der eine sieht China als möglichen Vermittler im Ukraine-Krieg, die andere möchte dagegen mehr Abstand zu Peking gewinnen. Keine leichte Aufgabe also, wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach China reisen. Doch eine gemeinsame Position wäre wichtig, analysiert Amelie Richter.
Endlich ein “Deal” im verhakten Streit zwischen Serbien und Kosovo! Das verkündete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in der Vergangenheit. Doch von dem ist nichts mehr zu sehen. Vor dem Treffen am Dienstag zwischen Aleksandar Vučić und Albin Kurti werden die Erwartungen deswegen bewusst niedrig gehalten. Doch die Glaubwürdigkeit Borrells hat Kratzer bekommen, schreibt Stephan Israel.
In Finnland haben die konservative Nationale Sammlungspartei die meisten Stimmen bei der Wahl geholt. Wahrscheinlich ist eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei Die Finnen. Damit setzt sich der Rechtsruck in Europa weiter fort. Mit Folgen für die EU, berichtet Eric Bonse.
Der Besucherstrom aus Europa nach China reißt nicht ab: Nach Spaniens Ministerpräsidenten Pedro Sánchez fliegen diese Woche mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die nächsten Europäer nach Peking.
Zu dritt wollen sich Macron, von der Leyen und Chinas Staatschef Xi Jinping am Donnerstag treffen. Am Abend zuvor soll es laut Élysée-Angaben ein Dinner mit beiden Europäern geben. Ein bilaterales Treffen zwischen von der Leyen und Xi steht derzeit nicht auf der offiziellen Agenda.
Macron wird am Donnerstag zudem Premier Li Qiang und den Präsidenten des Nationalen Volkskongresses, Zhao Leji, treffen. Anschließend reist er nach Guangdong weiter. Frankreichs Staatschef wird bei der Reise von einer rund 50 Mitglieder starken Wirtschaftsdelegation begleitet.
Von der Leyen war am Montag zu Gast in Paris, um die gemeinsame Reise zu besprechen. Bei einem Mittagessen seien die “Analysen zu wichtigen Punkten, die wir mit Präsident Xi ansprechen sollten” ausgetauscht worden, schrieb von der Leyen auf Twitter. Vorarbeit war nötig, denn die EU-Kommissionschefin und Frankreichs Präsident hatten zuletzt nicht immer dieselbe Stoßrichtung bei den Top-Themen der China-Agenda gezeigt.
Nachdem Sánchez bereits vergangene Woche an Xi appelliert hatte, das Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu suchen, will nun Macron versuchen, Pekings Unterstützung für ein Ende des Kriegs gegen die Ukraine zu gewinnen. Angesichts der “engen Beziehungen” zwischen China und Russland sei es offensichtlich, dass die Volksrepublik eines der wenigen Länder der Welt ist, “wenn nicht das einzige Land der Welt”, das ein “Game Changer” innerhalb des Konflikts sein könnte, hieß es aus Élysée-Kreisen. Macron hatte am Samstag mit Selenskyj telefoniert.
Von der Leyen wiederum hat vergangene Woche in ihrer China-Grundsatzrede ein nüchternes Bild der Erwartung auf ein offizielles Einwirken Pekings gezeichnet. Die Bilder des Treffens zwischen Xi und Russlands Präsidenten Wladimir Putin hätten mehr “als tausend Worte” gesagt. Xi halte an der “grenzenlosen Freundschaft” zu Putin fest, betonte von der Leyen.
Die einen sehen Peking als Hoffnungsträger, die anderen sind der Meinung, die Chinesen seien als Vermittler für die Ukraine hoffnungslos verloren. Doch gerade hier muss die EU eine einheitliche Stimme finden, meint der französische China-Beobachter Antoine Bondaz. Dieser beschäftigt sich für den französischen Think-Tank Fondation pour la recherche stratégique (FRS) mit Asien und der Volksrepublik. Macron und von der Leyen müssten in Peking “nachhaltig Einheit” zeigen, so Bondaz zu Table.Media.
“In Peking ‘guter Bulle’ gegen ‘böser Bulle’ zwischen Macron und von der Leyen zu spielen, würde das europäische Narrativ sofort schwächen“, glaubt Bondaz. Tatsächlich sei es Priorität Macrons, in Peking europäische Einheit zu demonstrieren.
Frankreichs Erwartungen an China als Vermittler sollten dennoch “begrenzt und realistisch” sein, fordert Bondaz. Damit Peking Moskau nicht militärisch unterstütze, müssten eher Warnungen als Zugeständnisse gemacht werden. Frankreich habe als Atomwaffenstaat jedoch die Legitimität, China um eine offizielle Reaktion auf die Ankündigung der Absicht Russlands zu bitten, Atomwaffen in Belarus zu stationieren.
In Frankreich spielt – wie so oft, aber dennoch derzeit besonders merklich – die Außenpolitik eine eher untergeordnete Rolle. Die heftigen Proteste und Streiks wegen der Rentenreform haben Themen wie den Ukraine-Krieg und auch die China-Reise Macrons eher an den Rand der Diskussion gedrängt. Eine Debatte über den Ansatz der Regierung gegenüber Peking, wie es in Berlin im Bundeskanzleramt und Ministerien angesichts der geplanten China-Strategie der Fall ist, gibt es in dieser Form in Paris nicht.
Von der Leyen hatte in ihrer Rede zum “De-Risking”, jedoch nicht zum Decoupling der Wirtschaftsbeziehungen mit China aufgerufen. Inwiefern die Reise Macrons einen wirtschaftlichen Nutzen bringen wird, wird wohl der Lauf der Woche zeigen: Airbus verhandele mit China über eine neue Runde von Flugzeugbestellungen, berichtete Reuters unter Berufung auf französische Regierungs- und Industrie-Quellen am Montag.
Auch Airbus-CEO Guillaume Faury ist Teil der Wirtschaftsdelegation. Der Abschluss von Mega-Aufträgen für Airbus und andere Konzerne hat fast schon Tradition. 2019 erhielt Airbus einen 30-Milliarden-Euro-Auftrag aus der Volksrepublik. Die französische Regierung habe “nicht die Absicht”, sich von China abzukoppeln, hieß es aus dem Élysée vor der Reise. Die Handelsschutzmaßnahmen der EU würden jedoch unterstützt.
Angesichts der Verhärtung der chinesischen Politik müssten die Europäer in der Lage sein, einheitlich zu reagieren, meint die französische Europa-Politikerin Marie-Pierre Vedrenne. “Sowohl Macron als auch Ursula von der Leyen haben bereits deutlich gemacht, dass Europa zum Dialog und Handel mit China bereit ist, aber auf Augenhöhe“, sagt Vedrenne Table.Media. “Unsere Handelspolitik mit China muss die Werte und die Unabhängigkeit Europas respektieren.” Dazu gehöre auch die Anwendung neuer und geplanter handelspolitischer Instrumente.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) forderte, von der Leyen solle bei ihrem Besuch auch das Investitionsabkommen CAI ansprechen. “Denn nach der Aufhebung aller chinesischer Sanktionen gegen EU-Personen und -Institutionen könnte das Abkommen aus dem Gefrierschrank geholt werden”, teilte Ulrich Ackermann, Leiter VDMA Außenwirtschaft, mit.
Von der Leyen hatte einer zeitnahen Wiederaufnahme der Arbeit an CAI in ihrer Grundsatzrede jedoch eine Absage erteilt. Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren seit der politischen Einigung maßgeblich geändert, so die EU-Kommissionspräsidentin.
