Ursula von der Leyen muss in diesen Tagen perfekt den Rollenwechsel beherrschen. Mal ist sie Spitzenkandidatin der christdemokratischen EVP. Also macht sie Wahlkampf. Dabei wird von ihr gefordert, auch polemisch zuzuspitzen und parteipolitisch zuzulangen. Dann muss sie wieder in die Rolle der Kommissionspräsidentin schlüpfen. Sie ist dann die Chefin der mächtigen Brüsseler Behörde und muss die offizielle EU-Linie verfolgen.
So wie heute, wenn sie in Paris an den Gipfelgesprächen zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Chinas Staatschef Xi Jinping teilnimmt. Dabei geht es auch um die Spannungen zwischen der EU und China in Handelsfragen. Paris hatte darauf gedrungen, die aus China importierten E-Autos einer Anti-Dumping-Untersuchung zu unterziehen. Die Kommission, die für die Handelspolitik zuständig ist, war dem Wunsch und Drängen nachgekommen.
In den nächsten Wochen wird damit gerechnet, dass die Kommission vorläufig Strafzölle verhängt. Die Kommissionspräsidentin hatte sich früh auf Strafzölle festgelegt. Bei den deutschen Herstellern stieß sie damit auf Skepsis. Man darf gespannt sein, ob bei dem heutigen Zusammentreffen Details zum Streit um die Autoeinfuhren nach außen dringen. Kommen Sie gut in die Woche!
Erst zwei oder drei Tage, nachdem am Wahlabend des 9. Juni die letzten Wahllokale in der EU schließen, werden die Namen der 720 Mitglieder des neuen Europaparlaments endgültig feststehen. Danach beginnt die spannende Phase der Fraktionsbildung. Werden neue Fraktionen gebildet – gegebenenfalls durch Fusionen? Welche Wechsel gibt es zwischen den Fraktionen? Viele Einzelparteien aus den Mitgliedstaaten entscheiden erst in den Wochen bis zur Konstituierung des Parlaments der zehnten Wahlperiode am 16. Juli, welcher Fraktion sie sich anschließen.
In der zu Ende gehenden neunten Wahlperiode sind über 200 Parteien im Europaparlament vertreten. Die meisten von ihnen haben sich einer der sieben Fraktionen (EVP, S&D, Renew, Grüne, EKR, ID, Linke) angeschlossen. Darüber hinaus sind 51 von derzeit 705 Abgeordneten fraktionslos. Um eine Fraktion zu bilden, müssen sich nach der Geschäftsordnung des Europaparlaments mindestens 25 Abgeordnete zusammentun, die aus mindestens sieben Mitgliedstaaten kommen.
Wenn es einer Fraktion gelingt, auf dem Transfermarkt neue nationale Parteien zu werben, bedeutet dies mehr Macht. Je mehr Mitglieder eine Fraktion hat, desto mehr Posten im Parlamentspräsidium sowie Ausschussvorsitze kann sie beanspruchen. Das Kräfteverhältnis zwischen den Fraktionen wird bereits in den ersten Tagen nach der Konstituierung des Parlaments wichtig, wenn die Abgeordneten über die Posten des Parlamentspräsidenten sowie des Kommissionspräsidenten abstimmen.
Beobachter gehen davon aus, dass es dieses Mal noch mehr Bewegung gibt als 2019. So treten jetzt mindestens 62 Parteien zur Europawahl an, die es bei der letzten Europawahl noch gar nicht gab. In den Wochen vor der Wahl halten sich die Fraktionen bedeckt zu möglichen Neuzugängen. Hinter den Kulissen wird bereits viel darüber geredet.
Die ersten Beschlüsse über förmliche Aufnahmen in den Fraktionen werden in der zweiten Woche nach der Wahl erwartet. Die Zeit drängt dann. Bis zur Konstituierung des Parlaments sind nach der Wahl nur fünf Wochen Zeit. Schon vor der Konstituierung des Parlaments, vermutlich ist die deadline Anfang Juli, muss die Größe der Fraktionen feststehen, damit die Vorbereitungen für die Bildung der Ausschüsse beginnen können.
Die größte Fraktion im jetzigen Parlament ist die EVP mit derzeit 177 MEPs. Der Politologe Manuel Müller vom Finnish Institute of International Affairs, der für Table.Briefings regelmäßig die Sitzprojektion “Wenn am nächsten Sonntag Europawahl wäre …..” erarbeitet, rechnet damit, dass die EVP leicht auf 173 Sitze abrutscht, durch Transfers aber auf 181 Sitze kommen könnte.
So hat zum Beispiel die Partei Tisza aus Ungarn von Péter Magyar angekündigt, der EVP beizutreten. Sie wird in den Umfragen mit drei Sitzen gehandelt. Je ein Sitz könnten von der Liberalen Allianz aus Dänemark, der Bauern- und Bürger-Bewegung (BBB) aus den Niederlanden und von der rumänischen Rechten Kraft (FD) um Ex-Regierungschef Ludovic Orban kommen.
Im Gespräch sind zudem die tschechische ODS und die NVA aus Flandern, die derzeit beide der EKR angehören und nach der Sitzprojektion jeweils drei MEP stellen könnten. Allerdings hat die spanische PP Vorbehalte gegen den Beitritt der NVA, da die NVA separatistisch sei.
Die sozialistische S&D-Fraktion hat derzeit 140 Sitze im Parlament. Laut Sitzprojektion könnte sie auf 132 Sitze fallen. Durch Beitritte könnte sie leicht zulegen auf 134 Sitze. Zudem möchte die sozialistische Parteienfamilie SPE offenbar die suspendierten Mitgliedsparteien aus der Slowakei, HLAS und SMER, rehabilitieren. Beide Parteien waren suspendiert worden, da sie die slowakische Regierung unter dem Linkspopulisten und Putin-Freund Robert Fico unterstützen. Sie könnten insgesamt mit sieben Abgeordneten in Straßburg vertreten sein. Allerdings regt sich aus der Fraktion auch Widerstand gegen die Rehabilitierung.
