Table.Briefing: Europe

China bedroht niederländische Journalistin + Stichwahl in der Türkei + CRMA: Beers Berichtsentwurf

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Berlin und Aachen kam man gestern kaum an dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorbei. Vormittags dankte Selenskyj Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier für die Unterstützung und bat gleichzeitig um weitere Mittel – nachmittags nahm er in Aachen den Internationalen Karlspreis für Verdienste um die Einheit Europas entgegen.

In der Türkei stehen die Zeichen auf Stichwahl: Nach der Auszählung fast aller Stimmen liegt Präsident Recep Tayyip Erdoğan zwar vorn, hat jedoch mit knapp 49,5 Prozent nicht die absolute Mehrheit erreicht. Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu liegt bei rund 45 Prozent der Stimmen. Lesen Sie mehr dazu in unseren News.

Eine niederländische Journalistin ist zum Ziel einer massiven Einschüchterungskampagne geworden, hinter der China vermutet wird. Marije Vlaskamp hat selbst 25 Jahre lang als Korrespondentin aus Peking berichtet – und berichtet nun in ihrer Zeitung “de Volkskrant” von inszenierten Bombendrohungen in Den Haag. Hierzu hat Stephan Israel eine sehr lesenswerte Analyse geschrieben.

Einen guten Start in die neue Woche wünscht Ihnen

Ihre
Leonie Düngefeld
Bild von Leonie  Düngefeld

Analyse

Wie China Kritiker in Europa bedroht

Marije Vlaskamp weiß, wie die chinesischen Behörden vorgehen, wenn sie jemanden mundtot machen wollen. Schließlich hat die Niederländerin vor ihrer Rückkehr nach Den Haag fast 25 Jahre lang als Korrespondentin aus Peking berichtet. Und dennoch ist sie jetzt schockiert. Die 54-jährige Journalistin beschreibt in ihrer Zeitung “de Volkskrant” ausführlich, wie sie selbst Ziel einer massiven Einschüchterungskampagne geworden ist. Bis hin zu einer inszenierten Bombendrohung in ihrem Namen und im Namen von Wang Jingyu, eines ihrer Gesprächspartner aus der chinesischen Dissidentenszene.

Dies war der Auslöser für Marije Vlaskamp und ihre Redaktion, mit der Geschichte in eigener Sache an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Journalistin hatte Wang Jingyu seit seiner Flucht aus China und der Ankunft in den Niederlanden begleitet, an seinem Beispiel beschrieben, wie China Dissidenten und Kritiker auch im Exil terrorisiert. Im Herbst dann die Eskalation: Wang Jingyu bekam neue Drohungen über den Nachrichtendienst Telegram, in denen er als “Verräter” beschimpft und aufgefordert wurde, seinen Mund zu halten. Er solle keine Interviews mehr geben, sein Twitterkonto löschen und dafür sorgen, dass die Artikel über ihn aus dem Netz genommen werden. “Ein Hinweis von mir und die Polizei verhaftet Dich und deine Journalistenfreundin”, so die letzte Ankündigung.

Falsche Bombendrohungen in Vlaskamps Namen

Nahezu gleichzeitig erhielten Marije Vlaskamp und Wang Jingyu Bestätigungen für eine Buchung im selben Hotel im Den Haager Regierungsviertel nahe der chinesischen Botschaft, die sie selbst nicht getätigt hatten. Endgültig alarmiert war die Journalistin, als sie in den Nachrichten von einer Bombendrohung hörte, und dass die Polizei das Regierungsviertel weiträumig abgesperrt hätte. Wenig später folgte eine weitere Bombendrohung in ihrem Namen gegen Chinas Botschaft in Oslo.

Die Taktik der psychologischen Kriegsführung werde sonst vom chinesischen Regime gegen ehemalige chinesische Staatsbürger, Dissidenten, Uiguren oder Tibeter angewandt, so Marije Vlaskamp. Es sei wohl eine Premiere, dass unbekannte Personen im Namen des chinesischen Staates eine niederländische Journalistin außerhalb Chinas bedrohen. Die Angreifer versuchen dabei nicht einmal, ihren Hintergrund zu vertuschen. Die Botschaft selbst alarmierte im Fall der angeblichen Bombendrohung die Polizei und soll dabei auch die Namen von Vlaskamp und Wang Jingyu genannt haben. Bombendrohungen und Hotelreservierungen könnten zu IP-Adressen in China und Hongkong zurückgeführt werden, meldeten zudem die niederländischen Justizbehörden.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat diese Woche die Behörden aufgefordert, die Verantwortlichen hinter den falschen Bombendrohungen im Namen von zwei Journalisten in den Niederlanden und Deutschland zu identifizieren. Die in Deutschland lebende chinesische Journalistin Su Yutong, die für den Sender “Free Asia” berichtet, ist im ähnlichen Stil massiv unter Druck gesetzt worden. In ihrem Namen wurden unter anderem Hotels in Berlin, New York, Huston, Los Angeles und Istanbul gebucht, gefolgt von falschen Bombendrohungen. “Diese besonders bösartigen Methoden tragen alle Kennzeichen der Einschüchterungstaktiken des chinesischen Regimes”, erklärte die NGO.

Kaum noch Forschung aus Angst vor China

Ähnlich sieht es der niederländische EU-Abgeordnete Bart Groothuis, Experte im Kampf gegen Desinformation und ausländische Einflussnahme. Er spricht von der Handschrift des United Front Work Department, einem Instrument von Chinas kommunistischer Partei, um Kritiker auch im Ausland mundtot zu machen. “Der Angriff auf Marije Vlaskamp ist ein neues Signal, wozu China bereit ist, um Leute auch im Westen zum Schweigen zu bringen”, sagt der Politiker der rechtsliberalen Regierungspartei von Premier Mark Rutte.

Inzwischen gebe es auch kaum mehr Wissenschaftlerinnen und/oder Hochschulen im Westen, die Forschung etwa zum Schicksal der Uiguren, über das Ende der Freiheit in Hong Kong oder zum Netzwerk der United Front betreiben würden. Man müsse fürchten, dass Kontakte belästigt würden oder dass man bei Reisen im Ausland festgenommen werde. Etwa auch wegen der Auslieferungsabkommen, welche China mit vielen Staaten weltweit abgeschlossen habe.

Groothuis sieht Geheimdienste und Sicherheitsbehörden in der Pflicht. Dort habe man lange den Fokus auf Russland gehabt und die Gefahr durch China vernachlässigt. Es nütze zudem nichts, chinesische Botschafter einzubestellen und zu protestieren. “Wir müssen China klar kommunizieren, dass feindliche Einflussnahme und Einschüchterungskampagnen einen ökonomischen Preis haben”. Groothuis plädiert nicht etwa für eine Abkoppelung von China. Die EU müsse aber gezielter als bisher Investitionen aus China, Russland und dem Iran unter die Lupe nehmen, immer mit dem Fokus auf mögliche Sicherheitsrisiken für die westlichen Demokratien. Der Europaparlamentarier sieht dies als zentrale Aufgabe für die nächste EU-Kommission.

“Behörden haben Gefahr durch China vernachlässigt”

Klartext spricht auch Alerk Ablikim. Der Niederländer und gebürtige Uigure ist Mitgründer einer Plattform verschiedener Einwanderergruppen, unter anderem auch aus der Türkei, Marokko, Eritrea oder Belarus, die gegen ausländische Einflussnahme mobilisieren. Der Fall von Marije Vlaskamp zeige, wie groß das Problem der Einschüchterung durch ausländische Regime in Europa inzwischen sei. Einwanderer aus China, der Türkei Marokko oder Eritrea würden täglich unter dem langen Arm ihres Herkunftslandes leiden. Es reiche nicht, eine Hotline einzurichten und die Strafbarkeit für Spionage zu verschärfen, wie es die niederländische Regierung vorhat.

Die Plattform fordert die Regierung in Den Haag in einem offenen Brief auf, einen nationalen Koordinator einzusetzen: “Ausländische Einmischung – einschließlich Einschüchterung – ist ein wachsendes gesellschaftliches Problem, das die niederländische Demokratie bedroht”. Die Politik müsse generell entschlossener reagieren, so Mitinitiator Alerk Ablikim.

Der Aktivist erwähnt konkret das Beispiel der illegalen Polizeistationen, von denen aus China Oppositionelle drangsaliere. Auch in den Niederlanden hat China zwei Stationen betrieben. China habe die Stationen in Rotterdam und Amsterdam nach Protesten zwar geschlossen. Anders als in den USA habe es aber keine Festnahmen oder andere Konsequenzen gegeben. Das sei wie eine Einladung an China. Der Aktivist fordert, dass Europa zukünftig deutlicher rote Linien gegen feindliche Einmischung aufzeige und die westlichen Demokratien grenzüberschreitende Repression entschiedener bekämpfen.

