Table.Briefing: Europe

Die Erwartungen der CDU an von der Leyen + Welche Länder den Binnenmarkt bremsen + Ergebnisse des Ramstein-Treffens

Liebe Leserin, lieber Leser,

EZB-Chefin Christine Lagarde reist heute nach Brüssel, wo sie sich ein letztes Mal vor den EU-Wahlen mit dem Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments trifft. Auf der Agenda steht eine Reflexion über die ersten 25 Jahre des Euro und wie es mit ihm in Zukunft weitergehen soll. Nicht weniger als neun Studien haben Akademiker aus ganz Europa zur Vorbereitung dieser Diskussion erstellt.

Aber der viermal jährlich stattfindende “währungspolitische Dialog” zwischen Parlament und EZB ist kein Seminar für wirtschaftspolitische Gedankenspiele. Es ist eines der wenigen demokratischen Kontrollinstrumente über die formell unabhängige Zentralbank. In den vergangenen wirtschaftlich turbulenten Jahren nutzten die Parlamentarier dieses Instrument gerne, um die Zentralbankchefin zu zwingen, ihre Politik öffentlich zu erklären.

Konservative Parlamentarier werden Lagarde auch heute wieder fragen, wieso sie nicht mehr tut, um die Inflation wieder unter die Zwei-Prozent-Marke zu drücken. Grüne und linke Volksvertreter werden sie dafür kritisieren, dass sie überhaupt versucht, mit Zinspolitik gegen angebotsseitige Preisschocks vorzugehen. Staatsbudgets und grüne Investitionen werden so zum Kollateralschaden der EZB-Politik, lautet ihre Befürchtung.

Die Fragen sind oft voraussehbar, und genauso sind es die Antworten Lagardes, die manchmal hölzern wirken. Die EZB-Chefin will verhindern, dass ihre Worte falsch interpretiert werden und aus Versehen zu einer Marktpanik führen. Dennoch sind die währungspolitischen Dialoge wertvoll, um die folgenreichen Entscheidungen der EZB ins Scheinwerferlicht zu rücken. Auch unabhängige Institutionen müssen sich erklären können.

Ihr
János Allenbach-Ammann
Bild von János  Allenbach-Ammann

Analyse

CDU hat klare Erwartungen an Kandidatin von der Leyen

An diesem Montag finden Partei und Kandidatin ganz offiziell wieder zusammen. Am Vormittag kommen Präsidium und Vorstand zusammen, anschließend wird CDU-Chef Friedrich Merz gemeinsam mit Ursula von der Leyen vor die Presse treten. Um dort zu verkünden, was kaum noch jemanden überrascht: Die Christdemokraten wollen mit der amtierenden Kommissionspräsidentin bei der Europawahl antreten, und von der Leyen will das auch. Die Nominierung als Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei am 6. und 7. März ist dann nur noch Formsache.

Dabei hatten Partei und Kandidatin in den vergangenen Jahren oft gefremdelt. Vielen in der Union agierte von der Leyen schon als Bundesministerin im Kabinett Merkel zu eigensinnig – sie setzte ihre Vorhaben lieber mithilfe der Medien durch, anstatt zunächst ihre Parteifreunde einzubinden. Mit dem Wechsel nach Brüssel 2019 nimmt sie noch weniger Rücksicht auf deren Befindlichkeiten. Von der Leyen habe “ihre Rolle als Kommissionspräsidentin oft losgelöst von ihrer eigenen Parteienfamilie ausgestaltet und sehr eigenständig agiert”, sagt Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag.

Kursschwenk im Sommer

Was die Grünen freut, bringt manchen Christdemokraten zwischenzeitlich zur Weißglut. Von der Leyen treibt ihren European Green Deal mit Verve voran: Ihr Stellvertreter Frans Timmermans legte einen ambitionierten Gesetzgebungsvorschlag nach dem anderen vor, oft gespickt mit kleinteiligen Vorschriften. Anfangs trägt die EVP-Fraktion das mit, aber spätestens mit Ukraine-Krieg und Energiepreiskrise kippt die Stimmung in der Wirtschaft. Von der Leyen habe den Fehler gemacht, an ihrer Agenda starr festzuhalten, obwohl sich mit Krieg und Pandemie die Welt dramatisch geändert habe, kritisiert ein führender EVP-Abgeordneter.

Merz und andere führende Christdemokraten reden auf von der Leyen ein, mit Erfolg: Im vergangenen Sommer beginnt sie, auf den Kurs ihrer Parteienfamilie einzuschwenken – wohlwissend, dass sie deren Unterstützung für eine zweite Amtszeit braucht. In ihrer Rede zur Lage der EU spricht von der Leyen viel über die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die Sorgen der Bauern, sie ernennt den CDU-Politiker Markus Pieper zum Mittelstandsbeauftragten und beerdigt Vorhaben wie schärfere Chemikalienvorschriften.

Den Bauern kommt von der Leyen ebenfalls weit entgegen: Sie zieht den Vorschlag zur Pestizidrichtlinie zurück und verkündet persönlich, die Regeln für Brachflächen weiter auszusetzen. Dies belohne die Landwirte “für ihre wichtige Arbeit”, umschmeichelt sie diese für die EVP wichtige Wählergruppe.

Wettbewerbsfähigkeit “völlig vernachlässigt”.

Moritz Körner, der Chef der FDP-Abgeordneten im Europaparlament, hält diesen Kursschwenk für “wenig glaubwürdig”. Schließlich habe von der Leyen Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau “vier Jahre lang völlig vernachlässigt”.

Auch viele Christdemokraten trauen dem Braten nicht. Sie würden die Nominierung der Kandidatin gerne an Bedingungen knüpfen, sie einschwören auf die Programmatik des nächsten Mandats, insbesondere auf eine Agenda für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und auf die Interessen der Bauern. Von der Leyen aber will sich nicht festnageln lassen. Jedes konkrete Bekenntnis mindert ihren künftigen Handlungsspielraum, und sie riskiert, einem oder mehreren der EU-Staats- und Regierungschefs auf die Füße zu treten.

Rückhalt unter den Regierungschefs

Deren Segen braucht sie für eine zweite Amtszeit: Gemäß den EU-Verträgen schlägt der Europäische Rat dem Europaparlament einen Kandidaten als Kommissionspräsidenten vor. Sollte die EVP wie erwartet als stärkste Kraft aus der Europawahl vom 6. bis 9. Juni hervorgehen, wäre der Weg wohl frei für von der Leyen. Und das nicht nur, weil aktuell die meisten der 27 Staats- und Regierungschefs aus EVP-Parteien stammen.  

Von der Leyen hat sich Respekt erworben durch ihr entschlossenes Auftreten, insbesondere nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Sie habe sich “zur Stimme der Europäischen Union aufgeschwungen“, sagt der Liberale Körner. Für US-Präsident Joe Biden ist die Kommissionspräsidentin eine der wichtigsten Ansprechpartnerinnen in Europa, auch Kanzler Scholz habe ein gutes Arbeitsverhältnis zu ihr entwickelt, heißt es in Berlin. Anders als Ratspräsident Charles Michel wird von der Leyen als politisches Schwergewicht wahrgenommen.

Enormes Reisepensum

Die frühere Verteidigungsministerin hatte bereits zum Amtsantritt erklärt, eine “geopolitische Kommission” führen zu wollen. Den Anspruch hat sie durch viele Reisen untermauert, nicht zuletzt nach Kiew, wohin sie bereits sehr früh nach dem Angriff Russlands reiste.

Ohnehin absolviert die 65-Jährige ein enormes Pensum. So reiste sie Mitte Januar binnen eineinhalb Tagen vom Weltwirtschaftsforum in Davos per Auto für eine Rede nach Straßburg, von dort per Chartermaschine für einen gemeinsamen Auftritt mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nach Forli in Oberitalien, und dann über Zürich wieder nach Davos, wo sie abends Vertreter der Westbalkan-Staaten traf. Beim Weltwirtschaftsforum absolvierte sie tags darauf zwölf bilaterale Treffen, um dann per Linienflug nach Stockholm weiterzureisen. Sie geht Joggen und verzichtet auf Alkohol, um dieses Programm zu bewältigen.

Von der Leyen will stärker präsent sein in den Mitgliedstaaten als etwa ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker. Ihre öffentlichen Auftritte mit den dortigen Spitzenpolitikern haben dazu beigetragen, dass die meisten Menschen in Europa ein Bild von ihr haben – anders als vom sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Nicolas Schmit.

Kritiker im Europaparlament

Das nützt ihr im anstehenden Wahlkampf, der sie kreuz und quer durch die EU führen soll. Deutschland ist dann nur eines von 27 Ländern, von der Leyen wird daher kaum sehr präsent sein können in ihrer Heimat. Wobei das manchem Unions-Strategen recht sein mag – die Parteifreundin steht bei der konservativen Kernklientel nicht überall hoch im Kurs.

Der Wahlkampf wird nicht einfach, denn die christdemokratischen Parteien stehen in vielen EU-Staaten von Rechtsaußen unter Druck. Sollten die EU-kritischen Kräfte großen Zulauf erhalten, könnte es auch für von der Leyen eng werden. Sie braucht eine absolute Mehrheit des Europaparlaments hinter sich. Dort aber sitzen ihre größten Kritiker.

Viele Abgeordnete werfen ihr vor, Ungarns Premier Viktor Orbán zu nachsichtig zu behandeln. Sie habe im Dezember ohne Not zehn Milliarden Euro an EU-Geldern für Orbán freigegeben, sagt Körner. “Ihre Bilanz als Hüterin der Verträge ist daher enttäuschend.”

Bei dem zu erwartenden Wahlausgang wird von der Leyen wird aber nicht nur die EVP, sondern auch Sozialdemokraten, Liberale und Grüne weitgehend geschlossen hinter sich bringen müssen, um die absolute Mehrheit aller Abgeordneten zu erhalten. Für die Parlamentarier biete diese Situation einen mächtigen Hebel, um inhaltliche Zusagen von der Kommissionspräsidentin zu erhalten, sagt Nicolai von Ondarza, Forschungsgruppenleiter der Stiftung Wissenschaft und Politik. “Sie wird intensive Verhandlungen führen müssen.”

