die Studie identifiziert wesentliche Mängel in der ursprünglichen Folgenabschätzung der Kommission.
Im September 2022 hatte die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Anpassung der außervertraglichen zivilrechtlichen Haftungsregeln an künstliche Intelligenz (AI Liability Directive, AILD) zusammen mit einer begleitenden Folgenabschätzung vorgelegt. Der Rechtsausschuss des Parlaments (JURI) forderte eine ergänzende Folgenabschätzung an, die sich auf spezifische Forschungsfragen konzentriert. Autor der neuen Studie ist Philipp Hacker von der Europa-Universität Viadrina.
Die Studie kritisiert besonders, dass alternative Regulierungsoptionen, wie eine strikte Haftung, nicht ausreichend untersucht wurden. Zudem fehle eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse. Sie empfiehlt, die AILD deutlich zu erweitern. Neben speziellen KI-Systemen sollen auch allgemeine und “hochwirksame” KI-Systeme sowie Software in die Haftungsregelungen einbezogen werden. Außerdem wird ein gemischtes Haftungssystem vorgeschlagen, das sowohl verschuldensabhängige als auch strikte Haftungsmechanismen kombiniert.
Eine weitere zentrale Empfehlung der Studie ist der Übergang von einer rein KI-fokussierten Richtlinie hin zu einer umfassenderen Software-Haftungsverordnung. Dies soll dazu beitragen, Marktfragmentierung zu verhindern und einheitliche Haftungsregeln in der gesamten EU zu gewährleisten.
“Die Studie des EPRS ist sehr umfassend und deckt viele Teilbereiche ab”, sagt Axel Voss (CDU), der vom Parlament bereits im vergangenen Mandat als Berichterstatter für die AILD benannt wurde. “Sie argumentiert, dass es trotz des großen Anwendungsbereichs der Produkthaftungsrichtlinie und des gerade erlassenen AI Acts noch Regulierungsbedarf für KI Haftungsfragen gibt.” Der Rechtsausschuss werde im Oktober über die nächsten Schritte entscheiden, kündigte Voss an. vis
Die Europäische Kommission hat zwei Spezifikationsverfahren eingeleitet, um Apple bei der Umsetzung der Anforderungen aus dem neuen Digitalgesetz DMA zu unterstützen. Der Digital Markets Act verlangt von Apple eine weitreichende Öffnung seiner Systeme und Geschäftsmodelle beim iPhone und bei iPad.
Der DMA schreibt unter anderem vor, dass große Plattformbetreiber ihre eigenen Angebote nicht gegenüber Apps der Konkurrenz bevorteilen dürfen. Apple hatte nach dem Inkrafttreten des DMA bereits etliche Änderungen für Anwenderinnen und Anwender in der EU umgesetzt oder in Aussicht gestellt. Diese reichen aber Apple-Konkurrenten wie Spotify oder Epic Games nicht aus.
Die scheidende EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte, es sei das erste Mal, dass die Kommission das Spezifikationsverfahren im Rahmen des DMA nutze, “um Apple durch einen konstruktiven Dialog zur tatsächlichen Einhaltung seiner Interoperabilitätsverpflichtungen anzuleiten”. “Wir konzentrieren uns darauf, faire und offene digitale Märkte zu gewährleisten.”
Eine effektive Interoperabilität, zum Beispiel bei Smartphones und ihren Betriebssystemen, spiele dabei eine wichtige Rolle, betonte Vestager. “Dieser Prozess wird Klarheit für Entwickler, Drittanbieter und Apple schaffen.” Die EU werde ihren Dialog mit Apple fortsetzen und Dritte konsultieren, um sicherzustellen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen in der Praxis funktionieren und den Bedürfnissen der Unternehmen gerecht werden, sagte die noch amtierende Vizepräsidentin der Kommission. Die Brüsseler Behörde werde das Verfahren innerhalb von sechs Monaten nach seiner Eröffnung abschließen.
Ein Apple-Sprecher verwies darauf, dass sein Unternehmen über 250.000 Programm-Schnittstellen (APIs) entwickelt habe. Diese ermöglichten es Dritten, Apps zu entwickeln, die auf die Betriebssysteme und Funktionen der Apple-Produkte zugreifen, und zwar auf eine Weise, die den Datenschutz und die Sicherheit der Nutzer gewährleiste. “Eine Untergrabung der Schutzmaßnahmen, die wir im Laufe der Zeit aufgebaut haben, würde die europäischen Verbraucher gefährden und böswilligen Akteuren mehr Möglichkeiten geben, auf ihre Geräte und Daten zuzugreifen.” dpa
Philippe Lamberts wird neuer Berater von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der 61-jährige Belgier war in der vergangenen Legislaturperiode Co-Fraktionschef der Grünen im Europaparlament. Er soll für von der Leyen in der Klimapolitik die Beziehungen zu Industrie und Zivilgesellschaft sowie zu den alten Kollegen pflegen. Entsprechende Informationen der “Financial Times” wurden in der Kommission bestätigt.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Es klingt nach einer schwierigen Mission. Andrius Kubilius wird als erster Verteidigungskommissar in der Geschichte der EU gegen hohe Erwartungen ankämpfen müssen. Der Litauer wird mit beschränkten Kompetenzen auskommen und darauf achten müssen, dass er sich angesichts der Überschneidungen mit den Portfolios anderer Kommissare behaupten kann. Die knappen Mittel und der Streit um mehr Geld könnten sich rasch als Hindernis für große Ambitionen erweisen.
Immerhin bringt Kubilius als ehemaliger Regierungschef Litauens und EVP-Berichterstatter für Russland im EU-Parlament gute Voraussetzungen für den Job mit.
Europa müsse mehr ausgeben, besser ausgeben und europäisch ausgeben, überschreibt Ursula von der Leyen in ihrem Mission Letter die Stoßrichtung für Andrius Kubilius. Direkt unterstellt wird dem künftigen Verteidigungskommissar allerdings nur die erst vor vier Jahren unter dem bisherigen Binnenmarktkommissar Thierry Breton geschaffene Generaldirektion Verteidigung und Weltraum (Defis), mit unter anderem dem Verteidigungsfonds, den Instrumenten ASAP, Edirpa und dem künftigen Europäischen Verteidigungs- und Investitionsprogramm (Edip).
Zu den Aufgaben des 67-Jährigen wird laut Mission Letter gehören, einen “Binnenmarkt für Rüstungsgüter und Dienstleistungen” zu schaffen sowie den Ausbau der Produktionskapazitäten und gemeinsame Beschaffungen zu fördern. Dazu sollen die Hürden für grenzüberschreitende Zusammenarbeit reduziert werden. In Kooperation mit den Mitgliedstaaten soll der Verteidigungskommissar darauf hinwirken, die militärische Mobilität in Europa zu stärken und Dual-Use-Transportkorridore zu schaffen.
