Table.Briefing: Europe

Clean Industrial Deal + Streit um Omnibus + „Rearmament Bank“

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute Morgen um 10 Uhr wird Emmanuel Macron die anderen EU-Staats- und Regierungschefs über seine Gespräche mit Donald Trump informieren. Ratspräsident António Costa lädt dafür eigens zu einer Videokonferenz. Die Kollegen wollen hören, worin die “substanziellen Fortschritte” bestehen, von denen Macron bei seiner Pressekonferenz mit Trump gesprochen hatte. Der Kreml wies gestern jedenfalls die Darstellung Trumps zurück, wonach Präsident Wladimir Putin europäische Friedenstruppen zur Absicherung eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine akzeptieren würde.

Während Europa dringend nach Lösungen sucht, um Verteidigungskapazitäten hochzufahren, macht eine neue Idee die Runde: die Wiederaufrüstungsbank, bzw. “Rearmament Bank”. Ausgearbeitet wurde die Idee in einem Konzeptpapier vom ehemaligen Befehlshaber der britischen Streitkräfte, Nick Carter, dem Thinktanker Edward Lucas und Guy de Selliers, der schon an der Schaffung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) Anfang der 1990er-Jahre beteiligt war.

Das Papier, das Table.Briefings vorliegt, schlägt die Schaffung einer neuen Bank im Besitz einiger europäischer Nato-Staaten vor. Mit einem Startkapital von zehn Milliarden Euro soll die Bank 90 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten auftreiben. So sollen 100 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um Rüstungsprojekte mittels Darlehen zu finanzieren. Wobei die Autoren betonen, dass die Beträge auch höher sein könnten.

Die Bank würde es erlauben, mit Nicht-EU-Staaten wie Großbritannien zusammenzuarbeiten sowie Vetos von Putin-nahen Regierungen innerhalb der EU zu umgehen. Ihre Darlehen würde die Bank an die beteiligten Staaten und an Rüstungsunternehmen vergeben. Die Staaten müssten als Sicherheit auch langfristige Abnahmeverträge mit den Herstellern abschließen, damit diese in ihre Produktionskapazitäten investieren.

Laut Konzeptpapier würde die Bank marktnahe Zinsen verlangen. Das bedeutet auch, dass sie das Problem zu kleiner Haushaltsspielräume gewisser Mitgliedstaaten nicht behebt. Die Autoren des Papiers schlagen vor, dass die Darlehen der Bank von der Schulden- und Defizitberechnung der EU-Schuldenregeln ausgenommen würden.

Die Idee findet bislang Anklang in der polnischen und der britischen Regierung. Dem Vernehmen nach ist man aber auch in Paris und Berlin an der Idee interessiert. Man werde sie bei den weiteren Überlegungen berücksichtigen, heißt es in der Union. Großbritannien bringt die Idee dieser Tage in die Diskussionen der G20-Finanzminister in Südafrika ein. Gespräche dazu sind auch bei den EU-Gipfeltreffen im März zu erwarten.

Einen schönen Tag wünscht

Ihr
János Allenbach-Ammann
Bild von János  Allenbach-Ammann

Analyse

Reaktionen auf den Clean Industrial Deal: “Gibt noch Leerstellen”

Wenn die EU-Kommission am Mittwoch den Clean Industrial Deal (CID) sowie ihren Plan für bezahlbare Energiepreise vorstellt, werden sowohl Industrievertreter als auch Klimaschützer in ganz Europa aufatmen. Das Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Industrie bei der Dekarbonisierung und Modernisierung gilt als längst überfällig.

Es würden die zentralen Handlungsfelder adressiert, sagt Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, in Bezug auf den CID-Entwurf, der vorab bekannt wurde. Etwa in der Handelspolitik: Dort sei wichtig, dass neben der multilateralen Zusammenarbeit auch auf die eigenen Handlungspotenziale gebaut werde. “Dazu zählt insbesondere der Schutz vor den zumeist klimaschädlichen Billigimporten aus Fernost.”

Rippel begrüßt daher, dass die Kommission eine Überarbeitung der Handelsschutzinstrumente ankündigt. “Insbesondere auf den Steel and Metals Action Plan zählen wir.” Die Kommission kündigte am Dienstag an, am 4. März einen Strategischen Stahldialog mit Stakeholdern zu führen und noch im Frühjahr den Aktionsplan vorzulegen.

Wirtschaftskraft mit Klimaneutralität verbinden

Auch die angekündigten Initiativen zur Einführung von Leitmärkten für emissionsarme Grundstoffe, verbunden mit European-Content-Kriterien, gingen in die richtige Richtung, sagt Rippel. “Denn sie verbinden wirtschaftliche Stärke mit klimaneutraler Produktion.”

Diese Leitmärkte müssten allerdings schnell kommen, mahnt Linda Kalcher, Executive Director beim Brüsseler Thinktank Strategic Perspectives. Sie fordert ein umfassendes Investitionspaket für die Erreichung der Klimaziele und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, um die Industrie zu unterstützen. Die Baustellen seien groß bei den Netzen, (digitaler) Infrastruktur, Stromspeichern und Förderung für kohlenstoffarme Produktion. “Das muss rasch abgearbeitet werden.” Sonst bestehe das Risiko, dass China die Europäer wie schon bei der Solarindustrie auch bei Windkraft oder der Automotive-Industrie abhängt.

Europäische Schulden und Reform der Schuldenbremse

Mittelfristig brauche es zur Finanzierung der Vorhaben auch europäische Schulden, sagt Kalcher, “aber ohne Gießkanne”. Man müsse zunächst sortieren, welche Industrien am stärksten gefährdet sind. Dafür brauche es auch eine handlungsfähige Bundesregierung, denn eine Reform der Schuldenbremse lasse sich kaum vermeiden.

Kalcher fordert aufgrund der Wirtschaftslage, dass Kosteneffizienz als klarer Partner für die Technologieoffenheit festgelegt wird. “So wird der Fokus stark auf die ökonomischen Faktoren und Knappheiten gelenkt: Wenn im Stromsektor Atom und CCS nicht wirtschaftlich sind, dann setzt man verstärkt auf Erneuerbare und Speicher.”

Kreislaufwirtschaft “zu einseitig”

Der Clean Industrial Deal beinhaltet auch, dass Europa künftig bei Rohstoffkreisläufen vermehrt auf Marktmacht und Protektionismus setzen will. Das zirkuläre Wirtschaften mit begrenzten Ressourcen sei der Schlüssel, um die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren und die Widerstandsfähigkeit der EU-Wirtschaft gegenüber Störungen und Unterbrechungen von globalen Lieferketten zu erhöhen.

Simon Wolf, Leiter des Bereichs Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch, kritisiert: “Um das lobenswerte Ziel zu erreichen, bis 2030 Weltmarktführer bei der Kreislaufwirtschaft zu werden, setzt die Kommission zu einseitig auf Recycling und Abfallmanagement.” Damit schöpfe sie das Innovationspotenzial für neue Geschäftsmodelle durch geringeren Rohstoffeinsatz und weniger CO₂-Ausstoß gerade in der Schwerindustrie nicht aus.

