Table.Briefing: Europe

DMA-Durchsetzung+ Neue Wege gegen Killerakquisitionen + Ausschreibungen für blauen Wasserstoff

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ursula von der Leyen führt viele Gespräche in diesen Tagen, allein gestern interviewte die Kommissionspräsidentin ein halbes Dutzend Kommissarsanwärter. Am kommenden Mittwoch, dem 11. September, will sie ihr neues Team vorstellen. Zunächst am späten Vormittag den Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament, anschließend der Öffentlichkeit.

So festgefügt, wie manche Presseberichte suggerieren, ist das neue College noch nicht. Klar ist, dass von der Leyen und ihr Kabinettschef Björn Seibert keine Vizepräsidenten mehr wollen, die keine direkte administrative Anbindung an eine Generaldirektion haben – ohne diesen Arbeitsmuskel ein Titel ohne großen Wert. Stattdessen wird es mehrere exekutive Vizepräsidenten geben.

Doch die Zuordnung der Portfolios ist dem Vernehmen nach ebenso noch im Fluss wie die Namen der designierten neuen Kommissare selbst. Nicht alle der von den Mitgliedstaaten öffentlich nominierten Kandidaten werden auch auf der finalen Liste von der Leyens stehen. Sei es, weil die CDU-Politikerin noch mehr Frauen in ihrem neuen Team wünscht, oder weil die Kompetenzen der Aspiranten nicht recht zu den von den Regierungen gewünschten Zuständigkeiten passen. Welche Zuständigkeiten die Präsidentin schließlich für sie vorsieht, werden auch die designierten neuen Kommissarinnen und Kommissare erst kurz vor der Öffentlichkeit erfahren.

Es bleibt also spannend.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

DMA: Die Durchsetzung könnte besser laufen

Die Bilanz nach sechs Monaten fällt für den Digital Markets Act (DMA) gemischt aus: “Der DMA ist auf dem Weg, seine Ziele zu erreichen und spürbare Wirkung zu zeigen”, sagt Kush Amlani, Global Competition & Regulatory Counsel bei Mozilla, im Gespräch mit Table.Briefings. Es sei aber noch viel zu tun. Die Kommission stehe vor der Herausforderung, ihre begrenzten Ressourcen effektiv einzusetzen. “Sie machen einen guten Job angesichts ihrer beschränkten Mittel“, lobt Amlani. Er betont aber gleichzeitig, dass es noch mehr Durchsetzungskraft und möglicherweise zusätzliche Ressourcen braucht, um die großen Player wirklich zu zwingen, ihre Praktiken zu ändern.

Fortschritte ja, aber nicht genug

So sieht das auch Andreas Schwab (CDU), Berichterstatter des EU-Parlaments für den DMA. Insgesamt sieht die Bilanz positiv aus, weil erkennbar ist, dass die Kernforderungen, die wir im Gesetz über digitale Märkte aufgestellt haben, kommen”, sagt Schwab. Aber leider sei zu beklagen, dass sie sehr viel langsamer vorankämen als gewünscht. “Das Kernproblem ist nach wie vor, dass nicht so viele Mitarbeiter vorhanden sind, wie nötig wären”, sagt Schwab. “Es ist ärgerlich.” Beschließen könne man vieles, am Ende gehe es bei Gesetzen darum, was sie konkret bewirkten.

Ziel des Digital Markets Acts ist es, für faire und offene digitale Märkte zu sorgen. Das Gesetz soll sicherstellen, dass große digitale Plattformen, die als Gatekeeper (Torwächter) fungieren, ihre starke wirtschaftliche Position nicht missbrauchen zum Nachteil anderer Marktteilnehmer und der Verbraucher. Es ist eines der Kernelemente der EU-Digitalstrategie.

Es fehlt an Geld und Mitarbeitern

Der Grund, warum die Kommission nicht mehr Mitarbeiter für die Durchsetzung einsetze, sei ganz einfach, sagt Schwab. “Der Kommission fehlt das Geld.” Anders als etwa beim Digital Services Act (DSA), sieht der DMA nicht vor, dass die betroffenen Unternehmen die Gebühr für ihre Aufsicht selbst bezahlen. Das sei beim DSA gerechtfertigt, beim DMA aber problematisch, meint der CDU-Politiker. “Wir wollen nicht, dass die großen Konzerne die Kommissionsdienste finanzieren. Dann entsteht eine stille Art der Kooperation, die gerade im Bereich Wettbewerbskontrolle nicht wünschenswert ist.”

Anfänglich benannte die Kommission sechs Gatekeeper – Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft – im Rahmen des DMA. Später kamen noch Apples Betriebssystem für Tablets und die Vermittlungsplattform Booking hinzu. Insgesamt fallen aktuell 24 zentrale Plattformdienste der Gatekeeper unter das Gesetz. In der Folge hat die Kommission bereits einige Marktuntersuchungen eingeleitet, unter anderem gegen:

  • Alphabet wegen des Steering in Google Play und der Selbstreferenzierung in der Google-Suche
  • Apple wegen des Steering im App-Store und des Auswahlbildschirms für Safari
  • das “Pay or Consent”-Modell von Meta.

Es gibt eine Wahl, aber Verbraucher müssen sie auch nutzen

Amlani betont, der DMA habe bereits erste Veränderungen bewirkt. Als Beispiele nannte er die Einführung von Wahlmöglichkeiten (“Choice Screens”) bei Apple und Google, die den Nutzern theoretisch mehr Auswahl bieten sollen. Jedoch seien diese Initiativen nicht vollständig umgesetzt worden. “Sie waren nicht wirklich darauf ausgelegt, den Nutzern die volle Auswahl zu bieten”, findet Amlani. “Wir glauben, dass es noch weitergehen könnte.”

Allerdings würden viele der Gatekeeper nicht so einfach ihre Positionen aufgeben. “Einige der Änderungen, die die Unternehmen vorgenommen haben, scheinen darauf abzuzielen, die Auswirkungen auf ihr Geschäft so weit wie möglich zu begrenzen“, sagt Amlani. “Sie nutzen Spielräume in der Auslegung, um den Buchstaben des Gesetzes zu entsprechen, aber nicht dem Geist des Gesetzes.” Es brauche also nicht nur die Durchsetzung der Kommission, sondern auch “die Mitwirkung Dritter sowie auch die Mitwirkung der Verbraucher.

Es reiche nicht, die Tür zu öffnen, ist Amlani überzeugt. “Man muss die Leute auch ermutigen, hindurchzugehen. Die Verbraucher sollten verstehen, dass sie eine Wahl haben und was diese Wahlmöglichkeiten bedeuten.”

Andere Länder folgen dem Beispiel der EU

Die Europäer seien die ersten gewesen, “die deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass eine massive Verfälschung des Wettbewerbs vorliegt, der wir nicht tatenlos zusehen können”, sagt Schwab. “Die Amerikaner haben sich einige Jahre später mit Nachdruck angeschlossen.” Auch Amlani weist darauf hin: “Andere Länder schauen genau auf die EU. Einige haben bereits ihre eigenen Versionen des DMA verabschiedet oder erwägen dies.” Als Beispiel nennt er das Vereinigte Königreich, Australien und Japan.

