fünf große deutsche Wirtschaftsverbände haben Robert Habeck einen Brief geschrieben, in dem sie den Bundeswirtschaftsminister darum bitten, “auf höchster Ebene der EU-Kommission kurzfristig zu intervenieren”. Sie wehren sich gegen neue Vorschriften zum CO₂-Fußabdruck von E-Auto-Batterien. Damit beginne nun ein Machtkampf darum, welche EU-Länder in den kommenden Jahren wirtschaftlich vom Green Deal profitieren, schreiben Manuel Berkel, Leonie Düngefeld und Markus Grabitz.
Wie steht das neu gewählte Europaparlament zu Peking? Die Besetzung wichtiger Positionen gibt erste Hinweise darauf, wie sich die China-Politik des Parlaments in Zukunft ausrichten dürfte. Amelie Richter nimmt in ihrer Analyse die wesentlichen Ausschüsse in den Blick – vor allem im mächtigen Handelsausschuss sind Abgeordnete vertreten, die China ausgesprochen kritisch sehen.
In den News erfahren Sie unter anderem, warum Bundesverkehrsminister Volker Wissing davor warnt, dass Millionen von Dieselautos in Deutschland außer Betrieb gesetzt werden könnten, und wie es um die Investitionen in den europäischen Deep-Tech-Sektor steht.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Start ins Wochenende.
Die deutsche Industrie startet einen Machtkampf darum, welche EU-Länder in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wirtschaftlich vom Green Deal profitieren werden. Der Streit entzündet sich an der europäischen Batterieverordnung – schließlich steckt in Batterien ein Großteil der künftigen Wertschöpfung für die Automobilwirtschaft und weitere bedeutende Industrien. Umstritten ist ein delegierter Rechtsakt zur Ermittlung des CO₂-Fußabdrucks von Batterien, den die Kommission vorschlägt. Parlament und Mitgliedstaaten können ihn nach der anstehenden Veröffentlichung stoppen.
In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der Table.Briefings vorliegt, warnen fünf Wirtschaftsverbände davor, dass die deutsche Industrie ihre weltweiten Lieferketten und Aktivitäten nicht mehr wirksam dekarbonisieren könne, “wenn die effizientesten Instrumente dazu nicht mehr anerkannt werden”.
“Wir bitten Sie daher dringend, im Sinne der deutschen Industrie und des globalen Klimaschutzes auf höchster Ebene der EU-Kommission kurzfristig zu intervenieren“, heißt es in dem Brief an Habeck. Unterschrieben wurde er von Mitgliedern der Geschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), des Verbands der Automobilindustrie (VDA), des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI).
Hintergrund ist offenkundig der immer noch hohe Anteil von Kohlestrom im deutschen Strommix. Andere Volkswirtschaften in der EU haben bereits einen deutlichen Vorsprung beim Umstieg auf erneuerbare Energien – oder halten weiter an der Atomkraft fest. So betrug die CO₂-Intensität des deutschen Stroms im vergangenen Jahr 381 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde. In Schweden und Frankreich waren es dagegen nur 41 bzw. 56 Gramm.
Spüren wird die Industrie Deutschlands Rückstand spätestens 2028. Dann müssen Elektrofahrzeugbatterien nach der neuen Batterieverordnung Höchstwerte für Kohlendioxid-Emissionen einhalten, die bei der Produktion entstehen. Die delegierte Verordnung, an der die Kommission arbeitet, soll die Methode für die Messung des CO₂-Fußabdrucks regeln. In ihrem Brief an Habeck kritisieren die Verbände den Entwurf: “In der vorgeschlagenen Methodik werden Stromabnahmeverträge (PPA) und Stromzertifikate für erneuerbare Energie (HKN) nicht mehr als zulässig anerkannt.”
Nach Darstellung der Verbände könnte der Batterie-Rechtsakt zur Blaupause für andere Industriegüter werden – mit massiven Folgen: “Dies ist eine denkbar schlechte Nachricht für den Klimaschutz und auch für die Reputation deutscher Unternehmen in Öffentlichkeit, bei Ratings und Investoren. Außerdem verringert es die Attraktivität Deutschlands als Industriestandort.”
Die EU-Batterieverordnung ist im August 2023 in Kraft getreten und – nach einer sechsmonatigen Übergangsfrist – seit Februar in den EU-Mitgliedstaaten gültig. Sie ersetzt die vormalige Batterierichtlinie und soll eine Blaupause für weitere Produktregularien sein: Die Verordnung etabliert Standards für ein nachhaltigeres Design von Batterien, soll den Stoffkreislauf ankurbeln und die Batterie- und Recyclingindustrie stärken. Batterien sind das erste Produkt in der EU, für das ein verbindlicher CO₂-Fußabdruck gilt.
Berücksichtigen wolle die Kommission in dem nachfolgenden Rechtsakt nach Darstellung der Verbände ausschließlich die CO₂-Intensität des nationalen Elektrizitätsnetzes eines Herstellungslandes – mit der Ausnahme von direkt an Fabriken angeschlossenen Erzeugungsanlagen erneuerbarer Energie, heißt es in dem Brief weiter. “Letzteres ist aufgrund von Standorteignung, Genehmigungsverfahren, Zuverlässigkeit der konstanten Stromversorgung und Platzbedarf für die meisten Standorte weltweit keine Option.”
Vom CO₂-Fußabdruck einer Batterie für E-Autos entfällt der größte Anteil auf die Zellproduktion. Die Lieferketten bei Batterien für E-Autos sind global, weltweit ist der Bau einer Vielzahl von Zellfabriken geplant. Deutschland ist ein wichtiger Markt für die Zellherstellung in Europa. Viele Zellfabriken sind in Planung oder werden gerade gebaut, oft in Kooperation oder auch in Regie der Hersteller von E-Autos. Laut Battery News mit Daten aus dem Mai ist in Deutschland bis 2030 der Aufbau von Kapazitäten in Höhe von 353 GWh geplant.
So hat Tesla am Standort Grünheide den Bau einer Fabrik mit einer Kapazität von 100 GWh angekündigt. Northvolt will in Heide eine Fabrik mit der Leistung von 60 GWh bauen. Die Befürchtung ist, dass der Rechtsakt für die Berechnung des CO₂-Fußabdrucks bereits getroffene Investitionsentscheidungen infrage stellt und künftige Ansiedlungen erschwert oder unmöglich macht.
Die von den Verbänden propagierten Instrumente haben allerdings ähnliche Probleme wie die von ihnen kritisierten – und noch weitere. Herkunftsnachweise (HKN) sind zwar ein etabliertes Instrument, um die Grünstromeigenschaft nachzuweisen. Die Industrie würde damit aber nach dem Prinzip “linke Tasche, rechte Tasche” wirtschaften. Was einzelne Unternehmen an grünem Strom einkaufen, würde anderen Stromverbrauchern fehlen – national oder gar europäisch betrachtet wäre es ein Nullsummenspiel. “Herkunftsnachweise sind nicht geeignet, um die Zusätzlichkeit von grünem Strom nachzuweisen”, sagt Mathilde Crêpy von der Brüsseler NGO Ecos.
