die Entscheidungen zum nächsten Mehrjährigen EU-Finanzrahmen stehen erst 2027 an, doch die Diskussion nimmt bereits Fahrt auf. Für die EU-Kommission kommt die Debatte zur Unzeit, die durch eine geleakte interne Präsentation ausgelöst wurde: Die weitreichenden Reformideen mobilisieren bereits Widerstand von vielen Seiten, bevor die Kommissionsspitze sich überhaupt festgelegt hat. Der fertige Vorschlag sollte erst im Sommer 2025 kommen.
Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber etwa spricht von einem “Schlag ins Gesicht des Europäischen Parlaments”. Die parlamentarischen Haushalts- und Kontrollrechte würden mit Füßen getreten, wenn ein Großteil des EU-Budgets in einem Plan pro Mitgliedsstaat zusammengefasst werde. Zudem würde die EU-Politik ad absurdum geführt, wenn jedes Land etwa in der Agrarpolitik seine Prioritäten selbst festlegen könne, kritisiert Ferber. Auch betroffene Interessenvertreter wie der Deutsche Bauernverband machen bereits Stimmung gegen die Reformpläne.
In der Bundesregierung werden die Debatten mit Sorge gesehen: Dort sieht man erheblichen Reformbedarf: Der bisherige Haushalt sei viel zu unflexibel und bedeute de facto Planwirtschaft in Siebenjahresplänen, hört man aus einem beteiligten Haus. Die Grundidee der Kommission sei richtig, heißt es in einem anderen Ministerium.
Bis Ende des Jahres will die Bundesregierung zunächst eine gemeinsame Stellungnahme erarbeiten, welche Reformen in der Kohäsionspolitik aus Sicht der Ampel nötig sind. Nicht nur Finanzminister Christian Lindner zweifelt an der Wirksamkeit der Regionalförderung, zudem fließen die Mittel aus dem EU-Haushalt nur langsam ab. Die Bundesländer als Verantwortliche dürften dem vehement widersprechen.
Doch in Berlin gibt man sich kampfeslustig: “Die Begründungslast liegt bei denen, die nichts verändern wollen”, heißt es in der Bundesregierung.
Wenige Tage nach der EU-Entscheidung zu Zusatzzöllen auf chinesische E-Fahrzeuge hat China vorübergehende Anti-Dumpingmaßnahmen auf Weinbrand-Importe aus der Europäischen Union verhängt.
Den höchsten Satz erhielt mit 39 Prozent des Importwerts JAS Hennessy, ein Tochterunternehmen des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH. Rémy Martin, eine Marke des Spirituosenherstellers Rémy Cointreau, erhielt 38,1 Prozent. Der Großteil der Hersteller muss mit 34,8 Prozent rechnen. Der kleinere Hersteller Martell erhielt den geringsten Satz mit 30,6 Prozent.
Ab dem 11. Oktober müssen die Importeure dem chinesischen Zoll nun eine Sicherheitsleistung erbringen. China begründete die Maßnahmen damit, dass eine Untersuchung zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen sei, dass durch das Dumping von Weinbrand aus der EU dem Brandy-Sektor der Volksrepublik “erheblicher Schaden” drohe.
Die chinesischen Anti-Dumpingzölle auf Cognac aus der EU sind wenig überraschend – die Untersuchung gegen europäischen Weinbrand lief bereits seit geraumer Zeit. Dass Peking diesen Schritt gehen wird, galt seit dem Beschluss in Brüssel am Freitag vergangener Woche als sehr wahrscheinlich. Auch, dass dieser auf den ersten Geschäftstag nach der Feiertagswoche in China fallen wird.
Die EU-Kommission war darauf offenbar auch vorbereitet. Kurz nach der Bekanntgabe des chinesischen Handelsministeriums erklärte die Brüsseler Behörde, in dieser Causa die Welthandelsorganisation (WTO) einzuschalten: “Die Europäische Kommission wird die von China angekündigte Einführung vorläufiger Anti-Dumping-Maßnahmen auf Weinbrand aus der EU vor der WTO anfechten“, teilte Kommissionssprecher Olof Gill mit. “Wir denken, dass diese Maßnahmen unbegründet sind und sind entschlossen, die EU-Industrie gegen einen Missbrauch von Handelsinstrumenten zu verteidigen.” Die EU-Kommission kündigte an “EU-Herstellern, die mit den negativen Auswirkungen dieser ungerechtfertigten Entscheidung der chinesischen Regierung konfrontiert sind, angemessene Unterstützung anzubieten.”
Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, nannte Chinas Zusatzzölle für Cognac “einen Nadelstich in den Verhandlungen”. Zu Table.Briefings sagte Lange: “Das ist Teil des Pokers. Sollte Peking Ernst machen, wird die EU vor die WTO ziehen.”
Frankreichs Handelsministerin Sophie Primas pflichtete dem bei: “Gemeinsam mit der Europäischen Kommission werden wir diese Entscheidung selbstverständlich vor dem WTO-Streitbeilegungsgremium anfechten”, sagte sie. Der Verband französischer Cognac-Hersteller, Bureau National Interprofessionnel du Cognac (BNIC), rief die Regierung am Dienstag auf, “der Eskalation ein Ende zu setzen”. Die Produzenten seien die “Geiseln” des Handelskonflikts um Elektroautos. “Diese Zölle müssen ausgesetzt werden, bevor es zu spät ist”, forderte der Verband der Cognac-Hersteller.
Die Kommission und die chinesische Regierung verhandeln noch über Wege, die EU-Zölle auf E-Autos abzuwenden. Diese treten sonst Ende Oktober in Kraft. Am Dienstagabend wurde bekannt, dass die chinesische Regierung offenbar versucht hatte, die Zusatzzölle auf chinesische E-Autos durch einen Mindestpreis von 30.000 Euro abzuwenden. Das berichtete Reuters. Die Höhe der vorgeschlagenen Mindestpreise war bisher nicht bekannt gewesen.
Paris kritisierte Chinas Staatschef Xi Jinping dafür, ein Versprechen gebrochen zu haben, das er dem französischen Präsidenten gegeben hatte. Es “widerspricht der Verpflichtung, die Präsident Xi während seines Besuchs in Frankreich eingegangen ist”, sagte Primas laut Politico. Emmanuel Macron hatte Xi im Mai in der französischen Hauptstadt empfangen. Als Gastgeschenk an Chinas Staatschef überreichte Macron unter anderem damals zwei Flaschen Cognac, ein Hennessy X.O. und ein Louis XIII von Rémy Martin.
Cognac ist die größte Einzelkategorie importierter Spirituosen in China. Laut BNIC-Daten entfielen im vergangenen Jahr 19,4 Prozent aller Cognac-Exporte aus Frankreich auf China. Die Volksrepublik ist damit einer der profitabelsten Märkte für die Hersteller. Die Franzosen machen 99 Prozent der Weinbrand-Importe Chinas aus. Die französischen Lieferungen hatten 2023 einen Wert von rund 1,5 Milliarden Euro. Marktführer in der Kategorie in der Volksrepublik ist Rémy Cointreau.
Dennoch: Am gesamten chinesischen Spirituosenmarkt macht französischer Cognac nur einen Bruchteil des Verzehrs aus. Die Chinesinnen und Chinesen trinken am meisten lokal produzierten Baijiu, der 95 Prozent des Spirituosenmarktes besetzt.
Mit dem Cognac wird es aber wahrscheinlich nicht getan sein. Das chinesische Handelsministerium deutete am Dienstag an, dass noch weitere Zölle auf andere Produkte folgen könnten: Eine Antisubventionsuntersuchung in Bezug auf EU-Schweinefleisch läuft noch. Auch bestimmte EU-Milchprodukte sind bereits ins Visier geraten. Am Ende würden “objektive und faire” Entscheidungen getroffen, so das Ministerium.
Eine Bemerkung sollte allerdings für gespitzte Ohren in Berlin sorgen: Das Ministerium fügte hinzu, es erwäge eine Erhöhung der Zölle auf Importe von “Großmotor-Fahrzeugen”. Darunter fallen Fahrzeuge mit 2,5 Litern oder mehr Hubraum.
Zahlreiche Premium-Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz, Audi und BMW könnten unter die neue Regelung fallen. Denn obwohl die Konzerne Werke in China betreiben, werden hochmotorige Limousinen oder SUVs zumeist nicht in der Volksrepublik produziert, sondern importiert. Wie zum Beispiel die S-Klasse von Mercedes-Benz, der Audi A8 oder die 7er-Reihe von BMW.