“Es scheint, dass Apple versucht, die Auswirkungen des DMA nur auf Europa zu begrenzen“, sagt Amlani. Das ist schade, weil die Vorteile des DMA eigentlich allen Kunden zugutekommen sollten.” Sollten jedoch weitere Länder dem Beispiel der EU folgen, sinkt die Gefahr, dass die großen Plattformen künftig andere Dienste in Europa anbieten als andernorts. “Die nächsten fünf Jahre müssen dem Ziel folgen, den Wettbewerb im digitalen Zeitalter zu verbessern“, fordert Schwab. “Wir dürfen bei den großen Gatekeepern nicht einfach ein Auge zudrücken.”

  • Apple
  • Digital Markets Act
  • Digital Services Act
  • Digitalpolitik
  • Google
  • Plattformen
  • Wettbewerbspolitik
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Nach EuGH-Urteil: Kommission sucht neue Mittel gegen Killerakquisitionen 

Der Europäische Gerichtshof heizt mit einem Urteil die Diskussion über eine Reform des Wettbewerbsrechts an. Die Luxemburger Richter annullierten die Entscheidung der EU-Kommission, dem US-Medizintechnikhersteller Illumina die Übernahme von Grail zu untersagen. Die EU-Wettbewerbshüter hätten den Deal nicht prüfen dürfen, weil das Start-up Grail weder die europäischen noch die nationalen Aufgriffsschwellen erreicht habe. Unternehmen bräuchten bei solchen Transaktionen Planungs- und Rechtssicherheit, begründeten die Richter ihr Urteil.  

Das Gericht kippt damit nicht nur das Urteil der ersten Instanz, sondern auch eine Praxis der Kommission in der Fusionskontrolle, die sie in dem Fall erstmals angewandt hatte. Sie hatte die Kartellbehörden in mehreren Mitgliedstaaten ermuntert, den Fall nach Brüssel zu verweisen, obwohl Grail auch dort nicht die Umsatzschwellen erreichte, ab der die Behörden eine Fusion prüfen dürfen. Die Kommission stützte sich dabei auf eine von ihr selbst im Jahr 2021 beschlossene “Rekalibrierung” des Artikel 22 in der EU-Fusionskontrollverordnung.  

“Heftige Schlappe für die Kommission” 

Die Kommission wollte auf dieser Grundlage einschreiten können, wenn etablierte Unternehmen Start-ups mit vielversprechender Technologie aufkaufen, die noch wenig Umsatz machen. Die Befürchtung besteht, dass das etablierte Unternehmen die Innovation nicht selbst vermarkten, sondern nur einen potenziellen Konkurrenten aus dem Weg schaffen will. Gegen sogenannte Killerakquisitionen etwa in der Tech-Branche hatten die Wettbewerbshüter in der Vergangenheit wenig Handhabe. 

Experten wie Rupprecht Podszun, Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, hatten schon länger bezweifelt, dass die neue Praxis vor Gericht Bestand haben würde. Er bezeichnet die Entscheidung des EuGH als “heftige Schlappe für die Kommission”. Die Kommission habe in sehr selbstbewusster Weise versucht, ihre Kompetenzen auszudehnen, was in Deutschland bereits kritisch gesehen worden sei. “Eine echte Reform wäre ehrlicher gewesen”, sagt Podszun.  

Auch Max von Thun vom Open Markets Institute, eine NGO, die für eine offensivere Wettbewerbspolitik wirbt, ist nicht überrascht vom EuGH-Urteil. Es habe sich schon seit der Stellungnahme des Generalanwalts im März dieses Jahres abgezeichnet. Der Rückgriff auf Artikel 22 sei eine imperfekte, kurzfristige Abhilfe gewesen, die nie als langfristige Lösung des Problems der Killerakquisitionen hätte interpretiert werden sollen, sagte von Thun Table.Briefings. 

Reform der Fusionskontrolle steht an 

Der Kartellrechtler Podszun rechnet damit, dass die “Rufe nach Reformen in der Fusionskontrolle jetzt noch lauter werden”. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte in ihren politischen Leitlinien für die zweite Amtszeit angekündigt, sich für einen “neuen Ansatz für die Wettbewerbspolitik” einsetzen zu wollen, sie zielt insbesondere auf die Fusionskontrolle. Berlin und Paris drängen mindestens seit der 2019 untersagten Bahnfusion von Siemens und Alstom darauf, die Maßstäbe der Fusionskontrolle zu lockern, um das Entstehen global wettbewerbsfähiger Großunternehmen zu ermöglichen. Etliche andere Mitgliedstaaten sehen das kritischer. 

Auch Podszun warnt vor solchen Lockerungen: Er sehe zwar durchaus Reformbedarf, nicht nur mit Blick auf Killerakquisitionen. “Wenn eine Reform der Fusionskontrolle aber am Ende zu einer Schwächung der Fusionskontrolle führt, wäre das bitter.”  

Die neue Kommission stehe jetzt vor heiklen wettbewerbspolitischen und praktischen Herausforderungen, sagt Jens Peter Schmidt, Partner der Kanzlei Noerr in Brüssel. Sie werde nun neue Wege beschreiten müssen, um strategische Übernahmen von kleinen, besonders innovativen Unternehmen weiterhin überprüfen zu können. Laut Vestager will die Kommission nun weitere Schritte prüfen, “um sicherzustellen, dass die Kommission in der Lage ist, die wenigen Fälle zu prüfen, in denen ein Vorhaben Auswirkungen in Europa hätte, aber ansonsten die EU-Anmeldeschwellen nicht erreicht”. 

Kaufpreisschwelle statt Umsatzschwelle 

Podszun sieht jetzt zunächst die Kartellbehörden in den Mitgliedstaaten in der Pflicht. Deutschland habe schon 2017 eine Kaufpreisschwelle eingeführt, um Übernahmen von Unternehmen mit wenig Umsatz, aber hoher Bewertung prüfen zu können. “Das Bundeskartellamt kommt dadurch besser an Fälle, in denen Start-ups aufgekauft werden, als die Kommission.”  

Max von Thun spricht sich für eine Reform der europäischen Fusionskontrollverordnung aus. Er verweist wie Podszun auf die Möglichkeit, eine Kaufpreisschwelle auf Basis des Marktwerts der Unternehmensfusion einzuführen. Alternativ könne man, wie im Vereinigten Königreich, eine Kontrollschwelle einführen, die sich an der Größe des Käufers orientiert. 

Yon-Courtin fordert sektoriellen Ansatz zum Schutz von Spitzentechnologien

Auch die liberale Europaabgeordnete und Wettbewerbsberichterstatterin Stéphanie Yon-Courtin spricht sich für eine Reform der Fusionskontrollverordnung aus. “Der Umsatz ist nicht alles”, warnt sie mit Bezug auf die aktuell geltende Umsatzschwelle. Killerakquisitionen gefährden in ihren Augen nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die strategischen Interessen Europas, zum Beispiel für den Fall, dass innovative europäische Firmen von US-Konzernen aufgekauft und liquidiert würden. 