Unter der Ägide der Außenbeauftragten Kaja Kallas und mit den Mitgliedstaaten soll Kubilius am “Design und der Umsetzung” des European Air Shield arbeiten sowie Vorschläge für weitere Verteidigungsprojekte von gemeinsamem europäischem Interesse präsentieren.
Andrius Kubilius hat angekündigt, Edip möglichst rasch durch das Parlament zu bringen. In den ersten 100 Tagen wird der Litauer zudem das Weißbuch zur “Zukunft der Europäischen Verteidigung” ausarbeiten müssen. Darin sollen unter anderem die Investitionsbedürfnisse identifiziert werden, ein politisch brisantes Thema.
Andrius Kubilius hat in ersten Äußerungen die Dimensionen angedeutet: Über die nächsten zehn Jahre seien 500 Milliarden Euro zusätzlich nötig, wobei der Litauer zwar verschiedene Wege zur Beschaffung sieht, aber auch gemeinsame Schulden nicht ausschließt. Entscheidungen müssten schnell getroffen werden, die EU könne sich den Luxus nicht leisten und auf den nächsten MFR warten, der erst 2028 in Kraft treten werde. Er verwies auf Einschätzungen von Militärexperten, wonach Russland in sechs bis acht Jahren bereit für einen Angriff auf Nato-Staaten sein könnte.
Der Litauer hat sich also beim Finanzbedarf schon klar positioniert, was ihm bei den Anhörungen im EU-Parlament von Mitte November noch Ärger bereiten könnte. Die ersten Reaktionen auf die Personalie und das neue Portfolio sind vorerst jedoch vorwiegend positiv: Sicherheit in allen Dimensionen sei in Europa ganz oben angekommen, sagt die liberale EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Positiv hebt die Vorsitzende des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) hervor, dass es mit Kubilius zum ersten Mal einen Kommissar für Sicherheit und Verteidigung gibt und mit Kallas sowie der finnischen Vizepräsidentin Henna Virkkunen zwei weitere Persönlichkeiten für Sicherheit im weiteren Sinne zuständig seien, die zu Hause eine Grenze mit Russland hätten. Strack-Zimmermann ist deshalb zuversichtlich, dass es mit der Zusammenarbeit gut klappen wird.
Dafür müssten die Aufgaben klar definiert werden. Damit Europa verteidigungsfähig werde, brauche es überdies mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Industrie und mehr gemeinsame Beschaffungen, so Strack-Zimmermann. Die Aufgabe des Verteidigungskommissars sieht sie auch darin, das Vertrauen in den Mitgliedstaaten herzustellen, dass das Geld in der EU für gemeinsame Rüstungsprojekte in guten Händen sei. Hier sei das Misstrauen heute noch groß.
Andrius Kubilius habe eine klare Haltung zur notwendigen Unterstützung der Ukraine und sei zudem für Verteidigungsbonds, um dringend benötigte Projekte anzugehen, sagt die Grüne Hannah Neumann, ebenfalls Mitglied im SEDE-Unterausschuss. Mit dem Verteidigungskommissar gebe es nun endlich einen Ansprechpartner und Verantwortlichen. An Arbeit fehle es nicht, Kommissar Breton habe mit der Industriestrategie für den Verteidigungsbereich einen umfassenden Aufgabenkatalog hinterlassen. Das größte Potenzial sieht die Grüne im Bereich Cybersicherheit. Keine nationale Armee habe hier ausreichende Fähigkeiten und Personal.
Andrius Kubilius sei ein ausgewiesener Experte in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, sagt der EU-Abgeordnete Tobias Cremer. Als neues Mitglied im SEDE-Ausschuss ist der Sozialdemokrat gespannt, ob Kubilius bei den Anhörungen einen glaubwürdigen Plan vorlegen werde, wie eine echte Verteidigungsunion in die Tat umgesetzt werden könne.
Michael Gahler, als EVP-Abgeordneter Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, zeigt sich erfreut, dass Kubilius nun mit den Zuständigkeiten auch für die militärische Mobilität und der Verwirklichung des Verteidigungsbinnenmarktes doch nicht ein reiner Industriekommissar sein werden. Nun müssten die Mitgliedstaaten den Kommissar noch zum Chef der Verteidigungsagentur und zum Pesco-Koordinator machen. Dann wäre aus Sicht von Gahler der Weg hin zu einer echten europäischen Verteidigungsunion frei. Stephan Israel
langsam wird es ernst mit den neuen EU-Schuldenregeln. Heute läuft die Frist für die Mitgliedstaaten ab, um bei der Kommission ihre mehrjährigen Fiskalpläne einzureichen – theoretisch zumindest. In der Kommission erwartet man dem Vernehmen nach, dass sich nur zwei Musterschüler an die Deadline halten: Dänemark und Malta. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, unter anderem Deutschland und Italien, wird die Mehrjahrespläne wohl erst am 15. Oktober einreichen, weil das auch die Deadline für die Abgabe des Jahreshaushalts ist.
Von neun Mitgliedstaaten hat man in der Kommission noch nichts gehört oder man erwartet, dass sie die Deadline nicht einhalten werden. Dazu gehören auch Frankreich und Belgien, wo sich die Regierungsbildung hinzieht. Niemand rechnet damit, dass Frankreich rechtzeitig einen Plan verabschieden kann. Damit sind die Konflikte programmiert.
Ende November will die Kommission im Herbstpaket des Europäischen Semesters die von ihr geprüften mittelfristigen Fiskalpläne für alle Mitgliedstaaten vorlegen. Für Staaten, die keinen Plan eingegeben haben, wird die Kommission ihren eigenen Vorschlag von Mitte Juni – den sogenannten “technical trajectory” – präsentieren. Gerade für Frankreich wird dieser Pfad weit abseits dessen liegen, was in dem Land aktuell politisch realistisch ist. Es ist aber am Rat, nicht an der Kommission, den Fiskalplan final zu bestätigen.
Wer nicht rechtzeitig einen eigenen Plan einsendet, kann auch im nächsten Jahr noch mit der Kommission verhandeln und den von der Behörde vorgeschlagenen Pfad abändern. Aber einfacher wird es durch die Verzögerung nicht. Der designierte Wirtschaftskommissar und Hüter der EU-Fiskalregeln, Valdis Dombrovskis, kann sich auf schwierige Diskussionen mit der französischen und anderen Regierungen einstellen.