Für die Elektrolyse von grünem Wasserstoff hat die Kommission deshalb bereits einen delegierten Rechtsakt verabschiedet, mit dem Erzeuger nachweisen sollen, dass der Strom aus zusätzlichen – also eigens für ihre Produktion neu gebauten – Strom- und Windparks kommt. Gegen die komplizierten Regeln war die Wirtschaft Sturm gelaufen.
Wenn die Kommission nun auf den nationalen Strommix oder direkt angeschlossene Grünstromparks abstellt, vereinfacht sie den Nachweis eigentlich. Dahinter steckt aber offenkundig auch eine Disziplinarmaßnahme, damit jeder EU-Staat möglichst schnell erneuerbare Energien im eigenen Land ausbaut. Nach Ansicht der NGO T&E hat die Anrechnung des nationalen Strommixes außerdem den Vorteil, das die Methode international leicht vergleichbar und vor allem überprüfbar ist. “Gerade bei der Verwendung von Herkunftsnachweisen müsste man bei der weltweiten Durchsetzbarkeit dagegen ein großes Fragezeichen machen”, sagt Alex Keynes von T&E.
Aus Sicht des Binnenmarktes ist der zweite Vorschlag der Verbände zunächst einleuchtend. Die Unternehmen wollen zum Beispiel mit Offshore-Windparks langfristige Direktabnahmeverträge abschließen. Allerdings sind solche PPAs bislang vor allem eine Domäne für Großkonzerne – und vermeintlich eine Methode, um sich vor anderen Energieverbrauchern günstigen Ökostrom zu sichern. BASF hat bereits Verträge für Energieprojekte in mehreren EU-Ländern geschlossen.
Allerdings müssten auch die PPAs mit zusätzlichen Anlagen abgeschlossen werden. Nach Ansicht von Ecos und T&E sollten sie der gleichen strengen Methodik folgen wie im Rechtsakt für Wasserstoff – was sicher nicht im Sinne der Industrie wäre. Eine weitere Hürde für den PPA-Vorschlag der Verbände ist aber das bislang schwach ausgebaute europäische Stromnetz.
Denn ist die Batterie eines deutschen Herstellers wirklich grün, wenn der Strom aus seinem günstigen spanischen Windpark gar nicht in der deutschen Fabrik ankommt? Der stockende Netzausbau würde die Verfügbarkeit von günstigem grünem Strom also für viele Jahre einschränken.
Trösten können sich die deutschen Hersteller noch damit, dass die CO₂-Regeln aus der Batterieverordnung auch für importierte Batterien gelten werden. Noch ist der Strom etwa in China mit spezifischen Emissionen von 582 Gramm dreckiger als in Europa. Obwohl China sich bereits eine starke Position erarbeitet hat, konsolidiert sich der Batteriemarkt dort gerade.
Nach einer aktuellen Analyse von Rystad werden deshalb die globalen Investitionen in neue Batteriefertigungskapazitäten in diesem Jahr wohl zum ersten Mal seit 2020 sinken. Bis 2030 wird der weltweite Bedarf an Batterien laut Prognosen des Weltwirtschaftsforums aber um das 19-fache des Bedarfs im Jahr 2019 steigen. Der Großteil davon entfällt auf die Automobilindustrie.
Nach der EU-Wahl Anfang Juni formiert sich das frisch gewählte Europaparlament, die wichtigen Schlüsselpositionen in den Ausschüssen werden neu besetzt. Einige davon bleiben in erfahrenen Händen – dass das EU-Parlament seine bisherige Stoßrichtung in Sachen China massiv ändern wird, ist unwahrscheinlich.
Für den mächtigen Handelsausschuss wurde vergangene Woche der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange erneut als Vorsitzender gewählt. Lange hatte in der letzten Legislaturperiode maßgeblich das EU-Handelsinstrument gegen wirtschaftlichen Zwang (Anti-Coercion Instrument, kurz ACI) vorangetrieben. Das ACI wartet noch auf seinen ersten Einsatz. “Wir haben in den nächsten fünf Jahren viel vor: Im Kontext des zunehmenden globalen Wettbewerbs zwischen den USA und China müssen wir unseren eigenen Kurs festlegen”, betonte Lange nach seiner Wahl.
Mehr Unabhängigkeit von chinesischen Gütern gehört für Lange zu dieser Strategie: Für nichtwestliche Partner müsse ein attraktives Paket geschnürt werden, das Marktzugang, Investitionen über die EU-Infrastrukturinitiative Global Gateway und Möglichkeiten für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung umfasse, so der SPD-Europapolitiker. “Es macht keinen Sinn, eine Praxis fortzusetzen, bei der fast alle Rohstoffe auf der ganzen Welt verteilt, aber von oder in China raffiniert werden.” Diversifizierung und das Angebot einer echten Alternative zu ausbeuterischen Praktiken würden von entscheidender Bedeutung sein.
Lange setzt sich für einen “Fitnesstest” der wirtschaftlichen Verteidigungsinstrumente ein und nennt dabei die Regulierung für ausländische Subventionen (FSR). Geprüft werden müsse, ob diese zu den EU-Ambitionen eines grünen Wandels passt, so Lange. Die FSR war zuletzt von China stark kritisiert worden.
Neben Lange wird der Handelsausschuss von der französischen Abgeordneten Manon Aubry (Linke), dem konservativen Ungarn Iuliu Winkler (EPP), der Schwedin Karin Karlsbro (liberale Renew) und der Belgierin Kathleen van Brempt (S&D) als Vize-Vorsitzende geleitet. Auch die von China sanktionierten Abgeordneten Raphaël Glucksmann und Miriam Lexmann sind Teil des Ausschusses. Mitglied ist auch der AfD-Europapolitiker Maximilian Krah. Krahs parlamentarischer Mitarbeiter war vor der Europawahl wegen mutmaßlicher Spionage für China festgenommen worden.
Auch der Ausschuss für Außenpolitik ist mit China kritisch gegenüber tretenden Mitgliedern besetzt: Mika Aaltola aus Finnland hat Peking mehrfach eine “imperialistische und autokratische Gefahr” genannt. Der Litauer Petras Auštrevičius ist Teil der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), einer pekingkritischen Organisation aus weltweit zwei Dutzend Parlamenten. Auch der Franzose Glucksmann ist Mitlied. Als Vorsitzender wurde erneut der CDU-Europaabgeordnete David McAllister gewählt.
Die Grünen-Politikerin Anna Cavazzini wird wieder dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vorsitzen. Cavazzini war innerhalb des EU-Parlaments eine treibende Kraft hinter dem Einfuhrverbot für Produkte aus Zwangsarbeit, das vor allem Waren aus Xinjiang treffen wird, und dem EU-Lieferkettengesetz. Sie hatte sich zuletzt auch für die Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge ausgesprochen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist die neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im EU-Parlament. “Die Konflikte in unserer Nachbarschaft und die sich verändernden geopolitischen Gezeiten bedeuten, dass wir einen Wandel in der europäischen Sicherheit brauchen, damit wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können”, betonte Strack-Zimmermann zu ihrer Wahl. Das EU-Parlament hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode bereits auch für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EU und Nato ausgesprochen. Strack-Zimmermann hatte mehrfach ein Einwirken Pekings auf Moskau gefordert.
