Table.Briefing: Europe

Einigung über Nordirland-Protokoll naht + Düngemittelstrategie + EU-Bürger-Panels

  • Düngemittelstrategie: Zwischen Umweltschutz und Ernährungssicherung
  • Lebensmittelabfälle: Testlauf für Bürgerbeteiligung
  • Nordirland-Protokoll: Von der Leyen in London
  • EU verhängt zehntes Sanktionspaket gegen Russland
  • Scholz und Modi wollen strategische Partnerschaft erweitern
  • Boeselager kritisiert Ratsentwurf zum Data Act
  • Studie: Intransparenz in Metalllieferketten
  • Presseschau
  • What’s cooking in Brussels: Iranische Stunde im Parlament
Liebe Leserin, lieber Leser,

in Großbritannien zeichnet sich eine Einigung über das sogenannte Nordirland-Protokoll ab. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist heute persönlich zu Gesprächen mit Premierminister Rishi Sunak nach London. Dieser hatte am Wochenende verkündet, die Verhandlungen zum Abschluss bringen zu wollen und die Abgeordneten der Tories für Montag ins Parlament bestellt – wo die Einigung mit der EU über Nordirlands Handelsbeziehungen nach dem Brexit heute bekannt gegeben werden könnte. Mehr dazu in unseren News.

Mein Kollege Timo Landenberger blickt in seiner Analyse auf die anhaltende Debatte über die Verfügbarkeit von Düngemitteln in der EU. Die Preise für Lebensmittel bleiben auf einem problematisch hohen Niveau; zu den wichtigsten Treibern gehören unter anderem Düngemittel. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen rechnen Agrarindustrie und Bauernverbände mit deutlichen Ertragsrückgängen im laufenden Jahr. Das EU-Parlament forderte die Kommission nun dazu auf, weitreichende Maßnahmen zu ergreifen.

Am anderen Ende der Produktionskette von Lebensmitteln steht der Verbrauch – und der Abfall. 57 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in der EU jährlich im Müll. Die Kommission will dagegen vorgehen und die EU-Abfallrahmenrichtlinie überarbeiten. Im Gesetzgebungsprozess setzt sie dabei erstmals auf eine neue Form der Bürgerbeteiligung: Sie bezieht die Ergebnisse eines Bürgerpanels ein, in dem 150 EU-Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Monaten gemeinsam Empfehlungen erarbeitet haben. Lesen Sie dazu meine Analyse.

Ich wünsche Ihnen eine sonnige Woche!

Ihre
Leonie Düngefeld
Bild von Leonie  Düngefeld

Analyse

Düngemittelstrategie: Spagat zwischen Umweltschutz und Ernährungssicherung

Die Debatte über die Verfügbarkeit von Düngemitteln in der EU hält weiter an. Auch wenn die Inflationsrate im Euroraum zum Jahresbeginn zurückging: Die Preise für Lebensmittel sind weiter besorgniserregend hoch. Zu den wichtigsten Treibern gehören die hohen Inputkosten bei der Nahrungsmittelproduktion, allen voran: Düngemittel. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen rechnen Agrarindustrie und Bauernverbände mit deutlichen Ertragsrückgängen im laufenden Jahr. Das könnte zu weiteren Kostenexplosionen führen.

In einer kürzlich verabschiedeten Resolution fordert das Europäische Parlament die EU-Kommission dazu auf, weitreichende Maßnahmen zu ergreifen, um die Versorgung mit Düngemitteln sicherzustellen, die strategische Autonomie der EU zu stärken und die Preise zu senken. Die konkreten Forderungen:

  • Eine langfristige EU-Düngemittelstrategie bis Juni 2023
  • Abhängigkeit bei Mineraldünger und Rohstoffen (insbesondere Gas) von Russland beenden, jedoch nicht durch neue Abhängigkeiten ersetzen
  • Teile des Agrarhaushalts 2023 zur finanziellen Unterstützung der Landwirte nutzen
  • Vorrübergehende Aussetzung der Anti-Dumping-Zölle auf Mineraldünger ausweiten
  • Gemeinsamen Ankauf von Düngemitteln auf EU-Ebene prüfen

Preise für Düngemittel enorm angestiegen

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine vor einem Jahr sind die Kosten für chemischen Dünger enorm angestiegen. Russland und Belarus gehören zu den wichtigsten Exportländern auf dem Weltmarkt. Daneben ist Erdgas der mit Abstand wichtigste Produktionsfaktor. Ende vergangenen Jahres waren die Dünger-Preise in der EU teils dreimal so hoch wie im Vorjahr.

Die EU-Kommission hatte deshalb bereits eine Mitteilung zur Verfügbarkeit von Düngemitteln verfasst und darin unter anderem nationalstaatliche Beihilfen für Dünger-Produzenten sowie für die Landwirte ermöglicht. Doch das reiche bei Weitem nicht aus, kritisiert Norbert Lins (EVP), Berichterstatter der EP-Resolution.

Dabei gehe es neben der Unterstützung der europäischen Bauern sowie der Ernährungssicherung in der EU auch um die weiter steigende Anzahl an Hungerleidenden auf der Welt. Europa befinde sich für die Produktion von Lebensmitteln in einer “Gunstlage”. Dieser Verantwortung müsse die EU gerecht werden. “Wir müssen agieren und nicht mehr nur reagieren”, so Lins, der auch Vorsitzender des Agrarausschusses ist.

Hohe Klimaschäden in der Landwirtschaft

Zölle abzuschaffen und die Düngemittel-Produktion zu subventionieren sei jedoch der falsche Weg, entgegnet Thomas Waitz (Grüne/EFA). “Wir verwenden Kunstdünger in einem Ausmaß, das viel zu hoch ist und zu einer Überdüngung vieler Flächen in der EU führt”, sagt der Österreicher. Nun weiter auf die fossile Strategie zu setzen, gefährde die Umweltziele. Schließlich sei der Klimaschaden durch die Landwirtschaft bereits “größer als der von Flug und Schiff in Europa.” Dazu komme die hohe Belastung des Grundwassers.

Tatsächlich sieht die Farm-to-Fork-Strategie vor, den Überschuss an Düngemitteln bis 2030 um 50 Prozent und die Verwendung insgesamt um 20 Prozent zu verringern. Gleichzeitig soll der Anteil des Ökolandbaus, in dem die meisten chemischen Düngemittel verboten sind, von derzeit knapp zehn auf 25 Prozent ansteigen. Wie passt das zur anhaltenden Krisensituation?

“Eine Möglichkeit liegt in der Reduktion des Düngebedarfs, zum Beispiel von Brotgetreide”, sagt Christine Tölle-Nolting, Leiterin der Abteilung Landnutzung beim Naturschutzbund (NABU). Die Qualität des Getreides werde über möglichst hohe Proteingehalte definiert, die nur durch eine späte Düngung erreicht werden könnten. “Die Pflanzen kann von diesem Dünger jedoch nur wenig aufnehmen”, so Tölle-Nolting weiter. Diese Düngung könne problemlos eingespart werden, denn auch ein niedrigerer Proteingehalt habe keine negativen Auswirkungen auf die Backeigenschaft.

Transformation der Landwirtschaft entscheidend

Entscheidend sei letztlich eine Transformation des Agrarsystems hin zu einer regenerativen Landwirtschaft. Über bestimmte Ackerbaumethoden wie dem Anbau von Leguminosen (Hülsenfrüchtlern) kann Stickstoff auf natürliche Weise gebunden und genutzt werden.

Als mögliche Lösung gilt auch, mineralischen Dünger vermehrt durch organischen aus der Tierhaltung zu ersetzen. Aufgrund der geplanten Ausweitung der Industrieemissionsrichtlinie befürchten Bauernverbände jedoch eine Einschränkung der Nutztierhaltung und damit eine Reduktion des verfügbaren Wirtschaftsdüngers.

Daneben haben viehstarke Regionen häufig mit überdüngten Flächen zu kämpfen. Organischer Dünger wird meist in flüssiger Form ausgebracht und gelangt zu häufig ins Grundwasser, aus dem in Deutschland rund 70 Prozent des Trinkwassers gewonnen werden. Etliche Regionen in Deutschland verstoßen seit Jahren gegen die EU-Nitratrichtlinie, weshalb es bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gab.

BMEL: Kein akuter Handlungsbedarf

Auch deshalb will das Landwirtschaftsministerium für eine bessere Verteilung sorgen. “Damit wäre eine Reduktion in viehstarken Regionen einerseits und anderseits ein Ersatz für Mineraldünger in vieharmen Regionen möglich”, sagt ein Sprecher.

Auch mit Blick auf die globale Lage begrüßt das BMEL das Bestreben der EU nach einer Absicherung der Düngemittelversorgung. Akuten Handlungsbedarf in Deutschland sieht die Bundesregierung aber nicht. Die Preise für Dünger seien hier bereits deutlich gesunken und die Nachfrage zurückgegangen. Die Versorgung der Landwirte sei nicht gefährdet. Beim Deutschen Bauernverband ist man weniger entspannt. Die Volatilität am Markt sei weiter hoch und sorge nach wie vor für große Unsicherheit in der Landwirtschaft, heißt es dort. Ein Ende der Debatte – vorerst nicht in Sicht.

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Lebensmittelabfälle: Testlauf für Bürgerbeteiligung bei der Gesetzgebung

Bis 2025 sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass 55 Prozent ihrer Siedlungsabfälle recycelt oder wiederverwendet werden. Im vergangenen Jahr warnte die Kommission bereits: Mehr als die Hälfte der EU-27 laufe Gefahr, die Ziele der EU-Abfallrahmenrichtlinie nicht zu erreichen. Seit einem Jahr arbeitet sie bereits an der Folgenabschätzung für eine Überarbeitung der Richtlinie, laut der aktuellen Agenda will sie am 7. Juni ihren Vorschlag vorlegen. Dabei konzentriert sie sich auf die Bereiche Lebensmittel und Textilien.

Neben der regulären öffentlichen Konsultation setzt die EU-Kommission dabei erstmals auf eine neue Form der Bürgerbeteiligung: Sie bezieht die Ergebnisse eines Bürgerpanels ein, in dem 150 EU-Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Monaten gemeinsam Empfehlungen zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung erarbeitet haben.