  • China

CRMA: Beers Berichtsentwurf

Vor genau acht Wochen hat die EU-Kommission ihren Gesetzesvorschlag für den Critical Raw Materials vorgestellt. In rasantem Tempo hat nun Berichterstatterin Nicola Beer (FDP) ihren Berichtsentwurf fertiggestellt. Kommenden Montag soll dieser im Industrieausschuss des Europaparlaments diskutiert werden, Table.Media liegt der Entwurf bereits vor.

Der Vorschlag der Kommission gehe insgesamt in die richtige Richtung, schreibt Beer in ihrer Stellungnahme. Sie begrüße besonders Aspekte wie die Identifizierung strategischer Rohstoffe, die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und die zentrale Anlaufstelle für Projektträger (One-Stop-Shop) sowie den Rahmen für strategische Projekte und strategische Partnerschaften. Beer ruft außerdem alle beteiligten Akteure dazu auf, die Dringlichkeit des Gesetzespakets zu beachten.

Die insgesamt 107 Änderungsanträge ihres Berichtsentwurfs verfolgen fünf zentrale Ziele:

  1. Anreize für Substitution und Innovation in den kritischen Rohstoff-Wertschöpfungsketten schaffen
  2. die Genehmigungsverfahren, die Überwachung und die Governance auf EU- und nationaler Ebene straffen
  3. den bürokratischen und administrativen Aufwand für Unternehmen verringern
  4. Anreize schaffen, um die Industrien der Zukunft in die EU zu locken
  5. strategische Partnerschaften auf Augenhöhe fördern, damit beide Seiten davon profitieren.

Differenzierung der Recyclingziele

An den Benchmarks der Kommission für die Stärkung des heimischen Bergbaus, der lokalen Weiterverarbeitung und der Recyclingkapazitäten hält Beer fest. Allerdings will sie das Recyclingziel ergänzen: Die Recyclingkapazität für jeden strategischen Rohstoff soll bis 2030 um jeweils 7,5 Prozent steigen.

Die Definition der “Gewinnung” von Rohstoffen soll laut Berichtsentwurf auch die sekundäre Gewinnung von Rohstoffen und Nebenprodukte einbeziehen. Es müsse sichergestellt werden, dass strategische Rohstoffe, die nur als Nebenprodukt anderer Produkte gewonnen werden, ebenfalls den Status eines strategischen Projekts erhalten können. Darüber hinaus stärkt der Bericht die Rolle der Substitution strategischer durch alternative Rohstoffe.

Die Liste strategischer Rohstoffe soll alle zwei Jahre aktualisiert werden, statt alle vier Jahre, wie von der Kommission vorgesehen. Jeder Rohstoff, der nach einem Update von der Liste gestrichen wird, soll laut Entwurf trotzdem zwei weitere Jahre als strategischer Rohstoff gelten.

Wenig überraschend zieht sich das Ziel einer stärkeren Rücksichtnahme auf kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) durch den Entwurf. So will Beer die Definition großer Unternehmen ändern: Laut Entwurf sollen diese durchschnittlich mehr als 1500 Beschäftigte haben (statt 500, wie die Kommission vorsieht) und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 2000 Millionen Euro erzielen (statt 150 Millionen), sodass mittelgroße Unternehmen von bestimmten Vorschriften wie dem Risikomanagement ausgenommen sind. Zudem soll im European Raw Materials Board eine Untergruppe mit KMU-Vertretern geschaffen werden.

Weniger Bürokratie, mehr Planungssicherheit

Vorschriften wie verbindliche Zeitpläne für Kommission und Board im Bewerbungsprozess für die strategischen Projekte oder die Stärkung der Wertschöpfungsketten über 2030 hinaus sollen den Unternehmen eine größere Planungssicherheit bieten.

Weitere Änderungen der Berichterstatterin zielen auf eine Verringerung des Verwaltungsaufwands ab. Etwa streicht sie für strategische Projekte das Kriterium der grenzüberschreitenden Vorteile und stärkt die Rolle der Kommission als Hauptansprechpartnerin für die Projektträger. Die Kommission soll zudem Projektträger und Mitgliedstaaten stärker unterstützen, etwa in der Durchführung der nationalen Explorationsprogramme.

Beer will außerdem die Rolle des Parlaments stärken: Statt einer Beobachterrolle soll ein EP-Vertreter neben Rat und Kommission volles Mitglied im Board sein. Außerdem soll das Board regelmäßig über die Entwicklung der Partnerschaften mit Drittländern und deren beidseitigen Nutzen an das Parlament berichten.

Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur strategischen Vorratshaltung sowie den Richtwert für ein sicheres Vorratsniveau auf EU-Ebene will Beer streichen; die Entscheidung solle den Mitgliedstaaten überlassen werden. Sie will die Vorgaben auf ein freiwilliges Monitoring beschränken.

  • Critical Raw Materials Act
  • Europäisches Parlament
  • ITRE
  • Rohstoffe
  • Rohstoffstrategie

Wojciech Wiewiórowski: “Entscheidender Zeitpunkt für DSGVO”

Wojciech Wiewiórowski ist seit 2019 Europäischer Datenschutzbeauftragter.

Herr Wiewiórowski, was hat die Datenschutzgrundverordnung für den Durchschnitts-Europäer bewirkt?

Es ist uns gelungen, ein übergreifendes Rechtssystem für ganz Europa zu schaffen. Damit haben wir das gleiche Schutzniveau für personenbezogene Daten, egal wo der Anbieter in Europa sitzt. Für die Durchschnitts-Europäer bedeutet das, dass sie ihre Beschwerden immer bei ihrer eigenen Datenschutzbehörde einreichen können und sich nicht mit einem anderen Rechtssystem beschäftigen müssen. Das ist der Unterschied für diejenigen, die Beschwerden einreichen wollen.

Für alle Bürger bedeutet es zuallererst, dass die Aufmerksamkeit für Privatsphäre- und Datenschutzfragen sehr viel größer als in der Vergangenheit ist. Die ganze Diskussion rund um die DSGVO und ihr Inkrafttreten und die wichtigsten Fälle schaffen es immer wieder an die Spitze der Medienagenda.

Kritiker sagen, dass außer einigen sehr komplizierten Gerichtsverfahren wenig erreicht worden sei. Was entgegnen Sie denen?

Ich würde sagen, 99 Prozent der Fälle mit Datenschutzbezug sind nicht die großen, internationalen Fälle, sondern nationale und lokale. Und hier hilft das einheitliche Schutzniveau. Wir sehen da keine größeren Probleme.

Aber vor allem die internationalen Fälle erhalten Aufmerksamkeit

Wenn wir auf die großen, grenzüberschreitenden Fälle schauen, dann waren die ersten Jahre dieser neuen Datenschutz-Ordnung die Zeit, in der wir neue Verfahren ausprobieren mussten. Wir sind immer noch mitten im Prozess, dass die ersten von Datenschutzaufsichtsbehörden getroffenen Entscheidungen von Gerichten überprüft werden. Insgesamt sind aber Hunderte dieser grenzüberschreitenden Fälle bereits abgeschlossen.

Und auch die Fälle der großen Tech-Unternehmen werden jetzt von den Aufsichtsbehörden entschieden und dann von den Gerichten überprüft. Wenn Sie auf das Wettbewerbsrecht schauen: Da hat es sieben Jahre gebraucht, bis die ersten Bescheide erlassen wurden, bei der DSGVO sind es fünf. Und es gibt bereits eine große Fallrechts-Sammlung.

Fünf Jahre sind im digitalen Zeitalter allerdings wie Jahrhunderte – vor fünf Jahren haben wir über TikTok zum Beispiel noch gar nicht wirklich gesprochen. Muss die DSGVO-Durchsetzung nicht schneller werden?

Wir sollten bei rechtlichen Fragen schneller werden. Aber wir sollten auch nicht zu schnell werden, denn es ist nicht unsere Rolle als Datenschützer, die Zukunft vorherzusagen. Sie wird uns eh überraschen.

Manche sagen, dass es keine Diskussion zu KI gab, als die DSGVO diskutiert wurde. Ja, da war gerade der “KI-Winter”. Und auch Social Media sah anders aus. Aber die Grundprinzipien von Datenschutz und Privatsphäre sind die gleichen. Wir sollten gut vorbereitet sein auf das, was passiert, aber nicht versuchen, das Kaninchen zu jagen. Das wird immer schneller als die Legislative und die Gerichtsbarkeit sein.

