Table.Briefing: Europe

Von der Leyen stellt Kommission vor + Draghi-Bericht + Borrell drängt bei Waffenlieferungen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ursula von der Leyen bastelt derzeit intensiv an der Struktur ihrer neuen Kommission. Die Ergebnisse ihrer Überlegungen zur Verteilung der Aufgabengebiete will die Kommissionspräsidentin am 11. oder 12. September den Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament vorstellen. Der genaue Termin stehe noch nicht fest, heißt es aus Parlamentskreisen. Ab dem 23. September könnten dann die Anhörungen der Kandidaten in den Ausschüssen beginnen. Noch zuvor wird Mario Draghi die Fraktionschefs über seinen mit Spannung erwarteten Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit unterrichten, und zwar am 5. September, wie meine Kollegen in dieser Ausgabe berichten.

Von der Leyen wartet noch auf die Nachzügler unter den Mitgliedstaaten: Belgien, Bulgarien und Italien haben kurz vor Ablauf ihrer Deadline noch keine Kommissarsanwärter benannt. Die ersten beiden Nachzügler sind wegen der innenpolitischen Hängepartie entschuldigt, nicht aber Italien. Wen Rom schickt, ist eigentlich schon länger klar: Europaminister Raffaele Fitto von der Regierungspartei Fratelli d’Italia gilt seit Wochen als der Kandidat für das Amt des italienischen EU-Kommissars. Andere Namen kursieren selbst in der oft höchst spekulativen italienischen Presse nicht mehr.

Und doch lässt sich Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bis zur letzten Minute Zeit damit, die Personalie an von der Leyen zu schicken, was die Spekulationen über die Gründe anheizt. Klar ist: Meloni weilte bis Anfang dieser Woche im Urlaub. In diesen Tagen bespricht die Regierungschefin sich mit ihren Koalitionspartnern, Matteo Salvini von der Lega und Antonio Tajani von der Forza Italia.

Klar ist aber auch: Die Schmach, bei der Entscheidung über die Nominierung von der Leyens von den Platzhirschen Olaf Scholz und Emmanuel Macron übergangen und links (oder eher rechts) liegen gelassen worden zu sein, sitzt noch tief. Warum sollte Meloni also nun auf Streberin machen und vor der offiziellen Abgabezeit ihre Aufgabe erledigen? Ein bisschen Trotz dürfte bei der Hinhaltetaktik also durchaus eine Rolle spielen.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende.

Ihre
Almut Siefert
Bild von Almut  Siefert

Analyse

Borrell drängt auf schnellere Lieferungen für die Ukraine

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba traten gemeinsam vor die Medien.

Außenminister Dmytro Kuleba gab an der Seite von Josep Borrell den Ton vor: Die Kluft zwischen der Ankündigung von militärischer Unterstützung und der effektiven Lieferung sei für die Ukraine ein Handicap. Für die Streitkräfte sei es angesichts der exzessiv langen Zeitspanne schwierig zu planen und zu wissen, worauf man sich auf dem Schlachtfeld verlassen könne. Konkret nannte Kuleba beim informellen Treffen der EU-Außenminister in Brüssel die zusätzlichen Flugabwehrsysteme, von den europäischen Partnern vor Monaten in Aussicht gestellt. Weitere Verzögerungen soll es zudem bei den Munitionslieferungen geben.

Die EU wird auch beim ersten Ministertreffen nach der Sommerpause von der Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität eingeholt. Bisher hat nur Deutschland geliefert und bereits das dritte Patriot-System tatsächlich überstellt. Kuleba nannte keine Namen, aber dürfte die Niederlande, Rumänien und Spanien im Visier haben, die Systeme oder Teile davon in Aussicht gestellt haben. Die Ukraine bezahle für diese Verzögerungen mit Menschenleben und zerstörten Infrastrukturen. Die Systeme seien bereit und müssten nun rasch geliefert werden.

Der EU-Außenbeauftragte stellte sich hinter Kulebas Aufruf und betonte, dass Russland seit Februar 2022 mehr als 14.000 Drohnen und 10.000 Raketen auf die Ukraine abgefeuert habe. Es sei offenbar einfach zu versprechen und etwas schwieriger zu liefern. Die Ukraine habe zudem mit der Kursk-Offensive “strategischen Mut” bewiesen und demonstriert, dass Russland besiegt werden könne. Er werde die Mitgliedstaaten drängen, die Versprechungen einzuhalten.

Borrell: Ukraine soll russische Ziele angreifen dürfen

Borrell griff auch die Forderung des ukrainischen Außenministers auf, die Einschränkung bei der Nutzung der westlichen Waffen aufzuheben. Die Ukraine müsse die Waffen vollumfänglich im Rahmen des internationalen Rechts einsetzen können. Sonst seien die Waffen nutzlos. Allerdings haben neben den USA bisher nur Großbritannien und Frankreich Waffen mit entsprechender Reichweite der Ukraine zur Verfügung gestellt.

Es gehe darum, dass die Ukraine legitime militärische Ziele wie die Flugplätze ins Visier nehmen könne, von denen aus sein Land täglich angegriffen werde, so Kuleba. “Wir setzen darauf, dass wir die Bewilligung und Raketen bekommen, die diese Ziele erreichen können”. Der Ukrainer dürfte da auch an die deutschen Taurus-Raketen gedacht haben.

Auf die Sorge in einigen Mitgliedstaaten angesprochen, dass Deutschland als wichtigster Pfeiler der Unterstützung wegen Sparzwängen ausfallen könnte, sagte der ukrainische Außenminister, er werde am Rande des Treffens mit der deutschen Außenministerin reden. Es gebe aber bereits Zusicherungen aus Berlin, dass die Versprechungen für das laufende Jahr nicht infrage gestellt würden. Es gehe um die Sicherheit Europas und diese könne nicht von Haushaltszwängen abhängig gemacht werden.

Annalena Baerbock bekräftigte in Brüssel, dass Deutschland bis Ende Jahr vier weitere Flugabwehrsysteme vom Typ IRIS-T sowie zusätzliche Flugabwehrkanonenpanzer vom Typ Gepard liefern wolle. Putin plane einen noch massiveren “Kältekrieg” gegen die Ukraine. Die Antwort der EU müsse ein neuer Schutzschirm sein.

Borrell will Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder

Zweiter Schwerpunkt des informellen Treffens war der Nahostkonflikt. Borrell präsentierte der Runde seinen Vorschlag, Israels Polizeiminister und den Finanzminister auf die Sanktionsliste zu setzen. Den beiden rechtsextremen Regierungsmitgliedern werden Menschenrechtsverletzungen und Aufstachlung zum Hass vorgeworfen. Die Vorbereitungen für eine Sanktionierung seien in Gang gesetzt, sagte Borrell. Doch am Ende müssten die Minister diesem Schritt mit Einstimmigkeit zustimmen.

Außenministerin Annalena Baerbock schloss eine deutsche Zustimmung zu Sanktionen gegen die beiden israelischen Regierungsminister nicht aus. Italien hat aber Ablehnung signalisiert, und Länder wie Österreich, Ungarn und Tschechien dürften sich gegen den Schritt stellen.