Sie fordert neben einer Reform der bestehenden Regulierung auch einen sektoriellen Ansatz, der sich auf die strategisch wichtigen Spitzentechnologien fokussiert. Gerade in den Technologien, in denen Europa in Zukunft stark sein will, dürfe man keine Killerakquisitionen zulassen, sagt Yon-Courtin. 

Killerakquisitionen als Thema in Kommissarsbefragungen 

Ihrer Meinung nach kommt das EuGH-Urteil zu einem guten Zeitpunkt zu Beginn eines neuen Mandats und noch vor der Bestätigung der neuen Kommission. “Das ist ein Thema, zu dem wir den neuen Wettbewerbskommissar ausfragen können”, kündigt sie an.  

Die designierten Kommissare müssen sich vor ihrer Bestätigung durch das Parlament noch einer intensiven Befragung in den Parlamentsausschüssen unterziehen. Manchmal gelingt es dem Parlament in diesen Befragungen, den künftigen Kommissaren spezifische Versprechen abzuringen. Auch wenn man noch nicht weiß, wer der neue Wettbewerbskommissar wird: Klar ist, dass er oder sie eine Antwort zum Umgang mit Killerakquisitionen bereithalten muss. 

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  • Fusionskontrolle
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  • Wettbewerbsverfahren
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News

Wasserstoffbank: US-Wirtschaft will Ausschreibungen für blauen Wasserstoff öffnen

Die American Chamber of Commerce fordert die EU auf, über die Europäische Wasserstoffbank künftig auch kohlenstoffarmen Wasserstoff zu beschaffen – im Wesentlichen also blauen aus Erdgas. “Wenn Auktionen nur auf erneuerbaren Wasserstoff beschränkt werden, mindert das die Effektivität der Bank“, schreibt AmCham in einem Positionspapier, das Table.Briefings vorab vorlag.

Die USA sind stark in der Förderung von Erdgas engagiert und dort entstehen erste Projekte, die den bei der Wasserstoffproduktion entstehenden Kohlenstoff mittels CCS abscheiden und speichern sollen. Die European Hydrogen Bank ist das zentrale Förderinstrument der EU für die Beschaffung von grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien.

Ausschreibungen nach Industriezweigen differenzieren

Grüner Wasserstoff aber werde in den nächsten Jahren noch teuer und rar sein, argumentiert die AmCham: “Kohlenstoffarme Alternativen könnten dagegen in großem Maßstab eingeführt werden. Ein zweigleisiger Ansatz würde die EU in die Lage versetzen, die kritischen Ziele in den nächsten zwei Jahrzehnten zu erreichen.”

“Der Hauptzweck der EU-Wasserstoffbank und anderer Finanzierungs- und Fördermechanismen sollte darin bestehen, die Herstellung und Einführung von Wasserstoff auf der Grundlage der Kohlenstoffintensität des Moleküls und nicht der Farbe zu ermöglichen”, schreibt der Verband weiter und plädiert dafür, die Beschaffung künftig stärker nach einzelnen Industriesektoren zu differenzieren. Dies würde voraussichtlich eine höhere Förderung nötig machen, weil die CO₂-Vermeidungskosten in verschiedenen Branchen unterschiedlich hoch sind. ber

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PFAS: Niederlande beklagen Rhein-Verschmutzung durch deutsche Industrie

Niederländische Wasserversorger haben von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) eine Begrenzung der Einleitungen von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) in den Rhein gefordert. Mit den Einleitungen dieser sogenannten Ewigkeitschemikalien im gegenwärtigen Umfang halte Deutschland sich nicht an nationale und europäische Vereinbarungen zur Wasserqualität, teilte der Verband der Flusswasserwerke am Rhein (RIWA-Rijn) mit.

Die Niederlande hätten in den kommenden Jahren einen wachsenden Bedarf an sauberem Trinkwasser, dessen Gewinnung durch die industriellen Einleitungen in Deutschland jedoch immer teurer werde. “Die deutsche Regierung vertritt die Auffassung, dass PFAS-Verbindungen so schädlich sind, dass sie europaweit verboten werden sollten, was wir sehr begrüßen”, sagte RIWA-Rijn-Direktor Gerard Stroomberg. “Wir fordern die Ministerin auf, bis zum Inkrafttreten des PFAS-Verbots bereits jetzt Grenzwerte für die Einleitung von PFAS-Verbindungen in den Rhein festzulegen.” Die Trinkwasserquelle für fünf Millionen Menschen in den Niederlanden verdiene das höchstmögliche Schutzniveau.

Aufgrund ihrer einzigartigen Merkmale werden die teilweise stark gesundheitsgefährdenden Substanzen in einer großen Zahl vor allem in industriellen Produkten und Alltagsgegenständen verwendet – von Anoraks über Pfannen bis hin zu Kosmetik. Mehr als 10.000 verschiedene Chemikalien gehören zu der Stoffgruppe. In der Europäischen Union wird über ein Verbot von PFAS mit einigen Ausnahmen diskutiert. Industrieverbände sehen darin eine Bedrohung für Hightech-Industrien. dpa

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Seat-Chef: Geplante EU-Strafzölle auf Autos aus China bedrohen Marke Cupra

Die geplanten Strafzölle auf Elektroautos aus China bringen nach Einschätzung von Seat-Chef Wayne Griffiths die Volkswage-Marke Cupra in Gefahr. Sollte das Cupra-Modell Tavascan, das in China produziert wird, mit einem Zusatzzoll von 21,3 Prozent belegt werden, wäre es das Aus für das Fahrzeug, sagte Griffiths der Nachrichtenagentur Reuters. Ohne das Elektro-SUV könne die spanische Marke Cupra, die zu Seat gehört, ihre CO₂-Ziele im kommenden Jahr nicht erreichen und müsse möglicherweise hohe Strafen zahlen. “Das bringt die gesamte finanzielle Zukunft des Unternehmens in Gefahr”, sagte Griffiths.

Sollte Cupra als Reaktion auf CO₂-Strafzahlungen die Produktion drosseln müssen, könnte das Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in Spanien haben, sagte Griffiths. “Ziel der Strafzölle war es, die europäische Autoindustrie zu schützen, aber für uns haben sie den gegenteiligen Effekt.” Cupra sei im Gespräch mit der EU-Kommission sowie der deutschen und spanischen Regierung und setze sich dabei für niedrigere Zölle ein. Eine spanische Delegation reise zudem zusammen mit Cupra-Vertretern in mehreren Wochen nach China, um über das Thema zu sprechen.