Empfehlungen sollen in Vorschlag einfließen

Nach drei Beratungswochenenden fand kürzlich in Brüssel die Abschlusssitzung des ersten Bürgerpanels dieser Art statt. Das Gremium erarbeitete 23 Empfehlungen, unter anderem:

  • Unterstützung von Kleinerzeugern im Handel mit Einzelhändlern und Supermärkten
  • öffentliche und private Unterstützung für die lokale Landwirtschaft
  • strukturelle Unterstützung von Lebensmittelbanken und Umverteilungsstellen durch die Regierungen
  • Einführung einer zentral verwalteten Plattform, die Einzelhändler mit Lebensmittelbanken verbinden, um die verschiedenen bereits existierenden Apps zu verknüpfen
  • zentrale Sammlung und Monitoring von Daten darüber, wie, wo, wer, warum und wann Lebensmittelabfälle in der gesamten Lebensmittelversorgungskette anfallen
  • effektivere Aufklärung der Verbraucher über den Wert von saisonalen Lebensmitteln
  • Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umverteilung von überschüssigen und bald ablaufenden Lebensmitteln
  • weitere Investitionen in die wissenschaftliche Forschung zu innovativen und alternativen nachhaltigen Verpackungsmethoden

Den Abschlussbericht des Panels arbeitet die Kommission nun in die öffentliche Konsultation und die Folgenabschätzung des Gesetzesvorschlags zur Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie ein.

Ziel: Abfallaufkommen halbieren

Die geltende Abfallrahmenrichtlinie legt eine Abfallhierarchie von Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Recycling, anderen Verwertungsoptionen und der Beseitigung von Abfällen fest. Die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen umsetzen, um die Entstehung von Abfällen zu vermeiden und bestimmte Arten getrennt zu sammeln. Sie enthält auch Überprüfungsklauseln für Vermeidungsmaßnahmen, Lebensmittelabfälle und Altöl. Als konkrete Ziele gibt sie vor, dass bis 2035 mindestens 65 Prozent der Siedlungsabfälle recycelt oder wiederverwendet werden sollen. Als Zwischenziele sind 50 Prozent für 2020, 55 Prozent für 2025 und 60 Prozent für 2030 vorgeschrieben. 

Im Green Deal und ihrem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft hat sich die EU dazu verpflichtet, die Abfallwirtschaft zu vereinfachen und das Aufkommen deutlich zu verringern. Ihr Ziel, das auch den UN Sustainable Development Goals entspricht: Bis 2030 soll die Menge nicht recycelter Siedlungsabfälle halbiert werden. Den Grund für die bislang mangelhaften Ergebnisse sieht die Kommission vor allem in ineffizienten Sammelsystemen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich seien.

Kommission will Hersteller in die Pflicht nehmen

Für die Überarbeitung konzentriert sich die Kommission unter anderem auf den Bereich der Lebensmittelabfälle, die einen großen Teil der Siedlungsabfälle ausmachen. Mehr als 57 Millionen Tonnen Lebensmittel landen laut Zahlen der Kommission pro Jahr im Abfall. Sie verursachen zwischen 6 und 10 Prozent der Treibhausgasemissionen und kosten die EU jährlich mindestens 130 Milliarden Euro.

Das Parlament hatte die Kommission bereits 2017 in einem Initiativbericht dazu aufgefordert, die Festlegung verbindlicher Ziele für die Verringerung der Lebensmittelabfälle zu prüfen und eine gemeinsame Methodik zur Messung festzulegen.

Laut ihrem Call for Evidence für die Folgenabschätzung erwägt die Kommission nun unter anderem

  • die Einführung allgemeiner und/oder produktspezifischer Vermeidungsmaßnahmen, einschließlich Zielvorgaben für die Abfallverringerung,
  • die Ausweitung der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsability, EPR) bei der Erreichung von Abfallvermeidungszielen,
  • die Verbesserung der getrennten Sammlung von Abfällen durch Klärung und/oder Einschränkung des Geltungsbereichs von Ausnahmeregelungen,
  • die Einführung von Mindestanforderungen für die Trennung an der Quelle und die getrennte Sammlung von Abfällen,
  • die Stärkung des Verursacherprinzips durch Ausweitung der EPR-Regelungen auf andere Produktkategorien (wie Textilien und Öle),
  • die Festlegung von Zielen für die Sammlung und Aufbereitung von Altöl.

Nach Zukunftskonferenz: Weitere Panels geplant

Das partizipative Konzept bei dem Thema ist ein Ergebnis der Konferenz zur Zukunft Europas, die von 2021 bis 2022 stattfand. Die Kommission will die Panels nun regelmäßig in die Konsultation vor wichtigen Gesetzesvorhaben einbinden. Jedes Gremium besteht aus rund 150 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, wobei auf eine ausgewogene Verteilung verschiedener Herkünfte (Mitgliedstaaten, Stadt/Land, Geschlecht, sozioökonomischer Hintergrund und Bildungsniveau) geachtet wird. Zudem muss ein Drittel der Teilnehmenden jünger als 26 Jahre sein.

Das erste Gremium bezeichnete die Kommission als Erfolg. “Wir nehmen nun die Bürgerforen in unser Instrumentarium auf, um sicherzustellen, dass die Ideen der Bürger bei wichtigen politischen Initiativen, die sich auf ihr tägliches Leben auswirken, berücksichtigt werden”, sagt Dubravka Šuica, Vizepräsidentin für Demokratie und Demografie.

Auf das erste Panel zum Thema Lebensmittelverschwendung sollen weitere folgen: Bereits in den kommenden Wochen findet ein Bürgerpanel zum Thema virtuelle Welten statt, das Empfehlungen für die geplante Kommissionsinitiative erarbeiten soll. Im Frühling soll außerdem ein Panel zum Thema Learning Mobility stattfinden.

  • Lebensmittelverschwendung

News

Nordirland-Protokoll: Von der Leyen zu Gesprächen in London

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Rishi Sunak werden am heutigen Montag in London persönliche Gespräche führen, um eine neue Vereinbarung für Nordirlands Handelsbeziehungen nach dem Brexit zu treffen, wie beide Seiten am Sonntag mitteilten. Eine Einigung über Änderungen am sogenannten Nordirland-Protokoll steht Berichten zufolge kurz bevor und könnte heute im britischen Parlament vorgestellt werden.

Von der Leyen und Sunak wollten ihre Arbeit persönlich fortsetzen, “um gemeinsame, praktische Lösungen für eine Reihe komplexer Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Protokoll über Irland und Nordirland zu finden”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. London und Brüssel führen seit Monaten Gespräche, um die Streitigkeiten um Brexit-Regeln für Nordirland zu entschärfen.

Sunak will seine Partei und seine Wählerschaft auf eine Einigung mit der EU einstimmen. “Der Brexit ist immer noch nicht vollständig durchgezogen und ich will die Sache zu Ende bringen”, sagte Sunak in einem Interview mit der “Sunday Times”. “Ich bin das ganze Wochenende dabei und versuche, es zum Abschluss zu bringen. Wir geben alles, was wir haben.” Laut der britischen Nachrichtenagentur PA erhielten die Abgeordneten der konservativen Regierungspartei die Anweisung, am Montag ins Parlament zu kommen. Dies wurde als Anzeichen dafür gedeutet, dass Sunak eine Einigung mit der EU verkünden könnte.

Sunak stimmt seine Partei auf Einigung mit der EU ein

Das Nordirland-Protokoll ist Teil des Brexit-Vertrags. Es sieht vor, dass die Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU in der Irischen See verläuft. Damit sollte verhindert werden, dass Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland eingeführt werden müssen. Sonst wurde mit einem Wiederaufflammen des Konflikts um eine Vereinigung der beiden Teile Irlands gerechnet. Doch die Kontrollen sorgen auch für Schwierigkeiten im innerbritischen Handel und die protestantischen Anhänger der Union in Nordirland fühlen sich von Großbritannien abgeschnitten.

Entscheidend für den Erfolg einer Einigung ist daher, ob Sunak es schaffen wird, die größte protestantisch-unionistische Partei in Nordirland, DUP, hinter sich zu bringen. Diese blockiert aus Protest gegen das Protokoll seit Monaten eine Regierungsbildung in dem britischen Landesteil. Sunak stimmte am Wochenende auch in diversen Gastbeiträgen auf den erwarteten Durchbruch ein. “Wir müssen es hinkriegen, dass der Brexit für das gesamte Vereinigte Königreich funktioniert“, schrieb er im konservativen “Telegraph”. Dem Blatt zufolge soll sich im eigenen Kabinett bereits Widerstand regen und Nordirland-Minister Steve Baker bereits seinen Rücktritt erwägen. Im Boulevard-Blatt “Sun” versicherte Sunak den Lesern, trotz seines mutmaßlichen Kompromisses mit der EU weiterhin ein überzeugter “Brexiteer” zu sein. rtr/dpa

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EU verhängt zehntes Sanktionspaket gegen Russland

Die Europäische Union hat neue Sanktionen gegen Russland mit Exportbeschränkungen im Wert von mehr als 11 Milliarden Euro verhängt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Wochenende davon, dass die EU die weitreichendsten Sanktionen aller Zeiten verhängt habe, “die Russlands Kriegsarsenal dezimieren und tief in seine Wirtschaft eingreifen”.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die neuen Sanktionen als kraftvoll, forderte aber weitere Strafen etwa gegen die russische Nuklearindustrie im allgemeinen. Dagegen setzen sich jedoch EU-Staaten wie Ungarn ein. Rosatom errichtet zwei neue Reaktorblöcke für das ungarische Atomkraftwerk Paks.

Die ständigen Vertreter der EU-Staaten hatten sich am Freitag, dem Jahrestag der russischen Invasion in die Ukraine, auf das neue Sanktionspaket verständigt. Es ist das mittlerweile zehnte seit Februar vergangenen Jahres. Mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt am Samstagabend wurde es wirksam.

Konkret sind nun etwa weitere Exportverbote für Güter vorgesehen, die die russische Industrie nicht über Drittstaaten wie China beziehen kann. Dazu zählen Maschinenteile, Antennen, Spezialfahrzeuge sowie Ersatzteile für Lkw und Triebwerke. Zudem soll es Exportrestriktionen für elektronische Bauteile geben, die für russische Waffensysteme sowie Drohnen, Raketen und Hubschrauber verwendet werden könnten. Nach Angaben der Kommission hat die EU nun Exporte im Wert von insgesamt fast 44 Milliarden Euro beschränkt. Das entspricht fast der Hälfte aller Ausfuhren nach Russland im Jahr vor dem Krieg.