Der Unterausschuss für Menschenrechte wird von dem französischen Grünen-Abgeordneten Mounir Satouri als neuem Vorsitzenden geleitet. Der Unterausschuss war in der Vergangenheit an mehreren Resolutionen, zu Hongkong und Xinjiang beteiligt. Satouri befasst sich bisher weniger mit der Thematik China, sein Fokus liegt auf dem Nahen Osten.
Neben den Ausschüssen sind auch die Delegationen wichtig für die Arbeit des Europaparlaments zu China. Die China-Delegation bleibt mit 38 Mitgliedern die größte. Wer den Vorsitz übernehmen wird, ist noch nicht klar. Das soll am 19. September in Straßburg entschieden werden. Für Asien wird es neben China auch Delegationen für Japan (24 Mitglieder), Indien (24 Mitglieder), Asean (27 Mitglieder), die Koreanische Halbinsel (13 Mitglieder) Zentralasien (19 Mitglieder) und Südasien (15 Mitglieder) geben.
Die Europäische Taiwan Freundschaftsgruppe, ein Zusammenschluss von EU-Abgeordneten, der aber keine offizielle Delegation ist, wird weiterhin vom CDU-Europapolitiker Michael Gahler geleitet werden.
In Deutschland könnten noch in diesem Jahr 8,2 Millionen Dieselautos außer Betrieb gesetzt werden. Das schreibt Bundesverkehrsminister Volker Wissing in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der Table.Briefings vorliegt.
Die Kommission will den Emissionsausstoß von Fahrzeugen älterer Baujahre künftig nicht mehr im Labor, sondern unter Realbedingungen testen lassen. Pkw müssten die Grenzwerte dann auch etwa bei Fahrten mit voller Last und Steigung einhalten. Dies sei jedoch nach derzeitigem Stand der Technik nicht umsetzbar.
“Allein in Deutschland wären 4,3 Millionen Euro-5 und ggf. 3,9 Millionen Euro-6-Dieselfahrzeuge betroffen, europaweit ein Vielfaches mehr”, schreibt Wissing. Er fordert von der Leyen daher auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine Rechtsänderung auszuarbeiten. Aus seinem Haus werde dazu ein Vorschlag kommen. max
Die EU-Kommission und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) wollen sich über das Investitionsprogramm InvestEU mit bis zu 100 Millionen Euro an Rohstoffprojekten beteiligen. Am Mittwoch haben sie eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, teilte die Kommission mit. Dabei gehe es um Kapital für die Exploration kritischer und strategischer Rohstoffe, die für die digitale und grüne Transformation von Bedeutung seien.
Eigenkapital sei das geeignetste Förderinstrument für die Exploration von Rohstoffen, da in dieser Phase noch keine Einnahmen generiert würden, schreibt die Kommission. Die EBWE beabsichtige, in fünf bis zehn Junior-Bergbauunternehmen zu investieren, die Explorationsprojekte in geeigneten Ländern betreiben. Dies können EU-Mitgliedstaaten sein, in denen die EBWE tätig ist, oder Länder außerhalb der EU, die unter das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont Europa fallen.
Die neue gemeinsame Fazilität soll die Ziele des EU-Gesetzes zu kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act) und des REPowerEU-Plans unterstützen. Die EU will 25 Millionen Euro aus dem Programm Horizont Europa mobilisieren, die EBWE weitere 25 Millionen Euro bereitstellen. Über die gemeinsame Fazilität wollen beide gemeinsam weitere 50 Millionen Euro aufbringen. Dabei solle die “strenge Ausrichtung” der EBWE am Pariser Klimaabkommen und an hohen Klima-, Governance-, Umwelt- und Sozialstandards auf alle Projekte angewandt werden.
Die Vereinbarung mit der EU sei Teil des im Juli genehmigten Junior Minings Programmes (JUMP) der EBWE. Es umfasst 150 Millionen Euro für Investitionen für kleine und mittelgroße Bergbauunternehmen in der Explorationsphase.
Das InvestEU-Programm stellt seit 2021 langfristige Finanzmittel wie Bürgschaften, Darlehen und Garantien bereit und soll damit die Erholung aus wirtschaftlichen und sozialen Krisen unterstützen. leo
Der Deep-Tech-Sektor in Europa gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das zeigt eine aktuelle Studie der Strategieberatung McKinsey. Demnach ist der Anteil Europas an den globalen Deep-Tech-Investitionen von zehn Prozent im Jahr 2019 auf 19 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Innerhalb Europas machen Deep-Tech-Investitionen nun 44 Prozent aller Tech-Investitionen aus, ein Plus von 18 Prozentpunkten.
Dabei haben sich europäische Deep-Tech-Investitionen als rentabler erwiesen als Investitionen in traditionelle Technologien. Nach Angaben von McKinsey erzielten sie seit 2005 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 16 Prozent, während Investitionen in herkömmliche Technologie nur zehn Prozent erreichten. Deep-Tech-Start-ups erlangten zudem häufiger den Unicorn-Status (eine vorbörsliche Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro) als digitale Tech-Start-ups.
Die Studie räumt mit vier Missverständnissen über Deep Tech auf:
Trotz dieser positiven Entwicklungen bleiben Herausforderungen. So werden etwa 60 Prozent der Top-Akquisitionen von nicht-europäischen Unternehmen getätigt. Europa müsse daher seine Investitionen und die Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen, Politik und Unternehmen intensivieren, um seine Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene zu stärken, schreiben die Autoren der Studie. vis
Die europäischen Sozialisten kritisieren in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Äußerung vor dem EU-Parlament, dass Geopolitik und Geoökonomie Hand in Hand gehen müssten. “Es wäre ein Fehler, mit unseren Partnern ausschließlich auf der Grundlage dieser Interessen zusammenzuarbeiten und dabei ihre Grundbedürfnisse und ihre menschliche Entwicklung außer Acht zu lassen”, heißt es in dem Brief, den die Vorsitzende der S&D-Fraktion im Europa-Parlament, Iratxe García Pérez, sowie Kathleen Van Brempt und Udo Bullmann unterschrieben haben.
“Die EU sollte die Schwellen- und Entwicklungsmärkte im Rahmen einer konsequenten und starken multilateralen und bilateralen Entwicklungszusammenarbeit angehen”, fordern die sozialistische Fraktion. Die Abgeordneten haben Sorge, dass die Entwicklungszusammenarbeit – in Brüssel als Kommissar für internationale Zusammenarbeit bekannt – bei der Postenverteilung in der künftigen Kommission mit anderen Aufgaben vermischt werden könnte, beispielsweise mit Wirtschaftsthemen oder mit der Sicherheit.
“Es ist beunruhigend, dass Ursula von der Leyen die Ziele für nachhaltige Entwicklung weder in ihrer Rede noch in ihren politischen Leitlinien erwähnt hat”, sagte Bullmann, S&D-Koordinator im Ausschuss für Internationale Entwicklung, zu Table.Briefings. “Sie hat keinen ganzheitlichen Ansatz für die Beziehungen der EU mit dem Globalen Süden.” Dies lasse vermuten, dass die Außenbeziehungen nur auf kurzfristige eigene Ziele ausgerichtet seien und eine langfristige Strategie außer Acht ließen.
“Die Nicht-Erwähnung des Portfolios für internationale Partnerschaften macht uns Sorgen”, sagte Bullmann weiter. “Die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für eine gerechte und nachhaltige Transformation wird in den Zielen für die neue Legislaturperiode von Ursula von der Leyen völlig heruntergespielt.” Außerdem werde sie den Erfolgen der Kommissarin für Internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, zum Beispiel in der Bekämpfung globaler Ungleichheiten nicht gerecht.