Nach Sánchez, von der Leyen und Macron geht es mit dem europäischen Besuch auch nach den Osterfeiertagen weiter: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wird die chinesische Hauptstadt im Rahmen einer Asien-Reise besuchen. Baerbock soll vom 12. bis 18. April nach China, Südkorea und zum G7-Außenministertreffen in Japan reisen, wie Kreise Table.Media bestätigten. Bei der Baerbock-Reise soll bei den Gesprächen auch die China-Strategie der Bundesregierung eine Rolle spielen. Weitere Punkte der Agenda sind bisher nicht bekannt.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell will diesmal vor der neuen Runde im Dialog zwischen Belgrad und Pristina keine großen Erwartungen wecken. Man werde am Dienstag in Brüssel die nächsten Schritte diskutieren, wie das Abkommen über die Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo inklusive seines Anhangs umgesetzt werden könne. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Kosovos Premier Albin Kurti hätten ihre Teilnahme bestätigt. Es werde nur um “technische Fragen” gehen. Deshalb seien auch keine Pressestatements geplant.
Die Medienscheue ist nicht ohne Grund. Zweimal hat Josep Borrell in den letzten Wochen eine Einigung verkündigt und beide Male wurde er kurz danach desavouiert. Inzwischen steht die Glaubwürdigkeit des EU-Außenbeauftragten auf dem Spiel. Zuerst ging es Ende Februar um ein Abkommen, in dem eine gegenseitige Anerkennung von Pässen, Diplomen, Autokennzeichen oder Zollstempel vereinbart wurde. Beide Seiten verpflichteten sich zumindest auf dem Papier, sich auf dem Weg in die EU nicht zu blockieren. Belgrad sagte demnach auch zu, Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie der Uno oder dem Europarat nicht länger zu hintertreiben.
Es ist die Idee des deutsch-französischen Plans einer de facto Anerkennung Kosovos durch Serbien, nach dem Vorbild des Grundlagenvertrags von 1972 zwischen der BRD und der damaligen DDR. Kosovo verpflichtete sich gleichzeitig, Autonomie für einen Verband von zehn mehrheitlich serbischen Gemeinden zu akzeptieren. Das Konzept soll von Jens Plötner stammen, dem außen- und sicherheitspolitischen Berater von Bundeskanzler Scholz. Bei einem Folgetreffen am Ohridsee ging es dann um einen Annex, mit einem Zeitplan und einer Reihenfolge der Schritte beider Seiten.
Beide Seiten seien sich einig, dass keine weiteren Diskussionen über das Abkommen nötig seien, verkündete Borrell nach dem ersten Treffen. Man habe einen “Deal”, sagte der EU-Außenbeauftragte nach der Diskussion über den Annex. Es gab jeweils nur ein Statement, Fragen waren nicht erlaubt. Deshalb herrscht auch Konfusion darüber, wieso keines der beiden Dokumente unterzeichnet ist. Vučić und Kurti müssten erst unterschreiben, wenn auch der Anhang bereit sei, hatte es ursprünglich geheißen. Unterschriften seien gar nicht nötig, heißt es jetzt in Brüssel. Abkommen und Annex seien integraler Teil bei der Annäherung Serbiens und des Kosovos an die EU.
Der Grund für die fehlenden Unterschriften dürfte aber woanders liegen: Er habe “unerträgliche Schmerzen” in seiner rechten Hand, sagte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić nach der jüngsten Runde des sogenannten Belgrad-Pristina-Dialogs zu Hause im Fernsehen. Und diese Schmerzen würden auch ganz sicher bis zum Ende seiner Amtszeit in vier Jahren anhalten. Belgrad starker Mann wollte dem heimischen Fernsehpublikum damit sagen, dass er niemals einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag mit Kosovo unterzeichnen werde.
Selbst eine de facto Anerkennung kommt für Vučić nicht infrage, unter Druck von Ultranationalisten zu Hause. Er sagt, Kosovo sei für ihn “nichts” und spricht lieber von den “Albanern”. Zahlreiche Punkte im deutsch-französischen Plan seien schwer oder gar nicht akzeptabel, so Serbiens Präsident. Zuletzt hatte die Führung in Belgrad Briefe in die EU-Hauptstädte geschickt, Kosovos Beitrittsantrag nicht entgegenzunehmen. Kurzfristiges Ziel ist der Beitritt zum Europarat. Auch hier hintertreibt Belgrad die Bemühungen des Kosovo um Aufnahme.
Für Kosovos Regierung ein Indiz, dass es Aleksandar Vučić nicht um die serbische Minderheit geht. Erst mit Kosovos Mitgliedschaft im Europarat könnten Angehörige der serbischen Minderheit in Straßburg Rechte einklagen. In Pristina kommt schlecht an, dass Borrell, trotz der öffentlichen Desavouierung durch Vučić, den Kosovo-Albanern mehr oder weniger deutlich die Verantwortung für den schleppenden Fortschritt beim Dialog zuschiebt. Anders als Vučić sei Kurti bereit gewesen, Abkommen und Annex zu unterzeichnen, heißt es in Pristina. Dort wird die Neutralität von Borrell und seinem Sondergesandten Miroslav Lajčák angezweifelt. Beide stammen aus EU-Staaten, die Kosovo nicht anerkannt haben.
Kosovo als vermeintlich schwächerer Kontrahent werde unter Druck gesetzt, Serbien als größter Staat in der Region geschont, so die Kritik. Borrell glaube nicht mehr an eine Normalisierung zwischen Belgrad und Pristina. Das Ziel der EU sei vor dem Hintergrund des Konflikts in der Ukraine nur noch, Serbien möglichst aus dem Einflussbereich Russlands herauszuholen. Ob das Kalkül aufgeht, ist dabei offen. Serbiens Präsident hat seine Schaukelpolitik zwischen Brüssel und Moskau bisher recht erfolgreich betrieben. So oder so deutet alles darauf hin, dass Kosovos Hoffnungen auf eine Normalisierung auf der Strecke bleiben.
Bei der Parlamentswahl in Finnland am Sonntag verzeichnen die bisher regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Sanna Marin zwar Zugewinne – sie legten um 2,2 Prozentpunkte auf 19,9 Prozent zu. Sie fielen aber dennoch auf den dritten Platz hinter die konservative Nationale Sammlungspartei von Ex-Finanzminister Petteri Orpo (20,8 Prozent) und die rechtspopulistische Partei Die Finnen (20,1 Prozent) zurück.
Nun zeichne sich eine Koalition unter Beteiligung der Rechtspopulisten ab, sagte Rikhard Husu, EU-Korrespondent für den finnischen Rundfunk, bei einer Veranstaltung der Landesvertretung Hessen in Brüssel. Politische Berührungsängste gebe es in Finnland keine, die (Wahren) Finnen waren schon 2015 an der Regierung beteiligt. Zumindest in der Finanzpolitik sei nun ein Kurswechsel zu erwarten.
Die Finanzpolitik hatte bereits zusammen mit der Migration den Wahlkampf in Finnland beherrscht. Den Sozialdemokraten wurde vorgeworfen, zu viele Schulden zu machen und die finanzielle Stabilität des Landes zu gefährden. Vor diesem Hintergrund erwarte er eine Rückkehr zur Austeritätspolitik, so Husu. Zudem dürfte sich Helsinki gegen einen EU-Souveränitätsfonds wenden, wie ihn Frankreich fordert.
Unklar ist, welche Folgen das Wahlergebnis für die weit über Finnland hinaus bekannte und populäre Marin hat. In Brüssel wird sie als mögliche Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten bei der Europawahl im Frühjahr 2024 gehandelt. Ob sie dafür einen Ministerposten in der neuen finnischen Regierung braucht oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Als mögliche Konkurrenten Marins gelten unter anderem Kommissionsvize Frans Timmermans, dem aber eher Ambitionen in seiner Heimat Niederlande nachgesagt werden, und Spaniens Premier Pedro Sánchez, sollte dieser die Parlamentswahl zum Jahresende verlieren.