Update des Klimagesetzes kommt nicht

Lange war unklar, ob die Kommission neben dem Clean Industrial Deal und dem Plan für bezahlbare Energiepreise auch bereits den Vorschlag für die Aktualisierung des EU-Klimagesetzes vorlegen wird. Nun bestätigte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde, dass das EU-Klimaziel 2040 zwar im Laufe des Frühjahrs noch im Klimagesetz verankert werden solle, am Mittwoch aber noch nicht vorgelegt werde. Die Kommission schlägt 90 Prozent CO₂-Reduktion bis 2040 im Vergleich zu 1990 vor.

Peter Liese, klima- und umweltpolitischer Sprecher der EVP, begrüßt die Reihenfolge, dass zunächst der Plan zur Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt wird und zu einem späteren Zeitpunkt neue Klimaziele. “Psychologisch gesehen müssen wir zunächst beweisen, dass der Bürokratieabbau funktioniert, bevor wir neue Ziele einführen.”

Michael Bloss von den Grünen dagegen kritisiert das Vorgehen. “Der Clean Industrial Deal ist ohne das Klimaziel unvollständig.” Das Klimaziel sei der Polarstern für die Modernisierung und Dekarbonisierung der Industrie, sagt Bloss. “Ohne die Verknüpfung von Modernisierung, Innovation und Klimaschutz als zentrale Säulen der europäischen Industriestrategie können wir es nicht mit China und den USA aufnehmen.”

Leerstelle etwa bei Wasserstoff

Experten sehen auch thematische Lücken. “Der Clean Industrial Deal hat viele Leerstellen. Beim Wasserstoff wurde eine Chance verpasst”, sagt der Geschäftsführer des Thinktanks Epico, Bernd Weber. Die Regulierung in den Delegierten Rechtsakten sei zu kompliziert: “Planungssicherheit hilft Investoren nicht, wenn der ganze Ansatz nicht funktioniert.”

Der Verband Hydrogen Europe zeigt sich zumindest mit der aktuellen Verlängerung des Beihilferahmens bis Ende 2030 zufrieden. Der Höchstsatz für die Förderung von grünem Wasserstoff etwa sei von 35 auf 45 Prozent angehoben worden. Die H2-Lobby hätte es jedoch gerne gesehen, wenn die Leitmärkte von der Stahlbranche auch auf andere Industrien ausgeweitet worden wären. Zudem müssten Klimaschutzverträge – also die Förderung von laufenden Betriebsausgaben – immer noch einzeln nach den Energiebeihilfeleitlinien genehmigt werden.

“Erdgas wird die Energiepreise nicht senken”

“Die Leerstelle beim Wasserstoff ist mit Gas gefüllt worden“, kritisiert Julia Metz, Direktorin von Agora Industrie. “Wenn wir auf Erdgas setzen, wird das die Energiepreise nicht senken”, sagt Metz und erinnert an die CO2-Bepreisung. Auch bei der Energiesicherheit und erst recht beim Klimaschutz werde dieser Ansatz nicht weiterhelfen.

Eine noch unveröffentlichte Studie des Centrums für Europäische Politik hält insbesondere das von der Kommission vorgeschlagene Finanzierungsmodell für LNG-Exportanlagen für ungeeignet, um zur Energiesicherheit in Europa beizutragen. “Im Rahmen des Tolling-Modells erhalten die Betreiber von Verflüssigungsanlagen kein Eigentum an dem LNG, sondern lediglich eine Gebühr für ihre Dienstleistung”, schreibt Autor André Wolf.

Dies allein stelle nicht sicher, dass tatsächlich ausreichend Lieferverträge zwischen LNG-Lieferanten und europäischen Abnehmern zustande kommen. Japan habe sich in den USA zusätzlich langfristige Verträge gesichert. Bei den Erneuerbaren seien die Finanzmittel aber besser aufgehoben.

Eher Entlastung für öffentliche Haushalte als für die Industrie

Ob der Aktionsplan der Kommission zu niedrigeren Energiepreisen aber sein wichtigstes Ziel erreicht – insbesondere im Stromsektor -, ist zweifelhaft. Die wichtigsten Elemente sind für Agora-Expertin Metz:

  • die Stärkung von langfristigen Stromabnahmeverträgen (PPA)
  • die Flexibilisierung der Nachfrage
  • die Stärkung des Binnenmarkts

Inwieweit die vorgeschlagenen Garantien für PPAs tatsächlich die Finanzierungskosten senken, bleibt abzuwarten. Bislang sind PPAs für die Industrie teuer und sie dienen eher dazu, die öffentlichen Haushalte oder die Allgemeinheit der Stromkunden von der Förderung grüner Energien zu entlasten.

“Nur für Länder mit Renewables-only-Strategie”

Was die Flexibilisierung der Nachfrage angeht, betonen alle Experten zwar den senkenden Effekt auf die Systemkosten. Es fehlen jedoch Kennzahlen, um Fortschritte bei der Flexibilisierung des Stromsystems und auch bei der Versorgungssicherheit zu messen, sagt Kristian Ruby, Generalsekretär von Eurelectric.

Die Fördermaßnahmen fokussierten sich außerdem zu sehr auf erneuerbare Energien. “Das Risiko ist, dass der Clean Industrial Deal nur in Ländern funktionieren wird, die sich für eine Renewables-only-Strategie entschieden haben”, sagt Ruby. Staaten, die dagegen auf Kernenergie setzen, könnten zum Beispiel keine staatlichen Garantien für PPAs nutzen. Besorgt zeigten sich kürzlich auch Frankreich und zehn andere Kernenergie-Länder in einem offenen Brief an die Kommission.

Ruby sieht außerdem die Gefahr von Interventionen in die Preisbildung noch nicht gebannt. Im Aktionsplan schimmert das iberische Modell durch, mit dem Spanien und Portugal den Einfluss der Gaspreise auf die Strompreise staatlich begrenzt haben. “Wenn die Schwelle für Markteingriffe niedrig ist, drohen konstante Interventionen. Und wenn jeder Mitgliedstaat eigene Maßnahmen verfolgen darf, droht eine Fragmentierung des Binnenmarkts”, sagt der Energiemanager. Dann bestünden aber keine Anreize für Investitionen in Erzeugungskapazitäten.

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Omnibus: Warum der Streit weitergeht

Die EU-Kommission plant, bestehende Regulierungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und dem EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) deutlich abzuschwächen. Das legt ein am Wochenende bekannt gewordenes Papier aus der Kommission nahe. Table.Briefings berichtete über das Dokument. Am heutigen Mittwoch nun soll der tatsächliche Umfang der Einschnitte vorgestellt werden. Ob der Termin stattfindet, zeigt sich wahrscheinlich erst kurz vorher. Ein Briefing für Journalisten am gestrigen Dienstag sagte die Kommission drei Stunden vorher ab. Offenbar gab es noch Abstimmungsbedarf.

Klar ist hingegen: Weicht sie bei ihren Vorschlägen nicht entscheidend vom durchgestochenen Plan ab, wonach es nach Informationen von Table.Briefings nicht aussieht, dürfte sich die öffentliche Debatte kaum beruhigen. Zu polarisiert sind die Lager.