Bei der Kommission hält man die Sorge, die Entwicklungszusammenarbeit könne vernachlässigt werden, für unbegründet. Dort verweist man auf die politischen Leitlinien 2024-2029. In diesen gebe es eine lange Passage zur Bedeutung der Entwicklungspolitik. Dort wird als Ziel benannt, “langfristige, allseits vorteilhafte Partnerschaften (zu) schaffen, indem wir in eine gemeinsame Zukunft investieren und uns auf lange Sicht engagieren”.
Außerdem heißt es dort auch: “Das dritte Element unserer Außenwirtschaftspolitik sind Partnerschaften und gemeinsame Investitionen in unsere Interessen und unsere Partner im Rahmen von Global Gateway, unserer Initiative für weltweite Investitionen in Infrastrukturprojekte.” hlr
Im Streit um neue Sanktionen der Ukraine gegen den russischen Ölkonzern Lukoil nimmt die Europäische Kommission Kritik aus Ungarn und der Slowakei Wind aus den Segeln. Ein Sprecher sagte in Brüssel, es gebe nach einer ersten Analyse derzeit keine Hinweise darauf, dass durch die Sanktionen die Versorgungssicherheit in der EU gefährdet sei. So hätten fehlende Ölmengen von Lukoil zuletzt durch andere Lieferanten aus Russland ausgeglichen werden können. Diese können weiter Öl durch den Südstrang der Druschba-Pipeline leiten, die von Russland über die Ukraine nach Ungarn und in die Slowakei geht.
Die Außenminister Ungarns und der Slowakei hatten zuvor einen Beschwerdebrief an die EU-Kommission geschrieben und ein Einschreiten der Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen gefordert. Die beiden Länder werfen der Ukraine vor, mit der Einschränkung des Lukoils-Öltransits gegen ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu verstoßen. In diesem ist festgehalten, dass der Transit von Energiegütern nicht behindert werden darf.
Der Sprecher der EU-Kommission betonte, dass Ungarn und die Slowakei nun weitere Informationen liefern könnten. Dringliche Konsultation zu dem Thema seien aus Sicht der Behörde aber nicht geboten.
Grundsätzlich gilt in der EU bereits seit Längerem ein Einfuhrverbot für Öl aus Russland. Für Länder, die aufgrund ihrer geografischen Lage in besonderem Maße von Pipeline-Öl aus Russland abhängig sind, gibt es aber Ausnahmen.
Ungarns Außenminister Péter Szijjártó forderte zuletzt sogar, die Zollfreiheit für die Ukraine aufzuheben, sollte diese das Transitverbot für Lukoil nicht rückgängig machen. Der Minister betonte zudem, Ungarn werde wie bisher die Auszahlung von EU-Geldern für Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine blockieren, wenn es bei der Entscheidung Kiews bleiben sollte. Insgesamt geht es dabei nach Angaben Ungarns um 6,5 Milliarden Euro.
Aus Sicht von Szijjártó ist der Schritt Kiews besonders gravierend, weil die Ukraine andersherum viel Strom über Ungarn importiere. In Ungarn wird außerdem befürchtet, dass der Stopp russischer Öllieferungen zu einem Anstieg von Kraftstoffpreisen für Verbraucher führen könnte. Wenn die ungarische Regierung dafür die Ukraine verantwortlichen machen sollte, wäre das auch für die EU ein Problem: In Ungarn stehen schon jetzt viele Menschen der starken militärischen Unterstützung der EU kritisch gegenüber. dpa
In einer Welt von ausgebildeten Juristen, Wirtschaftswissenschaftlern und Politologen fällt Andreas Bablers Werdegang auf. Bevor er in die Politik ging, war er Schichtarbeiter. “Ich bin um fünf in der Früh aufgestanden und habe in einer Mineralwasserfabrik an der Füllmaschine gearbeitet”, sagt er. Im vergangenen Jahr wurde er überraschend zum Chef der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) gewählt. Medien bezeichnen ihn als “Underdog”, vielen gilt er als Hoffnungsträger der österreichischen Linken.
Erst auf dem zweiten Bildungsweg macht Babler einen Abschluss in politischer Kommunikation. Im Herzen bleibt er Arbeiter. “Andi”, wie ihn seine Unterstützer nennen, weiß: “Meine Art, Politik zu machen, hat viel mit meiner eigenen Geschichte zu tun.” Sein Vorbild ist der frühere SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky mit seiner “modernen und fortschrittlichen Politik”, die der 51-Jährige erneut in Österreich etablieren möchte.
Damit bietet er auch eine Alternative zu konservativen und populistischen Positionen, die in den vergangenen Jahre zugenommen haben. “Viele junge Leute kennen gar keine progressive Politik mehr”, sagt Babler. Sein eigenes Wirken als Bürgermeister im niederösterreichischen Traiskirchen wiederum habe schon in der Vergangenheit gezeigt, “wie die Sozialdemokratie ganz konkret die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern kann”. Was er meint, sind Mietpreisdeckel und kostenloses Schulessen. Sollte Babler im Herbst österreichischer Kanzler werden, möchte er diese Art der Politik fortsetzen.
Er fordert eine Reichensteuer und grenzt sich auch beim Thema Migration deutlich von Herbert Kickl und der rechtspopulistischen FPÖ ab. Damit geht er auf Konfrontation zu der Partei, die in Umfragen zur Nationalratswahl im Herbst mit knapp 30 Prozent führt. “Das Gerede vom Bau von Mauern zur Abschottung wird es mit mir nicht geben”, sagt Babler. Er möchte stattdessen ein offenes Land für Geflüchtete bleiben und die Fluchtursachen bekämpfen.
Irritationen löste Babler in der Vergangenheit mit Äußerungen zur EU aus. Bis heute wirken Aussagen von ihm nach, in denen er einen EU-Austritt Österreichs offen unterstützte. Noch 2020 bezeichnete er die EU als ein “imperialistisches Projekt”, das “schlimmer als die NATO” sei. Heute sagt er, diese Sätze seien “überzogen formuliert” worden. “Die Europäische Union ist eine Errungenschaft und wichtiger Schalthebel zur Durchsetzung sozialdemokratischer Ideen”, sagte Babler in einem Interview mit Table.Briefings. Dennoch muss er seine Loyalität gegenüber den europäischen Verträgen weiterhin glaubhaft machen.
Zugleich fordert Babler, die EU grundlegend zu reformieren, sie als Institution demokratischer, sozialer und nachhaltiger zu machen. Dazu müssten unter anderem die Kompetenzen des Europäischen Parlaments ausgeweitet werden, beispielsweise indem es ein direktes Initiativrecht erhält. “Dafür müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden”, sagt er.