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EU-Kommission fordert stärkere Harmonisierung des Binnenmarkts

Die Bilanz des am Mittwoch veröffentlichten, jährlichen Binnenmarkt- und Wettbewerbsfähigkeitsbericht der Kommission ist durchwachsen. Anhand von 17 Erfolgsindikatoren soll der Bericht darlegen, wie es um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarkts steht. Das Ergebnis: Neun Indikatoren zeigen verbesserte Werte auf, fünf haben sich verschlechtert, der Rest ist entweder stagniert oder die Daten konnten noch nicht zusammengetragen werden.

Wachsender innereuropäischer Warenhandel

Zu den erfreulichen Erkenntnissen des Berichts gehört, dass der Anteil des Binnenmarkthandels am Gesamt-BIP der EU nach langer Stagnation seit 2020 wieder stark zunimmt. Der Wert des innereuropäischen Warenhandels belief sich 2022 auf 26,3 Prozent der EU-Wirtschaftskraft. Das sind knapp drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

Es ist aber fraglich, ob dieser Anstieg auf binnenmarktspezifische Faktoren zurückzuführen ist. Der Handel mit Partnern außerhalb der EU hat mindestens genauso stark zugenommen.

Der Dienstleistungshandel innerhalb der EU ist auf niedrigem Niveau ebenfalls leicht gewachsen, konnte nun aber erst den starken Rückgang aus Pandemiezeiten ausgleichen. 2022 entsprach der Anteil des innereuropäischen Dienstleistungshandels wieder dem Niveau von 2019.

Deutschland auf vorletzten Platz bei Umsetzung

Ein weiterer Indikator, den die Kommission untersucht, ist das Konformitätsdefizit in der EU. Es misst die Anzahl Richtlinien, die von Mitgliedstaaten schlecht oder ungenügend in nationales Recht umgesetzt wurden. Hier freut sich die Kommission über eine leichte Verbesserung.

Deutschland rangiert mit 18 mangelhaft umgesetzten EU-Richtlinien auf dem zweitletzten Platz der europäischen Konformitätsrangliste. Nur Ungarn findet sich mit 23 unzureichend umgesetzten Richtlinien noch weiter unten.

“Substanzielles Zusatzwachstum” könnte laut Kommissionsbericht freigesetzt werden, wenn nationale Handelsbarrieren angegangen würden, vor allem durch eine bessere Umsetzung von Regeln, auf die man sich gemeinsam geeinigt habe. Für die kommenden Jahre schreibt sich die Kommission deshalb eine stärkere Durchsetzung des Binnenmarktrechts auf die Fahnen. Sie will auch gegen sogenanntes “Gold-Plating” vorgehen, bei dem nationale Gesetzgeber die europäische Richtlinie zwar korrekt umsetzen, diese aber mit Zusatzbestimmungen versehen, die dann wieder zu Unterschieden zwischen Mitgliedstaaten führen.

Zudem argumentiert die Kommission für die Einführung nationaler Binnenmarktbüros. Diese sollen – von Mitgliedstaaten mit ausreichend Ressourcen und Autorität ausgestattet – dafür zuständig sein, nationale Handelshemmnisse zu beseitigen, vor allem im Dienstleistungssektor.

Venture Capital bleibt rar

Sorgen macht sich die EU-Kommission über das Wegbleiben von Wagniskapital, das für schnell wachsende Startups essenziell ist. Laut Bericht haben im Jahr 2022 Venture Capital Investitionen im Umfang von etwa 0,09 Prozent des europäischen BIPs stattgefunden. Ein Jahr zuvor waren es noch 0,11 Prozent. In den USA liegt dieser Wert bei 0,75 Prozent und in China bei 0,58 Prozent.

Die Kommission fordert unter anderem deshalb einen tieferen und besser integrierten Kapitalmarkt in der EU. Aber das Projekt der Kapitalmarktunion, das auch die Finanzminister Christian Lindner und Bruno Le Maire öffentlich gerne unterstützen, bleibt aufgrund einzelstaatlicher Interessen äußerst schwierig umzusetzen.

“Mehr Liebe für den Binnenmarkt”

Die Veröffentlichung des Binnenmarktberichts nahmen auch Wirtschaftsverbände zum Anlass, auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Eine Koalition von 25 europäischen Verbänden forderten am Valentinstag “mehr Liebe für den Binnenmarkt”.

Konkret drängt die Wirtschaftskoalition auf eine Vereinfachung der Regeln für Unternehmen und – ähnlich wie die Kommission – eine starke Harmonisierung der Regeln im Binnenmarkt sowie den Abbau der Handelshemmnisse. Dafür haben die Verbände eine Liste mit mehr als 100 Handelshemmnissen erstellt, welche sie gerne loswerden würden. “Die Vertiefung des Binnenmarkts sollte bis 2030 die politische Hauptpriorität sein”, schreiben die Wirtschaftsverbände.

Auch aus dem Europäischen Parlament kommen unterstützende Stimmen. Der binnenmarktpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Andreas Schwab, meinte in einer Stellungnahme, dass es nicht reichen würde, den Status quo des Binnenmarkts aufrechtzuerhalten. “Stillstand ist hier ein Rückschritt. Wir brauchen ambitioniertere Pläne zur Vervollständigung des Binnenmarktes, um grenzüberschreitendes Arbeiten endlich zu vereinfachen”, erklärte der Christdemokrat.

Hauptaufgabe der nächsten Kommission

Es zeichnet sich ab, dass die Harmonisierung des Binnenmarkts eine der Prioritäten der neuen Kommission wird. Gerade wenn das Terrain international anspruchsvoller wird, richtet sich der Druck der Wirtschaft darauf, den Heimmarkt zu stärken und ihn über die Abschaffung von Handelshemmnissen zu vergrößern.

Zur Zukunft des Binnenmarkts und zur Wettbewerbsfähigkeit der EU sind in diesem Halbjahr noch weitere Berichte geplant. Im März wird Enrico Letta seinen Bericht für die belgische Ratspräsidentschaft fertigstellen und im Juni wird Mario Draghi einen Bericht für die EU-Kommission präsentieren.

Zudem treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU im April zu einem EU-Sondergipfel, um über Binnenmarkt-Themen zu sprechen und den Boden für die nächste EU-Kommission vorzubereiten.

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Pistorius: “Der Krieg in der Ukraine wird am Fließband entschieden”

“Der Krieg in der Ukraine wird am Ende auch am Fließband in den Produktionsländern der Welt entschieden”, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius vor Beginn des Treffens der Vertreter von rund 50 Nationen, die in der “Ukraine Defense Contact Group” die militärischen Hilfslieferungen koordinieren. Der deutsche Ressortchef hatte dabei vor allem die Herstellung von Artilleriemunition im Blick, für die der deutsche Rheinmetall-Konzern Anfang der Woche ein neues Werk in Niedersachsen eröffnete: “Munition ist eine globale Mangelware.” In diesem Jahr kündigte Pistorius an, werde Deutschland das Drei- bis Vierfache der Vorjahresmenge an Artilleriegranaten an die Ukraine liefern.

In kleineren, sogenannten Fähigkeitsgruppen bemühen sich die Ukraine-Unterstützer für mehr und schnellere Ausstattung des Landes im Krieg. Gemeinsam mit 13 anderen Nationen unterzeichneten Deutschland und Frankreich dafür in Brüssel eine Absichtserklärung (Letter of Intent) für eine Verbesserung der Flugabwehrmöglichkeiten.

“Die Stärkung der Luftverteidigungsfähigkeiten der Ukraine ist für die Zukunft des Konflikts und den Schutz der Zivilbevölkerung von entscheidender Bedeutung“, sagte der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, der gemeinsam mit Pistorius die Gruppe leitet. Ihr gehören neben den beiden Führungsnationen die Ukraine, Belgien, Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Slowenien, Spanien, die Türkei und die USA an.

USA wollen die Unterstützergruppe weiter anführen

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, der wegen einer vorangegangenen Krebsbehandlung im Krankenhaus per Video zum Ramstein-Treffen zugeschaltet war, sicherte zur Eröffnung der Sitzung die anhaltende Unterstützung des Westens für die Ukraine zu – auch durch die USA. “Amerika wird seine Hilfe für den grundlegenden Kampf der Ukraine gegen Putins imperiale Aggression fortsetzen”, versprach der Pentagon-Chef ungeachtet des innenpolitischen Streits in den USA über weitere Unterstützung.

Die USA sind zudem offensichtlich entschlossen, ungeachtet ihrer innenpolitischen Probleme die internationale Unterstützer-Koalition weiterzuführen. Angesichts von Überlegungen, diese Koordinationsaufgabe der Nato zu übertragen, zeigte sich der Generalsekretär der Allianz zurückhaltend. Es gebe zwar Gespräche, aber entscheidend sei das Ziel, die Ukraine auf dem besten und zuverlässigsten Weg zu unterstützen, sagte Jens Stoltenberg. Die US-Botschafterin bei der Nato, Julianne Smith, war vor dem Treffen da deutlicher, wenn auch diplomatisch formuliert: “Dieses Format bringt wirklich Ergebnisse… und die USA werden sich weiterhin in diesen Prozess einbringen.”

