die Reaktion aus China wird wohl nicht lange auf sich warten lassen. Die ersten Kommentare zu Joe Bidens Dekret gibt es aus Peking bereits. Der US-Präsident hat sein Finanzministerium angewiesen, bestimmte amerikanische Investitionen in chinesische Unternehmen zu untersagen. Zwar ist Europas Wirtschaft nicht direkt betroffen. Dennoch sieht die deutsche Industrie die Errichtung dieses “sehr schmalen, aber sehr hohen Zauns”, wie Siemens-Chef Roland Busch es ausdrückte, skeptisch.
Die EU solle von eigenen Plänen zur Einführung eines Outbound Investment Screenings Abstand nehmen, rät etwa DIHK-Außenhandelsexpertin Melanie Vogelbach. Sie forderte, die EU solle sich eng mit den USA abstimmen, um negative Auswirkungen der US-Pläne auf die europäische Wirtschaft zu verhindern.
Ziel der europäischen Außenwirtschaftsstrategie müsse es sein, anstelle von staatlich gelenktem Außenhandel die globale Öffnung von Märkten und Investitionsstandorten zu beschleunigen. So könnten Unternehmen die Diversifizierung ihrer Lieferketten vorantreiben, meint Vogelbach. Anders gesagt: Sie schlägt eher ein De-Risking als ein Decoupling vor, wie die USA es anstreben.
Die EU-Kommission will die angekündigten Investitionsbeschränkungen für US-Unternehmen in China genau analysieren. “Wir stehen in engem Kontakt mit der US-Regierung und freuen uns auf weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich”, hieß es in einer ersten Reaktion aus Brüssel. Auch die EU und die Mitgliedsstaaten wollten verhindern, dass Kapital und Know-how europäischer Unternehmen militärische und nachrichtendienstliche Fähigkeiten von Akteuren verbesserten, “die sie möglicherweise dazu nutzen, den internationalen Frieden und die Sicherheit zu untergraben”.
Doch wie geht es weiter im Konflikt zwischen den USA und China? Das hat mein Kollege Finn Mayer-Kuckuk analysiert.
Per Dekret hat US-Präsident Joe Biden am Mittwoch verfügt: gewisse Kapitalinvestitionen von US-Anlegern in chinesische Hochtechnologiefirmen sollen ab dem kommenden Jahr nicht mehr möglich sein. Auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen ist untersagt. Betroffen sind die Branchen:
Die Verwaltungsanweisung betrifft offiziell “Countries of Concern”, gemeint ist China. So darf beispielsweise ein US-Investmenthaus wie Goldman Sachs künftig kein Geld mehr in eine chinesische KI-Firma wie Baidu oder Alibaba stecken. Auch die Finanzierung chinesischer Start-ups vonseiten der USA ist nicht mehr möglich. Bisher waren solche Investitionen Routine.
Es ist weniger die Maßnahme selbst, die in Europa erhebliche Sorgen weckt. Ihre unmittelbaren Auswirkungen werden sich in Grenzen halten, zumal sie nicht rückwirkt. Europäische und deutsche Firmen sind nicht direkt betroffen.
Doch indirekt wird die unbegrenzte Fortsetzung des Handelskonflikts globale Auswirkungen haben. China wird seinerseits mit einer Handelsmaßnahme reagieren, wie bisher jedes Mal nach US-Sanktionen. Das Außenministerium in Peking klagte am Donnerstag bereits darüber, Opfer von “wirtschaftlichem Zwang” vonseiten der USA zu sein.
Es ist zudem der Ton des Dekrets, der nichts Gutes für die Entwicklung des Welthandels in den kommenden Jahren verheißt. Biden begründet die Maßnahme ausdrücklich nicht wirtschaftlich, sondern politisch als Frage der nationalen Sicherheit. Er stellt den Investitionsstopp als Notwehr gegen den Aufstieg Chinas zum technischen Rivalen dar.
In erstaunlicher Offenheit legen die Dekrete der US-Präsidenten dar, dass sie die pure Existenz einer technisch ebenbürtigen Großmacht an sich schon als gefährlich empfinden. Die USA sollen und müssen ihren Vorsprung mit allen Mitteln verteidigen. Das bestätigt die chinesische Sicht, dass der Westen das eigene Land klein halten wolle, wie der Sprecher des Außenministeriums auch klar sagte.