Österreich brauche eine “Reformkanzlerschaft”, sagt Babler, für die er sich in Position bringt. Ob er diese notfalls auch mit der konservativen ÖVP antreten würde? Er scheint skeptisch. “Auf Bundesebene ist bei der Zusammenarbeit mit der ÖVP in den letzten Jahren viel Porzellan zerbrochen”, sagt er. Er glaubt, dass bis zur Wahl vieles deutlicher wird. Jasper Bennink
fünf große deutsche Wirtschaftsverbände haben Robert Habeck einen Brief geschrieben, in dem sie den Bundeswirtschaftsminister darum bitten, “auf höchster Ebene der EU-Kommission kurzfristig zu intervenieren”. Sie wehren sich gegen neue Vorschriften zum CO₂-Fußabdruck von E-Auto-Batterien. Damit beginne nun ein Machtkampf darum, welche EU-Länder in den kommenden Jahren wirtschaftlich vom Green Deal profitieren, schreiben Manuel Berkel, Leonie Düngefeld und Markus Grabitz.
Wie steht das neu gewählte Europaparlament zu Peking? Die Besetzung wichtiger Positionen gibt erste Hinweise darauf, wie sich die China-Politik des Parlaments in Zukunft ausrichten dürfte. Amelie Richter nimmt in ihrer Analyse die wesentlichen Ausschüsse in den Blick – vor allem im mächtigen Handelsausschuss sind Abgeordnete vertreten, die China ausgesprochen kritisch sehen.
In den News erfahren Sie unter anderem, warum Bundesverkehrsminister Volker Wissing davor warnt, dass Millionen von Dieselautos in Deutschland außer Betrieb gesetzt werden könnten, und wie es um die Investitionen in den europäischen Deep-Tech-Sektor steht.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Start ins Wochenende.
Die deutsche Industrie startet einen Machtkampf darum, welche EU-Länder in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wirtschaftlich vom Green Deal profitieren werden. Der Streit entzündet sich an der europäischen Batterieverordnung – schließlich steckt in Batterien ein Großteil der künftigen Wertschöpfung für die Automobilwirtschaft und weitere bedeutende Industrien. Umstritten ist ein delegierter Rechtsakt zur Ermittlung des CO₂-Fußabdrucks von Batterien, den die Kommission vorschlägt. Parlament und Mitgliedstaaten können ihn nach der anstehenden Veröffentlichung stoppen.
In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der Table.Briefings vorliegt, warnen fünf Wirtschaftsverbände davor, dass die deutsche Industrie ihre weltweiten Lieferketten und Aktivitäten nicht mehr wirksam dekarbonisieren könne, “wenn die effizientesten Instrumente dazu nicht mehr anerkannt werden”.
“Wir bitten Sie daher dringend, im Sinne der deutschen Industrie und des globalen Klimaschutzes auf höchster Ebene der EU-Kommission kurzfristig zu intervenieren“, heißt es in dem Brief an Habeck. Unterschrieben wurde er von Mitgliedern der Geschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), des Verbands der Automobilindustrie (VDA), des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI).
Hintergrund ist offenkundig der immer noch hohe Anteil von Kohlestrom im deutschen Strommix. Andere Volkswirtschaften in der EU haben bereits einen deutlichen Vorsprung beim Umstieg auf erneuerbare Energien – oder halten weiter an der Atomkraft fest. So betrug die CO₂-Intensität des deutschen Stroms im vergangenen Jahr 381 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde. In Schweden und Frankreich waren es dagegen nur 41 bzw. 56 Gramm.
Spüren wird die Industrie Deutschlands Rückstand spätestens 2028. Dann müssen Elektrofahrzeugbatterien nach der neuen Batterieverordnung Höchstwerte für Kohlendioxid-Emissionen einhalten, die bei der Produktion entstehen. Die delegierte Verordnung, an der die Kommission arbeitet, soll die Methode für die Messung des CO₂-Fußabdrucks regeln. In ihrem Brief an Habeck kritisieren die Verbände den Entwurf: “In der vorgeschlagenen Methodik werden Stromabnahmeverträge (PPA) und Stromzertifikate für erneuerbare Energie (HKN) nicht mehr als zulässig anerkannt.”
Nach Darstellung der Verbände könnte der Batterie-Rechtsakt zur Blaupause für andere Industriegüter werden – mit massiven Folgen: “Dies ist eine denkbar schlechte Nachricht für den Klimaschutz und auch für die Reputation deutscher Unternehmen in Öffentlichkeit, bei Ratings und Investoren. Außerdem verringert es die Attraktivität Deutschlands als Industriestandort.”
Die EU-Batterieverordnung ist im August 2023 in Kraft getreten und – nach einer sechsmonatigen Übergangsfrist – seit Februar in den EU-Mitgliedstaaten gültig. Sie ersetzt die vormalige Batterierichtlinie und soll eine Blaupause für weitere Produktregularien sein: Die Verordnung etabliert Standards für ein nachhaltigeres Design von Batterien, soll den Stoffkreislauf ankurbeln und die Batterie- und Recyclingindustrie stärken. Batterien sind das erste Produkt in der EU, für das ein verbindlicher CO₂-Fußabdruck gilt.
Berücksichtigen wolle die Kommission in dem nachfolgenden Rechtsakt nach Darstellung der Verbände ausschließlich die CO₂-Intensität des nationalen Elektrizitätsnetzes eines Herstellungslandes – mit der Ausnahme von direkt an Fabriken angeschlossenen Erzeugungsanlagen erneuerbarer Energie, heißt es in dem Brief weiter. “Letzteres ist aufgrund von Standorteignung, Genehmigungsverfahren, Zuverlässigkeit der konstanten Stromversorgung und Platzbedarf für die meisten Standorte weltweit keine Option.”
Vom CO₂-Fußabdruck einer Batterie für E-Autos entfällt der größte Anteil auf die Zellproduktion. Die Lieferketten bei Batterien für E-Autos sind global, weltweit ist der Bau einer Vielzahl von Zellfabriken geplant. Deutschland ist ein wichtiger Markt für die Zellherstellung in Europa. Viele Zellfabriken sind in Planung oder werden gerade gebaut, oft in Kooperation oder auch in Regie der Hersteller von E-Autos. Laut Battery News mit Daten aus dem Mai ist in Deutschland bis 2030 der Aufbau von Kapazitäten in Höhe von 353 GWh geplant.
So hat Tesla am Standort Grünheide den Bau einer Fabrik mit einer Kapazität von 100 GWh angekündigt. Northvolt will in Heide eine Fabrik mit der Leistung von 60 GWh bauen. Die Befürchtung ist, dass der Rechtsakt für die Berechnung des CO₂-Fußabdrucks bereits getroffene Investitionsentscheidungen infrage stellt und künftige Ansiedlungen erschwert oder unmöglich macht.
Die von den Verbänden propagierten Instrumente haben allerdings ähnliche Probleme wie die von ihnen kritisierten – und noch weitere. Herkunftsnachweise (HKN) sind zwar ein etabliertes Instrument, um die Grünstromeigenschaft nachzuweisen. Die Industrie würde damit aber nach dem Prinzip “linke Tasche, rechte Tasche” wirtschaften. Was einzelne Unternehmen an grünem Strom einkaufen, würde anderen Stromverbrauchern fehlen – national oder gar europäisch betrachtet wäre es ein Nullsummenspiel. “Herkunftsnachweise sind nicht geeignet, um die Zusätzlichkeit von grünem Strom nachzuweisen”, sagt Mathilde Crêpy von der Brüsseler NGO Ecos.