Am spannendsten ist die Frage, ob sich Kräfte aus den beiden rechten Fraktionen EKR und ID womöglich unter Einschluss des derzeit fraktionslosen Fidesz von Viktor Orbán zu einer starken rechten Fraktion zusammenfinden. EKR hat aktuell 68 MEPs, ID 59 Sitze. Der Fidesz kommt auf zwölf Sitze. Laut Sitzprojektion können EKR und ID mit Zuwächsen auf 81 und 83 Sitze rechnen.
Entscheidend dürfte werden, ob die polnische PiS und die italienischen Fratelli d’Italia, die die beiden Stützen der EKR bilden, ihren Richtungsstreit beilegen oder sich endgültig zerlegen. So hatte Mateusz Morawiecki, ehemaliger Ministerpräsident Polens und starker Mann in der PiS, wiederholt den Fidesz zur EKR eingeladen. Einige andere Mitgliedsparteien wie die tschechische ODS oder die Schwedendemokraten lehnen eine Zusammenarbeit mit Putin-Freunden aber vehement ab.
EKR-Chefin Giorgia Meloni selbst hat eine eindeutige Positionierung bis jetzt vermieden. Zudem scheint der Rassemblement national von Marine Le Pen, der in der ID-Fraktion den Ton angibt, die deutsche AfD herausdrängen zu wollen. Dass ID und EKR vollständig fusionieren ist allerdings unwahrscheinlich – schon wegen der innerstaatlichen Rivalitäten zwischen dem Rassemblement (ID) und der von Éric Zemmour geführten Reconquete (EKR) oder auch zwischen Fratelli d’Italia (EKR) und Matteo Salvinis Lega (ID).
Die grüne Fraktion dürfte laut Sitzprojektion von derzeit 72 auf 51 Sitze schrumpfen. Durch Beitritte könnte sie dann wieder auf 53 Sitze wachsen. Offen ist allerdings, wohin sich die bisher fraktionslose 5-Sterne-Bewegung aus Italien orientiert, die laut Umfragen bis zu 14 Sitze erreichen könnte. Drei ihrer Abgeordneten hatten sich schon in der vergangenen Wahlperiode den Grünen angeschlossen, werden aber nicht wiederkommen. Gespräche zwischen den Grünen und den 5 Sternen über einen Fraktionsbeitritt blieben jedenfalls ergebnislos. Nun könnte die Partei in die Fraktion der Linken streben. Aktuell bemüht sich das Bündnis Sahra Wagenknecht darum, die Bewegung für eine gemeinsame neue Fraktion zu gewinnen.
Im Gegenzug hoffen die Grünen auf Verstärkung aus Spanien über Sumar. Die Bewegung, die Podemos abgelöst hat, könnte vier bis fünf Abgeordnete in Straßburg stellen. Etwa die Hälfte könnte zu den Grünen gehen, die andere Hälfte wird künftig bei der Linksfraktion verortet.
Die Linke dürfte recht stabil bleiben nach der Europawahl. Unter den größeren Blöcken in der Fraktion ist lediglich fraglich, ob die griechische Syriza-Partei bleibt oder zu den Sozialdemokraten wechselt. Die Partei des früheren Premiers Alexis Tsipras hat sich aufgespalten, der neue Vorsitzende Stefanos Kasselakis verortet Syriza als Partei, die den Raum von Sozialdemokratie über Grüne bis zur Linken abdecke.
Größere Zu- oder Abgänge zeichnen sich bei der Renew-Fraktion nicht ab, die voraussichtlich rund ein Zehntel ihrer Sitze einbüßen wird und laut der jüngsten Projektion mit 86 Sitzen rechnen kann. Zwischenzeitlich war ein Wechsel der Abgeordneten der Freien Wähler zur EKR diskutiert worden. Doch dieser scheint vom Tisch.
Alle Texte zur Europawahl 2024 finden Sie hier.
Die polnische PiS hat wider Erwarten nicht nur Anhänger von Parteichef Jarosław Kaczyński auf aussichtsreichen Listenplätzen für die Europawahl nominiert. Von den Kandidaten auf den ersten 20 Plätzen gilt mehr als die Hälfte als kritisch gegenüber Putin sowie einer Zusammenarbeit mit dem ungarischen Fidesz.
Die PiS ist vor den Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni die stärkste Gruppe in der konservativen EKR-Fraktion. Der PiS-Politiker und Ex-Premier Polens, Mateusz Morawiecki, hat mehrfach eine Zusammenarbeit von EKR und Fidesz angeregt. Zwei Lager in der PiS ringen unter anderem darum, ob die PiS im Europaparlament mit dem Fidesz zusammenarbeiten soll. Beobachter werten die Liste als Zeichen dafür, dass der Machtkampf noch nicht entschieden ist.
Dominik Tarczynski, der erst vor kurzem auf Geheiß des Parteichefs neuer Leiter der polnischen Delegation wurde, hat keinen aussichtsreichen Listenplatz. Gute Chancen haben dagegen die beiden ehemaligen Geheimdienstchefs Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik, die unter der neuen Regierung in Haft genommen, aber vom polnischen Präsidenten Duda wieder begnadigt wurden. Auch Ryszard Czarnecki hat wieder einen aussichtsreichen Platz auf der Liste bekommen. Ryszard Czarnecki war von der EU-Antibetrugsbehörde OLAF erwischt worden, weil er Dutzende Dienstreisen von Südost-Polen mit dem Auto zum Parlament falsch abgerechnet hatte. Er musste dem Parlament mehr als 100.000 Euro zurückerstatten. Die PiS hat derzeit 25 Abgeordnete im Europaparlament. Man rechnet damit, dass 20 PiS-Abgeordnete wieder einziehen werden. mgr
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Der Co-Fraktionschef der Linken im Europaparlament, Martin Schirdewan, schließt eine Beteiligung an einer Koalition zugunsten von Ursula von der Leyen nach der Europawahl aus. Die CDU-Politikerin und die Fraktionen der sogenannten Ursula-Koalition stünden für eine andere Politik als die Linke, sagte Schirdewan am Freitag bei einer Veranstaltung von Table.Briefings und Europäischer Bewegung Deutschland. “Deshalb werden wir auf keinen Fall Bestandteil dieser Koalition sein können.”