Forderungen nach Polio-Impfungen und medizinischen Evakuationen

In einer Erklärung fordern die Außenminister zudem sofortige humanitäre Feuerpausen, damit alle jungen Menschen gegen das Polio-Virus geimpft werden können. “Der Gazastreifen war in den vergangenen 25 Jahren poliofrei. Es ist alarmierend, dass das Polio-Virus entdeckt wurde”. Eine Epidemie sowie eine weitere internationale Ausbreitung müssten vermieden werden.

Außenministerin Annalena Baerbock sagte in Brüssel, die Bundesregierung arbeite mit Hochdruck mit Partnern vor Ort für eine humanitäre Feuerpause und tue alles dafür, dass die Polio-Impfungen jetzt auch verimpft werden könnte. “Polio-Impfungen bringen überhaupt nichts, wenn sie Neugeborenen nicht auch geimpft werden können”, sagte sie.

Sigrid Kaag, UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe für Gaza, briefte die Außenminister über die dramatische Lage. Die ehemalige niederländische Finanzministerin drängte die EU-Staaten zudem, sich stärker an medizinischer Hilfe für erkrankte oder verletzte Zivilisten zu beteiligen. Es gebe eine Liste von 12.000 Zivilisten, die medizinisch evakuiert werden müssten. Die Evakuierungen dürften nicht nur Ägypten, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten überlassen werden. Die Bundesregierung arbeitet nach eigenen Angaben bereits daran, zumindest einige Kinder aufzunehmen.

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Fall Durow: Warum andere Plattformbetreiber keine Strafverfolgung fürchten müssen

Nach Tagen in Justizgewahrsam ist der Telegram-Gründer Pawel Durow unter strengen Auflagen und einer Kaution von fünf Millionen Euro wieder auf freiem Fuß – vorerst. Müssen die CEOs anderer Plattformen nun auch damit rechnen, dass sie strafrechtlich verfolgt werden? Denn auf ihren Plattformen finden sich ebenfalls immer wieder illegale Inhalte.

Die französische Staatsanwaltschaft wirft Durow vor, er habe sich durch fehlendes Eingreifen bei Telegram und unzureichender Kooperation mit Behörden des Drogenhandels, der Geldwäsche, des Betrugs und mehrerer Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht. Allein der Vorwurf, mit dem Messengerdienst Beihilfe zu illegalen Transaktionen geleistet zu haben, könnte Durow bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von 500.000 Euro einbringen, sollte Anklage gegen ihn erhoben werden.

Telegram ist ein besonderer Fall

“Bei dieser Art von Vorwürfen könnte es auch jedem anderen CEO passieren, dass eine Staatsanwaltschaft gegen ihn vorgeht”, sagt Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von Algorithm Watch. Er hält es aber für unwahrscheinlich, dass das passiert. Denn er und andere Experten sehen deutliche Unterschiede im Verhalten von Telegram im Vergleich zu anderen Plattformen.

Andere verhielten sich nicht so ignorant wie Pawel Durow, meint Spielkamp. “Die großen Plattformen, über die wir meistens reden, agieren so nicht.” Man könne ihnen vorwerfen, dass sie nicht gut genug gegen Betrugsversuche, Hassrede oder mitunter gegen illegale Inhalte vorgehen. Das sei aber anders als bei Telegram. Hier würden Drogen angeboten und Bilder von Kindesmissbrauch getauscht. Die Organisation Cemas legte einen Bericht vor, wonach Telegram zur “wichtigsten Plattform für Verschwörungs­ideologien und Rechts­extremismus” wurde. “Telegram ist leider bekannt dafür, dass sie sich nicht viel darum scheren.” Für Spielkamp ist es daher keine Überraschung, dass Frankreich nun gehandelt habe.

“Telegram hat sich über Jahre hinweg einen Namen dadurch gemacht, dass die Betreiber nicht mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren“, argumentiert auch Internetrechtsexperte Matthias Kettemann. Anders als etwa bei WhatsApp sei eine Verschlüsselung der Kommunikation bei Telegram zwar möglich, aber bei 80 Prozent der Kommunikation nicht der Fall. “So könnten die Betreiber sehr wohl reinschauen, was Nutzer anderen Nutzern schreiben. Sie tun es aber nicht.” Dass Telegram zu einem der größten Häfen für extremistisches Material oder für Bilder sexueller Ausbeutung von Kindern geworden sei, “das weiß der Chef natürlich. Aber er hat lange Jahre einfach nichts dagegen gemacht.”

Internetrechtsexperte sieht Durow als “Content-Macho”

Die französischen Behörden hätten nun offenbar ein Signal setzen wollen. Es habe in den vergangenen zehn Jahren weltweit bis zu acht Fälle gegeben, wo Manager von Plattformen kurzfristig vor allem zur Druckausübung in Haft genommen wurden, erläutert Kettemann. In Indien etwa, auch in Italien. “Aber es ist sehr, sehr selten. Und ich glaube nicht, dass sich das wiederholt, weil wir jetzt mit den europäischen Regeln für Plattformen ein gutes neues System haben”, sagt Kettemann. “Da braucht man den CEO nicht mehr in Haft zu nehmen.” Er hält Telegram für einen Ausnahmefall, in dem dies gerechtfertigt sei.

Durow sei ein “Content-Macho” der sich als Kämpfer für die Freiheit geriere. “In Wirklichkeit ist er aber eine durchaus problematische Figur“, findet Kettemann. Man könne Durow auch nicht mit X-Eigentümer Elon Musk vergleichen, auf dessen Plattform etwa gewaltverherrlichende Inhalte wie auf Telegram nicht zu finden seien. Telegram und sein CEO Durow hätten es womöglich der cleveren rechtlichen Konstruktionen zu verdanken, solange von der Justiz in Ruhe gelassen worden zu sein: Server in 20 verschiedenen Länder, am Unternehmenssitz in Dubai nur ein Briefkasten.

Frankreich prescht vor, Deutschland und die EU schauen zu

Bemerkenswert ist, dass jetzt die französische Justiz aggressiv vorgeht. Anders als der deutsche Staat, der Telegram im Grunde das Gleiche vorwirft. Bundesinnenministerin Nancy Faser war es 2022 eine Nachricht auf X wert, überhaupt mit der Telegram-Führung in Kontakt gekommen zu sein. Es habe dann auch eine Videokonferenz mit Durow gegeben, erinnert sich Matthias Spielkamp. Allerdings: “Anschließend ist nichts passiert.”

Verwunderlich auch, dass der noch amtierende Binnenmarktkommissar Thierry Breton nicht so sehr gegen Telegram wettert, wie etwa gegen X. Dabei hat Breton kein Problem damit, sich öffentlich mit mächtigen Unternehmern anzulegen. Mit Elon Musk führt er gern Auseinandersetzungen über X auf X. Zuletzt geschah dies Mitte August, als Breton Musk vor dessen Interview mit Donald Trump vor Verletzungen europäischer Gesetze gegen Hass- und Gewaltaufrufe im Netz warnte.

Der Grund könnte sein, dass Telegram nach dem Digital Services Act (DSA) noch nicht unter der Aufsicht der Kommission steht. Das wäre erst der Fall, wenn Telegram als Very Large Online Platform designiert wäre. Telegram bestreitet aber, die Schwelle von 45 Millionen Nutzern in der EU zu überschreiten. Aktuell stellt die Kommission nach Angaben eines Sprechers zur Überprüfung eigene Rechnungen dazu an. Doch die sind noch immer nicht abgeschlossen.