“Die EU muss die Anwendung der Richtlinien der CSRD und der CSDDD sofort um mindestens zwei Jahre verschieben“, sagt Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). “Ein fauler Kompromiss, der am Ende keine konkreten Verbesserungen im Unternehmensalltag bringt, würde das Vertrauen der mittelständischen Industrie nachhaltig erschüttern.”

“Das wird übers Knie gebrochen”

“Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis versuchen, die CSDDD zu vernichten – zugunsten der zerstörerischsten Konzerne”, erklärt indes die auf EU-Politik, NGOs und Aktivisten spezialisierte Kommunikationsagentur 89up.

Fakt ist, dass aktuell die legislative Arbeit mehrerer Jahre infrage gestellt wird. Erfahrungen zur praktischen Umsetzung gibt es dagegen kaum. EU-weit liegen erst wenige druckfrische CSRD-Reports vor, die CSDDD wird noch gar nicht angewendet. Folgenabschätzungen und Stakeholder-Befragungen für ihre Veränderungen hat die Kommission nicht vorgelegt und durchgeführt, für interne Konsultationen blieben gerade mal drei Tage. “Das wird übers Knie gebrochen”, sagt die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. “Es ist eine absolut unübliche Praxis, dass Gesetze so schnell wieder aufgemacht werden.”

Vereinheitlichung der Regeln war Teil des Green Deal

“Der gesamte Prozess ist stark politisiert worden”, sagt Jurei Yada, Leiterin EU Sustainable Finance des Thinktanks E3G. Sie meint, angesichts der Konkurrenz aus den USA durch den Inflation Reduction Act, der angespannten wirtschaftlichen Lage in Europa und dem Erstarken konservativer und rechtspopulistischer Kräfte ein schwindendes Selbstbewusstsein der EU ausgemacht zu haben. Man glaube aktuell nicht an die Stärke des Binnenmarkts und daran, was entstehen kann, wenn Unternehmen auf dem Kontinent nach einheitlichen ESG-Kriterien handeln.

Die Vereinheitlichung der Standards und Regeln, das war ursprünglich ein wesentlicher Teil des Green Deal. Um private Investitionen in nachweislich nachhaltige Unternehmen lenken zu können, wurden die Reporting- und Sorgfaltspflichten verschärft und ausgeweitet. Dass es die EU dabei übertrieben hat und zu detaillierte Vorgaben macht, die wieder zurückgedreht werden sollten, darüber herrscht vielfach Einigkeit in Politik und Wirtschaft.

Resilientere Lieferketten dank ESG-Gesetzen

An Nachhaltigkeit orientierte Investoren befürchten aber, dass das Pendel jetzt zu weit in die umgekehrte Richtung schwingt und das Ziel wieder verfehlt wird. “Wir brauchen ESG-Daten und eine EU-weite Transparenz der Unternehmen und der Lieferketten”, sagt Tessa Younger vom britischen Vermögensverwalter CCLA. Bleibt das aus, entstehe “kein Level Playing Field” und man könne nicht erkennen, wo es Fortschritte gebe.

Für Annika Ramsköld, Vice President Corporate Sustainability des Energiekonzerns Vattenfall, steht noch mehr auf dem Spiel. “Durch die ESG-Gesetze lassen sich resilientere Lieferketten aufbauen“, sagt sie. Das mache Unternehmen bei der Energieversorgung und Rohstoffen weniger anfällig für Risiken und unabhängiger von Märkten wie den USA, China und Russland.

EVP will Omnibus-Paket “mit aller Kraft” unterstützen

Die konservative EVP im Europaparlament hat bereits angekündigt, das Omnibus-Paket “mit aller Kraft” zu unterstützen. Auch der FDP-Abgeordnete Andreas Glück, der sich im Umweltausschuss unter anderem mit der CSRD, der CSDDD und der Taxonomie befasst hat, hält den eingeschlagenen Weg der Kommission für richtig. Gerade nach dem “massiven Bürokratieaufbau der vergangenen Jahre”, wie er sagt. “Regelungen wie die Taxonomie oder die Entwaldungsverordnung fallen den Unternehmen auf die Füße.” Das zu ändern sei eine “low hanging fruit”.

Im Gespräch zitiert er eine Zahl der EU-Kommission: Demnach könne man 90 Prozent der aktuell vorgesehenen, kleineren Unternehmen von der Berichtspflicht entbinden und trotzdem 99 Prozent der aktuell emittierten Treibhausgase reduzieren. Wie plausibel diese Angabe ist und warum das niemandem zuvor bei den Berechnungen aufgefallen sein sollte, kann er allerdings nicht sagen. Das müsse die EU-Kommission beantworten, wenn sie ihre Pläne für das Omnibus-Gesetz vorstellt.

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News

Rohstoffabkommen: Medienberichte über Einigung zwischen den USA und der Ukraine

Nach tagelangem Streit um einen Rohstoffdeal sollen sich die Ukraine und die USA laut Medienberichten nun auf die Details eines Vertrags geeinigt haben. Das Internetportal der Ukrajinska Prawda in Kyjiw berichtete, dass es eine neue Vereinbarung gebe über den Zugang der USA zu Rohstoffen in dem von Russland angegriffenen Land im Gegenzug für Hilfen Washingtons. Demnach liegt der Entwurf eines Vertrags dem Medium vor.

US-Präsident Donald Trump sagte am Dienstagabend, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch in dieser Woche nach Washington reisen wolle, um das Abkommen zu unterzeichnen.

Neben den für Hochtechnologieprodukte wichtigen seltenen Erden geht es um den Zugang der USA zu ukrainischem Öl und Gas. Um das Abkommen hatte es in den vergangenen Tagen heftigen Streit gegeben, weil Selenskyj seine Unterschrift zunächst verweigert hatte. 

Keine Rede mehr von Sicherheitsgarantien der USA

Trump hatte auf einen Deal bestanden als Kompensation für die Hilfen Washingtons beim ukrainischen Verteidigungskampf gegen den russischen Angriffskrieg. Auch die britische Financial Times berichtete über eine Einigung beider Seiten. Den Berichten zufolge ist in der angeblich unterschriftsreifen Fassung nicht mehr die Rede von Sicherheitsgarantien der USA. Darauf hatte die Ukraine zuletzt immer wieder gepocht.

Den Angaben zufolge erhalten die Vereinigten Staaten keine 100-prozentige Kontrolle über einen geplanten Investitionsfonds für den Wiederaufbau, in den die Einnahmen aus dem Abbau der Bodenschätze fließen sollen. Der Fonds soll den Berichten zufolge vielmehr von den USA und der Ukraine gemeinsam verwaltet werden. In ihn fließen demnach 50 Prozent aus den Einnahmen von Rohstoffverkäufen und der für den Umschlag der Bodenschätze wichtigen Häfen und anderer Infrastruktur. 

Wie die Ukrajinska Prawda berichtete auch die Financial Times, dass in den Fonds nicht so viel Geld aus der Ukraine fließen soll, bis die Summe von 500 Milliarden US-Dollar erreicht ist. Demnach lenkte Washington hier ein und nahm Abstand von den härtesten Forderungen, die Selenskyj kritisiert hatte. Kyjiw habe für sich günstige Bedingungen ausgehandelt, hieß es. dpa/rtr

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Sicherheitsfinanzierung: Gespräche über neues Sondervermögen

Nachdem Friedrich Merz für viele überraschend die Möglichkeit bestätigt hat, die noch gültigen Mehrheiten im Bundestag für Sonderbeschlüsse zur Finanzierung der wachsenden Sicherheitsaufgaben zu nutzen, rückt vor allem die Idee eines neuen Sondervermögens ins Zentrum der vorsichtigen Überlegungen. Darüber wird aktuell im engsten Kreis der CDU- und SPD-Führung vertraulich gesprochen, um bei Konkretisierung auch mit dem Grünen zu reden. Letztere würde man für eine nötige Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen.