Bislang stützt sich von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin auf ein Bündnis der Fraktionen von Europäischer Volkspartei, Sozialdemokraten und der Liberalen (Renew). Einige ihrer Gesetzesvorhaben insbesondere aus dem Green Deal brachte sie mithilfe einer linken Mehrheit von S&D, Renew, Grünen und Linken durchs Parlament. Diese Option dürfte sie laut den jüngsten Wahlprognosen nicht mehr haben, da insbesondere Renew und Grüne etliche Sitze verlieren könnten.
Von der Leyen schließt daher auch eine Zusammenarbeit mit nationalkonservativen Kräften der EKR-Fraktion nicht aus. Schirdewan kritisiert dies als “machttaktisches Kalkül”. Von der Leyen öffne “ganz ungeniert” die Tür nach Rechtsaußen, wenn sie offene Avancen mache in Richtung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der EKR. Diese bestehe aus teils rechtsextremen Parteien wie den Schwedendemokraten oder der spanischen Vox.
Der Spitzenkandidat der deutschen Linken warf von der Leyen vor, sie sei bei der Bewältigung der Krisen in ihrer Amtszeit “auf dem sozialen Auge immer blind” gewesen. So habe die CDU-Politikerin zu Beginn der Legislatur vor der Linksfraktion gesagt, dass sie große Konzerne anständig besteuern wolle. Letztlich sei hier aber nichts passiert. Auch beim Green Deal habe sie zu wenig auf soziale Belange geachtet, so müssten etwa Mieter die Kosten der energetischen Sanierung tragen. tho
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Der beim Aufhängen von Wahlplakaten krankenhausreif geschlagene sächsische Europaabgeordnete Matthias Ecke hat parteiübergreifend Solidarität bekommen. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola schrieb auf X: “Entsetzt über den bösartigen Angriff. Meine volle Unterstützung und Solidarität. Die Verantwortlichen müssen vor Gericht gestellt werden. Matthias, das Europaparlament steht an deiner Seite.”
Ecke war am Freitagabend in Dresden von vier jungen Männern attackiert worden, die zuvor bereits Wahlhelfer der Grünen angegriffen hatten. Der 41-Jährige wurde schwer verletzt und musste operiert werden. Der Angreifer brach ihm das Jochbein und die Augenhöhle. Inzwischen heißt es, dass Ecke den Wahlkampf fortsetzen will. Ecke ist im Oktober als Nachrücker ins Europaparlament eingezogen und kandidiert auf dem aussichtsreichen Platz zehn der SPD-Bundesliste. Einer der vier Angreifer, ein 17-Jähriger, hat sich inzwischen der Polizei gestellt. Ein Haftbefehl wurde nicht erlassen. mgr
Fünf Wochen vor der Europawahl haben die französischen Liberalen von Emmanuel Macron die Liste veröffentlicht. Auf den Plätzen hinter Spitzenkandidatin Valérie Hayer kandidieren:
Mit Bernard Guetta auf Platz zwei unterstreicht Emmanuel Macron die Bedeutung von Verteidigung und Sicherheit. Der ehemalige Journalist ist Experte für internationale Fragen und zudem in der Öffentlichkeit bekannt. Auch Nathalie Loiseau an fünfter Stelle kümmert sich um diese Themen. Sie kommt aus dem Lager des ehemaligen Premierministers Edouard Philippe, der immer noch populär ist.
Pascal Canfin, Chef des Umweltausschusses und einer der letzten grünen Fürsprecher im Lager um Macron, ist auf dem sicheren vierten Listenplatz gelandet. Der ehemalige Chef der französischen Grünen kämpfte in der Wahlperiode für den Green Deal. Während der Bauernproteste wurde er von den Bauernverbänden heftig kritisiert. Christophe Grudler, ein wichtiger Unterstützer der Atomenergie im Europäischen Parlament, steht auf Platz 12. Renaissance hat derzeit 23 MEPs und kann laut Umfragen mit zwölf bis 15 Sitzen rechnen.
Renaissance steht in den Umfragen schlechter da als 2019. Vor fünf Jahren erhielt Renaissance 22,5 Prozent der Stimmen und liegt jetzt bei 15,5 Prozent, 3,5 Prozent weniger als im Februar. In den Umfragen liegen die Sozialisten unter dem Europaabgeordneten Raphaël Glucksmann auf Platz drei bei zwölf Prozent. Die Rechtsextremen vom Rassemblement national kommen auf 32 Prozent – das sind zwei Prozent mehr als im Februar. cst
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Was genau ist eigentlich ein Start-up? Nicht einmal eine genaue Definition gibt es für junge Technologiefirmen, die innovative Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Eine europaweit einheitliche Definition sei jedoch dringend nötig, fordern der Bitkom und andere europäischen Digitalverbände. Nur mit einer gemeinsamen Datengrundlage sei ein effektives Benchmarking und eine Leistungsmessung möglich.
Im Vorfeld der Europawahlen 2024 fordern die europäischen Digitalverbände weitere tiefgreifende Reformen bei der Start-up- und Scale-up-Politik der EU. Unter dem Motto “StartupTakeoff” haben Sie dazu Leitlinien für die kommende Legislatur-Periode veröffentlicht. Zu den zentralen Forderungen der Verbände gehören neben der einheitlichen Definition auch die Schaffung einer zentralen Stelle innerhalb der EU-Institutionen, die eine einheitliche Start-up-Politik vorantreiben soll.