In 14 Jahren, in denen Viktor Orbán Ministerpräsident ist, habe Ungarn 95 Prozent der Gesetzgebungsvorhaben im Rat zugestimmt. Warum er dennoch davon spreche, dass in der EU viel falsch laufe, fragt ein Journalist Orbán bei dessen Pressekonferenz im Europaparlament. Orbán antwortet, dass es zwei scharfe Zäsuren gegeben habe. Er führt den Anstieg der illegalen Migration ab 2015 sowie den Brexit an.
Orbán ist einen Tag früher nach Straßburg gekommen, wo er heute im Europaparlament das Programm der ungarischen Ratspräsidentschaft vorstellt. Er hat sich zwei Stunden Zeit genommen, um vorab den Medien seine Politik zu erklären.
Beim Thema Migration sieht sich Orbán von der Geschichte bestätigt. “Es geht kein Weg daran vorbei, die Außengrenzen der EU zu schützen.” Die “Frontländer” müssten dabei unterstützt werden, die illegale Migration abzuwehren. Es wäre sinnvoll, wenn Brüssel deren Arbeit unterstützen würde. Er bezeichnet die Herausforderungen der Migration als “Schlammschlacht” und “Blitzgewitter”.
Da sehe er als einzige Lösung “Outside hotspots”, also Aufnahmezentren für Migranten außerhalb des EU-Territoriums. Migranten sollten dort ihr “Ersuchen” auf Asyl einreichen. Vor Ort solle darüber entschieden werden. Denn, so Orbán: “Nur der Migrant bleibt nicht, den wir nicht hereingelassen haben.” Ungarn werde von der EU aber bestraft dafür, dass Ungarn das richtige Rezept in der Migrationspolitik bereits anwende. Damit spielt Orbán auf die Strafen an, die Ungarn wegen Vertragsverletzungsverfahren in der Migrationspolitik drohen.
Er sei überzeugt, dass alle anderen Mitgliedstaaten zu der gleichen Haltung fänden. Nur: Er sei lange Zeit als “Idiot dafür gebrandmarkt” worden. Er verweist auf Nachahmer in der Migrationspolitik, etwa die Niederlande unter Geert Wilders. Einzelne Mitgliedstaaten bemühten sich noch um individuelle Lösungen. Sein Vorschlag seien regelmäßige Schengen-Gipfel, bei denen die Mitgliedstaaten sich auf eine gemeinsame Linie verständigen. Gleichwohl will seine Regierung für Ungarn ein “Opt-out” in der Migrationspolitik. Dass für einen “Opt-out” erst die Verträge geändert werden müssen, hält ihn nicht ab. “Zunächst mussten wir Brüssel signalisieren, dass wir herauswollen. Der nächste Schritt ist, zu diskutieren, wie wir herauskommen.”
Mit dem Brexit habe sich die Machtbalance im Rat verändert. Mit den Briten hätten die Visegrad-Staaten Versuche der “EU-Blase” in Brüssel stets abwehren können, “immer mehr Macht und Einfluss” von den Mitgliedstaaten wegzunehmen und in Brüssel anzusiedeln. Seitdem das Vereinigte Königreich aber die EU verlassen habe, könne eine selbst ernannte “Mainstream-Elite” in Brüssel schalten und walten, wie sie wolle.
Gegen die “EU-Eliten” gebe es zunehmend Widerstand: “Die Europäer sind nicht zufrieden.” Im Weltbild Orbáns ist die Fraktion der “Patrioten für Europa“, die maßgeblich von Fidesz mitbegründet wurde, “ein neuer Player, der die Kritik an der EU repräsentiert”. Orbán glaubt: “Entweder ändert sich die EU-Elite und akzeptiert, was immer mehr Menschen in Europa wollen.” Oder: “Die Elite ist nicht dazu bereit, sich zu ändern, und dann müssen wir sie zur Seite stoßen.”
Orbán freut sich auf die US-Präsidentschaftswahlen. Wenn Trump Anfang November gewinne, werden “wir einige Flaschen Champagner aufmachen”. Ganz im Stil von Trump will bei Meinungsverschiedenheiten auf “Deals” setzen. Etwa bei den Erasmus- und Horizon-Förderprogrammen, von denen Studenten und Universitäten aus Ungarn ausgeschlossen wurden. “Wir können immer noch eine Verständigung finden, damit Ungarn wieder teilnehmen kann.”
Sollte das nicht möglich sein, sei das auch nicht tragisch: Seine Regierung habe eigene Programme aufgesetzt: Für sie würden zwar recht hohe Mittel aus dem nationalen Haushalt Ungarns abfließen. “Wir stellen nun aber fest, dass wir die ungarischen Programme lieben. Wir prüfen gerade, ob sie nicht besser sind.” Seine Regierung werde sich aber keinesfalls dem Druck aus Brüssel beugen: “Wir verstehen das Vorgehen der EU als eine üble Erpressung, für die sich Brüssel schämen sollte.”
Mit seinem lang erwarteten Bericht hat der ehemalige italienische Ministerpräsident und EZB-Präsident Mario Draghi Anfang September den Druck auf die Mitgliedsländer der EU erhöht, mehr in Forschung und vor allem Innovation zu investieren. Draghi kritisiert unter anderem bestehende EU-Forschungsprogramme als bürokratisch und unterfinanziert. Er drängt auf eine Verdoppelung des EU-Forschungs- und Innovationsbudgets auf 200 Milliarden Euro für das nächste siebenjährige Rahmenprogramm von 2028 bis 2034.
Draghis Papier hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Experten sind sich einig: Würden alle Änderungen des Berichts umgesetzt, käme das einer kleinen Revolution in der EU-Forschungspolitik gleich. Auch Christian Ehler, Abgeordneter des EU-Parlaments (EVP), begrüßt viele der gehaltvollen Vorschläge Draghis. Tatsächlich seien diese auch in einem angemessenen zeitlichen Rahmen umsetzbar, sagt er im Gespräch mit Table.Briefings. Aber: “Nicht alle sind gute Vorschläge”, sagt Ehler, der zuletzt Koordinator des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) gewesen ist. Beispielsweise ergebe die Ausweitung von Erasmus+ auf Forschende keinen Sinn, da es im Rahmen von Horizon Europe bereits Marie-Curie-Actions und COST (European Cooperation in Science and Technology) gebe.
Grundsätzlich seien die Änderungen zum Aufbau der Forschungs- und Innovationsunion (EFR) für die EU zwar möglich, doch diese hänge in hohem Maße von der Bereitschaft und Kapazität der Mitgliedstaaten ab, sagt Ehler. “Der EFR ist in erster Linie eine Koordinierungsanstrengung, bei der die Mitgliedstaaten vor Ort die meisten Veränderungen herbeiführen müssen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Mitgliedstaaten zwar bereit sind, über die großen Themen zu sprechen, dass die Maßnahmen in den meisten Mitgliedstaaten jedoch langsam voranschreiten.” Ob es daher realistisch ist, zu erwarten, dass ein umfassender Plan für den EFR mit nationalen Plänen für jeden Mitgliedstaat wirklich zu Veränderungen führen wird, sei fraglich, gibt Ehler zu bedenken.
Die Kritik Draghis am Horizon-Programm hingegen kann Christian Ehler nur unterstreichen. “Wir brauchen ein vereinfachtes Programm mit mehr Selbstverwaltung durch Wissenschaftler, Forscher und Innovatoren. Weniger politischer Druck auf das Programm ist entscheidend. Auch eine administrative Vereinfachung ist unerlässlich – für das Forschungsrahmenprogramm 10 können wir nicht wieder mehrere Jahre warten, bis die Muster-Finanzhilfevereinbarung verfügbar ist”, sagt der EU-Politiker.
Ehler macht – bei allen Problemen bei Horizon – aber eine Einschränkung. Die berechtigte Kritik an Horizon dürfe “nicht dazu führen, das Forschungsrahmenprogramm vollständig unter die Fittiche der Haushaltsgeneraldirektion und des EU Competitiveness Fund zu nehmen”, sagt Ehler. Dies wiederum stehe nämlich gegen Draghis Empfehlung, “dass das Forschungsprogramm von und für Experten gemacht sein soll und nicht von Haushaltspolitikern- und beamten, die ihre feuchten Machtträume verwirklichen wollen”.
Christian Ehler unterstützt auch grundsätzlich die Pläne, den Europäischen Innovationsrat (European Innovation Council, EIC), in dem verschiedene Instrumente wie der EIC Pathfinder oder der EIC Accelerator zur Innovationsförderung vereinigt sind, umzubauen – aber eben in einen unabhängigeren EIC. “Draghis Vorschlag würde den EIC Pathfinder im Wesentlichen vom Accelerator trennen. Das ist der falsche Schritt”, sagt Ehler. Der EIC sollte als integriertes Programm umgesetzt werden, das von einem unabhängigen und flexiblen Institut verwaltet wird.