Die Sozialdemokratie schaut aber erst einmal besorgt auf das finnische Wahlergebnis. Der Wahlausgang sei “kein Grund zum Feiern“, sagte Katarina Barley von den deutschen Sozialdemokraten zu Table.Media. In Finnland stelle grundsätzlich die stärkste Partei die Regierungsspitze, diesmal also die Nationale Sammlungspartei. Diese ziehe eine Zusammenarbeit mit der EU-feindlichen Partei Die Finnen in Betracht.
“Damit setzt sich ein Muster fort, was unter europäischen Konservativen zur Gewohnheit zu werden scheint”, kritisierte Barley. Um die Macht im Europäischen Rat auszubauen, kollaborierten EVP-Mitgliedsparteien mit Europas Feinden – zuletzt in Italien und Schweden. “Die Konservativen tragen daher eine besondere Verantwortung: Wer sich mit Europas Feinden einlässt, der begräbt das europäische Projekt.”
Zunächst müssten sich aber vor allem die europäischen Sozialdemokraten Sorgen machen, meint Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Mit der Niederlage in Finnland komme auch das “kurze Revival” der sozialdemokratischen Parteienfamilie im Europäischen Rat zu Ende: Nach der Niederlage in Schweden und Finnland seien nur noch fünf Sozialdemokraten beim EU-Gipfel vertreten.
Neben Deutschland werden noch Spanien, Portugal, Malta und Dänemark sozialdemokratisch regiert. Allerdings verfügt auch die EVP nicht mehr über die – lange selbst-verständliche – Mehrheit. Das könnte sich allerdings mit der Wahl in Spanien im Dezember ändern, so von Ondarza: Wenn wie erwartet die Konservativen siegen, würde die EVP wenige Monate vor der Europawahl wieder die Oberhand gewinnen.
05.04.2023 – 10:00-12:30 Uhr, online
ZIA, Seminar ESG-Compliance im Baurecht und in der Projektentwicklung
Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) stellt die aktuell bestehenden Anforderungen der Taxonomieverordnung aus rechtlicher Sicht vor. INFOS & ANMELDUNG
05.04.2023 – 14:00-15:30 Uhr, online
FSR, Panel Discussion The role and design of Contracts for Difference for a future-proof Electricity Market Design
The Florence School of Regulation (FSR) brings together a group of experts to consider which role Contracts for Difference could play in the future market design. INFOS & ANMELDUNG
05.04.2023 – 15:00-16:00 Uhr, online
KAS, Diskussion Die EU-Montenegro-Beziehungen zwischen Beitrittshoffnung und politischer Blockade
Das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und das KAS-Auslandsbüro in Serbien und Montenegro diskutieren über die Beziehungen zwischen Montegro und der EU nach elf Jahren Beitrittsverhandlungen. INFOS & ANMELDUNG
06.04.2023 – 09:00-18:00 Uhr, Paris (Frankreich)
HBS, Conference Feminist foreign policy: From ambition to action
Women in International Security (WIIS) and the Paris office of the Heinrich Böll Foundation (HBS) bring together practitioners, researchers and diplomats to develop a common definition to the concept of feminist foreign policy and exchange good practices. INFOS & ANMELDUNG
06.04.2023 – 10:30-11:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Infoveranstaltung Stadtwerke-Initiative Klimaschutz
Auf der Infoveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt sich die Stadtwerke-Initiative Klimaschutz mit ihrem Ziel der schrittweisen Treibhausgasreduktion vor. INFOS & ANMELDUNG
06.04.2023 – 20:00-21:00 Uhr, online
FNF, Podiumsdiskussion Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO): Haben wir ihre geopolitische Bedeutung unterschätzt?
Drei Expertinnen und Experten diskutieren über die geopolitische Bedeutung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im Lichte aktueller Entwicklungen. INFOS & ANMELDUNG
In wenigen Stunden wird Finnland offiziell neues Nato-Mitglied sein. Am Rande des Treffens der Nato-Außenminister in Brüssel soll das Land in dem Verteidigungsbündnis willkommen geheißen werden, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag. “Es wird ein guter Tag für Finnlands Sicherheit, für die nordische Sicherheit und für die Nato insgesamt sein.” Auch Schweden werde dadurch sicherer werden.
Das Treffen soll unter anderem der Vorbereitung des Gipfels der Staats- und Regierungschefs in Vilnius am 11. und 12. Juli dienen. Dort will das Bündnis eine neue Vorgabe für die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten festlegen.
Zehn Verbündete haben inzwischen das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erreicht, das 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales als Reaktion auf die russische Annexion der Krim vereinbart worden war. Das Ziel sollte bis 2024 von allen Mitgliedstaaten erfüllt werden, was Nachzüglern wie Deutschland, dessen Militärausgaben zuletzt 1,5 Prozent ausmachten, noch etwas Zeit lässt.
Einige Nato-Staaten, darunter auch Deutschland, kritisieren die Fokussierung auf rein quantitative Ziele. Die Bundesregierung hatte hier im vergangenen Jahr allerdings auch das zweite in Wales vereinbarte Ziel knapp verpasst, das vorsieht, zwanzig Prozent des Verteidigungsetats für Investitionen in Rüstungsgüter zu verwenden.
Wenig Chance hat die Forderung der Staaten entlang der Ostflanke nach einem neuen Ziel in der Höhe von drei Prozent des BIP. Als Kompromiss zeichnet sich ab, dass zwei Prozent als obligatorisches Minimum fixiert werden. Umstritten ist, ob ähnlich wie in Wales zeitlich fixiert werden soll, bis wann die Mitgliedstaaten diese Untergrenze erreichen sollen.
Bis zum Gipfel im Juli in Litauen soll auch die Frage der Nachfolge von Jens Stoltenberg geklärt werden. Das Mandat des Norwegers läuft Ende November aus. Im Gespräch ist unter anderem Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Aber selbst eine erneute Verlängerung für Jens Stoltenberg bis zum Nato-Gipfel in Washington im April 2024 ist mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine nicht ganz ausgeschlossen. sti/klm
Paris hat am Montag seinen Gesetzentwurf für eine grüne Industrie vorgestellt. In dem Entwurf werden in den fünf Schwerpunkt-Kategorien insgesamt 29 Vorschläge gemacht. Dabei geht es sowohl um eine Antwort auf den amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) als auch um die Ankurbelung der nationalen Industrieproduktion.
Die Ambitionen sind groß: Frankreich soll “die erste europäische Nation der grünen Industrie” werden – und das ohne Mehrausgaben durch die öffentlichen Finanzen. Der Gesetzentwurf besteht aus zwei Teilen, wie Bruno Le Maire, der Minister für Wirtschaft und Finanzen, bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs erklärte: “Beschleunigung, Erleichterung und Finanzierung” der Dekarbonisierung der bestehenden Industrien sowie die Verbesserung des Rechtsrahmens, um die Schaffung neuer Industrien auf französischem Boden zu ermöglichen – beispielsweise die Herstellung von Batterien, Solarzellen oder Wärmepumpen.
Der Gesetzentwurf zu grüner Industrie werde mit den europäischen Vorschriften vereinbar sein, betonte der Parlamentarier Guillaume Kasbarian, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der Nationalversammlung und Koordinator des Gesetzentwurfs. Kasbarian erklärte, dass der einzige Streitpunkt die Kernenergie betrifft, “aber der europäische Text lässt den Staaten einen großen Spielraum”.
Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis dreimonatiger Konsultationen mit Akteuren aus Politik, Industrie und Zivilgesellschaft. Er gliedert sich in folgende Bereiche:
Der Gesetzentwurf ist eine Reaktion auf den amerikanischen Inflation Reduction Act, aber auch ein “politisches Projekt”, um die Deindustrialisierung des Landes und den damit einhergehenden Verlust von Arbeitsplätzen aufzuhalten. “Frankreich ist das einzige westliche Land, das seine Industrie aufgegeben hat”, sagte Le Maire und verwies auf die zahlreichen Schließungen und Verlagerungen von Fabriken in Frankreich während der vergangenen Jahrzehnte. “Und wenn eine Fabrik schließt, wird ein Büro der Rassemblement National eröffnet”, fügte er in Bezug auf die rechtsextreme Partei hinzu.