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Termine

19.02.2024 – 08:30 Uhr, online
Table.Media, Podiumsdiskussion Europäische Souveränität in der Sicherheitspolitik – eine Illusion?
Der Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe im Vorfeld der Europawahlen dreht sich um die Verteidigungsfähigkeit Europas und wie diese strukturell ausgebaut werden könnte. Es diskutieren FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations, die Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland, Linn Selle, und Europe.Table Redaktionsleiter Till Hoppe. INFOS & ANMELDUNG

19.02.2024 – 08:30-23:30 Uhr, Berlin
KAS, Konferenz Cafe Kyiv 2024 – Die Zukunft der Ukraine in Europa
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) widmet sich mit einer Vielzahl von Referentinnen und Partnern verschiedenen Aspekten des Krieges in der Ukraine sowie einer Perspektive zum Wiederaufbau. INFOS & ANMELDUNG

19.02.2024 – 12:00-16:30 Uhr, Berlin
D21, Podiumsdiskussion Gesellschaft im Wandel – Digitale Transformation gestalten
Anlässlich der Veröffentlichung ihrer neuen Studie lädt die Initiative D21 politische Entscheidungsträger sowie Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zur Diskussion über aktuelle Themen der digitalen Gesellschaft in Deutschland ein. INFOS & ANMELDUNG

19.02.2024 – 16:00-18:00 Uhr, Berlin
KAS, Symposium Maritime security in East Asia – The aftermath of the Russian invasion of Ukraine
Together with the Japanese Research Institute for Peace and Security, the Konrad-Adenauer-Foundation (KAS) will explore current and upcoming challenges to maritime security in East Asia. INFO

19.02.2024, Berlin/online
EK, Q&A Hintergrundgespräch zur EU-Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit und Schutz vor ausländischen Risiken
Die Vertretung der Europäischen Kommission (EK) veranstaltet ein Hintergrundgespräch, bei dem Experten aus der Kommission berichten, was die geplanten Initiativen zur wirtschaftlichen Sicherheit bedeuten und erörtern, wie die EU gleichzeitig ihr offenes Wirtschaftsmodell beibehalten will. INFOS & ANMELDUNG

20.02.-22.02.2024, Essen
con energy, Messe E-world energy & water
Die Messe mit einer Vielzahl an ausstellenden Unternehmen dient als Informationsplattform und Branchentreffpunkt der europäischen Energiewirtschaft. INFOS & ANMELDUNG

20.02.2024 – 08:00-18:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
EIT, Conference 2024 EIT Summit
The European Institute of Innovation and Technology (EIT) will present its work in areas such as women’s entrepreneurship, AI and green technology, bringing together speakers from policy, research, business and education. INFO

20.02.2024 – 12:30-13:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
NRW, Diskussion Erweiterung und Reform der EU – aber wie?
Die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) spricht mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaft, den Medien und dem Rat der EU über die Handlungsfähigkeit der Union in Bezug auf deren Erweiterung und diskutiert mögliche Reformvorschläge. INFOS & ANMELDUNG

20.02.2024 – 15:00-16:00 Uhr, online
HBS, Discussion Trump 2.0: How should the EU approach an isolationist America?
Ahead of the US elections, the Heinrich-Böll-Foundation (HBS) wants to discuss how Europe should approach a potential reelection of Donald Trump, particularly regarding the NATO alliance. INFO & REGISTRATION

20.02.2024 – 19:00-20:30 Uhr, Potsdam
FES, Podiumsdiskussion Europa vor den Wahlen – Welche Zukunft hat die Europäische Union?
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beleuchtet mit Podiumsgästen verschiedene Zukunftsperspektiven für die EU, unter anderem in Hinblick auf den Rechtsruck und die anstehenden Europawahlen. INFOS & ANMELDUNG

News

Umweltausschuss stimmt für neue Flottengrenzwerte für Lkw

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) hat sich mehrheitlich für die Überarbeitung der CO₂-Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge ausgesprochen. Mit 47 Ja-Stimmen und 30 Nein-Stimmen war das Ergebnis allerdings keineswegs eindeutig. Das liegt an der Ablehnung der EVP. Schattenberichterstatter Jens Gieseke (CDU) bemängelt “fehlende technologische Offenheit” in dem Gesetzesvorschlag und kündigt an, dass die EVP ihn auch im Plenum ablehnen wolle.

Auch der von der FDP in letzter Minute hinzugefügte Erwägungsgrund, der E-Fuels eine Perspektive für Lkw bieten soll, hat die Christdemokraten nicht überzeugt. Das Gesetz liefere keine Garantie, dass Fahrzeuge, die nachweislich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, in Zukunft zugelassen werden können, begründet Gieseke die Entscheidung seiner Fraktion. “Der Erwägungsgrund ist rechtlich nicht bindend, zudem enthält er auch nur eine Prüfbitte an die Kommission.” Die Schuld für den “schlechten Kompromiss” sieht er vor allem bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der die Verlässlichkeit Deutschlands als Verhandlungspartner torpediert und am Ende doch nichts erreicht habe, sagt Gieseke.

Bas Eickhout (Grüne), federführender Berichterstatter, verteidigt die überarbeiteten CO₂-Flottengrenzwerte. Das neue Gesetz erhöhe die Reduktionsziele für Lkw deutlich: “45 Prozent weniger CO₂-Emissionen im Jahr 2030, 65 Prozent im Jahr 2035 und 90 % im Jahr 2040.” Zudem sei der Geltungsbereich auf weitere Nutzfahrzeuge wie Müllwagen ausgeweitet worden.

Das Plenum wird voraussichtlich im April über das Gesetz abstimmen, anschließend muss ein beliebiger Ministerrat noch formal zustimmen. luk

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Green Claims-Richtlinie: ENVI und IMCO nehmen Bericht an

Der Binnenmarkt- und der Umweltausschuss im EU-Parlament haben am Mittwoch ihren Bericht zur Green Claims-Richtlinie angenommen. Die Richtlinie umfasst neue Vorschriften darüber, wie Unternehmen das EU-Verbot von Greenwashing bei Produkten einhalten können, indem sie umweltbezogene Werbeaussagen validieren lassen.

Unternehmen müssen umweltbezogene Marketing-Behauptungen wie “klimaneutral” oder “umweltfreundlich” zur Überprüfung vorlegen, bevor sie diese verwenden. Die Behauptungen sollen innerhalb von 30 Tagen von akkreditierten Gutachtern bewertet werden, heißt es im angenommenen Text. Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, können von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, verlieren ihre Einnahmen und müssen mit einer Geldstrafe von mindestens vier Prozent ihres Jahresumsatzes rechnen.

Kommission soll weniger komplexe Angaben ermöglichen

Die Kommission soll zudem eine Liste mit weniger komplexen Angaben und Produkten erstellen, die schneller oder einfacher geprüft werden könnten, fordern die Abgeordneten. Sie soll auch entscheiden, ob Angaben über Produkte, die gefährliche Stoffe enthalten, weiterhin möglich sein sollten. Die Ausschüsse wollen Kleinstunternehmen von den neuen Verpflichtungen ausnehmen und KMU eine längere Umsetzungsfrist gewähren.

Der Bericht bestätigt das Verbot grüner Werbeaussagen, die sich ausschließlich auf CO₂Kompensationsprogramme stützen, wie bereits in der Richtlinie “Empowering Consumers for the Green Transition festgelegt. ENVI und IMCO schlagen vor, dass Unternehmen weiterhin Kompensationsprogramme erwähnen können, wenn sie ihre Emissionen bereits so weit wie möglich reduziert haben und diese Programme nur für Restemissionen nutzen. Die Kohlenstoffgutschriften aus den Systemen müssen zertifiziert werden, wie im Rahmen des Carbon Removals Certification Framework festgelegt.

Das Plenum wird in den kommenden Wochen über den Berichtsentwurf abstimmen. Die Trilogverhandlungen werden erst nach den Europawahlen beginnen. leo

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  • Klima & Umwelt
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Polens Vize-Außenminister fordert mehr Einfluss in Europa

Der stellvertretende Außenminister Polens, Marek Prawda, hat eine stärkere Rolle Polens für die Zukunft Europas und eine Revitalisierung des Weimarer Dreiecks gefordert. “Europa ist östlicher geworden. Polen ist bereit, mehr zu tun als in der Vergangenheit“, sagte der frühere Botschafter in Deutschland Table.Media. Die Sicherheitsfrage habe die Verhältnisse auch in Europa neu sortiert. “Polen ist ein Frontstaat.” Die Europäische Union sei jetzt keine “Regelfabrik” mehr, sondern wirklich eine “Schicksalsgemeinschaft”.

Das wachsende ökonomische und politische Gewicht wolle Polen im Weimarer Dreieck mit den Partnern Deutschland und Frankreich einbringen. “Wir sollten in dem Format auch über die Zukunft Europas reden“, sagte Prawda. Als konkrete Themen nannte er die Verteidigungsunion, die EU-Osterweiterung und eine neue wirtschaftspolitische Souveränität für die EU. Alle Aussagen Prawdas lesen Sie hier in der Analyse von Michael Bröcker.

  • EU-Außenpolitik
  • Polen
  • Verteidigungspolitik

Kommission will digitalen Binnenmarkt schaffen

Die Kommission will den Telekommunikationsmarkt in Europa stärker harmonisieren, die Investitionsbedingungen verbessern, die Infrastruktur resilienter machen – und womöglich große Technologiekonzerne an den Kosten für den Netzausbau beteiligen. Das geht aus dem Weißbuch hervor, das Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager am 21. Februar vorstellen will und dessen Entwurf Table.Media vorliegt.

“Die Fragmentierung des EU-Marktes für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste entlang der nationalen Grenzen könnte die Fähigkeit der Betreiber beeinträchtigen, die für Investitionen in die Netze der Zukunft erforderliche Größenordnung zu erreichen”, schreibt die Kommission. Die grenzüberschreitende Konsolidierung der Telekommunikationsmärkte sei immer noch nicht abgeschlossen. “Daher scheint die Zeit reif zu sein, die Einführung einiger EU-weiter Zugangsregelungen in Erwägung zu ziehen.” Solche Regeln könnten Fusionen und grenzüberschreitende Dienste erleichtern.

Netzwerkabgabe: Beitrag zur Finanzierung der Universaldienste

Außerdem will die Kommission das Verhältnis zwischen den Betreibern öffentlicher Netze (wie Deutsche Telekom oder Telefónica) und den Betreibern privater Netze (wie Google, Meta oder Amazon) neu regeln. Während die einen reguliert sind, unterliegen die anderen Netze kaum Regeln. Zudem seien sie “beispielsweise vom Beitrag zur Finanzierung des Universaldienstes oder der Finanzierung der sektoralen Regulierung befreit”. Die Diskussion über die Beteiligung von Big Tech an den Netzwerkkosten (Fair Share) geht also weiter.

Das Weißbuch ist eine Folge der breit angelegten Konsultation zur Zukunft der Telekommunikationsnetze, die die Kommission im vergangenen Jahr durchgeführt hat. Es dient der Vorbereitung eines Digital Networks Acts, der allerdings erst unter der nächsten Legislatur kommen soll.