Der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses, sieht die Sanktionen durchaus kritisch. Lange sorgt sich um willkürliche Nutzung der nationalen Sicherheit als Begründung für Handelshemmnisse. “Eine völlig unspezifische Nutzung dieser Begründung öffnet natürlich Tür und Tor für Protektionismus.” Lange sieht hier eine Fortsetzung der Praktiken Donald Trumps.
Mit jeder neuen Runde des Handelskonflikts schrumpft jedoch der Handlungsspielraum international agierender Unternehmen. Und je konsequenter beide Seiten technische Produkte des Gegners ablehnen, desto weniger können europäische Firmen einheitliche Geräte für den Weltmarkt anbieten. Wenn die Grundversion eines Produkts hochwertige US-Chips enthält, muss ein Unternehmen für China eine Version mit chinesischen Chips entwickeln. Es droht eine Spaltung des Weltmarkts.
Lange stuft das Dekret als einen weiteren Schritt der Eskalation zwischen den USA und China ein und erkennt darin sogar “eine neue Dimension”. Er glaubt nicht, dass Brüssel dem Schritt folgen sollte: “Wir in der EU haben unsere eigenen Interessen, und insofern sollten wir uns nicht unter Druck setzen lassen und unsere Strategie autonom verfolgen.”
Aus Sicht der USA ergibt die Maßnahme nach Langes Einschätzung allerdings Sinn: Biden komme gleich zwei seiner Ziele damit näher. Er verbinde “die ökonomischen Interessen, China in der Konkurrenz zum Wirtschaftsstandort USA zu begrenzen, mit der geopolitischen Absicht, China bestimmte technologische Möglichkeiten in der politischen Expansion zu entziehen”.
Biden will tatsächlich den Erklärungen seiner Beamten zufolge zwei Dinge erreichen:
Der neue Investment-Bann fügt sich in die Liste der Handelsmaßnahmen des Weißen Hauses nahtlos ein. Er trägt zudem unmissverständlich Bidens Handschrift. Während Donald Trump sich noch auf Old-Economy-Produkte wie Waschmaschinen und Stahl konzentrierte, geht es Biden vor allem um Hochtechnologie.
Ein wenig stellt sich allerdings die Frage, wer hier wem mehr schadet. Die US-Finanzbranche hat schließlich auch aus Eigeninteresse in den schnell wachsenden chinesischen Tech-Sektor investiert. China ist zudem tendenziell unzugänglich; vor allen die westlichen Investitionen haben aber jahrzehntelang Türen geöffnet und den Informationsstand des Westens über die Vorgänge in China hochgehalten. Ein Verbot von Investitionen in chinesische Tech-Firmen klingt fast mehr wie eine Sanktion, die China gegen die USA hätte verhängen können.
Das deutsche Entwicklungsministerium hat seine Hilfe umgehend gestoppt, ebenso die Weltbank, die EU und natürlich Frankreich. Dabei ist Niger auf westliche Hilfe besonders angewiesen. Der für die EU bislang so wichtige Partner bei der Eindämmung irregulärer Migration aus den Subsahara-Ländern hatte eine Hilfszusage über rund eine halbe Milliarde Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2024. Damit sollten vor allem Regierungsführung und Bildung vorangebracht werden.
Mit dem Tag des Putsches hat sich all das erst einmal zerschlagen. Niger steuert ohne finanzielle Unterstützung und Entwicklungszusammenarbeit auf ein Desaster zu, wie der Afrika-Experte und Ökonom Robert Kappel sagt. Nach wie vor ist die Lage unübersichtlich. Das macht auch die Zeitachse schwer berechenbar. Je mehr Zeit jetzt ohne Verhandlungen verstreicht, desto fester werden die Putschisten im Sattel sitzen. Militärische Drohungen und Druck auf die Putschisten machten die Lage noch brisanter. Die Folge wäre nicht nur eine massive Verschlechterung der Versorgungslage im Land, sondern auch die Gefahr einer großen Zahl von Binnenflüchtlingen.
Mit der Fehleinschätzung der Lage im Niger hat sich die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik eine erstaunliche Schlappe geleistet. An warnenden Stimmen fehlte es nicht, zum Beispiel als der ehemalige französische Botschafter Gérard Araud kürzlich davor mahnte, “Niger sei für Frankreich das, was Afghanistan für die USA ist”. Seiner Regierung in Paris empfahl er, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen Kolonien zu normalisieren und die afrikanischen Partner als souveräne Nationen zu behandeln. Militärische Präsenz fördere nur die Frustration der lokalen Bevölkerung über Frankreichs koloniales Erbe.