Einen angenehmen Tag ohne Budgetsorgen wünscht Ihnen
Die Debatte um die EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Autos wird sich auch in den kommenden Wochen fortsetzen. Einen großen Verhandlungserfolg gab es bei einem Treffen zwischen EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis und Chinas Handelsminister Wang Wentao am Donnerstag nicht. Dombrovskis betonte, dass die Untersuchung der EU auf Fakten basiere und WTO-Recht respektiere. Aber die EU-Kommission zeigte sich bereit, den chinesischen Vorschlag zu Preisverpflichtungen trotz abgelaufener Deadline nochmals genauer anzuschauen.
Vergangene Woche hatte die Kommission mitgeteilt, dass sie keine neuen Preisverpflichtungen der betroffenen chinesischen Autohersteller mehr akzeptieren würde, weil die entsprechende Deadline Ende August verstrichen sei. In den Verpflichtungen hatten die Autohersteller zugesagt, Mindestverkaufspreise für ihre Elektrofahrzeuge festzulegen. Dies soll den Preisdruck auf europäische Hersteller mindern und so die vorgeschlagenen Zölle vermeiden.
Nun nutzt die Kommission einen Artikel der Regulierung für Antisubventionsmaßnahmen, um die Deadline für die chinesischen Autohersteller zu verlängern. Das heißt: Chinesische Hersteller können neue Preisverpflichtungen abgeben, die die Kommission berücksichtigen wird.
Dennoch wird die Kommission die Untersuchung gemäß ihren Fristen weiterführen. Und die Uhr tickt: Spätestens am 30. Oktober muss die Untersuchung zu Ende sein. Eine kleine Verzögerung gibt es bei der Koordination mit den Mitgliedstaaten. Die für die kommende Woche angesetzte Abstimmung im Ratsausschuss für Handelsschutzinstrumente wurde verschoben, wie EU-Diplomaten Table.Briefings bestätigen – wahrscheinlich auf die Woche danach.
Die EU-Handelskammer in China hofft weiterhin auf eine politische Lösung: “Wir wünschen uns einen Ausgang, der weiterhin eine starke Handels- und Investitionsbeziehung ermöglicht”, sagt Adam Dunnett, Generalsekretär der Handelskammer, im Gespräch mit Table.Briefings. Zwar machten die E-Fahrzeuge noch einen kleinen Teil im Gesamthandel zwischen China und der EU aus. Aber die Bedenken darüber wüchsen und er verstehe, dass die EU so früh eingegriffen habe. Die ganze Situation sei allerdings “unglücklich”. Dunnett hofft, dass ein Dominoeffekt auf andere Industrien ausbleibt.
Die designierte EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera betonte, sie halte die Vermeidung eines Handelskriegs für ebenso wichtig wie die Entwicklung der europäischen Autoindustrie. “Die Hauptbotschaft ist, dass es wichtig ist, einen Zusammenstoß, einen Handelskrieg zu vermeiden“, sagte Ribera der “Financial Times”. “Wir müssen die besten Instrumente finden, mit denen wir die Automobilindustrie in Europa entwickeln können, die aber auch wirksam sind, um diesen Handelskrieg zu vermeiden”, sagte sie. “Die Kommissionsdienste und die Handelsleute prüfen dies bereits.”
Handelsminister Wang sagte am Mittwochabend bei einem Treffen mit chinesischen und europäischen Autoherstellern in Brüssel, dass die Handelsbeziehungen zwischen China und der EU nun an einem “Scheideweg” stünden. Es gebe einen “Weg, der zu Offenheit und Zusammenarbeit führt, und einen anderen, der zu Protektionismus und Isolation führt”, wie die chinesische Handelskammer bei der EU mitteilte.
Experten haben die Befürchtung geäußert, dass die Zusatzzölle das CO₂-Ziel der EU beeinträchtigen könnte. Diese Tendenz zeigt sich auch in den Autoverkaufsdaten: Sie zeigen einen Rückgang der Verkäufe von vollelektrischen Autos um fast 44 Prozent im August. Die größten Märkte für Elektrofahrzeuge, Deutschland und Frankreich, verzeichneten Rückgänge von 68,8 Prozent beziehungsweise 33,1 Prozent, was auch mit reduzierten Kaufsubventionen für Elektroautos zusammenhängt.
Die drei größten Autokonzerne Europas, Volkswagen, Stellantis und Renault, verzeichneten einen Rückgang der Gesamtverkäufe um 14,8 Prozent, 29,5 Prozent und 13,9 Prozent. Auch Tesla und SAIC bleiben nicht verschont: Deren Verkäufe in Europa sanken um 43,2 Prozent und 27,5 Prozent. Wie sich die Zusatzzölle auf die Verbraucher auswirken könnten, liegt im Spielraum der Hersteller. Tesla beispielsweise hat die Preise für seine Fahrzeuge des Modells 3 in Europa bereits erhöht. Geelys Marke Lynk & Co. hatte angekündigt, die Preise nicht zu erhöhen.
Wer sich von Henna Virkkunens Verantwortungsbereich ein Bild machen will, braucht eine große Leinwand. Das Portfolio der designierten Exekutiv-Vizepräsidentin für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie ist umfangreich und überschneidet sich an vielen Stellen mit anderen Ressorts. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte die Finnin zur Verantwortlichen für das riesige Thema Digitalisierung und digitale Infrastruktur.
Es gibt gute Gründe, sie nicht einfach zur Digitalkommissarin zu ernennen. Doch bei dem großen Portfolio gibt es auch die Befürchtung, dass sich die Kommissionsmitglieder erneut in die Quere kommen. So wie Margrethe Vestager und Thierry Breton im vergangenen Mandat. Im Fall von Virkkunen gibt es sogar zwei starke Mitstreiter: die Exekutiv-Vizepräsidenten für Wettbewerb und für Industrie, Teresa Ribera und Stéphane Séjourné.
Einerseits sei es positiv, dass Sicherheit und Demokratie nun zusammengefasst sind, sagt Anselm Küsters, Fachbereichsleiter Digitalisierung und Neue Technologien beim Centrum für Europäische Politik (cep). “Einer meiner Hauptkritikpunkte an der letzten Kommission und ihrer Digitalpolitik war, dass man sie viel zu sehr als neutral gesehen und den geopolitischen Faktor ein bisschen ausgeblendet hat.”
Andererseits könnten die Überschneidungen natürlich zu Konflikten führen. “Auf dem Papier sieht es gut aus, aber wie so oft hängt es wahrscheinlich am Ende davon ab, wie die Personen ihre Positionen ausfüllen.” Küsters sieht aber viele Vorteile in der neuen Struktur. “Die Änderungen sind grundsätzlich zu begrüßen, weil bei der letzten Kommission das Silodenken zu Recht in der Kritik stand.”