Auch über das Weißbuch und die darin vorgestellten Szenarien will die Kommission mit allen Interessengruppen und Partnern breit diskutieren. Daher leitet sie erneut eine breit angelegte Konsultation der Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft, der Industrie und der Wissenschaft ein. vis

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  • Digitalisierung
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Frühe Schulabgänger in der EU: Weniger als die Hälfte arbeitet

In der Europäischen Union hat 2022 fast jeder zehnte junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren die Schule mit maximal Sekundarstufe I-Abschluss verlassen – ohne zunächst eine weitere allgemeine oder berufliche Bildung anzuschließen. Das geht aus aktuellen Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat hervor, über die das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zuerst berichtete. In Deutschland liegt die Quote der frühen Schulabgänger mit 12,2 Prozent sogar über dem EU-Schnitt. Schaut man sich den Zusammenhang zwischen keinem bis mittlerem Abschluss und Beschäftigung an, lassen sich gravierende Folgen erkennen.

Anders als in anderen Medienberichten dargestellt, beziehen sich die Daten auf die jungen Erwachsenen, die keinen Abschluss oder höchstens einen Haupt- oder Realschulabschluss haben. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, die Quote der Schulabgänger mit höchstens mittlerem Bildungsabschluss bis 2030 auf unter neun Prozent zu senken. Dieser Indikator soll Aufschluss über die Arbeitsmarkt- und Einkommenschancen junger Menschen geben. Zum Vergleich: Die reine Schulabbrecherquote, also die Zahl derer, die keinen Hauptschulabschluss haben, liegt in Deutschland bei rund sechs Prozent.

EU-weit ist die Quote der frühen Schulabgänger seit 2012 um drei Prozent gesunken. Zwischen den Ländern gab es 2022 aber weiterhin große Unterschiede mit einer Spannweite von 15,6 Prozent in Rumänien zu 2,3 Prozent in Kroatien. Zudem gab es in allen Ländern bis auf Bulgarien und Griechenland mehr junge Männer als Frauen, die frühzeitig oder mit niedrigem Abschluss die Schule verließen. Auch innerhalb eines Landes kann die Quote unterschiedlich ausfallen.

Keine Chance oder keinen Bock auf einen Job?

Da vor allem kein, aber auch ein niedriger oder mittlerer Abschluss mit hohem individuellen und ökonomischen Risiko verbunden sind, ist die Frage entscheidend, ob frühe Schulabgänger einen Job finden. Die Analyse von Eurostat zeigt, dass nicht einmal die Hälfte (45,8 Prozent) der Schulabgänger EU-weit einen Job haben. Fast jeder Dritte ist arbeitslos und würde gerne arbeiten. Knapp ein Viertel ist dagegen arbeitslos und möchte auch nicht arbeiten.

In Deutschland sieht die Situation für frühe Schulabgänger noch ärger aus: Nicht einmal ein Drittel der Männer und Frauen zwischen 18 und 24 Jahren hatte 2022 einen Job. Rund 15 Prozent sind arbeitslos, aber arbeitswillig und mehr als die Hälfte der Schulabgänger ist arbeitslos und möchte nicht arbeiten. Die arbeitslosen Schulabgänger machten insgesamt in ihrer Altersgruppe 5,4 Prozent aus, wie Eurostat berechnete. vkr

  • Arbeitslosigkeit
  • Bildungsdaten
  • Bildungspolitik
  • Chancengerechtigkeit
  • Schule

Presseschau

Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel: Eine Krisensitzung – und ein Tabubruch? ZDF
Mehrheit der EU-Bürger laut Umfrage für gemeinsame Verteidigungspolitik FAZ
Schutz für Plattformarbeiter: Blockiert Deutschland die nächste EU-Richtlinie? SPIEGEL
Chat-Kontrolle: Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich kelber fordert Einhaltung der Grundrechte in der EU DATENSICHERHEIT.DE
Neue EU-Richtlinie: EU nimmt Produkthersteller stärker in die Haftung HANDELSBLATT
Importschranke: EU-Abgeordnete stimmen für digitalen Produktpass für Spielzeug HEISE
EU-Parlament: Verkehrsausschuss unterstützt Gigaliner-LKW EURACTIV
Abweichung zu anderen EU-Ländern: Knappe Mehrheit in Deutschland gegen EU-Beitritt der Ukraine RND
EU-Parlament: Innenausschuss billigt Reform des europäischen Asylsystems DEUTSCHLANDFUNK
EZB: Digitaler Euro – zwischen Begeisterung und Zweifeln THÜRINGER-ALLGEMEINE
Umstrittener Beschluss in Drammen: Fünftgrößte Stadt Norwegens will nur noch ukrainische Flüchtlinge aufnehmen SPIEGEL
Naturschutzverbände kritisieren Verhandlungspapier zwischen flämischer Regierung und Landwirtschaft VRT.BE

Heads

Katarina Barley – eine Leisetreterin an der Spitze

Katarina Barley wird SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl 2024.

Katarina Barley kennt den Berliner Politbetrieb gut, und doch erwischen dessen Eigenheiten die frühere Bundesjustizministerin bisweilen auf dem falschen Fuß. So machte sie am Dienstag mit einer angeblichen Forderung nach eigenen Atomwaffen für die EU Schlagzeilen – und erntete dafür Kritik und Spott. Dabei hatte die SPD-Politikerin eigentlich nur zurückhaltend auf eine direkte Interviewfrage dazu geantwortet.

Dabei ist Barley vom Fach: Als eine von 14 Vize-Präsidenten ist Barley im einflussreichen “Büro” des Europaparlaments, dem Präsidium aus Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und den Vizepräsidenten, ist sie zuständig für die Themen Transparenz und Kommunikation.

Dass sie etwas bewegen kann, merkt Katarina Barley bereits als Kind. Als 8-Jährige geht sie mit ihrem Bruder Unterschriften für einen Spielplatz sammeln. Inzwischen sei es der schönste Spielplatz Kölns, sagt Barley. “Ich habe immer daran geglaubt, dass man sich für das einsetzten muss, das man für richtig hält.” Diese Einstellung führte die 55-jährige SPD-Politikerin und Feministin 2019 ins Europaparlament

Aufgewachsen als Tochter eines Briten und einer Deutschen in Köln, studiert sie Jura in Marburg und Paris. Als eine der ersten Erasmus-Studierenden profitiert sie früh selbst von der EU. Nach ihrer Promotion arbeitet sie als Juristin in einer Kanzlei, später am Bundesverfassungsgericht. Eine Zeit, von der sie bis heute schwärmt. Anschließend ist sie Richterin in Trier und arbeitet im rheinland-pfälzischen Justizministerium in der Europaabteilung. Die SPD macht sie zur Europabeauftragten. “Europa zieht sich durch mein Leben”, sagt Barley. Sie hat die deutsche und britische Staatsangehörigkeit.

Ehrlich und direkt, aber keine Rampensau

 Der Schritt auf die Politikbühne kommt zufällig: Bei einer Landratswahl 2005 verliert Barley knapp. Das Ergebnis ist aber so, dass sie beschließt, politisch mehr zu wagen. Aber sie zweifelt. “Ich bin ein sehr empfindsamer Mensch, ehrlich und direkt. Ich dachte lange, dass man mit so einer Art nicht in die Politik gehen kann.” Sie hat sich diesen ungewöhnlichen Zugang zur Politik bewahrt. Oder wie es ein Genosse hinter vorgehaltener Hand, aber durchaus wertschätzend ausdrückt: “Katarina ist nicht die Rampensau.”

Umso erstaunlicher ist, dass ihre Partei sie dennoch immer wieder für Aufgaben ruft, die die Fähigkeit zur Attacke, zum Zuspitzen, auch zum Polemisieren verlangen: Sie war Generalsekretärin der Bundes-SPD unter dem Parteichef Sigmar Gabriel. In der Großen Koalition wird sie 2017 erst Familienministerin, 2018 Justizministerin. Unter ihrer Weisung stimmt Deutschland 2019 für die umstrittene EU-Urheberrechtsreform.

“Lächeln, wenn ich an Europa denke”

2019 ist sie Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Europawahl und wechselt von Berlin ins Europaparlament. Ihre Begeisterung für Europa zieht sie nach Straßburg. “Innerlich muss ich immer lächeln, wenn ich an Europa denke”, sagt sie. Damit ist sie die einzige Bundesministerin, die je ein solches Amt für die EU geräumt hat. 

Die Entscheidung habe sie nie bereut. “Ich bin nicht für mich selbst in die Politik gegangen, sondern weil ich Verantwortung übernehmen wollte.” Im EU-Parlament setzt sie sich für die Rechte von Arbeitnehmern ein, die Stärkung von Gewerkschaften und Betriebsräten sowie für digitale Sicherheit und dafür, dass rechtsstaatliche, demokratische Werte eingehalten werden. Als Erfolge seit 2019 sieht sie den Digital Services Act gegen Hass und Hetze im Netz, die Mindestlohnrichtlinie und das Recht auf Reparatur: Unternehmen müssen kaputte Geräte dann in der Garantiezeit kostenlos reparieren.

Erneut an der Spitze trotz Wahlschlappe 2019

2019 hatte Barley als Spitzenkandidatin der deutschen Sozialdemokratie ein historisch schlechtes Ergebnis zu verantworten. 16 Prozent holten die Genossen mit ihr an der Spitze bundesweit. Innerparteilich wird ihr zugutegehalten, dass auch Uneinigkeit in der SPD dafür verantwortlich war. Parteichefin Saskia Esken rief Barley bereits frühzeitig wieder zur Spitzenkandidatin für die kommende Europawahl aus. Zuweilen wurde sie gedrängt, auch die Spitzenkandidatin der europäischen Sozialisten zu geben. Am Ende war sie wohl froh, dass diesen Job jetzt Arbeitskommissar Nicolas Schmit aus Luxemburg auf sich nimmt.

In der kommenden Legislatur will Barley das europäische Projekt verteidigen, vor allem gegen rechts. “Wir müssen verhindern, dass demokratische Parteien Rechtsradikalen die Türen öffnen und sie so normalisieren.” Damit spielt sie auf Schweden an, wo die konservative Regierung von Rechtspopulisten toleriert wird. Umso wichtiger sei es gewesen, dass Polen die rechtsnationale Regierung abgewählt hat. “Fuchsteufelswild” habe es sie hingegen gemacht, dass die EU-Kommission Ungarns Präsidenten Viktor Orbán lange nicht für Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit sanktionierte. 