DSA sieht empfindliche Strafen vor, aber keine Haft

Der DSA sehe viele, teils langwierige und mehrstufige Verfahren vor, um mit möglichen Risiken auf Plattformen umzugehen, ohne dass es zu Verhaftungen von CEOs kommen muss, erläutert Julian Jaursch vom Thinktank Interface. So kann die Kommission am Ende empfindliche Bußgelder verhängen. Solche Geldstrafen haben sich bereits in der Vergangenheit als sehr wirksam erwiesen.

Da Telegram bisher nicht unter die Aufsicht der Kommission falle, “sind Aktionen der Kommission daher nicht zu erwarten.” Das wiederum eröffne Spielräume für ein Vorgehen nationaler Behörden. “Bevor das Unternehmensmanagement zur Rechenschaft gezogen wird, sollten aber andere Maßnahmen greifen“, meint Jaursch. “Maßnahmen, die den Plattformennutzenden idealerweise schneller und langfristiger helfen.” Bei Telegram habe dieser Ansatz offenbar über mehrere Jahre nicht funktioniert, sodass die französische Justiz nun einen anderen Weg gewählt habe.

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News

Digitalministerium prüft Instrumente zur Verifizierung von Bildern in Sozialen Medien

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr prüft derzeit, wie es Plattformen dazu bringen kann, Authentifizierungswerkzeuge einzubauen, die offenlegen, ob ein Bild echt oder manipuliert ist. Die Gespräche befänden sich noch in einem sehr frühen Stadium, sagte Benjamin Brake, Leiter der Abteilung Digitalpolitik im deutschen Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Es sei wahrscheinlich, dass das Thema letztlich auf EU-Ebene behandelt werden muss, fügte er hinzu.

Ein solches Tool wäre ein Schritt über das hinaus, was derzeit im Rahmen des Digital Services Acts (DSA) vorgeschrieben ist. Dieses verlangt von sogenannten sehr großen Online-Plattformen, dass sie über Systeme zum Umgang mit Fehlinformationen, Hass und terroristischen Aktivitäten verfügen. 

Das Ministerium habe sich noch nicht an Social-Media-Plattformen gewandt, aber Beamte hätten sich mit einem Unternehmen getroffen, das Tools zur Bildauthentifizierung anbietet, sagte Brake. “Wir möchten einen Weg finden, wie die Menschen erkennen können, ob etwas echt ist”, sagte er.

KI-Bilder im Wahlkampf

Es sei noch zu früh, um zu sagen, wie ein solches Tool in der Praxis funktionieren würde und ob es gesetzlich vorgeschrieben wäre. Aber Brake sagte, dass es sich wahrscheinlich um eine Art Metadaten-Tag handeln würde. Man versuche, mit großen Plattformen darüber zu sprechen, warum sie solche Tools aktuell nicht nutzen und ob es irgendwelche Hindernisse gibt.

Regierungen auf der ganzen Welt sind alarmiert wegen gefälschter oder manipulierter Bilder, die in den sozialen Medien kursieren, insbesondere in Wahlkampfzeiten. Russische Beeinflussungskampagnen verbreiteten Deepfakes vor den Europa-Wahlen im Juni. Kürzlich nutzten unbekannte Akteure die Identitäten europäischer Influencer, um in den USA Botschaften zugunsten von Donald Trump zu verbreiten, wie CNN am Mittwoch berichtete.

Bisherhige Tools ungenügend

Einige Plattformen wie TikTok, Instagram und Facebook verlangen von den Nutzern, dass sie KI-generierte Inhalte kennzeichnen. Zudem haben sie Tools eingeführt, mit denen sie erkennen können sollten, wann KI eingesetzt wird. Diese funktionieren derzeit aber eher als Warnhinweis und können die Authentizität eines Bilds nicht garantieren.

Das KI-Gesetz der EU (AI Act), das am 1. August in Kraft getreten ist, dessen Bestimmungen aber erst in zwei Jahren greifen, schreibt vor, dass von KI generierte Bilder mit Tags oder Wasserzeichen versehen werden müssen. Diese Vorschriften gelten jedoch nur für die KI-Systeme und nicht für soziale Medienplattformen, auf denen die Bilder verbreitet werden können. J.D. Capelouto

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Wettbewerbsfähigkeit: Draghi stellt Bericht im Parlament vor

Der frühere EZB-Präsident Mario Draghi wird die Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament am kommenden Mittwoch über seinen Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit Europas unterrichten. Draghi wird in der Sitzung der Conference of Presidents (CoP) am Nachmittag einen Ausblick auf seinen mit Spannung erwarteten Bericht geben, wie es am Donnerstag in Brüssel hieß. Den gesamten ausführlichen Bericht selbst werde er an einem der folgenden Tage veröffentlichen, hieß es weiter.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den früheren italienischen Ministerpräsidenten vor einem Jahr damit beauftragt, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu analysieren und Reformvorschläge zu geben. Die Fertigstellung des Berichts verzögerte sich, wohl auch auf Wunsch von der Leyens, mit Blick auf die Europawahl im Juni und die nötige Bestätigung der CDU-Politikerin als Kommissionspräsidentin.

Von der Leyen hat Wettbewerbsfähigkeit zur Hauptpriorität ihrer zweiten Amtszeit erklärt. Draghis Schlussfolgerungen dürften die Debatte stark beeinflussen und auch in die Mission Letters der neuen Kommissare einfließen. Dem Vernehmen nach wird der 76-Jährige unter anderem die mangelnde Risikobereitschaft und den unterentwickelten Unternehmergeist in Europa kritisieren und sich für einen schrittweisen Abbau der Abhängigkeiten von Ländern wie China aussprechen. tho

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Christophe Hansen: Ein Umweltpolitiker auf dem EU-Chefposten für Landwirtschaft und Ernährung

Mit Christophe Hansen übernimmt – vorausgesetzt, das EU-Parlament stimmt seiner Ernennung zu -, ein Kandidat den Posten des Agrar- und Ernährungskommissars, der zuvor deutlich Interesse an dem Job gezeigt hat. “Ja, ich komme aus einer landwirtschaftlichen Familie, ja, ich habe viel zu landwirtschaftlichen und Umweltdossiers gearbeitet”, sagte Hansen nach seiner Nominierung als EU-Kommissar im Interview mit dem Luxemburger Sender RTL.  

Immer wieder lenkt der 42-Jährige das Gespräch auf Agrarthemen, spricht von Bürokratieabbau und mehr Spielraum bei der Umsetzung von Regeln vor Ort. Bisher ist Hansen, der mit kurzer Unterbrechung seit 2018 im EU-Parlament sitzt, vor allem als Umwelt- und Handelspolitiker in Erscheinung getreten. 

Verteidiger der Anti-Entwaldungsverordnung 

In dieser Funktion hatte er aber auch Berührungspunkte mit Landwirtschaftsthemen. So führte er in der vergangenen Legislaturperiode als Berichterstatter des Parlaments die Verhandlungen über die umstrittene Anti-Entwaldungsverordnung. Letztere verteidigte er auch jüngst noch - trotz wachsender Kritik auch aus seiner eigenen Parteiengruppe an den Regeln, die ab Ende des Jahres wirksam werden sollen. 

