Table.Briefing: Europe

Bürokratieabbau für Landwirte + Einigung zu Luftreinhaltung + Geld für CO2-Entnahmen

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor circa vier Jahren versetzte die Covid-Pandemie Europa und die Welt in den Ausnahmezustand. Die EU reagierte mit der Aufbau- und Resilienzfazilität, auf Englisch schlicht RRF genannt. Die EU nahm zum ersten Mal im großen Stil gemeinsam Schulden auf, um eine gemeinsame Herausforderung zu bewältigen. Die Brüsseler Bubble reagierte euphorisch und sah im RRF schon eine Blaupause für andere Herausforderungen, die man mit europäischem Geld lösen könnte.

Heute wird die EU-Kommission ihren Halbzeitbericht zum RRF vorstellen und aufzeigen, wie die Auszahlungen und die daran gekoppelten nationalen Reformbemühungen vorangehen. Zudem will sie aufzeigen, wie es in der zweiten Hälfte des Programms weitergehen soll.

Wie die meisten politischen Institutionen ist die EU-Kommission nicht für ein Übermaß an Selbstkritik bekannt. Deshalb lohnt es sich wahrscheinlich, neben dem heute erscheinenden Kommissionsbericht auch den Bericht des Europäischen Rechnungshofs zu lesen. Der beklagt nämlich, dass der Leistungsüberwachungsrahmen des RRF zwar den Fortschritt der Durchführung des RRF misst, aber nicht das Ergebnis.

Das Ergebnis, nicht eine Checkliste der eingesetzten Mittel, sollte ausschlaggebend sein bei der Beurteilung der Frage, ob der RRF als Blaupause für andere europäische Herausforderungen taugt. Ein Blick auf die Weltlage deutet an, dass die Herausforderungen nicht kleiner oder seltener werden.

Ihr
János Allenbach-Ammann
Bild von János  Allenbach-Ammann

Analyse

Bürokratieabbau für Bauern: Das plant die EU-Kommission

Als Reaktion auf die europaweiten Bauernproteste hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen, noch in diesem Monat kurzfristige Maßnahmen zu präsentieren, um den Verwaltungsaufwand für Landwirte im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu mindern. Wie das gelingen soll, erläuterte ein Vertreter der EU-Kommission zu Wochenbeginn während eines Treffens mit den EU-Mitgliedstaaten. Am Donnerstag will die Kommission ihre Vorschläge offiziell vorstellen.

Folgende Punkte schweben der Brüsseler Behörde nach Recherchen von Table.Media vor:

  • Vereinfachungen beim Flächenmonitoring: betrifft das Area Monitoring System (AMS) zur Abwicklung von Flächenprämien. Die Kommission hofft auf, “erhebliche positive Auswirkungen auf die Verwaltungen der Mitgliedstaaten”. Ziel sei es unter anderem, Vor-Ort-Kontrollen zu reduzieren.
  • Flexibilität bei Strategieplänen: betrifft Änderungen durch die EU-Mitgliedstaaten. Bisher müssen diese bei der Kommission beantragt werden. Der Prozess kann einige Monate dauern und soll vereinfacht werden.
  • Außergewöhnliche Umstände: betrifft die Möglichkeit, Sanktionen auszusetzen. Die Kommission will eine Erläuterung dazu veröffentlichen. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hatte diese Möglichkeit bereits in den Raum geworfen. Rechtsexperten sehen das aber kritisch.

Lockerungen bei GLÖZ-Standards

Zusätzlich will die EU-Kommission Vorgaben zum Erhalt von Dauergrünland lockern. Das betrifft GLÖZ 1. GLÖZ steht für Standards für den guten und ökologischen Zustand von Flächen. Seit 2023 gelten neun GLÖZ. Bislang gilt: Im Vergleich zu 2018 darf die für Dauergrünland genutzte Fläche nicht mehr als um fünf Prozent sinken. Im Fall von “außergewöhnlichen Strukturänderungen” in der Landwirtschaft will die Brüsseler Behörde erlauben, von dieser Vorgabe abzuweichen. Beispielsweise, wenn Grünland nicht mehr gewinnbringend genutzt werden kann, weil zuvor die Anzahl der Nutztiere reduziert wurde und der Futtermittelbedarf entsprechend gesunken ist.

Mehr Spielraum sollen die EU-Länder auch bekommen, wenn sich die landesweite Ackerfläche “rasch” vergrößert hat, und nur dadurch der Anteil des Dauergrünlands gesunken ist. In diesem Fall “könnte es unverhältnismäßig sein”, auf der Einhaltung des Prozentwerts zu bestehen, schreibt die Kommission. Eine Ausnahme von der Regel hatte die Kommission bereits für GLÖZ 8 umgesetzt.

Mitgliedstaaten sind gefordert

Für den Bürokratieabbau sind aus Sicht der Kommission vor allem die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung ihrer nationalen Strategiepläne verantwortlich. Die Brüsseler Behörde will deshalb eng mit der belgischen EU-Ratspräsidentschaft zusammenarbeiten.

Eine andere Forderung, die aus den Bauernprotesten nach Brüssel getragen wurde, schiebt die Kommission dagegen auf die lange Bank: die Stärkung der Position von Landwirten in der Wertschöpfungskette. Zwar wolle die Kommission das angehen, allerdings eher “langfristig”, berichten gut informierte Kreise. Zuletzt hatten der französische Präsident Emmanuel Macron und der spanische Agrarminister Luis Planas gefordert, die EU-Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken zu verschärfen.

Forderungen des Agrarausschusses

Der Chef des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), schreibt im Namen des Ausschusses einen Brief an Agrarkommissar Janusz Wojciechowski mit seinen Forderungen. Der Brief liegt Table.Media vor. Wojciechowski will dem Vernehmen nach am kommenden Montag beim Agrarrat den Mitgliedstaaten seine Vorschläge vorlegen. Lins listet sechs Forderungen auf:

  • Die Anpassung der Nationalen Strategiepläne an die Wünsche der Mitgliedstaaten soll schneller gehen – die Kommission plant dies ebenfalls.
  • Per EU-Gesetz sollen bis zum Ende der GAP-Periode 2027 drei von neun GLÖZ (6, 7 und 8) angepasst werden – diese Forderung geht über die Pläne der Kommission hinaus, die nur für 2024 Änderungen will und nur für die Brachflächen (GLÖZ 8).
  • Die Anforderungen an Agrarprodukte im Rahmen der GAP sollen auf Agrarimporte übertragen werden; dazu sollen die EU-Handelsabkommen angepasst werden – die Kommission kündigt Vergleichbares an, allerdings soll ein Vorschlag erst später kommen.
  • Die EU-Gesetzgebung zu unfairen Handelspraktiken soll überarbeitet werden, um für faire Preise in der Wertschöpfungskette zu sorgen – die Kommission plant dazu bisher nichts.
  • mehr Kooperation in der Lieferkette, um die Lage der Bauern zu verbessern, die Wettbewerbsregeln sollen überarbeitet werden – die Kommission plant hierzu nichts
  • Überprüfung aller einschlägigen Vorschriften für die Landwirtschaft und Analyse, ob Ausnahmen, Übergangsfristen oder Alternativen notwendig sind – die Kommission plant hierzu nichts
  • Bürokratie
  • Europäische Kommission
  • Gemeinsame Agrarpolitik
Translation missing.

Carbon Removals: EU legt Regeln für Zertifikate fest

Die EU hat sich vorläufig darauf geeinigt, wie zukünftig Entnahme und Speicherung von CO₂ durch Zertifikate für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt geregelt werden. In der Nacht zum Dienstag einigten sich die Unterhändler aus Europaparlament, EU-Kommission und der belgischen EU-Ratspräsidentschaft. Das Rahmenwerk (Carbon Removal Certification Framework – CRCF) soll den Hochlauf technologischer und natürlicher Kohlenstoffbindung fördern, indem transparente und überprüfbare CO₂-Entnahme-Zertifikate zu Geld gemacht werden können.