Bei der Wahl im Juni hofft sie auf ein “proeuropäisches Signal”. Dafür müsse den Wählern klargemacht werden, was es bedeuten würde, wenn sich die AfD oder Marine Le Pen durchsetzen. “Wir, die Bürgerinnen und Bürger, spielen dann keine Rolle mehr. Dann zählt nur noch nationaler Egoismus”, prognostiziert Barley und sagt: “Wir dürfen den Friedensgarant der EU nicht aufs Spiel setzen.” Mirjam Ratmann/Markus Grabitz/Till Hoppe

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    EZB-Chefin Christine Lagarde reist heute nach Brüssel, wo sie sich ein letztes Mal vor den EU-Wahlen mit dem Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments trifft. Auf der Agenda steht eine Reflexion über die ersten 25 Jahre des Euro und wie es mit ihm in Zukunft weitergehen soll. Nicht weniger als neun Studien haben Akademiker aus ganz Europa zur Vorbereitung dieser Diskussion erstellt.

    Aber der viermal jährlich stattfindende “währungspolitische Dialog” zwischen Parlament und EZB ist kein Seminar für wirtschaftspolitische Gedankenspiele. Es ist eines der wenigen demokratischen Kontrollinstrumente über die formell unabhängige Zentralbank. In den vergangenen wirtschaftlich turbulenten Jahren nutzten die Parlamentarier dieses Instrument gerne, um die Zentralbankchefin zu zwingen, ihre Politik öffentlich zu erklären.

    Konservative Parlamentarier werden Lagarde auch heute wieder fragen, wieso sie nicht mehr tut, um die Inflation wieder unter die Zwei-Prozent-Marke zu drücken. Grüne und linke Volksvertreter werden sie dafür kritisieren, dass sie überhaupt versucht, mit Zinspolitik gegen angebotsseitige Preisschocks vorzugehen. Staatsbudgets und grüne Investitionen werden so zum Kollateralschaden der EZB-Politik, lautet ihre Befürchtung.

    Die Fragen sind oft voraussehbar, und genauso sind es die Antworten Lagardes, die manchmal hölzern wirken. Die EZB-Chefin will verhindern, dass ihre Worte falsch interpretiert werden und aus Versehen zu einer Marktpanik führen. Dennoch sind die währungspolitischen Dialoge wertvoll, um die folgenreichen Entscheidungen der EZB ins Scheinwerferlicht zu rücken. Auch unabhängige Institutionen müssen sich erklären können.

    Ihr
    János Allenbach-Ammann
    Bild von János  Allenbach-Ammann

    Analyse

    CDU hat klare Erwartungen an Kandidatin von der Leyen

    An diesem Montag finden Partei und Kandidatin ganz offiziell wieder zusammen. Am Vormittag kommen Präsidium und Vorstand zusammen, anschließend wird CDU-Chef Friedrich Merz gemeinsam mit Ursula von der Leyen vor die Presse treten. Um dort zu verkünden, was kaum noch jemanden überrascht: Die Christdemokraten wollen mit der amtierenden Kommissionspräsidentin bei der Europawahl antreten, und von der Leyen will das auch. Die Nominierung als Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei am 6. und 7. März ist dann nur noch Formsache.

    Dabei hatten Partei und Kandidatin in den vergangenen Jahren oft gefremdelt. Vielen in der Union agierte von der Leyen schon als Bundesministerin im Kabinett Merkel zu eigensinnig – sie setzte ihre Vorhaben lieber mithilfe der Medien durch, anstatt zunächst ihre Parteifreunde einzubinden. Mit dem Wechsel nach Brüssel 2019 nimmt sie noch weniger Rücksicht auf deren Befindlichkeiten. Von der Leyen habe “ihre Rolle als Kommissionspräsidentin oft losgelöst von ihrer eigenen Parteienfamilie ausgestaltet und sehr eigenständig agiert”, sagt Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag.

    Kursschwenk im Sommer

    Was die Grünen freut, bringt manchen Christdemokraten zwischenzeitlich zur Weißglut. Von der Leyen treibt ihren European Green Deal mit Verve voran: Ihr Stellvertreter Frans Timmermans legte einen ambitionierten Gesetzgebungsvorschlag nach dem anderen vor, oft gespickt mit kleinteiligen Vorschriften. Anfangs trägt die EVP-Fraktion das mit, aber spätestens mit Ukraine-Krieg und Energiepreiskrise kippt die Stimmung in der Wirtschaft. Von der Leyen habe den Fehler gemacht, an ihrer Agenda starr festzuhalten, obwohl sich mit Krieg und Pandemie die Welt dramatisch geändert habe, kritisiert ein führender EVP-Abgeordneter.

    Merz und andere führende Christdemokraten reden auf von der Leyen ein, mit Erfolg: Im vergangenen Sommer beginnt sie, auf den Kurs ihrer Parteienfamilie einzuschwenken – wohlwissend, dass sie deren Unterstützung für eine zweite Amtszeit braucht. In ihrer Rede zur Lage der EU spricht von der Leyen viel über die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die Sorgen der Bauern, sie ernennt den CDU-Politiker Markus Pieper zum Mittelstandsbeauftragten und beerdigt Vorhaben wie schärfere Chemikalienvorschriften.

    Den Bauern kommt von der Leyen ebenfalls weit entgegen: Sie zieht den Vorschlag zur Pestizidrichtlinie zurück und verkündet persönlich, die Regeln für Brachflächen weiter auszusetzen. Dies belohne die Landwirte “für ihre wichtige Arbeit”, umschmeichelt sie diese für die EVP wichtige Wählergruppe.

    Wettbewerbsfähigkeit “völlig vernachlässigt”.

    Moritz Körner, der Chef der FDP-Abgeordneten im Europaparlament, hält diesen Kursschwenk für “wenig glaubwürdig”. Schließlich habe von der Leyen Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau “vier Jahre lang völlig vernachlässigt”.

    Auch viele Christdemokraten trauen dem Braten nicht. Sie würden die Nominierung der Kandidatin gerne an Bedingungen knüpfen, sie einschwören auf die Programmatik des nächsten Mandats, insbesondere auf eine Agenda für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und auf die Interessen der Bauern. Von der Leyen aber will sich nicht festnageln lassen. Jedes konkrete Bekenntnis mindert ihren künftigen Handlungsspielraum, und sie riskiert, einem oder mehreren der EU-Staats- und Regierungschefs auf die Füße zu treten.

    Rückhalt unter den Regierungschefs

    Deren Segen braucht sie für eine zweite Amtszeit: Gemäß den EU-Verträgen schlägt der Europäische Rat dem Europaparlament einen Kandidaten als Kommissionspräsidenten vor. Sollte die EVP wie erwartet als stärkste Kraft aus der Europawahl vom 6. bis 9. Juni hervorgehen, wäre der Weg wohl frei für von der Leyen. Und das nicht nur, weil aktuell die meisten der 27 Staats- und Regierungschefs aus EVP-Parteien stammen.  

    Von der Leyen hat sich Respekt erworben durch ihr entschlossenes Auftreten, insbesondere nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Sie habe sich “zur Stimme der Europäischen Union aufgeschwungen“, sagt der Liberale Körner. Für US-Präsident Joe Biden ist die Kommissionspräsidentin eine der wichtigsten Ansprechpartnerinnen in Europa, auch Kanzler Scholz habe ein gutes Arbeitsverhältnis zu ihr entwickelt, heißt es in Berlin. Anders als Ratspräsident Charles Michel wird von der Leyen als politisches Schwergewicht wahrgenommen.

    Enormes Reisepensum

    Die frühere Verteidigungsministerin hatte bereits zum Amtsantritt erklärt, eine “geopolitische Kommission” führen zu wollen. Den Anspruch hat sie durch viele Reisen untermauert, nicht zuletzt nach Kiew, wohin sie bereits sehr früh nach dem Angriff Russlands reiste.

    Ohnehin absolviert die 65-Jährige ein enormes Pensum. So reiste sie Mitte Januar binnen eineinhalb Tagen vom Weltwirtschaftsforum in Davos per Auto für eine Rede nach Straßburg, von dort per Chartermaschine für einen gemeinsamen Auftritt mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nach Forli in Oberitalien, und dann über Zürich wieder nach Davos, wo sie abends Vertreter der Westbalkan-Staaten traf. Beim Weltwirtschaftsforum absolvierte sie tags darauf zwölf bilaterale Treffen, um dann per Linienflug nach Stockholm weiterzureisen. Sie geht Joggen und verzichtet auf Alkohol, um dieses Programm zu bewältigen.

    Von der Leyen will stärker präsent sein in den Mitgliedstaaten als etwa ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker. Ihre öffentlichen Auftritte mit den dortigen Spitzenpolitikern haben dazu beigetragen, dass die meisten Menschen in Europa ein Bild von ihr haben – anders als vom sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Nicolas Schmit.

    Kritiker im Europaparlament

    Das nützt ihr im anstehenden Wahlkampf, der sie kreuz und quer durch die EU führen soll. Deutschland ist dann nur eines von 27 Ländern, von der Leyen wird daher kaum sehr präsent sein können in ihrer Heimat. Wobei das manchem Unions-Strategen recht sein mag – die Parteifreundin steht bei der konservativen Kernklientel nicht überall hoch im Kurs.

    Der Wahlkampf wird nicht einfach, denn die christdemokratischen Parteien stehen in vielen EU-Staaten von Rechtsaußen unter Druck. Sollten die EU-kritischen Kräfte großen Zulauf erhalten, könnte es auch für von der Leyen eng werden. Sie braucht eine absolute Mehrheit des Europaparlaments hinter sich. Dort aber sitzen ihre größten Kritiker.

    Viele Abgeordnete werfen ihr vor, Ungarns Premier Viktor Orbán zu nachsichtig zu behandeln. Sie habe im Dezember ohne Not zehn Milliarden Euro an EU-Geldern für Orbán freigegeben, sagt Körner. “Ihre Bilanz als Hüterin der Verträge ist daher enttäuschend.”