Vereinzelt kam der Luxemburger im Laufe seiner Karriere aber auch direkt mit Landwirtschaftsthemen in Berührung: Während seiner kurzen Zeit als Abgeordneter im luxemburgischen Parlament, von November 2023 bis Juli dieses Jahres, war Hansen dort Mitglied im EU-Agrarausschuss. Und zu Anfang seiner Karriere, als Assistent der damaligen EU-Abgeordneten Astrid Lulling, arbeitete er auch zu Landwirtschaftsdossiers. Im persönlichen Umfeld kommt Hansen nicht nur aus einer landwirtschaftlichen Familie im Norden Luxemburgs, seine Cousine, Martine Hansen, ist auch die Agrarministerin des kleinen Landes. 

Möglicher Kompromisskandidat zwischen EVP und Progressiven 

Dass Hansen bisher zwar mit Agrarthemen in Berührung gekommen ist, das aber eher am Rande, könnte von der Leyen in die Hände spielen. Denn als konservativer Umweltpolitiker könnte Hansen als Bindeglied wirken: Zwischen seiner und von der Leyens eigener Partei, der EVP, einerseits, die wie versprochen einen Agrarkommissar aus dem eigenen Lager bekommt. Und progressiveren Kräften andererseits, auf die sich von der Leyen im Parlament stützt und die durch einen allzu hartgesottenen Agrarpolitiker verprellt werden könnten. 

Und als Luxemburger, der fließend Deutsch und Französisch spricht, kann er gute Verbindungen zu zwei der wichtigsten Agrarländer der EU pflegen. 

Dass als Agrarkommissar solch ein politischer Drahtseilaktauf ihn zukommt, scheint Hansen auch selbst bewusst zu sein. Im RTL-Interview betont er die Bedeutung von Ausgleich und Dialog: “Man muss das Gespräch mit den Menschen vor Ort suchen, mit Umweltorganisationen, mit Landwirtschaftsverbänden.” jd

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Wie Starmer das Dreieck Frankreich, Deutschland, Großbritannien stabilisieren könnte

Der britische Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben am Donnerstag ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigt. Das sei essenziell, um “die Verteidigung und die Sicherheit des Landes wie auch des Kontinents” zu garantieren, verkündeten sie in einer gemeinsamen Erklärung.  

Nachdem Starmer am Mittwoch Bundeskanzler Olaf Scholz zum Antritt besucht hatte, war er nach Paris weitergereist, um Macron zu treffen. Der deutsche und der britische Regierungschef hatten am Mittwoch angekündigt, ein neues bilaterales Abkommen Anfang 2025 auszuhandeln. Kern soll ein Verteidigungsabkommen sein.

Das Vereinigte Königreich und Deutschland sind finanziell die größten Unterstützer der Ukraine, Frankreich gehört zumindest verbal dazu.

Gelegenheit für vertiefte Kooperation

Für Gesine Weber, Politikwissenschaftlerin am German Marshall Fund und am King’s College London, gebe es ein “Gelegenheitsfenster” für eine vertiefte Kooperation zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Auch wenn eine neue Regierung in Frankreich wackelig werde und in Deutschland ein Regierungswechsel im kommenden Jahr wahrscheinlich sei, hat Großbritannien mit Keir Starmer einen Premierminister, der Macron und Scholz “ideologisch relativ nah” stehe – und gemeinsame Herausforderungen sehe.

Das Sicherheitsabkommen, das Deutschland und Großbritannien schließen wollen, müsse man “auch unter dem E3-Kontext sehen”, sagt Weber. Die europäische E3-Gruppe aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland hat sich im Rahmen der Verhandlungen zum iranischen Nuklearprogramm entwickelt.

Zwischen Großbritannien und Frankreich sorge der sicherheitspolitische Lancaster-House-Vertrag für stabile Beziehungen, die zweite Seite des Dreiecks zwischen Deutschland und Frankreich werde durch den Elysée-Vertrag und den Aachener Vertrag gehalten. Durch seine Besuche stärke Starmer auch die E3. “Die schwächste Seite dieses Dreiecks ist bisher die deutsch-britische Beziehung.” Zwischen Deutschland und Großbritannien passiere derzeit viel im informellen Rahmen, so Weber. bub

  • Europapolitik
  • Geopolitik

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Kolumne

What’s cooking in Paris? Schluss mit Prokrastination

Präsident Emmanuel Macron.

Es sei “notwendig”, dass Emmanuel Macron seine Verantwortung übernimmt, einen Premierminister ernennt und “dass wir aus der Krise herauskommen, die er mit der Auflösung des Parlaments ausgelöst hat”, ärgerte sich Laurent Wauquiez, der Chef der konservativen Partei Les Républicains, nach seinem Gespräch mit dem Staatschef am Mittwoch. “Es gibt jetzt keinen Grund mehr, zu prokrastinieren“, fügte er hinzu, der 2027 die Nachfolge von Emmanuel Macron antreten will.

“Prokrastination” – das Wort ist gefallen. Praktisch zwei Monate nach dem Ergebnis der Parlamentswahlen, und drei Monate nach der Auflösung des Parlaments wartet Frankreich immer noch darauf, dass das Staatsoberhaupt den Premierminister ernennt, wie die französische Verfassung vorsieht. Neben seinen legendären Verspätungen ist Emmanuel Macron in Frankreich berüchtigt dafür, dass er sich viel Zeit lässt, bevor er eine Entscheidung trifft. Und die Parlamentarier werden ungeduldig.

Dringende Dossiers auf der Wartespur

Sowohl auf der Linken als auch auf der extremen Rechten des politischen Spektrums rufen Parlamentarier dazu auf, die parlamentarische Arbeit durch die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung wieder aufzunehmen. “Eine außerordentliche Sitzung ist notwendig und wir fordern den Präsidenten der Republik auf, sie schnell einzuberufen”, schrieben linke Parlamentarier in einer auf X veröffentlichten Erklärung. Der Rassemblement National hatte zwei Tage zuvor eine ähnliche Forderung gestellt.

Bei den Wählern kommt die politische Krise dem Staatschef nicht zugute. So zeigt eine Umfrage, dass 63 Prozent der Befragten Emmanuel Macron für die politische Krise verantwortlich machen. Fast jeder zweite Befragte (49 Prozent) befürwortet das von La France Insoumise eingeleitete Amtsenthebungsverfahren.

Während Macron zögert, warten dringende Dossiers auf ihre Bearbeitung. Die Reformen, die den Zugang zum Kauf und zur Miete von Wohnraum erleichtern sollten, wurden gestoppt, obwohl die Schwierigkeiten der Franzosen, sich eine Wohnung zu leisten, immer größer werden. Zudem drängt eine Reform des Gesundheitssektors, der mit der Schließung von Notaufnahmen, einem Mangel an Spitalbetten und explodierenden Wartezeiten konfrontiert ist. Auch die Reformen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Korruption wurden auf Eis gelegt und der Schulbeginn ist unklar.

“Extrem spät”

Für Jean-Philippe Derosier, Professor an der Universität Lille und Experte für die französische Verfassung, ist der von Emmanuel Macron auferlegte Zeitplan schuld an der politischen Blockade. “Die Gespräche kommen extrem spät. Sie hätten ab dem 8. Juli stattfinden sollen, nicht erst am 23. August”, meinte er im Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Radiosender France Info.