Für die Elektrolyse von grünem Wasserstoff hat die Kommission deshalb bereits einen delegierten Rechtsakt verabschiedet, mit dem Erzeuger nachweisen sollen, dass der Strom aus zusätzlichen – also eigens für ihre Produktion neu gebauten – Strom- und Windparks kommt. Gegen die komplizierten Regeln war die Wirtschaft Sturm gelaufen.
Wenn die Kommission nun auf den nationalen Strommix oder direkt angeschlossene Grünstromparks abstellt, vereinfacht sie den Nachweis eigentlich. Dahinter steckt aber offenkundig auch eine Disziplinarmaßnahme, damit jeder EU-Staat möglichst schnell erneuerbare Energien im eigenen Land ausbaut. Nach Ansicht der NGO T&E hat die Anrechnung des nationalen Strommixes außerdem den Vorteil, das die Methode international leicht vergleichbar und vor allem überprüfbar ist. “Gerade bei der Verwendung von Herkunftsnachweisen müsste man bei der weltweiten Durchsetzbarkeit dagegen ein großes Fragezeichen machen”, sagt Alex Keynes von T&E.
Aus Sicht des Binnenmarktes ist der zweite Vorschlag der Verbände zunächst einleuchtend. Die Unternehmen wollen zum Beispiel mit Offshore-Windparks langfristige Direktabnahmeverträge abschließen. Allerdings sind solche PPAs bislang vor allem eine Domäne für Großkonzerne – und vermeintlich eine Methode, um sich vor anderen Energieverbrauchern günstigen Ökostrom zu sichern. BASF hat bereits Verträge für Energieprojekte in mehreren EU-Ländern geschlossen.
Allerdings müssten auch die PPAs mit zusätzlichen Anlagen abgeschlossen werden. Nach Ansicht von Ecos und T&E sollten sie der gleichen strengen Methodik folgen wie im Rechtsakt für Wasserstoff – was sicher nicht im Sinne der Industrie wäre. Eine weitere Hürde für den PPA-Vorschlag der Verbände ist aber das bislang schwach ausgebaute europäische Stromnetz.
Denn ist die Batterie eines deutschen Herstellers wirklich grün, wenn der Strom aus seinem günstigen spanischen Windpark gar nicht in der deutschen Fabrik ankommt? Der stockende Netzausbau würde die Verfügbarkeit von günstigem grünem Strom also für viele Jahre einschränken.
Trösten können sich die deutschen Hersteller noch damit, dass die CO₂-Regeln aus der Batterieverordnung auch für importierte Batterien gelten werden. Noch ist der Strom etwa in China mit spezifischen Emissionen von 582 Gramm dreckiger als in Europa. Obwohl China sich bereits eine starke Position erarbeitet hat, konsolidiert sich der Batteriemarkt dort gerade.
Nach einer aktuellen Analyse von Rystad werden deshalb die globalen Investitionen in neue Batteriefertigungskapazitäten in diesem Jahr wohl zum ersten Mal seit 2020 sinken. Bis 2030 wird der weltweite Bedarf an Batterien laut Prognosen des Weltwirtschaftsforums aber um das 19-fache des Bedarfs im Jahr 2019 steigen. Der Großteil davon entfällt auf die Automobilindustrie.
Nach der EU-Wahl Anfang Juni formiert sich das frisch gewählte Europaparlament, die wichtigen Schlüsselpositionen in den Ausschüssen werden neu besetzt. Einige davon bleiben in erfahrenen Händen – dass das EU-Parlament seine bisherige Stoßrichtung in Sachen China massiv ändern wird, ist unwahrscheinlich.
Für den mächtigen Handelsausschuss wurde vergangene Woche der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange erneut als Vorsitzender gewählt. Lange hatte in der letzten Legislaturperiode maßgeblich das EU-Handelsinstrument gegen wirtschaftlichen Zwang (Anti-Coercion Instrument, kurz ACI) vorangetrieben. Das ACI wartet noch auf seinen ersten Einsatz. “Wir haben in den nächsten fünf Jahren viel vor: Im Kontext des zunehmenden globalen Wettbewerbs zwischen den USA und China müssen wir unseren eigenen Kurs festlegen”, betonte Lange nach seiner Wahl.
Mehr Unabhängigkeit von chinesischen Gütern gehört für Lange zu dieser Strategie: Für nichtwestliche Partner müsse ein attraktives Paket geschnürt werden, das Marktzugang, Investitionen über die EU-Infrastrukturinitiative Global Gateway und Möglichkeiten für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung umfasse, so der SPD-Europapolitiker. “Es macht keinen Sinn, eine Praxis fortzusetzen, bei der fast alle Rohstoffe auf der ganzen Welt verteilt, aber von oder in China raffiniert werden.” Diversifizierung und das Angebot einer echten Alternative zu ausbeuterischen Praktiken würden von entscheidender Bedeutung sein.
Lange setzt sich für einen “Fitnesstest” der wirtschaftlichen Verteidigungsinstrumente ein und nennt dabei die Regulierung für ausländische Subventionen (FSR). Geprüft werden müsse, ob diese zu den EU-Ambitionen eines grünen Wandels passt, so Lange. Die FSR war zuletzt von China stark kritisiert worden.
Neben Lange wird der Handelsausschuss von der französischen Abgeordneten Manon Aubry (Linke), dem konservativen Ungarn Iuliu Winkler (EPP), der Schwedin Karin Karlsbro (liberale Renew) und der Belgierin Kathleen van Brempt (S&D) als Vize-Vorsitzende geleitet. Auch die von China sanktionierten Abgeordneten Raphaël Glucksmann und Miriam Lexmann sind Teil des Ausschusses. Mitglied ist auch der AfD-Europapolitiker Maximilian Krah. Krahs parlamentarischer Mitarbeiter war vor der Europawahl wegen mutmaßlicher Spionage für China festgenommen worden.
Auch der Ausschuss für Außenpolitik ist mit China kritisch gegenüber tretenden Mitgliedern besetzt: Mika Aaltola aus Finnland hat Peking mehrfach eine “imperialistische und autokratische Gefahr” genannt. Der Litauer Petras Auštrevičius ist Teil der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), einer pekingkritischen Organisation aus weltweit zwei Dutzend Parlamenten. Auch der Franzose Glucksmann ist Mitlied. Als Vorsitzender wurde erneut der CDU-Europaabgeordnete David McAllister gewählt.
Die Grünen-Politikerin Anna Cavazzini wird wieder dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vorsitzen. Cavazzini war innerhalb des EU-Parlaments eine treibende Kraft hinter dem Einfuhrverbot für Produkte aus Zwangsarbeit, das vor allem Waren aus Xinjiang treffen wird, und dem EU-Lieferkettengesetz. Sie hatte sich zuletzt auch für die Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge ausgesprochen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist die neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im EU-Parlament. “Die Konflikte in unserer Nachbarschaft und die sich verändernden geopolitischen Gezeiten bedeuten, dass wir einen Wandel in der europäischen Sicherheit brauchen, damit wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können”, betonte Strack-Zimmermann zu ihrer Wahl. Das EU-Parlament hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode bereits auch für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EU und Nato ausgesprochen. Strack-Zimmermann hatte mehrfach ein Einwirken Pekings auf Moskau gefordert.