    Bei dem zu erwartenden Wahlausgang wird von der Leyen wird aber nicht nur die EVP, sondern auch Sozialdemokraten, Liberale und Grüne weitgehend geschlossen hinter sich bringen müssen, um die absolute Mehrheit aller Abgeordneten zu erhalten. Für die Parlamentarier biete diese Situation einen mächtigen Hebel, um inhaltliche Zusagen von der Kommissionspräsidentin zu erhalten, sagt Nicolai von Ondarza, Forschungsgruppenleiter der Stiftung Wissenschaft und Politik. “Sie wird intensive Verhandlungen führen müssen.”

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    EU-Kommission fordert stärkere Harmonisierung des Binnenmarkts

    Die Bilanz des am Mittwoch veröffentlichten, jährlichen Binnenmarkt- und Wettbewerbsfähigkeitsbericht der Kommission ist durchwachsen. Anhand von 17 Erfolgsindikatoren soll der Bericht darlegen, wie es um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarkts steht. Das Ergebnis: Neun Indikatoren zeigen verbesserte Werte auf, fünf haben sich verschlechtert, der Rest ist entweder stagniert oder die Daten konnten noch nicht zusammengetragen werden.

    Wachsender innereuropäischer Warenhandel

    Zu den erfreulichen Erkenntnissen des Berichts gehört, dass der Anteil des Binnenmarkthandels am Gesamt-BIP der EU nach langer Stagnation seit 2020 wieder stark zunimmt. Der Wert des innereuropäischen Warenhandels belief sich 2022 auf 26,3 Prozent der EU-Wirtschaftskraft. Das sind knapp drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

    Es ist aber fraglich, ob dieser Anstieg auf binnenmarktspezifische Faktoren zurückzuführen ist. Der Handel mit Partnern außerhalb der EU hat mindestens genauso stark zugenommen.

    Der Dienstleistungshandel innerhalb der EU ist auf niedrigem Niveau ebenfalls leicht gewachsen, konnte nun aber erst den starken Rückgang aus Pandemiezeiten ausgleichen. 2022 entsprach der Anteil des innereuropäischen Dienstleistungshandels wieder dem Niveau von 2019.

    Deutschland auf vorletzten Platz bei Umsetzung

    Ein weiterer Indikator, den die Kommission untersucht, ist das Konformitätsdefizit in der EU. Es misst die Anzahl Richtlinien, die von Mitgliedstaaten schlecht oder ungenügend in nationales Recht umgesetzt wurden. Hier freut sich die Kommission über eine leichte Verbesserung.

    Deutschland rangiert mit 18 mangelhaft umgesetzten EU-Richtlinien auf dem zweitletzten Platz der europäischen Konformitätsrangliste. Nur Ungarn findet sich mit 23 unzureichend umgesetzten Richtlinien noch weiter unten.

    “Substanzielles Zusatzwachstum” könnte laut Kommissionsbericht freigesetzt werden, wenn nationale Handelsbarrieren angegangen würden, vor allem durch eine bessere Umsetzung von Regeln, auf die man sich gemeinsam geeinigt habe. Für die kommenden Jahre schreibt sich die Kommission deshalb eine stärkere Durchsetzung des Binnenmarktrechts auf die Fahnen. Sie will auch gegen sogenanntes “Gold-Plating” vorgehen, bei dem nationale Gesetzgeber die europäische Richtlinie zwar korrekt umsetzen, diese aber mit Zusatzbestimmungen versehen, die dann wieder zu Unterschieden zwischen Mitgliedstaaten führen.

    Zudem argumentiert die Kommission für die Einführung nationaler Binnenmarktbüros. Diese sollen – von Mitgliedstaaten mit ausreichend Ressourcen und Autorität ausgestattet – dafür zuständig sein, nationale Handelshemmnisse zu beseitigen, vor allem im Dienstleistungssektor.

    Venture Capital bleibt rar

    Sorgen macht sich die EU-Kommission über das Wegbleiben von Wagniskapital, das für schnell wachsende Startups essenziell ist. Laut Bericht haben im Jahr 2022 Venture Capital Investitionen im Umfang von etwa 0,09 Prozent des europäischen BIPs stattgefunden. Ein Jahr zuvor waren es noch 0,11 Prozent. In den USA liegt dieser Wert bei 0,75 Prozent und in China bei 0,58 Prozent.

    Die Kommission fordert unter anderem deshalb einen tieferen und besser integrierten Kapitalmarkt in der EU. Aber das Projekt der Kapitalmarktunion, das auch die Finanzminister Christian Lindner und Bruno Le Maire öffentlich gerne unterstützen, bleibt aufgrund einzelstaatlicher Interessen äußerst schwierig umzusetzen.

    “Mehr Liebe für den Binnenmarkt”

    Die Veröffentlichung des Binnenmarktberichts nahmen auch Wirtschaftsverbände zum Anlass, auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Eine Koalition von 25 europäischen Verbänden forderten am Valentinstag “mehr Liebe für den Binnenmarkt”.

    Konkret drängt die Wirtschaftskoalition auf eine Vereinfachung der Regeln für Unternehmen und – ähnlich wie die Kommission – eine starke Harmonisierung der Regeln im Binnenmarkt sowie den Abbau der Handelshemmnisse. Dafür haben die Verbände eine Liste mit mehr als 100 Handelshemmnissen erstellt, welche sie gerne loswerden würden. “Die Vertiefung des Binnenmarkts sollte bis 2030 die politische Hauptpriorität sein”, schreiben die Wirtschaftsverbände.

    Auch aus dem Europäischen Parlament kommen unterstützende Stimmen. Der binnenmarktpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Andreas Schwab, meinte in einer Stellungnahme, dass es nicht reichen würde, den Status quo des Binnenmarkts aufrechtzuerhalten. “Stillstand ist hier ein Rückschritt. Wir brauchen ambitioniertere Pläne zur Vervollständigung des Binnenmarktes, um grenzüberschreitendes Arbeiten endlich zu vereinfachen”, erklärte der Christdemokrat.

    Hauptaufgabe der nächsten Kommission

    Es zeichnet sich ab, dass die Harmonisierung des Binnenmarkts eine der Prioritäten der neuen Kommission wird. Gerade wenn das Terrain international anspruchsvoller wird, richtet sich der Druck der Wirtschaft darauf, den Heimmarkt zu stärken und ihn über die Abschaffung von Handelshemmnissen zu vergrößern.

    Zur Zukunft des Binnenmarkts und zur Wettbewerbsfähigkeit der EU sind in diesem Halbjahr noch weitere Berichte geplant. Im März wird Enrico Letta seinen Bericht für die belgische Ratspräsidentschaft fertigstellen und im Juni wird Mario Draghi einen Bericht für die EU-Kommission präsentieren.

    Zudem treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU im April zu einem EU-Sondergipfel, um über Binnenmarkt-Themen zu sprechen und den Boden für die nächste EU-Kommission vorzubereiten.

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    Pistorius: “Der Krieg in der Ukraine wird am Fließband entschieden”

    “Der Krieg in der Ukraine wird am Ende auch am Fließband in den Produktionsländern der Welt entschieden”, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius vor Beginn des Treffens der Vertreter von rund 50 Nationen, die in der “Ukraine Defense Contact Group” die militärischen Hilfslieferungen koordinieren. Der deutsche Ressortchef hatte dabei vor allem die Herstellung von Artilleriemunition im Blick, für die der deutsche Rheinmetall-Konzern Anfang der Woche ein neues Werk in Niedersachsen eröffnete: “Munition ist eine globale Mangelware.” In diesem Jahr kündigte Pistorius an, werde Deutschland das Drei- bis Vierfache der Vorjahresmenge an Artilleriegranaten an die Ukraine liefern.

    In kleineren, sogenannten Fähigkeitsgruppen bemühen sich die Ukraine-Unterstützer für mehr und schnellere Ausstattung des Landes im Krieg. Gemeinsam mit 13 anderen Nationen unterzeichneten Deutschland und Frankreich dafür in Brüssel eine Absichtserklärung (Letter of Intent) für eine Verbesserung der Flugabwehrmöglichkeiten.

    “Die Stärkung der Luftverteidigungsfähigkeiten der Ukraine ist für die Zukunft des Konflikts und den Schutz der Zivilbevölkerung von entscheidender Bedeutung“, sagte der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, der gemeinsam mit Pistorius die Gruppe leitet. Ihr gehören neben den beiden Führungsnationen die Ukraine, Belgien, Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Slowenien, Spanien, die Türkei und die USA an.

    USA wollen die Unterstützergruppe weiter anführen

    US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, der wegen einer vorangegangenen Krebsbehandlung im Krankenhaus per Video zum Ramstein-Treffen zugeschaltet war, sicherte zur Eröffnung der Sitzung die anhaltende Unterstützung des Westens für die Ukraine zu – auch durch die USA. “Amerika wird seine Hilfe für den grundlegenden Kampf der Ukraine gegen Putins imperiale Aggression fortsetzen”, versprach der Pentagon-Chef ungeachtet des innenpolitischen Streits in den USA über weitere Unterstützung.

    Die USA sind zudem offensichtlich entschlossen, ungeachtet ihrer innenpolitischen Probleme die internationale Unterstützer-Koalition weiterzuführen. Angesichts von Überlegungen, diese Koordinationsaufgabe der Nato zu übertragen, zeigte sich der Generalsekretär der Allianz zurückhaltend. Es gebe zwar Gespräche, aber entscheidend sei das Ziel, die Ukraine auf dem besten und zuverlässigsten Weg zu unterstützen, sagte Jens Stoltenberg. Die US-Botschafterin bei der Nato, Julianne Smith, war vor dem Treffen da deutlicher, wenn auch diplomatisch formuliert: “Dieses Format bringt wirklich Ergebnisse… und die USA werden sich weiterhin in diesen Prozess einbringen.”