Der bekannteste DSGVO-Fall ist wahrscheinlich jener von Facebook. Dieser liegt seit 2018 bei der irischen Datenschutzaufsicht und in dem Verfahren gab es viel Kritik an den Aufsichtsbehörden. Müssen Sie als Vertreter der Datenschutzaufsichtsbehörden nicht ehrlich sagen: Datenschutzverfahren dauern mitunter ewig?

Mich überrascht es nicht, dass die Datenschutzaufsichtsbehörden sehr vorsichtig an Verfahrensfragen herangehen. Eine der schlimmsten Sachen, die passieren könnte, wenn man die neue Verordnung durchsetzen will, wäre, wenn man die ersten drei Fälle aufgrund kleiner Verfahrensfehler verliert. Ich habe natürlich zur Länge des Verfahrens meine eigene Meinung, muss aber auch sagen, dass die Zahl der Entscheidungen zu großen Akteuren in den vergangenen zwölf Monaten deutlich gestiegen ist. Das ist jetzt der Zeitpunkt, an dem die kompliziertesten Fälle auf Ebene der Aufsichtsbehörden abgeschlossen werden.

Für viele Nutzer steht die DSGVO vor allem für Cookie-Banner. Deren Existzenz liegt allerdings vor allem am Zusammenspiel von DSGVO und alter E-Privacy-Richtline. Die E-Privacy-Verordnung steckt bis heute aber im Trilog fest. Sehen Sie irgendeine Möglichkeit, dass die Verordnung bald verabschiedet wird und sich für die Nutzer etwas ändert?

Eine schwierige Frage. Zum einen bedauere ich, dass die E-Privacy-Verordnung noch nicht da ist. Für mich wäre sie der natürliche, nächste Schritt. Zum anderen, wenn ich mir die letzten Vorschläge des Rates anschaue, bin ich wenig zuversichtlich, dass damit ein einheitliches System geschaffen würde. Es ist für Nutzer und Aufsichtsbehörden beschwerlich, dass wir keine E-Privacy-Verordnung haben. Aber es ist wichtiger, eine gute als irgendeine E-Privacy-Verordnung zu haben.

Nach fünf Jahren mit der DSGVO gibt es sicherlich auch aus Ihrer Sicht Verbesserungsbedarf. Was sollte geändert werden, wenn die Verordnung denn jemals angefasst wird?

Wir denken, dass vor allem die Durchsetzung verbessert werden kann, wofür wir Vorschläge gemacht haben, die jetzt von der Kommission aufgegriffen wurden. Aber größere Änderungen wird es nicht vor der nächsten Europaparlaments-Legislatur und der Amtszeit der nächsten Kommission geben. Momentan ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über größere Änderungen zu debattieren. Denn bislang sind die Möglichkeiten der DSGVO noch nicht ausgeschöpft.

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News

Türkei: Stichwahl zeichnet sich ab

Nach 20 Jahren an der Macht muss sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan voraussichtlich erstmals einer Stichwahl stellen. Beim Stand von rund 95 Prozent der ausgezählten Wahlurnen im Inland und rund 37 Prozent im Ausland liege Erdoğan bei 49,49 Prozent der Stimmen, sagte der Chef Wahlbehörde, Ahmet Yener, in Ankara am Montagmorgen (Stand 3.00 Uhr MESZ). Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu kam demnach auf 44,79 Prozent. Beide verfehlten damit die absolute Mehrheit von 50 Prozent und müssen am 28. Mai in eine Stichwahl gehen.

Auf dem weit abgeschlagen dritten Platz landete demnach Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-Allianz mit rund 5,3 Prozent. Dem Außenseiter könnte noch eine wichtige Rolle zukommen. Bei der Stichwahl wird wichtig sein, welche Wahlempfehlung er vorher abgibt.

Die Wahlbehörde gab das Ergebnis der Parlamentswahl zunächst nicht bekannt. Es zeichnete sich jedoch ab, dass Erdoğans Regierungsallianz ihre Mehrheit verteidigen konnte. Der Präsident hat seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 weitreichende Befugnisse, das Parlament mit seinen 600 Abgeordneten ist dagegen geschwächt.

Zweifel an Zahlen der Regierung

Die Wahl galt als richtungsweisend. Es wird befürchtet, dass das Nato-Land unter weiteren fünf Jahren Erdogan noch autokratischer werden könnten. Der 74-jährige Kilicdaroglu ist Kandidat für ein breites Bündnis aus sechs Parteien. Er verspricht die Rückkehr zu einem parlamentarischen System sowie zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auch international wird die Wahl aufmerksam beobachtet. Eine neue Regierung hätte Auswirkungen auf Konflikte in der Region wie etwa den Syrien-Krieg, aber auch auf das Verhältnis zur EU und Deutschland.

Schon zu Beginn der Abstimmung gab es Zweifel an den von der Staatsagentur Anadolu veröffentlichten Zahlen. Die oppositionellen Bürgermeister der Metropolen Istanbul und Ankara traten regelmäßig vor die Presse und beschuldigten die Regierung, die Werte von Erdogan zu schönen. Kılıçdaroğlu warf Erdoğans Partei AKP vor, die Auszählung in Hochburgen der Opposition mit Einsprüchen zu blockieren. Erdoğan warf der Opposition wiederum “Raub des nationalen Willens” vor. dpa

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Minister fehlen bei EU-Treffen mit Indo-Pazifik

Die EU-Außenminister haben sich angesichts eines erstarkenden Chinas für eine engere Zusammenarbeit mit Staaten im Indo-Pazifik ausgesprochen. Die Treffen von politischen Vertretern beider Seiten am Samstag in Stockholm habe dem gemeinsamen Engagement ein neues politisches Momentum verliehen, teilte der Europäische Auswärtige Dienst mit. Die EU müsse jedoch präsenter sein und “mehr leisten”, betonte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zum Abschluss. Kritik hatte es an der Teilnehmer-Liste der europäischen Seite gegeben: Lediglich 14 der 27 EU-Außenminister nahmen am Samstag an dem Treffen mit Vertretern aus der Indo-Pazifik-Region teil. Andere ließen sich durch Staatssekretäre oder Botschafter vertreten.

Auch bei der Sicht auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine stimmten beide Seiten offenbar nicht ganz überein. Mehrere asiatische Vertreter äußerten am Rande der Veranstaltung Positionen für ein sofortiges Ende des Kampfes in der Ukraine, auch wenn das Verlust von Territorium bedeutet. Diese Ansicht steht eher im Widerspruch zur Ansicht des Westens, dass ein Waffenstillstand es Russland ermöglichen würde, seine territorialen Errungenschaften in der Ukraine zu sichern. Die Bereitschaft, sich in den Spannungen Chinas mit dem Westen für eine Seite zu entscheiden, war Teilnehmer-Kreisen zufolge nicht sehr hoch.

Die EU-Außenminister hatten bereits am Freitag über ein Positionspapier zu China gesprochen. Die Minister der 27 Mitgliedstaaten stünden hinter dem Text, sagte Borrell am Freitag. In diesem ist keine massive Überarbeitung von der bisherigen Wettbewerber, Partner, Rivale”-Einteilung zu erwarten. Ein neuer Schwerpunkt in dem Papier wird auf aktuelle Themen wie die Ukraine und Taiwan gelegt. Der Bericht äußerte klare Unterstützung für die “Risikoabbau”-Strategie der EU und forderte die Mitglieder auf, sich auf Turbulenzen in der Taiwanstraße vorzubereiten. ari

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Selenskyj erhält Karlspreis: “Auftakt für weiteres Zusammenwachsen Europas”

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat gestern in Aachen den Internationalen Karlspreis entgegengenommen, der in diesem Jahr ihm und dem ukrainischen Volk für Verdienste um die Einheit Europas verliehen wurde. In der Begründung wurde die Rolle Selenskyjs bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs hervorgehoben: Er sei nicht nur der Präsident seines Volkes und der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee. Er sei “auch der Motivator, Kommunikator, der Motor und die Klammer zwischen der Ukraine und der großen Phalanx der Unterstützer“.

“Mit dem heutigen Preis senden wir eine klare Botschaft: Wir stehen an Präsident Selenskyjs Seite”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede. “Wir stehen an der Seite der Menschen in der Ukraine”.

Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Verleihung des renommierten Preises an Selenskyj und sein Volk als Auftakt für das weitere Zusammenwachsen in Europa. In seiner Laudatio nannte er dabei neben der Ukraine auch die Staaten des Westlichen Balkans, Moldau “und perspektivisch auch Georgien”.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki würdigte Selenskyj als einen Verteidiger europäischer Werte. Er sei “ein großer europäischer Führer”, ein “Held” und herausragender Staatsmann des 21. Jahrhunderts, sagte Morawiecki in Aachen. “Präsident Selenskyj ist ein Vorbild für jeden Politiker.”