Auch wenn das neue Gesetz ohne zusätzliche Ausgaben auskommen will: Laut aktuellen Zahlen des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE sind zusätzliche Investitionen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro in die Stromnetze erforderlich, um die Dekarbonisierungsziele der Industrie zu erreichen.
Zum einen schreite die Elektrifizierung bestimmter Prozesse voran, zum anderen die Entwicklung von grünem Wasserstoff. Zugleich schnelle die neu beantragte Leistung in die Höhe: “Wir sind von Anträgen auf Leistungserhöhung von einigen Dutzend Megawatt auf einige Hundert oder sogar Tausend Megawatt übergegangen”, sagte Jean-Philippe Bonnet, stellvertretender Generaldirektor der Strategieabteilung von RTE.
Um bereit zu sein, setzt der Netzbetreiber auf das neue Gesetz über erneuerbare Energien. Die Bestimmungen zielen darauf ab, die bestehenden Verwaltungsfristen für neue Netzleitungen zu vereinfachen, “ohne die technischen Überprüfungen infrage zu stellen”, so Bonnet. cst
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für einen baldigen Beitritt Rumäniens zum Schengenraum ausgesprochen. “Ich hoffe, dass es noch in diesem Jahr gelingt”, sagte er am Montag bei einem Besuch in Bukarest. “Rumänien hat alle Voraussetzungen dafür erfüllt, damit der Schengen-Beitritt jetzt stattfinden kann.”
Ein Beitritt der EU-Staaten Rumänien und Bulgarien war zuletzt an einem österreichischen Veto gescheitert. Aber auch aus den Niederlanden gab es Einwände. Präsident Klaus Iohannis kritisierte die kritische Haltung der Länder: Rumänien habe den Antrag vor fast zwölf Jahren gestellt und alle Bedingungen dafür erfüllt. Inzwischen seien auch die Rechtsstaatsdefizite ausgeräumt, wegen derer das Land von der EU-Kommission bis Ende 2022 gesondert überwacht worden war.
Es gebe Ängste in Österreich wegen einer möglichen illegalen Migration über Rumänien, die es aber gar nicht gebe, argumentierte Iohannis. Man werde nun Pilotprojekte an der rumänisch-serbischen Grenze beginnen, um zu zeigen, wie effektiv die Grenzkontrollen sein könnten.
Scholz und Iohannis sagten zudem der Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, ihre Unterstützung gegen eine russische Bedrohung bei einem Treffen zu. Vor allem die Energieversorgung des kleinen Landes müsse gesichert werden. Sowohl Iohannis als auch Sandu betonten, Moldau sei anhaltenden hybriden Angriffen Russlands ausgesetzt. tho/rtr
In ihrer heute erscheinenden Panorama-Analyse, bei der die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) im Rahmen einer Metabetrachtung fünf Dimensionen der EU begutachtet, kommen die Autoren zu gemischten Ergebnissen:
Wirtschaftlich
Mitgliedstaatliche Unterstützung für Europa
Globales Umfeld
Ein besonderes Gewicht legen die KAS-Autoren auf die kommenden Monate: “Die beiden Ratspräsidentschaften im Jahr 2023 (Schweden und Spanien) sollten das window of opportunity, das aktuell bei der inneren und äußeren Handlungsfähigkeit offensteht, nutzen”, heißt es in der Analyse der KAS. Es sollte vor allem dazu genutzt werden, “kontroverse Themen wie Migration proaktiv anzugehen und bei der außen- und verteidigungspolitischen Koordinierung eine Institutionalisierung zu erwirken, – bevor im Zuge des aufziehenden Wahlkampfs rund um die Europawahl 2024 der Handlungsspielraum wieder enger werden wird.”
Was die Panorama-Analyse-Autoren nicht schreiben: Wenn nach der belgischen Ratspräsidentschaft ab Mitte 2024 die Doppelratspräsidentschaft Ungarn und Polens ansteht, könnte sich dieses Fenster schnell schließen. Insbesondere, wenn die polnischen Parlamentswahlen im Oktober oder November 2023 den Krawallkurs der Jarosław Kaczyński-Partei Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit, kurz PiS) bestätigen sollten, könnte die EU einige bleierne Monate erwarten. fst
Sophia Besch schlägt Brücken zwischen unterschiedlichen Perspektiven auf Sicherheitsfragen. In Berlin, Paris, London und Brüssel hat sie die dortigen Akzente der Sicherheitspolitik kennengelernt. Im vergangenen Herbst wechselte sie vom Center for European Reform (CER) in Berlin nach Washington an die Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden.
Als Besch an der Uni Münster Politik und Humanitäres Recht studierte, stand die Frage nach einer möglichen Intervention in Libyen im Raum: “Ich fand unbefriedigend, dass Deutschland keine Position bezog”, sagt sie. Während ihres Masters in Paris und London beschäftigte sie sich mit EU-Verteidigungsstrategien und der Nato. Gerade befindet sie sich in den letzten Zügen ihrer Promotion am Londoner Kings College zur Rolle der EU in der Rüstungspolitik.
Die 32-Jährige beobachtet in ihrer Forschungsarbeit, wie deutsche Sicherheitspolitik im Ausland wahrgenommen wird. Die USA disziplinierten die Europäer bei den Rüstungslieferungen für die Ukraine, sagt sie. “Amerika hat in Rüstungsfragen die Führung in Europa übernommen.” Dass Olaf Scholz nach langem Zögern die Zusage zur Lieferung von Kampfpanzern für die Ukraine als Beispiel deutscher Führung verkaufte, habe in Washington für Irritation gesorgt – die Definitionen von Führung seien in Berlin und Washington unterschiedlich.
“Wir als Europäer erwarten, dass Amerika sich mit unseren spezifischen historischen und kulturellen Eigenheiten auseinandersetzt”, sagt sie. Europa könne sich nicht mehr auf seinen Sonderstatus bei den Amerikanern verlassen. Umso wichtiger sei es, dass Europa mit einer Stimme spreche, statt einzeln mit den USA zu verhandeln. Das gelte auch für das Beschaffungswesen: “Ich hoffe, dass wir in Rüstungsfragen europäisch denken und die Fragmentierung der vergangenen Jahrzehnte nicht zementieren.”
Die Verteilung der Lasten zwischen den Unterstützer-Ländern werde in den USA zunehmend kritisiert. Besonders paradox sei, dass transatlantisch eingestellte Republikaner bei der Münchner Sicherheitskonferenz für mehr Unterstützung warben, während republikanische Wähler die Unterstützung für die Ukraine immer skeptischer betrachten.
Die transatlantischen Beziehungen geraten zunehmend unter Druck, sagt Besch. Dafür nennt sie drei Gründe: Erstens nehme das Thema China und die Pazifik-Region immer mehr Aufmerksamkeit ein. Zweitens stehe ein Generationswechsel an und drittens schreite der Isolationismus voran. “Diese Regierung könnte die letzte echte transatlantische Regierung sein”, sagt sie. “Amerika möchte sich aus der Welt zurückziehen.” Das gelte für Republikaner und Demokraten.
Das vergangene Jahr war turbulent, auch für sie. Internationale Medien suchen bei ihr nach Erklärungen. Dabei habe sie erkannt, dass sie trotz großen Interesses an tagesaktueller Einordnung sich trotzdem weiter auf ihre Forschungsprojekte konzentrieren wolle: “Ich halte es für wichtig, meine Expertise zu vertiefen und dann zu kommentieren, wenn ich wirklich etwas zur Debatte beizutragen habe.” Bei dem Stress des vergangenen Jahres bleibt ihr aber trotzdem Zeit zur Entspannung. In Washington hat sie Comedy Clubs für sich entdeckt. Lukas Homrich
der eine sieht China als möglichen Vermittler im Ukraine-Krieg, die andere möchte dagegen mehr Abstand zu Peking gewinnen. Keine leichte Aufgabe also, wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach China reisen. Doch eine gemeinsame Position wäre wichtig, analysiert Amelie Richter.