Das neue Gesetz unterscheidet zwischen unterschiedlichen Formen der CO₂-Entnahme:

  • Kohlenstoffspeicherung nach der Verbrennung von Biomasse (BECCS) oder CO₂-Abscheidung aus der Luft (DACCS) gelten als permanente CO₂-Entnahmen. Allerdings ist der Zeithorizont noch vage gehalten. “Mehrere Jahrhunderte” muss das Triebhausgas für die Zertifizierung gebunden sein, um als dauerhaft zu gelten. Eine genauere Definition soll ein delegierter Rechtsakt der Kommission zu einem späteren Zeitpunkt liefern. Bei der Berechnung der CO₂-Bilanz von Biomasse werden zudem die Emissionen des gesamten Lebenszyklus berücksichtigt, also auch bei der Erzeugung der Biomasse. Dafür hatten sich das Parlament und im Rat insbesondere Deutschland eingesetzt, denn die Regelung fördert zwar die Installation von CCS-Technologien in Biomassekraftwerken, setzt aber keine Anreize für den Bau neuer Biomassekraftwerke.
  • Die stoffliche Speicherung in Holzprodukten gilt als temporär, wenn das CO₂ nachweislich für mindestens 35 Jahre gebunden wird.
  • Auch Carbon Farming gilt als Entnahmemöglichkeit. Damit der Kohlenstoff als “entnommen” gilt, muss er sogar nur für fünf Jahre gebunden werden, was Kritiker für deutlich zu kurz und daher für kaum klimawirksam halten. Bei Carbon Farming wird zusätzlich noch einmal unterschieden zwischen CO₂-Reduktion im Boden, beispielsweise durch Düngemittelreduktion, und CO₂-Speicherung durch die Wiederherstellung von Wäldern und Böden sowie die Wiedervernässung von Mooren.

CCS aus der Industrie nicht betroffen

Über die Aufnahme von vermiedenen Methanemissionen aus der Tierhaltung soll die Kommission bei einer Revision 2026 entscheiden. Abgeschiedenes CO₂ von großen Industrieanlagen oder Kraftwerken (CCUS) ist von dem Gesetz nicht betroffen, da diese Emissionen unter das europäische Emissionshandelssystem (ETS) fallen und keine direkten CO₂-Entnahmen aus der Atmosphäre darstellen.

Die Aufnahme von Carbon-Farming-Aktivitäten in den Zertifizierungsrahmen ermöglicht Landwirten, durch klimafreundlichere Landwirtschaft in Zukunft auf den freiwilligen Kohlenstoffmärkten Geld zu verdienen. Unklar ist, wann dies möglich sein wird. Die genauen Methoden zur Zertifizierung müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes erst noch von der Kommission erarbeitetet und durch delegierte Rechtsakte festgelegt werden. Das dauert mindestens zwei Jahre und bietet kaum Mitspracherecht für die Co-Gesetzgeber.

Erste Kriterien für Carbon Farming

Allerdings sieht der Kompromiss bereits einige Kriterien für die Zertifizierung vor. Unter anderem müssen Carbon-Farming-Aktivitäten immer auch einen positiven Beitrag zur Biodiversität leisten, indem zum Beispiel die Bodengesundheit gefördert und die Bodendegradation vermieden wird. Alle anderen Entnahmeformen dürfen nicht zu einer erheblichen Schädigung der Umwelt führen (“do no significant harm”).

Außerdem gelte das Additionalitätsprinzip, stellt Parlaments-Schattenberichterstatter Tiemo Wölken (SPD) klar: “Der Text enthält genug Garantien dafür, dass keine Aktivität zertifiziert wird, die auch ohne die Zertifizierung stattgefunden hätte.” Man könne aber zurecht kritisieren, dass die Mitgliedsstaaten sich die Entnahmen aus dem CRCF auf ihre anderen Ziele, beispielsweise die nationalen LULUCF-Ziele anrechnen könnten, gesteht der umweltpolitische Sprecher der S&D-Fraktion im EU-Parlament. Der Brüsseler Thinktank Carbon Market Watch kritisiert dies als Doppelzählung. “Hier war aber mit dem Rat leider nicht mehr zu erreichen”, sagt Wölken.

WWF kritisiert “Ablasshandel”

Als zu ungenau und zu kurzfristig bezeichnet Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland, das Trilog-Ergebnis. Die Grenzen zwischen CO₂-Minderung und Entnahmen würden verschwimmen. Dies könne zu viel Greenwashing mit kleiner und kurzfristiger Klimawirkung führen. “Denn die CO₂-Speicherung in Produkten oder auch natürlichen Senken etwa über Humusaufbau oder Aufforstung unterliegt großen Unsicherheiten”, so Raddatz. Sie befürchtet, dass zertifizierte und verkaufte CO₂-Entnahmen durch Dürren und Brände doch wieder als Emission enden. Ein neuer Ablasshandel werde das Klima nicht schützen.

Wölken unterstützt die Unterscheidung zwischen Entnahme und Vermeidung zwar, verweist aber auch darauf, dass Emissionsreduktionsziele in der Effort Sharing Regulation sowie dem ETS festgelegt sind, auf die die CRCF keinen Einfluss habe. Wofür Unternehmen die Zertifikate verwenden dürfen, werde derzeit in der Green-Claims-Richtlinie verhandelt.

Peter Liese, klimapolitischer Sprecher der EVP, wäre am liebsten noch weiter gegangen. Er fordert, zumindest die technologischen Entnahmemöglichkeiten wie DACCS schnellstmöglich in das ETS einzubeziehen.

Zertifikate nicht an andere Länder verkäuflich

Die CO₂-Entnahmen unter dem CRCF können zwar auf die bei der UN hinterlegten EU-Klimaziele (NDCs) angerechnet werden, sodass auch hier eine Doppelberücksichtigung der Zertifikate möglich ist. Die EU-Gesetzgeber einigten sich aber darauf, dass in Europa zertifizierte CO₂-Entnahmen nicht an andere Länder für deren NDCs verkauft werden dürfen. So soll vermieden werden, dass die EU anderen Ländern Offset-Möglichkeiten bietet.

Der Trilog-Kompromiss muss noch von Parlament und Mitgliedstaaten formal bestätigt werden. Voraussichtlich stimmt das Plenum in seiner letzten Plenarsitzung im April ab, sodass das Gesetz noch vor der Europawahl im Juni verabschiedet werden kann.

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Pestizidrückstände: Umweltschutz gewinnt bei Importware an Bedeutung

Wenn ein Agrarprodukt in die EU importiert wird, ist genau festgelegt, welche Mengen von Pflanzenschutzmitteln nachweisbar sein dürfen. Für etwa 1.100 Pestizide gibt es laut Europäischer Kommission Höchstwerte. In der Vergangenheit ging es dabei ausschließlich darum, Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Neuerdings bezieht die Brüsseler Behörde aber auch Umweltrisiken mit ein.

Besonders streng agierte die EU-Kommission bei mehreren Neonicotinoiden, einer Gruppe von Insektenschutzmitteln, die als schädlich für Bestäuber gelten und in der EU inzwischen nicht mehr angewandt werden dürfen. Im vergangenen Jahr entschied die Kommission, auch bei Importen keine Rückstände der Neonicotinoide Thiamethoxan und Clothianidin zuzulassen. Dabei verwies sie ausdrücklich auf deren schädliche Wirkung auf die Artenvielfalt.