Aus Kappels Sicht ist die deutsche Politik in eine “Falle von Unkenntnis” getappt. Daraufhin habe sich Deutschland weitgehend an Frankreich orientiert, das allerdings mit seinem Fokus auf wirtschaftliche Ausbeutung einen völlig anderen Ansatz in der Zusammenarbeit beider Länder verfolgt habe.
Der Putsch hat ein doppeltes Dilemma offengelegt: Der sicherheitspolitische Ansatz des Westens ist ebenso gescheitert wie der entwicklungspolitische. Die auch von der Bundesregierung verbreitete Erzählung vom “Stabilitätsanker Niger” war Wunschdenken. Die westliche Sahel-Politik, also der ambitionierte Versuch, die Ausbreitung fundamentalistischer und terroristischer Gruppen in einer notorisch instabilen Region durch militärische Präsenz zu unterbinden, ist gescheitert. Überall wurde der “demokratische Machtwechsel” vom Februar 2021 gelobt und die “stabilen Verhältnisse im Land” gepriesen.
Tatsächlich haben weder Deutschland noch Frankreich die Notwendigkeit einer endogenen Entwicklungshilfe erkannt. Besonders Frankreich sieht Kappel in einer Großkrise der Afrikapolitik. Vor diesem Hintergrund lässt aufhorchen, dass Jochen Flasbarth, Staatssekretär im BMZ, kürzlich in einem Post die Ansicht vertrat, Deutschland müsse sich in diesen Fragen jetzt kritisch mit Frankreich auseinandersetzen.
Zum Chaos in der Region trägt aber auch die mangelnde Einigkeit in der EU über eine gemeinsame Afrika-Strategie bei. Einerseits ist die EU zwar ein wichtiger Geber von Entwicklungshilfe, doch über das Vorgehen in der Sahelzone sind sich die EU-Länder uneins. Ex-Botschafter Araud nennt das ein “europäisches Versagen”.
Afrika-Experte Robert Kappel pflichtet dem uneingeschränkt bei. Europa habe bis heute versagt darin, ein Konzept für ein Miteinander mit beiderseitigem Nutzen zu entwerfen. Dabei habe Europa noch immer Assets, mit denen man nicht nur in Niger Punkte machen könne.
Entwicklungspolitik müsse endlich so gemacht werden, dass sie wirtschaftliche Dynamik entfache und Jobs schaffe. Investitionen in Bildung, Start-ups, Universitäts- aber auch industrielle Kooperationen gehörten unbedingt dazu. Auf militärische Kriterien sollte sich der Westen jedenfalls nicht stützen, darin weiß sich Kappel mit Ex-Botschafter Araud im Einklang. In wirtschaftlichen Dimensionen denken und sich nicht am französischen Modell von Afrika als Hinterhof orientieren, so müsste für Kappel ein Neustart der Entwicklungszusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent aussehen.
Wie es scheint, hat Nigers Putsch in Afrika eine Grundsatzdebatte über Sicherheits- und Entwicklungspolitik losgetreten, die längst überfällig gewesen wäre. Der Westen kann niemanden von außen entwickeln. Nur endogene Entwicklung verdient diese Bezeichnung, also was Menschen kraft ihres Geistes und ihrer Hände zu leisten imstande sind und ihr Leben verbessert. Das ist die Lektion für die Entwicklungspolitik.
Die EU-Kommission hat am Donnerstag Beihilfen der Bundesregierung an energieintensive Unternehmen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro genehmigt. Sie sollen zunächst bis 2030 von Kosten aus dem 2021 eingeführten nationalen Emissionshandel für Brennstoffe entlastet werden, um die Abwanderung ins Ausland zu verhindern. Die Maßnahme komme Unternehmen zugute, die in Sektoren und Teilsektoren tätig sind, die auch im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems auf der sogenannten Carbon-Leakage-Liste aufgeführt sind, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit.