Wie Draghi sieht auch Christian Ehler die Dringlichkeit, die Innovationskraft Europas schnell auszubauen. “Wir sehen tatsächlich bereits eine Abwärtsspirale. Nur einer der zehn größten Unternehmensinvestoren in Forschung und Entwicklung kommt aus der Europäischen Union: Volkswagen.” Und es lasse sich ablesen, woher dieser schwache Wert kommt: Im Jahr 2021 investierte die Industrie in der EU in nur zwei Mitgliedstaaten mehr als zwei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung. In acht Mitgliedstaaten lag dieser Wert bei weniger als 0,5 Prozent und in 19 Mitgliedstaaten bei 1 Prozent oder weniger. In den meisten Mitgliedstaaten und in der EU insgesamt hat sich dieser Prozentsatz in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich verändert, kritisiert Ehler und macht den Vergleich: Die USA investieren 2,4 Prozent, China 1,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts.
Und so teilt Ehler wie Draghi die wachsende Besorgnis um Europas Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Bereits im April hatte ein anderer ehemaliger italienischer Ministerpräsident, Enrico Letta, seine Empfehlungen für die Zukunft des EU-Binnenmarktes, darunter die Schaffung einer “fünften Freiheit”, die dem freien Verkehr von Forschung, Innovation, Wissen und Bildung gewidmet ist, veröffentlicht. Darin machte er Vorschläge zur Stärkung des EU-Binnenmarktes. Auch wenn sich die konkreten Vorschläge der Politiker unterscheiden mögen, es zeigt deutlich, dass die Notwendigkeit für Reformen und Investitionen in diesen Bereichen immer dringender wird.
In einem Positionspapier der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament fordern die Abgeordneten erneut, die Revision der CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw um ein Jahr vorzuziehen und das Verbrenner-Aus 2035 zu “korrigieren”. Die Union pocht dabei weiterhin auf Technologieneutralität. “Die CO₂-Emissionen dürfen nicht nur am Auspuff eines Autos gemessen werden, sondern es muss für den CO₂-Fußabdruck eine Life-Cycle-Analyse geben.” Eine Vorfestlegung auf spezifische Kraftstoffe lehnt die Gruppe ab.
Bei einer Debatte im Europaparlament zur Krise der europäischen Automobilindustrie am Dienstag appellierten Sozialdemokraten, Liberale (außer die FDP) und Grüne an die Kommission, an den Flottenzielen festzuhalten. EVP, FDP sowie die rechten Fraktionen im EU-Parlament sprachen sich für eine Rücknahme des Enddatums der Verbrenner-Technologie aus.
In den Mitgliedstaaten wächst die Unterstützung, die für 2026 vorgesehene Überprüfung der CO₂-Flottengrenzwerte, um ein Jahr vorzuziehen. Der designierte Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas, die designierte Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera sowie der aktuelle und womöglich auch neue Klimakommissar Wopke Hoekstra werden sich bei ihren Anhörungen dazu äußern müssen.
In den schriftlichen Fragen des Verkehrsausschusses an die Kommissarsanwärter, die Table.Briefings vorliegen, wird zwar nicht direkt nach den Flottengrenzwerten gefragt. Jedoch soll Tzitzikostas beantworten, wie er die Klimaziele des Verkehrssektors erreichen will, sowohl bei der Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften als auch durch neue Vorschläge. Auch Hoekstra und Ribera sollen demnach darlegen, welchen Einfluss die EU-Klimapolitik auf den Verkehrssektor haben wird. luk
Alle Länder, die bereits einen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung leisten, sollten die Zahlen dazu offenlegen. So fordern es die Finanzminister der EU und schielen dabei wohl insbesondere auf China. Das Land ist als ehemaliges Entwicklungsland nicht verpflichtet, zur Klimafinanzierung beizutragen. Es zahlt aber laut einer Studie bereits durchschnittlich 4,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Beim Rat für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) haben die EU-Ministerinnen und ihre Stellvertreter am Dienstag ihre Verhandlungsposition für die UN-Klimakonferenz diesen November festgelegt. Bei der COP29 in Baku soll der Rahmen für die internationale Klimafinanzierung ab 2025 entschieden werden. Die westlichen Industriestaaten fordern, dass der Kreis der Geberländer erweitert wird. Bislang waren diese Forderungen vor allem an China sowie die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten gerichtet.
Sollten diese Länder, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, zur Klimafinanzierung beizutragen, bereits zahlen, müssten sie dies nun offenlegen, fordern die EU-Minister. Dies würde die Transparenz verbessern und könnte weitere Klimafinanzierung hebeln, heißt es in den Schlussfolgerungen.
Welchen Beitrag Europa künftig leistet, legte der Ecofin noch nicht fest. Über die Höhe der europäischen Klimafinanzierung ab 2025 will die EU erst in Baku verhandeln. Kommende Woche legen die für die COP29 federführenden Umweltminister noch ihre Verhandlungsposition fest. luk
Die EU-Finanzminister waren sich bei ihrem Treffen am Dienstag im Großen einig: Die EU muss die Ukraine finanziell weiterhin unterstützen. Ein Vorschlag der EU-Kommission, der Ukraine einen Kredit von bis zu 35 Milliarden Euro zu gewähren, der durch Erträge aus den eingefrorenen russischen Zentralbankgeldern abbezahlt wird, soll in Kürze verabschiedet werden. Schon an der heutigen Sitzung der Ständigen Vertreter in Brüssel dürfte der Kredit beschlossen werden.
Der europäische Kredit ist Teil der Abmachung der G7, der Ukraine einen Kredit von insgesamt 50 Milliarden Dollar (ca. 45 Milliarden Euro) zu gewähren. Damit die USA ihren Teil zum Kredit beitragen, verlangen sie aber eine stärkere Garantie von der EU, dass die russischen Zentralbankgelder eingefroren bleiben. Um dies zu gewährleisten, schlug die Kommission vor, die Sanktionen auf den Zentralbankgeldern für 36 statt wie bisher sechs Monate gelten zu lassen.
Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni betonte an der gestrigen Pressekonferenz, dass die Finanzminister den Kommissionsvorschlag “quasi einstimmig” unterstützten. Der Vorschlag, der im Unterschied zum 35-Milliarden-Kredit Einstimmigkeit benötigt, wird von Ungarn blockiert.
Der ungarische Finanzminister Mihály Varga, der die ministerielle Sitzung als Ratspräsident neutral leiten sollte, zeigte sich an der Pressekonferenz nicht sehr neutral. Die ungarische Regierung wolle mit der Entscheidung bis nach den US-Wahlen warten, sagte er. Eine Blockade bis nach den Wahlen würde dem ursprünglichen Zweck des G7-Kredits jedoch teilweise zuwiderlaufen. Dieser war unter anderem im Hinblick auf die Gefahr entschieden worden, dass die Ukraine-Hilfe der USA in einer potenziellen zweiten Trump-Präsidentschaft ausbleiben könnten. jaa
Die Europäische Kommission hat ihren Vorschlag zur Einführung der EU Digital Travel Application vorgelegt. Diese soll digitale Reisepässe und Ausweise ermöglichen und damit den Grenzübertritt in die EU und den Schengen-Raum beschleunigen. Ab 2030 sollen Reisende ihre digitalen Reisedokumente über die App nutzen können.
Das Projekt zielt nach den Worten von Innenkommissarin Ylva Johansson darauf ab, die Grenzkontrollen effizienter zu gestalten. Das sei notwendig angesichts der steigenden Zahl von Grenzübertritten, die 2023 bei fast 600 Millionen lag. Durch die Digitalisierung der Reisedokumente könnten Reisende ihre Daten vorab zur Überprüfung einreichen. Grenzbehörden würden dadurch mehr Zeit gewinnen, sich auf die Erkennung von Kriminalität und illegaler Migration zu konzentrieren. Ein erstes Pilotprojekt in den Niederlanden zeigte bereits, dass sich die Bearbeitungszeit an Grenzkontrollen deutlich verkürzt – von rund 30 auf acht Sekunden.
“Digitale Reisepässe sind ein großer Fortschritt für die Sicherheit und Effizienz im Schengen-Raum. Sie ermöglichen uns, unauffällige Reisende schneller abzufertigen und unsere Ressourcen auf potenziell verdächtige Fälle zu konzentrieren”, sagte Johansson.
Reisende können die digitalen Ausweise freiwillig nutzen, das Tragen des physischen Dokuments bleibt jedoch Pflicht. Die App soll auch in die elektronischen Börsen der EU (EU Digital Identity Wallets) integriert werden, um digitale Identifikationen für verschiedene Zwecke zu speichern. Datensicherheit habe dabei höchste Priorität, versichert die Kommission: Die App speichere persönliche Informationen nur mit Zustimmung der Nutzer und ermögliche die Datenverwaltung direkt über die App.