Endlich ein “Deal” im verhakten Streit zwischen Serbien und Kosovo! Das verkündete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in der Vergangenheit. Doch von dem ist nichts mehr zu sehen. Vor dem Treffen am Dienstag zwischen Aleksandar Vučić und Albin Kurti werden die Erwartungen deswegen bewusst niedrig gehalten. Doch die Glaubwürdigkeit Borrells hat Kratzer bekommen, schreibt Stephan Israel.
In Finnland haben die konservative Nationale Sammlungspartei die meisten Stimmen bei der Wahl geholt. Wahrscheinlich ist eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei Die Finnen. Damit setzt sich der Rechtsruck in Europa weiter fort. Mit Folgen für die EU, berichtet Eric Bonse.
Der Besucherstrom aus Europa nach China reißt nicht ab: Nach Spaniens Ministerpräsidenten Pedro Sánchez fliegen diese Woche mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die nächsten Europäer nach Peking.
Zu dritt wollen sich Macron, von der Leyen und Chinas Staatschef Xi Jinping am Donnerstag treffen. Am Abend zuvor soll es laut Élysée-Angaben ein Dinner mit beiden Europäern geben. Ein bilaterales Treffen zwischen von der Leyen und Xi steht derzeit nicht auf der offiziellen Agenda.
Macron wird am Donnerstag zudem Premier Li Qiang und den Präsidenten des Nationalen Volkskongresses, Zhao Leji, treffen. Anschließend reist er nach Guangdong weiter. Frankreichs Staatschef wird bei der Reise von einer rund 50 Mitglieder starken Wirtschaftsdelegation begleitet.
Von der Leyen war am Montag zu Gast in Paris, um die gemeinsame Reise zu besprechen. Bei einem Mittagessen seien die “Analysen zu wichtigen Punkten, die wir mit Präsident Xi ansprechen sollten” ausgetauscht worden, schrieb von der Leyen auf Twitter. Vorarbeit war nötig, denn die EU-Kommissionschefin und Frankreichs Präsident hatten zuletzt nicht immer dieselbe Stoßrichtung bei den Top-Themen der China-Agenda gezeigt.
Nachdem Sánchez bereits vergangene Woche an Xi appelliert hatte, das Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu suchen, will nun Macron versuchen, Pekings Unterstützung für ein Ende des Kriegs gegen die Ukraine zu gewinnen. Angesichts der “engen Beziehungen” zwischen China und Russland sei es offensichtlich, dass die Volksrepublik eines der wenigen Länder der Welt ist, “wenn nicht das einzige Land der Welt”, das ein “Game Changer” innerhalb des Konflikts sein könnte, hieß es aus Élysée-Kreisen. Macron hatte am Samstag mit Selenskyj telefoniert.
Von der Leyen wiederum hat vergangene Woche in ihrer China-Grundsatzrede ein nüchternes Bild der Erwartung auf ein offizielles Einwirken Pekings gezeichnet. Die Bilder des Treffens zwischen Xi und Russlands Präsidenten Wladimir Putin hätten mehr “als tausend Worte” gesagt. Xi halte an der “grenzenlosen Freundschaft” zu Putin fest, betonte von der Leyen.
Die einen sehen Peking als Hoffnungsträger, die anderen sind der Meinung, die Chinesen seien als Vermittler für die Ukraine hoffnungslos verloren. Doch gerade hier muss die EU eine einheitliche Stimme finden, meint der französische China-Beobachter Antoine Bondaz. Dieser beschäftigt sich für den französischen Think-Tank Fondation pour la recherche stratégique (FRS) mit Asien und der Volksrepublik. Macron und von der Leyen müssten in Peking “nachhaltig Einheit” zeigen, so Bondaz zu Table.Media.
“In Peking ‘guter Bulle’ gegen ‘böser Bulle’ zwischen Macron und von der Leyen zu spielen, würde das europäische Narrativ sofort schwächen“, glaubt Bondaz. Tatsächlich sei es Priorität Macrons, in Peking europäische Einheit zu demonstrieren.
Frankreichs Erwartungen an China als Vermittler sollten dennoch “begrenzt und realistisch” sein, fordert Bondaz. Damit Peking Moskau nicht militärisch unterstütze, müssten eher Warnungen als Zugeständnisse gemacht werden. Frankreich habe als Atomwaffenstaat jedoch die Legitimität, China um eine offizielle Reaktion auf die Ankündigung der Absicht Russlands zu bitten, Atomwaffen in Belarus zu stationieren.
In Frankreich spielt – wie so oft, aber dennoch derzeit besonders merklich – die Außenpolitik eine eher untergeordnete Rolle. Die heftigen Proteste und Streiks wegen der Rentenreform haben Themen wie den Ukraine-Krieg und auch die China-Reise Macrons eher an den Rand der Diskussion gedrängt. Eine Debatte über den Ansatz der Regierung gegenüber Peking, wie es in Berlin im Bundeskanzleramt und Ministerien angesichts der geplanten China-Strategie der Fall ist, gibt es in dieser Form in Paris nicht.
Von der Leyen hatte in ihrer Rede zum “De-Risking”, jedoch nicht zum Decoupling der Wirtschaftsbeziehungen mit China aufgerufen. Inwiefern die Reise Macrons einen wirtschaftlichen Nutzen bringen wird, wird wohl der Lauf der Woche zeigen: Airbus verhandele mit China über eine neue Runde von Flugzeugbestellungen, berichtete Reuters unter Berufung auf französische Regierungs- und Industrie-Quellen am Montag.
Auch Airbus-CEO Guillaume Faury ist Teil der Wirtschaftsdelegation. Der Abschluss von Mega-Aufträgen für Airbus und andere Konzerne hat fast schon Tradition. 2019 erhielt Airbus einen 30-Milliarden-Euro-Auftrag aus der Volksrepublik. Die französische Regierung habe “nicht die Absicht”, sich von China abzukoppeln, hieß es aus dem Élysée vor der Reise. Die Handelsschutzmaßnahmen der EU würden jedoch unterstützt.
Angesichts der Verhärtung der chinesischen Politik müssten die Europäer in der Lage sein, einheitlich zu reagieren, meint die französische Europa-Politikerin Marie-Pierre Vedrenne. “Sowohl Macron als auch Ursula von der Leyen haben bereits deutlich gemacht, dass Europa zum Dialog und Handel mit China bereit ist, aber auf Augenhöhe“, sagt Vedrenne Table.Media. “Unsere Handelspolitik mit China muss die Werte und die Unabhängigkeit Europas respektieren.” Dazu gehöre auch die Anwendung neuer und geplanter handelspolitischer Instrumente.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) forderte, von der Leyen solle bei ihrem Besuch auch das Investitionsabkommen CAI ansprechen. “Denn nach der Aufhebung aller chinesischer Sanktionen gegen EU-Personen und -Institutionen könnte das Abkommen aus dem Gefrierschrank geholt werden”, teilte Ulrich Ackermann, Leiter VDMA Außenwirtschaft, mit.
Von der Leyen hatte einer zeitnahen Wiederaufnahme der Arbeit an CAI in ihrer Grundsatzrede jedoch eine Absage erteilt. Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren seit der politischen Einigung maßgeblich geändert, so die EU-Kommissionspräsidentin.