Mit der späten Aufnahme der Verhandlungen wolle Macron zeigen, dass er “Kapitän bleibt, indem er das Tempo bestimmt”, meint Derosier. Die von ihm geführten Konsultationen entsprächen zwar der verfassungsrechtlichen Logik, denn es ist die Rolle des Präsidenten den Premierminister zu nominieren. Aber: “Wenn er Kapitän bleiben und die Mehrheit selbst zusammenstellen will, ist er nicht mehr in seiner Rolle”, betont er. Die Regierungsbildung ist nicht in Macrons Hand.

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Von der Leyen wartet noch auf die Nachzügler unter den Mitgliedstaaten: Belgien, Bulgarien und Italien haben kurz vor Ablauf ihrer Deadline noch keine Kommissarsanwärter benannt. Die ersten beiden Nachzügler sind wegen der innenpolitischen Hängepartie entschuldigt, nicht aber Italien. Wen Rom schickt, ist eigentlich schon länger klar: Europaminister Raffaele Fitto von der Regierungspartei Fratelli d’Italia gilt seit Wochen als der Kandidat für das Amt des italienischen EU-Kommissars. Andere Namen kursieren selbst in der oft höchst spekulativen italienischen Presse nicht mehr.

    Und doch lässt sich Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bis zur letzten Minute Zeit damit, die Personalie an von der Leyen zu schicken, was die Spekulationen über die Gründe anheizt. Klar ist: Meloni weilte bis Anfang dieser Woche im Urlaub. In diesen Tagen bespricht die Regierungschefin sich mit ihren Koalitionspartnern, Matteo Salvini von der Lega und Antonio Tajani von der Forza Italia.

    Klar ist aber auch: Die Schmach, bei der Entscheidung über die Nominierung von der Leyens von den Platzhirschen Olaf Scholz und Emmanuel Macron übergangen und links (oder eher rechts) liegen gelassen worden zu sein, sitzt noch tief. Warum sollte Meloni also nun auf Streberin machen und vor der offiziellen Abgabezeit ihre Aufgabe erledigen? Ein bisschen Trotz dürfte bei der Hinhaltetaktik also durchaus eine Rolle spielen.

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    Borrell drängt auf schnellere Lieferungen für die Ukraine

    Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba traten gemeinsam vor die Medien.

    Außenminister Dmytro Kuleba gab an der Seite von Josep Borrell den Ton vor: Die Kluft zwischen der Ankündigung von militärischer Unterstützung und der effektiven Lieferung sei für die Ukraine ein Handicap. Für die Streitkräfte sei es angesichts der exzessiv langen Zeitspanne schwierig zu planen und zu wissen, worauf man sich auf dem Schlachtfeld verlassen könne. Konkret nannte Kuleba beim informellen Treffen der EU-Außenminister in Brüssel die zusätzlichen Flugabwehrsysteme, von den europäischen Partnern vor Monaten in Aussicht gestellt. Weitere Verzögerungen soll es zudem bei den Munitionslieferungen geben.

    Die EU wird auch beim ersten Ministertreffen nach der Sommerpause von der Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität eingeholt. Bisher hat nur Deutschland geliefert und bereits das dritte Patriot-System tatsächlich überstellt. Kuleba nannte keine Namen, aber dürfte die Niederlande, Rumänien und Spanien im Visier haben, die Systeme oder Teile davon in Aussicht gestellt haben. Die Ukraine bezahle für diese Verzögerungen mit Menschenleben und zerstörten Infrastrukturen. Die Systeme seien bereit und müssten nun rasch geliefert werden.

    Der EU-Außenbeauftragte stellte sich hinter Kulebas Aufruf und betonte, dass Russland seit Februar 2022 mehr als 14.000 Drohnen und 10.000 Raketen auf die Ukraine abgefeuert habe. Es sei offenbar einfach zu versprechen und etwas schwieriger zu liefern. Die Ukraine habe zudem mit der Kursk-Offensive “strategischen Mut” bewiesen und demonstriert, dass Russland besiegt werden könne. Er werde die Mitgliedstaaten drängen, die Versprechungen einzuhalten.

    Borrell: Ukraine soll russische Ziele angreifen dürfen

    Borrell griff auch die Forderung des ukrainischen Außenministers auf, die Einschränkung bei der Nutzung der westlichen Waffen aufzuheben. Die Ukraine müsse die Waffen vollumfänglich im Rahmen des internationalen Rechts einsetzen können. Sonst seien die Waffen nutzlos. Allerdings haben neben den USA bisher nur Großbritannien und Frankreich Waffen mit entsprechender Reichweite der Ukraine zur Verfügung gestellt.

    Es gehe darum, dass die Ukraine legitime militärische Ziele wie die Flugplätze ins Visier nehmen könne, von denen aus sein Land täglich angegriffen werde, so Kuleba. “Wir setzen darauf, dass wir die Bewilligung und Raketen bekommen, die diese Ziele erreichen können”. Der Ukrainer dürfte da auch an die deutschen Taurus-Raketen gedacht haben.

    Auf die Sorge in einigen Mitgliedstaaten angesprochen, dass Deutschland als wichtigster Pfeiler der Unterstützung wegen Sparzwängen ausfallen könnte, sagte der ukrainische Außenminister, er werde am Rande des Treffens mit der deutschen Außenministerin reden. Es gebe aber bereits Zusicherungen aus Berlin, dass die Versprechungen für das laufende Jahr nicht infrage gestellt würden. Es gehe um die Sicherheit Europas und diese könne nicht von Haushaltszwängen abhängig gemacht werden.

    Annalena Baerbock bekräftigte in Brüssel, dass Deutschland bis Ende Jahr vier weitere Flugabwehrsysteme vom Typ IRIS-T sowie zusätzliche Flugabwehrkanonenpanzer vom Typ Gepard liefern wolle. Putin plane einen noch massiveren “Kältekrieg” gegen die Ukraine. Die Antwort der EU müsse ein neuer Schutzschirm sein.

    Borrell will Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder

    Zweiter Schwerpunkt des informellen Treffens war der Nahostkonflikt. Borrell präsentierte der Runde seinen Vorschlag, Israels Polizeiminister und den Finanzminister auf die Sanktionsliste zu setzen. Den beiden rechtsextremen Regierungsmitgliedern werden Menschenrechtsverletzungen und Aufstachlung zum Hass vorgeworfen. Die Vorbereitungen für eine Sanktionierung seien in Gang gesetzt, sagte Borrell. Doch am Ende müssten die Minister diesem Schritt mit Einstimmigkeit zustimmen.

    Außenministerin Annalena Baerbock schloss eine deutsche Zustimmung zu Sanktionen gegen die beiden israelischen Regierungsminister nicht aus. Italien hat aber Ablehnung signalisiert, und Länder wie Österreich, Ungarn und Tschechien dürften sich gegen den Schritt stellen.

    Forderungen nach Polio-Impfungen und medizinischen Evakuationen

    In einer Erklärung fordern die Außenminister zudem sofortige humanitäre Feuerpausen, damit alle jungen Menschen gegen das Polio-Virus geimpft werden können. “Der Gazastreifen war in den vergangenen 25 Jahren poliofrei. Es ist alarmierend, dass das Polio-Virus entdeckt wurde”. Eine Epidemie sowie eine weitere internationale Ausbreitung müssten vermieden werden.

    Außenministerin Annalena Baerbock sagte in Brüssel, die Bundesregierung arbeite mit Hochdruck mit Partnern vor Ort für eine humanitäre Feuerpause und tue alles dafür, dass die Polio-Impfungen jetzt auch verimpft werden könnte. “Polio-Impfungen bringen überhaupt nichts, wenn sie Neugeborenen nicht auch geimpft werden können”, sagte sie.