Der Unterausschuss für Menschenrechte wird von dem französischen Grünen-Abgeordneten Mounir Satouri als neuem Vorsitzenden geleitet. Der Unterausschuss war in der Vergangenheit an mehreren Resolutionen, zu Hongkong und Xinjiang beteiligt. Satouri befasst sich bisher weniger mit der Thematik China, sein Fokus liegt auf dem Nahen Osten.
Neben den Ausschüssen sind auch die Delegationen wichtig für die Arbeit des Europaparlaments zu China. Die China-Delegation bleibt mit 38 Mitgliedern die größte. Wer den Vorsitz übernehmen wird, ist noch nicht klar. Das soll am 19. September in Straßburg entschieden werden. Für Asien wird es neben China auch Delegationen für Japan (24 Mitglieder), Indien (24 Mitglieder), Asean (27 Mitglieder), die Koreanische Halbinsel (13 Mitglieder) Zentralasien (19 Mitglieder) und Südasien (15 Mitglieder) geben.
Die Europäische Taiwan Freundschaftsgruppe, ein Zusammenschluss von EU-Abgeordneten, der aber keine offizielle Delegation ist, wird weiterhin vom CDU-Europapolitiker Michael Gahler geleitet werden.
In Deutschland könnten noch in diesem Jahr 8,2 Millionen Dieselautos außer Betrieb gesetzt werden. Das schreibt Bundesverkehrsminister Volker Wissing in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der Table.Briefings vorliegt.
Die Kommission will den Emissionsausstoß von Fahrzeugen älterer Baujahre künftig nicht mehr im Labor, sondern unter Realbedingungen testen lassen. Pkw müssten die Grenzwerte dann auch etwa bei Fahrten mit voller Last und Steigung einhalten. Dies sei jedoch nach derzeitigem Stand der Technik nicht umsetzbar.
“Allein in Deutschland wären 4,3 Millionen Euro-5 und ggf. 3,9 Millionen Euro-6-Dieselfahrzeuge betroffen, europaweit ein Vielfaches mehr”, schreibt Wissing. Er fordert von der Leyen daher auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine Rechtsänderung auszuarbeiten. Aus seinem Haus werde dazu ein Vorschlag kommen. max
Die EU-Kommission und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) wollen sich über das Investitionsprogramm InvestEU mit bis zu 100 Millionen Euro an Rohstoffprojekten beteiligen. Am Mittwoch haben sie eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, teilte die Kommission mit. Dabei gehe es um Kapital für die Exploration kritischer und strategischer Rohstoffe, die für die digitale und grüne Transformation von Bedeutung seien.
Eigenkapital sei das geeignetste Förderinstrument für die Exploration von Rohstoffen, da in dieser Phase noch keine Einnahmen generiert würden, schreibt die Kommission. Die EBWE beabsichtige, in fünf bis zehn Junior-Bergbauunternehmen zu investieren, die Explorationsprojekte in geeigneten Ländern betreiben. Dies können EU-Mitgliedstaaten sein, in denen die EBWE tätig ist, oder Länder außerhalb der EU, die unter das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont Europa fallen.
Die neue gemeinsame Fazilität soll die Ziele des EU-Gesetzes zu kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act) und des REPowerEU-Plans unterstützen. Die EU will 25 Millionen Euro aus dem Programm Horizont Europa mobilisieren, die EBWE weitere 25 Millionen Euro bereitstellen. Über die gemeinsame Fazilität wollen beide gemeinsam weitere 50 Millionen Euro aufbringen. Dabei solle die “strenge Ausrichtung” der EBWE am Pariser Klimaabkommen und an hohen Klima-, Governance-, Umwelt- und Sozialstandards auf alle Projekte angewandt werden.
Die Vereinbarung mit der EU sei Teil des im Juli genehmigten Junior Minings Programmes (JUMP) der EBWE. Es umfasst 150 Millionen Euro für Investitionen für kleine und mittelgroße Bergbauunternehmen in der Explorationsphase.
Das InvestEU-Programm stellt seit 2021 langfristige Finanzmittel wie Bürgschaften, Darlehen und Garantien bereit und soll damit die Erholung aus wirtschaftlichen und sozialen Krisen unterstützen. leo
Der Deep-Tech-Sektor in Europa gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das zeigt eine aktuelle Studie der Strategieberatung McKinsey. Demnach ist der Anteil Europas an den globalen Deep-Tech-Investitionen von zehn Prozent im Jahr 2019 auf 19 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Innerhalb Europas machen Deep-Tech-Investitionen nun 44 Prozent aller Tech-Investitionen aus, ein Plus von 18 Prozentpunkten.
Dabei haben sich europäische Deep-Tech-Investitionen als rentabler erwiesen als Investitionen in traditionelle Technologien. Nach Angaben von McKinsey erzielten sie seit 2005 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 16 Prozent, während Investitionen in herkömmliche Technologie nur zehn Prozent erreichten. Deep-Tech-Start-ups erlangten zudem häufiger den Unicorn-Status (eine vorbörsliche Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro) als digitale Tech-Start-ups.
Die Studie räumt mit vier Missverständnissen über Deep Tech auf:
Trotz dieser positiven Entwicklungen bleiben Herausforderungen. So werden etwa 60 Prozent der Top-Akquisitionen von nicht-europäischen Unternehmen getätigt. Europa müsse daher seine Investitionen und die Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen, Politik und Unternehmen intensivieren, um seine Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene zu stärken, schreiben die Autoren der Studie. vis
Die europäischen Sozialisten kritisieren in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Äußerung vor dem EU-Parlament, dass Geopolitik und Geoökonomie Hand in Hand gehen müssten. “Es wäre ein Fehler, mit unseren Partnern ausschließlich auf der Grundlage dieser Interessen zusammenzuarbeiten und dabei ihre Grundbedürfnisse und ihre menschliche Entwicklung außer Acht zu lassen”, heißt es in dem Brief, den die Vorsitzende der S&D-Fraktion im Europa-Parlament, Iratxe García Pérez, sowie Kathleen Van Brempt und Udo Bullmann unterschrieben haben.
“Die EU sollte die Schwellen- und Entwicklungsmärkte im Rahmen einer konsequenten und starken multilateralen und bilateralen Entwicklungszusammenarbeit angehen”, fordern die sozialistische Fraktion. Die Abgeordneten haben Sorge, dass die Entwicklungszusammenarbeit – in Brüssel als Kommissar für internationale Zusammenarbeit bekannt – bei der Postenverteilung in der künftigen Kommission mit anderen Aufgaben vermischt werden könnte, beispielsweise mit Wirtschaftsthemen oder mit der Sicherheit.
“Es ist beunruhigend, dass Ursula von der Leyen die Ziele für nachhaltige Entwicklung weder in ihrer Rede noch in ihren politischen Leitlinien erwähnt hat”, sagte Bullmann, S&D-Koordinator im Ausschuss für Internationale Entwicklung, zu Table.Briefings. “Sie hat keinen ganzheitlichen Ansatz für die Beziehungen der EU mit dem Globalen Süden.” Dies lasse vermuten, dass die Außenbeziehungen nur auf kurzfristige eigene Ziele ausgerichtet seien und eine langfristige Strategie außer Acht ließen.
“Die Nicht-Erwähnung des Portfolios für internationale Partnerschaften macht uns Sorgen”, sagte Bullmann weiter. “Die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für eine gerechte und nachhaltige Transformation wird in den Zielen für die neue Legislaturperiode von Ursula von der Leyen völlig heruntergespielt.” Außerdem werde sie den Erfolgen der Kommissarin für Internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, zum Beispiel in der Bekämpfung globaler Ungleichheiten nicht gerecht.