Selenskyj fordert Strafen gegen russischen Nuklearindustrie

Hinzu kommen neue Importbeschränkungen im Wert von fast 1,3 Milliarden Euro etwa für synthetischen Kautschuk und Bitumen. Insgesamt sind der EU-Kommission zufolge nun Einfuhren im Wert von mehr als 90 Milliarden Euro von den Einfuhrbeschränkungen betroffen – rund 58 Prozent der Importe von 2021.

Auch gegen Russlands Versorgung mit militärisch nutzbaren zivilen Gütern wie Drohnen soll weiter vorgegangen werden. So werden nach Angaben der EU-Kommission unter anderem sieben Unternehmen aus dem Iran sanktioniert, die an der Belieferung Russlands mit Drohnen vom Typ Shahed beteiligt sein sollen und Teile aus der EU nutzen.

Wie bereits bei früheren Paketen werden weitere Personen und Organisationen sanktioniert, denen vorgeworfen wird, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben oder zu bedrohen. Sie dürfen nicht mehr in die EU einreisen und ihre etwaigen Vermögen in der EU müssen eingefroren werden. Betroffen sind 87 weitere Personen und 34 Organisationen.

Unter den neuen Listungen ist etwa die Alfa-Bank, die als Russlands größtes Finanzinstitut in Privatbesitz gilt. Zudem sollen die Strafmaßnahmen etwa die Tinkoff Bank und die Rosbank treffen. Auch wurden stellvertretende Minister, russische Regierungsbeamte, Verantwortliche für die Deportation und Zwangsadoption ukrainischer Kinder, Propagandisten und neue Mitglieder des russischen Föderationsrats auf die Sanktionsliste gesetzt.

Sanktionen gegen weitere Teile der Wagner-Gruppe

Zudem werden Iraner sanktioniert, die an der Herstellung von Drohnen sowie von Teilen zur Unterstützung des russischen Militärs beteiligt sein sollen. Unter anderen Sanktionsregimen hat die EU nun zudem elf weitere Mitglieder und sieben Einrichtungen mit Strafmaßnahmen belegt, die mit der russischen Söldnertruppe Wagner in Verbindung stehen. Um gegen russische Propaganda vorzugehen, sollen zudem die beiden Sender RT Arabic und Sputnik Arabic verboten werden.

Mit Blick auf die mögliche Verwendung für den Wiederaufbau der Ukraine müssen künftig außerdem alle eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank sowie andere eingefrorene russische Vermögen in der EU gemeldet werden. Russen dürfen künftig zudem nicht mehr in Führungsgremien von Unternehmen in der EU sitzen, die für kritische Infrastruktur wie die Energieversorgung verantwortlich sind. dpa

  • Sanktionen

Scholz und Modi wollen strategische Partnerschaft erweitern

Bei seinem zweitägigen Besuch in Indien, dem ersten als deutscher Regierungschef, hat Bundeskanzler Olaf Scholz mit Premierminister Narendra Modi vereinbart, die Strategische Partnerschaft zwischen Indien und Deutschland zu erweitern und an einem Fahrplan für Innovation und Technologie zu arbeiten. Die beiden Länder wollen damit wissenschaftliches und technologisches Wissen für die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder nutzen und globale Herausforderungen angehen.

Die wichtigsten Elemente der deutsch-indischen Zusammenarbeit in den Bereichen Innovation, Technologie und Wirtschaft sowie des Fahrplans sind:

  • Energiepartnerschaft und saubere Technologien: Die Projekte befassen sich mit Fragen der gerechten Energiewende, der Energiesicherheit, der Flexibilisierung des Energiesystems, des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien, grüner Netze und Speicher, der Energieeffizienz und emissionsarmer Energiesysteme. Dazu gehören auch Großprojekte wie die grünen Energiekorridore und die Partnerschaft für erneuerbare Energien sowie die Zusammenarbeit zwischen indischen und deutschen Unternehmen bei der Herstellung von Elektrolyseuren und beim Handel mit grünem Wasserstoff und Derivaten.
  • Deutsch-Indische Task Force für grünen Wasserstoff: Die im Mai 2022 eingerichtete Task Force hat das Ziel, grünen Wasserstoff wirtschaftlich nutzbar zu machen. Sie soll die Zusammenarbeit bei der Produktion, Nutzung, Speicherung und Verteilung von grünem Wasserstoff durch die Schaffung von Rahmenbedingungen für Projekte, Vorschriften und Normen, Handel und gemeinsame F&E-Projekte stärken.
  • Zusammenarbeit zwischen dem indischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie (DST) und der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft im Bereich des grünen Wasserstoffs bei den vom DST eingerichteten Wasserstoff-Energie-Clustern, der Integration von Technologien der Fraunhofer-Gesellschaft mit indischen Technologien und der langfristigen Technologieentwicklung in den Bereichen der erneuerbaren Energien.

Scholz verspricht Fortschritte beim Handelsabkommen

Scholz betonte die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Die 1800 deutschen Unternehmen, die in Indien tätig seien, “haben Zehntausende von Arbeitsplätzen geschaffen und gehören zu den größten ausländischen Investoren hier im Lande“, sagte er. “Das soll so weitergehen, diese Investitionen sollen ausgeweitet und die Zahl der Beschäftigten massiv erhöht werden”. Die beiden Staats- und Regierungschefs kamen überein, den Rahmen und das Ökosystem für das Gedeihen der deutsch-indischen Geschäftsbeziehungen zu stärken.

Die beiden Länder vereinbarten zudem, die Zusammenarbeit im Rahmen der deutsch-indischen Arbeitsgruppe für Qualitätsinfrastruktur zu verstärken und das wirtschaftliche Potenzial für Start-ups in Indien und Deutschland zu erkunden. Die Gespräche mit Wirtschaftsführern aus beiden Ländern – eine Wirtschaftsdelegation aus dreißig Unternehmen begleiteten den Bundeskanzler – konzentrierten sich auf die digitale Transformation, FinTech, IT, Telekommunikation und Diversifizierung der Lieferketten.

Scholz sagte, er werde sich persönlich für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien einsetzen. “Wir wollen die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Indien stärken”, erklärte er. “Deshalb setzen wir uns beide dafür ein, dass das Freihandelsabkommen zwischen unseren Ländern endlich funktioniert – ein sehr wichtiges Thema. Ich werde mich auch persönlich dafür einsetzen, dass diese Angelegenheit nicht so lange dauert wie in der Vergangenheit, sondern dass hier schnellere Fortschritte möglich sind.”

Indien und Deutschland vereinbarten darüber hinaus eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Dreieckskooperation zur Entwicklung von Drittländern. Urmi Goswami

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Boeselager: Ratsentwurf zum Data Act behindert Datenaustausch

In der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament gibt es Befürchtungen, dass der Data Act die gemeinsame Nutzung von Daten eher verhindern als befördern könnte. Diese Gefahr bestehe, wenn das Gesetz dem im aktuellen Ratsentwurf stehenden Ansatz in Kapitel II folge, meint der Parlamentarier Damian Boeselager (Grüne/EFA). Angesichts der “umfangreichen Freibriefe von den Verpflichtungen zur gemeinsamen Nutzung von Daten”, die Dateninhabern im Ratskompromiss gewährt würden, und der sehr umfangreichen Haftungsregelung werde das Datengesetz sein ursprüngliches politisches Ziel verfehlen.

Am Dienstag steht das nächste Treffen der Arbeitsgruppe im Rat für Telekommunikation an. Dort wollen die Delegierten den fünften Kompromiss zum Data Act diskutieren, den Schweden vergangene Woche vorgelegt hat. Der fünfte Kompromiss könnte der letzte sein, bevor der Rat zu einer allgemeinen Ausrichtung kommt. Der federführende ITRE-Ausschuss im EU-Parlament hat seinen Vorschlag bereits abgestimmt.

“In der im Rat diskutierten Form würde das Datengesetz de jure weitreichende und ungezielte Datenunterdrückungsrechte für Dateninhaber einführen“, kritisiert Boeselager. Das stelle aus der Sicht der Nutzer beziehungsweise Eigentümer und Datenempfänger eine Verschlechterung des bestehenden Rechtsrahmens für nicht personenbezogene Daten dar. “Wir haben den gerechtfertigten und rechtlich klaren Schutz von Geschäftsgeheimnissen, geistigem Eigentum und auch bestimmten Sicherheitsbedenken im Parlament unterstützt”, sagt der Abgeordnete. Der Text des Rates jedoch eröffne große Bereiche der Rechtsunsicherheit.

In der Konsequenz würde der Data Act laut Boeselager zu einem “Data Suppression Act” werden, zumindest für Akteure ohne nennenswerte rechtliche und finanzielle Ressourcen. “Das Gesetz wird sehr große Unternehmen mit datenrechtlichem Know-how, großen Rechtsabteilungen und finanziellen Ressourcen schützen, die es sich leisten können, vor Gericht zu gehen oder sich an privaten Schiedsverfahren zu beteiligen”, prognostiziert er. Start-ups, KMU und solche Unternehmen, die weder die Mittel noch die juristische Expertise hätten, würden dagegen vor dem Datentausch zurückschrecken. vis

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Studie: Uneinheitliche Standards und Intransparenz in Metalllieferketten

Uneinheitliche Standards, Intransparenz und Machtasymmetrien in den Lieferketten schwächen die Nachhaltigkeits-Governance von Metallversorgungsketten in der EU. Gleichzeitig drohen auch die aktuellen geopolitischen Herausforderungen und das Ziel der Versorgungssicherheit, die Bemühungen um nachhaltige Lieferketten zu untergraben. Das ist das Ergebnis einer am Freitag veröffentlichten Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die sich auf Analysen der Versorgungsketten von Kupfer aus den Anden und Platin aus dem südlichen Afrika stützt.

Die vier Autorinnen der Studie gehen der Frage nach, welche Governance-Ansätze europäische Akteure anwenden können, um die Nachhaltigkeit in Metalllieferketten zu verbessern und wie sie auf andere Akteure und die vorgelagerten Stufen der Lieferketten Einfluss nehmen können. Die EU müsse Maßnahmen für eine höhere Transparenz, eine strategischere Diversifizierung und einheitliche Umwelt- und Menschenrechtsstandards ergreifen, empfehlen die Wissenschaftlerinnen.