    Sigrid Kaag, UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe für Gaza, briefte die Außenminister über die dramatische Lage. Die ehemalige niederländische Finanzministerin drängte die EU-Staaten zudem, sich stärker an medizinischer Hilfe für erkrankte oder verletzte Zivilisten zu beteiligen. Es gebe eine Liste von 12.000 Zivilisten, die medizinisch evakuiert werden müssten. Die Evakuierungen dürften nicht nur Ägypten, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten überlassen werden. Die Bundesregierung arbeitet nach eigenen Angaben bereits daran, zumindest einige Kinder aufzunehmen.

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    Fall Durow: Warum andere Plattformbetreiber keine Strafverfolgung fürchten müssen

    Nach Tagen in Justizgewahrsam ist der Telegram-Gründer Pawel Durow unter strengen Auflagen und einer Kaution von fünf Millionen Euro wieder auf freiem Fuß – vorerst. Müssen die CEOs anderer Plattformen nun auch damit rechnen, dass sie strafrechtlich verfolgt werden? Denn auf ihren Plattformen finden sich ebenfalls immer wieder illegale Inhalte.

    Die französische Staatsanwaltschaft wirft Durow vor, er habe sich durch fehlendes Eingreifen bei Telegram und unzureichender Kooperation mit Behörden des Drogenhandels, der Geldwäsche, des Betrugs und mehrerer Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht. Allein der Vorwurf, mit dem Messengerdienst Beihilfe zu illegalen Transaktionen geleistet zu haben, könnte Durow bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von 500.000 Euro einbringen, sollte Anklage gegen ihn erhoben werden.

    Telegram ist ein besonderer Fall

    “Bei dieser Art von Vorwürfen könnte es auch jedem anderen CEO passieren, dass eine Staatsanwaltschaft gegen ihn vorgeht”, sagt Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von Algorithm Watch. Er hält es aber für unwahrscheinlich, dass das passiert. Denn er und andere Experten sehen deutliche Unterschiede im Verhalten von Telegram im Vergleich zu anderen Plattformen.

    Andere verhielten sich nicht so ignorant wie Pawel Durow, meint Spielkamp. “Die großen Plattformen, über die wir meistens reden, agieren so nicht.” Man könne ihnen vorwerfen, dass sie nicht gut genug gegen Betrugsversuche, Hassrede oder mitunter gegen illegale Inhalte vorgehen. Das sei aber anders als bei Telegram. Hier würden Drogen angeboten und Bilder von Kindesmissbrauch getauscht. Die Organisation Cemas legte einen Bericht vor, wonach Telegram zur “wichtigsten Plattform für Verschwörungs­ideologien und Rechts­extremismus” wurde. “Telegram ist leider bekannt dafür, dass sie sich nicht viel darum scheren.” Für Spielkamp ist es daher keine Überraschung, dass Frankreich nun gehandelt habe.

    “Telegram hat sich über Jahre hinweg einen Namen dadurch gemacht, dass die Betreiber nicht mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren“, argumentiert auch Internetrechtsexperte Matthias Kettemann. Anders als etwa bei WhatsApp sei eine Verschlüsselung der Kommunikation bei Telegram zwar möglich, aber bei 80 Prozent der Kommunikation nicht der Fall. “So könnten die Betreiber sehr wohl reinschauen, was Nutzer anderen Nutzern schreiben. Sie tun es aber nicht.” Dass Telegram zu einem der größten Häfen für extremistisches Material oder für Bilder sexueller Ausbeutung von Kindern geworden sei, “das weiß der Chef natürlich. Aber er hat lange Jahre einfach nichts dagegen gemacht.”

    Internetrechtsexperte sieht Durow als “Content-Macho”

    Die französischen Behörden hätten nun offenbar ein Signal setzen wollen. Es habe in den vergangenen zehn Jahren weltweit bis zu acht Fälle gegeben, wo Manager von Plattformen kurzfristig vor allem zur Druckausübung in Haft genommen wurden, erläutert Kettemann. In Indien etwa, auch in Italien. “Aber es ist sehr, sehr selten. Und ich glaube nicht, dass sich das wiederholt, weil wir jetzt mit den europäischen Regeln für Plattformen ein gutes neues System haben”, sagt Kettemann. “Da braucht man den CEO nicht mehr in Haft zu nehmen.” Er hält Telegram für einen Ausnahmefall, in dem dies gerechtfertigt sei.

    Durow sei ein “Content-Macho” der sich als Kämpfer für die Freiheit geriere. “In Wirklichkeit ist er aber eine durchaus problematische Figur“, findet Kettemann. Man könne Durow auch nicht mit X-Eigentümer Elon Musk vergleichen, auf dessen Plattform etwa gewaltverherrlichende Inhalte wie auf Telegram nicht zu finden seien. Telegram und sein CEO Durow hätten es womöglich der cleveren rechtlichen Konstruktionen zu verdanken, solange von der Justiz in Ruhe gelassen worden zu sein: Server in 20 verschiedenen Länder, am Unternehmenssitz in Dubai nur ein Briefkasten.

    Frankreich prescht vor, Deutschland und die EU schauen zu

    Bemerkenswert ist, dass jetzt die französische Justiz aggressiv vorgeht. Anders als der deutsche Staat, der Telegram im Grunde das Gleiche vorwirft. Bundesinnenministerin Nancy Faser war es 2022 eine Nachricht auf X wert, überhaupt mit der Telegram-Führung in Kontakt gekommen zu sein. Es habe dann auch eine Videokonferenz mit Durow gegeben, erinnert sich Matthias Spielkamp. Allerdings: “Anschließend ist nichts passiert.”

    Verwunderlich auch, dass der noch amtierende Binnenmarktkommissar Thierry Breton nicht so sehr gegen Telegram wettert, wie etwa gegen X. Dabei hat Breton kein Problem damit, sich öffentlich mit mächtigen Unternehmern anzulegen. Mit Elon Musk führt er gern Auseinandersetzungen über X auf X. Zuletzt geschah dies Mitte August, als Breton Musk vor dessen Interview mit Donald Trump vor Verletzungen europäischer Gesetze gegen Hass- und Gewaltaufrufe im Netz warnte.

    Der Grund könnte sein, dass Telegram nach dem Digital Services Act (DSA) noch nicht unter der Aufsicht der Kommission steht. Das wäre erst der Fall, wenn Telegram als Very Large Online Platform designiert wäre. Telegram bestreitet aber, die Schwelle von 45 Millionen Nutzern in der EU zu überschreiten. Aktuell stellt die Kommission nach Angaben eines Sprechers zur Überprüfung eigene Rechnungen dazu an. Doch die sind noch immer nicht abgeschlossen.

    DSA sieht empfindliche Strafen vor, aber keine Haft

    Der DSA sehe viele, teils langwierige und mehrstufige Verfahren vor, um mit möglichen Risiken auf Plattformen umzugehen, ohne dass es zu Verhaftungen von CEOs kommen muss, erläutert Julian Jaursch vom Thinktank Interface. So kann die Kommission am Ende empfindliche Bußgelder verhängen. Solche Geldstrafen haben sich bereits in der Vergangenheit als sehr wirksam erwiesen.