Im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld sei eine Preiserhöhung für den Tavascan nicht durchsetzbar, sagte Griffiths. Das Fahrzeug wird für ungefähr 52.000 Euro verkauft. Auch eine Verlagerung der Produktion an einen europäischen Standort sei keine Option, weil in Anhui bereits alle nötigen Investitionen getätigt worden seien. “Wir sind keine chinesische Marke, die den europäischen Markt überschwemmen will”, sagte er. “Unsere Autos sind nicht für den Massenmarkt. Wir sind anders, das versuchen wir, zu erklären.” rtr

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Standpunkt

Gemeinsam handeln: Für ein nachhaltiges Chemikalienmanagement und einen lebenswerten Planeten

Von Steffi Lemke & Axel van Trotsenburg
Steffi Lemke ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz,
Axel van Trotsenburg ist Senior Managing Director bei der Weltbank.

Es ist eine stille Umweltkrise. Chemikalien wie Blei oder Stickstoff stecken in unseren Böden, unserem Wasser und in den Produkten, die wir täglich nutzen. Oft sind sie unsichtbar, haben aber furchtbare Folgen. Zum Beispiel verstehen wir erst allmählich das ganze Ausmaß der Bleibelastung, ihre Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und auf die Lernfähigkeit unserer Kinder. Blei wirkt nicht erst ab einer bestimmten Menge, jede Dosis im menschlichen Körper ist zu viel.

Untersuchungen der Weltbank zeigen, dass aufgrund der Bleibelastung weltweit jedes Jahr 5,5 Millionen Menschen vorzeitig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen verlieren Kinder unter fünf Jahren im Durchschnitt fast sechs IQ-Punkte durch Blei. Damit nehmen wir in Kauf, dass diese Kinder scheitern. Wir nehmen ihnen die Chance, ein gesundes, produktives Leben zu führen.

Die Kosten sind hoch: Über ihr gesamtes Berufsleben können diese Kinder mehr als 11 Prozent ihres Einkommens einbüßen, denn jeder verlorene IQ-Punkt kann das Einkommen um zwei Prozent senken. Das ist eine enorme – und versteckte – Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung.

Arme und Schwache leiden am meisten

Und Blei ist nur eines von vielen Beispielen. 60 Prozent des in Düngemitteln enthaltenen Stickstoffs gelangt in die Luft oder ins Wasser. Das dezimiert Fischbestände, verschmutzt die Luft und verschärft die Klimakrise. Cadmium in Batterien, Elektronik und Farben kann Nierenversagen und Krebs verursachen. Meistens sind es die Armen und Schwachen, die am meisten unter der Chemikalienverschmutzung leiden. Es ist höchste Zeit zu handeln, damit Chemikalien und Abfälle nicht länger Schäden anrichten.

Chemikalien stecken in Medikamenten oder Düngemitteln. Sie sind unverzichtbar für Technologien wie Solarmodule und Batterien, mit denen wir die Energiewende schaffen und die Klimakrise bekämpfen wollen. Und manchmal machen sie uns einfach das Leben leichter. Aber die Art und Weise, wie wir Chemikalien produzieren und nutzen, wie wir die Welt vermüllen – mit Einwegplastik, Elektroschrott, veralteten Pestiziden, Industrieabgasen und der Verbrennung fossiler Energien – gefährdet die Gesundheit der Menschen, zerstört die Natur und lässt die Ziele für nachhaltige Entwicklung in weite Ferne rücken.

Lage ist nicht aussichtslos

Und dennoch ist die Lage nicht aussichtslos. Es gibt konkrete Beispiele dafür, wie die Staaten der Welt gemeinsam erfolgreich gegen schädliche Stoffe vorgegangen sind. Zum Beispiel wird heute weltweit nur noch bleifreies Benzin verkauft. Das Montreal-Protokoll hat die Zerstörung der Ozonschicht gestoppt.

Jetzt gibt es weltweit eine neue Dynamik im Kampf gegen die Verschmutzung mit Chemikalien. Vor einem Jahr wurde eine Vereinbarung zum Chemikalienmanagement geschlossen, das Global Framework on Chemicals. Es umfasst und unterstützt Maßnahmen verschiedenster Sektoren und Akteure: Regierungen, Industrie, NGOs, internationale Organisationen. Das ist ein enormer Erfolg, aber doch nur ein erster Schritt. Jetzt gilt es, die Vereinbarung mit Leben zu füllen, mit Maßnahmen, Kapazitäten und Finanzmitteln.

Seit dem letzten Jahr ist vieles in Bewegung gekommen. Regierungen beginnen, die Vereinbarung auf nationaler Ebene umzusetzen. Ein Fonds, der Global Framework on Chemicals Fund, hat seine Arbeit aufgenommen, dank der Unterstützung der Bundesregierung (20 Millionen Euro) und anderer Geldgeber, auch aus der Chemieindustrie. Der Fonds soll Entwicklungsländern helfen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Kapazitäten für ein nachhaltiges Chemikalienmanagement aufzubauen. Internationale Organisationen arbeiten gemeinsam mit Partnern an Programmen zur Umsetzung der Vereinbarung, damit wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr automatisch Umweltverschmutzung bedeutet.

Berlin Forum für Chemikalien und Nachhaltigkeit

Für ein nachhaltigeres und sicheres Chemikalienmanagement zu sorgen, bleibt eine Aufgabe für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Die chemische Industrie muss in grüne und nachhaltige Chemie investieren, um die negativen Folgen der Chemikaliennutzung besser vorhersagen und vermeiden und schädliche Stoffe ersetzen zu können. Regierungen müssen das Wissen, den politischen Willen und die Kapazitäten haben, Leitplanken für die Nutzung von Chemikalien zu setzen. Als Verbraucherinnen und Verbraucher, als Zivilgesellschaft müssen wir Dinge hinterfragen: Nicht jedes Produkt, das verspricht, unseren Alltag leichter zu machen, ist auch gut für uns.

Gemeinsam müssen wir Regeln aufstellen, um den übermäßigen Einsatz von Chemikalien zu verhindern und für einen sicheren Umgang mit ihnen zu sorgen. Wir müssen verhindern, dass weltweit Gemeinschaften durch die Auswirkungen der Umweltverschmutzung in Armut geraten. Es liegt in unserer Verantwortung, unseren Kindern und Enkeln einen lebenswerten, schadstofffreien Planeten zu hinterlassen.

Die Weltbank-Gruppe und die Bundesregierung stehen uneingeschränkt hinter dieser Agenda. Diese Woche kommen beim 3. Berlin Forum hochrangige Akteure zusammen, um sich über die nächsten Schritte der Umsetzung zu verständigen. Wir rufen alle Akteure auf, daran mitzuwirken, dass das Global Framework on Chemicals Wirkung zeigen kann. Nur gemeinsam können wir es erfolgreich umsetzen. Das ist eine große Aufgabe, aber auch eine wichtige Chance. Unsere Generation hat jetzt die Möglichkeit, die Trendwende zu schaffen: für eine gesunde Erde und ein sicheres Leben für unsere Kinder.

Steffi Lemke ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Axel van Trotsenburg ist Senior Managing Director bei der Weltbank.