Artenschutz als Kriterium umstritten

Im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie hatte sich die Kommission vorgenommen, auch Umweltkriterien bei der Festlegung erlaubter Rückstände auf Importprodukten einzubeziehen. Genau das sehen aber Handelsverbände kritisch. In einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier warnen die europäischen Handelsverbände COCERAL, Unistock Europe und EUROMALT davor, internationale Partner zu verprellen.

Denn im Gegensatz zu möglichen gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Importware werde die Artenvielfalt nur im Herkunftsland geschädigt, argumentieren die Handelsvertreter. Einschränkungen seien deshalb handelspolitisch schwieriger zu rechtfertigen. Das könne “leicht zu Spannungen im Dialog mit Drittländern führen”, schreiben die Verbände.

Rechtsrahmen nicht an Erwartungen angepasst

Dass die EU sich in die Produktionsmethoden andernorts einmischt, rechtfertigt die Kommission damit, dass die Biodiversität ein globales Gut und insofern auch Europa von deren Schädigung betroffen sei. Die Verbände warnen aber, dass der Rechtsrahmen angepasst werden müsse, um für den Handel Klarheit zu schaffen.

Denn die entsprechende Verordnung von 2005 stamme noch aus der Zeit, bevor Umweltschutz stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sei. Seither habe Brüssel es versäumt, rechtlich klare Kriterien zu schaffen, gleichzeitig aber politische Erwartungen geschürt. Die Verbände rufen dazu auf, über multilaterale Foren wie die Welthandelsorganisation (WTO) international abgestimmte Umweltstandards zu entwickeln.

Globaler Agrarhandel versus heimische Erzeugung

Alle geltenden Vorschriften zum Thema seien vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten verabschiedet worden, “um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu gewährleisten”, schreibt eine Sprecherin der Kommission auf Anfrage zur Kritik der Verbände. Auch Jutta Paulus, Grünen-Europaabgeordnete und Mitglied im Umweltausschuss, sieht die EU im Recht, solange sie auf Importe nur solche Regeln anwende, die auch im Inland gelten. “Was in der EU nicht verwendet werden darf, sollte auch bei Importen nicht erlaubt sein”, sagt sie Table.Media.

Nicht nur in Sachen Pestizidrückstände pochen Landwirte in Deutschland und Europa darauf, die vergleichsweise strengen Nachhaltigkeitsstandards, die sie einhalten müssen, auch auf Importware anzuwenden. Die Sorge über vermeintliche Wettbewerbsnachteile sind ein Thema der Bauernproteste in vielen EU-Ländern. Doch rechtlich ist es für Brüssel nahezu unmöglich, Drittländern – unabhängig von Vereinbarungen in Freihandelsabkommen – Vorgaben zu machen. Der Drahtseilakt zwischen dem internationalen Handel und dem Schutz der heimischen Erzeugung dürfte in der nächsten EU-Legislaturperiode eine zentrale Herausforderung bleiben.

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  • Europäische Kommission
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News

Politische Einigung zur Luftreinhaltungsrichtlinie

Am Dienstag wurde eine politische Einigung zur Luftreinhaltungsrichtlinie erzielt. Die aktuellen WHO-Richtwerte für Luftschadstoffe werden nicht eins zu eins in EU-Recht umgesetzt. Die Grenzwerte für Luftschadstoffe werden aber ab 2030 verschärft. Die Zahl der Luftschadstoffe, die an den Messstellen kontrolliert werden, wird ausgeweitet. So soll etwa Ammoniak hinzukommen, was Auswirkungen für den ländlichen Raum haben kann.

Künftig könnten von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Grenzwerte gelten: So ist etwa vorgesehen, dass Abweichungen bei den Grenzwerten bis 2040 zugelassen sind, wenn mit den vorherrschenden Heizungssystemen die Grenzwerte nicht erreichbar sind. Diese Ausnahme zielt etwa auf Polen, wo in manchen Regionen noch weitgehend mit Kohle geheizt wird. Ausnahmen könnte es auch in italienischen Industrieregionen rund um Mailand, Genua und Turin geben.

Dies sieht der Kompromiss zur Luftreinhaltungsrichtlinie vor, auf den sich die Verhandlungsführer von Parlament und Rat verständigt haben. Die politische Einigung steht noch unter dem Vorbehalt, dass sie von den Mitgliedstaaten und dem Parlament gebilligt wird. mgr

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Verbot von Greenwashing: Rat nimmt Einigung an

Der Rat hat gestern die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher im Hinblick auf den grünen Wandel angenommen. Damit ist der letzte Schritt des Gesetzgebungsverfahrens getan. Das Parlament hatte der Trilogeinigung bereits im Januar zugestimmt. Nach der Unterzeichnung wird das Gesetz im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft.

Das Gesetz soll Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführender Werbung schützen und ihnen helfen, bessere Kaufentscheidungen zu treffen. Unter anderem wird die EU-Liste der unlauteren Geschäftspraktiken um eine Reihe von Praktiken ergänzt, die mit Greenwashing und dem geplanten Verschleiß von Produkten zusammenhängen. Allgemeine Umweltaussagen wie “umweltfreundlich”, “natürlich”, “biologisch abbaubar”, “klimaneutral” oder “öko” werden verboten, sofern diese nicht belegt werden. leo

  • Greenwashing

Industrie-Unternehmen verlangen einen “European Industrial Deal”

Der Chemiekonzern BASF lud am Dienstag in seine Fabrik nach Antwerpen ein zu einem Gipfeltreffen der energieintensiven Industrie, an dem auch der belgische Premierminister Alexander DeCroo und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilnahmen.

Die Industrie verfasste zu diesem Anlass eine “Antwerp Declaration”. In dieser richten die unterzeichnenden Unternehmen ihre Forderungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten, die nächste EU-Kommission und das nächste EU-Parlament, in der Hoffnung, die kommende Legislaturperiode zu prägen.

“Europa braucht dringend einen Business Case”, schreiben die Unternehmen und erinnern an die großzügige amerikanische Unterstützungspolitik durch den Inflation Reduction Act, die hohen Energiepreise sowie an die chinesische Überproduktion, die Druck auf die europäische Industrie ausüben. Wenn Europa seine produzierende Industrie halten wolle, müsse die EU dringend handeln.

Mehr Geld, weniger Regulierungen

Die Unternehmen präsentieren unter anderem folgende Forderungen in ihrer Wunschliste:

  • Ein Omnibus-Regulierungsvorschlag zur Abschaffung regulatorischer Inkohärenz, unnötiger Komplexität und Reporting-Verpflichtungen soll der erste regulatorische Vorschlag der neuen Legislatur sein.
  • Ein “Clean Tech Deployment Fund” soll öffentliche Mittel bereitstellen für energieintensive Industrien, ohne Binnenmarktregeln zu brechen.
  • Eine EU Energie-Strategie soll den grenzüberschreitenden Stromfluss sowie die Netzerweiterung für Wasserstoff vereinfachen.
  • EU-Gelder sollen so bald wie möglich in europäische Energie-, Digital-, Recycling-Infrastruktur fließen und grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur soll gefördert werden.
  • Die Ziele des Green Deals sollen nicht mit “präskriptiven und detaillierten” Verordnungen umgesetzt werden.
  • Schnelle, vereinfachte Genehmigungsverfahren sollen den Erhalt und Ausbau der chemischen Industrie fördern.

Damit dieser “Industrial Deal” implementiert werden kann, fordern die Unternehmen, dass ein “Erster Vize-Präsident” in der neuen EU-Kommission für die Erfüllung dieses Programms verantwortlich gemacht werden soll.