Der Vorschlag der Kommission setzt die 2021 angenommene Schengen-Strategie um, die sich zur weiteren Digitalisierung der Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet hat. Er geht nun an Rat und Parlament zur weiteren Bearbeitung. vis
Das oberste rumänische Gericht hat entschieden, dass die rechtsextreme Europaparlamentarierin Diana Șoșoacă aufgrund ihrer prorussischen, EU- und NATO-feindlichen Ansichten nicht für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Rumänien als Kandidatin antreten darf.
Das Urteil hatte das Verfassungsgericht bereits am späten Samstag gefällt. Erst am späten Montag wurde dazu eine Erklärung veröffentlicht. Șoșoacă ist Vorsitzende der kleinen ultranationalistischen, euroskeptischen Oppositionspartei SOS Rumänien. Sie ist für antisemitische und prorussische Äußerungen bekannt.
Das Gericht argumentierte, dass Șoșoacă aufgrund ihrer öffentlichen Äußerungen nicht in der Lage sei, das Gelöbnis des Präsidenten, die Verfassung zu respektieren und die Demokratie zu schützen, einzuhalten, falls sie gewählt werden sollte.
Nach dem Urteil äußerten Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum Bedenken, dass das Gericht seine Befugnisse überschritten habe. Dutzende Bürgerrechtsgruppen unterzeichneten einen offenen Brief, in dem es hieß, das Urteil sei “eine ernsthafte Hinwendung zum Illiberalismus”. Das Urteil hat auch die Spannungen in der Regierungskoalition aus linken Sozialdemokraten (PSD) und Mitte-Rechts-Liberalen verschärft, deren Chefs beide bei den anstehenden Wahlen antreten.
Der Vorsitzende der Liberalen Partei, Nicolae Ciucă, beschuldigte die PSD, die Entscheidung des Gerichts beeinflusst zu haben, was die Partei jedoch bestritt. “Unsere Koalitionsregierung mit der PSD hört hier auf“, sagte Ciucă auf Facebook. “Wir werden nur in der Regierung bleiben, um die vollständige Eskalation des Missbrauchs zu verhindern, den sie begehen könnten, um Wahlen zu gewinnen.” Am Dienstag kündigte die oppositionelle Union zur Rettung Rumäniens (USR) an, sie wolle einen Misstrauensantrag gegen die Regierung stellen und forderte die Liberalen auf, ihn zu unterstützen. Die USR verfügt nicht über genügend Parlamentssitze, um allein einen Antrag zu stellen.
Eine Mehrheit von fünf der neun Richter, von denen vier von den Sozialdemokraten unterstützt wurden, hatte erklärt, Șoșoacăs Äußerungen seien ein ausreichender Grund, um darauf hinzuweisen, dass sie “die Verpflichtung, die Verfassung zu respektieren, infrage stellt und missachtet, indem sie in ihrer öffentlichen Rede die Abschaffung grundlegender staatlicher Werte und Entscheidungen, nämlich die EU- und NATO-Mitgliedschaft, fordert”. rtr
Eine wettbewerbsfähige Stahlindustrie in der Europäischen Union ist essenziell für Wohlstand, die Resilienz industrieller Wertschöpfungsketten, Beschäftigung, wirtschaftliche Sicherheit und die grüne Transformation. Sie bietet mehr als 300.000 Arbeitnehmern gute, tariflich abgesicherte und mitbestimmte Industriearbeitsplätze. Stahl ist als Fundament industrieller Wertschöpfung in Europa systemrelevant. Zahlreiche integrierte Wertschöpfungsketten brauchen den Grundstoff Stahl. Hinzu kommt, dass Stahl als Hightech-Werkstoff der grünen Transformation den Weg ebnet. Ohne Stahl würde sich kein Windrad drehen. Keine einzige Kilowattstunde Strom könnte transportiert werden. Ohne Stahl würde kein Elektroauto auch nur einen Kilometer fahren.
Als Basiswerkstoff für die Mobilitäts- und Energiewende sorgt zukünftig vor allem grüner Stahl für eine sichere und nachhaltige Grundstoffversorgung. Daher haben europäische Stahlerzeuger begonnen, mit staatlicher Unterstützung Milliarden in die CO₂-arme Stahlherstellung zu investieren und hierbei innovative Dekarbonisierungskonzepte umzusetzen.
Dennoch befindet sich die europäische Stahlindustrie in einer historischen Krise. Eine schleichende Deindustrialisierung ist im Gange. Europa ist die einzige Weltregion mit einer schrumpfenden Stahlindustrie. In den letzten zehn Jahren hat die EU ein Fünftel ihrer Produktionskapazität sowie mehr als 20.000 Arbeitsplätze verloren. Statt eines Handelsüberschusses (16 Millionen Tonnen in 2012) weist die EU mittlerweile ein hohes Defizit aus (10 Millionen Tonnen in 2023). Die Auslastung europäischer Stahlwerke liegt mittlerweile bei unter 65 Prozent.
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Eine Schlüsselrolle spielt der steigende Importdruck aus Ländern mit Überkapazitäten. Allein die Überkapazitäten aus China übersteigen die gesamte europäische Produktion um den Faktor 5. Gerade die Kombination mit unfairen Handelspraktiken und fehlenden europäischen Antworten hierauf machen dies für die Stahlindustrie zu einem toxischen Gemisch.
Einige Instrumente, mit denen die europäische Stahlindustrie gestützt wird, funktionieren bereits. Ein Beispiel sind Mindesteinfuhrpreise wie etwa bei kornorientiertem Elektroband. Hier sind aber dringend Preisanpassungen notwendig. Auch für die 2026 auslaufenden Steel Safeguards braucht es dringend eine Anschlusslösung.
Darüber hinaus müssen die bestehenden Handelsschutzinstrumente (Anti-Dumping und Anti-Subsidy-Verfahren) schneller und wirksamer gegen unfaire Handelspraktiken eingesetzt werden. Hierfür gilt es, WTO- und EU-rechtliche Handlungsspielräume zu nutzen. Als ersten Schritt sollte die neue Europäische Kommission diese Spielräume im 1. Quartal 2025 klar identifizieren.
Bevor der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM 2026 an den Start geht, muss die EU dringend die offenkundigen Konstruktionsfehler korrigieren. Denn bislang fehlt eine Lösung zur Entlastung von Stahlexporten in Drittstaaten. Damit Produkte, die im Wesentlichen aus Stahl bestehen, nach der Einführung von CBAM nicht nur im außereuropäischen Ausland wirtschaftlich hergestellt werden können, fordern wir eine Prüfung des Anwendungsbereichs mit Rücksichtnahme auf bürokratische, ökonomische und handelspolitische Hürden. Dies betrifft vor allem Downstream-Produkte, für die sich die Wettbewerbsfähigkeit in Europa massiv verschlechtern würde, weil sie nicht in den Anwendungsbereich fallen.
Die Entwicklung der Energiekosten ist eine weitere Schlüsselfrage. Kurzfristig sollte die EU den Mitgliedstaaten ermöglichen, zeitlich begrenzte Entlastungsmechanismen wie Industriestrompreise zu etablieren. Eine wettbewerbsfähige Energieversorgung lässt sich perspektivisch aber nur über einen echten europäischen Energiemarkt sicherstellen. Dafür muss die Energietransportinfrastruktur konsequent über nationale Grenzen hinweg ausgebaut werden.
Um grünen Stahl wettbewerbsfähig zu bekommen, muss die EU ihren Beitrag dazu leisten, Leitmärkte für grünen Stahl zu entwickeln. Neben einer Revision der Vergaberichtlinie, die Fragen der Pariser Klimaziele und Tarifbindung inkludiert, kann auch eine vorgezogene Review der CO₂-Flottengrenzwerte für PKW eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen weg von einer reinen Betrachtung, was aus dem Auspuff kommt, hin zu einer gesamten CO₂-Bilanz eines Fahrzeugs. Dies würde für die Hersteller grünen Stahl attraktiver machen.
Die EU-Kommission ist nun gefordert, schnell die Akteure an einen Tisch zu holen und mit Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräten einen verbindlichen Stahlaktionsplan zu verabreden. Die Politik muss endlich in den Handlungsmodus kommen. Der Entwicklung weiter tatenlos zuzuschauen würde bedeuten, dass wir den Zusammenbruch ganzer Wertschöpfungsketten akzeptieren und künftig autoritäre Regime bestimmen, ob in Europa Nachrüstung und Energiewende überhaupt noch möglich sind und wenn ja, zu welchem Preis.