Selenskyj bittet in Berlin um Lieferung moderner Kampfjets

Selenskyj war zuvor am Sonntag von Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzler Scholz in Berlin empfangen worden. Dort würdigte er die militärische Hilfe Deutschlands als sehr wichtig für sein Land. “Der Umfang der deutschen Hilfe ist der zweitgrößte nach den USA”, sagte er. Zugleich bat er um Unterstützung bei der Lieferung moderner Kampfjets. 

Vorbereitet wurde der Besuch in Deutschland mit der Zusage weiterer militärischer Unterstützung für die Ukraine im Wert von zusätzlichen 2,7 Milliarden Euro. Unter anderem sollen 20 weitere Marder-Schützenpanzer, 30 Leopard-1-Panzer und vier Flugabwehrsysteme Iris-T SLM von der deutschen Rüstungsindustrie bereitgestellt werden, wie das Verteidigungsministerium mitteilte.

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj, dass Deutschland die Ukraine weiter unterstützen werde und bereits Hilfe im Umfang von 17 Milliarden Euro geleistet habe. Auf Selenskyjs Bitte, die Ukraine in einer Koalition mit anderen Partnern durch die Lieferung moderner Kampfjets zu unterstützen, reagierte Scholz zurückhaltend. Deutschland habe der Ukraine sehr viel geliefert. Gerade was die Luftverteidigung betreffe, seien dies sehr moderne Waffen. “Das ist das, worauf wir uns als Deutsche jetzt konzentrieren.” Es gehe um den massiven Versuch sicherzustellen, dass Russland seine Truppen zurückziehe, wenn man den Frieden in der Ukraine sichern wolle, betonte Scholz.

Selenskyj hatte zuvor bereits Helsinki, Den Haag und Rom besucht. Nach seinem Deutschland-Besuch reiste er gestern Abend weiter nach Paris. dpa/rtr/leo

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CSA-Verordnung: Buschmann fordert andere EU-Justizminister zu Einmischung auf

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat gemeinsam mit seinen Amtskollegen in Luxemburg, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz die Justizminister der anderen EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, sich in die Debatte um die geplante Verordnung zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs einzumischen.

In einem zweiseitigen Brief, der Table.Media vorliegt, wenden sich der FDP-Politiker und seine Amtskollegen ausdrücklich an die in vielen Mitgliedstaaten nicht federführend zuständigen Justizressorts. Die Minister der Verfasserstaaten hielten es jedoch “für sehr wichtig, dass auch wir Justizministerinnen und Justizminister uns in die Diskussion einbringen”. Sie sollten die Debatte nicht nur den meist federführenden Innenressorts überlassen.

Hintergrund der ungewöhnlichen Aktion sind grundlegende rechtsstaatliche Bedenken gegen das Vorhaben der EU-Kommission. Die vorgeschlagenen Vorschriften zur automatisierten Durchsuchung könnten den Wesensgehalt von Artikel 7 (Achtung des Familien- und Privatlebens) und Artikel 8 (Schutz personenbezogener Daten) der Charta der Grundrechte berühren, heißt es in einem Gutachten des juristischen Dienstes des Rates von Ende April 2023.

Buschmann will mehr als Chatkontrolle verhindern

Mit dem Schreiben möchten Buschmann und seine Kollegen offenkundig eine vorschnelle Festlegung im Rat verhindern. Bevor die Allgemeine Ausrichtung dort erfolge, sollten die Gutachten des juristischen Dienstes des Rats und des wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments erst intensiv erörtert werden. Beide enthielten massive Kritik am Vorschlag der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.

Die sogenannte Chatkontrolle bei OTT-Messengern wird nach ursprünglich positiven Signalen der federführenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) von der Bundesregierung geeint abgelehnt. Allerdings geht es bei der nun von Buschmann und seinen Amtskolleginnen ebenfalls kritisierten automatisierten Durchsuchung von auf Servern abgelegten Inhalten um ein anderes Element des Vorhabens. Hier vertreten die FDP-geführten Justiz- und Digitalressorts und das SPD-geführte Innenministerium bislang keine einheitliche Linie. fst

  • CSA-VO
  • Deutschland
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Presseschau

Karlspreis: Scholz – Europa hat Selenskyj sehr viel zu verdanken WZ
EU-Kommissarin warnt vor Einfluss Moskaus auf deutsche Politik SPIEGEL
Viele Minister bleiben fern: EU-Treffen zu China – Die Farce von Stockholm ZDF
Ende des “Prinzips Hoffnung”?: Die EU sucht eine neue China-Strategie TAGESSPIEGEL
EU and US to pledge joint action over China concerns INDIA TIMES
EU vermittelt im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan DEUTSCHLANDFUNK
Strafen gegen Russland: Ungarn will neue Sanktionen der EU blockieren TAGESSCHAU
G7 und EU wollen Russlands Gas-Pipelines dauerhaft sperren SN
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Künftig werden für alle Warensendungen Zölle fällig SUEDDEUTSCHE
EU will mit neuem Seekabel Russland umgehen GOLEM
Trotz Wahlversprechen – Briten behalten hunderte EU-Gesetze bei WELT

Heads

Géza von Geyr – Deutschlands neuer Nato-Botschafter

Der Diplomat Géza von Geyr wechselt aus Moskau in die deutsche Vertretung bei der Nato.

Vor mehr als sechs Jahren, im März 2017, reiste Géza von Geyr nach Moskau. Der damalige Leiter der Politik-Abteilung im Berliner Verteidigungsministerium traf sich mit seinem russischen Gegenpart. Auf der Tagesordnung, so berichtete das Moskauer Ministerium, standen dabei unter anderem die russischen Bedenken “angesichts der Aktivitäten der Nato nahe der russischen Grenze” und von westlichen Raketenabwehrstellungen in Polen und Rumänien.

Der Besuch, den der ans deutsche Wehrressort ausgeliehene Diplomat von Geyr ein Jahr später wiederholte, fiel vor allem deshalb auf, weil die – militärischen – Gesprächskontakte zwischen der Nato und Russland seit der russischen Besetzung der Krim 2014 praktisch nicht mehr existierten. Der politische Direktor aus dem Berliner Bendlerblock versuchte, wenigstens auf politischer Ebene den Draht nach Moskau nicht abreißen zu lassen. Dass von Geyr dann 2019 das Verteidigungsministerium verließ und als deutscher Botschafter in die russische Hauptstadt wechselte, schien da nur folgerichtig.

Besondere Expertise nach vier Jahren in Moskau

Wenn der Diplomat, Jahrgang 1962, demnächst nach fast vier Jahren von Moskau als Botschafter an die deutsche Vertretung bei der Nato wechselt, verlässt er allerdings eine völlig gewandelte politische Lage in Russland – und trifft auf eine ebenfalls veränderte Allianz. Seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 haben sich die Beziehungen zwischen Russland und der Nato von einem frostigen Miteinander zu offener Gegnerschaft gewandelt. Er werde in Moskau als Feind angesehen, räumte von Geyr bei Gesprächen am Rande seiner Deutschlandbesuche ein. Gesprächskontakte in die russische Regierung gebe es praktisch nicht mehr.

Darauf stellt sich auch die Nato ein. Die Verteidigungspläne für ihre östlichen Mitgliedstaaten werden über-, teilweise sogar erst erarbeitet. Deutschland als der größte und bevölkerungsreichste Mitgliedstaat in Europa hat dabei eine wesentliche Rolle und bringt künftig mit seinem neuen Vertreter in Brüssel zusätzliche Expertise und vor allem Kontakte dafür mit.

Von Geyr wird die Beziehung zu Russland mitgestalten

Der studierte Historiker und Politikwissenschaftler von Geyr, der vor gut dreißig Jahren die klassische Diplomatenlaufbahn des Auswärtigen Amtes begann, hatte schon vor seinem Amtsantritt als Politischer Direktor im Verteidigungsministerium unter der damaligen Ressortchefin Ursula von der Leyen die Sicherheitspolitik zu seinem Schwerpunkt gemacht. Nach seinem ersten Posten als Attaché an der deutschen Botschaft in Marokko prägten praktisch nur noch außen- und sicherheitspolitische Aufgaben seine Arbeit. Dazu gehörten vor allem seine Tätigkeit als Referatsleiter in der Außen- und Sicherheitspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes und sein Posten als Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes.

Von Geyr, der als einer der klügsten strategischen Denker in der deutschen Diplomatie gilt, wird in seiner neuen Position entscheidenden Anteil an der Gestaltung der künftigen Beziehungen des Westens zu Russland haben. Im Juli 2018, noch als Politik-Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium, hatte er sich optimistisch gezeigt: Die Nato bleibe der Eckpfeiler der europäischen Sicherheit, aber er “hoffe sehr, dass es die Politik Moskaus erlauben wird, auch wieder zu einem besseren Miteinander mit Russland zu kommen“. Thomas Wiegold

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    In der Türkei stehen die Zeichen auf Stichwahl: Nach der Auszählung fast aller Stimmen liegt Präsident Recep Tayyip Erdoğan zwar vorn, hat jedoch mit knapp 49,5 Prozent nicht die absolute Mehrheit erreicht. Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu liegt bei rund 45 Prozent der Stimmen. Lesen Sie mehr dazu in unseren News.