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  • Weltbank

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Ursula von der Leyen führt viele Gespräche in diesen Tagen, allein gestern interviewte die Kommissionspräsidentin ein halbes Dutzend Kommissarsanwärter. Am kommenden Mittwoch, dem 11. September, will sie ihr neues Team vorstellen. Zunächst am späten Vormittag den Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament, anschließend der Öffentlichkeit.

    So festgefügt, wie manche Presseberichte suggerieren, ist das neue College noch nicht. Klar ist, dass von der Leyen und ihr Kabinettschef Björn Seibert keine Vizepräsidenten mehr wollen, die keine direkte administrative Anbindung an eine Generaldirektion haben – ohne diesen Arbeitsmuskel ein Titel ohne großen Wert. Stattdessen wird es mehrere exekutive Vizepräsidenten geben.

    Doch die Zuordnung der Portfolios ist dem Vernehmen nach ebenso noch im Fluss wie die Namen der designierten neuen Kommissare selbst. Nicht alle der von den Mitgliedstaaten öffentlich nominierten Kandidaten werden auch auf der finalen Liste von der Leyens stehen. Sei es, weil die CDU-Politikerin noch mehr Frauen in ihrem neuen Team wünscht, oder weil die Kompetenzen der Aspiranten nicht recht zu den von den Regierungen gewünschten Zuständigkeiten passen. Welche Zuständigkeiten die Präsidentin schließlich für sie vorsieht, werden auch die designierten neuen Kommissarinnen und Kommissare erst kurz vor der Öffentlichkeit erfahren.

    Es bleibt also spannend.

    Ihr
    Till Hoppe
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    Analyse

    DMA: Die Durchsetzung könnte besser laufen

    Die Bilanz nach sechs Monaten fällt für den Digital Markets Act (DMA) gemischt aus: “Der DMA ist auf dem Weg, seine Ziele zu erreichen und spürbare Wirkung zu zeigen”, sagt Kush Amlani, Global Competition & Regulatory Counsel bei Mozilla, im Gespräch mit Table.Briefings. Es sei aber noch viel zu tun. Die Kommission stehe vor der Herausforderung, ihre begrenzten Ressourcen effektiv einzusetzen. “Sie machen einen guten Job angesichts ihrer beschränkten Mittel“, lobt Amlani. Er betont aber gleichzeitig, dass es noch mehr Durchsetzungskraft und möglicherweise zusätzliche Ressourcen braucht, um die großen Player wirklich zu zwingen, ihre Praktiken zu ändern.

    Fortschritte ja, aber nicht genug

    So sieht das auch Andreas Schwab (CDU), Berichterstatter des EU-Parlaments für den DMA. Insgesamt sieht die Bilanz positiv aus, weil erkennbar ist, dass die Kernforderungen, die wir im Gesetz über digitale Märkte aufgestellt haben, kommen”, sagt Schwab. Aber leider sei zu beklagen, dass sie sehr viel langsamer vorankämen als gewünscht. “Das Kernproblem ist nach wie vor, dass nicht so viele Mitarbeiter vorhanden sind, wie nötig wären”, sagt Schwab. “Es ist ärgerlich.” Beschließen könne man vieles, am Ende gehe es bei Gesetzen darum, was sie konkret bewirkten.

    Ziel des Digital Markets Acts ist es, für faire und offene digitale Märkte zu sorgen. Das Gesetz soll sicherstellen, dass große digitale Plattformen, die als Gatekeeper (Torwächter) fungieren, ihre starke wirtschaftliche Position nicht missbrauchen zum Nachteil anderer Marktteilnehmer und der Verbraucher. Es ist eines der Kernelemente der EU-Digitalstrategie.

    Es fehlt an Geld und Mitarbeitern

    Der Grund, warum die Kommission nicht mehr Mitarbeiter für die Durchsetzung einsetze, sei ganz einfach, sagt Schwab. “Der Kommission fehlt das Geld.” Anders als etwa beim Digital Services Act (DSA), sieht der DMA nicht vor, dass die betroffenen Unternehmen die Gebühr für ihre Aufsicht selbst bezahlen. Das sei beim DSA gerechtfertigt, beim DMA aber problematisch, meint der CDU-Politiker. “Wir wollen nicht, dass die großen Konzerne die Kommissionsdienste finanzieren. Dann entsteht eine stille Art der Kooperation, die gerade im Bereich Wettbewerbskontrolle nicht wünschenswert ist.”

    Anfänglich benannte die Kommission sechs Gatekeeper – Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft – im Rahmen des DMA. Später kamen noch Apples Betriebssystem für Tablets und die Vermittlungsplattform Booking hinzu. Insgesamt fallen aktuell 24 zentrale Plattformdienste der Gatekeeper unter das Gesetz. In der Folge hat die Kommission bereits einige Marktuntersuchungen eingeleitet, unter anderem gegen:

    • Alphabet wegen des Steering in Google Play und der Selbstreferenzierung in der Google-Suche
    • Apple wegen des Steering im App-Store und des Auswahlbildschirms für Safari
    • das “Pay or Consent”-Modell von Meta.

    Es gibt eine Wahl, aber Verbraucher müssen sie auch nutzen

    Amlani betont, der DMA habe bereits erste Veränderungen bewirkt. Als Beispiele nannte er die Einführung von Wahlmöglichkeiten (“Choice Screens”) bei Apple und Google, die den Nutzern theoretisch mehr Auswahl bieten sollen. Jedoch seien diese Initiativen nicht vollständig umgesetzt worden. “Sie waren nicht wirklich darauf ausgelegt, den Nutzern die volle Auswahl zu bieten”, findet Amlani. “Wir glauben, dass es noch weitergehen könnte.”

    Allerdings würden viele der Gatekeeper nicht so einfach ihre Positionen aufgeben. “Einige der Änderungen, die die Unternehmen vorgenommen haben, scheinen darauf abzuzielen, die Auswirkungen auf ihr Geschäft so weit wie möglich zu begrenzen“, sagt Amlani. “Sie nutzen Spielräume in der Auslegung, um den Buchstaben des Gesetzes zu entsprechen, aber nicht dem Geist des Gesetzes.” Es brauche also nicht nur die Durchsetzung der Kommission, sondern auch “die Mitwirkung Dritter sowie auch die Mitwirkung der Verbraucher.

    Es reiche nicht, die Tür zu öffnen, ist Amlani überzeugt. “Man muss die Leute auch ermutigen, hindurchzugehen. Die Verbraucher sollten verstehen, dass sie eine Wahl haben und was diese Wahlmöglichkeiten bedeuten.”

    Andere Länder folgen dem Beispiel der EU

    Die Europäer seien die ersten gewesen, “die deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass eine massive Verfälschung des Wettbewerbs vorliegt, der wir nicht tatenlos zusehen können”, sagt Schwab. “Die Amerikaner haben sich einige Jahre später mit Nachdruck angeschlossen.” Auch Amlani weist darauf hin: “Andere Länder schauen genau auf die EU. Einige haben bereits ihre eigenen Versionen des DMA verabschiedet oder erwägen dies.” Als Beispiel nennt er das Vereinigte Königreich, Australien und Japan.