Nach Sánchez, von der Leyen und Macron geht es mit dem europäischen Besuch auch nach den Osterfeiertagen weiter: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wird die chinesische Hauptstadt im Rahmen einer Asien-Reise besuchen. Baerbock soll vom 12. bis 18. April nach China, Südkorea und zum G7-Außenministertreffen in Japan reisen, wie Kreise Table.Media bestätigten. Bei der Baerbock-Reise soll bei den Gesprächen auch die China-Strategie der Bundesregierung eine Rolle spielen. Weitere Punkte der Agenda sind bisher nicht bekannt.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell will diesmal vor der neuen Runde im Dialog zwischen Belgrad und Pristina keine großen Erwartungen wecken. Man werde am Dienstag in Brüssel die nächsten Schritte diskutieren, wie das Abkommen über die Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo inklusive seines Anhangs umgesetzt werden könne. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Kosovos Premier Albin Kurti hätten ihre Teilnahme bestätigt. Es werde nur um “technische Fragen” gehen. Deshalb seien auch keine Pressestatements geplant.
Die Medienscheue ist nicht ohne Grund. Zweimal hat Josep Borrell in den letzten Wochen eine Einigung verkündigt und beide Male wurde er kurz danach desavouiert. Inzwischen steht die Glaubwürdigkeit des EU-Außenbeauftragten auf dem Spiel. Zuerst ging es Ende Februar um ein Abkommen, in dem eine gegenseitige Anerkennung von Pässen, Diplomen, Autokennzeichen oder Zollstempel vereinbart wurde. Beide Seiten verpflichteten sich zumindest auf dem Papier, sich auf dem Weg in die EU nicht zu blockieren. Belgrad sagte demnach auch zu, Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie der Uno oder dem Europarat nicht länger zu hintertreiben.
Es ist die Idee des deutsch-französischen Plans einer de facto Anerkennung Kosovos durch Serbien, nach dem Vorbild des Grundlagenvertrags von 1972 zwischen der BRD und der damaligen DDR. Kosovo verpflichtete sich gleichzeitig, Autonomie für einen Verband von zehn mehrheitlich serbischen Gemeinden zu akzeptieren. Das Konzept soll von Jens Plötner stammen, dem außen- und sicherheitspolitischen Berater von Bundeskanzler Scholz. Bei einem Folgetreffen am Ohridsee ging es dann um einen Annex, mit einem Zeitplan und einer Reihenfolge der Schritte beider Seiten.
Beide Seiten seien sich einig, dass keine weiteren Diskussionen über das Abkommen nötig seien, verkündete Borrell nach dem ersten Treffen. Man habe einen “Deal”, sagte der EU-Außenbeauftragte nach der Diskussion über den Annex. Es gab jeweils nur ein Statement, Fragen waren nicht erlaubt. Deshalb herrscht auch Konfusion darüber, wieso keines der beiden Dokumente unterzeichnet ist. Vučić und Kurti müssten erst unterschreiben, wenn auch der Anhang bereit sei, hatte es ursprünglich geheißen. Unterschriften seien gar nicht nötig, heißt es jetzt in Brüssel. Abkommen und Annex seien integraler Teil bei der Annäherung Serbiens und des Kosovos an die EU.
Der Grund für die fehlenden Unterschriften dürfte aber woanders liegen: Er habe “unerträgliche Schmerzen” in seiner rechten Hand, sagte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić nach der jüngsten Runde des sogenannten Belgrad-Pristina-Dialogs zu Hause im Fernsehen. Und diese Schmerzen würden auch ganz sicher bis zum Ende seiner Amtszeit in vier Jahren anhalten. Belgrad starker Mann wollte dem heimischen Fernsehpublikum damit sagen, dass er niemals einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag mit Kosovo unterzeichnen werde.
Selbst eine de facto Anerkennung kommt für Vučić nicht infrage, unter Druck von Ultranationalisten zu Hause. Er sagt, Kosovo sei für ihn “nichts” und spricht lieber von den “Albanern”. Zahlreiche Punkte im deutsch-französischen Plan seien schwer oder gar nicht akzeptabel, so Serbiens Präsident. Zuletzt hatte die Führung in Belgrad Briefe in die EU-Hauptstädte geschickt, Kosovos Beitrittsantrag nicht entgegenzunehmen. Kurzfristiges Ziel ist der Beitritt zum Europarat. Auch hier hintertreibt Belgrad die Bemühungen des Kosovo um Aufnahme.
Für Kosovos Regierung ein Indiz, dass es Aleksandar Vučić nicht um die serbische Minderheit geht. Erst mit Kosovos Mitgliedschaft im Europarat könnten Angehörige der serbischen Minderheit in Straßburg Rechte einklagen. In Pristina kommt schlecht an, dass Borrell, trotz der öffentlichen Desavouierung durch Vučić, den Kosovo-Albanern mehr oder weniger deutlich die Verantwortung für den schleppenden Fortschritt beim Dialog zuschiebt. Anders als Vučić sei Kurti bereit gewesen, Abkommen und Annex zu unterzeichnen, heißt es in Pristina. Dort wird die Neutralität von Borrell und seinem Sondergesandten Miroslav Lajčák angezweifelt. Beide stammen aus EU-Staaten, die Kosovo nicht anerkannt haben.
Kosovo als vermeintlich schwächerer Kontrahent werde unter Druck gesetzt, Serbien als größter Staat in der Region geschont, so die Kritik. Borrell glaube nicht mehr an eine Normalisierung zwischen Belgrad und Pristina. Das Ziel der EU sei vor dem Hintergrund des Konflikts in der Ukraine nur noch, Serbien möglichst aus dem Einflussbereich Russlands herauszuholen. Ob das Kalkül aufgeht, ist dabei offen. Serbiens Präsident hat seine Schaukelpolitik zwischen Brüssel und Moskau bisher recht erfolgreich betrieben. So oder so deutet alles darauf hin, dass Kosovos Hoffnungen auf eine Normalisierung auf der Strecke bleiben.
Bei der Parlamentswahl in Finnland am Sonntag verzeichnen die bisher regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Sanna Marin zwar Zugewinne – sie legten um 2,2 Prozentpunkte auf 19,9 Prozent zu. Sie fielen aber dennoch auf den dritten Platz hinter die konservative Nationale Sammlungspartei von Ex-Finanzminister Petteri Orpo (20,8 Prozent) und die rechtspopulistische Partei Die Finnen (20,1 Prozent) zurück.
Nun zeichne sich eine Koalition unter Beteiligung der Rechtspopulisten ab, sagte Rikhard Husu, EU-Korrespondent für den finnischen Rundfunk, bei einer Veranstaltung der Landesvertretung Hessen in Brüssel. Politische Berührungsängste gebe es in Finnland keine, die (Wahren) Finnen waren schon 2015 an der Regierung beteiligt. Zumindest in der Finanzpolitik sei nun ein Kurswechsel zu erwarten.
Die Finanzpolitik hatte bereits zusammen mit der Migration den Wahlkampf in Finnland beherrscht. Den Sozialdemokraten wurde vorgeworfen, zu viele Schulden zu machen und die finanzielle Stabilität des Landes zu gefährden. Vor diesem Hintergrund erwarte er eine Rückkehr zur Austeritätspolitik, so Husu. Zudem dürfte sich Helsinki gegen einen EU-Souveränitätsfonds wenden, wie ihn Frankreich fordert.
Unklar ist, welche Folgen das Wahlergebnis für die weit über Finnland hinaus bekannte und populäre Marin hat. In Brüssel wird sie als mögliche Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten bei der Europawahl im Frühjahr 2024 gehandelt. Ob sie dafür einen Ministerposten in der neuen finnischen Regierung braucht oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Als mögliche Konkurrenten Marins gelten unter anderem Kommissionsvize Frans Timmermans, dem aber eher Ambitionen in seiner Heimat Niederlande nachgesagt werden, und Spaniens Premier Pedro Sánchez, sollte dieser die Parlamentswahl zum Jahresende verlieren.