Dennis Radtke ist seit 2017 Mitglied im Europäischen Parlament. Für die CDU/EVP sitzt er im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Seit Kurzem ist er zudem Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Zuvor war Radtke Gewerkschaftssekretär der IG BCE.
die Entscheidungen zum nächsten Mehrjährigen EU-Finanzrahmen stehen erst 2027 an, doch die Diskussion nimmt bereits Fahrt auf. Für die EU-Kommission kommt die Debatte zur Unzeit, die durch eine geleakte interne Präsentation ausgelöst wurde: Die weitreichenden Reformideen mobilisieren bereits Widerstand von vielen Seiten, bevor die Kommissionsspitze sich überhaupt festgelegt hat. Der fertige Vorschlag sollte erst im Sommer 2025 kommen.
Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber etwa spricht von einem “Schlag ins Gesicht des Europäischen Parlaments”. Die parlamentarischen Haushalts- und Kontrollrechte würden mit Füßen getreten, wenn ein Großteil des EU-Budgets in einem Plan pro Mitgliedsstaat zusammengefasst werde. Zudem würde die EU-Politik ad absurdum geführt, wenn jedes Land etwa in der Agrarpolitik seine Prioritäten selbst festlegen könne, kritisiert Ferber. Auch betroffene Interessenvertreter wie der Deutsche Bauernverband machen bereits Stimmung gegen die Reformpläne.
In der Bundesregierung werden die Debatten mit Sorge gesehen: Dort sieht man erheblichen Reformbedarf: Der bisherige Haushalt sei viel zu unflexibel und bedeute de facto Planwirtschaft in Siebenjahresplänen, hört man aus einem beteiligten Haus. Die Grundidee der Kommission sei richtig, heißt es in einem anderen Ministerium.
Bis Ende des Jahres will die Bundesregierung zunächst eine gemeinsame Stellungnahme erarbeiten, welche Reformen in der Kohäsionspolitik aus Sicht der Ampel nötig sind. Nicht nur Finanzminister Christian Lindner zweifelt an der Wirksamkeit der Regionalförderung, zudem fließen die Mittel aus dem EU-Haushalt nur langsam ab. Die Bundesländer als Verantwortliche dürften dem vehement widersprechen.
Doch in Berlin gibt man sich kampfeslustig: “Die Begründungslast liegt bei denen, die nichts verändern wollen”, heißt es in der Bundesregierung.
Wenige Tage nach der EU-Entscheidung zu Zusatzzöllen auf chinesische E-Fahrzeuge hat China vorübergehende Anti-Dumpingmaßnahmen auf Weinbrand-Importe aus der Europäischen Union verhängt.
Den höchsten Satz erhielt mit 39 Prozent des Importwerts JAS Hennessy, ein Tochterunternehmen des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH. Rémy Martin, eine Marke des Spirituosenherstellers Rémy Cointreau, erhielt 38,1 Prozent. Der Großteil der Hersteller muss mit 34,8 Prozent rechnen. Der kleinere Hersteller Martell erhielt den geringsten Satz mit 30,6 Prozent.
Ab dem 11. Oktober müssen die Importeure dem chinesischen Zoll nun eine Sicherheitsleistung erbringen. China begründete die Maßnahmen damit, dass eine Untersuchung zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen sei, dass durch das Dumping von Weinbrand aus der EU dem Brandy-Sektor der Volksrepublik “erheblicher Schaden” drohe.
Die chinesischen Anti-Dumpingzölle auf Cognac aus der EU sind wenig überraschend – die Untersuchung gegen europäischen Weinbrand lief bereits seit geraumer Zeit. Dass Peking diesen Schritt gehen wird, galt seit dem Beschluss in Brüssel am Freitag vergangener Woche als sehr wahrscheinlich. Auch, dass dieser auf den ersten Geschäftstag nach der Feiertagswoche in China fallen wird.
Die EU-Kommission war darauf offenbar auch vorbereitet. Kurz nach der Bekanntgabe des chinesischen Handelsministeriums erklärte die Brüsseler Behörde, in dieser Causa die Welthandelsorganisation (WTO) einzuschalten: “Die Europäische Kommission wird die von China angekündigte Einführung vorläufiger Anti-Dumping-Maßnahmen auf Weinbrand aus der EU vor der WTO anfechten“, teilte Kommissionssprecher Olof Gill mit. “Wir denken, dass diese Maßnahmen unbegründet sind und sind entschlossen, die EU-Industrie gegen einen Missbrauch von Handelsinstrumenten zu verteidigen.” Die EU-Kommission kündigte an “EU-Herstellern, die mit den negativen Auswirkungen dieser ungerechtfertigten Entscheidung der chinesischen Regierung konfrontiert sind, angemessene Unterstützung anzubieten.”
Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, nannte Chinas Zusatzzölle für Cognac “einen Nadelstich in den Verhandlungen”. Zu Table.Briefings sagte Lange: “Das ist Teil des Pokers. Sollte Peking Ernst machen, wird die EU vor die WTO ziehen.”
Frankreichs Handelsministerin Sophie Primas pflichtete dem bei: “Gemeinsam mit der Europäischen Kommission werden wir diese Entscheidung selbstverständlich vor dem WTO-Streitbeilegungsgremium anfechten”, sagte sie. Der Verband französischer Cognac-Hersteller, Bureau National Interprofessionnel du Cognac (BNIC), rief die Regierung am Dienstag auf, “der Eskalation ein Ende zu setzen”. Die Produzenten seien die “Geiseln” des Handelskonflikts um Elektroautos. “Diese Zölle müssen ausgesetzt werden, bevor es zu spät ist”, forderte der Verband der Cognac-Hersteller.
Die Kommission und die chinesische Regierung verhandeln noch über Wege, die EU-Zölle auf E-Autos abzuwenden. Diese treten sonst Ende Oktober in Kraft. Am Dienstagabend wurde bekannt, dass die chinesische Regierung offenbar versucht hatte, die Zusatzzölle auf chinesische E-Autos durch einen Mindestpreis von 30.000 Euro abzuwenden. Das berichtete Reuters. Die Höhe der vorgeschlagenen Mindestpreise war bisher nicht bekannt gewesen.
Paris kritisierte Chinas Staatschef Xi Jinping dafür, ein Versprechen gebrochen zu haben, das er dem französischen Präsidenten gegeben hatte. Es “widerspricht der Verpflichtung, die Präsident Xi während seines Besuchs in Frankreich eingegangen ist”, sagte Primas laut Politico. Emmanuel Macron hatte Xi im Mai in der französischen Hauptstadt empfangen. Als Gastgeschenk an Chinas Staatschef überreichte Macron unter anderem damals zwei Flaschen Cognac, ein Hennessy X.O. und ein Louis XIII von Rémy Martin.
Cognac ist die größte Einzelkategorie importierter Spirituosen in China. Laut BNIC-Daten entfielen im vergangenen Jahr 19,4 Prozent aller Cognac-Exporte aus Frankreich auf China. Die Volksrepublik ist damit einer der profitabelsten Märkte für die Hersteller. Die Franzosen machen 99 Prozent der Weinbrand-Importe Chinas aus. Die französischen Lieferungen hatten 2023 einen Wert von rund 1,5 Milliarden Euro. Marktführer in der Kategorie in der Volksrepublik ist Rémy Cointreau.
Dennoch: Am gesamten chinesischen Spirituosenmarkt macht französischer Cognac nur einen Bruchteil des Verzehrs aus. Die Chinesinnen und Chinesen trinken am meisten lokal produzierten Baijiu, der 95 Prozent des Spirituosenmarktes besetzt.
Mit dem Cognac wird es aber wahrscheinlich nicht getan sein. Das chinesische Handelsministerium deutete am Dienstag an, dass noch weitere Zölle auf andere Produkte folgen könnten: Eine Antisubventionsuntersuchung in Bezug auf EU-Schweinefleisch läuft noch. Auch bestimmte EU-Milchprodukte sind bereits ins Visier geraten. Am Ende würden “objektive und faire” Entscheidungen getroffen, so das Ministerium.
Eine Bemerkung sollte allerdings für gespitzte Ohren in Berlin sorgen: Das Ministerium fügte hinzu, es erwäge eine Erhöhung der Zölle auf Importe von “Großmotor-Fahrzeugen”. Darunter fallen Fahrzeuge mit 2,5 Litern oder mehr Hubraum.
Zahlreiche Premium-Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz, Audi und BMW könnten unter die neue Regelung fallen. Denn obwohl die Konzerne Werke in China betreiben, werden hochmotorige Limousinen oder SUVs zumeist nicht in der Volksrepublik produziert, sondern importiert. Wie zum Beispiel die S-Klasse von Mercedes-Benz, der Audi A8 oder die 7er-Reihe von BMW.