Als unwahrscheinlich gilt – Stand heute – eine Reform der Schuldenbremse. Am Dienstag äußerte sich nicht nur Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, sehr skeptisch. Nach Informationen von Table.Briefings neigt auch Merz wenn überhaupt eher der anderen Option zu.  

Wie weit geht der Begriff Sicherheit?

In Gesprächen über ein neues Sondervermögen geht es auch um die Frage, was unter den Begriff Sicherheit fällt. Geht es nur um klassische Verteidigungsausgaben? Gehört auch der Schutz kritischer Infrastruktur dazu? Oder in Zeiten hybrider Kriegsführung auch ein Ausbau des BND? Und was ist mit Schienen, Brücken, Straßen, über die im Spannungsfall schwere Waffen quer durch Deutschland transportiert werden müssten?  Bislang halten sich dazu alle Beteiligten sehr bedeckt. Aber klar ist, dass SPD und auch Grüne zu einem weiteren Begriff neigen. Im Ringen um das erste Sondervermögen, beschlossen 2022, lehnte Merz jede Erweiterung ab. Damals aber regierte in Washington noch Joe Biden.  

In der Fraktionssitzung gab es von Merz zum Thema kein Wort. Laut Merz muss die Union zweierlei schaffen: In der Wirtschafts- und Migrationspolitik müsse sie einen Politikwechsel erreichen – und ansonsten zu Kompromissen bereit sein. In den Ohren von Verteidigungsminister Boris Pistorius könnte das ein Hinweis auf die Bereitschaft zu einem Sondervermögen sein. Exakt diese Bereitschaft hatte der Sozialdemokrat am Abend davor in der Bild-Zeitung gefordert. Stefan Braun

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Streit um Android Auto: Schlappe für Google vor dem EuGH

In der Auseinandersetzung mit Enel um eine App des italienischen Energiekonzerns für Android Auto muss Google einen Rückschlag hinnehmen. Die Weigerung der Alphabet-Tochter, die technische Verträglichkeit einer Drittanbieter-App mit der Plattform zu gewährleisten, könne den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen, urteilte der Gerichtshof der Europäischen Union am Dienstag in einer Grundsatzentscheidung (C-233/23).

Damit stellte er sich hinter die italienische Kartellbehörde, die Google eine Strafe von 102 Millionen Euro aufgebrummt hatte. Dagegen hatte der US-Konzern vor einem italienischen Gericht geklagt, das bei der europäischen Instanz um eine Klarstellung bei der Auslegung des EU-Rechts gebeten hatte.

Gericht: Plattform-Anbieter muss Template entwickeln

Im vorliegenden Fall wollte Enel die App JuicePass, mit der Nutzer Ladestationen für Elektroautos finden und buchen können, für Android Auto herausbringen. Google lehnte dies unter anderem mit der Begründung ab, es fehle eine bestimmte technische Vorlage, um die App mit Android Auto kompatibel zu machen. Sofern es technisch möglich sei und die Sicherheit der Plattform nicht gefährdet werde, müsse der Plattform-Anbieter ein solches Template in angemessener Zeit und eventuell gegen eine angemessene Bezahlung entwickeln, urteilten die Richter.

“Interoperabilität ist entscheidend, um die Wahlfreiheit der Verbraucher zu sichern sowie um Innovationen im digitalen Raum voranzutreiben”, sagte Andreas Schwab (CDU), binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Das Urteil sei ein großer Erfolg für die Kommission und bekräftige auch die Rolle des EU-Parlaments, das in diesem Bereich entscheidende Impulse gesetzt habe.

Die Entscheidung kann nicht angefochten werden, ist aber kein Urteil im ursprünglichen Verfahren. Dieses fällt das nationale Gericht auf der heute veröffentlichten Grundlage. “Die Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, wenn diese über vergleichbare Fragen zu befinden haben”, erläuterte der Gerichtshof der Europäischen Union. rtr

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Presseschau

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Portugiesische Pflegekräfte flüchten vor schlechtem Lohn DW

Personalien

Sonja Giese wird Vizechefin der Kommunikationsabteilung im Europaparlament. Sie war bisher Sprecherin der Fraktion der Linken im EP.

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Dessert

Zu Besuch in Litauen: Boris Pistorius und der damalige litauische Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas unterzeichnen im Dezember 2023 den Fahrplan für die dauerhafte Stationierung der Brigade Litauen.

Nicht mal das desaströse Image der Ampelregierung kann ihm etwas anhaben: Boris Pistorius erfreut sich anhaltender Beliebtheit in Deutschland, seit zwei Jahren führt er das entsprechende Politiker-Ranking an. “Die Leute mögen seine klare Schnauze”, lautet die Erklärung von Robert Alferink, Vorsitzender der SPD in Pistorius’ Heimatstadt Osnabrück. Nach der Wahl musste sich die Partei wieder mal die Frage gefallen lassen, warum sie Olaf Scholz und nicht den Verteidigungsminister zum Kanzlerkandidaten gemacht hat.

Fans hat Pistorius offenbar auch im Ausland. In Litauen haben sich nun mehrere Politiker zu Wort gemeldet, die sich ihn auch weiterhin als Verteidigungsminister wünschen. “Mit ihm haben wir viel Arbeit in Bezug auf die Aufnahme der deutschen Brigade in Litauen geleistet, und diese Arbeit könnte auf natürliche Weise fortgesetzt werden”, sagte Asta Skaisgirytė, die außenpolitische Beraterin von Staatspräsident Gitanas Nausėda, im litauischen Radio.

Auch Parlamentspräsident Saulius Skvernelis würde es begrüßen, wenn Pistorius weitermachen würde. Er sei “sehr willensstark und ein großer Helfer” bei der laufenden Stationierung der Bundeswehr-Brigade, sagte Skvernelis litauischen Medienberichten zufolge.

Pistorius hatte wiederholt deutlich gemacht, dass er Verteidigungsminister bleiben will. Vielleicht hilft dabei ja die Unterstützung aus dem Baltikum. Sarah Schaefer

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Während Europa dringend nach Lösungen sucht, um Verteidigungskapazitäten hochzufahren, macht eine neue Idee die Runde: die Wiederaufrüstungsbank, bzw. “Rearmament Bank”. Ausgearbeitet wurde die Idee in einem Konzeptpapier vom ehemaligen Befehlshaber der britischen Streitkräfte, Nick Carter, dem Thinktanker Edward Lucas und Guy de Selliers, der schon an der Schaffung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) Anfang der 1990er-Jahre beteiligt war.

    Das Papier, das Table.Briefings vorliegt, schlägt die Schaffung einer neuen Bank im Besitz einiger europäischer Nato-Staaten vor. Mit einem Startkapital von zehn Milliarden Euro soll die Bank 90 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten auftreiben. So sollen 100 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um Rüstungsprojekte mittels Darlehen zu finanzieren. Wobei die Autoren betonen, dass die Beträge auch höher sein könnten.