“Es reicht nicht, im Vorfeld der anstehenden EU-Wahlen die Bedeutung von Start-ups für Wirtschaft und Gesellschaft zu betonen. Nach den Wahlen müssen einige wenige, aber sehr konkrete und kraftvolle Maßnahmen umgesetzt werden”, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
Die Mehrheit der Tech-Start-ups in Deutschland ist überzeugt, dass die EU mehr tun muss, um Start-ups in der aktuell schwierigen Konjunktur zu unterstützen. Das ergab eine Befragung von 172 Tech-Start-ups im Auftrag des Bitkom. 87 Prozent sagten, dass Ausbau und Stärkung von Förderprogrammen für ihr Start-up hilfreich wären. 84 Prozent wünschen sich eine Stärkung des Wagniskapitalangebots in Europa, etwa durch Anreize für institutionelle Investoren.
Für 81 Prozent wäre ein vereinfachter Marktzutritt zu anderen EU-Staaten hilfreich, etwa durch einen weiter harmonisierten Binnenmarkt oder eine EU-weit einheitliche Rechtsform für Start-ups. “Start-ups aus europäischen Ländern haben verglichen mit Wettbewerbern aus Asien oder den USA immer noch den Nachteil eines stark zerklüfteten Binnenmarkts“, sagte Wintergerst. Die EU verspiele mit unnötiger Bürokratie und Kleinstaaterei zu viele Chancen.
Insgesamt acht Forderungen an die EU stellten die Digitalverbände auf:
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Wegen anhaltender Störungen der Märkte in der Landwirtschaft und Fischerei verlängert die Kommission noch einmal bestimmte Beihilfeinstrumente in Deutschland. Es geht um den befristeten Rahmen zur Krisenbewältigung und zur Gestaltung des Wandels (TCTF), der Ende Juni ausläuft. Teile davon werden nun bis Ende Dezember gelten.
Die Verlängerung bezieht sich auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie für den Fischerei- und Aquakultursektor. Mitgliedstaaten können Unternehmen in diesen Bereichen bis Jahresende begrenzte Beihilfebeträge gewähren.
Außerdem leitet die Kommission eine Überarbeitung der De-minimis-Verordnung ein. Das geschieht mit Verweis auf die Inflation in den vergangenen Jahren und hohe Rohstoff-Preise, die auch die Landwirtschaft betreffen. Mit dieser Verordnung werden geringe Beihilfebeträge im Agrarsektor von der Beihilfenkontrolle ausgenommen. Es wird davon ausgegangen, dass sie keine Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel im Binnenmarkt haben.
Mitgliedstaaten können Unternehmen des Agrarsektors über drei Jahre Unterstützung in Höhe von bis zu 20.000 Euro je Begünstigtem gewähren, ohne das bei der Kommission zuvor anzumelden. Unter bestimmten Umständen sind es 25.000 Euro – dafür muss der Mitgliedstaat über ein zentrales Register von De-minimis-Beihilfen verfügen.
Die De-minimis-Vorschriften für die Landwirtschaft wurden zuletzt im Jahr 2019 überarbeitet. Vor ihrem bislang für den 31. Dezember 2027 geplanten Auslaufen ist eine weitere Überarbeitung erforderlich. mgr
“Unser Europa kann sterben!” – So drastisch formulierte es der französische Präsident Emmanuel Macron einmal mehr in seiner jüngsten Rede an der Sorbonne. Tatsächlich bedeutet die Zeitenwende – und dies ist wichtig, um die historische Tragweite der derzeitigen Entwicklungen zu verstehen – für Europa eine tiefgreifende Ordnungskrise, die, ganz im Sinne Macrons, eine Existenzfrage impliziert.
Frieden, Freiheit und Wohlstand sind weitaus akuter bedroht, als es immer noch viele wahrhaben wollen. Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt, die regelbasierte Ordnung der Globalisierung zerfällt, neue Technologien und der Klimawandel verändern disruptiv die Märkte und Wertschöpfungsketten der Zukunft. Die Souveränität und die Wettbewerbsfähigkeit der EU müssen grundlegend erneuert werden.
Doch die EU ist politisch und institutionell nicht für die in Unordnung geratene Welt gemacht, ihre strategische Handlungsfähigkeit ist aufgrund ihrer Verträge und Governance strukturell eingeschränkt: Die Einstimmigkeitsregel und das Beihilferecht, wesentliche Säulen der EU, sind unter diesen Bedingungen dringend reformbedürftig. Der bisherige Regulierungsansatz und die starke Binnenorientierung reichen nicht mehr aus, um den globalen Herausforderungen gerecht zu werden. Strategiefähigkeit und Handlungsgeschwindigkeit müssen drastisch erhöht werden.
Im globalen Systemwettbewerb mit China, den USA und dem globalen Süden geht es um Wehrhaftigkeit, Technologieführerschaft, Infrastrukturhoheit und Innovationsfähigkeit. In allen diesen Bereichen gibt es enorme Defizite. Europa steht vor Schicksalsjahren. Wenn es die Welt von morgen mitbestimmen und seine Interessen und Werte schützen will, muss sich Europa neu erfinden, wie es der Kontinent schon so oft in seiner Geschichte getan hat, nun aber erneut beweisen muss. Im Einzelnen geht es um folgende fünf Punkte einer Agenda für das 21. Jahrhundert:
Das alles wird aber letztlich nur dann umsetzbar sein, wenn die EU den politischen Mut und die historische Vision aufbringt, die Zeitenwende als eine existenzielle Chance für Europa zu begreifen. In einer Serie von acht Strategiepapieren beleuchtet das Centrum für Europäische Politik (Cep) die großen Herausforderungen der EU und wie sie durch die richtigen Antworten zu Chancen werden.