In 14 Jahren, in denen Viktor Orbán Ministerpräsident ist, habe Ungarn 95 Prozent der Gesetzgebungsvorhaben im Rat zugestimmt. Warum er dennoch davon spreche, dass in der EU viel falsch laufe, fragt ein Journalist Orbán bei dessen Pressekonferenz im Europaparlament. Orbán antwortet, dass es zwei scharfe Zäsuren gegeben habe. Er führt den Anstieg der illegalen Migration ab 2015 sowie den Brexit an.
Orbán ist einen Tag früher nach Straßburg gekommen, wo er heute im Europaparlament das Programm der ungarischen Ratspräsidentschaft vorstellt. Er hat sich zwei Stunden Zeit genommen, um vorab den Medien seine Politik zu erklären.
Beim Thema Migration sieht sich Orbán von der Geschichte bestätigt. “Es geht kein Weg daran vorbei, die Außengrenzen der EU zu schützen.” Die “Frontländer” müssten dabei unterstützt werden, die illegale Migration abzuwehren. Es wäre sinnvoll, wenn Brüssel deren Arbeit unterstützen würde. Er bezeichnet die Herausforderungen der Migration als “Schlammschlacht” und “Blitzgewitter”.
Da sehe er als einzige Lösung “Outside hotspots”, also Aufnahmezentren für Migranten außerhalb des EU-Territoriums. Migranten sollten dort ihr “Ersuchen” auf Asyl einreichen. Vor Ort solle darüber entschieden werden. Denn, so Orbán: “Nur der Migrant bleibt nicht, den wir nicht hereingelassen haben.” Ungarn werde von der EU aber bestraft dafür, dass Ungarn das richtige Rezept in der Migrationspolitik bereits anwende. Damit spielt Orbán auf die Strafen an, die Ungarn wegen Vertragsverletzungsverfahren in der Migrationspolitik drohen.
Er sei überzeugt, dass alle anderen Mitgliedstaaten zu der gleichen Haltung fänden. Nur: Er sei lange Zeit als “Idiot dafür gebrandmarkt” worden. Er verweist auf Nachahmer in der Migrationspolitik, etwa die Niederlande unter Geert Wilders. Einzelne Mitgliedstaaten bemühten sich noch um individuelle Lösungen. Sein Vorschlag seien regelmäßige Schengen-Gipfel, bei denen die Mitgliedstaaten sich auf eine gemeinsame Linie verständigen. Gleichwohl will seine Regierung für Ungarn ein “Opt-out” in der Migrationspolitik. Dass für einen “Opt-out” erst die Verträge geändert werden müssen, hält ihn nicht ab. “Zunächst mussten wir Brüssel signalisieren, dass wir herauswollen. Der nächste Schritt ist, zu diskutieren, wie wir herauskommen.”
Mit dem Brexit habe sich die Machtbalance im Rat verändert. Mit den Briten hätten die Visegrad-Staaten Versuche der “EU-Blase” in Brüssel stets abwehren können, “immer mehr Macht und Einfluss” von den Mitgliedstaaten wegzunehmen und in Brüssel anzusiedeln. Seitdem das Vereinigte Königreich aber die EU verlassen habe, könne eine selbst ernannte “Mainstream-Elite” in Brüssel schalten und walten, wie sie wolle.
Gegen die “EU-Eliten” gebe es zunehmend Widerstand: “Die Europäer sind nicht zufrieden.” Im Weltbild Orbáns ist die Fraktion der “Patrioten für Europa“, die maßgeblich von Fidesz mitbegründet wurde, “ein neuer Player, der die Kritik an der EU repräsentiert”. Orbán glaubt: “Entweder ändert sich die EU-Elite und akzeptiert, was immer mehr Menschen in Europa wollen.” Oder: “Die Elite ist nicht dazu bereit, sich zu ändern, und dann müssen wir sie zur Seite stoßen.”
Orbán freut sich auf die US-Präsidentschaftswahlen. Wenn Trump Anfang November gewinne, werden “wir einige Flaschen Champagner aufmachen”. Ganz im Stil von Trump will bei Meinungsverschiedenheiten auf “Deals” setzen. Etwa bei den Erasmus- und Horizon-Förderprogrammen, von denen Studenten und Universitäten aus Ungarn ausgeschlossen wurden. “Wir können immer noch eine Verständigung finden, damit Ungarn wieder teilnehmen kann.”
Sollte das nicht möglich sein, sei das auch nicht tragisch: Seine Regierung habe eigene Programme aufgesetzt: Für sie würden zwar recht hohe Mittel aus dem nationalen Haushalt Ungarns abfließen. “Wir stellen nun aber fest, dass wir die ungarischen Programme lieben. Wir prüfen gerade, ob sie nicht besser sind.” Seine Regierung werde sich aber keinesfalls dem Druck aus Brüssel beugen: “Wir verstehen das Vorgehen der EU als eine üble Erpressung, für die sich Brüssel schämen sollte.”
Mit seinem lang erwarteten Bericht hat der ehemalige italienische Ministerpräsident und EZB-Präsident Mario Draghi Anfang September den Druck auf die Mitgliedsländer der EU erhöht, mehr in Forschung und vor allem Innovation zu investieren. Draghi kritisiert unter anderem bestehende EU-Forschungsprogramme als bürokratisch und unterfinanziert. Er drängt auf eine Verdoppelung des EU-Forschungs- und Innovationsbudgets auf 200 Milliarden Euro für das nächste siebenjährige Rahmenprogramm von 2028 bis 2034.
Draghis Papier hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Experten sind sich einig: Würden alle Änderungen des Berichts umgesetzt, käme das einer kleinen Revolution in der EU-Forschungspolitik gleich. Auch Christian Ehler, Abgeordneter des EU-Parlaments (EVP), begrüßt viele der gehaltvollen Vorschläge Draghis. Tatsächlich seien diese auch in einem angemessenen zeitlichen Rahmen umsetzbar, sagt er im Gespräch mit Table.Briefings. Aber: “Nicht alle sind gute Vorschläge”, sagt Ehler, der zuletzt Koordinator des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) gewesen ist. Beispielsweise ergebe die Ausweitung von Erasmus+ auf Forschende keinen Sinn, da es im Rahmen von Horizon Europe bereits Marie-Curie-Actions und COST (European Cooperation in Science and Technology) gebe.
Grundsätzlich seien die Änderungen zum Aufbau der Forschungs- und Innovationsunion (EFR) für die EU zwar möglich, doch diese hänge in hohem Maße von der Bereitschaft und Kapazität der Mitgliedstaaten ab, sagt Ehler. “Der EFR ist in erster Linie eine Koordinierungsanstrengung, bei der die Mitgliedstaaten vor Ort die meisten Veränderungen herbeiführen müssen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Mitgliedstaaten zwar bereit sind, über die großen Themen zu sprechen, dass die Maßnahmen in den meisten Mitgliedstaaten jedoch langsam voranschreiten.” Ob es daher realistisch ist, zu erwarten, dass ein umfassender Plan für den EFR mit nationalen Plänen für jeden Mitgliedstaat wirklich zu Veränderungen führen wird, sei fraglich, gibt Ehler zu bedenken.
Die Kritik Draghis am Horizon-Programm hingegen kann Christian Ehler nur unterstreichen. “Wir brauchen ein vereinfachtes Programm mit mehr Selbstverwaltung durch Wissenschaftler, Forscher und Innovatoren. Weniger politischer Druck auf das Programm ist entscheidend. Auch eine administrative Vereinfachung ist unerlässlich – für das Forschungsrahmenprogramm 10 können wir nicht wieder mehrere Jahre warten, bis die Muster-Finanzhilfevereinbarung verfügbar ist”, sagt der EU-Politiker.
Ehler macht – bei allen Problemen bei Horizon – aber eine Einschränkung. Die berechtigte Kritik an Horizon dürfe “nicht dazu führen, das Forschungsrahmenprogramm vollständig unter die Fittiche der Haushaltsgeneraldirektion und des EU Competitiveness Fund zu nehmen”, sagt Ehler. Dies wiederum stehe nämlich gegen Draghis Empfehlung, “dass das Forschungsprogramm von und für Experten gemacht sein soll und nicht von Haushaltspolitikern- und beamten, die ihre feuchten Machtträume verwirklichen wollen”.
Christian Ehler unterstützt auch grundsätzlich die Pläne, den Europäischen Innovationsrat (European Innovation Council, EIC), in dem verschiedene Instrumente wie der EIC Pathfinder oder der EIC Accelerator zur Innovationsförderung vereinigt sind, umzubauen – aber eben in einen unabhängigeren EIC. “Draghis Vorschlag würde den EIC Pathfinder im Wesentlichen vom Accelerator trennen. Das ist der falsche Schritt”, sagt Ehler. Der EIC sollte als integriertes Programm umgesetzt werden, das von einem unabhängigen und flexiblen Institut verwaltet wird.