    Die Bank würde es erlauben, mit Nicht-EU-Staaten wie Großbritannien zusammenzuarbeiten sowie Vetos von Putin-nahen Regierungen innerhalb der EU zu umgehen. Ihre Darlehen würde die Bank an die beteiligten Staaten und an Rüstungsunternehmen vergeben. Die Staaten müssten als Sicherheit auch langfristige Abnahmeverträge mit den Herstellern abschließen, damit diese in ihre Produktionskapazitäten investieren.

    Laut Konzeptpapier würde die Bank marktnahe Zinsen verlangen. Das bedeutet auch, dass sie das Problem zu kleiner Haushaltsspielräume gewisser Mitgliedstaaten nicht behebt. Die Autoren des Papiers schlagen vor, dass die Darlehen der Bank von der Schulden- und Defizitberechnung der EU-Schuldenregeln ausgenommen würden.

    Die Idee findet bislang Anklang in der polnischen und der britischen Regierung. Dem Vernehmen nach ist man aber auch in Paris und Berlin an der Idee interessiert. Man werde sie bei den weiteren Überlegungen berücksichtigen, heißt es in der Union. Großbritannien bringt die Idee dieser Tage in die Diskussionen der G20-Finanzminister in Südafrika ein. Gespräche dazu sind auch bei den EU-Gipfeltreffen im März zu erwarten.

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    Reaktionen auf den Clean Industrial Deal: “Gibt noch Leerstellen”

    Wenn die EU-Kommission am Mittwoch den Clean Industrial Deal (CID) sowie ihren Plan für bezahlbare Energiepreise vorstellt, werden sowohl Industrievertreter als auch Klimaschützer in ganz Europa aufatmen. Das Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Industrie bei der Dekarbonisierung und Modernisierung gilt als längst überfällig.

    Es würden die zentralen Handlungsfelder adressiert, sagt Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, in Bezug auf den CID-Entwurf, der vorab bekannt wurde. Etwa in der Handelspolitik: Dort sei wichtig, dass neben der multilateralen Zusammenarbeit auch auf die eigenen Handlungspotenziale gebaut werde. “Dazu zählt insbesondere der Schutz vor den zumeist klimaschädlichen Billigimporten aus Fernost.”

    Rippel begrüßt daher, dass die Kommission eine Überarbeitung der Handelsschutzinstrumente ankündigt. “Insbesondere auf den Steel and Metals Action Plan zählen wir.” Die Kommission kündigte am Dienstag an, am 4. März einen Strategischen Stahldialog mit Stakeholdern zu führen und noch im Frühjahr den Aktionsplan vorzulegen.

    Wirtschaftskraft mit Klimaneutralität verbinden

    Auch die angekündigten Initiativen zur Einführung von Leitmärkten für emissionsarme Grundstoffe, verbunden mit European-Content-Kriterien, gingen in die richtige Richtung, sagt Rippel. “Denn sie verbinden wirtschaftliche Stärke mit klimaneutraler Produktion.”

    Diese Leitmärkte müssten allerdings schnell kommen, mahnt Linda Kalcher, Executive Director beim Brüsseler Thinktank Strategic Perspectives. Sie fordert ein umfassendes Investitionspaket für die Erreichung der Klimaziele und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, um die Industrie zu unterstützen. Die Baustellen seien groß bei den Netzen, (digitaler) Infrastruktur, Stromspeichern und Förderung für kohlenstoffarme Produktion. “Das muss rasch abgearbeitet werden.” Sonst bestehe das Risiko, dass China die Europäer wie schon bei der Solarindustrie auch bei Windkraft oder der Automotive-Industrie abhängt.

    Europäische Schulden und Reform der Schuldenbremse

    Mittelfristig brauche es zur Finanzierung der Vorhaben auch europäische Schulden, sagt Kalcher, “aber ohne Gießkanne”. Man müsse zunächst sortieren, welche Industrien am stärksten gefährdet sind. Dafür brauche es auch eine handlungsfähige Bundesregierung, denn eine Reform der Schuldenbremse lasse sich kaum vermeiden.

    Kalcher fordert aufgrund der Wirtschaftslage, dass Kosteneffizienz als klarer Partner für die Technologieoffenheit festgelegt wird. “So wird der Fokus stark auf die ökonomischen Faktoren und Knappheiten gelenkt: Wenn im Stromsektor Atom und CCS nicht wirtschaftlich sind, dann setzt man verstärkt auf Erneuerbare und Speicher.”

    Kreislaufwirtschaft “zu einseitig”

    Der Clean Industrial Deal beinhaltet auch, dass Europa künftig bei Rohstoffkreisläufen vermehrt auf Marktmacht und Protektionismus setzen will. Das zirkuläre Wirtschaften mit begrenzten Ressourcen sei der Schlüssel, um die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren und die Widerstandsfähigkeit der EU-Wirtschaft gegenüber Störungen und Unterbrechungen von globalen Lieferketten zu erhöhen.

    Simon Wolf, Leiter des Bereichs Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch, kritisiert: “Um das lobenswerte Ziel zu erreichen, bis 2030 Weltmarktführer bei der Kreislaufwirtschaft zu werden, setzt die Kommission zu einseitig auf Recycling und Abfallmanagement.” Damit schöpfe sie das Innovationspotenzial für neue Geschäftsmodelle durch geringeren Rohstoffeinsatz und weniger CO₂-Ausstoß gerade in der Schwerindustrie nicht aus.

    Update des Klimagesetzes kommt nicht

    Lange war unklar, ob die Kommission neben dem Clean Industrial Deal und dem Plan für bezahlbare Energiepreise auch bereits den Vorschlag für die Aktualisierung des EU-Klimagesetzes vorlegen wird. Nun bestätigte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde, dass das EU-Klimaziel 2040 zwar im Laufe des Frühjahrs noch im Klimagesetz verankert werden solle, am Mittwoch aber noch nicht vorgelegt werde. Die Kommission schlägt 90 Prozent CO₂-Reduktion bis 2040 im Vergleich zu 1990 vor.

    Peter Liese, klima- und umweltpolitischer Sprecher der EVP, begrüßt die Reihenfolge, dass zunächst der Plan zur Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt wird und zu einem späteren Zeitpunkt neue Klimaziele. “Psychologisch gesehen müssen wir zunächst beweisen, dass der Bürokratieabbau funktioniert, bevor wir neue Ziele einführen.”

    Michael Bloss von den Grünen dagegen kritisiert das Vorgehen. “Der Clean Industrial Deal ist ohne das Klimaziel unvollständig.” Das Klimaziel sei der Polarstern für die Modernisierung und Dekarbonisierung der Industrie, sagt Bloss. “Ohne die Verknüpfung von Modernisierung, Innovation und Klimaschutz als zentrale Säulen der europäischen Industriestrategie können wir es nicht mit China und den USA aufnehmen.”