Henning Vöpel ist Vorstand des Centrums für Europäische Politik (Cep)
Ursula von der Leyen muss in diesen Tagen perfekt den Rollenwechsel beherrschen. Mal ist sie Spitzenkandidatin der christdemokratischen EVP. Also macht sie Wahlkampf. Dabei wird von ihr gefordert, auch polemisch zuzuspitzen und parteipolitisch zuzulangen. Dann muss sie wieder in die Rolle der Kommissionspräsidentin schlüpfen. Sie ist dann die Chefin der mächtigen Brüsseler Behörde und muss die offizielle EU-Linie verfolgen.
So wie heute, wenn sie in Paris an den Gipfelgesprächen zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Chinas Staatschef Xi Jinping teilnimmt. Dabei geht es auch um die Spannungen zwischen der EU und China in Handelsfragen. Paris hatte darauf gedrungen, die aus China importierten E-Autos einer Anti-Dumping-Untersuchung zu unterziehen. Die Kommission, die für die Handelspolitik zuständig ist, war dem Wunsch und Drängen nachgekommen.
In den nächsten Wochen wird damit gerechnet, dass die Kommission vorläufig Strafzölle verhängt. Die Kommissionspräsidentin hatte sich früh auf Strafzölle festgelegt. Bei den deutschen Herstellern stieß sie damit auf Skepsis. Man darf gespannt sein, ob bei dem heutigen Zusammentreffen Details zum Streit um die Autoeinfuhren nach außen dringen. Kommen Sie gut in die Woche!
Erst zwei oder drei Tage, nachdem am Wahlabend des 9. Juni die letzten Wahllokale in der EU schließen, werden die Namen der 720 Mitglieder des neuen Europaparlaments endgültig feststehen. Danach beginnt die spannende Phase der Fraktionsbildung. Werden neue Fraktionen gebildet – gegebenenfalls durch Fusionen? Welche Wechsel gibt es zwischen den Fraktionen? Viele Einzelparteien aus den Mitgliedstaaten entscheiden erst in den Wochen bis zur Konstituierung des Parlaments der zehnten Wahlperiode am 16. Juli, welcher Fraktion sie sich anschließen.
In der zu Ende gehenden neunten Wahlperiode sind über 200 Parteien im Europaparlament vertreten. Die meisten von ihnen haben sich einer der sieben Fraktionen (EVP, S&D, Renew, Grüne, EKR, ID, Linke) angeschlossen. Darüber hinaus sind 51 von derzeit 705 Abgeordneten fraktionslos. Um eine Fraktion zu bilden, müssen sich nach der Geschäftsordnung des Europaparlaments mindestens 25 Abgeordnete zusammentun, die aus mindestens sieben Mitgliedstaaten kommen.
Wenn es einer Fraktion gelingt, auf dem Transfermarkt neue nationale Parteien zu werben, bedeutet dies mehr Macht. Je mehr Mitglieder eine Fraktion hat, desto mehr Posten im Parlamentspräsidium sowie Ausschussvorsitze kann sie beanspruchen. Das Kräfteverhältnis zwischen den Fraktionen wird bereits in den ersten Tagen nach der Konstituierung des Parlaments wichtig, wenn die Abgeordneten über die Posten des Parlamentspräsidenten sowie des Kommissionspräsidenten abstimmen.
Beobachter gehen davon aus, dass es dieses Mal noch mehr Bewegung gibt als 2019. So treten jetzt mindestens 62 Parteien zur Europawahl an, die es bei der letzten Europawahl noch gar nicht gab. In den Wochen vor der Wahl halten sich die Fraktionen bedeckt zu möglichen Neuzugängen. Hinter den Kulissen wird bereits viel darüber geredet.
Die ersten Beschlüsse über förmliche Aufnahmen in den Fraktionen werden in der zweiten Woche nach der Wahl erwartet. Die Zeit drängt dann. Bis zur Konstituierung des Parlaments sind nach der Wahl nur fünf Wochen Zeit. Schon vor der Konstituierung des Parlaments, vermutlich ist die deadline Anfang Juli, muss die Größe der Fraktionen feststehen, damit die Vorbereitungen für die Bildung der Ausschüsse beginnen können.
Die größte Fraktion im jetzigen Parlament ist die EVP mit derzeit 177 MEPs. Der Politologe Manuel Müller vom Finnish Institute of International Affairs, der für Table.Briefings regelmäßig die Sitzprojektion “Wenn am nächsten Sonntag Europawahl wäre …..” erarbeitet, rechnet damit, dass die EVP leicht auf 173 Sitze abrutscht, durch Transfers aber auf 181 Sitze kommen könnte.
So hat zum Beispiel die Partei Tisza aus Ungarn von Péter Magyar angekündigt, der EVP beizutreten. Sie wird in den Umfragen mit drei Sitzen gehandelt. Je ein Sitz könnten von der Liberalen Allianz aus Dänemark, der Bauern- und Bürger-Bewegung (BBB) aus den Niederlanden und von der rumänischen Rechten Kraft (FD) um Ex-Regierungschef Ludovic Orban kommen.
Im Gespräch sind zudem die tschechische ODS und die NVA aus Flandern, die derzeit beide der EKR angehören und nach der Sitzprojektion jeweils drei MEP stellen könnten. Allerdings hat die spanische PP Vorbehalte gegen den Beitritt der NVA, da die NVA separatistisch sei.
Die sozialistische S&D-Fraktion hat derzeit 140 Sitze im Parlament. Laut Sitzprojektion könnte sie auf 132 Sitze fallen. Durch Beitritte könnte sie leicht zulegen auf 134 Sitze. Zudem möchte die sozialistische Parteienfamilie SPE offenbar die suspendierten Mitgliedsparteien aus der Slowakei, HLAS und SMER, rehabilitieren. Beide Parteien waren suspendiert worden, da sie die slowakische Regierung unter dem Linkspopulisten und Putin-Freund Robert Fico unterstützen. Sie könnten insgesamt mit sieben Abgeordneten in Straßburg vertreten sein. Allerdings regt sich aus der Fraktion auch Widerstand gegen die Rehabilitierung.