    “Es scheint, dass Apple versucht, die Auswirkungen des DMA nur auf Europa zu begrenzen“, sagt Amlani. Das ist schade, weil die Vorteile des DMA eigentlich allen Kunden zugutekommen sollten.” Sollten jedoch weitere Länder dem Beispiel der EU folgen, sinkt die Gefahr, dass die großen Plattformen künftig andere Dienste in Europa anbieten als andernorts. “Die nächsten fünf Jahre müssen dem Ziel folgen, den Wettbewerb im digitalen Zeitalter zu verbessern“, fordert Schwab. “Wir dürfen bei den großen Gatekeepern nicht einfach ein Auge zudrücken.”

    • Apple
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    Nach EuGH-Urteil: Kommission sucht neue Mittel gegen Killerakquisitionen 

    Der Europäische Gerichtshof heizt mit einem Urteil die Diskussion über eine Reform des Wettbewerbsrechts an. Die Luxemburger Richter annullierten die Entscheidung der EU-Kommission, dem US-Medizintechnikhersteller Illumina die Übernahme von Grail zu untersagen. Die EU-Wettbewerbshüter hätten den Deal nicht prüfen dürfen, weil das Start-up Grail weder die europäischen noch die nationalen Aufgriffsschwellen erreicht habe. Unternehmen bräuchten bei solchen Transaktionen Planungs- und Rechtssicherheit, begründeten die Richter ihr Urteil.  

    Das Gericht kippt damit nicht nur das Urteil der ersten Instanz, sondern auch eine Praxis der Kommission in der Fusionskontrolle, die sie in dem Fall erstmals angewandt hatte. Sie hatte die Kartellbehörden in mehreren Mitgliedstaaten ermuntert, den Fall nach Brüssel zu verweisen, obwohl Grail auch dort nicht die Umsatzschwellen erreichte, ab der die Behörden eine Fusion prüfen dürfen. Die Kommission stützte sich dabei auf eine von ihr selbst im Jahr 2021 beschlossene “Rekalibrierung” des Artikel 22 in der EU-Fusionskontrollverordnung.  

    “Heftige Schlappe für die Kommission” 

    Die Kommission wollte auf dieser Grundlage einschreiten können, wenn etablierte Unternehmen Start-ups mit vielversprechender Technologie aufkaufen, die noch wenig Umsatz machen. Die Befürchtung besteht, dass das etablierte Unternehmen die Innovation nicht selbst vermarkten, sondern nur einen potenziellen Konkurrenten aus dem Weg schaffen will. Gegen sogenannte Killerakquisitionen etwa in der Tech-Branche hatten die Wettbewerbshüter in der Vergangenheit wenig Handhabe. 

    Experten wie Rupprecht Podszun, Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, hatten schon länger bezweifelt, dass die neue Praxis vor Gericht Bestand haben würde. Er bezeichnet die Entscheidung des EuGH als “heftige Schlappe für die Kommission”. Die Kommission habe in sehr selbstbewusster Weise versucht, ihre Kompetenzen auszudehnen, was in Deutschland bereits kritisch gesehen worden sei. “Eine echte Reform wäre ehrlicher gewesen”, sagt Podszun.  

    Auch Max von Thun vom Open Markets Institute, eine NGO, die für eine offensivere Wettbewerbspolitik wirbt, ist nicht überrascht vom EuGH-Urteil. Es habe sich schon seit der Stellungnahme des Generalanwalts im März dieses Jahres abgezeichnet. Der Rückgriff auf Artikel 22 sei eine imperfekte, kurzfristige Abhilfe gewesen, die nie als langfristige Lösung des Problems der Killerakquisitionen hätte interpretiert werden sollen, sagte von Thun Table.Briefings. 

    Reform der Fusionskontrolle steht an 

    Der Kartellrechtler Podszun rechnet damit, dass die “Rufe nach Reformen in der Fusionskontrolle jetzt noch lauter werden”. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte in ihren politischen Leitlinien für die zweite Amtszeit angekündigt, sich für einen “neuen Ansatz für die Wettbewerbspolitik” einsetzen zu wollen, sie zielt insbesondere auf die Fusionskontrolle. Berlin und Paris drängen mindestens seit der 2019 untersagten Bahnfusion von Siemens und Alstom darauf, die Maßstäbe der Fusionskontrolle zu lockern, um das Entstehen global wettbewerbsfähiger Großunternehmen zu ermöglichen. Etliche andere Mitgliedstaaten sehen das kritischer. 

    Auch Podszun warnt vor solchen Lockerungen: Er sehe zwar durchaus Reformbedarf, nicht nur mit Blick auf Killerakquisitionen. “Wenn eine Reform der Fusionskontrolle aber am Ende zu einer Schwächung der Fusionskontrolle führt, wäre das bitter.”  

    Die neue Kommission stehe jetzt vor heiklen wettbewerbspolitischen und praktischen Herausforderungen, sagt Jens Peter Schmidt, Partner der Kanzlei Noerr in Brüssel. Sie werde nun neue Wege beschreiten müssen, um strategische Übernahmen von kleinen, besonders innovativen Unternehmen weiterhin überprüfen zu können. Laut Vestager will die Kommission nun weitere Schritte prüfen, “um sicherzustellen, dass die Kommission in der Lage ist, die wenigen Fälle zu prüfen, in denen ein Vorhaben Auswirkungen in Europa hätte, aber ansonsten die EU-Anmeldeschwellen nicht erreicht”. 

    Kaufpreisschwelle statt Umsatzschwelle 

    Podszun sieht jetzt zunächst die Kartellbehörden in den Mitgliedstaaten in der Pflicht. Deutschland habe schon 2017 eine Kaufpreisschwelle eingeführt, um Übernahmen von Unternehmen mit wenig Umsatz, aber hoher Bewertung prüfen zu können. “Das Bundeskartellamt kommt dadurch besser an Fälle, in denen Start-ups aufgekauft werden, als die Kommission.”  

    Max von Thun spricht sich für eine Reform der europäischen Fusionskontrollverordnung aus. Er verweist wie Podszun auf die Möglichkeit, eine Kaufpreisschwelle auf Basis des Marktwerts der Unternehmensfusion einzuführen. Alternativ könne man, wie im Vereinigten Königreich, eine Kontrollschwelle einführen, die sich an der Größe des Käufers orientiert. 

    Yon-Courtin fordert sektoriellen Ansatz zum Schutz von Spitzentechnologien

    Auch die liberale Europaabgeordnete und Wettbewerbsberichterstatterin Stéphanie Yon-Courtin spricht sich für eine Reform der Fusionskontrollverordnung aus. “Der Umsatz ist nicht alles”, warnt sie mit Bezug auf die aktuell geltende Umsatzschwelle. Killerakquisitionen gefährden in ihren Augen nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die strategischen Interessen Europas, zum Beispiel für den Fall, dass innovative europäische Firmen von US-Konzernen aufgekauft und liquidiert würden. 