    Leerstelle etwa bei Wasserstoff

    Experten sehen auch thematische Lücken. “Der Clean Industrial Deal hat viele Leerstellen. Beim Wasserstoff wurde eine Chance verpasst”, sagt der Geschäftsführer des Thinktanks Epico, Bernd Weber. Die Regulierung in den Delegierten Rechtsakten sei zu kompliziert: “Planungssicherheit hilft Investoren nicht, wenn der ganze Ansatz nicht funktioniert.”

    Der Verband Hydrogen Europe zeigt sich zumindest mit der aktuellen Verlängerung des Beihilferahmens bis Ende 2030 zufrieden. Der Höchstsatz für die Förderung von grünem Wasserstoff etwa sei von 35 auf 45 Prozent angehoben worden. Die H2-Lobby hätte es jedoch gerne gesehen, wenn die Leitmärkte von der Stahlbranche auch auf andere Industrien ausgeweitet worden wären. Zudem müssten Klimaschutzverträge – also die Förderung von laufenden Betriebsausgaben – immer noch einzeln nach den Energiebeihilfeleitlinien genehmigt werden.

    “Erdgas wird die Energiepreise nicht senken”

    “Die Leerstelle beim Wasserstoff ist mit Gas gefüllt worden“, kritisiert Julia Metz, Direktorin von Agora Industrie. “Wenn wir auf Erdgas setzen, wird das die Energiepreise nicht senken”, sagt Metz und erinnert an die CO2-Bepreisung. Auch bei der Energiesicherheit und erst recht beim Klimaschutz werde dieser Ansatz nicht weiterhelfen.

    Eine noch unveröffentlichte Studie des Centrums für Europäische Politik hält insbesondere das von der Kommission vorgeschlagene Finanzierungsmodell für LNG-Exportanlagen für ungeeignet, um zur Energiesicherheit in Europa beizutragen. “Im Rahmen des Tolling-Modells erhalten die Betreiber von Verflüssigungsanlagen kein Eigentum an dem LNG, sondern lediglich eine Gebühr für ihre Dienstleistung”, schreibt Autor André Wolf.

    Dies allein stelle nicht sicher, dass tatsächlich ausreichend Lieferverträge zwischen LNG-Lieferanten und europäischen Abnehmern zustande kommen. Japan habe sich in den USA zusätzlich langfristige Verträge gesichert. Bei den Erneuerbaren seien die Finanzmittel aber besser aufgehoben.

    Eher Entlastung für öffentliche Haushalte als für die Industrie

    Ob der Aktionsplan der Kommission zu niedrigeren Energiepreisen aber sein wichtigstes Ziel erreicht – insbesondere im Stromsektor -, ist zweifelhaft. Die wichtigsten Elemente sind für Agora-Expertin Metz:

    • die Stärkung von langfristigen Stromabnahmeverträgen (PPA)
    • die Flexibilisierung der Nachfrage
    • die Stärkung des Binnenmarkts

    Inwieweit die vorgeschlagenen Garantien für PPAs tatsächlich die Finanzierungskosten senken, bleibt abzuwarten. Bislang sind PPAs für die Industrie teuer und sie dienen eher dazu, die öffentlichen Haushalte oder die Allgemeinheit der Stromkunden von der Förderung grüner Energien zu entlasten.

    “Nur für Länder mit Renewables-only-Strategie”

    Was die Flexibilisierung der Nachfrage angeht, betonen alle Experten zwar den senkenden Effekt auf die Systemkosten. Es fehlen jedoch Kennzahlen, um Fortschritte bei der Flexibilisierung des Stromsystems und auch bei der Versorgungssicherheit zu messen, sagt Kristian Ruby, Generalsekretär von Eurelectric.

    Die Fördermaßnahmen fokussierten sich außerdem zu sehr auf erneuerbare Energien. “Das Risiko ist, dass der Clean Industrial Deal nur in Ländern funktionieren wird, die sich für eine Renewables-only-Strategie entschieden haben”, sagt Ruby. Staaten, die dagegen auf Kernenergie setzen, könnten zum Beispiel keine staatlichen Garantien für PPAs nutzen. Besorgt zeigten sich kürzlich auch Frankreich und zehn andere Kernenergie-Länder in einem offenen Brief an die Kommission.

    Ruby sieht außerdem die Gefahr von Interventionen in die Preisbildung noch nicht gebannt. Im Aktionsplan schimmert das iberische Modell durch, mit dem Spanien und Portugal den Einfluss der Gaspreise auf die Strompreise staatlich begrenzt haben. “Wenn die Schwelle für Markteingriffe niedrig ist, drohen konstante Interventionen. Und wenn jeder Mitgliedstaat eigene Maßnahmen verfolgen darf, droht eine Fragmentierung des Binnenmarkts”, sagt der Energiemanager. Dann bestünden aber keine Anreize für Investitionen in Erzeugungskapazitäten.

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    Omnibus: Warum der Streit weitergeht

    Die EU-Kommission plant, bestehende Regulierungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und dem EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) deutlich abzuschwächen. Das legt ein am Wochenende bekannt gewordenes Papier aus der Kommission nahe. Table.Briefings berichtete über das Dokument. Am heutigen Mittwoch nun soll der tatsächliche Umfang der Einschnitte vorgestellt werden. Ob der Termin stattfindet, zeigt sich wahrscheinlich erst kurz vorher. Ein Briefing für Journalisten am gestrigen Dienstag sagte die Kommission drei Stunden vorher ab. Offenbar gab es noch Abstimmungsbedarf.

    Klar ist hingegen: Weicht sie bei ihren Vorschlägen nicht entscheidend vom durchgestochenen Plan ab, wonach es nach Informationen von Table.Briefings nicht aussieht, dürfte sich die öffentliche Debatte kaum beruhigen. Zu polarisiert sind die Lager.

    “Die EU muss die Anwendung der Richtlinien der CSRD und der CSDDD sofort um mindestens zwei Jahre verschieben“, sagt Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). “Ein fauler Kompromiss, der am Ende keine konkreten Verbesserungen im Unternehmensalltag bringt, würde das Vertrauen der mittelständischen Industrie nachhaltig erschüttern.”

    “Das wird übers Knie gebrochen”

    “Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis versuchen, die CSDDD zu vernichten – zugunsten der zerstörerischsten Konzerne”, erklärt indes die auf EU-Politik, NGOs und Aktivisten spezialisierte Kommunikationsagentur 89up.

    Fakt ist, dass aktuell die legislative Arbeit mehrerer Jahre infrage gestellt wird. Erfahrungen zur praktischen Umsetzung gibt es dagegen kaum. EU-weit liegen erst wenige druckfrische CSRD-Reports vor, die CSDDD wird noch gar nicht angewendet. Folgenabschätzungen und Stakeholder-Befragungen für ihre Veränderungen hat die Kommission nicht vorgelegt und durchgeführt, für interne Konsultationen blieben gerade mal drei Tage. “Das wird übers Knie gebrochen”, sagt die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. “Es ist eine absolut unübliche Praxis, dass Gesetze so schnell wieder aufgemacht werden.”