    Da Telegram bisher nicht unter die Aufsicht der Kommission falle, “sind Aktionen der Kommission daher nicht zu erwarten.” Das wiederum eröffne Spielräume für ein Vorgehen nationaler Behörden. “Bevor das Unternehmensmanagement zur Rechenschaft gezogen wird, sollten aber andere Maßnahmen greifen“, meint Jaursch. “Maßnahmen, die den Plattformennutzenden idealerweise schneller und langfristiger helfen.” Bei Telegram habe dieser Ansatz offenbar über mehrere Jahre nicht funktioniert, sodass die französische Justiz nun einen anderen Weg gewählt habe.

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    News

    Digitalministerium prüft Instrumente zur Verifizierung von Bildern in Sozialen Medien

    Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr prüft derzeit, wie es Plattformen dazu bringen kann, Authentifizierungswerkzeuge einzubauen, die offenlegen, ob ein Bild echt oder manipuliert ist. Die Gespräche befänden sich noch in einem sehr frühen Stadium, sagte Benjamin Brake, Leiter der Abteilung Digitalpolitik im deutschen Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Es sei wahrscheinlich, dass das Thema letztlich auf EU-Ebene behandelt werden muss, fügte er hinzu.

    Ein solches Tool wäre ein Schritt über das hinaus, was derzeit im Rahmen des Digital Services Acts (DSA) vorgeschrieben ist. Dieses verlangt von sogenannten sehr großen Online-Plattformen, dass sie über Systeme zum Umgang mit Fehlinformationen, Hass und terroristischen Aktivitäten verfügen. 

    Das Ministerium habe sich noch nicht an Social-Media-Plattformen gewandt, aber Beamte hätten sich mit einem Unternehmen getroffen, das Tools zur Bildauthentifizierung anbietet, sagte Brake. “Wir möchten einen Weg finden, wie die Menschen erkennen können, ob etwas echt ist”, sagte er.

    KI-Bilder im Wahlkampf

    Es sei noch zu früh, um zu sagen, wie ein solches Tool in der Praxis funktionieren würde und ob es gesetzlich vorgeschrieben wäre. Aber Brake sagte, dass es sich wahrscheinlich um eine Art Metadaten-Tag handeln würde. Man versuche, mit großen Plattformen darüber zu sprechen, warum sie solche Tools aktuell nicht nutzen und ob es irgendwelche Hindernisse gibt.

    Regierungen auf der ganzen Welt sind alarmiert wegen gefälschter oder manipulierter Bilder, die in den sozialen Medien kursieren, insbesondere in Wahlkampfzeiten. Russische Beeinflussungskampagnen verbreiteten Deepfakes vor den Europa-Wahlen im Juni. Kürzlich nutzten unbekannte Akteure die Identitäten europäischer Influencer, um in den USA Botschaften zugunsten von Donald Trump zu verbreiten, wie CNN am Mittwoch berichtete.

    Bisherhige Tools ungenügend

    Einige Plattformen wie TikTok, Instagram und Facebook verlangen von den Nutzern, dass sie KI-generierte Inhalte kennzeichnen. Zudem haben sie Tools eingeführt, mit denen sie erkennen können sollten, wann KI eingesetzt wird. Diese funktionieren derzeit aber eher als Warnhinweis und können die Authentizität eines Bilds nicht garantieren.

    Das KI-Gesetz der EU (AI Act), das am 1. August in Kraft getreten ist, dessen Bestimmungen aber erst in zwei Jahren greifen, schreibt vor, dass von KI generierte Bilder mit Tags oder Wasserzeichen versehen werden müssen. Diese Vorschriften gelten jedoch nur für die KI-Systeme und nicht für soziale Medienplattformen, auf denen die Bilder verbreitet werden können. J.D. Capelouto

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    Wettbewerbsfähigkeit: Draghi stellt Bericht im Parlament vor

    Der frühere EZB-Präsident Mario Draghi wird die Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament am kommenden Mittwoch über seinen Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit Europas unterrichten. Draghi wird in der Sitzung der Conference of Presidents (CoP) am Nachmittag einen Ausblick auf seinen mit Spannung erwarteten Bericht geben, wie es am Donnerstag in Brüssel hieß. Den gesamten ausführlichen Bericht selbst werde er an einem der folgenden Tage veröffentlichen, hieß es weiter.

    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den früheren italienischen Ministerpräsidenten vor einem Jahr damit beauftragt, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu analysieren und Reformvorschläge zu geben. Die Fertigstellung des Berichts verzögerte sich, wohl auch auf Wunsch von der Leyens, mit Blick auf die Europawahl im Juni und die nötige Bestätigung der CDU-Politikerin als Kommissionspräsidentin.

    Von der Leyen hat Wettbewerbsfähigkeit zur Hauptpriorität ihrer zweiten Amtszeit erklärt. Draghis Schlussfolgerungen dürften die Debatte stark beeinflussen und auch in die Mission Letters der neuen Kommissare einfließen. Dem Vernehmen nach wird der 76-Jährige unter anderem die mangelnde Risikobereitschaft und den unterentwickelten Unternehmergeist in Europa kritisieren und sich für einen schrittweisen Abbau der Abhängigkeiten von Ländern wie China aussprechen. tho

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    Christophe Hansen: Ein Umweltpolitiker auf dem EU-Chefposten für Landwirtschaft und Ernährung

    Mit Christophe Hansen übernimmt – vorausgesetzt, das EU-Parlament stimmt seiner Ernennung zu -, ein Kandidat den Posten des Agrar- und Ernährungskommissars, der zuvor deutlich Interesse an dem Job gezeigt hat. “Ja, ich komme aus einer landwirtschaftlichen Familie, ja, ich habe viel zu landwirtschaftlichen und Umweltdossiers gearbeitet”, sagte Hansen nach seiner Nominierung als EU-Kommissar im Interview mit dem Luxemburger Sender RTL.  

    Immer wieder lenkt der 42-Jährige das Gespräch auf Agrarthemen, spricht von Bürokratieabbau und mehr Spielraum bei der Umsetzung von Regeln vor Ort. Bisher ist Hansen, der mit kurzer Unterbrechung seit 2018 im EU-Parlament sitzt, vor allem als Umwelt- und Handelspolitiker in Erscheinung getreten. 

    Verteidiger der Anti-Entwaldungsverordnung 

    In dieser Funktion hatte er aber auch Berührungspunkte mit Landwirtschaftsthemen. So führte er in der vergangenen Legislaturperiode als Berichterstatter des Parlaments die Verhandlungen über die umstrittene Anti-Entwaldungsverordnung. Letztere verteidigte er auch jüngst noch - trotz wachsender Kritik auch aus seiner eigenen Parteiengruppe an den Regeln, die ab Ende des Jahres wirksam werden sollen. 

    Vereinzelt kam der Luxemburger im Laufe seiner Karriere aber auch direkt mit Landwirtschaftsthemen in Berührung: Während seiner kurzen Zeit als Abgeordneter im luxemburgischen Parlament, von November 2023 bis Juli dieses Jahres, war Hansen dort Mitglied im EU-Agrarausschuss. Und zu Anfang seiner Karriere, als Assistent der damaligen EU-Abgeordneten Astrid Lulling, arbeitete er auch zu Landwirtschaftsdossiers. Im persönlichen Umfeld kommt Hansen nicht nur aus einer landwirtschaftlichen Familie im Norden Luxemburgs, seine Cousine, Martine Hansen, ist auch die Agrarministerin des kleinen Landes. 