Kritik von NGOs

Unter den Unternehmen finden sich unter anderem Öl-Unternehmen wie ExxonMobil, Shell, und Total Energies, Chemiekonzerne wie BASF, Dow Europe, Solvay und Bayer, aber auch Stahlhersteller wie ArcelorMittal.

Nichtregierungsorganisationen wie das European Environmental Bureau (EBB) und das Corporate Europe Observatory (CEO) kritisierten die Deklaration scharf. Sie sehen den Vorstoß als Versuch der Chemie-Industrie, Regulierungen gegen umwelt- und gesundheitsschädliche Substanzen aufzuweichen. CEO kritisiert zudem, dass keine Umweltorganisationen zum Gipfel eingeladen waren.

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Macrons möglicher neuer Mann in Brüssel

Clément Beaune wird als Spitzenkandidat für die französische Renaissance-Partei von Präsident Emmanuel Macron gehandelt.

Der Europaabgeordnete Gilles Boyer drängt auf eine schnelle Nominierung des Spitzenkandidaten der französischen Partei Renaissance für die Wahlen im Juni und spricht sich für Clément Beaune aus, den früheren Europa-Berater von Emmanuel Macron.

Man müsse die Kampagne für die Europawahlen 2024 rasch beginnen, sagt der französische Abgeordnete Boyer, der dem ehemaligen Premierminister Edouard Philippe nahesteht, in einem Interview mit der konservativen Tageszeitung Le Figaro. Gilles Boyer gehört Renaissance an, der Partei, die das Lager des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vertritt. In Frankreich haben alle anderen Parteien ihre Spitzenkandidaten für die Europawahlen am 9. Juni benannt – außer Renaissance.

Ich befürchte, dass im letzten Moment jemand nominiert wird, der als Ersatzkandidat oder -kandidatin angesehen werden könnte, weil man sich nicht die Zeit genommen hat, das beste Profil zu finden. Lasst uns nicht in Zeitnot geraten”, warnte er. “Als Spitzenkandidat steht man plötzlich im Rampenlicht der Medien, was manchmal brutal ist und eine gute Vorbereitung erfordert. Das kann man nicht improvisieren”, betonte der Europaabgeordnete. Er fügte hinzu: “Wir alle stehen bereit”.

Clément Beaune, “der beste Spitzenkandidat”

2019 hatte die Kampagne mit der Europaabgeordneten Nathalie Loiseau als Spitzenkandidatin erst neun Wochen vor dem Wahltag begonnen. Die Renaissance-Europaabgeordneten erinnern sich noch an ihre Schwierigkeiten während des Wahlkampfs: Die Kandidatin, die der breiten Öffentlichkeit unbekannt war und plötzlich ins Rampenlicht gedrängt wurde, sah ihre Kampagne durch eine Reihe von Polemiken und missglückten Medienauftritten beschädigt.

Gilles Boyer ist der Ansicht, dass der ehemalige Verkehrsminister und frühere Europa-Berater von Emmanuel Macron, Clément Beaune, “alle Qualitäten vereint, um die Kampagne zu führen”: “die technische Kompetenz”, “die politische Legitimität” und “die Medienerfahrung”, die notwendig sind, um die Liste von Renaissance anzuführen. Clément Beaune ist gerade erst als Abgeordneter ins Parlament zurückgekehrt, nachdem er aus der neuen Regierung vom Premier Minister Gabriel Attal herausgedrängt worden war. Aufgrund seiner Opposition gegen das Einwanderungsgesetz scheint er momentan politisch außer Gefecht gesetzt zu sein. cst

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Polen präsentiert Plan für Ende von Justizstreit

Der neue polnische Justizminister Adam Bodnar.

Die neue polnische Regierung hat den EU-Partnern einen Reformplan für die Beseitigung von rechtsstaatlichen Defiziten präsentiert. Das am Dienstag bei einem Ministertreffen in Brüssel vorgestellte Konzept soll es ermöglichen, das 2017 eingeleitetes Artikel-7-Verfahren wegen der mutmaßlichen Verletzung von EU-Werten zu beenden.

Die EU-Kommission zeigte sich nach der Vorstellung optimistisch, dass mit dem Plan die Unabhängigkeit der Justiz in Polen wieder hergestellt werden könne. Zugleich betonte Vizepräsidentin Věra Jourová, dass vor Polen noch viel Arbeit liege. Sie hoffe aber, das Artikel-7-Verfahren noch in ihrer Amtszeit beenden zu können. Sie endet offiziell am 31. Oktober.

Kritisiert wurde von der Kommission zuletzt unter anderem ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach dem Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind. Diese Entscheidung wird als höchst problematisch angesehen, weil sie der polnischen Politik einen Vorwand geben könnte, unliebsame Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu ignorieren. Die bisherige nationalkonservative PiS-Regierung hatte zudem höchst umstrittene Justizreformen vorgenommen, die auch aus Sicht des EuGH die Unabhängigkeit der dortigen Richter gefährden.

Tusk hofft auf EU-Gelder in Milliardenhöhe

Polens neuer Ministerpräsident Donald Tusk will die Reformen nun mit seiner Koalitionsregierung wieder entschärfen. Dies soll auch zu einer Freigabe von derzeit blockierten EU-Geldern in Milliardenhöhe führen.

Die deutsche Europastaatsministerin Anna Lührmann bezeichnete die Pläne bei dem Ministertreffen in Brüssel als gute Nachricht. “Die polnische Regierung zeigt damit, dass sie wirklich sehr daran interessiert ist, die bestehenden Defizite zur Rechtsstaatlichkeit zügig abzubauen”, sagte die Grünen-Politikerin. Sie habe große Hoffnung, dass die polnische Regierung jetzt wirklich zügig die notwendigen Schritte angehe, die nötigen Gesetze vorlege und neue Richterinnen und Richter ernenne. dpa

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Estland: Russland steckt hinter Vandalismus

Estlands Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Russland hinter dem im vergangenen Jahr verübten Vandalismus an den Privatautos von Innenminister Lauri Läänemets und eines Journalisten steckt. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die in dem Fall seit Dezember festgenommen zehn Personen im Auftrag der russischen Geheimdienste handelten, teilte die estnische Sicherheitspolizei am Dienstag in Tallinn mit. Weiter sollen die Verdächtigen auch Denkmäler in dem Land verunstaltet haben.

Nach Angaben der Sicherheitspolizei deuten die bisher vorliegenden Information darauf hin, dass mit der “hybriden Operation gegen die Sicherheit der Republik Estland” Angst geschürt und Spannungen in der estnischen Gesellschaft erzeugt werden sollte. Demnach sollen die Verdächtigen, von den sechs auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Gewahrsam genommen wurden, etwa Informationen zur Vorbereitung der Angriffe auf die Autos gesammelt und diese Ende 2023 auch durchgeführt haben. 

Festnahme auch in Lettland

Bei den Festgenommenen handle es sich um estnische und russischen Staatsbürger, von denen einige die doppelte Staatsbürgerschaft besäßen. Das Außenministerium in Tallinn bestellte den Geschäftsträger der russischen Botschaft ein. “Russland hofft, unsere Staatlichkeit und unsere unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Es ist klar, dass solche Pläne gegen Estland keinen Erfolg haben können”, erklärte Außenminister Margus Tsahkna. 

Im benachbarten Lettland nahmen die Sicherheitsbehörden ebenfalls eine Person fest, die im Auftrag der russischen Geheimdienste Gedenkstätten im Baltikum geschändet haben soll. Dabei soll es sich der Mitteilung zufolge um einen Verdächtigen mit doppelter Staatsbürgerschaft (Estnisch und Russisch) handeln. dpa

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CDU/CSU: Schneider folgt auf Pieper

Christine Schneider ist Mitglied im Umweltausschuss.