    Vereinheitlichung der Regeln war Teil des Green Deal

    “Der gesamte Prozess ist stark politisiert worden”, sagt Jurei Yada, Leiterin EU Sustainable Finance des Thinktanks E3G. Sie meint, angesichts der Konkurrenz aus den USA durch den Inflation Reduction Act, der angespannten wirtschaftlichen Lage in Europa und dem Erstarken konservativer und rechtspopulistischer Kräfte ein schwindendes Selbstbewusstsein der EU ausgemacht zu haben. Man glaube aktuell nicht an die Stärke des Binnenmarkts und daran, was entstehen kann, wenn Unternehmen auf dem Kontinent nach einheitlichen ESG-Kriterien handeln.

    Die Vereinheitlichung der Standards und Regeln, das war ursprünglich ein wesentlicher Teil des Green Deal. Um private Investitionen in nachweislich nachhaltige Unternehmen lenken zu können, wurden die Reporting- und Sorgfaltspflichten verschärft und ausgeweitet. Dass es die EU dabei übertrieben hat und zu detaillierte Vorgaben macht, die wieder zurückgedreht werden sollten, darüber herrscht vielfach Einigkeit in Politik und Wirtschaft.

    Resilientere Lieferketten dank ESG-Gesetzen

    An Nachhaltigkeit orientierte Investoren befürchten aber, dass das Pendel jetzt zu weit in die umgekehrte Richtung schwingt und das Ziel wieder verfehlt wird. “Wir brauchen ESG-Daten und eine EU-weite Transparenz der Unternehmen und der Lieferketten”, sagt Tessa Younger vom britischen Vermögensverwalter CCLA. Bleibt das aus, entstehe “kein Level Playing Field” und man könne nicht erkennen, wo es Fortschritte gebe.

    Für Annika Ramsköld, Vice President Corporate Sustainability des Energiekonzerns Vattenfall, steht noch mehr auf dem Spiel. “Durch die ESG-Gesetze lassen sich resilientere Lieferketten aufbauen“, sagt sie. Das mache Unternehmen bei der Energieversorgung und Rohstoffen weniger anfällig für Risiken und unabhängiger von Märkten wie den USA, China und Russland.

    EVP will Omnibus-Paket “mit aller Kraft” unterstützen

    Die konservative EVP im Europaparlament hat bereits angekündigt, das Omnibus-Paket “mit aller Kraft” zu unterstützen. Auch der FDP-Abgeordnete Andreas Glück, der sich im Umweltausschuss unter anderem mit der CSRD, der CSDDD und der Taxonomie befasst hat, hält den eingeschlagenen Weg der Kommission für richtig. Gerade nach dem “massiven Bürokratieaufbau der vergangenen Jahre”, wie er sagt. “Regelungen wie die Taxonomie oder die Entwaldungsverordnung fallen den Unternehmen auf die Füße.” Das zu ändern sei eine “low hanging fruit”.

    Im Gespräch zitiert er eine Zahl der EU-Kommission: Demnach könne man 90 Prozent der aktuell vorgesehenen, kleineren Unternehmen von der Berichtspflicht entbinden und trotzdem 99 Prozent der aktuell emittierten Treibhausgase reduzieren. Wie plausibel diese Angabe ist und warum das niemandem zuvor bei den Berechnungen aufgefallen sein sollte, kann er allerdings nicht sagen. Das müsse die EU-Kommission beantworten, wenn sie ihre Pläne für das Omnibus-Gesetz vorstellt.

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    Rohstoffabkommen: Medienberichte über Einigung zwischen den USA und der Ukraine

    Nach tagelangem Streit um einen Rohstoffdeal sollen sich die Ukraine und die USA laut Medienberichten nun auf die Details eines Vertrags geeinigt haben. Das Internetportal der Ukrajinska Prawda in Kyjiw berichtete, dass es eine neue Vereinbarung gebe über den Zugang der USA zu Rohstoffen in dem von Russland angegriffenen Land im Gegenzug für Hilfen Washingtons. Demnach liegt der Entwurf eines Vertrags dem Medium vor.

    US-Präsident Donald Trump sagte am Dienstagabend, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch in dieser Woche nach Washington reisen wolle, um das Abkommen zu unterzeichnen.

    Neben den für Hochtechnologieprodukte wichtigen seltenen Erden geht es um den Zugang der USA zu ukrainischem Öl und Gas. Um das Abkommen hatte es in den vergangenen Tagen heftigen Streit gegeben, weil Selenskyj seine Unterschrift zunächst verweigert hatte. 

    Keine Rede mehr von Sicherheitsgarantien der USA

    Trump hatte auf einen Deal bestanden als Kompensation für die Hilfen Washingtons beim ukrainischen Verteidigungskampf gegen den russischen Angriffskrieg. Auch die britische Financial Times berichtete über eine Einigung beider Seiten. Den Berichten zufolge ist in der angeblich unterschriftsreifen Fassung nicht mehr die Rede von Sicherheitsgarantien der USA. Darauf hatte die Ukraine zuletzt immer wieder gepocht.

    Den Angaben zufolge erhalten die Vereinigten Staaten keine 100-prozentige Kontrolle über einen geplanten Investitionsfonds für den Wiederaufbau, in den die Einnahmen aus dem Abbau der Bodenschätze fließen sollen. Der Fonds soll den Berichten zufolge vielmehr von den USA und der Ukraine gemeinsam verwaltet werden. In ihn fließen demnach 50 Prozent aus den Einnahmen von Rohstoffverkäufen und der für den Umschlag der Bodenschätze wichtigen Häfen und anderer Infrastruktur. 

    Wie die Ukrajinska Prawda berichtete auch die Financial Times, dass in den Fonds nicht so viel Geld aus der Ukraine fließen soll, bis die Summe von 500 Milliarden US-Dollar erreicht ist. Demnach lenkte Washington hier ein und nahm Abstand von den härtesten Forderungen, die Selenskyj kritisiert hatte. Kyjiw habe für sich günstige Bedingungen ausgehandelt, hieß es. dpa/rtr

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    Sicherheitsfinanzierung: Gespräche über neues Sondervermögen

    Nachdem Friedrich Merz für viele überraschend die Möglichkeit bestätigt hat, die noch gültigen Mehrheiten im Bundestag für Sonderbeschlüsse zur Finanzierung der wachsenden Sicherheitsaufgaben zu nutzen, rückt vor allem die Idee eines neuen Sondervermögens ins Zentrum der vorsichtigen Überlegungen. Darüber wird aktuell im engsten Kreis der CDU- und SPD-Führung vertraulich gesprochen, um bei Konkretisierung auch mit dem Grünen zu reden. Letztere würde man für eine nötige Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen.

    Als unwahrscheinlich gilt – Stand heute – eine Reform der Schuldenbremse. Am Dienstag äußerte sich nicht nur Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, sehr skeptisch. Nach Informationen von Table.Briefings neigt auch Merz wenn überhaupt eher der anderen Option zu.  

    Wie weit geht der Begriff Sicherheit?

    In Gesprächen über ein neues Sondervermögen geht es auch um die Frage, was unter den Begriff Sicherheit fällt. Geht es nur um klassische Verteidigungsausgaben? Gehört auch der Schutz kritischer Infrastruktur dazu? Oder in Zeiten hybrider Kriegsführung auch ein Ausbau des BND? Und was ist mit Schienen, Brücken, Straßen, über die im Spannungsfall schwere Waffen quer durch Deutschland transportiert werden müssten?  Bislang halten sich dazu alle Beteiligten sehr bedeckt. Aber klar ist, dass SPD und auch Grüne zu einem weiteren Begriff neigen. Im Ringen um das erste Sondervermögen, beschlossen 2022, lehnte Merz jede Erweiterung ab. Damals aber regierte in Washington noch Joe Biden.  