Konfliktpotenzial sieht Küsters gerade bei der Verquickung von Technologie und Sicherheit, was ja das zentrale Merkmal von Virkkunens Portfolio sei. Einerseits lege die Kommission wie im vergangenen Mandat den Fokus auf technologische Souveränität. Europa will sich nicht vollständig abkoppeln, aber eigene KI-Modelle entwickeln, eigene Infrastruktur aufbauen, das Teilen von Daten erleichtern. “Das läuft nicht unbedingt synchron mit dem Thema Sicherheit, bei dem wir nach wie vor zentral auf die USA angewiesen sind“, argumentiert Küsters.
Die Frage sei: “Geht die Kommission jetzt weiter so aggressiv gegen Big Tech vor, wie Margrethe Vestager das noch gemacht hat? Oder lässt man das jetzt ein bisschen abklingen, weil Sicherheitserwägungen für eine engere Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa sprechen?” Die sei vor allem in den Bereichen Standardisierung, Normierung und bei der Ausgrenzung potenziell gefährlicher Technologien notwendig. “Das wäre ein Beispiel für einen Zielkonflikt, den man da jetzt schon absehen kann.”
Ist ein solcher Konflikt einfacher zu lösen, wenn die Aufgaben auf verschiedene Personen verteilt ist, die einen Kompromiss finden müssen? Oder kann eine Person, die den Überblick hat, zu einer besseren Lösung kommen? “Aus ordnungspolitischer Sicht fände ich es theoretisch etwas transparenter, wenn es zwei verschiedene Kommissare sind, die dann ihre Argumente auch offenlegen müssen”, sagt Küsters. Dennoch sei er optimistisch. “Es ist der richtige Ansatz, zumindest zu versuchen, das Thema politischer zu betrachten und unter einer Person zu vereinen.”
Sergey Lagodinsky (Grüne) begrüßt, dass das Digitalportfolio aus dem Wettbewerbsportfolio ausgelagert wurde. Ebenso, dass mit Ekaterina Sachariewa nun eine Kommissarin für Start-ups zuständig ist. “Dann beschränkt sich die Politik nicht nur auf die Großindustrie, wie das bei Thierry Breton war”, sagt Lagodinsky. Unklar sei hingegen, wie die Abgrenzung zum Aufgabenbereich von Industriekommissar Stéphane Séjourné aussehen soll, der ja ebenfalls für Innovation zuständig sein wird.
Mit den Generaldirektionen DG CONNECT und DG DIGIT unter ihrer Verantwortung hat Virkkunen Zugriff auf die Schlüsselagenturen, die für digitale Märkte und Technologien zuständig sind. Dadurch hat sie eine starke institutionelle Basis, um die Digitalisierung voranzutreiben.
Doch der Blick in die Mission Letters der anderen Kommissare und Exekutiv-Vizepräsidenten zeigt einige potenzielle Überschneidungen in den Zuständigkeiten sowie Bereiche, in denen Abstimmungsprobleme oder Konflikte entstehen könnten. Überschneidungen gibt es mit den Exekutiv-Vizepräsidenten:
Die Entscheidung für Virkkunen kommt beim Digitalverband Bitkom gut an. Die direkte Ansiedlung der digitalpolitischen Herausforderungen im Portfolio der Exekutiv-Vizepräsidentin sei richtig. In den Bereichen Sicherheit und Demokratie könnten wichtige Synergien erzeugt werden, denn “technologische Souveränität ist kein Selbstzweck“. Vor allem freut sich der Bitkom, dass es endlich eine Start-up-Kommissarin gibt. Für die hat der Verband lange plädiert, “damit die Bedingungen für europäische Start-ups und Scale-ups gezielt verbessert werden können”.
Ganz entscheidend wird auch Virkkunens Arbeit an der KI-Strategie der Union sein. In einem offenen Brief fordert eine Gruppe von Unternehmen, Forschern und Institutionen – darunter Meta, Prada und SAP – klare und einheitliche KI-Regulierungen in der EU. Sie warnen, dass Europa ohne diese Regelungen den Anschluss an globale KI-Innovationen verlieren könnte, insbesondere bei Open-Source- und multimodalen Modellen. Diese Technologien böten großes Potenzial für wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt, doch fragmentierte Vorschriften gefährdeten Europas Wettbewerbsfähigkeit.
23.09.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zur Marktsituation (insbesondere nach dem Einmarsch in die Ukraine), Gedankenaustausch zur Bestandsaufnahme des zweiten Jahres der Umsetzung der GAP-Strategiepläne. Vorläufige Tagesordnung
23.09.2024 – 15:00-18:30 Uhr
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
Themen: Abstimmung zur Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der EU zur Unterstützung von Italien, Slowenien, Österreich, Griechenland und Frankreich im Zusammenhang mit sechs Naturkatastrophen im Jahr 2023, Gedankenaustausch über die Gebäudepolitik der Institutionen (Europäische Kommission), Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten vertriebener Arbeitnehmer. Vorläufige Tagesordnung
23.09.2024 – 15:00-18:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
Themen: Aussprache zu aktuellen Informationen zum digitalen Euro, öffentliche Anhörung mit Dominique Laboureix (Vorsitzender des Einheitlichen Abwicklungsausschusses), Überprüfung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsmaßnahmen. Vorläufige Tagesordnung
24.-30.09.2024
UN-Generalversammlung
Themen: Die UN-Generalversammlung der Vereinten Nationen kommt in New York City zusammen. Infos
24.09.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zu Prioritäten des ungarischen Vorsitzes, Gedankenaustausch zur Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 17./18. Oktober 2024, Gedankenaustausch zur allgemeinen Entwicklung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in ausgewählten Bewerberländern. Vorläufige Tagesordnung
26.09.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wettbewerbsfähigkeit
Themen: Aussprache zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und zur Bewältigung der Herausforderungen für Industrie und Unternehmen im Binnenmarkt, Aussprache zum Rahmen für staatliche Beihilfen und zu dessen Beitrag zu den politischen Zielen der EU, Informationen aus Deutschland, unterstützt von Österreich, über die Notwendigkeit, ein einheitliches Konzept hinsichtlich der Durchsetzung von EU-Standards im elektronischen Handel zu diskutieren. Vorläufige Tagesordnung
Angesichts der massiven Kritik aus der Industrie will Ursula von der Leyen bei der bereits verabschiedeten Entwaldungsrichtlinie nachbessern. Die EU-Kommissionspräsidentin kündigte am Dienstagabend in der EVP-Fraktion an, den Umsetzungszeitplan des Vorhabens noch einmal überprüfen zu wollen. Das erfuhr Table.Briefings von Personen, die mit der Sache vertraut sind. Eigentlich sollen die Regeln für große Unternehmen am 30. Dezember in Kraft treten, für kleine Unternehmen ein halbes Jahr später. Aber so wie geplant könne die Verordnung nicht kommen, habe von der Leyen gesagt, ohne konkreter zu werden.