Die Sozialdemokratie schaut aber erst einmal besorgt auf das finnische Wahlergebnis. Der Wahlausgang sei “kein Grund zum Feiern“, sagte Katarina Barley von den deutschen Sozialdemokraten zu Table.Media. In Finnland stelle grundsätzlich die stärkste Partei die Regierungsspitze, diesmal also die Nationale Sammlungspartei. Diese ziehe eine Zusammenarbeit mit der EU-feindlichen Partei Die Finnen in Betracht.
“Damit setzt sich ein Muster fort, was unter europäischen Konservativen zur Gewohnheit zu werden scheint”, kritisierte Barley. Um die Macht im Europäischen Rat auszubauen, kollaborierten EVP-Mitgliedsparteien mit Europas Feinden – zuletzt in Italien und Schweden. “Die Konservativen tragen daher eine besondere Verantwortung: Wer sich mit Europas Feinden einlässt, der begräbt das europäische Projekt.”
Zunächst müssten sich aber vor allem die europäischen Sozialdemokraten Sorgen machen, meint Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Mit der Niederlage in Finnland komme auch das “kurze Revival” der sozialdemokratischen Parteienfamilie im Europäischen Rat zu Ende: Nach der Niederlage in Schweden und Finnland seien nur noch fünf Sozialdemokraten beim EU-Gipfel vertreten.
Neben Deutschland werden noch Spanien, Portugal, Malta und Dänemark sozialdemokratisch regiert. Allerdings verfügt auch die EVP nicht mehr über die – lange selbst-verständliche – Mehrheit. Das könnte sich allerdings mit der Wahl in Spanien im Dezember ändern, so von Ondarza: Wenn wie erwartet die Konservativen siegen, würde die EVP wenige Monate vor der Europawahl wieder die Oberhand gewinnen.
05.04.2023 – 10:00-12:30 Uhr, online
ZIA, Seminar ESG-Compliance im Baurecht und in der Projektentwicklung
Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) stellt die aktuell bestehenden Anforderungen der Taxonomieverordnung aus rechtlicher Sicht vor. INFOS & ANMELDUNG
05.04.2023 – 14:00-15:30 Uhr, online
FSR, Panel Discussion The role and design of Contracts for Difference for a future-proof Electricity Market Design
The Florence School of Regulation (FSR) brings together a group of experts to consider which role Contracts for Difference could play in the future market design. INFOS & ANMELDUNG
05.04.2023 – 15:00-16:00 Uhr, online
KAS, Diskussion Die EU-Montenegro-Beziehungen zwischen Beitrittshoffnung und politischer Blockade
Das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und das KAS-Auslandsbüro in Serbien und Montenegro diskutieren über die Beziehungen zwischen Montegro und der EU nach elf Jahren Beitrittsverhandlungen. INFOS & ANMELDUNG
06.04.2023 – 09:00-18:00 Uhr, Paris (Frankreich)
HBS, Conference Feminist foreign policy: From ambition to action
Women in International Security (WIIS) and the Paris office of the Heinrich Böll Foundation (HBS) bring together practitioners, researchers and diplomats to develop a common definition to the concept of feminist foreign policy and exchange good practices. INFOS & ANMELDUNG
06.04.2023 – 10:30-11:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Infoveranstaltung Stadtwerke-Initiative Klimaschutz
Auf der Infoveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt sich die Stadtwerke-Initiative Klimaschutz mit ihrem Ziel der schrittweisen Treibhausgasreduktion vor. INFOS & ANMELDUNG
06.04.2023 – 20:00-21:00 Uhr, online
FNF, Podiumsdiskussion Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO): Haben wir ihre geopolitische Bedeutung unterschätzt?
Drei Expertinnen und Experten diskutieren über die geopolitische Bedeutung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im Lichte aktueller Entwicklungen. INFOS & ANMELDUNG
In wenigen Stunden wird Finnland offiziell neues Nato-Mitglied sein. Am Rande des Treffens der Nato-Außenminister in Brüssel soll das Land in dem Verteidigungsbündnis willkommen geheißen werden, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag. “Es wird ein guter Tag für Finnlands Sicherheit, für die nordische Sicherheit und für die Nato insgesamt sein.” Auch Schweden werde dadurch sicherer werden.
Das Treffen soll unter anderem der Vorbereitung des Gipfels der Staats- und Regierungschefs in Vilnius am 11. und 12. Juli dienen. Dort will das Bündnis eine neue Vorgabe für die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten festlegen.
Zehn Verbündete haben inzwischen das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erreicht, das 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales als Reaktion auf die russische Annexion der Krim vereinbart worden war. Das Ziel sollte bis 2024 von allen Mitgliedstaaten erfüllt werden, was Nachzüglern wie Deutschland, dessen Militärausgaben zuletzt 1,5 Prozent ausmachten, noch etwas Zeit lässt.
Einige Nato-Staaten, darunter auch Deutschland, kritisieren die Fokussierung auf rein quantitative Ziele. Die Bundesregierung hatte hier im vergangenen Jahr allerdings auch das zweite in Wales vereinbarte Ziel knapp verpasst, das vorsieht, zwanzig Prozent des Verteidigungsetats für Investitionen in Rüstungsgüter zu verwenden.
Wenig Chance hat die Forderung der Staaten entlang der Ostflanke nach einem neuen Ziel in der Höhe von drei Prozent des BIP. Als Kompromiss zeichnet sich ab, dass zwei Prozent als obligatorisches Minimum fixiert werden. Umstritten ist, ob ähnlich wie in Wales zeitlich fixiert werden soll, bis wann die Mitgliedstaaten diese Untergrenze erreichen sollen.
Bis zum Gipfel im Juli in Litauen soll auch die Frage der Nachfolge von Jens Stoltenberg geklärt werden. Das Mandat des Norwegers läuft Ende November aus. Im Gespräch ist unter anderem Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Aber selbst eine erneute Verlängerung für Jens Stoltenberg bis zum Nato-Gipfel in Washington im April 2024 ist mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine nicht ganz ausgeschlossen. sti/klm
Paris hat am Montag seinen Gesetzentwurf für eine grüne Industrie vorgestellt. In dem Entwurf werden in den fünf Schwerpunkt-Kategorien insgesamt 29 Vorschläge gemacht. Dabei geht es sowohl um eine Antwort auf den amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) als auch um die Ankurbelung der nationalen Industrieproduktion.
Die Ambitionen sind groß: Frankreich soll “die erste europäische Nation der grünen Industrie” werden – und das ohne Mehrausgaben durch die öffentlichen Finanzen. Der Gesetzentwurf besteht aus zwei Teilen, wie Bruno Le Maire, der Minister für Wirtschaft und Finanzen, bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs erklärte: “Beschleunigung, Erleichterung und Finanzierung” der Dekarbonisierung der bestehenden Industrien sowie die Verbesserung des Rechtsrahmens, um die Schaffung neuer Industrien auf französischem Boden zu ermöglichen – beispielsweise die Herstellung von Batterien, Solarzellen oder Wärmepumpen.
Der Gesetzentwurf zu grüner Industrie werde mit den europäischen Vorschriften vereinbar sein, betonte der Parlamentarier Guillaume Kasbarian, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der Nationalversammlung und Koordinator des Gesetzentwurfs. Kasbarian erklärte, dass der einzige Streitpunkt die Kernenergie betrifft, “aber der europäische Text lässt den Staaten einen großen Spielraum”.
Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis dreimonatiger Konsultationen mit Akteuren aus Politik, Industrie und Zivilgesellschaft. Er gliedert sich in folgende Bereiche:
Der Gesetzentwurf ist eine Reaktion auf den amerikanischen Inflation Reduction Act, aber auch ein “politisches Projekt”, um die Deindustrialisierung des Landes und den damit einhergehenden Verlust von Arbeitsplätzen aufzuhalten. “Frankreich ist das einzige westliche Land, das seine Industrie aufgegeben hat”, sagte Le Maire und verwies auf die zahlreichen Schließungen und Verlagerungen von Fabriken in Frankreich während der vergangenen Jahrzehnte. “Und wenn eine Fabrik schließt, wird ein Büro der Rassemblement National eröffnet”, fügte er in Bezug auf die rechtsextreme Partei hinzu.