    Eine niederländische Journalistin ist zum Ziel einer massiven Einschüchterungskampagne geworden, hinter der China vermutet wird. Marije Vlaskamp hat selbst 25 Jahre lang als Korrespondentin aus Peking berichtet – und berichtet nun in ihrer Zeitung “de Volkskrant” von inszenierten Bombendrohungen in Den Haag. Hierzu hat Stephan Israel eine sehr lesenswerte Analyse geschrieben.

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    Marije Vlaskamp weiß, wie die chinesischen Behörden vorgehen, wenn sie jemanden mundtot machen wollen. Schließlich hat die Niederländerin vor ihrer Rückkehr nach Den Haag fast 25 Jahre lang als Korrespondentin aus Peking berichtet. Und dennoch ist sie jetzt schockiert. Die 54-jährige Journalistin beschreibt in ihrer Zeitung “de Volkskrant” ausführlich, wie sie selbst Ziel einer massiven Einschüchterungskampagne geworden ist. Bis hin zu einer inszenierten Bombendrohung in ihrem Namen und im Namen von Wang Jingyu, eines ihrer Gesprächspartner aus der chinesischen Dissidentenszene.

    Dies war der Auslöser für Marije Vlaskamp und ihre Redaktion, mit der Geschichte in eigener Sache an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Journalistin hatte Wang Jingyu seit seiner Flucht aus China und der Ankunft in den Niederlanden begleitet, an seinem Beispiel beschrieben, wie China Dissidenten und Kritiker auch im Exil terrorisiert. Im Herbst dann die Eskalation: Wang Jingyu bekam neue Drohungen über den Nachrichtendienst Telegram, in denen er als “Verräter” beschimpft und aufgefordert wurde, seinen Mund zu halten. Er solle keine Interviews mehr geben, sein Twitterkonto löschen und dafür sorgen, dass die Artikel über ihn aus dem Netz genommen werden. “Ein Hinweis von mir und die Polizei verhaftet Dich und deine Journalistenfreundin”, so die letzte Ankündigung.

    Falsche Bombendrohungen in Vlaskamps Namen

    Nahezu gleichzeitig erhielten Marije Vlaskamp und Wang Jingyu Bestätigungen für eine Buchung im selben Hotel im Den Haager Regierungsviertel nahe der chinesischen Botschaft, die sie selbst nicht getätigt hatten. Endgültig alarmiert war die Journalistin, als sie in den Nachrichten von einer Bombendrohung hörte, und dass die Polizei das Regierungsviertel weiträumig abgesperrt hätte. Wenig später folgte eine weitere Bombendrohung in ihrem Namen gegen Chinas Botschaft in Oslo.

    Die Taktik der psychologischen Kriegsführung werde sonst vom chinesischen Regime gegen ehemalige chinesische Staatsbürger, Dissidenten, Uiguren oder Tibeter angewandt, so Marije Vlaskamp. Es sei wohl eine Premiere, dass unbekannte Personen im Namen des chinesischen Staates eine niederländische Journalistin außerhalb Chinas bedrohen. Die Angreifer versuchen dabei nicht einmal, ihren Hintergrund zu vertuschen. Die Botschaft selbst alarmierte im Fall der angeblichen Bombendrohung die Polizei und soll dabei auch die Namen von Vlaskamp und Wang Jingyu genannt haben. Bombendrohungen und Hotelreservierungen könnten zu IP-Adressen in China und Hongkong zurückgeführt werden, meldeten zudem die niederländischen Justizbehörden.

    Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat diese Woche die Behörden aufgefordert, die Verantwortlichen hinter den falschen Bombendrohungen im Namen von zwei Journalisten in den Niederlanden und Deutschland zu identifizieren. Die in Deutschland lebende chinesische Journalistin Su Yutong, die für den Sender “Free Asia” berichtet, ist im ähnlichen Stil massiv unter Druck gesetzt worden. In ihrem Namen wurden unter anderem Hotels in Berlin, New York, Huston, Los Angeles und Istanbul gebucht, gefolgt von falschen Bombendrohungen. “Diese besonders bösartigen Methoden tragen alle Kennzeichen der Einschüchterungstaktiken des chinesischen Regimes”, erklärte die NGO.

    Kaum noch Forschung aus Angst vor China

    Ähnlich sieht es der niederländische EU-Abgeordnete Bart Groothuis, Experte im Kampf gegen Desinformation und ausländische Einflussnahme. Er spricht von der Handschrift des United Front Work Department, einem Instrument von Chinas kommunistischer Partei, um Kritiker auch im Ausland mundtot zu machen. “Der Angriff auf Marije Vlaskamp ist ein neues Signal, wozu China bereit ist, um Leute auch im Westen zum Schweigen zu bringen”, sagt der Politiker der rechtsliberalen Regierungspartei von Premier Mark Rutte.

    Inzwischen gebe es auch kaum mehr Wissenschaftlerinnen und/oder Hochschulen im Westen, die Forschung etwa zum Schicksal der Uiguren, über das Ende der Freiheit in Hong Kong oder zum Netzwerk der United Front betreiben würden. Man müsse fürchten, dass Kontakte belästigt würden oder dass man bei Reisen im Ausland festgenommen werde. Etwa auch wegen der Auslieferungsabkommen, welche China mit vielen Staaten weltweit abgeschlossen habe.

    Groothuis sieht Geheimdienste und Sicherheitsbehörden in der Pflicht. Dort habe man lange den Fokus auf Russland gehabt und die Gefahr durch China vernachlässigt. Es nütze zudem nichts, chinesische Botschafter einzubestellen und zu protestieren. “Wir müssen China klar kommunizieren, dass feindliche Einflussnahme und Einschüchterungskampagnen einen ökonomischen Preis haben”. Groothuis plädiert nicht etwa für eine Abkoppelung von China. Die EU müsse aber gezielter als bisher Investitionen aus China, Russland und dem Iran unter die Lupe nehmen, immer mit dem Fokus auf mögliche Sicherheitsrisiken für die westlichen Demokratien. Der Europaparlamentarier sieht dies als zentrale Aufgabe für die nächste EU-Kommission.

    “Behörden haben Gefahr durch China vernachlässigt”

    Klartext spricht auch Alerk Ablikim. Der Niederländer und gebürtige Uigure ist Mitgründer einer Plattform verschiedener Einwanderergruppen, unter anderem auch aus der Türkei, Marokko, Eritrea oder Belarus, die gegen ausländische Einflussnahme mobilisieren. Der Fall von Marije Vlaskamp zeige, wie groß das Problem der Einschüchterung durch ausländische Regime in Europa inzwischen sei. Einwanderer aus China, der Türkei Marokko oder Eritrea würden täglich unter dem langen Arm ihres Herkunftslandes leiden. Es reiche nicht, eine Hotline einzurichten und die Strafbarkeit für Spionage zu verschärfen, wie es die niederländische Regierung vorhat.

    Die Plattform fordert die Regierung in Den Haag in einem offenen Brief auf, einen nationalen Koordinator einzusetzen: “Ausländische Einmischung – einschließlich Einschüchterung – ist ein wachsendes gesellschaftliches Problem, das die niederländische Demokratie bedroht”. Die Politik müsse generell entschlossener reagieren, so Mitinitiator Alerk Ablikim.

    Der Aktivist erwähnt konkret das Beispiel der illegalen Polizeistationen, von denen aus China Oppositionelle drangsaliere. Auch in den Niederlanden hat China zwei Stationen betrieben. China habe die Stationen in Rotterdam und Amsterdam nach Protesten zwar geschlossen. Anders als in den USA habe es aber keine Festnahmen oder andere Konsequenzen gegeben. Das sei wie eine Einladung an China. Der Aktivist fordert, dass Europa zukünftig deutlicher rote Linien gegen feindliche Einmischung aufzeige und die westlichen Demokratien grenzüberschreitende Repression entschiedener bekämpfen.

    • China

    CRMA: Beers Berichtsentwurf

    Vor genau acht Wochen hat die EU-Kommission ihren Gesetzesvorschlag für den Critical Raw Materials vorgestellt. In rasantem Tempo hat nun Berichterstatterin Nicola Beer (FDP) ihren Berichtsentwurf fertiggestellt. Kommenden Montag soll dieser im Industrieausschuss des Europaparlaments diskutiert werden, Table.Media liegt der Entwurf bereits vor.