Europäische Unternehmen seien stark von importierten Metallen abhängig, da Europa nur über sehr begrenzte eigene Reserven verfüge und Recycling die Nachfrage bisher nicht decken könne. Die Nachfrage nach Metallen werde in den kommenden Jahren zudem noch deutlich steigen. Die Covid-19-Pandemie und die russische Invasion in die Ukraine hätten die strukturellen Risiken der Lieferketten und die wachsende geopolitische Rivalität um den Zugang zu Metallen deutlich gemacht, so die Studie.

Versorgungssicherheit darf keinen Vorrang vor Nachhaltigkeit haben

“Eine Reihe neuerer Studien zeigt, dass Nachhaltigkeitsstandards in der Tat ein integraler Bestandteil der Versorgungssicherheit sind, weil sie private und staatliche Akteure dazu veranlassen, strategischer zu denken und Risiken in der Lieferkette vorzubeugen”, schreiben die Autorinnen und warnen, es wäre kurzsichtig, der Versorgungssicherheit Vorrang vor Menschenrechten und Nachhaltigkeit einzuräumen. Denn die technischen und geopolitischen Merkmale der Metallversorgungsketten würden die Möglichkeiten der europäischen Akteure einschränken, Einfluss auf ihre Nachhaltigkeit zu nehmen. Als Kunden hätten sie keinen direkten Einfluss auf die ersten Stufen der Produktion wie Bergbau und Raffination.

Die größten Herausforderungen für die Nachhaltigkeits-Governance seien zum einen die vielfältigen Standards und ihre uneinheitliche und unübersichtliche Umsetzung und Durchsetzung. Zum anderen bestehe ein Ungleichgewicht in den Möglichkeiten der Einflussnahme zwischen einzelnen Unternehmen und Staaten einerseits und der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften andererseits.

Um das Ziel von nachhaltigen und effektiven Lieferketten voranzutreiben, halten die Autorinnen folgende Empfehlungen für die EU und die Mitgliedstaaten fest:

  • Maßnahmen, um die Diversifizierung zu stärken, mit dem Ziel, die übermäßige Abhängigkeit von einzelnen Ländern wie China zu reduzieren.
  • Verlässliche Partnerschaften mit ressourcenstarken Ländern, die hohe Nachhaltigkeitsstandards anstreben. Berücksichtigung der Bedürfnisse der Partner und entsprechende Unterstützung.
  • Verbesserung der Transparenz und Verringerung der Machtasymmetrien durch gezielte Maßnahmen wie der Förderung von Multi-Stakeholder-Prozessen, um einen “intelligenten Mix” aus freiwilligen und verpflichtenden Governance-Instrumenten zu erreichen. leo
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Presseschau

Neue Russland-Sanktionen der EU wirksam – Selenskyj nennt Maßnahmen “kraftvoll” RND
Nach neuem EU-Sanktionspaket: Russland liefert kein Öl mehr über Druschba-Pipeline nach Polen TAGESSPIEGEL
Nordirland-Protokoll: Von der Leyen trifft britischen Premier in London SUEDDEUTSCHE
Nach Erdbeben: EU-Luftbrücke nach Syrien gestartet MDR
Bootsunglück: EU-Kommissionschefin will Reformen im Asylrecht DEUTSCHLANDFUNK
Rekord-Steuer! Im EU-Schnitt zahlen deutsche Unternehmen am meisten FOCUS
Das EU-Label soll Stromfresser sichtbar machen BADISCHE-ZEITUNG
EU will Kosten für Internetausbau regeln: Auf Geldsuche fürs Netz TAZ
Schließung von Teilen der Produktion in Ludwigshafen – BASF: Die Abrechnung mit dem Standort Europa FINANZMARKTWELT
Tegernsee-Oligarch Usmanow will die EU-Sanktionen gegen ihn stoppen SUEDDEUTSCHE

Standpunkt

What’s cooking in Brussels? Iranische Stunde im Europäischen Parlament

Schwarz-weiß Portrait von Claire Stam

Während die Europäische Union in die Ukraine blickt, drängt auch der Iran auf die politische Bühne. Reza Pahlavi, Sohn des letzten iranischen Schahs, besucht Brüssel, nachdem am 20. Februar 6.000 Menschen aus der iranischen Diaspora und ihre Verbündeten durch die Stadt marschiert sind und demokratische Rechte und mehr Freiheit für Frauen im Iran sowie die Anerkennung der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) als terroristische Organisation durch Europa gefordert haben.

Die Demonstration wurde von Europaabgeordneten wie Abir Al-Sahlani (Renew) und eben Charlie Weimers (EVP) sowie von nationalen Parlamentariern wie Darya Safai aus Belgien, Theo Francken und Alireza Akhondi aus Schweden unterstützt. Sie sollte Druck auf die Mitgliedsstaaten ausüben, deren Außenminister sich an diesem Tag in der EU-Hauptstadt trafen.

Auch das Europäische Parlament forderte am 18. Januar, die IRGC auf die Terrorliste zu setzen: Die Abgeordneten unterstützten einen Änderungsantrag zum Jahresbericht über die Außenpolitik, in dem die EU und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die IRGC angesichts ihrer terroristischen Aktivitäten, der Unterdrückung von Demonstranten und der Lieferung von Drohnen an Russland auf die Terrorliste der EU zu setzen.

“Pahlavi repräsentiert nicht die iranische Diaspora”

Das Parlament unterstützt also offiziell einige der Forderungen der iranischen Diaspora. Und was sagen die Vertreter der iranischen Diaspora, die in Brüssel im Exil leben? Es sind die kriegslüsternen IRGC und ihre paramilitärischen Basij, die seit vier Jahrzehnten Regimegegner im In- und Ausland erschossen, verhaftet, gefoltert, vergewaltigt und brutal behandelt haben, erklärt Ali Bagheri, Forscher an der Thomas More University in Belgien. Er verließ den Iran 2015, nachdem er 2009 an Demonstrationen teilgenommen hatte, und ist seither nicht mehr in sein Heimatland zurückgekehrt. “Die beiden Organisationen haben keine Unterstützung in der Bevölkerung”, sagt er und weist darauf hin, dass die IRGC in den USA bereits als ausländische Terrororganisation auf der schwarzen Liste stehen.

Der Beschluss des Europäischen Parlaments sende ein wichtiges Signal, sagt er. “Es geht um eine Institution, die 450 Millionen Menschen vertritt”, betont Bagheri. Aber die EU tue nicht genug, und die Anwesenheit von Reza Pahlavi in Brüssel sei das falsche Signal.

“Reza Pahlavi repräsentiert nicht die iranische Diaspora“, sagt Sourosh Aboutalebi, Student der Politikwissenschaften in Brüssel und Aktivist der iranischen Opposition. Er verließ den Iran mit seiner Familie, als er sieben Jahre alt war, und lebt seither in Belgien. Die Tausenden Iraner und Iranerinnen, die in Nordamerika und Europa demonstriert haben, etwa 80.000 im Oktober 2022 in Berlin, und 10.000 Anfang Februar in Paris, haben mehr als deutlich gemacht, dass sie nicht in die Vergangenheit schauen, sondern in die Zukunft – und auf eine demokratisch gewählte Republik, sagt er.

Kritik an angeblicher Unterstützung der Revolutionsgarde

Aboutalebi erzählt, die Demonstrierenden hätten immer wieder “Nieder mit dem Unterdrücker, sei es der Schah oder der Oberste Führer (Khamenei)” und “Nein zum Schah! Nein zu den Mullahs!” gerufen. “Das zeigt, dass die Menschen wirklich keinen Weg zurück sehen”, führt er fort. “Sie wollen eine säkulare Demokratie“. In der Tat habe Pahlavi durch seine angebliche Unterstützung des IRGC Feindseligkeit im Iran hervorgerufen. “Während einer Talkshow bei Iran International TV im Jahr 2018 sagte er, dass er in bilateralen Kontakten mit dem (Regime-)Militär, dem IRGC und den Basij stehe. Er sagte, dass sie miteinander kommunizieren”, sagt Aboutalebi.

Sowohl Bagheri als auch Aboutalebi bringen auch ihre Überraschung und Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass Reza Pahlavi als angeblicher Vertreter der iranischen Opposition zur jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz eingeladen wurde. Vor allem, nachdem Anfang des Monats 165 Kongressabgeordnete der beiden großen Parteien im US-Repräsentantenhaus eine Resolution verabschiedet hatten, die den Wunsch des iranischen Volkes nach einer demokratischen, säkularen und atomwaffenfreien Republik Iran unterstützt.

Sie erzählen: Pahlavi hätte vor der Konferenz eine kleine Gruppe von Demonstranten zusammengebracht. Unter den Plakaten, die von den Monarchisten geschwungen wurden, hätte sich ein großes Foto des berüchtigten Parviz Sabeti befunden, der für die Folterung vieler Oppositioneller verantwortlich sei. Der Farsi-Slogan auf dem Plakat verkündete: “Albtraum der zukünftigen Terroristen”.

Europa hat noch nicht entschieden, wo es hinschauen will

“Es scheint, dass man die Gefängnisschlüssel aus der rechten Tasche nimmt, um sie in die linke Tasche zu stecken”, sagt Bagheri.

Und die Iraner sind dieses Mal nicht damit einverstanden, wie es scheint. Obwohl es im Iran schon früher landesweite Demonstrationen gegeben hat – 2009, 2017 bis Anfang 2018 und eine weitere im November 2019 – sind die aktuellen Proteste einzigartig, da sie Menschen aus der gesamten Gesellschaft einbeziehen und Frauen unter dem Slogan “Frau, Leben, Freiheit” eine führende Rolle einnehmen, erklärt Aboutalebi. Die Bildungsrate im Iran sei sehr hoch und mehr als 50 Prozent der Frauen hätten einen Hochschulabschluss.

“Ich glaube, dass die Iraner wirklich ein demokratisches Land im Nahen Osten aufbauen können und dass dies zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Ländern in der Region und mit den europäischen Ländern führen wird”, sagt Bagheri. “Und es wird eine Zusammenarbeit sein, die auf den Menschenrechten basiert”. Aboutalebi betont, wie hoffnungsvoll die Menschen in Afghanistan, im Irak und in Syrien seien, wenn sie auf die Bewegung blicken, die im Iran begann. “Aber Europa hat noch nicht entschieden, wo es hinschauen will“, sagt er.