Christine Schneider wurde am Dienstag zur neuen parlamentarischen Geschäftsführerin der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament gewählt. Die rheinland-pfälzische EU-Abgeordnete folgt auf Markus Pieper, der Mittelstandsbeauftragter der EU-Kommission wird.

  • Europäisches Parlament

Presseschau

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Brüssel macht Druck wegen DB Cargo: Jetzt greift die Bahn die Lokführer-Privilegien an TAGESSPIEGEL
EU senkt Grenzwerte für Feinstaub, Stickstoff- und Schwefeldioxid ZEIT
EU Kommission genehmigt IPCEI Projekt Hy2Infra: Enertrag erhält grünes Licht für Elektrolysekorridor Ostdeutschland IWR
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NATO-Beitritt Schwedens: Nun lenkt Orbán ein FAZ
Londoner Richter entscheiden: Wird Julian Assange ausgeliefert? FAZ
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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Das Ergebnis, nicht eine Checkliste der eingesetzten Mittel, sollte ausschlaggebend sein bei der Beurteilung der Frage, ob der RRF als Blaupause für andere europäische Herausforderungen taugt. Ein Blick auf die Weltlage deutet an, dass die Herausforderungen nicht kleiner oder seltener werden.

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    Bürokratieabbau für Bauern: Das plant die EU-Kommission

    Als Reaktion auf die europaweiten Bauernproteste hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen, noch in diesem Monat kurzfristige Maßnahmen zu präsentieren, um den Verwaltungsaufwand für Landwirte im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu mindern. Wie das gelingen soll, erläuterte ein Vertreter der EU-Kommission zu Wochenbeginn während eines Treffens mit den EU-Mitgliedstaaten. Am Donnerstag will die Kommission ihre Vorschläge offiziell vorstellen.

    Folgende Punkte schweben der Brüsseler Behörde nach Recherchen von Table.Media vor:

    • Vereinfachungen beim Flächenmonitoring: betrifft das Area Monitoring System (AMS) zur Abwicklung von Flächenprämien. Die Kommission hofft auf, “erhebliche positive Auswirkungen auf die Verwaltungen der Mitgliedstaaten”. Ziel sei es unter anderem, Vor-Ort-Kontrollen zu reduzieren.
    • Flexibilität bei Strategieplänen: betrifft Änderungen durch die EU-Mitgliedstaaten. Bisher müssen diese bei der Kommission beantragt werden. Der Prozess kann einige Monate dauern und soll vereinfacht werden.
    • Außergewöhnliche Umstände: betrifft die Möglichkeit, Sanktionen auszusetzen. Die Kommission will eine Erläuterung dazu veröffentlichen. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hatte diese Möglichkeit bereits in den Raum geworfen. Rechtsexperten sehen das aber kritisch.

    Lockerungen bei GLÖZ-Standards

    Zusätzlich will die EU-Kommission Vorgaben zum Erhalt von Dauergrünland lockern. Das betrifft GLÖZ 1. GLÖZ steht für Standards für den guten und ökologischen Zustand von Flächen. Seit 2023 gelten neun GLÖZ. Bislang gilt: Im Vergleich zu 2018 darf die für Dauergrünland genutzte Fläche nicht mehr als um fünf Prozent sinken. Im Fall von “außergewöhnlichen Strukturänderungen” in der Landwirtschaft will die Brüsseler Behörde erlauben, von dieser Vorgabe abzuweichen. Beispielsweise, wenn Grünland nicht mehr gewinnbringend genutzt werden kann, weil zuvor die Anzahl der Nutztiere reduziert wurde und der Futtermittelbedarf entsprechend gesunken ist.

    Mehr Spielraum sollen die EU-Länder auch bekommen, wenn sich die landesweite Ackerfläche “rasch” vergrößert hat, und nur dadurch der Anteil des Dauergrünlands gesunken ist. In diesem Fall “könnte es unverhältnismäßig sein”, auf der Einhaltung des Prozentwerts zu bestehen, schreibt die Kommission. Eine Ausnahme von der Regel hatte die Kommission bereits für GLÖZ 8 umgesetzt.

    Mitgliedstaaten sind gefordert

    Für den Bürokratieabbau sind aus Sicht der Kommission vor allem die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung ihrer nationalen Strategiepläne verantwortlich. Die Brüsseler Behörde will deshalb eng mit der belgischen EU-Ratspräsidentschaft zusammenarbeiten.

    Eine andere Forderung, die aus den Bauernprotesten nach Brüssel getragen wurde, schiebt die Kommission dagegen auf die lange Bank: die Stärkung der Position von Landwirten in der Wertschöpfungskette. Zwar wolle die Kommission das angehen, allerdings eher “langfristig”, berichten gut informierte Kreise. Zuletzt hatten der französische Präsident Emmanuel Macron und der spanische Agrarminister Luis Planas gefordert, die EU-Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken zu verschärfen.

    Forderungen des Agrarausschusses

    Der Chef des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), schreibt im Namen des Ausschusses einen Brief an Agrarkommissar Janusz Wojciechowski mit seinen Forderungen. Der Brief liegt Table.Media vor. Wojciechowski will dem Vernehmen nach am kommenden Montag beim Agrarrat den Mitgliedstaaten seine Vorschläge vorlegen. Lins listet sechs Forderungen auf:

    • Die Anpassung der Nationalen Strategiepläne an die Wünsche der Mitgliedstaaten soll schneller gehen – die Kommission plant dies ebenfalls.
    • Per EU-Gesetz sollen bis zum Ende der GAP-Periode 2027 drei von neun GLÖZ (6, 7 und 8) angepasst werden – diese Forderung geht über die Pläne der Kommission hinaus, die nur für 2024 Änderungen will und nur für die Brachflächen (GLÖZ 8).
    • Die Anforderungen an Agrarprodukte im Rahmen der GAP sollen auf Agrarimporte übertragen werden; dazu sollen die EU-Handelsabkommen angepasst werden – die Kommission kündigt Vergleichbares an, allerdings soll ein Vorschlag erst später kommen.
    • Die EU-Gesetzgebung zu unfairen Handelspraktiken soll überarbeitet werden, um für faire Preise in der Wertschöpfungskette zu sorgen – die Kommission plant dazu bisher nichts.
    • mehr Kooperation in der Lieferkette, um die Lage der Bauern zu verbessern, die Wettbewerbsregeln sollen überarbeitet werden – die Kommission plant hierzu nichts
    • Überprüfung aller einschlägigen Vorschriften für die Landwirtschaft und Analyse, ob Ausnahmen, Übergangsfristen oder Alternativen notwendig sind – die Kommission plant hierzu nichts
    • Bürokratie
    • Europäische Kommission
    • Gemeinsame Agrarpolitik
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    Carbon Removals: EU legt Regeln für Zertifikate fest

    Die EU hat sich vorläufig darauf geeinigt, wie zukünftig Entnahme und Speicherung von CO₂ durch Zertifikate für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt geregelt werden. In der Nacht zum Dienstag einigten sich die Unterhändler aus Europaparlament, EU-Kommission und der belgischen EU-Ratspräsidentschaft. Das Rahmenwerk (Carbon Removal Certification Framework – CRCF) soll den Hochlauf technologischer und natürlicher Kohlenstoffbindung fördern, indem transparente und überprüfbare CO₂-Entnahme-Zertifikate zu Geld gemacht werden können.