    Der Vorschlag der Kommission gehe insgesamt in die richtige Richtung, schreibt Beer in ihrer Stellungnahme. Sie begrüße besonders Aspekte wie die Identifizierung strategischer Rohstoffe, die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und die zentrale Anlaufstelle für Projektträger (One-Stop-Shop) sowie den Rahmen für strategische Projekte und strategische Partnerschaften. Beer ruft außerdem alle beteiligten Akteure dazu auf, die Dringlichkeit des Gesetzespakets zu beachten.

    Die insgesamt 107 Änderungsanträge ihres Berichtsentwurfs verfolgen fünf zentrale Ziele:

    1. Anreize für Substitution und Innovation in den kritischen Rohstoff-Wertschöpfungsketten schaffen
    2. die Genehmigungsverfahren, die Überwachung und die Governance auf EU- und nationaler Ebene straffen
    3. den bürokratischen und administrativen Aufwand für Unternehmen verringern
    4. Anreize schaffen, um die Industrien der Zukunft in die EU zu locken
    5. strategische Partnerschaften auf Augenhöhe fördern, damit beide Seiten davon profitieren.

    Differenzierung der Recyclingziele

    An den Benchmarks der Kommission für die Stärkung des heimischen Bergbaus, der lokalen Weiterverarbeitung und der Recyclingkapazitäten hält Beer fest. Allerdings will sie das Recyclingziel ergänzen: Die Recyclingkapazität für jeden strategischen Rohstoff soll bis 2030 um jeweils 7,5 Prozent steigen.

    Die Definition der “Gewinnung” von Rohstoffen soll laut Berichtsentwurf auch die sekundäre Gewinnung von Rohstoffen und Nebenprodukte einbeziehen. Es müsse sichergestellt werden, dass strategische Rohstoffe, die nur als Nebenprodukt anderer Produkte gewonnen werden, ebenfalls den Status eines strategischen Projekts erhalten können. Darüber hinaus stärkt der Bericht die Rolle der Substitution strategischer durch alternative Rohstoffe.

    Die Liste strategischer Rohstoffe soll alle zwei Jahre aktualisiert werden, statt alle vier Jahre, wie von der Kommission vorgesehen. Jeder Rohstoff, der nach einem Update von der Liste gestrichen wird, soll laut Entwurf trotzdem zwei weitere Jahre als strategischer Rohstoff gelten.

    Wenig überraschend zieht sich das Ziel einer stärkeren Rücksichtnahme auf kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) durch den Entwurf. So will Beer die Definition großer Unternehmen ändern: Laut Entwurf sollen diese durchschnittlich mehr als 1500 Beschäftigte haben (statt 500, wie die Kommission vorsieht) und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 2000 Millionen Euro erzielen (statt 150 Millionen), sodass mittelgroße Unternehmen von bestimmten Vorschriften wie dem Risikomanagement ausgenommen sind. Zudem soll im European Raw Materials Board eine Untergruppe mit KMU-Vertretern geschaffen werden.

    Weniger Bürokratie, mehr Planungssicherheit

    Vorschriften wie verbindliche Zeitpläne für Kommission und Board im Bewerbungsprozess für die strategischen Projekte oder die Stärkung der Wertschöpfungsketten über 2030 hinaus sollen den Unternehmen eine größere Planungssicherheit bieten.

    Weitere Änderungen der Berichterstatterin zielen auf eine Verringerung des Verwaltungsaufwands ab. Etwa streicht sie für strategische Projekte das Kriterium der grenzüberschreitenden Vorteile und stärkt die Rolle der Kommission als Hauptansprechpartnerin für die Projektträger. Die Kommission soll zudem Projektträger und Mitgliedstaaten stärker unterstützen, etwa in der Durchführung der nationalen Explorationsprogramme.

    Beer will außerdem die Rolle des Parlaments stärken: Statt einer Beobachterrolle soll ein EP-Vertreter neben Rat und Kommission volles Mitglied im Board sein. Außerdem soll das Board regelmäßig über die Entwicklung der Partnerschaften mit Drittländern und deren beidseitigen Nutzen an das Parlament berichten.

    Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur strategischen Vorratshaltung sowie den Richtwert für ein sicheres Vorratsniveau auf EU-Ebene will Beer streichen; die Entscheidung solle den Mitgliedstaaten überlassen werden. Sie will die Vorgaben auf ein freiwilliges Monitoring beschränken.

    • Critical Raw Materials Act
    • Europäisches Parlament
    • ITRE
    • Rohstoffe
    • Rohstoffstrategie

    Wojciech Wiewiórowski: “Entscheidender Zeitpunkt für DSGVO”

    Wojciech Wiewiórowski ist seit 2019 Europäischer Datenschutzbeauftragter.

    Herr Wiewiórowski, was hat die Datenschutzgrundverordnung für den Durchschnitts-Europäer bewirkt?

    Es ist uns gelungen, ein übergreifendes Rechtssystem für ganz Europa zu schaffen. Damit haben wir das gleiche Schutzniveau für personenbezogene Daten, egal wo der Anbieter in Europa sitzt. Für die Durchschnitts-Europäer bedeutet das, dass sie ihre Beschwerden immer bei ihrer eigenen Datenschutzbehörde einreichen können und sich nicht mit einem anderen Rechtssystem beschäftigen müssen. Das ist der Unterschied für diejenigen, die Beschwerden einreichen wollen.

    Für alle Bürger bedeutet es zuallererst, dass die Aufmerksamkeit für Privatsphäre- und Datenschutzfragen sehr viel größer als in der Vergangenheit ist. Die ganze Diskussion rund um die DSGVO und ihr Inkrafttreten und die wichtigsten Fälle schaffen es immer wieder an die Spitze der Medienagenda.

    Kritiker sagen, dass außer einigen sehr komplizierten Gerichtsverfahren wenig erreicht worden sei. Was entgegnen Sie denen?

    Ich würde sagen, 99 Prozent der Fälle mit Datenschutzbezug sind nicht die großen, internationalen Fälle, sondern nationale und lokale. Und hier hilft das einheitliche Schutzniveau. Wir sehen da keine größeren Probleme.

    Aber vor allem die internationalen Fälle erhalten Aufmerksamkeit

    Wenn wir auf die großen, grenzüberschreitenden Fälle schauen, dann waren die ersten Jahre dieser neuen Datenschutz-Ordnung die Zeit, in der wir neue Verfahren ausprobieren mussten. Wir sind immer noch mitten im Prozess, dass die ersten von Datenschutzaufsichtsbehörden getroffenen Entscheidungen von Gerichten überprüft werden. Insgesamt sind aber Hunderte dieser grenzüberschreitenden Fälle bereits abgeschlossen.

    Und auch die Fälle der großen Tech-Unternehmen werden jetzt von den Aufsichtsbehörden entschieden und dann von den Gerichten überprüft. Wenn Sie auf das Wettbewerbsrecht schauen: Da hat es sieben Jahre gebraucht, bis die ersten Bescheide erlassen wurden, bei der DSGVO sind es fünf. Und es gibt bereits eine große Fallrechts-Sammlung.

    Fünf Jahre sind im digitalen Zeitalter allerdings wie Jahrhunderte – vor fünf Jahren haben wir über TikTok zum Beispiel noch gar nicht wirklich gesprochen. Muss die DSGVO-Durchsetzung nicht schneller werden?

    Wir sollten bei rechtlichen Fragen schneller werden. Aber wir sollten auch nicht zu schnell werden, denn es ist nicht unsere Rolle als Datenschützer, die Zukunft vorherzusagen. Sie wird uns eh überraschen.

    Manche sagen, dass es keine Diskussion zu KI gab, als die DSGVO diskutiert wurde. Ja, da war gerade der “KI-Winter”. Und auch Social Media sah anders aus. Aber die Grundprinzipien von Datenschutz und Privatsphäre sind die gleichen. Wir sollten gut vorbereitet sein auf das, was passiert, aber nicht versuchen, das Kaninchen zu jagen. Das wird immer schneller als die Legislative und die Gerichtsbarkeit sein.

    Der bekannteste DSGVO-Fall ist wahrscheinlich jener von Facebook. Dieser liegt seit 2018 bei der irischen Datenschutzaufsicht und in dem Verfahren gab es viel Kritik an den Aufsichtsbehörden. Müssen Sie als Vertreter der Datenschutzaufsichtsbehörden nicht ehrlich sagen: Datenschutzverfahren dauern mitunter ewig?