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • Düngemittelstrategie: Zwischen Umweltschutz und Ernährungssicherung
    • Lebensmittelabfälle: Testlauf für Bürgerbeteiligung
    • Nordirland-Protokoll: Von der Leyen in London
    • EU verhängt zehntes Sanktionspaket gegen Russland
    • Scholz und Modi wollen strategische Partnerschaft erweitern
    • Boeselager kritisiert Ratsentwurf zum Data Act
    • Studie: Intransparenz in Metalllieferketten
    • Presseschau
    • What’s cooking in Brussels: Iranische Stunde im Parlament
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in Großbritannien zeichnet sich eine Einigung über das sogenannte Nordirland-Protokoll ab. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist heute persönlich zu Gesprächen mit Premierminister Rishi Sunak nach London. Dieser hatte am Wochenende verkündet, die Verhandlungen zum Abschluss bringen zu wollen und die Abgeordneten der Tories für Montag ins Parlament bestellt – wo die Einigung mit der EU über Nordirlands Handelsbeziehungen nach dem Brexit heute bekannt gegeben werden könnte. Mehr dazu in unseren News.

    Mein Kollege Timo Landenberger blickt in seiner Analyse auf die anhaltende Debatte über die Verfügbarkeit von Düngemitteln in der EU. Die Preise für Lebensmittel bleiben auf einem problematisch hohen Niveau; zu den wichtigsten Treibern gehören unter anderem Düngemittel. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen rechnen Agrarindustrie und Bauernverbände mit deutlichen Ertragsrückgängen im laufenden Jahr. Das EU-Parlament forderte die Kommission nun dazu auf, weitreichende Maßnahmen zu ergreifen.

    Am anderen Ende der Produktionskette von Lebensmitteln steht der Verbrauch – und der Abfall. 57 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in der EU jährlich im Müll. Die Kommission will dagegen vorgehen und die EU-Abfallrahmenrichtlinie überarbeiten. Im Gesetzgebungsprozess setzt sie dabei erstmals auf eine neue Form der Bürgerbeteiligung: Sie bezieht die Ergebnisse eines Bürgerpanels ein, in dem 150 EU-Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Monaten gemeinsam Empfehlungen erarbeitet haben. Lesen Sie dazu meine Analyse.

    Ich wünsche Ihnen eine sonnige Woche!

    Ihre
    Leonie Düngefeld
    Bild von Leonie  Düngefeld

    Analyse

    Düngemittelstrategie: Spagat zwischen Umweltschutz und Ernährungssicherung

    Die Debatte über die Verfügbarkeit von Düngemitteln in der EU hält weiter an. Auch wenn die Inflationsrate im Euroraum zum Jahresbeginn zurückging: Die Preise für Lebensmittel sind weiter besorgniserregend hoch. Zu den wichtigsten Treibern gehören die hohen Inputkosten bei der Nahrungsmittelproduktion, allen voran: Düngemittel. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen rechnen Agrarindustrie und Bauernverbände mit deutlichen Ertragsrückgängen im laufenden Jahr. Das könnte zu weiteren Kostenexplosionen führen.

    In einer kürzlich verabschiedeten Resolution fordert das Europäische Parlament die EU-Kommission dazu auf, weitreichende Maßnahmen zu ergreifen, um die Versorgung mit Düngemitteln sicherzustellen, die strategische Autonomie der EU zu stärken und die Preise zu senken. Die konkreten Forderungen:

    • Eine langfristige EU-Düngemittelstrategie bis Juni 2023
    • Abhängigkeit bei Mineraldünger und Rohstoffen (insbesondere Gas) von Russland beenden, jedoch nicht durch neue Abhängigkeiten ersetzen
    • Teile des Agrarhaushalts 2023 zur finanziellen Unterstützung der Landwirte nutzen
    • Vorrübergehende Aussetzung der Anti-Dumping-Zölle auf Mineraldünger ausweiten
    • Gemeinsamen Ankauf von Düngemitteln auf EU-Ebene prüfen

    Preise für Düngemittel enorm angestiegen

    Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine vor einem Jahr sind die Kosten für chemischen Dünger enorm angestiegen. Russland und Belarus gehören zu den wichtigsten Exportländern auf dem Weltmarkt. Daneben ist Erdgas der mit Abstand wichtigste Produktionsfaktor. Ende vergangenen Jahres waren die Dünger-Preise in der EU teils dreimal so hoch wie im Vorjahr.

    Die EU-Kommission hatte deshalb bereits eine Mitteilung zur Verfügbarkeit von Düngemitteln verfasst und darin unter anderem nationalstaatliche Beihilfen für Dünger-Produzenten sowie für die Landwirte ermöglicht. Doch das reiche bei Weitem nicht aus, kritisiert Norbert Lins (EVP), Berichterstatter der EP-Resolution.

    Dabei gehe es neben der Unterstützung der europäischen Bauern sowie der Ernährungssicherung in der EU auch um die weiter steigende Anzahl an Hungerleidenden auf der Welt. Europa befinde sich für die Produktion von Lebensmitteln in einer “Gunstlage”. Dieser Verantwortung müsse die EU gerecht werden. “Wir müssen agieren und nicht mehr nur reagieren”, so Lins, der auch Vorsitzender des Agrarausschusses ist.

    Hohe Klimaschäden in der Landwirtschaft

    Zölle abzuschaffen und die Düngemittel-Produktion zu subventionieren sei jedoch der falsche Weg, entgegnet Thomas Waitz (Grüne/EFA). “Wir verwenden Kunstdünger in einem Ausmaß, das viel zu hoch ist und zu einer Überdüngung vieler Flächen in der EU führt”, sagt der Österreicher. Nun weiter auf die fossile Strategie zu setzen, gefährde die Umweltziele. Schließlich sei der Klimaschaden durch die Landwirtschaft bereits “größer als der von Flug und Schiff in Europa.” Dazu komme die hohe Belastung des Grundwassers.

    Tatsächlich sieht die Farm-to-Fork-Strategie vor, den Überschuss an Düngemitteln bis 2030 um 50 Prozent und die Verwendung insgesamt um 20 Prozent zu verringern. Gleichzeitig soll der Anteil des Ökolandbaus, in dem die meisten chemischen Düngemittel verboten sind, von derzeit knapp zehn auf 25 Prozent ansteigen. Wie passt das zur anhaltenden Krisensituation?

    “Eine Möglichkeit liegt in der Reduktion des Düngebedarfs, zum Beispiel von Brotgetreide”, sagt Christine Tölle-Nolting, Leiterin der Abteilung Landnutzung beim Naturschutzbund (NABU). Die Qualität des Getreides werde über möglichst hohe Proteingehalte definiert, die nur durch eine späte Düngung erreicht werden könnten. “Die Pflanzen kann von diesem Dünger jedoch nur wenig aufnehmen”, so Tölle-Nolting weiter. Diese Düngung könne problemlos eingespart werden, denn auch ein niedrigerer Proteingehalt habe keine negativen Auswirkungen auf die Backeigenschaft.

    Transformation der Landwirtschaft entscheidend

    Entscheidend sei letztlich eine Transformation des Agrarsystems hin zu einer regenerativen Landwirtschaft. Über bestimmte Ackerbaumethoden wie dem Anbau von Leguminosen (Hülsenfrüchtlern) kann Stickstoff auf natürliche Weise gebunden und genutzt werden.

    Als mögliche Lösung gilt auch, mineralischen Dünger vermehrt durch organischen aus der Tierhaltung zu ersetzen. Aufgrund der geplanten Ausweitung der Industrieemissionsrichtlinie befürchten Bauernverbände jedoch eine Einschränkung der Nutztierhaltung und damit eine Reduktion des verfügbaren Wirtschaftsdüngers.

    Daneben haben viehstarke Regionen häufig mit überdüngten Flächen zu kämpfen. Organischer Dünger wird meist in flüssiger Form ausgebracht und gelangt zu häufig ins Grundwasser, aus dem in Deutschland rund 70 Prozent des Trinkwassers gewonnen werden. Etliche Regionen in Deutschland verstoßen seit Jahren gegen die EU-Nitratrichtlinie, weshalb es bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gab.

    BMEL: Kein akuter Handlungsbedarf

    Auch deshalb will das Landwirtschaftsministerium für eine bessere Verteilung sorgen. “Damit wäre eine Reduktion in viehstarken Regionen einerseits und anderseits ein Ersatz für Mineraldünger in vieharmen Regionen möglich”, sagt ein Sprecher.

    Auch mit Blick auf die globale Lage begrüßt das BMEL das Bestreben der EU nach einer Absicherung der Düngemittelversorgung. Akuten Handlungsbedarf in Deutschland sieht die Bundesregierung aber nicht. Die Preise für Dünger seien hier bereits deutlich gesunken und die Nachfrage zurückgegangen. Die Versorgung der Landwirte sei nicht gefährdet. Beim Deutschen Bauernverband ist man weniger entspannt. Die Volatilität am Markt sei weiter hoch und sorge nach wie vor für große Unsicherheit in der Landwirtschaft, heißt es dort. Ein Ende der Debatte – vorerst nicht in Sicht.

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    Lebensmittelabfälle: Testlauf für Bürgerbeteiligung bei der Gesetzgebung

    Bis 2025 sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass 55 Prozent ihrer Siedlungsabfälle recycelt oder wiederverwendet werden. Im vergangenen Jahr warnte die Kommission bereits: Mehr als die Hälfte der EU-27 laufe Gefahr, die Ziele der EU-Abfallrahmenrichtlinie nicht zu erreichen. Seit einem Jahr arbeitet sie bereits an der Folgenabschätzung für eine Überarbeitung der Richtlinie, laut der aktuellen Agenda will sie am 7. Juni ihren Vorschlag vorlegen. Dabei konzentriert sie sich auf die Bereiche Lebensmittel und Textilien.

    Neben der regulären öffentlichen Konsultation setzt die EU-Kommission dabei erstmals auf eine neue Form der Bürgerbeteiligung: Sie bezieht die Ergebnisse eines Bürgerpanels ein, in dem 150 EU-Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Monaten gemeinsam Empfehlungen zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung erarbeitet haben.