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    Termine

    19.02.2024 – 08:30 Uhr, online
    Table.Media, Podiumsdiskussion Europäische Souveränität in der Sicherheitspolitik – eine Illusion?
    Der Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe im Vorfeld der Europawahlen dreht sich um die Verteidigungsfähigkeit Europas und wie diese strukturell ausgebaut werden könnte. Es diskutieren FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations, die Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland, Linn Selle, und Europe.Table Redaktionsleiter Till Hoppe. INFOS & ANMELDUNG

    19.02.2024 – 08:30-23:30 Uhr, Berlin
    KAS, Konferenz Cafe Kyiv 2024 – Die Zukunft der Ukraine in Europa
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) widmet sich mit einer Vielzahl von Referentinnen und Partnern verschiedenen Aspekten des Krieges in der Ukraine sowie einer Perspektive zum Wiederaufbau. INFOS & ANMELDUNG

    19.02.2024 – 12:00-16:30 Uhr, Berlin
    D21, Podiumsdiskussion Gesellschaft im Wandel – Digitale Transformation gestalten
    Anlässlich der Veröffentlichung ihrer neuen Studie lädt die Initiative D21 politische Entscheidungsträger sowie Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zur Diskussion über aktuelle Themen der digitalen Gesellschaft in Deutschland ein. INFOS & ANMELDUNG

    19.02.2024 – 16:00-18:00 Uhr, Berlin
    KAS, Symposium Maritime security in East Asia – The aftermath of the Russian invasion of Ukraine
    Together with the Japanese Research Institute for Peace and Security, the Konrad-Adenauer-Foundation (KAS) will explore current and upcoming challenges to maritime security in East Asia. INFO

    19.02.2024, Berlin/online
    EK, Q&A Hintergrundgespräch zur EU-Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit und Schutz vor ausländischen Risiken
    Die Vertretung der Europäischen Kommission (EK) veranstaltet ein Hintergrundgespräch, bei dem Experten aus der Kommission berichten, was die geplanten Initiativen zur wirtschaftlichen Sicherheit bedeuten und erörtern, wie die EU gleichzeitig ihr offenes Wirtschaftsmodell beibehalten will. INFOS & ANMELDUNG

    20.02.-22.02.2024, Essen
    con energy, Messe E-world energy & water
    Die Messe mit einer Vielzahl an ausstellenden Unternehmen dient als Informationsplattform und Branchentreffpunkt der europäischen Energiewirtschaft. INFOS & ANMELDUNG

    20.02.2024 – 08:00-18:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    EIT, Conference 2024 EIT Summit
    The European Institute of Innovation and Technology (EIT) will present its work in areas such as women’s entrepreneurship, AI and green technology, bringing together speakers from policy, research, business and education. INFO

    20.02.2024 – 12:30-13:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
    NRW, Diskussion Erweiterung und Reform der EU – aber wie?
    Die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) spricht mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaft, den Medien und dem Rat der EU über die Handlungsfähigkeit der Union in Bezug auf deren Erweiterung und diskutiert mögliche Reformvorschläge. INFOS & ANMELDUNG

    20.02.2024 – 15:00-16:00 Uhr, online
    HBS, Discussion Trump 2.0: How should the EU approach an isolationist America?
    Ahead of the US elections, the Heinrich-Böll-Foundation (HBS) wants to discuss how Europe should approach a potential reelection of Donald Trump, particularly regarding the NATO alliance. INFO & REGISTRATION

    20.02.2024 – 19:00-20:30 Uhr, Potsdam
    FES, Podiumsdiskussion Europa vor den Wahlen – Welche Zukunft hat die Europäische Union?
    Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beleuchtet mit Podiumsgästen verschiedene Zukunftsperspektiven für die EU, unter anderem in Hinblick auf den Rechtsruck und die anstehenden Europawahlen. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Umweltausschuss stimmt für neue Flottengrenzwerte für Lkw

    Der Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) hat sich mehrheitlich für die Überarbeitung der CO₂-Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge ausgesprochen. Mit 47 Ja-Stimmen und 30 Nein-Stimmen war das Ergebnis allerdings keineswegs eindeutig. Das liegt an der Ablehnung der EVP. Schattenberichterstatter Jens Gieseke (CDU) bemängelt “fehlende technologische Offenheit” in dem Gesetzesvorschlag und kündigt an, dass die EVP ihn auch im Plenum ablehnen wolle.

    Auch der von der FDP in letzter Minute hinzugefügte Erwägungsgrund, der E-Fuels eine Perspektive für Lkw bieten soll, hat die Christdemokraten nicht überzeugt. Das Gesetz liefere keine Garantie, dass Fahrzeuge, die nachweislich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, in Zukunft zugelassen werden können, begründet Gieseke die Entscheidung seiner Fraktion. “Der Erwägungsgrund ist rechtlich nicht bindend, zudem enthält er auch nur eine Prüfbitte an die Kommission.” Die Schuld für den “schlechten Kompromiss” sieht er vor allem bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der die Verlässlichkeit Deutschlands als Verhandlungspartner torpediert und am Ende doch nichts erreicht habe, sagt Gieseke.

    Bas Eickhout (Grüne), federführender Berichterstatter, verteidigt die überarbeiteten CO₂-Flottengrenzwerte. Das neue Gesetz erhöhe die Reduktionsziele für Lkw deutlich: “45 Prozent weniger CO₂-Emissionen im Jahr 2030, 65 Prozent im Jahr 2035 und 90 % im Jahr 2040.” Zudem sei der Geltungsbereich auf weitere Nutzfahrzeuge wie Müllwagen ausgeweitet worden.

    Das Plenum wird voraussichtlich im April über das Gesetz abstimmen, anschließend muss ein beliebiger Ministerrat noch formal zustimmen. luk

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    • Lkw
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    Green Claims-Richtlinie: ENVI und IMCO nehmen Bericht an

    Der Binnenmarkt- und der Umweltausschuss im EU-Parlament haben am Mittwoch ihren Bericht zur Green Claims-Richtlinie angenommen. Die Richtlinie umfasst neue Vorschriften darüber, wie Unternehmen das EU-Verbot von Greenwashing bei Produkten einhalten können, indem sie umweltbezogene Werbeaussagen validieren lassen.

    Unternehmen müssen umweltbezogene Marketing-Behauptungen wie “klimaneutral” oder “umweltfreundlich” zur Überprüfung vorlegen, bevor sie diese verwenden. Die Behauptungen sollen innerhalb von 30 Tagen von akkreditierten Gutachtern bewertet werden, heißt es im angenommenen Text. Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, können von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, verlieren ihre Einnahmen und müssen mit einer Geldstrafe von mindestens vier Prozent ihres Jahresumsatzes rechnen.

    Kommission soll weniger komplexe Angaben ermöglichen

    Die Kommission soll zudem eine Liste mit weniger komplexen Angaben und Produkten erstellen, die schneller oder einfacher geprüft werden könnten, fordern die Abgeordneten. Sie soll auch entscheiden, ob Angaben über Produkte, die gefährliche Stoffe enthalten, weiterhin möglich sein sollten. Die Ausschüsse wollen Kleinstunternehmen von den neuen Verpflichtungen ausnehmen und KMU eine längere Umsetzungsfrist gewähren.

    Der Bericht bestätigt das Verbot grüner Werbeaussagen, die sich ausschließlich auf CO₂Kompensationsprogramme stützen, wie bereits in der Richtlinie “Empowering Consumers for the Green Transition festgelegt. ENVI und IMCO schlagen vor, dass Unternehmen weiterhin Kompensationsprogramme erwähnen können, wenn sie ihre Emissionen bereits so weit wie möglich reduziert haben und diese Programme nur für Restemissionen nutzen. Die Kohlenstoffgutschriften aus den Systemen müssen zertifiziert werden, wie im Rahmen des Carbon Removals Certification Framework festgelegt.

    Das Plenum wird in den kommenden Wochen über den Berichtsentwurf abstimmen. Die Trilogverhandlungen werden erst nach den Europawahlen beginnen. leo

    • Carbon Removal
    • Greenwashing
    • Klima & Umwelt
    • Verbraucherschutz
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    Polens Vize-Außenminister fordert mehr Einfluss in Europa

    Der stellvertretende Außenminister Polens, Marek Prawda, hat eine stärkere Rolle Polens für die Zukunft Europas und eine Revitalisierung des Weimarer Dreiecks gefordert. “Europa ist östlicher geworden. Polen ist bereit, mehr zu tun als in der Vergangenheit“, sagte der frühere Botschafter in Deutschland Table.Media. Die Sicherheitsfrage habe die Verhältnisse auch in Europa neu sortiert. “Polen ist ein Frontstaat.” Die Europäische Union sei jetzt keine “Regelfabrik” mehr, sondern wirklich eine “Schicksalsgemeinschaft”.

    Das wachsende ökonomische und politische Gewicht wolle Polen im Weimarer Dreieck mit den Partnern Deutschland und Frankreich einbringen. “Wir sollten in dem Format auch über die Zukunft Europas reden“, sagte Prawda. Als konkrete Themen nannte er die Verteidigungsunion, die EU-Osterweiterung und eine neue wirtschaftspolitische Souveränität für die EU. Alle Aussagen Prawdas lesen Sie hier in der Analyse von Michael Bröcker.

    • EU-Außenpolitik
    • Polen
    • Verteidigungspolitik

    Kommission will digitalen Binnenmarkt schaffen

    Die Kommission will den Telekommunikationsmarkt in Europa stärker harmonisieren, die Investitionsbedingungen verbessern, die Infrastruktur resilienter machen – und womöglich große Technologiekonzerne an den Kosten für den Netzausbau beteiligen. Das geht aus dem Weißbuch hervor, das Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager am 21. Februar vorstellen will und dessen Entwurf Table.Media vorliegt.

    “Die Fragmentierung des EU-Marktes für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste entlang der nationalen Grenzen könnte die Fähigkeit der Betreiber beeinträchtigen, die für Investitionen in die Netze der Zukunft erforderliche Größenordnung zu erreichen”, schreibt die Kommission. Die grenzüberschreitende Konsolidierung der Telekommunikationsmärkte sei immer noch nicht abgeschlossen. “Daher scheint die Zeit reif zu sein, die Einführung einiger EU-weiter Zugangsregelungen in Erwägung zu ziehen.” Solche Regeln könnten Fusionen und grenzüberschreitende Dienste erleichtern.