Laut den Vorgaben dürfen Unternehmen Einfuhren bestimmter Produkte – unter anderem Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz – nur in der EU verkaufen, wenn die Lieferanten eine Sorgfaltserklärung eingereicht haben. Diese bestätigt, dass ein Produkt nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammt, und dass bei seiner Herstellung die lokale Gesetzgebung eingehalten wurde.
Die EVP drängt bereits seit Monaten auf eine Verschiebung der Umsetzungsfrist. “Wir fordern die Kommission auf, die Umsetzung des Entwaldungsgesetzes unverzüglich zu verschieben“, betonten Herbert Dorfmann und Peter Liese, Sprecher der Fraktion im Landwirtschafts- bzw. Umweltausschuss des EU-Parlaments, am Donnerstag noch einmal. Liese hatte zuvor das Jahr 2027 als alternative Frist für die Umsetzung genannt und erklärt, man könne die Verschiebung kurzfristig im Dringlichkeitsverfahren annehmen.
Neben EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland hatten sich Verbände wie Eurocommerce und mehrere Handelspartner der EU – darunter die USA, Australien und Brasilien – in den vergangenen Monaten an die EU-Kommission gewandt und um eine Verschiebung der Regeln gebeten.
“Die Entwaldungsverordnung abzusägen, wäre ein schwerer Vertrauensbruch und Fehlstart in die neue Amtszeit für die Zusammenarbeit über die eigenen Parteigrenzen hinaus”, kommentierte hingegen Delara Burkhardt, die das Gesetz als Schattenberichterstatterin für die sozialdemokratische Fraktion (S&D) mitverhandelt hatte. Ein Vorschlag für Umsetzungsleitlinien, die viele der noch offenen Fragen der Wirtschaft beantworten würden, liege seit Monaten auf von der Leyens Schreibtisch. “Sie muss ihre Hausaufgaben machen und sie endlich freigeben.”
Die S&D-Fraktion forderte von der Leyen und den Kommissionsvize Maroš Šefčovič am Donnerstag auch in einem Schreiben auf, die EU-Entwaldungsverordnung fristgerecht umzusetzen und zügig die noch fehlenden Hilfsdokumente zu veröffentlichen. “Die Europäische Union trägt eine große Verantwortung für den Schutz der Wälder weltweit“, heißt es darin. Die Annahme des Gesetzes sei “ein Meilenstein in unserem Engagement für den Naturschutz” gewesen. Die EU müsse nun auch sicherstellen, dass ihre “Handlungen den Zielen ihrer Politik entsprechen”. Auch die Grünen setzen sich für eine Einhaltung der Frist ein. Ihre Befürchtung: Wird im Gesetz die Umsetzungsfrist geändert, könnte es in diesem Verfahren zu weiteren, inhaltlichen Abschwächungen kommen.
Vonseiten der Kommission selbst hieß es am Donnerstag wie bisher: Der Termin stehe fest, man arbeite hart daran, für eine reibungslose Umsetzung zu sorgen. “Die Co-Gesetzgeber haben den Termin für das Inkrafttreten auf das nächste Jahr festgelegt, da es angesichts der anhaltend hohen Entwaldungsraten dringend erforderlich ist”, sagte ein Sprecher zu Table.Briefings. leo/tho
Die Anhörungen der Kommissarsanwärter im Europaparlament werden wahrscheinlich am 4. November beginnen. Die Vorsitzenden der Ausschüsse, in denen die Anhörungen stattfinden, treffen sich am 1. Oktober außer der Reihe, um den Zeitplan zu beschließen. Der Rechtsausschuss (JURI) hat die Sitzung zur Prüfung der Erklärungen zu finanziellen und sonstigen Interessen der Kommissarsanwärter um eine Woche auf den 30. September verschoben. Die Prüfung wird in Anwesenheit aller 48 Mitglieder und unter Zusicherung von Vertraulichkeit vorgenommen.
Der Rechtsausschuss muss entscheiden, ob mögliche Interessenkonflikte zwischen dem Vermögen der Anwärter, ihrer Partner und Kinder mit dem spezifischen Portfolio bestehen. Sollte es Hinweise darauf geben, kann der Rechtsausschuss weitere Fragen stellen oder den Kandidaten vorladen. Wenn ein Interessenskonflikt aus Sicht des Rechtsausschusses besteht und nicht auszuräumen ist, kann der Rechtsausschuss entscheiden, dass der betreffende Kandidat nicht in die Anhörung kommt.
Das Parlament kann die Anhörungen erst dann planen, wenn es vom Rat konsultiert wird und die Erklärungen der Kommissarsanwärter zu Interessenskonflikten vorliegen hat. Am Donnerstag ging das noch fehlende offizielle Nominierungsschreiben Sloweniens für Marta Kos ein, worauf die ungarische Ratspräsidentschaft die Unterlagen ans Parlament übermittelte. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hätte es gern gesehen, wenn die Anhörungen noch im Oktober begonnen hätten. Nur dann wäre es zeitlich möglich gewesen, dass ihre Kommission Anfang November antritt. Andernfalls ist der Start im Dezember oder Januar wahrscheinlich.
Wie zu hören ist, haben bei einem Treffen am Mittwoch im Berlaymont die erfahrenen Kommissare die Neulinge davor gewarnt, die Anhörungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Bevor die Anhörungen beginnen, müssen die Anwärter schriftliche Fragen beantworten. Die Anhörungen, die – je nachdem, wie viele Ausschüsse beteiligt sind – drei oder vier Stunden dauern, beginnen mit einem Eingangsstatement der Bewerber, danach stellen die Abgeordneten Fragen. mgr/tho
Zwei Wochen nach seiner Ernennung hat Frankreichs neuer Premierminister Michel Barnier die schwierige Regierungsbildung abgeschlossen. Am Abend wollte er die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts Präsident Emmanuel Macron vorlegen, teilte die Regierung in Paris mit.
Vorangegangen waren Beratungen Barniers mit führenden Vertretern der Parteien aus dem Mitte-Lager und der Konservativen, auf deren Unterstützung er für die künftige Regierung setzt. Bei dem Treffen, an dem auch Barniers Amtsvorgänger Gabriel Attal teilnahm, sei die Architektur und die Ausgewogenheit der künftigen Regierung vorgestellt worden, hieß es von der Regierung.
Barnier habe bei den Beratungen auch die Grundlinien seiner künftigen Politik dargelegt. Dabei gehe es um eine Verbesserung des Lebensstandards der Franzosen und des Funktionierens der öffentlichen Dienste, insbesondere der Schulen und des Gesundheitswesens. Ein weiterer Schwerpunkt sei mehr innere Sicherheit, eine Kontrolle der Einwanderung und die Förderung der Integration. Außerdem sollten Unternehmen und Landwirte sowie die wirtschaftliche Attraktivität Frankreichs gefördert werden. Zudem müssten die öffentlichen Finanzen saniert und die Umweltpolitik gestärkt werden.