    In der Fraktionssitzung gab es von Merz zum Thema kein Wort. Laut Merz muss die Union zweierlei schaffen: In der Wirtschafts- und Migrationspolitik müsse sie einen Politikwechsel erreichen – und ansonsten zu Kompromissen bereit sein. In den Ohren von Verteidigungsminister Boris Pistorius könnte das ein Hinweis auf die Bereitschaft zu einem Sondervermögen sein. Exakt diese Bereitschaft hatte der Sozialdemokrat am Abend davor in der Bild-Zeitung gefordert. Stefan Braun

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    Streit um Android Auto: Schlappe für Google vor dem EuGH

    In der Auseinandersetzung mit Enel um eine App des italienischen Energiekonzerns für Android Auto muss Google einen Rückschlag hinnehmen. Die Weigerung der Alphabet-Tochter, die technische Verträglichkeit einer Drittanbieter-App mit der Plattform zu gewährleisten, könne den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen, urteilte der Gerichtshof der Europäischen Union am Dienstag in einer Grundsatzentscheidung (C-233/23).

    Damit stellte er sich hinter die italienische Kartellbehörde, die Google eine Strafe von 102 Millionen Euro aufgebrummt hatte. Dagegen hatte der US-Konzern vor einem italienischen Gericht geklagt, das bei der europäischen Instanz um eine Klarstellung bei der Auslegung des EU-Rechts gebeten hatte.

    Gericht: Plattform-Anbieter muss Template entwickeln

    Im vorliegenden Fall wollte Enel die App JuicePass, mit der Nutzer Ladestationen für Elektroautos finden und buchen können, für Android Auto herausbringen. Google lehnte dies unter anderem mit der Begründung ab, es fehle eine bestimmte technische Vorlage, um die App mit Android Auto kompatibel zu machen. Sofern es technisch möglich sei und die Sicherheit der Plattform nicht gefährdet werde, müsse der Plattform-Anbieter ein solches Template in angemessener Zeit und eventuell gegen eine angemessene Bezahlung entwickeln, urteilten die Richter.

    “Interoperabilität ist entscheidend, um die Wahlfreiheit der Verbraucher zu sichern sowie um Innovationen im digitalen Raum voranzutreiben”, sagte Andreas Schwab (CDU), binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Das Urteil sei ein großer Erfolg für die Kommission und bekräftige auch die Rolle des EU-Parlaments, das in diesem Bereich entscheidende Impulse gesetzt habe.

    Die Entscheidung kann nicht angefochten werden, ist aber kein Urteil im ursprünglichen Verfahren. Dieses fällt das nationale Gericht auf der heute veröffentlichten Grundlage. “Die Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, wenn diese über vergleichbare Fragen zu befinden haben”, erläuterte der Gerichtshof der Europäischen Union. rtr

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    Presseschau

    Ukraine-Frage: Spaltung der USA mit EU-Verbündeten löst Besorgnis aus EURONEWS
    USA will Europa aus dem Ukraine-Finanzierungsabkommen drängen EURONEWS
    “Absolute Priorität” – Friedrich Merz für mehr Unabhängigkeit der EU von den USA EURONEWS
    Lob für Wahlsieger Merz: EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius fordert “radikales” Vorgehen bei eigener Verteidigung SPIEGEL
    Macron berichtet EU-Staaten von Gesprächen mit Trump BOERSE.DE
    Türkei dringt auf EU-Mitgliedschaft: Erdogan bietet sich als Retter Europas an TAGESSPIEGEL
    22,8 Prozent Anteil an gesamter Erzeugung : Atomstrom-Produktion in der EU wieder leicht gestiegen TAGESSPIEGEL
    Nicht nur Trump ist interessiert: Das bedeuten Grönlands Bodenschätze für die EU N-TV
    EU-Datenschützer begraben strenge Richtlinien für Social-Media-Auftritte HEISE
    Nur ein Strohfeuer? Und plötzlich springt der Absatz der E-Autos in die Höhe RND
    Nach Macrons Besuch bei Trump weiter deutliche Differenzen im Ukraine-Kurs UNTERNEHMEN-HEUTE
    Frankreich: Macron will offenbar nuklearen Schutz auf Europa ausweiten T-ONLINE
    In Großbritannien: Weiteres Ukraine-Gipfeltreffen RHEINPFALZ
    Rumäniens Angst vor einem “neuen Jalta” RHEINPFALZ
    Schutz der Artenvielfalt – Schweiz hält sich nicht an Versprechungen WATSON
    Vergängliche Schönheit: Eishöhlen in der Schweiz schmelzen durch Klimawandel dahin SUEDDEUTSCHE
    Nordost-Syrien: Kurdische Journalisten im Fadenkreuz der Türkei DEUTSCHLANDFUNK
    Angebliche Veruntreuung: Serbische Polizei führt Razzien bei regierungskritischen Organisationen durch SPIEGEL
    Portugiesische Pflegekräfte flüchten vor schlechtem Lohn DW

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    Sonja Giese wird Vizechefin der Kommunikationsabteilung im Europaparlament. Sie war bisher Sprecherin der Fraktion der Linken im EP.

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    Dessert

    Zu Besuch in Litauen: Boris Pistorius und der damalige litauische Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas unterzeichnen im Dezember 2023 den Fahrplan für die dauerhafte Stationierung der Brigade Litauen.

    Nicht mal das desaströse Image der Ampelregierung kann ihm etwas anhaben: Boris Pistorius erfreut sich anhaltender Beliebtheit in Deutschland, seit zwei Jahren führt er das entsprechende Politiker-Ranking an. “Die Leute mögen seine klare Schnauze”, lautet die Erklärung von Robert Alferink, Vorsitzender der SPD in Pistorius’ Heimatstadt Osnabrück. Nach der Wahl musste sich die Partei wieder mal die Frage gefallen lassen, warum sie Olaf Scholz und nicht den Verteidigungsminister zum Kanzlerkandidaten gemacht hat.

    Fans hat Pistorius offenbar auch im Ausland. In Litauen haben sich nun mehrere Politiker zu Wort gemeldet, die sich ihn auch weiterhin als Verteidigungsminister wünschen. “Mit ihm haben wir viel Arbeit in Bezug auf die Aufnahme der deutschen Brigade in Litauen geleistet, und diese Arbeit könnte auf natürliche Weise fortgesetzt werden”, sagte Asta Skaisgirytė, die außenpolitische Beraterin von Staatspräsident Gitanas Nausėda, im litauischen Radio.

    Auch Parlamentspräsident Saulius Skvernelis würde es begrüßen, wenn Pistorius weitermachen würde. Er sei “sehr willensstark und ein großer Helfer” bei der laufenden Stationierung der Bundeswehr-Brigade, sagte Skvernelis litauischen Medienberichten zufolge.

    Pistorius hatte wiederholt deutlich gemacht, dass er Verteidigungsminister bleiben will. Vielleicht hilft dabei ja die Unterstützung aus dem Baltikum. Sarah Schaefer

    Europe.Table Redaktion

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