Am spannendsten ist die Frage, ob sich Kräfte aus den beiden rechten Fraktionen EKR und ID womöglich unter Einschluss des derzeit fraktionslosen Fidesz von Viktor Orbán zu einer starken rechten Fraktion zusammenfinden. EKR hat aktuell 68 MEPs, ID 59 Sitze. Der Fidesz kommt auf zwölf Sitze. Laut Sitzprojektion können EKR und ID mit Zuwächsen auf 81 und 83 Sitze rechnen.
Entscheidend dürfte werden, ob die polnische PiS und die italienischen Fratelli d’Italia, die die beiden Stützen der EKR bilden, ihren Richtungsstreit beilegen oder sich endgültig zerlegen. So hatte Mateusz Morawiecki, ehemaliger Ministerpräsident Polens und starker Mann in der PiS, wiederholt den Fidesz zur EKR eingeladen. Einige andere Mitgliedsparteien wie die tschechische ODS oder die Schwedendemokraten lehnen eine Zusammenarbeit mit Putin-Freunden aber vehement ab.
EKR-Chefin Giorgia Meloni selbst hat eine eindeutige Positionierung bis jetzt vermieden. Zudem scheint der Rassemblement national von Marine Le Pen, der in der ID-Fraktion den Ton angibt, die deutsche AfD herausdrängen zu wollen. Dass ID und EKR vollständig fusionieren ist allerdings unwahrscheinlich – schon wegen der innerstaatlichen Rivalitäten zwischen dem Rassemblement (ID) und der von Éric Zemmour geführten Reconquete (EKR) oder auch zwischen Fratelli d’Italia (EKR) und Matteo Salvinis Lega (ID).
Die grüne Fraktion dürfte laut Sitzprojektion von derzeit 72 auf 51 Sitze schrumpfen. Durch Beitritte könnte sie dann wieder auf 53 Sitze wachsen. Offen ist allerdings, wohin sich die bisher fraktionslose 5-Sterne-Bewegung aus Italien orientiert, die laut Umfragen bis zu 14 Sitze erreichen könnte. Drei ihrer Abgeordneten hatten sich schon in der vergangenen Wahlperiode den Grünen angeschlossen, werden aber nicht wiederkommen. Gespräche zwischen den Grünen und den 5 Sternen über einen Fraktionsbeitritt blieben jedenfalls ergebnislos. Nun könnte die Partei in die Fraktion der Linken streben. Aktuell bemüht sich das Bündnis Sahra Wagenknecht darum, die Bewegung für eine gemeinsame neue Fraktion zu gewinnen.
Im Gegenzug hoffen die Grünen auf Verstärkung aus Spanien über Sumar. Die Bewegung, die Podemos abgelöst hat, könnte vier bis fünf Abgeordnete in Straßburg stellen. Etwa die Hälfte könnte zu den Grünen gehen, die andere Hälfte wird künftig bei der Linksfraktion verortet.
Die Linke dürfte recht stabil bleiben nach der Europawahl. Unter den größeren Blöcken in der Fraktion ist lediglich fraglich, ob die griechische Syriza-Partei bleibt oder zu den Sozialdemokraten wechselt. Die Partei des früheren Premiers Alexis Tsipras hat sich aufgespalten, der neue Vorsitzende Stefanos Kasselakis verortet Syriza als Partei, die den Raum von Sozialdemokratie über Grüne bis zur Linken abdecke.
Größere Zu- oder Abgänge zeichnen sich bei der Renew-Fraktion nicht ab, die voraussichtlich rund ein Zehntel ihrer Sitze einbüßen wird und laut der jüngsten Projektion mit 86 Sitzen rechnen kann. Zwischenzeitlich war ein Wechsel der Abgeordneten der Freien Wähler zur EKR diskutiert worden. Doch dieser scheint vom Tisch.
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Die polnische PiS hat wider Erwarten nicht nur Anhänger von Parteichef Jarosław Kaczyński auf aussichtsreichen Listenplätzen für die Europawahl nominiert. Von den Kandidaten auf den ersten 20 Plätzen gilt mehr als die Hälfte als kritisch gegenüber Putin sowie einer Zusammenarbeit mit dem ungarischen Fidesz.
Die PiS ist vor den Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni die stärkste Gruppe in der konservativen EKR-Fraktion. Der PiS-Politiker und Ex-Premier Polens, Mateusz Morawiecki, hat mehrfach eine Zusammenarbeit von EKR und Fidesz angeregt. Zwei Lager in der PiS ringen unter anderem darum, ob die PiS im Europaparlament mit dem Fidesz zusammenarbeiten soll. Beobachter werten die Liste als Zeichen dafür, dass der Machtkampf noch nicht entschieden ist.
Dominik Tarczynski, der erst vor kurzem auf Geheiß des Parteichefs neuer Leiter der polnischen Delegation wurde, hat keinen aussichtsreichen Listenplatz. Gute Chancen haben dagegen die beiden ehemaligen Geheimdienstchefs Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik, die unter der neuen Regierung in Haft genommen, aber vom polnischen Präsidenten Duda wieder begnadigt wurden. Auch Ryszard Czarnecki hat wieder einen aussichtsreichen Platz auf der Liste bekommen. Ryszard Czarnecki war von der EU-Antibetrugsbehörde OLAF erwischt worden, weil er Dutzende Dienstreisen von Südost-Polen mit dem Auto zum Parlament falsch abgerechnet hatte. Er musste dem Parlament mehr als 100.000 Euro zurückerstatten. Die PiS hat derzeit 25 Abgeordnete im Europaparlament. Man rechnet damit, dass 20 PiS-Abgeordnete wieder einziehen werden. mgr
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Der Co-Fraktionschef der Linken im Europaparlament, Martin Schirdewan, schließt eine Beteiligung an einer Koalition zugunsten von Ursula von der Leyen nach der Europawahl aus. Die CDU-Politikerin und die Fraktionen der sogenannten Ursula-Koalition stünden für eine andere Politik als die Linke, sagte Schirdewan am Freitag bei einer Veranstaltung von Table.Briefings und Europäischer Bewegung Deutschland. “Deshalb werden wir auf keinen Fall Bestandteil dieser Koalition sein können.”