    Empfehlungen sollen in Vorschlag einfließen

    Nach drei Beratungswochenenden fand kürzlich in Brüssel die Abschlusssitzung des ersten Bürgerpanels dieser Art statt. Das Gremium erarbeitete 23 Empfehlungen, unter anderem:

    • Unterstützung von Kleinerzeugern im Handel mit Einzelhändlern und Supermärkten
    • öffentliche und private Unterstützung für die lokale Landwirtschaft
    • strukturelle Unterstützung von Lebensmittelbanken und Umverteilungsstellen durch die Regierungen
    • Einführung einer zentral verwalteten Plattform, die Einzelhändler mit Lebensmittelbanken verbinden, um die verschiedenen bereits existierenden Apps zu verknüpfen
    • zentrale Sammlung und Monitoring von Daten darüber, wie, wo, wer, warum und wann Lebensmittelabfälle in der gesamten Lebensmittelversorgungskette anfallen
    • effektivere Aufklärung der Verbraucher über den Wert von saisonalen Lebensmitteln
    • Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umverteilung von überschüssigen und bald ablaufenden Lebensmitteln
    • weitere Investitionen in die wissenschaftliche Forschung zu innovativen und alternativen nachhaltigen Verpackungsmethoden

    Den Abschlussbericht des Panels arbeitet die Kommission nun in die öffentliche Konsultation und die Folgenabschätzung des Gesetzesvorschlags zur Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie ein.

    Ziel: Abfallaufkommen halbieren

    Die geltende Abfallrahmenrichtlinie legt eine Abfallhierarchie von Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Recycling, anderen Verwertungsoptionen und der Beseitigung von Abfällen fest. Die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen umsetzen, um die Entstehung von Abfällen zu vermeiden und bestimmte Arten getrennt zu sammeln. Sie enthält auch Überprüfungsklauseln für Vermeidungsmaßnahmen, Lebensmittelabfälle und Altöl. Als konkrete Ziele gibt sie vor, dass bis 2035 mindestens 65 Prozent der Siedlungsabfälle recycelt oder wiederverwendet werden sollen. Als Zwischenziele sind 50 Prozent für 2020, 55 Prozent für 2025 und 60 Prozent für 2030 vorgeschrieben. 

    Im Green Deal und ihrem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft hat sich die EU dazu verpflichtet, die Abfallwirtschaft zu vereinfachen und das Aufkommen deutlich zu verringern. Ihr Ziel, das auch den UN Sustainable Development Goals entspricht: Bis 2030 soll die Menge nicht recycelter Siedlungsabfälle halbiert werden. Den Grund für die bislang mangelhaften Ergebnisse sieht die Kommission vor allem in ineffizienten Sammelsystemen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich seien.

    Kommission will Hersteller in die Pflicht nehmen

    Für die Überarbeitung konzentriert sich die Kommission unter anderem auf den Bereich der Lebensmittelabfälle, die einen großen Teil der Siedlungsabfälle ausmachen. Mehr als 57 Millionen Tonnen Lebensmittel landen laut Zahlen der Kommission pro Jahr im Abfall. Sie verursachen zwischen 6 und 10 Prozent der Treibhausgasemissionen und kosten die EU jährlich mindestens 130 Milliarden Euro.

    Das Parlament hatte die Kommission bereits 2017 in einem Initiativbericht dazu aufgefordert, die Festlegung verbindlicher Ziele für die Verringerung der Lebensmittelabfälle zu prüfen und eine gemeinsame Methodik zur Messung festzulegen.

    Laut ihrem Call for Evidence für die Folgenabschätzung erwägt die Kommission nun unter anderem

    • die Einführung allgemeiner und/oder produktspezifischer Vermeidungsmaßnahmen, einschließlich Zielvorgaben für die Abfallverringerung,
    • die Ausweitung der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsability, EPR) bei der Erreichung von Abfallvermeidungszielen,
    • die Verbesserung der getrennten Sammlung von Abfällen durch Klärung und/oder Einschränkung des Geltungsbereichs von Ausnahmeregelungen,
    • die Einführung von Mindestanforderungen für die Trennung an der Quelle und die getrennte Sammlung von Abfällen,
    • die Stärkung des Verursacherprinzips durch Ausweitung der EPR-Regelungen auf andere Produktkategorien (wie Textilien und Öle),
    • die Festlegung von Zielen für die Sammlung und Aufbereitung von Altöl.

    Nach Zukunftskonferenz: Weitere Panels geplant

    Das partizipative Konzept bei dem Thema ist ein Ergebnis der Konferenz zur Zukunft Europas, die von 2021 bis 2022 stattfand. Die Kommission will die Panels nun regelmäßig in die Konsultation vor wichtigen Gesetzesvorhaben einbinden. Jedes Gremium besteht aus rund 150 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, wobei auf eine ausgewogene Verteilung verschiedener Herkünfte (Mitgliedstaaten, Stadt/Land, Geschlecht, sozioökonomischer Hintergrund und Bildungsniveau) geachtet wird. Zudem muss ein Drittel der Teilnehmenden jünger als 26 Jahre sein.

    Das erste Gremium bezeichnete die Kommission als Erfolg. “Wir nehmen nun die Bürgerforen in unser Instrumentarium auf, um sicherzustellen, dass die Ideen der Bürger bei wichtigen politischen Initiativen, die sich auf ihr tägliches Leben auswirken, berücksichtigt werden”, sagt Dubravka Šuica, Vizepräsidentin für Demokratie und Demografie.

    Auf das erste Panel zum Thema Lebensmittelverschwendung sollen weitere folgen: Bereits in den kommenden Wochen findet ein Bürgerpanel zum Thema virtuelle Welten statt, das Empfehlungen für die geplante Kommissionsinitiative erarbeiten soll. Im Frühling soll außerdem ein Panel zum Thema Learning Mobility stattfinden.

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    Nordirland-Protokoll: Von der Leyen zu Gesprächen in London

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Rishi Sunak werden am heutigen Montag in London persönliche Gespräche führen, um eine neue Vereinbarung für Nordirlands Handelsbeziehungen nach dem Brexit zu treffen, wie beide Seiten am Sonntag mitteilten. Eine Einigung über Änderungen am sogenannten Nordirland-Protokoll steht Berichten zufolge kurz bevor und könnte heute im britischen Parlament vorgestellt werden.

    Von der Leyen und Sunak wollten ihre Arbeit persönlich fortsetzen, “um gemeinsame, praktische Lösungen für eine Reihe komplexer Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Protokoll über Irland und Nordirland zu finden”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. London und Brüssel führen seit Monaten Gespräche, um die Streitigkeiten um Brexit-Regeln für Nordirland zu entschärfen.

    Sunak will seine Partei und seine Wählerschaft auf eine Einigung mit der EU einstimmen. “Der Brexit ist immer noch nicht vollständig durchgezogen und ich will die Sache zu Ende bringen”, sagte Sunak in einem Interview mit der “Sunday Times”. “Ich bin das ganze Wochenende dabei und versuche, es zum Abschluss zu bringen. Wir geben alles, was wir haben.” Laut der britischen Nachrichtenagentur PA erhielten die Abgeordneten der konservativen Regierungspartei die Anweisung, am Montag ins Parlament zu kommen. Dies wurde als Anzeichen dafür gedeutet, dass Sunak eine Einigung mit der EU verkünden könnte.

    Sunak stimmt seine Partei auf Einigung mit der EU ein

    Das Nordirland-Protokoll ist Teil des Brexit-Vertrags. Es sieht vor, dass die Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU in der Irischen See verläuft. Damit sollte verhindert werden, dass Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland eingeführt werden müssen. Sonst wurde mit einem Wiederaufflammen des Konflikts um eine Vereinigung der beiden Teile Irlands gerechnet. Doch die Kontrollen sorgen auch für Schwierigkeiten im innerbritischen Handel und die protestantischen Anhänger der Union in Nordirland fühlen sich von Großbritannien abgeschnitten.

    Entscheidend für den Erfolg einer Einigung ist daher, ob Sunak es schaffen wird, die größte protestantisch-unionistische Partei in Nordirland, DUP, hinter sich zu bringen. Diese blockiert aus Protest gegen das Protokoll seit Monaten eine Regierungsbildung in dem britischen Landesteil. Sunak stimmte am Wochenende auch in diversen Gastbeiträgen auf den erwarteten Durchbruch ein. “Wir müssen es hinkriegen, dass der Brexit für das gesamte Vereinigte Königreich funktioniert“, schrieb er im konservativen “Telegraph”. Dem Blatt zufolge soll sich im eigenen Kabinett bereits Widerstand regen und Nordirland-Minister Steve Baker bereits seinen Rücktritt erwägen. Im Boulevard-Blatt “Sun” versicherte Sunak den Lesern, trotz seines mutmaßlichen Kompromisses mit der EU weiterhin ein überzeugter “Brexiteer” zu sein. rtr/dpa

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    EU verhängt zehntes Sanktionspaket gegen Russland

    Die Europäische Union hat neue Sanktionen gegen Russland mit Exportbeschränkungen im Wert von mehr als 11 Milliarden Euro verhängt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Wochenende davon, dass die EU die weitreichendsten Sanktionen aller Zeiten verhängt habe, “die Russlands Kriegsarsenal dezimieren und tief in seine Wirtschaft eingreifen”.

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die neuen Sanktionen als kraftvoll, forderte aber weitere Strafen etwa gegen die russische Nuklearindustrie im allgemeinen. Dagegen setzen sich jedoch EU-Staaten wie Ungarn ein. Rosatom errichtet zwei neue Reaktorblöcke für das ungarische Atomkraftwerk Paks.

    Die ständigen Vertreter der EU-Staaten hatten sich am Freitag, dem Jahrestag der russischen Invasion in die Ukraine, auf das neue Sanktionspaket verständigt. Es ist das mittlerweile zehnte seit Februar vergangenen Jahres. Mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt am Samstagabend wurde es wirksam.

    Konkret sind nun etwa weitere Exportverbote für Güter vorgesehen, die die russische Industrie nicht über Drittstaaten wie China beziehen kann. Dazu zählen Maschinenteile, Antennen, Spezialfahrzeuge sowie Ersatzteile für Lkw und Triebwerke. Zudem soll es Exportrestriktionen für elektronische Bauteile geben, die für russische Waffensysteme sowie Drohnen, Raketen und Hubschrauber verwendet werden könnten. Nach Angaben der Kommission hat die EU nun Exporte im Wert von insgesamt fast 44 Milliarden Euro beschränkt. Das entspricht fast der Hälfte aller Ausfuhren nach Russland im Jahr vor dem Krieg.