Erwartet wird, dass die neue Regierung am heutigen Freitag öffentlich vorgestellt wird. Offen ist, inwieweit Barnier Ministerposten auch mit Politikern aus dem linken Lager besetzen wird. Die linken Parteien hatten sich zu einer Beteiligung an einer Regierung zunächst nicht bereiterklärt. Wie unter anderem die Zeitung “Libération” und der Sender BFMTV berichteten, sollen von den 16 Ministerinnen und Ministern der künftigen Regierung sieben aus Macrons Mitte-Lager stammen, drei von den konservativen Republikanern, einer von einer linken und einer von einer rechten Partei und die übrigen von Parteien der Mitte.
Möglicherweise wird Barnier je nach Regierungsvorhaben auf die Unterstützung unterschiedlicher Partner setzen müssen und auch auf die Duldung durch den rechtsnationalen Rassemblement National von Marine le Pen angewiesen sein. Ob Barnier und die neue Regierung lange im Amt bleiben, ist unsicher. Sowohl von links als auch von rechts könnte schon kurzfristig ein Misstrauensvotum drohen. Eine Regierungserklärung von Barnier ist nach Medienberichten am 1. Oktober geplant.
Die politische Lage in Frankreich war angespannt, seitdem bei der vorgezogenen Parlamentswahl vor gut zwei Monaten keines der politischen Lager eine absolute Mehrheit erhielt. Dass Macron mit dem konservativen ehemaligen EU-Kommissar Barnier (73) einen Premierminister eines Lagers ernannte, das bei der Wahl nur schwach abschnitt, sorgte über das Linksbündnis hinaus für Missmut in Frankreich. dpa
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bittet die EU-Kommission um längere Übergangsfristen bei der Produktion von CO₂-armem Wasserstoff. In einem Brief an EU-Energiekommissarin Kadri Simson, der Table.Briefings vorliegt, schreibt Habeck, dass der Hochlauf des Wasserstoffmarkts signifikant langsamer verlaufe als erwartet: “Ich höre viele Sorgen von Unternehmen, dass wir an Geschwindigkeit beim Klimaschutz verlieren.”
Daher müsse dem “zerbrechlichen Markt” ein Anschub gegeben werden. Konkret schlägt Habeck vor, die zwingende Nutzung von erneuerbarem Strom bei der Produktion von Wasserstoff hinauszuschieben.
Dabei geht es einerseits um “Zusätzlichkeit”: Bislang regelt der delegierte Rechtsakt 2023/1184, dass ab 2028 neu eingerichtete Wasserstoff-Elektrolyseure an ebenfalls neu errichtete Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung angeschlossen werden müssen. So soll sichergestellt werden, dass die Erzeugung von Wasserstoff auch zu einer Erhöhung der Grünstromproduktion führt. Andernfalls könnte der vermeintlich klimaneutrale Wasserstoff bisweilen mit Fossilstrom erzeugt werden, besonders an wind- und sonnenarmen Tagen. Habeck plädiert nun dafür, die Übergangsregelung um sieben Jahre, bis 2035, zu verlängern.
Ähnlich gelagert ist Habecks Ansinnen zur “zeitlichen Korrelation”, bei der eine Übergangsfrist bis Ende 2029 gilt. Hierbei müssen Wasserstoffproduzenten nachweisen, dass genügend erneuerbarer Strom im Netz vorhanden ist, während ihre Elektrolyseure Wasserstoff produzieren. Bislang bezieht sich dieser Nachweis auf einen ganzen Monat, später soll stundengenau abgerechnet werden. Habeck bittet die EU-Kommission, diese Frist um ein Jahr zu verlängern.
“Dies würde es den Unternehmen erleichtern, die sehr hohen Projektkosten, insbesondere in der Markthochlaufphase zu tragen”, schreibt Habeck, “und den von der Industrie in Europa dringend benötigten Wasserstoff zu produzieren”. av
Die russische und die westliche Atomindustrie sind weiterhin voneinander abhängig. So lautet das Fazit des World Nuclear Industry Status Report, ein jährlicher Bericht zur Situation der weltweiten Nuklearindustrie. Diese Verflechtung habe Russland vor europäischen Sanktionen geschützt.
“Die engen gegenseitigen Industrie- und Marktinterdependenzen zwischen der russischen Nuklearindustrie und ihren westlichen Pendants erklären zumindest teilweise das Zögern der Europäer, Sanktionen gegen den Nuklearsektor zu verhängen“, heißt es in dem Bericht. Doch die Abhängigkeit von Russland zu verringern, werde voraussichtlich die Kosten in die Höhe treiben.
Seit Russlands Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 hätten fünf EU-Mitgliedstaaten, die über Reaktoren russischer Bauart (WWER) verfügen, die mit russischem Brennstoff betrieben werden, nach alternativen Brennstoffquellen gesucht – insbesondere bei dem US-Unternehmen Westinghouse Electric. Mehrere dieser Länder hätten jedoch im vergangenen Jahr russische Brennstoffvorräte angelegt, was die Importe in die Höhe trieb.
Einige westliche Unternehmen seien außerdem stark vom Bau neuer Reaktoren durch das russische Staatsunternehmen Rosatom im Ausland abhängig, um ihre Bauteile zu verkaufen, heißt es in dem Bericht weiter. “Da Rosatom alle 13 in den vergangenen fünf Jahren außerhalb Chinas begonnenen Baustellen für Kernkraftreaktoren realisiert hat, haben die Anbieter von Bauteilen, z. B. die französischen Arabelle-Turbinen, neben Rosatom keinen anderen ausländischen Kunden“, schreiben die Autoren.
Der Report gibt einen Überblick über die weltweite Stromerzeugung aus Kernenergie im vergangenen Jahr, die gegenüber 2022 um 2,2 Prozent anstieg, obwohl ihr Anteil an der kommerziellen Bruttostromerzeugung leicht zurückging. rtr
Die Europäische Kommission schränkt die Verwendung einer Untergruppe sogenannter PFAS-Chemikalien ein. “Wir entfernen schädliche Stoffe aus Produkten, die die Bürger täglich benutzen, wie Textilien, Kosmetika und Lebensmittelverpackungen“, sagte der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič. Dabei geht es etwa um Regenwesten, Pizzakartons, Imprägniersprays oder Hautpflegeprodukte.
PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) sind Stoffe, die sich in der natürlichen Umwelt nicht abbauen und für die menschliche Gesundheit und die Umwelt schädlich sein können. Sie werden auch Ewigkeits-Chemikalien genannt. Es gibt jedoch über 10.000 unterschiedliche PFAS-Verbindungen, was ein Verbot erheblich erschwert.
Die Beschränkung zielt den Angaben zufolge auf sogenannte Undecafluorhexansäure (PFHxA) und PFHxA-verwandte Stoffe ab, die sehr beständig sind und “deren Verwendung in bestimmten Produkten ein inakzeptables Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt”, teilte die Kommission mit. Es handelt sich um besonders schädliche PFAS-Verbindungen. Halbleiter, Batterien oder Brennstoffzellen für grünen Wasserstoff sollen von der Maßnahme ausgenommen werden. Die neuen Beschränkungen sollen im nächsten Monat in Kraft treten und nach Übergangszeiträumen zwischen 18 Monaten und fünf Jahren wirksam werden.
Das bereits laufende Prüfungsverfahren der EU-Kommission für ein umfassendes PFAS-Verbot ist davon nicht betroffen. Die Kommission will das Ergebnis dieser Prüfung weiterhin Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres bekanntgeben. Die Bundesregierung hatte die Prüfung anfangs mit initiiert, ist aber mittlerweile von der Forderung eines Pauschalverbots abgerückt.
Die Europaabgeordnete und Umweltpolitikerin Jutta Paulus (Grüne) unterstützt das Komplettverbot und bezeichnet das Teilverbot daher als “Trippelschritt” und längst überfällig. Es dürfe nicht dabei bleiben, jeden Stoff einzeln auf seine Gefährlichkeit zu prüfen. “Denn sonst zieht sich das Verfahren bis ins nächste Jahrtausend.” Es gelte, die ganze Stoffgruppe auf einmal zu erfassen. “Dabei braucht es natürlich Übergangsfristen für Anwendungen, in denen noch keine Alternative in Sicht ist.” Pizzaschachteln, Outdoorjacken oder Bratpfannen gehörten laut Paulus jedoch nicht dazu. luk/dpa
Eine neue Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (EPRS) empfiehlt, den Anwendungsbereich der von der Kommission vorgeschlagenen speziellen Richtlinie für die zivilrechtliche Haftung von künstlicher Intelligenz zu erweitern. Die Studie identifiziert wesentliche Mängel in der ursprünglichen Folgenabschätzung der Kommission.
Im September 2022 hatte die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Anpassung der außervertraglichen zivilrechtlichen Haftungsregeln an künstliche Intelligenz (AI Liability Directive, AILD) zusammen mit einer begleitenden Folgenabschätzung vorgelegt. Der Rechtsausschuss des Parlaments (JURI) forderte eine ergänzende Folgenabschätzung an, die sich auf spezifische Forschungsfragen konzentriert. Autor der neuen Studie ist Philipp Hacker von der Europa-Universität Viadrina.
Die Studie kritisiert besonders, dass alternative Regulierungsoptionen, wie eine strikte Haftung, nicht ausreichend untersucht wurden. Zudem fehle eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse. Sie empfiehlt, die AILD deutlich zu erweitern. Neben speziellen KI-Systemen sollen auch allgemeine und “hochwirksame” KI-Systeme sowie Software in die Haftungsregelungen einbezogen werden. Außerdem wird ein gemischtes Haftungssystem vorgeschlagen, das sowohl verschuldensabhängige als auch strikte Haftungsmechanismen kombiniert.
Eine weitere zentrale Empfehlung der Studie ist der Übergang von einer rein KI-fokussierten Richtlinie hin zu einer umfassenderen Software-Haftungsverordnung. Dies soll dazu beitragen, Marktfragmentierung zu verhindern und einheitliche Haftungsregeln in der gesamten EU zu gewährleisten.
“Die Studie des EPRS ist sehr umfassend und deckt viele Teilbereiche ab”, sagt Axel Voss (CDU), der vom Parlament bereits im vergangenen Mandat als Berichterstatter für die AILD benannt wurde. “Sie argumentiert, dass es trotz des großen Anwendungsbereichs der Produkthaftungsrichtlinie und des gerade erlassenen AI Acts noch Regulierungsbedarf für KI Haftungsfragen gibt.” Der Rechtsausschuss werde im Oktober über die nächsten Schritte entscheiden, kündigte Voss an. vis
Die Europäische Kommission hat zwei Spezifikationsverfahren eingeleitet, um Apple bei der Umsetzung der Anforderungen aus dem neuen Digitalgesetz DMA zu unterstützen. Der Digital Markets Act verlangt von Apple eine weitreichende Öffnung seiner Systeme und Geschäftsmodelle beim iPhone und bei iPad.
Der DMA schreibt unter anderem vor, dass große Plattformbetreiber ihre eigenen Angebote nicht gegenüber Apps der Konkurrenz bevorteilen dürfen. Apple hatte nach dem Inkrafttreten des DMA bereits etliche Änderungen für Anwenderinnen und Anwender in der EU umgesetzt oder in Aussicht gestellt. Diese reichen aber Apple-Konkurrenten wie Spotify oder Epic Games nicht aus.
Die scheidende EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte, es sei das erste Mal, dass die Kommission das Spezifikationsverfahren im Rahmen des DMA nutze, “um Apple durch einen konstruktiven Dialog zur tatsächlichen Einhaltung seiner Interoperabilitätsverpflichtungen anzuleiten”. “Wir konzentrieren uns darauf, faire und offene digitale Märkte zu gewährleisten.”
Eine effektive Interoperabilität, zum Beispiel bei Smartphones und ihren Betriebssystemen, spiele dabei eine wichtige Rolle, betonte Vestager. “Dieser Prozess wird Klarheit für Entwickler, Drittanbieter und Apple schaffen.” Die EU werde ihren Dialog mit Apple fortsetzen und Dritte konsultieren, um sicherzustellen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen in der Praxis funktionieren und den Bedürfnissen der Unternehmen gerecht werden, sagte die noch amtierende Vizepräsidentin der Kommission. Die Brüsseler Behörde werde das Verfahren innerhalb von sechs Monaten nach seiner Eröffnung abschließen.