    Das neue Gesetz unterscheidet zwischen unterschiedlichen Formen der CO₂-Entnahme:

    • Kohlenstoffspeicherung nach der Verbrennung von Biomasse (BECCS) oder CO₂-Abscheidung aus der Luft (DACCS) gelten als permanente CO₂-Entnahmen. Allerdings ist der Zeithorizont noch vage gehalten. “Mehrere Jahrhunderte” muss das Triebhausgas für die Zertifizierung gebunden sein, um als dauerhaft zu gelten. Eine genauere Definition soll ein delegierter Rechtsakt der Kommission zu einem späteren Zeitpunkt liefern. Bei der Berechnung der CO₂-Bilanz von Biomasse werden zudem die Emissionen des gesamten Lebenszyklus berücksichtigt, also auch bei der Erzeugung der Biomasse. Dafür hatten sich das Parlament und im Rat insbesondere Deutschland eingesetzt, denn die Regelung fördert zwar die Installation von CCS-Technologien in Biomassekraftwerken, setzt aber keine Anreize für den Bau neuer Biomassekraftwerke.
    • Die stoffliche Speicherung in Holzprodukten gilt als temporär, wenn das CO₂ nachweislich für mindestens 35 Jahre gebunden wird.
    • Auch Carbon Farming gilt als Entnahmemöglichkeit. Damit der Kohlenstoff als “entnommen” gilt, muss er sogar nur für fünf Jahre gebunden werden, was Kritiker für deutlich zu kurz und daher für kaum klimawirksam halten. Bei Carbon Farming wird zusätzlich noch einmal unterschieden zwischen CO₂-Reduktion im Boden, beispielsweise durch Düngemittelreduktion, und CO₂-Speicherung durch die Wiederherstellung von Wäldern und Böden sowie die Wiedervernässung von Mooren.

    CCS aus der Industrie nicht betroffen

    Über die Aufnahme von vermiedenen Methanemissionen aus der Tierhaltung soll die Kommission bei einer Revision 2026 entscheiden. Abgeschiedenes CO₂ von großen Industrieanlagen oder Kraftwerken (CCUS) ist von dem Gesetz nicht betroffen, da diese Emissionen unter das europäische Emissionshandelssystem (ETS) fallen und keine direkten CO₂-Entnahmen aus der Atmosphäre darstellen.

    Die Aufnahme von Carbon-Farming-Aktivitäten in den Zertifizierungsrahmen ermöglicht Landwirten, durch klimafreundlichere Landwirtschaft in Zukunft auf den freiwilligen Kohlenstoffmärkten Geld zu verdienen. Unklar ist, wann dies möglich sein wird. Die genauen Methoden zur Zertifizierung müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes erst noch von der Kommission erarbeitetet und durch delegierte Rechtsakte festgelegt werden. Das dauert mindestens zwei Jahre und bietet kaum Mitspracherecht für die Co-Gesetzgeber.

    Erste Kriterien für Carbon Farming

    Allerdings sieht der Kompromiss bereits einige Kriterien für die Zertifizierung vor. Unter anderem müssen Carbon-Farming-Aktivitäten immer auch einen positiven Beitrag zur Biodiversität leisten, indem zum Beispiel die Bodengesundheit gefördert und die Bodendegradation vermieden wird. Alle anderen Entnahmeformen dürfen nicht zu einer erheblichen Schädigung der Umwelt führen (“do no significant harm”).

    Außerdem gelte das Additionalitätsprinzip, stellt Parlaments-Schattenberichterstatter Tiemo Wölken (SPD) klar: “Der Text enthält genug Garantien dafür, dass keine Aktivität zertifiziert wird, die auch ohne die Zertifizierung stattgefunden hätte.” Man könne aber zurecht kritisieren, dass die Mitgliedsstaaten sich die Entnahmen aus dem CRCF auf ihre anderen Ziele, beispielsweise die nationalen LULUCF-Ziele anrechnen könnten, gesteht der umweltpolitische Sprecher der S&D-Fraktion im EU-Parlament. Der Brüsseler Thinktank Carbon Market Watch kritisiert dies als Doppelzählung. “Hier war aber mit dem Rat leider nicht mehr zu erreichen”, sagt Wölken.

    WWF kritisiert “Ablasshandel”

    Als zu ungenau und zu kurzfristig bezeichnet Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland, das Trilog-Ergebnis. Die Grenzen zwischen CO₂-Minderung und Entnahmen würden verschwimmen. Dies könne zu viel Greenwashing mit kleiner und kurzfristiger Klimawirkung führen. “Denn die CO₂-Speicherung in Produkten oder auch natürlichen Senken etwa über Humusaufbau oder Aufforstung unterliegt großen Unsicherheiten”, so Raddatz. Sie befürchtet, dass zertifizierte und verkaufte CO₂-Entnahmen durch Dürren und Brände doch wieder als Emission enden. Ein neuer Ablasshandel werde das Klima nicht schützen.

    Wölken unterstützt die Unterscheidung zwischen Entnahme und Vermeidung zwar, verweist aber auch darauf, dass Emissionsreduktionsziele in der Effort Sharing Regulation sowie dem ETS festgelegt sind, auf die die CRCF keinen Einfluss habe. Wofür Unternehmen die Zertifikate verwenden dürfen, werde derzeit in der Green-Claims-Richtlinie verhandelt.

    Peter Liese, klimapolitischer Sprecher der EVP, wäre am liebsten noch weiter gegangen. Er fordert, zumindest die technologischen Entnahmemöglichkeiten wie DACCS schnellstmöglich in das ETS einzubeziehen.

    Zertifikate nicht an andere Länder verkäuflich

    Die CO₂-Entnahmen unter dem CRCF können zwar auf die bei der UN hinterlegten EU-Klimaziele (NDCs) angerechnet werden, sodass auch hier eine Doppelberücksichtigung der Zertifikate möglich ist. Die EU-Gesetzgeber einigten sich aber darauf, dass in Europa zertifizierte CO₂-Entnahmen nicht an andere Länder für deren NDCs verkauft werden dürfen. So soll vermieden werden, dass die EU anderen Ländern Offset-Möglichkeiten bietet.

    Der Trilog-Kompromiss muss noch von Parlament und Mitgliedstaaten formal bestätigt werden. Voraussichtlich stimmt das Plenum in seiner letzten Plenarsitzung im April ab, sodass das Gesetz noch vor der Europawahl im Juni verabschiedet werden kann.

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    Pestizidrückstände: Umweltschutz gewinnt bei Importware an Bedeutung

    Wenn ein Agrarprodukt in die EU importiert wird, ist genau festgelegt, welche Mengen von Pflanzenschutzmitteln nachweisbar sein dürfen. Für etwa 1.100 Pestizide gibt es laut Europäischer Kommission Höchstwerte. In der Vergangenheit ging es dabei ausschließlich darum, Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Neuerdings bezieht die Brüsseler Behörde aber auch Umweltrisiken mit ein.

    Besonders streng agierte die EU-Kommission bei mehreren Neonicotinoiden, einer Gruppe von Insektenschutzmitteln, die als schädlich für Bestäuber gelten und in der EU inzwischen nicht mehr angewandt werden dürfen. Im vergangenen Jahr entschied die Kommission, auch bei Importen keine Rückstände der Neonicotinoide Thiamethoxan und Clothianidin zuzulassen. Dabei verwies sie ausdrücklich auf deren schädliche Wirkung auf die Artenvielfalt.

    Artenschutz als Kriterium umstritten

    Im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie hatte sich die Kommission vorgenommen, auch Umweltkriterien bei der Festlegung erlaubter Rückstände auf Importprodukten einzubeziehen. Genau das sehen aber Handelsverbände kritisch. In einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier warnen die europäischen Handelsverbände COCERAL, Unistock Europe und EUROMALT davor, internationale Partner zu verprellen.