    Mich überrascht es nicht, dass die Datenschutzaufsichtsbehörden sehr vorsichtig an Verfahrensfragen herangehen. Eine der schlimmsten Sachen, die passieren könnte, wenn man die neue Verordnung durchsetzen will, wäre, wenn man die ersten drei Fälle aufgrund kleiner Verfahrensfehler verliert. Ich habe natürlich zur Länge des Verfahrens meine eigene Meinung, muss aber auch sagen, dass die Zahl der Entscheidungen zu großen Akteuren in den vergangenen zwölf Monaten deutlich gestiegen ist. Das ist jetzt der Zeitpunkt, an dem die kompliziertesten Fälle auf Ebene der Aufsichtsbehörden abgeschlossen werden.

    Für viele Nutzer steht die DSGVO vor allem für Cookie-Banner. Deren Existzenz liegt allerdings vor allem am Zusammenspiel von DSGVO und alter E-Privacy-Richtline. Die E-Privacy-Verordnung steckt bis heute aber im Trilog fest. Sehen Sie irgendeine Möglichkeit, dass die Verordnung bald verabschiedet wird und sich für die Nutzer etwas ändert?

    Eine schwierige Frage. Zum einen bedauere ich, dass die E-Privacy-Verordnung noch nicht da ist. Für mich wäre sie der natürliche, nächste Schritt. Zum anderen, wenn ich mir die letzten Vorschläge des Rates anschaue, bin ich wenig zuversichtlich, dass damit ein einheitliches System geschaffen würde. Es ist für Nutzer und Aufsichtsbehörden beschwerlich, dass wir keine E-Privacy-Verordnung haben. Aber es ist wichtiger, eine gute als irgendeine E-Privacy-Verordnung zu haben.

    Nach fünf Jahren mit der DSGVO gibt es sicherlich auch aus Ihrer Sicht Verbesserungsbedarf. Was sollte geändert werden, wenn die Verordnung denn jemals angefasst wird?

    Wir denken, dass vor allem die Durchsetzung verbessert werden kann, wofür wir Vorschläge gemacht haben, die jetzt von der Kommission aufgegriffen wurden. Aber größere Änderungen wird es nicht vor der nächsten Europaparlaments-Legislatur und der Amtszeit der nächsten Kommission geben. Momentan ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über größere Änderungen zu debattieren. Denn bislang sind die Möglichkeiten der DSGVO noch nicht ausgeschöpft.

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    News

    Türkei: Stichwahl zeichnet sich ab

    Nach 20 Jahren an der Macht muss sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan voraussichtlich erstmals einer Stichwahl stellen. Beim Stand von rund 95 Prozent der ausgezählten Wahlurnen im Inland und rund 37 Prozent im Ausland liege Erdoğan bei 49,49 Prozent der Stimmen, sagte der Chef Wahlbehörde, Ahmet Yener, in Ankara am Montagmorgen (Stand 3.00 Uhr MESZ). Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu kam demnach auf 44,79 Prozent. Beide verfehlten damit die absolute Mehrheit von 50 Prozent und müssen am 28. Mai in eine Stichwahl gehen.

    Auf dem weit abgeschlagen dritten Platz landete demnach Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-Allianz mit rund 5,3 Prozent. Dem Außenseiter könnte noch eine wichtige Rolle zukommen. Bei der Stichwahl wird wichtig sein, welche Wahlempfehlung er vorher abgibt.

    Die Wahlbehörde gab das Ergebnis der Parlamentswahl zunächst nicht bekannt. Es zeichnete sich jedoch ab, dass Erdoğans Regierungsallianz ihre Mehrheit verteidigen konnte. Der Präsident hat seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 weitreichende Befugnisse, das Parlament mit seinen 600 Abgeordneten ist dagegen geschwächt.

    Zweifel an Zahlen der Regierung

    Die Wahl galt als richtungsweisend. Es wird befürchtet, dass das Nato-Land unter weiteren fünf Jahren Erdogan noch autokratischer werden könnten. Der 74-jährige Kilicdaroglu ist Kandidat für ein breites Bündnis aus sechs Parteien. Er verspricht die Rückkehr zu einem parlamentarischen System sowie zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auch international wird die Wahl aufmerksam beobachtet. Eine neue Regierung hätte Auswirkungen auf Konflikte in der Region wie etwa den Syrien-Krieg, aber auch auf das Verhältnis zur EU und Deutschland.

    Schon zu Beginn der Abstimmung gab es Zweifel an den von der Staatsagentur Anadolu veröffentlichten Zahlen. Die oppositionellen Bürgermeister der Metropolen Istanbul und Ankara traten regelmäßig vor die Presse und beschuldigten die Regierung, die Werte von Erdogan zu schönen. Kılıçdaroğlu warf Erdoğans Partei AKP vor, die Auszählung in Hochburgen der Opposition mit Einsprüchen zu blockieren. Erdoğan warf der Opposition wiederum “Raub des nationalen Willens” vor. dpa

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    Minister fehlen bei EU-Treffen mit Indo-Pazifik

    Die EU-Außenminister haben sich angesichts eines erstarkenden Chinas für eine engere Zusammenarbeit mit Staaten im Indo-Pazifik ausgesprochen. Die Treffen von politischen Vertretern beider Seiten am Samstag in Stockholm habe dem gemeinsamen Engagement ein neues politisches Momentum verliehen, teilte der Europäische Auswärtige Dienst mit. Die EU müsse jedoch präsenter sein und “mehr leisten”, betonte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zum Abschluss. Kritik hatte es an der Teilnehmer-Liste der europäischen Seite gegeben: Lediglich 14 der 27 EU-Außenminister nahmen am Samstag an dem Treffen mit Vertretern aus der Indo-Pazifik-Region teil. Andere ließen sich durch Staatssekretäre oder Botschafter vertreten.

    Auch bei der Sicht auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine stimmten beide Seiten offenbar nicht ganz überein. Mehrere asiatische Vertreter äußerten am Rande der Veranstaltung Positionen für ein sofortiges Ende des Kampfes in der Ukraine, auch wenn das Verlust von Territorium bedeutet. Diese Ansicht steht eher im Widerspruch zur Ansicht des Westens, dass ein Waffenstillstand es Russland ermöglichen würde, seine territorialen Errungenschaften in der Ukraine zu sichern. Die Bereitschaft, sich in den Spannungen Chinas mit dem Westen für eine Seite zu entscheiden, war Teilnehmer-Kreisen zufolge nicht sehr hoch.

    Die EU-Außenminister hatten bereits am Freitag über ein Positionspapier zu China gesprochen. Die Minister der 27 Mitgliedstaaten stünden hinter dem Text, sagte Borrell am Freitag. In diesem ist keine massive Überarbeitung von der bisherigen Wettbewerber, Partner, Rivale”-Einteilung zu erwarten. Ein neuer Schwerpunkt in dem Papier wird auf aktuelle Themen wie die Ukraine und Taiwan gelegt. Der Bericht äußerte klare Unterstützung für die “Risikoabbau”-Strategie der EU und forderte die Mitglieder auf, sich auf Turbulenzen in der Taiwanstraße vorzubereiten. ari

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    Selenskyj erhält Karlspreis: “Auftakt für weiteres Zusammenwachsen Europas”

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat gestern in Aachen den Internationalen Karlspreis entgegengenommen, der in diesem Jahr ihm und dem ukrainischen Volk für Verdienste um die Einheit Europas verliehen wurde. In der Begründung wurde die Rolle Selenskyjs bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs hervorgehoben: Er sei nicht nur der Präsident seines Volkes und der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee. Er sei “auch der Motivator, Kommunikator, der Motor und die Klammer zwischen der Ukraine und der großen Phalanx der Unterstützer“.

    “Mit dem heutigen Preis senden wir eine klare Botschaft: Wir stehen an Präsident Selenskyjs Seite”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede. “Wir stehen an der Seite der Menschen in der Ukraine”.

    Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Verleihung des renommierten Preises an Selenskyj und sein Volk als Auftakt für das weitere Zusammenwachsen in Europa. In seiner Laudatio nannte er dabei neben der Ukraine auch die Staaten des Westlichen Balkans, Moldau “und perspektivisch auch Georgien”.

    Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki würdigte Selenskyj als einen Verteidiger europäischer Werte. Er sei “ein großer europäischer Führer”, ein “Held” und herausragender Staatsmann des 21. Jahrhunderts, sagte Morawiecki in Aachen. “Präsident Selenskyj ist ein Vorbild für jeden Politiker.”

    Selenskyj bittet in Berlin um Lieferung moderner Kampfjets

    Selenskyj war zuvor am Sonntag von Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzler Scholz in Berlin empfangen worden. Dort würdigte er die militärische Hilfe Deutschlands als sehr wichtig für sein Land. “Der Umfang der deutschen Hilfe ist der zweitgrößte nach den USA”, sagte er. Zugleich bat er um Unterstützung bei der Lieferung moderner Kampfjets. 