Ein Apple-Sprecher verwies darauf, dass sein Unternehmen über 250.000 Programm-Schnittstellen (APIs) entwickelt habe. Diese ermöglichten es Dritten, Apps zu entwickeln, die auf die Betriebssysteme und Funktionen der Apple-Produkte zugreifen, und zwar auf eine Weise, die den Datenschutz und die Sicherheit der Nutzer gewährleiste. “Eine Untergrabung der Schutzmaßnahmen, die wir im Laufe der Zeit aufgebaut haben, würde die europäischen Verbraucher gefährden und böswilligen Akteuren mehr Möglichkeiten geben, auf ihre Geräte und Daten zuzugreifen.” dpa
Philippe Lamberts wird neuer Berater von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der 61-jährige Belgier war in der vergangenen Legislaturperiode Co-Fraktionschef der Grünen im Europaparlament. Er soll für von der Leyen in der Klimapolitik die Beziehungen zu Industrie und Zivilgesellschaft sowie zu den alten Kollegen pflegen. Entsprechende Informationen der “Financial Times” wurden in der Kommission bestätigt.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Es klingt nach einer schwierigen Mission. Andrius Kubilius wird als erster Verteidigungskommissar in der Geschichte der EU gegen hohe Erwartungen ankämpfen müssen. Der Litauer wird mit beschränkten Kompetenzen auskommen und darauf achten müssen, dass er sich angesichts der Überschneidungen mit den Portfolios anderer Kommissare behaupten kann. Die knappen Mittel und der Streit um mehr Geld könnten sich rasch als Hindernis für große Ambitionen erweisen.
Immerhin bringt Kubilius als ehemaliger Regierungschef Litauens und EVP-Berichterstatter für Russland im EU-Parlament gute Voraussetzungen für den Job mit.
Europa müsse mehr ausgeben, besser ausgeben und europäisch ausgeben, überschreibt Ursula von der Leyen in ihrem Mission Letter die Stoßrichtung für Andrius Kubilius. Direkt unterstellt wird dem künftigen Verteidigungskommissar allerdings nur die erst vor vier Jahren unter dem bisherigen Binnenmarktkommissar Thierry Breton geschaffene Generaldirektion Verteidigung und Weltraum (Defis), mit unter anderem dem Verteidigungsfonds, den Instrumenten ASAP, Edirpa und dem künftigen Europäischen Verteidigungs- und Investitionsprogramm (Edip).
Zu den Aufgaben des 67-Jährigen wird laut Mission Letter gehören, einen “Binnenmarkt für Rüstungsgüter und Dienstleistungen” zu schaffen sowie den Ausbau der Produktionskapazitäten und gemeinsame Beschaffungen zu fördern. Dazu sollen die Hürden für grenzüberschreitende Zusammenarbeit reduziert werden. In Kooperation mit den Mitgliedstaaten soll der Verteidigungskommissar darauf hinwirken, die militärische Mobilität in Europa zu stärken und Dual-Use-Transportkorridore zu schaffen.
Unter der Ägide der Außenbeauftragten Kaja Kallas und mit den Mitgliedstaaten soll Kubilius am “Design und der Umsetzung” des European Air Shield arbeiten sowie Vorschläge für weitere Verteidigungsprojekte von gemeinsamem europäischem Interesse präsentieren.
Andrius Kubilius hat angekündigt, Edip möglichst rasch durch das Parlament zu bringen. In den ersten 100 Tagen wird der Litauer zudem das Weißbuch zur “Zukunft der Europäischen Verteidigung” ausarbeiten müssen. Darin sollen unter anderem die Investitionsbedürfnisse identifiziert werden, ein politisch brisantes Thema.
Andrius Kubilius hat in ersten Äußerungen die Dimensionen angedeutet: Über die nächsten zehn Jahre seien 500 Milliarden Euro zusätzlich nötig, wobei der Litauer zwar verschiedene Wege zur Beschaffung sieht, aber auch gemeinsame Schulden nicht ausschließt. Entscheidungen müssten schnell getroffen werden, die EU könne sich den Luxus nicht leisten und auf den nächsten MFR warten, der erst 2028 in Kraft treten werde. Er verwies auf Einschätzungen von Militärexperten, wonach Russland in sechs bis acht Jahren bereit für einen Angriff auf Nato-Staaten sein könnte.
Der Litauer hat sich also beim Finanzbedarf schon klar positioniert, was ihm bei den Anhörungen im EU-Parlament von Mitte November noch Ärger bereiten könnte. Die ersten Reaktionen auf die Personalie und das neue Portfolio sind vorerst jedoch vorwiegend positiv: Sicherheit in allen Dimensionen sei in Europa ganz oben angekommen, sagt die liberale EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Positiv hebt die Vorsitzende des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) hervor, dass es mit Kubilius zum ersten Mal einen Kommissar für Sicherheit und Verteidigung gibt und mit Kallas sowie der finnischen Vizepräsidentin Henna Virkkunen zwei weitere Persönlichkeiten für Sicherheit im weiteren Sinne zuständig seien, die zu Hause eine Grenze mit Russland hätten. Strack-Zimmermann ist deshalb zuversichtlich, dass es mit der Zusammenarbeit gut klappen wird.
Dafür müssten die Aufgaben klar definiert werden. Damit Europa verteidigungsfähig werde, brauche es überdies mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Industrie und mehr gemeinsame Beschaffungen, so Strack-Zimmermann. Die Aufgabe des Verteidigungskommissars sieht sie auch darin, das Vertrauen in den Mitgliedstaaten herzustellen, dass das Geld in der EU für gemeinsame Rüstungsprojekte in guten Händen sei. Hier sei das Misstrauen heute noch groß.
Andrius Kubilius habe eine klare Haltung zur notwendigen Unterstützung der Ukraine und sei zudem für Verteidigungsbonds, um dringend benötigte Projekte anzugehen, sagt die Grüne Hannah Neumann, ebenfalls Mitglied im SEDE-Unterausschuss. Mit dem Verteidigungskommissar gebe es nun endlich einen Ansprechpartner und Verantwortlichen. An Arbeit fehle es nicht, Kommissar Breton habe mit der Industriestrategie für den Verteidigungsbereich einen umfassenden Aufgabenkatalog hinterlassen. Das größte Potenzial sieht die Grüne im Bereich Cybersicherheit. Keine nationale Armee habe hier ausreichende Fähigkeiten und Personal.
Andrius Kubilius sei ein ausgewiesener Experte in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, sagt der EU-Abgeordnete Tobias Cremer. Als neues Mitglied im SEDE-Ausschuss ist der Sozialdemokrat gespannt, ob Kubilius bei den Anhörungen einen glaubwürdigen Plan vorlegen werde, wie eine echte Verteidigungsunion in die Tat umgesetzt werden könne.
Michael Gahler, als EVP-Abgeordneter Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, zeigt sich erfreut, dass Kubilius nun mit den Zuständigkeiten auch für die militärische Mobilität und der Verwirklichung des Verteidigungsbinnenmarktes doch nicht ein reiner Industriekommissar sein werden. Nun müssten die Mitgliedstaaten den Kommissar noch zum Chef der Verteidigungsagentur und zum Pesco-Koordinator machen. Dann wäre aus Sicht von Gahler der Weg hin zu einer echten europäischen Verteidigungsunion frei. Stephan Israel