Bei der Kommission hält man die Sorge, die Entwicklungszusammenarbeit könne vernachlässigt werden, für unbegründet. Dort verweist man auf die politischen Leitlinien 2024-2029. In diesen gebe es eine lange Passage zur Bedeutung der Entwicklungspolitik. Dort wird als Ziel benannt, “langfristige, allseits vorteilhafte Partnerschaften (zu) schaffen, indem wir in eine gemeinsame Zukunft investieren und uns auf lange Sicht engagieren”.
Außerdem heißt es dort auch: “Das dritte Element unserer Außenwirtschaftspolitik sind Partnerschaften und gemeinsame Investitionen in unsere Interessen und unsere Partner im Rahmen von Global Gateway, unserer Initiative für weltweite Investitionen in Infrastrukturprojekte.” hlr
Im Streit um neue Sanktionen der Ukraine gegen den russischen Ölkonzern Lukoil nimmt die Europäische Kommission Kritik aus Ungarn und der Slowakei Wind aus den Segeln. Ein Sprecher sagte in Brüssel, es gebe nach einer ersten Analyse derzeit keine Hinweise darauf, dass durch die Sanktionen die Versorgungssicherheit in der EU gefährdet sei. So hätten fehlende Ölmengen von Lukoil zuletzt durch andere Lieferanten aus Russland ausgeglichen werden können. Diese können weiter Öl durch den Südstrang der Druschba-Pipeline leiten, die von Russland über die Ukraine nach Ungarn und in die Slowakei geht.
Die Außenminister Ungarns und der Slowakei hatten zuvor einen Beschwerdebrief an die EU-Kommission geschrieben und ein Einschreiten der Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen gefordert. Die beiden Länder werfen der Ukraine vor, mit der Einschränkung des Lukoils-Öltransits gegen ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu verstoßen. In diesem ist festgehalten, dass der Transit von Energiegütern nicht behindert werden darf.
Der Sprecher der EU-Kommission betonte, dass Ungarn und die Slowakei nun weitere Informationen liefern könnten. Dringliche Konsultation zu dem Thema seien aus Sicht der Behörde aber nicht geboten.
Grundsätzlich gilt in der EU bereits seit Längerem ein Einfuhrverbot für Öl aus Russland. Für Länder, die aufgrund ihrer geografischen Lage in besonderem Maße von Pipeline-Öl aus Russland abhängig sind, gibt es aber Ausnahmen.
Ungarns Außenminister Péter Szijjártó forderte zuletzt sogar, die Zollfreiheit für die Ukraine aufzuheben, sollte diese das Transitverbot für Lukoil nicht rückgängig machen. Der Minister betonte zudem, Ungarn werde wie bisher die Auszahlung von EU-Geldern für Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine blockieren, wenn es bei der Entscheidung Kiews bleiben sollte. Insgesamt geht es dabei nach Angaben Ungarns um 6,5 Milliarden Euro.
Aus Sicht von Szijjártó ist der Schritt Kiews besonders gravierend, weil die Ukraine andersherum viel Strom über Ungarn importiere. In Ungarn wird außerdem befürchtet, dass der Stopp russischer Öllieferungen zu einem Anstieg von Kraftstoffpreisen für Verbraucher führen könnte. Wenn die ungarische Regierung dafür die Ukraine verantwortlichen machen sollte, wäre das auch für die EU ein Problem: In Ungarn stehen schon jetzt viele Menschen der starken militärischen Unterstützung der EU kritisch gegenüber. dpa
In einer Welt von ausgebildeten Juristen, Wirtschaftswissenschaftlern und Politologen fällt Andreas Bablers Werdegang auf. Bevor er in die Politik ging, war er Schichtarbeiter. “Ich bin um fünf in der Früh aufgestanden und habe in einer Mineralwasserfabrik an der Füllmaschine gearbeitet”, sagt er. Im vergangenen Jahr wurde er überraschend zum Chef der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) gewählt. Medien bezeichnen ihn als “Underdog”, vielen gilt er als Hoffnungsträger der österreichischen Linken.
Erst auf dem zweiten Bildungsweg macht Babler einen Abschluss in politischer Kommunikation. Im Herzen bleibt er Arbeiter. “Andi”, wie ihn seine Unterstützer nennen, weiß: “Meine Art, Politik zu machen, hat viel mit meiner eigenen Geschichte zu tun.” Sein Vorbild ist der frühere SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky mit seiner “modernen und fortschrittlichen Politik”, die der 51-Jährige erneut in Österreich etablieren möchte.
Damit bietet er auch eine Alternative zu konservativen und populistischen Positionen, die in den vergangenen Jahre zugenommen haben. “Viele junge Leute kennen gar keine progressive Politik mehr”, sagt Babler. Sein eigenes Wirken als Bürgermeister im niederösterreichischen Traiskirchen wiederum habe schon in der Vergangenheit gezeigt, “wie die Sozialdemokratie ganz konkret die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern kann”. Was er meint, sind Mietpreisdeckel und kostenloses Schulessen. Sollte Babler im Herbst österreichischer Kanzler werden, möchte er diese Art der Politik fortsetzen.
Er fordert eine Reichensteuer und grenzt sich auch beim Thema Migration deutlich von Herbert Kickl und der rechtspopulistischen FPÖ ab. Damit geht er auf Konfrontation zu der Partei, die in Umfragen zur Nationalratswahl im Herbst mit knapp 30 Prozent führt. “Das Gerede vom Bau von Mauern zur Abschottung wird es mit mir nicht geben”, sagt Babler. Er möchte stattdessen ein offenes Land für Geflüchtete bleiben und die Fluchtursachen bekämpfen.
Irritationen löste Babler in der Vergangenheit mit Äußerungen zur EU aus. Bis heute wirken Aussagen von ihm nach, in denen er einen EU-Austritt Österreichs offen unterstützte. Noch 2020 bezeichnete er die EU als ein “imperialistisches Projekt”, das “schlimmer als die NATO” sei. Heute sagt er, diese Sätze seien “überzogen formuliert” worden. “Die Europäische Union ist eine Errungenschaft und wichtiger Schalthebel zur Durchsetzung sozialdemokratischer Ideen”, sagte Babler in einem Interview mit Table.Briefings. Dennoch muss er seine Loyalität gegenüber den europäischen Verträgen weiterhin glaubhaft machen.
Zugleich fordert Babler, die EU grundlegend zu reformieren, sie als Institution demokratischer, sozialer und nachhaltiger zu machen. Dazu müssten unter anderem die Kompetenzen des Europäischen Parlaments ausgeweitet werden, beispielsweise indem es ein direktes Initiativrecht erhält. “Dafür müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden”, sagt er.
Österreich brauche eine “Reformkanzlerschaft”, sagt Babler, für die er sich in Position bringt. Ob er diese notfalls auch mit der konservativen ÖVP antreten würde? Er scheint skeptisch. “Auf Bundesebene ist bei der Zusammenarbeit mit der ÖVP in den letzten Jahren viel Porzellan zerbrochen”, sagt er. Er glaubt, dass bis zur Wahl vieles deutlicher wird. Jasper Bennink