    Vorbereitet wurde der Besuch in Deutschland mit der Zusage weiterer militärischer Unterstützung für die Ukraine im Wert von zusätzlichen 2,7 Milliarden Euro. Unter anderem sollen 20 weitere Marder-Schützenpanzer, 30 Leopard-1-Panzer und vier Flugabwehrsysteme Iris-T SLM von der deutschen Rüstungsindustrie bereitgestellt werden, wie das Verteidigungsministerium mitteilte.

    Bundeskanzler Olaf Scholz betonte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj, dass Deutschland die Ukraine weiter unterstützen werde und bereits Hilfe im Umfang von 17 Milliarden Euro geleistet habe. Auf Selenskyjs Bitte, die Ukraine in einer Koalition mit anderen Partnern durch die Lieferung moderner Kampfjets zu unterstützen, reagierte Scholz zurückhaltend. Deutschland habe der Ukraine sehr viel geliefert. Gerade was die Luftverteidigung betreffe, seien dies sehr moderne Waffen. “Das ist das, worauf wir uns als Deutsche jetzt konzentrieren.” Es gehe um den massiven Versuch sicherzustellen, dass Russland seine Truppen zurückziehe, wenn man den Frieden in der Ukraine sichern wolle, betonte Scholz.

    Selenskyj hatte zuvor bereits Helsinki, Den Haag und Rom besucht. Nach seinem Deutschland-Besuch reiste er gestern Abend weiter nach Paris. dpa/rtr/leo

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    CSA-Verordnung: Buschmann fordert andere EU-Justizminister zu Einmischung auf

    Bundesjustizminister Marco Buschmann hat gemeinsam mit seinen Amtskollegen in Luxemburg, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz die Justizminister der anderen EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, sich in die Debatte um die geplante Verordnung zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs einzumischen.

    In einem zweiseitigen Brief, der Table.Media vorliegt, wenden sich der FDP-Politiker und seine Amtskollegen ausdrücklich an die in vielen Mitgliedstaaten nicht federführend zuständigen Justizressorts. Die Minister der Verfasserstaaten hielten es jedoch “für sehr wichtig, dass auch wir Justizministerinnen und Justizminister uns in die Diskussion einbringen”. Sie sollten die Debatte nicht nur den meist federführenden Innenressorts überlassen.

    Hintergrund der ungewöhnlichen Aktion sind grundlegende rechtsstaatliche Bedenken gegen das Vorhaben der EU-Kommission. Die vorgeschlagenen Vorschriften zur automatisierten Durchsuchung könnten den Wesensgehalt von Artikel 7 (Achtung des Familien- und Privatlebens) und Artikel 8 (Schutz personenbezogener Daten) der Charta der Grundrechte berühren, heißt es in einem Gutachten des juristischen Dienstes des Rates von Ende April 2023.

    Buschmann will mehr als Chatkontrolle verhindern

    Mit dem Schreiben möchten Buschmann und seine Kollegen offenkundig eine vorschnelle Festlegung im Rat verhindern. Bevor die Allgemeine Ausrichtung dort erfolge, sollten die Gutachten des juristischen Dienstes des Rats und des wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments erst intensiv erörtert werden. Beide enthielten massive Kritik am Vorschlag der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.

    Die sogenannte Chatkontrolle bei OTT-Messengern wird nach ursprünglich positiven Signalen der federführenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) von der Bundesregierung geeint abgelehnt. Allerdings geht es bei der nun von Buschmann und seinen Amtskolleginnen ebenfalls kritisierten automatisierten Durchsuchung von auf Servern abgelegten Inhalten um ein anderes Element des Vorhabens. Hier vertreten die FDP-geführten Justiz- und Digitalressorts und das SPD-geführte Innenministerium bislang keine einheitliche Linie. fst

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    Presseschau

    Karlspreis: Scholz – Europa hat Selenskyj sehr viel zu verdanken WZ
    EU-Kommissarin warnt vor Einfluss Moskaus auf deutsche Politik SPIEGEL
    Viele Minister bleiben fern: EU-Treffen zu China – Die Farce von Stockholm ZDF
    Ende des “Prinzips Hoffnung”?: Die EU sucht eine neue China-Strategie TAGESSPIEGEL
    EU and US to pledge joint action over China concerns INDIA TIMES
    EU vermittelt im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan DEUTSCHLANDFUNK
    Strafen gegen Russland: Ungarn will neue Sanktionen der EU blockieren TAGESSCHAU
    G7 und EU wollen Russlands Gas-Pipelines dauerhaft sperren SN
    Brüssel will EU-Länder im Kampf gegen Medikamenten-Mangel unterstützen RP-ONLINE
    Künftig werden für alle Warensendungen Zölle fällig SUEDDEUTSCHE
    EU will mit neuem Seekabel Russland umgehen GOLEM
    Trotz Wahlversprechen – Briten behalten hunderte EU-Gesetze bei WELT

    Heads

    Géza von Geyr – Deutschlands neuer Nato-Botschafter

    Der Diplomat Géza von Geyr wechselt aus Moskau in die deutsche Vertretung bei der Nato.

    Vor mehr als sechs Jahren, im März 2017, reiste Géza von Geyr nach Moskau. Der damalige Leiter der Politik-Abteilung im Berliner Verteidigungsministerium traf sich mit seinem russischen Gegenpart. Auf der Tagesordnung, so berichtete das Moskauer Ministerium, standen dabei unter anderem die russischen Bedenken “angesichts der Aktivitäten der Nato nahe der russischen Grenze” und von westlichen Raketenabwehrstellungen in Polen und Rumänien.

    Der Besuch, den der ans deutsche Wehrressort ausgeliehene Diplomat von Geyr ein Jahr später wiederholte, fiel vor allem deshalb auf, weil die – militärischen – Gesprächskontakte zwischen der Nato und Russland seit der russischen Besetzung der Krim 2014 praktisch nicht mehr existierten. Der politische Direktor aus dem Berliner Bendlerblock versuchte, wenigstens auf politischer Ebene den Draht nach Moskau nicht abreißen zu lassen. Dass von Geyr dann 2019 das Verteidigungsministerium verließ und als deutscher Botschafter in die russische Hauptstadt wechselte, schien da nur folgerichtig.

    Besondere Expertise nach vier Jahren in Moskau

    Wenn der Diplomat, Jahrgang 1962, demnächst nach fast vier Jahren von Moskau als Botschafter an die deutsche Vertretung bei der Nato wechselt, verlässt er allerdings eine völlig gewandelte politische Lage in Russland – und trifft auf eine ebenfalls veränderte Allianz. Seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 haben sich die Beziehungen zwischen Russland und der Nato von einem frostigen Miteinander zu offener Gegnerschaft gewandelt. Er werde in Moskau als Feind angesehen, räumte von Geyr bei Gesprächen am Rande seiner Deutschlandbesuche ein. Gesprächskontakte in die russische Regierung gebe es praktisch nicht mehr.

    Darauf stellt sich auch die Nato ein. Die Verteidigungspläne für ihre östlichen Mitgliedstaaten werden über-, teilweise sogar erst erarbeitet. Deutschland als der größte und bevölkerungsreichste Mitgliedstaat in Europa hat dabei eine wesentliche Rolle und bringt künftig mit seinem neuen Vertreter in Brüssel zusätzliche Expertise und vor allem Kontakte dafür mit.

    Von Geyr wird die Beziehung zu Russland mitgestalten

    Der studierte Historiker und Politikwissenschaftler von Geyr, der vor gut dreißig Jahren die klassische Diplomatenlaufbahn des Auswärtigen Amtes begann, hatte schon vor seinem Amtsantritt als Politischer Direktor im Verteidigungsministerium unter der damaligen Ressortchefin Ursula von der Leyen die Sicherheitspolitik zu seinem Schwerpunkt gemacht. Nach seinem ersten Posten als Attaché an der deutschen Botschaft in Marokko prägten praktisch nur noch außen- und sicherheitspolitische Aufgaben seine Arbeit. Dazu gehörten vor allem seine Tätigkeit als Referatsleiter in der Außen- und Sicherheitspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes und sein Posten als Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes.

    Von Geyr, der als einer der klügsten strategischen Denker in der deutschen Diplomatie gilt, wird in seiner neuen Position entscheidenden Anteil an der Gestaltung der künftigen Beziehungen des Westens zu Russland haben. Im Juli 2018, noch als Politik-Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium, hatte er sich optimistisch gezeigt: Die Nato bleibe der Eckpfeiler der europäischen Sicherheit, aber er “hoffe sehr, dass es die Politik Moskaus erlauben wird, auch wieder zu einem besseren Miteinander mit Russland zu kommen“. Thomas Wiegold

    Europe.Table Redaktion

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