    Möglicher Kompromisskandidat zwischen EVP und Progressiven 

    Dass Hansen bisher zwar mit Agrarthemen in Berührung gekommen ist, das aber eher am Rande, könnte von der Leyen in die Hände spielen. Denn als konservativer Umweltpolitiker könnte Hansen als Bindeglied wirken: Zwischen seiner und von der Leyens eigener Partei, der EVP, einerseits, die wie versprochen einen Agrarkommissar aus dem eigenen Lager bekommt. Und progressiveren Kräften andererseits, auf die sich von der Leyen im Parlament stützt und die durch einen allzu hartgesottenen Agrarpolitiker verprellt werden könnten. 

    Und als Luxemburger, der fließend Deutsch und Französisch spricht, kann er gute Verbindungen zu zwei der wichtigsten Agrarländer der EU pflegen. 

    Dass als Agrarkommissar solch ein politischer Drahtseilaktauf ihn zukommt, scheint Hansen auch selbst bewusst zu sein. Im RTL-Interview betont er die Bedeutung von Ausgleich und Dialog: “Man muss das Gespräch mit den Menschen vor Ort suchen, mit Umweltorganisationen, mit Landwirtschaftsverbänden.” jd

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    Wie Starmer das Dreieck Frankreich, Deutschland, Großbritannien stabilisieren könnte

    Der britische Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben am Donnerstag ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigt. Das sei essenziell, um “die Verteidigung und die Sicherheit des Landes wie auch des Kontinents” zu garantieren, verkündeten sie in einer gemeinsamen Erklärung.  

    Nachdem Starmer am Mittwoch Bundeskanzler Olaf Scholz zum Antritt besucht hatte, war er nach Paris weitergereist, um Macron zu treffen. Der deutsche und der britische Regierungschef hatten am Mittwoch angekündigt, ein neues bilaterales Abkommen Anfang 2025 auszuhandeln. Kern soll ein Verteidigungsabkommen sein.

    Das Vereinigte Königreich und Deutschland sind finanziell die größten Unterstützer der Ukraine, Frankreich gehört zumindest verbal dazu.

    Gelegenheit für vertiefte Kooperation

    Für Gesine Weber, Politikwissenschaftlerin am German Marshall Fund und am King’s College London, gebe es ein “Gelegenheitsfenster” für eine vertiefte Kooperation zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Auch wenn eine neue Regierung in Frankreich wackelig werde und in Deutschland ein Regierungswechsel im kommenden Jahr wahrscheinlich sei, hat Großbritannien mit Keir Starmer einen Premierminister, der Macron und Scholz “ideologisch relativ nah” stehe – und gemeinsame Herausforderungen sehe.

    Das Sicherheitsabkommen, das Deutschland und Großbritannien schließen wollen, müsse man “auch unter dem E3-Kontext sehen”, sagt Weber. Die europäische E3-Gruppe aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland hat sich im Rahmen der Verhandlungen zum iranischen Nuklearprogramm entwickelt.

    Zwischen Großbritannien und Frankreich sorge der sicherheitspolitische Lancaster-House-Vertrag für stabile Beziehungen, die zweite Seite des Dreiecks zwischen Deutschland und Frankreich werde durch den Elysée-Vertrag und den Aachener Vertrag gehalten. Durch seine Besuche stärke Starmer auch die E3. “Die schwächste Seite dieses Dreiecks ist bisher die deutsch-britische Beziehung.” Zwischen Deutschland und Großbritannien passiere derzeit viel im informellen Rahmen, so Weber. bub

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    Kolumne

    What’s cooking in Paris? Schluss mit Prokrastination

    Präsident Emmanuel Macron.

    Es sei “notwendig”, dass Emmanuel Macron seine Verantwortung übernimmt, einen Premierminister ernennt und “dass wir aus der Krise herauskommen, die er mit der Auflösung des Parlaments ausgelöst hat”, ärgerte sich Laurent Wauquiez, der Chef der konservativen Partei Les Républicains, nach seinem Gespräch mit dem Staatschef am Mittwoch. “Es gibt jetzt keinen Grund mehr, zu prokrastinieren“, fügte er hinzu, der 2027 die Nachfolge von Emmanuel Macron antreten will.

    “Prokrastination” – das Wort ist gefallen. Praktisch zwei Monate nach dem Ergebnis der Parlamentswahlen, und drei Monate nach der Auflösung des Parlaments wartet Frankreich immer noch darauf, dass das Staatsoberhaupt den Premierminister ernennt, wie die französische Verfassung vorsieht. Neben seinen legendären Verspätungen ist Emmanuel Macron in Frankreich berüchtigt dafür, dass er sich viel Zeit lässt, bevor er eine Entscheidung trifft. Und die Parlamentarier werden ungeduldig.

    Dringende Dossiers auf der Wartespur

    Sowohl auf der Linken als auch auf der extremen Rechten des politischen Spektrums rufen Parlamentarier dazu auf, die parlamentarische Arbeit durch die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung wieder aufzunehmen. “Eine außerordentliche Sitzung ist notwendig und wir fordern den Präsidenten der Republik auf, sie schnell einzuberufen”, schrieben linke Parlamentarier in einer auf X veröffentlichten Erklärung. Der Rassemblement National hatte zwei Tage zuvor eine ähnliche Forderung gestellt.

    Bei den Wählern kommt die politische Krise dem Staatschef nicht zugute. So zeigt eine Umfrage, dass 63 Prozent der Befragten Emmanuel Macron für die politische Krise verantwortlich machen. Fast jeder zweite Befragte (49 Prozent) befürwortet das von La France Insoumise eingeleitete Amtsenthebungsverfahren.

    Während Macron zögert, warten dringende Dossiers auf ihre Bearbeitung. Die Reformen, die den Zugang zum Kauf und zur Miete von Wohnraum erleichtern sollten, wurden gestoppt, obwohl die Schwierigkeiten der Franzosen, sich eine Wohnung zu leisten, immer größer werden. Zudem drängt eine Reform des Gesundheitssektors, der mit der Schließung von Notaufnahmen, einem Mangel an Spitalbetten und explodierenden Wartezeiten konfrontiert ist. Auch die Reformen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Korruption wurden auf Eis gelegt und der Schulbeginn ist unklar.

    “Extrem spät”

    Für Jean-Philippe Derosier, Professor an der Universität Lille und Experte für die französische Verfassung, ist der von Emmanuel Macron auferlegte Zeitplan schuld an der politischen Blockade. “Die Gespräche kommen extrem spät. Sie hätten ab dem 8. Juli stattfinden sollen, nicht erst am 23. August”, meinte er im Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Radiosender France Info.

    Mit der späten Aufnahme der Verhandlungen wolle Macron zeigen, dass er “Kapitän bleibt, indem er das Tempo bestimmt”, meint Derosier. Die von ihm geführten Konsultationen entsprächen zwar der verfassungsrechtlichen Logik, denn es ist die Rolle des Präsidenten den Premierminister zu nominieren. Aber: “Wenn er Kapitän bleiben und die Mehrheit selbst zusammenstellen will, ist er nicht mehr in seiner Rolle”, betont er. Die Regierungsbildung ist nicht in Macrons Hand.

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    Europe.Table Redaktion

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