Wie Draghi sieht auch Christian Ehler die Dringlichkeit, die Innovationskraft Europas schnell auszubauen. “Wir sehen tatsächlich bereits eine Abwärtsspirale. Nur einer der zehn größten Unternehmensinvestoren in Forschung und Entwicklung kommt aus der Europäischen Union: Volkswagen.” Und es lasse sich ablesen, woher dieser schwache Wert kommt: Im Jahr 2021 investierte die Industrie in der EU in nur zwei Mitgliedstaaten mehr als zwei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung. In acht Mitgliedstaaten lag dieser Wert bei weniger als 0,5 Prozent und in 19 Mitgliedstaaten bei 1 Prozent oder weniger. In den meisten Mitgliedstaaten und in der EU insgesamt hat sich dieser Prozentsatz in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich verändert, kritisiert Ehler und macht den Vergleich: Die USA investieren 2,4 Prozent, China 1,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts.
Und so teilt Ehler wie Draghi die wachsende Besorgnis um Europas Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Bereits im April hatte ein anderer ehemaliger italienischer Ministerpräsident, Enrico Letta, seine Empfehlungen für die Zukunft des EU-Binnenmarktes, darunter die Schaffung einer “fünften Freiheit”, die dem freien Verkehr von Forschung, Innovation, Wissen und Bildung gewidmet ist, veröffentlicht. Darin machte er Vorschläge zur Stärkung des EU-Binnenmarktes. Auch wenn sich die konkreten Vorschläge der Politiker unterscheiden mögen, es zeigt deutlich, dass die Notwendigkeit für Reformen und Investitionen in diesen Bereichen immer dringender wird.
In einem Positionspapier der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament fordern die Abgeordneten erneut, die Revision der CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw um ein Jahr vorzuziehen und das Verbrenner-Aus 2035 zu “korrigieren”. Die Union pocht dabei weiterhin auf Technologieneutralität. “Die CO₂-Emissionen dürfen nicht nur am Auspuff eines Autos gemessen werden, sondern es muss für den CO₂-Fußabdruck eine Life-Cycle-Analyse geben.” Eine Vorfestlegung auf spezifische Kraftstoffe lehnt die Gruppe ab.
Bei einer Debatte im Europaparlament zur Krise der europäischen Automobilindustrie am Dienstag appellierten Sozialdemokraten, Liberale (außer die FDP) und Grüne an die Kommission, an den Flottenzielen festzuhalten. EVP, FDP sowie die rechten Fraktionen im EU-Parlament sprachen sich für eine Rücknahme des Enddatums der Verbrenner-Technologie aus.
In den Mitgliedstaaten wächst die Unterstützung, die für 2026 vorgesehene Überprüfung der CO₂-Flottengrenzwerte, um ein Jahr vorzuziehen. Der designierte Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas, die designierte Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera sowie der aktuelle und womöglich auch neue Klimakommissar Wopke Hoekstra werden sich bei ihren Anhörungen dazu äußern müssen.
In den schriftlichen Fragen des Verkehrsausschusses an die Kommissarsanwärter, die Table.Briefings vorliegen, wird zwar nicht direkt nach den Flottengrenzwerten gefragt. Jedoch soll Tzitzikostas beantworten, wie er die Klimaziele des Verkehrssektors erreichen will, sowohl bei der Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften als auch durch neue Vorschläge. Auch Hoekstra und Ribera sollen demnach darlegen, welchen Einfluss die EU-Klimapolitik auf den Verkehrssektor haben wird. luk
Alle Länder, die bereits einen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung leisten, sollten die Zahlen dazu offenlegen. So fordern es die Finanzminister der EU und schielen dabei wohl insbesondere auf China. Das Land ist als ehemaliges Entwicklungsland nicht verpflichtet, zur Klimafinanzierung beizutragen. Es zahlt aber laut einer Studie bereits durchschnittlich 4,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Beim Rat für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) haben die EU-Ministerinnen und ihre Stellvertreter am Dienstag ihre Verhandlungsposition für die UN-Klimakonferenz diesen November festgelegt. Bei der COP29 in Baku soll der Rahmen für die internationale Klimafinanzierung ab 2025 entschieden werden. Die westlichen Industriestaaten fordern, dass der Kreis der Geberländer erweitert wird. Bislang waren diese Forderungen vor allem an China sowie die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten gerichtet.
Sollten diese Länder, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, zur Klimafinanzierung beizutragen, bereits zahlen, müssten sie dies nun offenlegen, fordern die EU-Minister. Dies würde die Transparenz verbessern und könnte weitere Klimafinanzierung hebeln, heißt es in den Schlussfolgerungen.
Welchen Beitrag Europa künftig leistet, legte der Ecofin noch nicht fest. Über die Höhe der europäischen Klimafinanzierung ab 2025 will die EU erst in Baku verhandeln. Kommende Woche legen die für die COP29 federführenden Umweltminister noch ihre Verhandlungsposition fest. luk
Die EU-Finanzminister waren sich bei ihrem Treffen am Dienstag im Großen einig: Die EU muss die Ukraine finanziell weiterhin unterstützen. Ein Vorschlag der EU-Kommission, der Ukraine einen Kredit von bis zu 35 Milliarden Euro zu gewähren, der durch Erträge aus den eingefrorenen russischen Zentralbankgeldern abbezahlt wird, soll in Kürze verabschiedet werden. Schon an der heutigen Sitzung der Ständigen Vertreter in Brüssel dürfte der Kredit beschlossen werden.
Der europäische Kredit ist Teil der Abmachung der G7, der Ukraine einen Kredit von insgesamt 50 Milliarden Dollar (ca. 45 Milliarden Euro) zu gewähren. Damit die USA ihren Teil zum Kredit beitragen, verlangen sie aber eine stärkere Garantie von der EU, dass die russischen Zentralbankgelder eingefroren bleiben. Um dies zu gewährleisten, schlug die Kommission vor, die Sanktionen auf den Zentralbankgeldern für 36 statt wie bisher sechs Monate gelten zu lassen.
Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni betonte an der gestrigen Pressekonferenz, dass die Finanzminister den Kommissionsvorschlag “quasi einstimmig” unterstützten. Der Vorschlag, der im Unterschied zum 35-Milliarden-Kredit Einstimmigkeit benötigt, wird von Ungarn blockiert.
Der ungarische Finanzminister Mihály Varga, der die ministerielle Sitzung als Ratspräsident neutral leiten sollte, zeigte sich an der Pressekonferenz nicht sehr neutral. Die ungarische Regierung wolle mit der Entscheidung bis nach den US-Wahlen warten, sagte er. Eine Blockade bis nach den Wahlen würde dem ursprünglichen Zweck des G7-Kredits jedoch teilweise zuwiderlaufen. Dieser war unter anderem im Hinblick auf die Gefahr entschieden worden, dass die Ukraine-Hilfe der USA in einer potenziellen zweiten Trump-Präsidentschaft ausbleiben könnten. jaa
Die Europäische Kommission hat ihren Vorschlag zur Einführung der EU Digital Travel Application vorgelegt. Diese soll digitale Reisepässe und Ausweise ermöglichen und damit den Grenzübertritt in die EU und den Schengen-Raum beschleunigen. Ab 2030 sollen Reisende ihre digitalen Reisedokumente über die App nutzen können.
Das Projekt zielt nach den Worten von Innenkommissarin Ylva Johansson darauf ab, die Grenzkontrollen effizienter zu gestalten. Das sei notwendig angesichts der steigenden Zahl von Grenzübertritten, die 2023 bei fast 600 Millionen lag. Durch die Digitalisierung der Reisedokumente könnten Reisende ihre Daten vorab zur Überprüfung einreichen. Grenzbehörden würden dadurch mehr Zeit gewinnen, sich auf die Erkennung von Kriminalität und illegaler Migration zu konzentrieren. Ein erstes Pilotprojekt in den Niederlanden zeigte bereits, dass sich die Bearbeitungszeit an Grenzkontrollen deutlich verkürzt – von rund 30 auf acht Sekunden.
“Digitale Reisepässe sind ein großer Fortschritt für die Sicherheit und Effizienz im Schengen-Raum. Sie ermöglichen uns, unauffällige Reisende schneller abzufertigen und unsere Ressourcen auf potenziell verdächtige Fälle zu konzentrieren”, sagte Johansson.
Reisende können die digitalen Ausweise freiwillig nutzen, das Tragen des physischen Dokuments bleibt jedoch Pflicht. Die App soll auch in die elektronischen Börsen der EU (EU Digital Identity Wallets) integriert werden, um digitale Identifikationen für verschiedene Zwecke zu speichern. Datensicherheit habe dabei höchste Priorität, versichert die Kommission: Die App speichere persönliche Informationen nur mit Zustimmung der Nutzer und ermögliche die Datenverwaltung direkt über die App.