Bislang stützt sich von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin auf ein Bündnis der Fraktionen von Europäischer Volkspartei, Sozialdemokraten und der Liberalen (Renew). Einige ihrer Gesetzesvorhaben insbesondere aus dem Green Deal brachte sie mithilfe einer linken Mehrheit von S&D, Renew, Grünen und Linken durchs Parlament. Diese Option dürfte sie laut den jüngsten Wahlprognosen nicht mehr haben, da insbesondere Renew und Grüne etliche Sitze verlieren könnten.
Von der Leyen schließt daher auch eine Zusammenarbeit mit nationalkonservativen Kräften der EKR-Fraktion nicht aus. Schirdewan kritisiert dies als “machttaktisches Kalkül”. Von der Leyen öffne “ganz ungeniert” die Tür nach Rechtsaußen, wenn sie offene Avancen mache in Richtung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der EKR. Diese bestehe aus teils rechtsextremen Parteien wie den Schwedendemokraten oder der spanischen Vox.
Der Spitzenkandidat der deutschen Linken warf von der Leyen vor, sie sei bei der Bewältigung der Krisen in ihrer Amtszeit “auf dem sozialen Auge immer blind” gewesen. So habe die CDU-Politikerin zu Beginn der Legislatur vor der Linksfraktion gesagt, dass sie große Konzerne anständig besteuern wolle. Letztlich sei hier aber nichts passiert. Auch beim Green Deal habe sie zu wenig auf soziale Belange geachtet, so müssten etwa Mieter die Kosten der energetischen Sanierung tragen. tho
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Der beim Aufhängen von Wahlplakaten krankenhausreif geschlagene sächsische Europaabgeordnete Matthias Ecke hat parteiübergreifend Solidarität bekommen. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola schrieb auf X: “Entsetzt über den bösartigen Angriff. Meine volle Unterstützung und Solidarität. Die Verantwortlichen müssen vor Gericht gestellt werden. Matthias, das Europaparlament steht an deiner Seite.”
Ecke war am Freitagabend in Dresden von vier jungen Männern attackiert worden, die zuvor bereits Wahlhelfer der Grünen angegriffen hatten. Der 41-Jährige wurde schwer verletzt und musste operiert werden. Der Angreifer brach ihm das Jochbein und die Augenhöhle. Inzwischen heißt es, dass Ecke den Wahlkampf fortsetzen will. Ecke ist im Oktober als Nachrücker ins Europaparlament eingezogen und kandidiert auf dem aussichtsreichen Platz zehn der SPD-Bundesliste. Einer der vier Angreifer, ein 17-Jähriger, hat sich inzwischen der Polizei gestellt. Ein Haftbefehl wurde nicht erlassen. mgr
Fünf Wochen vor der Europawahl haben die französischen Liberalen von Emmanuel Macron die Liste veröffentlicht. Auf den Plätzen hinter Spitzenkandidatin Valérie Hayer kandidieren:
Mit Bernard Guetta auf Platz zwei unterstreicht Emmanuel Macron die Bedeutung von Verteidigung und Sicherheit. Der ehemalige Journalist ist Experte für internationale Fragen und zudem in der Öffentlichkeit bekannt. Auch Nathalie Loiseau an fünfter Stelle kümmert sich um diese Themen. Sie kommt aus dem Lager des ehemaligen Premierministers Edouard Philippe, der immer noch populär ist.
Pascal Canfin, Chef des Umweltausschusses und einer der letzten grünen Fürsprecher im Lager um Macron, ist auf dem sicheren vierten Listenplatz gelandet. Der ehemalige Chef der französischen Grünen kämpfte in der Wahlperiode für den Green Deal. Während der Bauernproteste wurde er von den Bauernverbänden heftig kritisiert. Christophe Grudler, ein wichtiger Unterstützer der Atomenergie im Europäischen Parlament, steht auf Platz 12. Renaissance hat derzeit 23 MEPs und kann laut Umfragen mit zwölf bis 15 Sitzen rechnen.
Renaissance steht in den Umfragen schlechter da als 2019. Vor fünf Jahren erhielt Renaissance 22,5 Prozent der Stimmen und liegt jetzt bei 15,5 Prozent, 3,5 Prozent weniger als im Februar. In den Umfragen liegen die Sozialisten unter dem Europaabgeordneten Raphaël Glucksmann auf Platz drei bei zwölf Prozent. Die Rechtsextremen vom Rassemblement national kommen auf 32 Prozent – das sind zwei Prozent mehr als im Februar. cst
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Was genau ist eigentlich ein Start-up? Nicht einmal eine genaue Definition gibt es für junge Technologiefirmen, die innovative Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Eine europaweit einheitliche Definition sei jedoch dringend nötig, fordern der Bitkom und andere europäischen Digitalverbände. Nur mit einer gemeinsamen Datengrundlage sei ein effektives Benchmarking und eine Leistungsmessung möglich.
Im Vorfeld der Europawahlen 2024 fordern die europäischen Digitalverbände weitere tiefgreifende Reformen bei der Start-up- und Scale-up-Politik der EU. Unter dem Motto “StartupTakeoff” haben Sie dazu Leitlinien für die kommende Legislatur-Periode veröffentlicht. Zu den zentralen Forderungen der Verbände gehören neben der einheitlichen Definition auch die Schaffung einer zentralen Stelle innerhalb der EU-Institutionen, die eine einheitliche Start-up-Politik vorantreiben soll.