    Selenskyj fordert Strafen gegen russischen Nuklearindustrie

    Hinzu kommen neue Importbeschränkungen im Wert von fast 1,3 Milliarden Euro etwa für synthetischen Kautschuk und Bitumen. Insgesamt sind der EU-Kommission zufolge nun Einfuhren im Wert von mehr als 90 Milliarden Euro von den Einfuhrbeschränkungen betroffen – rund 58 Prozent der Importe von 2021.

    Auch gegen Russlands Versorgung mit militärisch nutzbaren zivilen Gütern wie Drohnen soll weiter vorgegangen werden. So werden nach Angaben der EU-Kommission unter anderem sieben Unternehmen aus dem Iran sanktioniert, die an der Belieferung Russlands mit Drohnen vom Typ Shahed beteiligt sein sollen und Teile aus der EU nutzen.

    Wie bereits bei früheren Paketen werden weitere Personen und Organisationen sanktioniert, denen vorgeworfen wird, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben oder zu bedrohen. Sie dürfen nicht mehr in die EU einreisen und ihre etwaigen Vermögen in der EU müssen eingefroren werden. Betroffen sind 87 weitere Personen und 34 Organisationen.

    Unter den neuen Listungen ist etwa die Alfa-Bank, die als Russlands größtes Finanzinstitut in Privatbesitz gilt. Zudem sollen die Strafmaßnahmen etwa die Tinkoff Bank und die Rosbank treffen. Auch wurden stellvertretende Minister, russische Regierungsbeamte, Verantwortliche für die Deportation und Zwangsadoption ukrainischer Kinder, Propagandisten und neue Mitglieder des russischen Föderationsrats auf die Sanktionsliste gesetzt.

    Sanktionen gegen weitere Teile der Wagner-Gruppe

    Zudem werden Iraner sanktioniert, die an der Herstellung von Drohnen sowie von Teilen zur Unterstützung des russischen Militärs beteiligt sein sollen. Unter anderen Sanktionsregimen hat die EU nun zudem elf weitere Mitglieder und sieben Einrichtungen mit Strafmaßnahmen belegt, die mit der russischen Söldnertruppe Wagner in Verbindung stehen. Um gegen russische Propaganda vorzugehen, sollen zudem die beiden Sender RT Arabic und Sputnik Arabic verboten werden.

    Mit Blick auf die mögliche Verwendung für den Wiederaufbau der Ukraine müssen künftig außerdem alle eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank sowie andere eingefrorene russische Vermögen in der EU gemeldet werden. Russen dürfen künftig zudem nicht mehr in Führungsgremien von Unternehmen in der EU sitzen, die für kritische Infrastruktur wie die Energieversorgung verantwortlich sind. dpa

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    Scholz und Modi wollen strategische Partnerschaft erweitern

    Bei seinem zweitägigen Besuch in Indien, dem ersten als deutscher Regierungschef, hat Bundeskanzler Olaf Scholz mit Premierminister Narendra Modi vereinbart, die Strategische Partnerschaft zwischen Indien und Deutschland zu erweitern und an einem Fahrplan für Innovation und Technologie zu arbeiten. Die beiden Länder wollen damit wissenschaftliches und technologisches Wissen für die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder nutzen und globale Herausforderungen angehen.

    Die wichtigsten Elemente der deutsch-indischen Zusammenarbeit in den Bereichen Innovation, Technologie und Wirtschaft sowie des Fahrplans sind:

    • Energiepartnerschaft und saubere Technologien: Die Projekte befassen sich mit Fragen der gerechten Energiewende, der Energiesicherheit, der Flexibilisierung des Energiesystems, des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien, grüner Netze und Speicher, der Energieeffizienz und emissionsarmer Energiesysteme. Dazu gehören auch Großprojekte wie die grünen Energiekorridore und die Partnerschaft für erneuerbare Energien sowie die Zusammenarbeit zwischen indischen und deutschen Unternehmen bei der Herstellung von Elektrolyseuren und beim Handel mit grünem Wasserstoff und Derivaten.
    • Deutsch-Indische Task Force für grünen Wasserstoff: Die im Mai 2022 eingerichtete Task Force hat das Ziel, grünen Wasserstoff wirtschaftlich nutzbar zu machen. Sie soll die Zusammenarbeit bei der Produktion, Nutzung, Speicherung und Verteilung von grünem Wasserstoff durch die Schaffung von Rahmenbedingungen für Projekte, Vorschriften und Normen, Handel und gemeinsame F&E-Projekte stärken.
    • Zusammenarbeit zwischen dem indischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie (DST) und der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft im Bereich des grünen Wasserstoffs bei den vom DST eingerichteten Wasserstoff-Energie-Clustern, der Integration von Technologien der Fraunhofer-Gesellschaft mit indischen Technologien und der langfristigen Technologieentwicklung in den Bereichen der erneuerbaren Energien.

    Scholz verspricht Fortschritte beim Handelsabkommen

    Scholz betonte die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Die 1800 deutschen Unternehmen, die in Indien tätig seien, “haben Zehntausende von Arbeitsplätzen geschaffen und gehören zu den größten ausländischen Investoren hier im Lande“, sagte er. “Das soll so weitergehen, diese Investitionen sollen ausgeweitet und die Zahl der Beschäftigten massiv erhöht werden”. Die beiden Staats- und Regierungschefs kamen überein, den Rahmen und das Ökosystem für das Gedeihen der deutsch-indischen Geschäftsbeziehungen zu stärken.

    Die beiden Länder vereinbarten zudem, die Zusammenarbeit im Rahmen der deutsch-indischen Arbeitsgruppe für Qualitätsinfrastruktur zu verstärken und das wirtschaftliche Potenzial für Start-ups in Indien und Deutschland zu erkunden. Die Gespräche mit Wirtschaftsführern aus beiden Ländern – eine Wirtschaftsdelegation aus dreißig Unternehmen begleiteten den Bundeskanzler – konzentrierten sich auf die digitale Transformation, FinTech, IT, Telekommunikation und Diversifizierung der Lieferketten.

    Scholz sagte, er werde sich persönlich für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien einsetzen. “Wir wollen die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Indien stärken”, erklärte er. “Deshalb setzen wir uns beide dafür ein, dass das Freihandelsabkommen zwischen unseren Ländern endlich funktioniert – ein sehr wichtiges Thema. Ich werde mich auch persönlich dafür einsetzen, dass diese Angelegenheit nicht so lange dauert wie in der Vergangenheit, sondern dass hier schnellere Fortschritte möglich sind.”

    Indien und Deutschland vereinbarten darüber hinaus eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Dreieckskooperation zur Entwicklung von Drittländern. Urmi Goswami

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    Boeselager: Ratsentwurf zum Data Act behindert Datenaustausch

    In der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament gibt es Befürchtungen, dass der Data Act die gemeinsame Nutzung von Daten eher verhindern als befördern könnte. Diese Gefahr bestehe, wenn das Gesetz dem im aktuellen Ratsentwurf stehenden Ansatz in Kapitel II folge, meint der Parlamentarier Damian Boeselager (Grüne/EFA). Angesichts der “umfangreichen Freibriefe von den Verpflichtungen zur gemeinsamen Nutzung von Daten”, die Dateninhabern im Ratskompromiss gewährt würden, und der sehr umfangreichen Haftungsregelung werde das Datengesetz sein ursprüngliches politisches Ziel verfehlen.

    Am Dienstag steht das nächste Treffen der Arbeitsgruppe im Rat für Telekommunikation an. Dort wollen die Delegierten den fünften Kompromiss zum Data Act diskutieren, den Schweden vergangene Woche vorgelegt hat. Der fünfte Kompromiss könnte der letzte sein, bevor der Rat zu einer allgemeinen Ausrichtung kommt. Der federführende ITRE-Ausschuss im EU-Parlament hat seinen Vorschlag bereits abgestimmt.

    “In der im Rat diskutierten Form würde das Datengesetz de jure weitreichende und ungezielte Datenunterdrückungsrechte für Dateninhaber einführen“, kritisiert Boeselager. Das stelle aus der Sicht der Nutzer beziehungsweise Eigentümer und Datenempfänger eine Verschlechterung des bestehenden Rechtsrahmens für nicht personenbezogene Daten dar. “Wir haben den gerechtfertigten und rechtlich klaren Schutz von Geschäftsgeheimnissen, geistigem Eigentum und auch bestimmten Sicherheitsbedenken im Parlament unterstützt”, sagt der Abgeordnete. Der Text des Rates jedoch eröffne große Bereiche der Rechtsunsicherheit.

    In der Konsequenz würde der Data Act laut Boeselager zu einem “Data Suppression Act” werden, zumindest für Akteure ohne nennenswerte rechtliche und finanzielle Ressourcen. “Das Gesetz wird sehr große Unternehmen mit datenrechtlichem Know-how, großen Rechtsabteilungen und finanziellen Ressourcen schützen, die es sich leisten können, vor Gericht zu gehen oder sich an privaten Schiedsverfahren zu beteiligen”, prognostiziert er. Start-ups, KMU und solche Unternehmen, die weder die Mittel noch die juristische Expertise hätten, würden dagegen vor dem Datentausch zurückschrecken. vis

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    Studie: Uneinheitliche Standards und Intransparenz in Metalllieferketten

    Uneinheitliche Standards, Intransparenz und Machtasymmetrien in den Lieferketten schwächen die Nachhaltigkeits-Governance von Metallversorgungsketten in der EU. Gleichzeitig drohen auch die aktuellen geopolitischen Herausforderungen und das Ziel der Versorgungssicherheit, die Bemühungen um nachhaltige Lieferketten zu untergraben. Das ist das Ergebnis einer am Freitag veröffentlichten Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die sich auf Analysen der Versorgungsketten von Kupfer aus den Anden und Platin aus dem südlichen Afrika stützt.

    Die vier Autorinnen der Studie gehen der Frage nach, welche Governance-Ansätze europäische Akteure anwenden können, um die Nachhaltigkeit in Metalllieferketten zu verbessern und wie sie auf andere Akteure und die vorgelagerten Stufen der Lieferketten Einfluss nehmen können. Die EU müsse Maßnahmen für eine höhere Transparenz, eine strategischere Diversifizierung und einheitliche Umwelt- und Menschenrechtsstandards ergreifen, empfehlen die Wissenschaftlerinnen.