    Denn im Gegensatz zu möglichen gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Importware werde die Artenvielfalt nur im Herkunftsland geschädigt, argumentieren die Handelsvertreter. Einschränkungen seien deshalb handelspolitisch schwieriger zu rechtfertigen. Das könne “leicht zu Spannungen im Dialog mit Drittländern führen”, schreiben die Verbände.

    Rechtsrahmen nicht an Erwartungen angepasst

    Dass die EU sich in die Produktionsmethoden andernorts einmischt, rechtfertigt die Kommission damit, dass die Biodiversität ein globales Gut und insofern auch Europa von deren Schädigung betroffen sei. Die Verbände warnen aber, dass der Rechtsrahmen angepasst werden müsse, um für den Handel Klarheit zu schaffen.

    Denn die entsprechende Verordnung von 2005 stamme noch aus der Zeit, bevor Umweltschutz stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sei. Seither habe Brüssel es versäumt, rechtlich klare Kriterien zu schaffen, gleichzeitig aber politische Erwartungen geschürt. Die Verbände rufen dazu auf, über multilaterale Foren wie die Welthandelsorganisation (WTO) international abgestimmte Umweltstandards zu entwickeln.

    Globaler Agrarhandel versus heimische Erzeugung

    Alle geltenden Vorschriften zum Thema seien vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten verabschiedet worden, “um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu gewährleisten”, schreibt eine Sprecherin der Kommission auf Anfrage zur Kritik der Verbände. Auch Jutta Paulus, Grünen-Europaabgeordnete und Mitglied im Umweltausschuss, sieht die EU im Recht, solange sie auf Importe nur solche Regeln anwende, die auch im Inland gelten. “Was in der EU nicht verwendet werden darf, sollte auch bei Importen nicht erlaubt sein”, sagt sie Table.Media.

    Nicht nur in Sachen Pestizidrückstände pochen Landwirte in Deutschland und Europa darauf, die vergleichsweise strengen Nachhaltigkeitsstandards, die sie einhalten müssen, auch auf Importware anzuwenden. Die Sorge über vermeintliche Wettbewerbsnachteile sind ein Thema der Bauernproteste in vielen EU-Ländern. Doch rechtlich ist es für Brüssel nahezu unmöglich, Drittländern – unabhängig von Vereinbarungen in Freihandelsabkommen – Vorgaben zu machen. Der Drahtseilakt zwischen dem internationalen Handel und dem Schutz der heimischen Erzeugung dürfte in der nächsten EU-Legislaturperiode eine zentrale Herausforderung bleiben.

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    Politische Einigung zur Luftreinhaltungsrichtlinie

    Am Dienstag wurde eine politische Einigung zur Luftreinhaltungsrichtlinie erzielt. Die aktuellen WHO-Richtwerte für Luftschadstoffe werden nicht eins zu eins in EU-Recht umgesetzt. Die Grenzwerte für Luftschadstoffe werden aber ab 2030 verschärft. Die Zahl der Luftschadstoffe, die an den Messstellen kontrolliert werden, wird ausgeweitet. So soll etwa Ammoniak hinzukommen, was Auswirkungen für den ländlichen Raum haben kann.

    Künftig könnten von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Grenzwerte gelten: So ist etwa vorgesehen, dass Abweichungen bei den Grenzwerten bis 2040 zugelassen sind, wenn mit den vorherrschenden Heizungssystemen die Grenzwerte nicht erreichbar sind. Diese Ausnahme zielt etwa auf Polen, wo in manchen Regionen noch weitgehend mit Kohle geheizt wird. Ausnahmen könnte es auch in italienischen Industrieregionen rund um Mailand, Genua und Turin geben.

    Dies sieht der Kompromiss zur Luftreinhaltungsrichtlinie vor, auf den sich die Verhandlungsführer von Parlament und Rat verständigt haben. Die politische Einigung steht noch unter dem Vorbehalt, dass sie von den Mitgliedstaaten und dem Parlament gebilligt wird. mgr

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    Verbot von Greenwashing: Rat nimmt Einigung an

    Der Rat hat gestern die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher im Hinblick auf den grünen Wandel angenommen. Damit ist der letzte Schritt des Gesetzgebungsverfahrens getan. Das Parlament hatte der Trilogeinigung bereits im Januar zugestimmt. Nach der Unterzeichnung wird das Gesetz im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft.

    Das Gesetz soll Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführender Werbung schützen und ihnen helfen, bessere Kaufentscheidungen zu treffen. Unter anderem wird die EU-Liste der unlauteren Geschäftspraktiken um eine Reihe von Praktiken ergänzt, die mit Greenwashing und dem geplanten Verschleiß von Produkten zusammenhängen. Allgemeine Umweltaussagen wie “umweltfreundlich”, “natürlich”, “biologisch abbaubar”, “klimaneutral” oder “öko” werden verboten, sofern diese nicht belegt werden. leo

    • Greenwashing

    Industrie-Unternehmen verlangen einen “European Industrial Deal”

    Der Chemiekonzern BASF lud am Dienstag in seine Fabrik nach Antwerpen ein zu einem Gipfeltreffen der energieintensiven Industrie, an dem auch der belgische Premierminister Alexander DeCroo und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilnahmen.

    Die Industrie verfasste zu diesem Anlass eine “Antwerp Declaration”. In dieser richten die unterzeichnenden Unternehmen ihre Forderungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten, die nächste EU-Kommission und das nächste EU-Parlament, in der Hoffnung, die kommende Legislaturperiode zu prägen.

    “Europa braucht dringend einen Business Case”, schreiben die Unternehmen und erinnern an die großzügige amerikanische Unterstützungspolitik durch den Inflation Reduction Act, die hohen Energiepreise sowie an die chinesische Überproduktion, die Druck auf die europäische Industrie ausüben. Wenn Europa seine produzierende Industrie halten wolle, müsse die EU dringend handeln.

    Mehr Geld, weniger Regulierungen

    Die Unternehmen präsentieren unter anderem folgende Forderungen in ihrer Wunschliste:

    • Ein Omnibus-Regulierungsvorschlag zur Abschaffung regulatorischer Inkohärenz, unnötiger Komplexität und Reporting-Verpflichtungen soll der erste regulatorische Vorschlag der neuen Legislatur sein.
    • Ein “Clean Tech Deployment Fund” soll öffentliche Mittel bereitstellen für energieintensive Industrien, ohne Binnenmarktregeln zu brechen.
    • Eine EU Energie-Strategie soll den grenzüberschreitenden Stromfluss sowie die Netzerweiterung für Wasserstoff vereinfachen.
    • EU-Gelder sollen so bald wie möglich in europäische Energie-, Digital-, Recycling-Infrastruktur fließen und grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur soll gefördert werden.
    • Die Ziele des Green Deals sollen nicht mit “präskriptiven und detaillierten” Verordnungen umgesetzt werden.
    • Schnelle, vereinfachte Genehmigungsverfahren sollen den Erhalt und Ausbau der chemischen Industrie fördern.

    Damit dieser “Industrial Deal” implementiert werden kann, fordern die Unternehmen, dass ein “Erster Vize-Präsident” in der neuen EU-Kommission für die Erfüllung dieses Programms verantwortlich gemacht werden soll.

    Kritik von NGOs

    Unter den Unternehmen finden sich unter anderem Öl-Unternehmen wie ExxonMobil, Shell, und Total Energies, Chemiekonzerne wie BASF, Dow Europe, Solvay und Bayer, aber auch Stahlhersteller wie ArcelorMittal.

    Nichtregierungsorganisationen wie das European Environmental Bureau (EBB) und das Corporate Europe Observatory (CEO) kritisierten die Deklaration scharf. Sie sehen den Vorstoß als Versuch der Chemie-Industrie, Regulierungen gegen umwelt- und gesundheitsschädliche Substanzen aufzuweichen. CEO kritisiert zudem, dass keine Umweltorganisationen zum Gipfel eingeladen waren.