“Es reicht nicht, im Vorfeld der anstehenden EU-Wahlen die Bedeutung von Start-ups für Wirtschaft und Gesellschaft zu betonen. Nach den Wahlen müssen einige wenige, aber sehr konkrete und kraftvolle Maßnahmen umgesetzt werden”, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
Die Mehrheit der Tech-Start-ups in Deutschland ist überzeugt, dass die EU mehr tun muss, um Start-ups in der aktuell schwierigen Konjunktur zu unterstützen. Das ergab eine Befragung von 172 Tech-Start-ups im Auftrag des Bitkom. 87 Prozent sagten, dass Ausbau und Stärkung von Förderprogrammen für ihr Start-up hilfreich wären. 84 Prozent wünschen sich eine Stärkung des Wagniskapitalangebots in Europa, etwa durch Anreize für institutionelle Investoren.
Für 81 Prozent wäre ein vereinfachter Marktzutritt zu anderen EU-Staaten hilfreich, etwa durch einen weiter harmonisierten Binnenmarkt oder eine EU-weit einheitliche Rechtsform für Start-ups. “Start-ups aus europäischen Ländern haben verglichen mit Wettbewerbern aus Asien oder den USA immer noch den Nachteil eines stark zerklüfteten Binnenmarkts“, sagte Wintergerst. Die EU verspiele mit unnötiger Bürokratie und Kleinstaaterei zu viele Chancen.
Insgesamt acht Forderungen an die EU stellten die Digitalverbände auf:
Alle Texte zur Europawahl 2024 finden Sie hier.
Wegen anhaltender Störungen der Märkte in der Landwirtschaft und Fischerei verlängert die Kommission noch einmal bestimmte Beihilfeinstrumente in Deutschland. Es geht um den befristeten Rahmen zur Krisenbewältigung und zur Gestaltung des Wandels (TCTF), der Ende Juni ausläuft. Teile davon werden nun bis Ende Dezember gelten.
Die Verlängerung bezieht sich auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie für den Fischerei- und Aquakultursektor. Mitgliedstaaten können Unternehmen in diesen Bereichen bis Jahresende begrenzte Beihilfebeträge gewähren.
Außerdem leitet die Kommission eine Überarbeitung der De-minimis-Verordnung ein. Das geschieht mit Verweis auf die Inflation in den vergangenen Jahren und hohe Rohstoff-Preise, die auch die Landwirtschaft betreffen. Mit dieser Verordnung werden geringe Beihilfebeträge im Agrarsektor von der Beihilfenkontrolle ausgenommen. Es wird davon ausgegangen, dass sie keine Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel im Binnenmarkt haben.
Mitgliedstaaten können Unternehmen des Agrarsektors über drei Jahre Unterstützung in Höhe von bis zu 20.000 Euro je Begünstigtem gewähren, ohne das bei der Kommission zuvor anzumelden. Unter bestimmten Umständen sind es 25.000 Euro – dafür muss der Mitgliedstaat über ein zentrales Register von De-minimis-Beihilfen verfügen.
Die De-minimis-Vorschriften für die Landwirtschaft wurden zuletzt im Jahr 2019 überarbeitet. Vor ihrem bislang für den 31. Dezember 2027 geplanten Auslaufen ist eine weitere Überarbeitung erforderlich. mgr
“Unser Europa kann sterben!” – So drastisch formulierte es der französische Präsident Emmanuel Macron einmal mehr in seiner jüngsten Rede an der Sorbonne. Tatsächlich bedeutet die Zeitenwende – und dies ist wichtig, um die historische Tragweite der derzeitigen Entwicklungen zu verstehen – für Europa eine tiefgreifende Ordnungskrise, die, ganz im Sinne Macrons, eine Existenzfrage impliziert.
Frieden, Freiheit und Wohlstand sind weitaus akuter bedroht, als es immer noch viele wahrhaben wollen. Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt, die regelbasierte Ordnung der Globalisierung zerfällt, neue Technologien und der Klimawandel verändern disruptiv die Märkte und Wertschöpfungsketten der Zukunft. Die Souveränität und die Wettbewerbsfähigkeit der EU müssen grundlegend erneuert werden.
Doch die EU ist politisch und institutionell nicht für die in Unordnung geratene Welt gemacht, ihre strategische Handlungsfähigkeit ist aufgrund ihrer Verträge und Governance strukturell eingeschränkt: Die Einstimmigkeitsregel und das Beihilferecht, wesentliche Säulen der EU, sind unter diesen Bedingungen dringend reformbedürftig. Der bisherige Regulierungsansatz und die starke Binnenorientierung reichen nicht mehr aus, um den globalen Herausforderungen gerecht zu werden. Strategiefähigkeit und Handlungsgeschwindigkeit müssen drastisch erhöht werden.
Im globalen Systemwettbewerb mit China, den USA und dem globalen Süden geht es um Wehrhaftigkeit, Technologieführerschaft, Infrastrukturhoheit und Innovationsfähigkeit. In allen diesen Bereichen gibt es enorme Defizite. Europa steht vor Schicksalsjahren. Wenn es die Welt von morgen mitbestimmen und seine Interessen und Werte schützen will, muss sich Europa neu erfinden, wie es der Kontinent schon so oft in seiner Geschichte getan hat, nun aber erneut beweisen muss. Im Einzelnen geht es um folgende fünf Punkte einer Agenda für das 21. Jahrhundert:
Das alles wird aber letztlich nur dann umsetzbar sein, wenn die EU den politischen Mut und die historische Vision aufbringt, die Zeitenwende als eine existenzielle Chance für Europa zu begreifen. In einer Serie von acht Strategiepapieren beleuchtet das Centrum für Europäische Politik (Cep) die großen Herausforderungen der EU und wie sie durch die richtigen Antworten zu Chancen werden.
Henning Vöpel ist Vorstand des Centrums für Europäische Politik (Cep)