    Europäische Unternehmen seien stark von importierten Metallen abhängig, da Europa nur über sehr begrenzte eigene Reserven verfüge und Recycling die Nachfrage bisher nicht decken könne. Die Nachfrage nach Metallen werde in den kommenden Jahren zudem noch deutlich steigen. Die Covid-19-Pandemie und die russische Invasion in die Ukraine hätten die strukturellen Risiken der Lieferketten und die wachsende geopolitische Rivalität um den Zugang zu Metallen deutlich gemacht, so die Studie.

    Versorgungssicherheit darf keinen Vorrang vor Nachhaltigkeit haben

    “Eine Reihe neuerer Studien zeigt, dass Nachhaltigkeitsstandards in der Tat ein integraler Bestandteil der Versorgungssicherheit sind, weil sie private und staatliche Akteure dazu veranlassen, strategischer zu denken und Risiken in der Lieferkette vorzubeugen”, schreiben die Autorinnen und warnen, es wäre kurzsichtig, der Versorgungssicherheit Vorrang vor Menschenrechten und Nachhaltigkeit einzuräumen. Denn die technischen und geopolitischen Merkmale der Metallversorgungsketten würden die Möglichkeiten der europäischen Akteure einschränken, Einfluss auf ihre Nachhaltigkeit zu nehmen. Als Kunden hätten sie keinen direkten Einfluss auf die ersten Stufen der Produktion wie Bergbau und Raffination.

    Die größten Herausforderungen für die Nachhaltigkeits-Governance seien zum einen die vielfältigen Standards und ihre uneinheitliche und unübersichtliche Umsetzung und Durchsetzung. Zum anderen bestehe ein Ungleichgewicht in den Möglichkeiten der Einflussnahme zwischen einzelnen Unternehmen und Staaten einerseits und der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften andererseits.

    Um das Ziel von nachhaltigen und effektiven Lieferketten voranzutreiben, halten die Autorinnen folgende Empfehlungen für die EU und die Mitgliedstaaten fest:

    • Maßnahmen, um die Diversifizierung zu stärken, mit dem Ziel, die übermäßige Abhängigkeit von einzelnen Ländern wie China zu reduzieren.
    • Verlässliche Partnerschaften mit ressourcenstarken Ländern, die hohe Nachhaltigkeitsstandards anstreben. Berücksichtigung der Bedürfnisse der Partner und entsprechende Unterstützung.
    • Verbesserung der Transparenz und Verringerung der Machtasymmetrien durch gezielte Maßnahmen wie der Förderung von Multi-Stakeholder-Prozessen, um einen “intelligenten Mix” aus freiwilligen und verpflichtenden Governance-Instrumenten zu erreichen. leo
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    Presseschau

    Neue Russland-Sanktionen der EU wirksam – Selenskyj nennt Maßnahmen “kraftvoll” RND
    Nach neuem EU-Sanktionspaket: Russland liefert kein Öl mehr über Druschba-Pipeline nach Polen TAGESSPIEGEL
    Nordirland-Protokoll: Von der Leyen trifft britischen Premier in London SUEDDEUTSCHE
    Nach Erdbeben: EU-Luftbrücke nach Syrien gestartet MDR
    Bootsunglück: EU-Kommissionschefin will Reformen im Asylrecht DEUTSCHLANDFUNK
    Rekord-Steuer! Im EU-Schnitt zahlen deutsche Unternehmen am meisten FOCUS
    Das EU-Label soll Stromfresser sichtbar machen BADISCHE-ZEITUNG
    EU will Kosten für Internetausbau regeln: Auf Geldsuche fürs Netz TAZ
    Schließung von Teilen der Produktion in Ludwigshafen – BASF: Die Abrechnung mit dem Standort Europa FINANZMARKTWELT
    Tegernsee-Oligarch Usmanow will die EU-Sanktionen gegen ihn stoppen SUEDDEUTSCHE

    Standpunkt

    What’s cooking in Brussels? Iranische Stunde im Europäischen Parlament

    Schwarz-weiß Portrait von Claire Stam

    Während die Europäische Union in die Ukraine blickt, drängt auch der Iran auf die politische Bühne. Reza Pahlavi, Sohn des letzten iranischen Schahs, besucht Brüssel, nachdem am 20. Februar 6.000 Menschen aus der iranischen Diaspora und ihre Verbündeten durch die Stadt marschiert sind und demokratische Rechte und mehr Freiheit für Frauen im Iran sowie die Anerkennung der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) als terroristische Organisation durch Europa gefordert haben.

    Die Demonstration wurde von Europaabgeordneten wie Abir Al-Sahlani (Renew) und eben Charlie Weimers (EVP) sowie von nationalen Parlamentariern wie Darya Safai aus Belgien, Theo Francken und Alireza Akhondi aus Schweden unterstützt. Sie sollte Druck auf die Mitgliedsstaaten ausüben, deren Außenminister sich an diesem Tag in der EU-Hauptstadt trafen.

    Auch das Europäische Parlament forderte am 18. Januar, die IRGC auf die Terrorliste zu setzen: Die Abgeordneten unterstützten einen Änderungsantrag zum Jahresbericht über die Außenpolitik, in dem die EU und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die IRGC angesichts ihrer terroristischen Aktivitäten, der Unterdrückung von Demonstranten und der Lieferung von Drohnen an Russland auf die Terrorliste der EU zu setzen.

    “Pahlavi repräsentiert nicht die iranische Diaspora”

    Das Parlament unterstützt also offiziell einige der Forderungen der iranischen Diaspora. Und was sagen die Vertreter der iranischen Diaspora, die in Brüssel im Exil leben? Es sind die kriegslüsternen IRGC und ihre paramilitärischen Basij, die seit vier Jahrzehnten Regimegegner im In- und Ausland erschossen, verhaftet, gefoltert, vergewaltigt und brutal behandelt haben, erklärt Ali Bagheri, Forscher an der Thomas More University in Belgien. Er verließ den Iran 2015, nachdem er 2009 an Demonstrationen teilgenommen hatte, und ist seither nicht mehr in sein Heimatland zurückgekehrt. “Die beiden Organisationen haben keine Unterstützung in der Bevölkerung”, sagt er und weist darauf hin, dass die IRGC in den USA bereits als ausländische Terrororganisation auf der schwarzen Liste stehen.

    Der Beschluss des Europäischen Parlaments sende ein wichtiges Signal, sagt er. “Es geht um eine Institution, die 450 Millionen Menschen vertritt”, betont Bagheri. Aber die EU tue nicht genug, und die Anwesenheit von Reza Pahlavi in Brüssel sei das falsche Signal.

    “Reza Pahlavi repräsentiert nicht die iranische Diaspora“, sagt Sourosh Aboutalebi, Student der Politikwissenschaften in Brüssel und Aktivist der iranischen Opposition. Er verließ den Iran mit seiner Familie, als er sieben Jahre alt war, und lebt seither in Belgien. Die Tausenden Iraner und Iranerinnen, die in Nordamerika und Europa demonstriert haben, etwa 80.000 im Oktober 2022 in Berlin, und 10.000 Anfang Februar in Paris, haben mehr als deutlich gemacht, dass sie nicht in die Vergangenheit schauen, sondern in die Zukunft – und auf eine demokratisch gewählte Republik, sagt er.

    Kritik an angeblicher Unterstützung der Revolutionsgarde

    Aboutalebi erzählt, die Demonstrierenden hätten immer wieder “Nieder mit dem Unterdrücker, sei es der Schah oder der Oberste Führer (Khamenei)” und “Nein zum Schah! Nein zu den Mullahs!” gerufen. “Das zeigt, dass die Menschen wirklich keinen Weg zurück sehen”, führt er fort. “Sie wollen eine säkulare Demokratie“. In der Tat habe Pahlavi durch seine angebliche Unterstützung des IRGC Feindseligkeit im Iran hervorgerufen. “Während einer Talkshow bei Iran International TV im Jahr 2018 sagte er, dass er in bilateralen Kontakten mit dem (Regime-)Militär, dem IRGC und den Basij stehe. Er sagte, dass sie miteinander kommunizieren”, sagt Aboutalebi.

    Sowohl Bagheri als auch Aboutalebi bringen auch ihre Überraschung und Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass Reza Pahlavi als angeblicher Vertreter der iranischen Opposition zur jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz eingeladen wurde. Vor allem, nachdem Anfang des Monats 165 Kongressabgeordnete der beiden großen Parteien im US-Repräsentantenhaus eine Resolution verabschiedet hatten, die den Wunsch des iranischen Volkes nach einer demokratischen, säkularen und atomwaffenfreien Republik Iran unterstützt.

    Sie erzählen: Pahlavi hätte vor der Konferenz eine kleine Gruppe von Demonstranten zusammengebracht. Unter den Plakaten, die von den Monarchisten geschwungen wurden, hätte sich ein großes Foto des berüchtigten Parviz Sabeti befunden, der für die Folterung vieler Oppositioneller verantwortlich sei. Der Farsi-Slogan auf dem Plakat verkündete: “Albtraum der zukünftigen Terroristen”.

    Europa hat noch nicht entschieden, wo es hinschauen will

    “Es scheint, dass man die Gefängnisschlüssel aus der rechten Tasche nimmt, um sie in die linke Tasche zu stecken”, sagt Bagheri.

    Und die Iraner sind dieses Mal nicht damit einverstanden, wie es scheint. Obwohl es im Iran schon früher landesweite Demonstrationen gegeben hat – 2009, 2017 bis Anfang 2018 und eine weitere im November 2019 – sind die aktuellen Proteste einzigartig, da sie Menschen aus der gesamten Gesellschaft einbeziehen und Frauen unter dem Slogan “Frau, Leben, Freiheit” eine führende Rolle einnehmen, erklärt Aboutalebi. Die Bildungsrate im Iran sei sehr hoch und mehr als 50 Prozent der Frauen hätten einen Hochschulabschluss.

    “Ich glaube, dass die Iraner wirklich ein demokratisches Land im Nahen Osten aufbauen können und dass dies zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Ländern in der Region und mit den europäischen Ländern führen wird”, sagt Bagheri. “Und es wird eine Zusammenarbeit sein, die auf den Menschenrechten basiert”. Aboutalebi betont, wie hoffnungsvoll die Menschen in Afghanistan, im Irak und in Syrien seien, wenn sie auf die Bewegung blicken, die im Iran begann. “Aber Europa hat noch nicht entschieden, wo es hinschauen will“, sagt er.

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    Europe.Table Redaktion

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