    Sie fordert neben einer Reform der bestehenden Regulierung auch einen sektoriellen Ansatz, der sich auf die strategisch wichtigen Spitzentechnologien fokussiert. Gerade in den Technologien, in denen Europa in Zukunft stark sein will, dürfe man keine Killerakquisitionen zulassen, sagt Yon-Courtin. 

    Killerakquisitionen als Thema in Kommissarsbefragungen 

    Ihrer Meinung nach kommt das EuGH-Urteil zu einem guten Zeitpunkt zu Beginn eines neuen Mandats und noch vor der Bestätigung der neuen Kommission. “Das ist ein Thema, zu dem wir den neuen Wettbewerbskommissar ausfragen können”, kündigt sie an.  

    Die designierten Kommissare müssen sich vor ihrer Bestätigung durch das Parlament noch einer intensiven Befragung in den Parlamentsausschüssen unterziehen. Manchmal gelingt es dem Parlament in diesen Befragungen, den künftigen Kommissaren spezifische Versprechen abzuringen. Auch wenn man noch nicht weiß, wer der neue Wettbewerbskommissar wird: Klar ist, dass er oder sie eine Antwort zum Umgang mit Killerakquisitionen bereithalten muss. 

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    News

    Wasserstoffbank: US-Wirtschaft will Ausschreibungen für blauen Wasserstoff öffnen

    Die American Chamber of Commerce fordert die EU auf, über die Europäische Wasserstoffbank künftig auch kohlenstoffarmen Wasserstoff zu beschaffen – im Wesentlichen also blauen aus Erdgas. “Wenn Auktionen nur auf erneuerbaren Wasserstoff beschränkt werden, mindert das die Effektivität der Bank“, schreibt AmCham in einem Positionspapier, das Table.Briefings vorab vorlag.

    Die USA sind stark in der Förderung von Erdgas engagiert und dort entstehen erste Projekte, die den bei der Wasserstoffproduktion entstehenden Kohlenstoff mittels CCS abscheiden und speichern sollen. Die European Hydrogen Bank ist das zentrale Förderinstrument der EU für die Beschaffung von grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien.

    Ausschreibungen nach Industriezweigen differenzieren

    Grüner Wasserstoff aber werde in den nächsten Jahren noch teuer und rar sein, argumentiert die AmCham: “Kohlenstoffarme Alternativen könnten dagegen in großem Maßstab eingeführt werden. Ein zweigleisiger Ansatz würde die EU in die Lage versetzen, die kritischen Ziele in den nächsten zwei Jahrzehnten zu erreichen.”

    “Der Hauptzweck der EU-Wasserstoffbank und anderer Finanzierungs- und Fördermechanismen sollte darin bestehen, die Herstellung und Einführung von Wasserstoff auf der Grundlage der Kohlenstoffintensität des Moleküls und nicht der Farbe zu ermöglichen”, schreibt der Verband weiter und plädiert dafür, die Beschaffung künftig stärker nach einzelnen Industriesektoren zu differenzieren. Dies würde voraussichtlich eine höhere Förderung nötig machen, weil die CO₂-Vermeidungskosten in verschiedenen Branchen unterschiedlich hoch sind. ber

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    PFAS: Niederlande beklagen Rhein-Verschmutzung durch deutsche Industrie

    Niederländische Wasserversorger haben von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) eine Begrenzung der Einleitungen von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) in den Rhein gefordert. Mit den Einleitungen dieser sogenannten Ewigkeitschemikalien im gegenwärtigen Umfang halte Deutschland sich nicht an nationale und europäische Vereinbarungen zur Wasserqualität, teilte der Verband der Flusswasserwerke am Rhein (RIWA-Rijn) mit.

    Die Niederlande hätten in den kommenden Jahren einen wachsenden Bedarf an sauberem Trinkwasser, dessen Gewinnung durch die industriellen Einleitungen in Deutschland jedoch immer teurer werde. “Die deutsche Regierung vertritt die Auffassung, dass PFAS-Verbindungen so schädlich sind, dass sie europaweit verboten werden sollten, was wir sehr begrüßen”, sagte RIWA-Rijn-Direktor Gerard Stroomberg. “Wir fordern die Ministerin auf, bis zum Inkrafttreten des PFAS-Verbots bereits jetzt Grenzwerte für die Einleitung von PFAS-Verbindungen in den Rhein festzulegen.” Die Trinkwasserquelle für fünf Millionen Menschen in den Niederlanden verdiene das höchstmögliche Schutzniveau.

    Aufgrund ihrer einzigartigen Merkmale werden die teilweise stark gesundheitsgefährdenden Substanzen in einer großen Zahl vor allem in industriellen Produkten und Alltagsgegenständen verwendet – von Anoraks über Pfannen bis hin zu Kosmetik. Mehr als 10.000 verschiedene Chemikalien gehören zu der Stoffgruppe. In der Europäischen Union wird über ein Verbot von PFAS mit einigen Ausnahmen diskutiert. Industrieverbände sehen darin eine Bedrohung für Hightech-Industrien. dpa

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    Seat-Chef: Geplante EU-Strafzölle auf Autos aus China bedrohen Marke Cupra

    Die geplanten Strafzölle auf Elektroautos aus China bringen nach Einschätzung von Seat-Chef Wayne Griffiths die Volkswage-Marke Cupra in Gefahr. Sollte das Cupra-Modell Tavascan, das in China produziert wird, mit einem Zusatzzoll von 21,3 Prozent belegt werden, wäre es das Aus für das Fahrzeug, sagte Griffiths der Nachrichtenagentur Reuters. Ohne das Elektro-SUV könne die spanische Marke Cupra, die zu Seat gehört, ihre CO₂-Ziele im kommenden Jahr nicht erreichen und müsse möglicherweise hohe Strafen zahlen. “Das bringt die gesamte finanzielle Zukunft des Unternehmens in Gefahr”, sagte Griffiths.

    Sollte Cupra als Reaktion auf CO₂-Strafzahlungen die Produktion drosseln müssen, könnte das Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in Spanien haben, sagte Griffiths. “Ziel der Strafzölle war es, die europäische Autoindustrie zu schützen, aber für uns haben sie den gegenteiligen Effekt.” Cupra sei im Gespräch mit der EU-Kommission sowie der deutschen und spanischen Regierung und setze sich dabei für niedrigere Zölle ein. Eine spanische Delegation reise zudem zusammen mit Cupra-Vertretern in mehreren Wochen nach China, um über das Thema zu sprechen.