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    Macrons möglicher neuer Mann in Brüssel

    Clément Beaune wird als Spitzenkandidat für die französische Renaissance-Partei von Präsident Emmanuel Macron gehandelt.

    Der Europaabgeordnete Gilles Boyer drängt auf eine schnelle Nominierung des Spitzenkandidaten der französischen Partei Renaissance für die Wahlen im Juni und spricht sich für Clément Beaune aus, den früheren Europa-Berater von Emmanuel Macron.

    Man müsse die Kampagne für die Europawahlen 2024 rasch beginnen, sagt der französische Abgeordnete Boyer, der dem ehemaligen Premierminister Edouard Philippe nahesteht, in einem Interview mit der konservativen Tageszeitung Le Figaro. Gilles Boyer gehört Renaissance an, der Partei, die das Lager des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vertritt. In Frankreich haben alle anderen Parteien ihre Spitzenkandidaten für die Europawahlen am 9. Juni benannt – außer Renaissance.

    Ich befürchte, dass im letzten Moment jemand nominiert wird, der als Ersatzkandidat oder -kandidatin angesehen werden könnte, weil man sich nicht die Zeit genommen hat, das beste Profil zu finden. Lasst uns nicht in Zeitnot geraten”, warnte er. “Als Spitzenkandidat steht man plötzlich im Rampenlicht der Medien, was manchmal brutal ist und eine gute Vorbereitung erfordert. Das kann man nicht improvisieren”, betonte der Europaabgeordnete. Er fügte hinzu: “Wir alle stehen bereit”.

    Clément Beaune, “der beste Spitzenkandidat”

    2019 hatte die Kampagne mit der Europaabgeordneten Nathalie Loiseau als Spitzenkandidatin erst neun Wochen vor dem Wahltag begonnen. Die Renaissance-Europaabgeordneten erinnern sich noch an ihre Schwierigkeiten während des Wahlkampfs: Die Kandidatin, die der breiten Öffentlichkeit unbekannt war und plötzlich ins Rampenlicht gedrängt wurde, sah ihre Kampagne durch eine Reihe von Polemiken und missglückten Medienauftritten beschädigt.

    Gilles Boyer ist der Ansicht, dass der ehemalige Verkehrsminister und frühere Europa-Berater von Emmanuel Macron, Clément Beaune, “alle Qualitäten vereint, um die Kampagne zu führen”: “die technische Kompetenz”, “die politische Legitimität” und “die Medienerfahrung”, die notwendig sind, um die Liste von Renaissance anzuführen. Clément Beaune ist gerade erst als Abgeordneter ins Parlament zurückgekehrt, nachdem er aus der neuen Regierung vom Premier Minister Gabriel Attal herausgedrängt worden war. Aufgrund seiner Opposition gegen das Einwanderungsgesetz scheint er momentan politisch außer Gefecht gesetzt zu sein. cst

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    Polen präsentiert Plan für Ende von Justizstreit

    Der neue polnische Justizminister Adam Bodnar.

    Die neue polnische Regierung hat den EU-Partnern einen Reformplan für die Beseitigung von rechtsstaatlichen Defiziten präsentiert. Das am Dienstag bei einem Ministertreffen in Brüssel vorgestellte Konzept soll es ermöglichen, das 2017 eingeleitetes Artikel-7-Verfahren wegen der mutmaßlichen Verletzung von EU-Werten zu beenden.

    Die EU-Kommission zeigte sich nach der Vorstellung optimistisch, dass mit dem Plan die Unabhängigkeit der Justiz in Polen wieder hergestellt werden könne. Zugleich betonte Vizepräsidentin Věra Jourová, dass vor Polen noch viel Arbeit liege. Sie hoffe aber, das Artikel-7-Verfahren noch in ihrer Amtszeit beenden zu können. Sie endet offiziell am 31. Oktober.

    Kritisiert wurde von der Kommission zuletzt unter anderem ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach dem Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind. Diese Entscheidung wird als höchst problematisch angesehen, weil sie der polnischen Politik einen Vorwand geben könnte, unliebsame Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu ignorieren. Die bisherige nationalkonservative PiS-Regierung hatte zudem höchst umstrittene Justizreformen vorgenommen, die auch aus Sicht des EuGH die Unabhängigkeit der dortigen Richter gefährden.

    Tusk hofft auf EU-Gelder in Milliardenhöhe

    Polens neuer Ministerpräsident Donald Tusk will die Reformen nun mit seiner Koalitionsregierung wieder entschärfen. Dies soll auch zu einer Freigabe von derzeit blockierten EU-Geldern in Milliardenhöhe führen.

    Die deutsche Europastaatsministerin Anna Lührmann bezeichnete die Pläne bei dem Ministertreffen in Brüssel als gute Nachricht. “Die polnische Regierung zeigt damit, dass sie wirklich sehr daran interessiert ist, die bestehenden Defizite zur Rechtsstaatlichkeit zügig abzubauen”, sagte die Grünen-Politikerin. Sie habe große Hoffnung, dass die polnische Regierung jetzt wirklich zügig die notwendigen Schritte angehe, die nötigen Gesetze vorlege und neue Richterinnen und Richter ernenne. dpa

    • Europapolitik
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    • Rechtsstaatlichkeit

    Estland: Russland steckt hinter Vandalismus

    Estlands Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Russland hinter dem im vergangenen Jahr verübten Vandalismus an den Privatautos von Innenminister Lauri Läänemets und eines Journalisten steckt. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die in dem Fall seit Dezember festgenommen zehn Personen im Auftrag der russischen Geheimdienste handelten, teilte die estnische Sicherheitspolizei am Dienstag in Tallinn mit. Weiter sollen die Verdächtigen auch Denkmäler in dem Land verunstaltet haben.

    Nach Angaben der Sicherheitspolizei deuten die bisher vorliegenden Information darauf hin, dass mit der “hybriden Operation gegen die Sicherheit der Republik Estland” Angst geschürt und Spannungen in der estnischen Gesellschaft erzeugt werden sollte. Demnach sollen die Verdächtigen, von den sechs auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Gewahrsam genommen wurden, etwa Informationen zur Vorbereitung der Angriffe auf die Autos gesammelt und diese Ende 2023 auch durchgeführt haben. 

    Festnahme auch in Lettland

    Bei den Festgenommenen handle es sich um estnische und russischen Staatsbürger, von denen einige die doppelte Staatsbürgerschaft besäßen. Das Außenministerium in Tallinn bestellte den Geschäftsträger der russischen Botschaft ein. “Russland hofft, unsere Staatlichkeit und unsere unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Es ist klar, dass solche Pläne gegen Estland keinen Erfolg haben können”, erklärte Außenminister Margus Tsahkna. 

    Im benachbarten Lettland nahmen die Sicherheitsbehörden ebenfalls eine Person fest, die im Auftrag der russischen Geheimdienste Gedenkstätten im Baltikum geschändet haben soll. Dabei soll es sich der Mitteilung zufolge um einen Verdächtigen mit doppelter Staatsbürgerschaft (Estnisch und Russisch) handeln. dpa

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    CDU/CSU: Schneider folgt auf Pieper

    Christine Schneider ist Mitglied im Umweltausschuss.

    Christine Schneider wurde am Dienstag zur neuen parlamentarischen Geschäftsführerin der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament gewählt. Die rheinland-pfälzische EU-Abgeordnete folgt auf Markus Pieper, der Mittelstandsbeauftragter der EU-Kommission wird.

    • Europäisches Parlament

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    Europe.Table Redaktion

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