Der Vorschlag der Kommission setzt die 2021 angenommene Schengen-Strategie um, die sich zur weiteren Digitalisierung der Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet hat. Er geht nun an Rat und Parlament zur weiteren Bearbeitung. vis
Das oberste rumänische Gericht hat entschieden, dass die rechtsextreme Europaparlamentarierin Diana Șoșoacă aufgrund ihrer prorussischen, EU- und NATO-feindlichen Ansichten nicht für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Rumänien als Kandidatin antreten darf.
Das Urteil hatte das Verfassungsgericht bereits am späten Samstag gefällt. Erst am späten Montag wurde dazu eine Erklärung veröffentlicht. Șoșoacă ist Vorsitzende der kleinen ultranationalistischen, euroskeptischen Oppositionspartei SOS Rumänien. Sie ist für antisemitische und prorussische Äußerungen bekannt.
Das Gericht argumentierte, dass Șoșoacă aufgrund ihrer öffentlichen Äußerungen nicht in der Lage sei, das Gelöbnis des Präsidenten, die Verfassung zu respektieren und die Demokratie zu schützen, einzuhalten, falls sie gewählt werden sollte.
Nach dem Urteil äußerten Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum Bedenken, dass das Gericht seine Befugnisse überschritten habe. Dutzende Bürgerrechtsgruppen unterzeichneten einen offenen Brief, in dem es hieß, das Urteil sei “eine ernsthafte Hinwendung zum Illiberalismus”. Das Urteil hat auch die Spannungen in der Regierungskoalition aus linken Sozialdemokraten (PSD) und Mitte-Rechts-Liberalen verschärft, deren Chefs beide bei den anstehenden Wahlen antreten.
Der Vorsitzende der Liberalen Partei, Nicolae Ciucă, beschuldigte die PSD, die Entscheidung des Gerichts beeinflusst zu haben, was die Partei jedoch bestritt. “Unsere Koalitionsregierung mit der PSD hört hier auf“, sagte Ciucă auf Facebook. “Wir werden nur in der Regierung bleiben, um die vollständige Eskalation des Missbrauchs zu verhindern, den sie begehen könnten, um Wahlen zu gewinnen.” Am Dienstag kündigte die oppositionelle Union zur Rettung Rumäniens (USR) an, sie wolle einen Misstrauensantrag gegen die Regierung stellen und forderte die Liberalen auf, ihn zu unterstützen. Die USR verfügt nicht über genügend Parlamentssitze, um allein einen Antrag zu stellen.
Eine Mehrheit von fünf der neun Richter, von denen vier von den Sozialdemokraten unterstützt wurden, hatte erklärt, Șoșoacăs Äußerungen seien ein ausreichender Grund, um darauf hinzuweisen, dass sie “die Verpflichtung, die Verfassung zu respektieren, infrage stellt und missachtet, indem sie in ihrer öffentlichen Rede die Abschaffung grundlegender staatlicher Werte und Entscheidungen, nämlich die EU- und NATO-Mitgliedschaft, fordert”. rtr
Eine wettbewerbsfähige Stahlindustrie in der Europäischen Union ist essenziell für Wohlstand, die Resilienz industrieller Wertschöpfungsketten, Beschäftigung, wirtschaftliche Sicherheit und die grüne Transformation. Sie bietet mehr als 300.000 Arbeitnehmern gute, tariflich abgesicherte und mitbestimmte Industriearbeitsplätze. Stahl ist als Fundament industrieller Wertschöpfung in Europa systemrelevant. Zahlreiche integrierte Wertschöpfungsketten brauchen den Grundstoff Stahl. Hinzu kommt, dass Stahl als Hightech-Werkstoff der grünen Transformation den Weg ebnet. Ohne Stahl würde sich kein Windrad drehen. Keine einzige Kilowattstunde Strom könnte transportiert werden. Ohne Stahl würde kein Elektroauto auch nur einen Kilometer fahren.
Als Basiswerkstoff für die Mobilitäts- und Energiewende sorgt zukünftig vor allem grüner Stahl für eine sichere und nachhaltige Grundstoffversorgung. Daher haben europäische Stahlerzeuger begonnen, mit staatlicher Unterstützung Milliarden in die CO₂-arme Stahlherstellung zu investieren und hierbei innovative Dekarbonisierungskonzepte umzusetzen.
Dennoch befindet sich die europäische Stahlindustrie in einer historischen Krise. Eine schleichende Deindustrialisierung ist im Gange. Europa ist die einzige Weltregion mit einer schrumpfenden Stahlindustrie. In den letzten zehn Jahren hat die EU ein Fünftel ihrer Produktionskapazität sowie mehr als 20.000 Arbeitsplätze verloren. Statt eines Handelsüberschusses (16 Millionen Tonnen in 2012) weist die EU mittlerweile ein hohes Defizit aus (10 Millionen Tonnen in 2023). Die Auslastung europäischer Stahlwerke liegt mittlerweile bei unter 65 Prozent.
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Eine Schlüsselrolle spielt der steigende Importdruck aus Ländern mit Überkapazitäten. Allein die Überkapazitäten aus China übersteigen die gesamte europäische Produktion um den Faktor 5. Gerade die Kombination mit unfairen Handelspraktiken und fehlenden europäischen Antworten hierauf machen dies für die Stahlindustrie zu einem toxischen Gemisch.
Einige Instrumente, mit denen die europäische Stahlindustrie gestützt wird, funktionieren bereits. Ein Beispiel sind Mindesteinfuhrpreise wie etwa bei kornorientiertem Elektroband. Hier sind aber dringend Preisanpassungen notwendig. Auch für die 2026 auslaufenden Steel Safeguards braucht es dringend eine Anschlusslösung.
Darüber hinaus müssen die bestehenden Handelsschutzinstrumente (Anti-Dumping und Anti-Subsidy-Verfahren) schneller und wirksamer gegen unfaire Handelspraktiken eingesetzt werden. Hierfür gilt es, WTO- und EU-rechtliche Handlungsspielräume zu nutzen. Als ersten Schritt sollte die neue Europäische Kommission diese Spielräume im 1. Quartal 2025 klar identifizieren.
Bevor der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM 2026 an den Start geht, muss die EU dringend die offenkundigen Konstruktionsfehler korrigieren. Denn bislang fehlt eine Lösung zur Entlastung von Stahlexporten in Drittstaaten. Damit Produkte, die im Wesentlichen aus Stahl bestehen, nach der Einführung von CBAM nicht nur im außereuropäischen Ausland wirtschaftlich hergestellt werden können, fordern wir eine Prüfung des Anwendungsbereichs mit Rücksichtnahme auf bürokratische, ökonomische und handelspolitische Hürden. Dies betrifft vor allem Downstream-Produkte, für die sich die Wettbewerbsfähigkeit in Europa massiv verschlechtern würde, weil sie nicht in den Anwendungsbereich fallen.
Die Entwicklung der Energiekosten ist eine weitere Schlüsselfrage. Kurzfristig sollte die EU den Mitgliedstaaten ermöglichen, zeitlich begrenzte Entlastungsmechanismen wie Industriestrompreise zu etablieren. Eine wettbewerbsfähige Energieversorgung lässt sich perspektivisch aber nur über einen echten europäischen Energiemarkt sicherstellen. Dafür muss die Energietransportinfrastruktur konsequent über nationale Grenzen hinweg ausgebaut werden.
Um grünen Stahl wettbewerbsfähig zu bekommen, muss die EU ihren Beitrag dazu leisten, Leitmärkte für grünen Stahl zu entwickeln. Neben einer Revision der Vergaberichtlinie, die Fragen der Pariser Klimaziele und Tarifbindung inkludiert, kann auch eine vorgezogene Review der CO₂-Flottengrenzwerte für PKW eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen weg von einer reinen Betrachtung, was aus dem Auspuff kommt, hin zu einer gesamten CO₂-Bilanz eines Fahrzeugs. Dies würde für die Hersteller grünen Stahl attraktiver machen.
Die EU-Kommission ist nun gefordert, schnell die Akteure an einen Tisch zu holen und mit Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräten einen verbindlichen Stahlaktionsplan zu verabreden. Die Politik muss endlich in den Handlungsmodus kommen. Der Entwicklung weiter tatenlos zuzuschauen würde bedeuten, dass wir den Zusammenbruch ganzer Wertschöpfungsketten akzeptieren und künftig autoritäre Regime bestimmen, ob in Europa Nachrüstung und Energiewende überhaupt noch möglich sind und wenn ja, zu welchem Preis.
Dennis Radtke ist seit 2017 Mitglied im Europäischen Parlament. Für die CDU/EVP sitzt er im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Seit Kurzem ist er zudem Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Zuvor war Radtke Gewerkschaftssekretär der IG BCE.