    Im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld sei eine Preiserhöhung für den Tavascan nicht durchsetzbar, sagte Griffiths. Das Fahrzeug wird für ungefähr 52.000 Euro verkauft. Auch eine Verlagerung der Produktion an einen europäischen Standort sei keine Option, weil in Anhui bereits alle nötigen Investitionen getätigt worden seien. “Wir sind keine chinesische Marke, die den europäischen Markt überschwemmen will”, sagte er. “Unsere Autos sind nicht für den Massenmarkt. Wir sind anders, das versuchen wir, zu erklären.” rtr

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    Standpunkt

    Gemeinsam handeln: Für ein nachhaltiges Chemikalienmanagement und einen lebenswerten Planeten

    Von Steffi Lemke & Axel van Trotsenburg
    Steffi Lemke ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz,
    Axel van Trotsenburg ist Senior Managing Director bei der Weltbank.

    Es ist eine stille Umweltkrise. Chemikalien wie Blei oder Stickstoff stecken in unseren Böden, unserem Wasser und in den Produkten, die wir täglich nutzen. Oft sind sie unsichtbar, haben aber furchtbare Folgen. Zum Beispiel verstehen wir erst allmählich das ganze Ausmaß der Bleibelastung, ihre Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und auf die Lernfähigkeit unserer Kinder. Blei wirkt nicht erst ab einer bestimmten Menge, jede Dosis im menschlichen Körper ist zu viel.

    Untersuchungen der Weltbank zeigen, dass aufgrund der Bleibelastung weltweit jedes Jahr 5,5 Millionen Menschen vorzeitig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen verlieren Kinder unter fünf Jahren im Durchschnitt fast sechs IQ-Punkte durch Blei. Damit nehmen wir in Kauf, dass diese Kinder scheitern. Wir nehmen ihnen die Chance, ein gesundes, produktives Leben zu führen.

    Die Kosten sind hoch: Über ihr gesamtes Berufsleben können diese Kinder mehr als 11 Prozent ihres Einkommens einbüßen, denn jeder verlorene IQ-Punkt kann das Einkommen um zwei Prozent senken. Das ist eine enorme – und versteckte – Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung.

    Arme und Schwache leiden am meisten

    Und Blei ist nur eines von vielen Beispielen. 60 Prozent des in Düngemitteln enthaltenen Stickstoffs gelangt in die Luft oder ins Wasser. Das dezimiert Fischbestände, verschmutzt die Luft und verschärft die Klimakrise. Cadmium in Batterien, Elektronik und Farben kann Nierenversagen und Krebs verursachen. Meistens sind es die Armen und Schwachen, die am meisten unter der Chemikalienverschmutzung leiden. Es ist höchste Zeit zu handeln, damit Chemikalien und Abfälle nicht länger Schäden anrichten.

    Chemikalien stecken in Medikamenten oder Düngemitteln. Sie sind unverzichtbar für Technologien wie Solarmodule und Batterien, mit denen wir die Energiewende schaffen und die Klimakrise bekämpfen wollen. Und manchmal machen sie uns einfach das Leben leichter. Aber die Art und Weise, wie wir Chemikalien produzieren und nutzen, wie wir die Welt vermüllen – mit Einwegplastik, Elektroschrott, veralteten Pestiziden, Industrieabgasen und der Verbrennung fossiler Energien – gefährdet die Gesundheit der Menschen, zerstört die Natur und lässt die Ziele für nachhaltige Entwicklung in weite Ferne rücken.

    Lage ist nicht aussichtslos

    Und dennoch ist die Lage nicht aussichtslos. Es gibt konkrete Beispiele dafür, wie die Staaten der Welt gemeinsam erfolgreich gegen schädliche Stoffe vorgegangen sind. Zum Beispiel wird heute weltweit nur noch bleifreies Benzin verkauft. Das Montreal-Protokoll hat die Zerstörung der Ozonschicht gestoppt.

    Jetzt gibt es weltweit eine neue Dynamik im Kampf gegen die Verschmutzung mit Chemikalien. Vor einem Jahr wurde eine Vereinbarung zum Chemikalienmanagement geschlossen, das Global Framework on Chemicals. Es umfasst und unterstützt Maßnahmen verschiedenster Sektoren und Akteure: Regierungen, Industrie, NGOs, internationale Organisationen. Das ist ein enormer Erfolg, aber doch nur ein erster Schritt. Jetzt gilt es, die Vereinbarung mit Leben zu füllen, mit Maßnahmen, Kapazitäten und Finanzmitteln.

    Seit dem letzten Jahr ist vieles in Bewegung gekommen. Regierungen beginnen, die Vereinbarung auf nationaler Ebene umzusetzen. Ein Fonds, der Global Framework on Chemicals Fund, hat seine Arbeit aufgenommen, dank der Unterstützung der Bundesregierung (20 Millionen Euro) und anderer Geldgeber, auch aus der Chemieindustrie. Der Fonds soll Entwicklungsländern helfen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Kapazitäten für ein nachhaltiges Chemikalienmanagement aufzubauen. Internationale Organisationen arbeiten gemeinsam mit Partnern an Programmen zur Umsetzung der Vereinbarung, damit wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr automatisch Umweltverschmutzung bedeutet.

    Berlin Forum für Chemikalien und Nachhaltigkeit

    Für ein nachhaltigeres und sicheres Chemikalienmanagement zu sorgen, bleibt eine Aufgabe für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Die chemische Industrie muss in grüne und nachhaltige Chemie investieren, um die negativen Folgen der Chemikaliennutzung besser vorhersagen und vermeiden und schädliche Stoffe ersetzen zu können. Regierungen müssen das Wissen, den politischen Willen und die Kapazitäten haben, Leitplanken für die Nutzung von Chemikalien zu setzen. Als Verbraucherinnen und Verbraucher, als Zivilgesellschaft müssen wir Dinge hinterfragen: Nicht jedes Produkt, das verspricht, unseren Alltag leichter zu machen, ist auch gut für uns.

    Gemeinsam müssen wir Regeln aufstellen, um den übermäßigen Einsatz von Chemikalien zu verhindern und für einen sicheren Umgang mit ihnen zu sorgen. Wir müssen verhindern, dass weltweit Gemeinschaften durch die Auswirkungen der Umweltverschmutzung in Armut geraten. Es liegt in unserer Verantwortung, unseren Kindern und Enkeln einen lebenswerten, schadstofffreien Planeten zu hinterlassen.

    Die Weltbank-Gruppe und die Bundesregierung stehen uneingeschränkt hinter dieser Agenda. Diese Woche kommen beim 3. Berlin Forum hochrangige Akteure zusammen, um sich über die nächsten Schritte der Umsetzung zu verständigen. Wir rufen alle Akteure auf, daran mitzuwirken, dass das Global Framework on Chemicals Wirkung zeigen kann. Nur gemeinsam können wir es erfolgreich umsetzen. Das ist eine große Aufgabe, aber auch eine wichtige Chance. Unsere Generation hat jetzt die Möglichkeit, die Trendwende zu schaffen: für eine gesunde Erde und ein sicheres Leben für unsere Kinder.

    Steffi Lemke ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Axel van Trotsenburg ist Senior Managing Director bei der Weltbank.

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    Europe.Table Redaktion

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