Auch wenn das neue Gesetz ohne zusätzliche Ausgaben auskommen will: Laut aktuellen Zahlen des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE sind zusätzliche Investitionen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro in die Stromnetze erforderlich, um die Dekarbonisierungsziele der Industrie zu erreichen.
Zum einen schreite die Elektrifizierung bestimmter Prozesse voran, zum anderen die Entwicklung von grünem Wasserstoff. Zugleich schnelle die neu beantragte Leistung in die Höhe: “Wir sind von Anträgen auf Leistungserhöhung von einigen Dutzend Megawatt auf einige Hundert oder sogar Tausend Megawatt übergegangen”, sagte Jean-Philippe Bonnet, stellvertretender Generaldirektor der Strategieabteilung von RTE.
Um bereit zu sein, setzt der Netzbetreiber auf das neue Gesetz über erneuerbare Energien. Die Bestimmungen zielen darauf ab, die bestehenden Verwaltungsfristen für neue Netzleitungen zu vereinfachen, “ohne die technischen Überprüfungen infrage zu stellen”, so Bonnet. cst
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für einen baldigen Beitritt Rumäniens zum Schengenraum ausgesprochen. “Ich hoffe, dass es noch in diesem Jahr gelingt”, sagte er am Montag bei einem Besuch in Bukarest. “Rumänien hat alle Voraussetzungen dafür erfüllt, damit der Schengen-Beitritt jetzt stattfinden kann.”
Ein Beitritt der EU-Staaten Rumänien und Bulgarien war zuletzt an einem österreichischen Veto gescheitert. Aber auch aus den Niederlanden gab es Einwände. Präsident Klaus Iohannis kritisierte die kritische Haltung der Länder: Rumänien habe den Antrag vor fast zwölf Jahren gestellt und alle Bedingungen dafür erfüllt. Inzwischen seien auch die Rechtsstaatsdefizite ausgeräumt, wegen derer das Land von der EU-Kommission bis Ende 2022 gesondert überwacht worden war.
Es gebe Ängste in Österreich wegen einer möglichen illegalen Migration über Rumänien, die es aber gar nicht gebe, argumentierte Iohannis. Man werde nun Pilotprojekte an der rumänisch-serbischen Grenze beginnen, um zu zeigen, wie effektiv die Grenzkontrollen sein könnten.
Scholz und Iohannis sagten zudem der Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, ihre Unterstützung gegen eine russische Bedrohung bei einem Treffen zu. Vor allem die Energieversorgung des kleinen Landes müsse gesichert werden. Sowohl Iohannis als auch Sandu betonten, Moldau sei anhaltenden hybriden Angriffen Russlands ausgesetzt. tho/rtr
In ihrer heute erscheinenden Panorama-Analyse, bei der die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) im Rahmen einer Metabetrachtung fünf Dimensionen der EU begutachtet, kommen die Autoren zu gemischten Ergebnissen:
Wirtschaftlich
Mitgliedstaatliche Unterstützung für Europa
Globales Umfeld
Ein besonderes Gewicht legen die KAS-Autoren auf die kommenden Monate: “Die beiden Ratspräsidentschaften im Jahr 2023 (Schweden und Spanien) sollten das window of opportunity, das aktuell bei der inneren und äußeren Handlungsfähigkeit offensteht, nutzen”, heißt es in der Analyse der KAS. Es sollte vor allem dazu genutzt werden, “kontroverse Themen wie Migration proaktiv anzugehen und bei der außen- und verteidigungspolitischen Koordinierung eine Institutionalisierung zu erwirken, – bevor im Zuge des aufziehenden Wahlkampfs rund um die Europawahl 2024 der Handlungsspielraum wieder enger werden wird.”
Was die Panorama-Analyse-Autoren nicht schreiben: Wenn nach der belgischen Ratspräsidentschaft ab Mitte 2024 die Doppelratspräsidentschaft Ungarn und Polens ansteht, könnte sich dieses Fenster schnell schließen. Insbesondere, wenn die polnischen Parlamentswahlen im Oktober oder November 2023 den Krawallkurs der Jarosław Kaczyński-Partei Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit, kurz PiS) bestätigen sollten, könnte die EU einige bleierne Monate erwarten. fst
Sophia Besch schlägt Brücken zwischen unterschiedlichen Perspektiven auf Sicherheitsfragen. In Berlin, Paris, London und Brüssel hat sie die dortigen Akzente der Sicherheitspolitik kennengelernt. Im vergangenen Herbst wechselte sie vom Center for European Reform (CER) in Berlin nach Washington an die Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden.
Als Besch an der Uni Münster Politik und Humanitäres Recht studierte, stand die Frage nach einer möglichen Intervention in Libyen im Raum: “Ich fand unbefriedigend, dass Deutschland keine Position bezog”, sagt sie. Während ihres Masters in Paris und London beschäftigte sie sich mit EU-Verteidigungsstrategien und der Nato. Gerade befindet sie sich in den letzten Zügen ihrer Promotion am Londoner Kings College zur Rolle der EU in der Rüstungspolitik.
Die 32-Jährige beobachtet in ihrer Forschungsarbeit, wie deutsche Sicherheitspolitik im Ausland wahrgenommen wird. Die USA disziplinierten die Europäer bei den Rüstungslieferungen für die Ukraine, sagt sie. “Amerika hat in Rüstungsfragen die Führung in Europa übernommen.” Dass Olaf Scholz nach langem Zögern die Zusage zur Lieferung von Kampfpanzern für die Ukraine als Beispiel deutscher Führung verkaufte, habe in Washington für Irritation gesorgt – die Definitionen von Führung seien in Berlin und Washington unterschiedlich.
“Wir als Europäer erwarten, dass Amerika sich mit unseren spezifischen historischen und kulturellen Eigenheiten auseinandersetzt”, sagt sie. Europa könne sich nicht mehr auf seinen Sonderstatus bei den Amerikanern verlassen. Umso wichtiger sei es, dass Europa mit einer Stimme spreche, statt einzeln mit den USA zu verhandeln. Das gelte auch für das Beschaffungswesen: “Ich hoffe, dass wir in Rüstungsfragen europäisch denken und die Fragmentierung der vergangenen Jahrzehnte nicht zementieren.”
Die Verteilung der Lasten zwischen den Unterstützer-Ländern werde in den USA zunehmend kritisiert. Besonders paradox sei, dass transatlantisch eingestellte Republikaner bei der Münchner Sicherheitskonferenz für mehr Unterstützung warben, während republikanische Wähler die Unterstützung für die Ukraine immer skeptischer betrachten.
Die transatlantischen Beziehungen geraten zunehmend unter Druck, sagt Besch. Dafür nennt sie drei Gründe: Erstens nehme das Thema China und die Pazifik-Region immer mehr Aufmerksamkeit ein. Zweitens stehe ein Generationswechsel an und drittens schreite der Isolationismus voran. “Diese Regierung könnte die letzte echte transatlantische Regierung sein”, sagt sie. “Amerika möchte sich aus der Welt zurückziehen.” Das gelte für Republikaner und Demokraten.
Das vergangene Jahr war turbulent, auch für sie. Internationale Medien suchen bei ihr nach Erklärungen. Dabei habe sie erkannt, dass sie trotz großen Interesses an tagesaktueller Einordnung sich trotzdem weiter auf ihre Forschungsprojekte konzentrieren wolle: “Ich halte es für wichtig, meine Expertise zu vertiefen und dann zu kommentieren, wenn ich wirklich etwas zur Debatte beizutragen habe.” Bei dem Stress des vergangenen Jahres bleibt ihr aber trotzdem Zeit zur Entspannung. In Washington hat sie Comedy Clubs für sich entdeckt. Lukas Homrich