    Netzwerkabgabe: Beitrag zur Finanzierung der Universaldienste

    Außerdem will die Kommission das Verhältnis zwischen den Betreibern öffentlicher Netze (wie Deutsche Telekom oder Telefónica) und den Betreibern privater Netze (wie Google, Meta oder Amazon) neu regeln. Während die einen reguliert sind, unterliegen die anderen Netze kaum Regeln. Zudem seien sie “beispielsweise vom Beitrag zur Finanzierung des Universaldienstes oder der Finanzierung der sektoralen Regulierung befreit”. Die Diskussion über die Beteiligung von Big Tech an den Netzwerkkosten (Fair Share) geht also weiter.

    Das Weißbuch ist eine Folge der breit angelegten Konsultation zur Zukunft der Telekommunikationsnetze, die die Kommission im vergangenen Jahr durchgeführt hat. Es dient der Vorbereitung eines Digital Networks Acts, der allerdings erst unter der nächsten Legislatur kommen soll.

    Auch über das Weißbuch und die darin vorgestellten Szenarien will die Kommission mit allen Interessengruppen und Partnern breit diskutieren. Daher leitet sie erneut eine breit angelegte Konsultation der Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft, der Industrie und der Wissenschaft ein. vis

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    • Digitalpolitik
    • Gigabit Infrastructure Act

    Frühe Schulabgänger in der EU: Weniger als die Hälfte arbeitet

    In der Europäischen Union hat 2022 fast jeder zehnte junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren die Schule mit maximal Sekundarstufe I-Abschluss verlassen – ohne zunächst eine weitere allgemeine oder berufliche Bildung anzuschließen. Das geht aus aktuellen Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat hervor, über die das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zuerst berichtete. In Deutschland liegt die Quote der frühen Schulabgänger mit 12,2 Prozent sogar über dem EU-Schnitt. Schaut man sich den Zusammenhang zwischen keinem bis mittlerem Abschluss und Beschäftigung an, lassen sich gravierende Folgen erkennen.

    Anders als in anderen Medienberichten dargestellt, beziehen sich die Daten auf die jungen Erwachsenen, die keinen Abschluss oder höchstens einen Haupt- oder Realschulabschluss haben. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, die Quote der Schulabgänger mit höchstens mittlerem Bildungsabschluss bis 2030 auf unter neun Prozent zu senken. Dieser Indikator soll Aufschluss über die Arbeitsmarkt- und Einkommenschancen junger Menschen geben. Zum Vergleich: Die reine Schulabbrecherquote, also die Zahl derer, die keinen Hauptschulabschluss haben, liegt in Deutschland bei rund sechs Prozent.

    EU-weit ist die Quote der frühen Schulabgänger seit 2012 um drei Prozent gesunken. Zwischen den Ländern gab es 2022 aber weiterhin große Unterschiede mit einer Spannweite von 15,6 Prozent in Rumänien zu 2,3 Prozent in Kroatien. Zudem gab es in allen Ländern bis auf Bulgarien und Griechenland mehr junge Männer als Frauen, die frühzeitig oder mit niedrigem Abschluss die Schule verließen. Auch innerhalb eines Landes kann die Quote unterschiedlich ausfallen.

    Keine Chance oder keinen Bock auf einen Job?

    Da vor allem kein, aber auch ein niedriger oder mittlerer Abschluss mit hohem individuellen und ökonomischen Risiko verbunden sind, ist die Frage entscheidend, ob frühe Schulabgänger einen Job finden. Die Analyse von Eurostat zeigt, dass nicht einmal die Hälfte (45,8 Prozent) der Schulabgänger EU-weit einen Job haben. Fast jeder Dritte ist arbeitslos und würde gerne arbeiten. Knapp ein Viertel ist dagegen arbeitslos und möchte auch nicht arbeiten.

    In Deutschland sieht die Situation für frühe Schulabgänger noch ärger aus: Nicht einmal ein Drittel der Männer und Frauen zwischen 18 und 24 Jahren hatte 2022 einen Job. Rund 15 Prozent sind arbeitslos, aber arbeitswillig und mehr als die Hälfte der Schulabgänger ist arbeitslos und möchte nicht arbeiten. Die arbeitslosen Schulabgänger machten insgesamt in ihrer Altersgruppe 5,4 Prozent aus, wie Eurostat berechnete. vkr

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    Katarina Barley – eine Leisetreterin an der Spitze

    Katarina Barley wird SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl 2024.

    Katarina Barley kennt den Berliner Politbetrieb gut, und doch erwischen dessen Eigenheiten die frühere Bundesjustizministerin bisweilen auf dem falschen Fuß. So machte sie am Dienstag mit einer angeblichen Forderung nach eigenen Atomwaffen für die EU Schlagzeilen – und erntete dafür Kritik und Spott. Dabei hatte die SPD-Politikerin eigentlich nur zurückhaltend auf eine direkte Interviewfrage dazu geantwortet.

    Dabei ist Barley vom Fach: Als eine von 14 Vize-Präsidenten ist Barley im einflussreichen “Büro” des Europaparlaments, dem Präsidium aus Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und den Vizepräsidenten, ist sie zuständig für die Themen Transparenz und Kommunikation.

    Dass sie etwas bewegen kann, merkt Katarina Barley bereits als Kind. Als 8-Jährige geht sie mit ihrem Bruder Unterschriften für einen Spielplatz sammeln. Inzwischen sei es der schönste Spielplatz Kölns, sagt Barley. “Ich habe immer daran geglaubt, dass man sich für das einsetzten muss, das man für richtig hält.” Diese Einstellung führte die 55-jährige SPD-Politikerin und Feministin 2019 ins Europaparlament

    Aufgewachsen als Tochter eines Briten und einer Deutschen in Köln, studiert sie Jura in Marburg und Paris. Als eine der ersten Erasmus-Studierenden profitiert sie früh selbst von der EU. Nach ihrer Promotion arbeitet sie als Juristin in einer Kanzlei, später am Bundesverfassungsgericht. Eine Zeit, von der sie bis heute schwärmt. Anschließend ist sie Richterin in Trier und arbeitet im rheinland-pfälzischen Justizministerium in der Europaabteilung. Die SPD macht sie zur Europabeauftragten. “Europa zieht sich durch mein Leben”, sagt Barley. Sie hat die deutsche und britische Staatsangehörigkeit.

    Ehrlich und direkt, aber keine Rampensau

     Der Schritt auf die Politikbühne kommt zufällig: Bei einer Landratswahl 2005 verliert Barley knapp. Das Ergebnis ist aber so, dass sie beschließt, politisch mehr zu wagen. Aber sie zweifelt. “Ich bin ein sehr empfindsamer Mensch, ehrlich und direkt. Ich dachte lange, dass man mit so einer Art nicht in die Politik gehen kann.” Sie hat sich diesen ungewöhnlichen Zugang zur Politik bewahrt. Oder wie es ein Genosse hinter vorgehaltener Hand, aber durchaus wertschätzend ausdrückt: “Katarina ist nicht die Rampensau.”

    Umso erstaunlicher ist, dass ihre Partei sie dennoch immer wieder für Aufgaben ruft, die die Fähigkeit zur Attacke, zum Zuspitzen, auch zum Polemisieren verlangen: Sie war Generalsekretärin der Bundes-SPD unter dem Parteichef Sigmar Gabriel. In der Großen Koalition wird sie 2017 erst Familienministerin, 2018 Justizministerin. Unter ihrer Weisung stimmt Deutschland 2019 für die umstrittene EU-Urheberrechtsreform.

    “Lächeln, wenn ich an Europa denke”

    2019 ist sie Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Europawahl und wechselt von Berlin ins Europaparlament. Ihre Begeisterung für Europa zieht sie nach Straßburg. “Innerlich muss ich immer lächeln, wenn ich an Europa denke”, sagt sie. Damit ist sie die einzige Bundesministerin, die je ein solches Amt für die EU geräumt hat. 

    Die Entscheidung habe sie nie bereut. “Ich bin nicht für mich selbst in die Politik gegangen, sondern weil ich Verantwortung übernehmen wollte.” Im EU-Parlament setzt sie sich für die Rechte von Arbeitnehmern ein, die Stärkung von Gewerkschaften und Betriebsräten sowie für digitale Sicherheit und dafür, dass rechtsstaatliche, demokratische Werte eingehalten werden. Als Erfolge seit 2019 sieht sie den Digital Services Act gegen Hass und Hetze im Netz, die Mindestlohnrichtlinie und das Recht auf Reparatur: Unternehmen müssen kaputte Geräte dann in der Garantiezeit kostenlos reparieren.

    Erneut an der Spitze trotz Wahlschlappe 2019

    2019 hatte Barley als Spitzenkandidatin der deutschen Sozialdemokratie ein historisch schlechtes Ergebnis zu verantworten. 16 Prozent holten die Genossen mit ihr an der Spitze bundesweit. Innerparteilich wird ihr zugutegehalten, dass auch Uneinigkeit in der SPD dafür verantwortlich war. Parteichefin Saskia Esken rief Barley bereits frühzeitig wieder zur Spitzenkandidatin für die kommende Europawahl aus. Zuweilen wurde sie gedrängt, auch die Spitzenkandidatin der europäischen Sozialisten zu geben. Am Ende war sie wohl froh, dass diesen Job jetzt Arbeitskommissar Nicolas Schmit aus Luxemburg auf sich nimmt.

    In der kommenden Legislatur will Barley das europäische Projekt verteidigen, vor allem gegen rechts. “Wir müssen verhindern, dass demokratische Parteien Rechtsradikalen die Türen öffnen und sie so normalisieren.” Damit spielt sie auf Schweden an, wo die konservative Regierung von Rechtspopulisten toleriert wird. Umso wichtiger sei es gewesen, dass Polen die rechtsnationale Regierung abgewählt hat. “Fuchsteufelswild” habe es sie hingegen gemacht, dass die EU-Kommission Ungarns Präsidenten Viktor Orbán lange nicht für Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit sanktionierte. 

    Bei der Wahl im Juni hofft sie auf ein “proeuropäisches Signal”. Dafür müsse den Wählern klargemacht werden, was es bedeuten würde, wenn sich die AfD oder Marine Le Pen durchsetzen. “Wir, die Bürgerinnen und Bürger, spielen dann keine Rolle mehr. Dann zählt nur noch nationaler Egoismus”, prognostiziert Barley und sagt: “Wir dürfen den Friedensgarant der EU nicht aufs Spiel setzen.” Mirjam Ratmann/Markus Grabitz/Till Hoppe

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