Mit der Überführung des nationalen Brennstoffemissionshandels ab 2027 in den europäischen ETS II werden voraussichtlich auch neue EU-Beihilferegeln gelten, sodass die Carbon-Leakage-Kompensation dann angepasst werde, so das Ministerium weiter. Die Höhe der Kompensation beträgt je nach Emissionsintensität der Beihilfeempfänger zwischen 65 Prozent und 95 Prozent der Kosten, teilte die EU-Kommission mit. Einen Teil der Beihilfen müssten die Unternehmen in Energieeffizienz oder Dekarbonisierung investieren.
In der Industrie herrscht noch Unklarheit, wie es ab 2027 mit der Einführung des ETS II weitergeht, grundsätzlich zeigte sich der BDI gestern aber erleichtert. “Die Genehmigung hätte auch länger dauern können”, hieß es aus dem Verband.
Ebenfalls genehmigt hat die Kommission am Mittwoch die Förderung von 200 HPC-Schnellladesäulen an deutschen Autobahnen. Mittels High-Power Charging sind Ladeleistungen von über 100 Kilowatt möglich. Die Beihilfe hat einen Umfang von 350 Millionen Euro und gilt für rund 950 Ladepunkte an den 200 Standorten. ber
Mit grünem Wasserstoff sind große Hoffnungen verbunden: Er soll zu weniger Emissionen im Stahlsektor beitragen, in Kraftwerken zum Einsatz kommen, die Schifffahrt und – in der Hoffnung einiger – auch den Personenverkehr klimafreundlicher machen. Doch um den künftigen Bedarf zu decken, muss die Elektrolyse-Kapazität schneller wachsen als es die Wind- und Solarindustrie in den Phasen ihres prozentual größten Wachstums vermocht hat. Das zeigt eine in der Fachzeitschrift “Nature Energy” erschienene Studie, an der insbesondere Autoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) beteiligt waren.
Die EU will bis 2030 zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff produzieren und ebenso viel aus dem Ausland importieren. Dafür müsste sich die Elektrolyse-Kapazität ab 2024 jedes Jahr verdoppeln, so die Autoren der Studie. Solche Wachstumsraten seien “beispiellos für Energietechnologien”, schreiben sie. Ihnen zufolge wird es erst im Jahr 2038 zu einem “Durchbruch” hin zu hohen Kapazitäten kommen. Es dauere eine gewisse Zeit, bis hohe Wachstumsraten zu einer hohen installierten Kapazität von Elektrolyseuren führten.
Die Autoren mahnen: Die Regierungen müssten “dringend Geschäftsmodelle für Investitionen in grünen Wasserstoff” entwickeln, beispielsweise durch finanzielle Anreize oder Quoten für grünen Wasserstoff. Damit Wasserstoffangebot und -nachfrage sowie die Infrastruktur für die Wasserstoffproduktion und -nutzung gleichzeitig wachsen könnten, brauche es “erhebliche Koordination” vonseiten der Politik. nib/ae
Bereits als Studentin wollte Kristina Lunz viel verändern: Mit ihrer Medienkampagne “Stop Bild Sexism” protestierte sie gegen die “Oben-Ohne”-Frauenportraits in der Bild-Zeitung – und war damit erfolgreich. “Mein Wille, Dinge zu verändern, ist damals aus ganz viel Wut entstanden“, sagt die heute 34-Jährige. Kurz darauf gründete sie das Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP), dessen Ko-Geschäftsführerin sie bis heute ist. Mittlerweile ist Lunz viel gefragt: Sie sitzt mit Außenministerinnen, Außenministern und Staatsoberhäuptern am Tisch und sucht mit ihnen Wege, die Rechte und Interessen von Frauen besser in ihre Politik einzubinden.
Die gebürtige Oberfränkin studierte Public Policy am University College London und anschließend Global Governance in Oxford. Nach dem Studium arbeitete sie für eine Menschenrechtsorganisation in Kolumbien und das Gender und Coordination Office des Entwicklungsprogramms der UN in Myanmar. “In der Zeit konnte ich sehen, wie wenig Beachtung Frauenrechte international finden”, sagt sie.
Damals fand in Myanmar der Genozid an den Rohingya statt, während dessen Frauen strategisch vergewaltigt wurden. “Da kam in mir das Bedürfnis auf, den Feminismus, den ich bisher nur innenpolitisch angewandt hatte, auch in die Außenpolitik zu tragen”, sagt Lunz. 2016 gründete sie das CFFP in London mit und eröffnete 2018 die Berliner Dependance.
Als Annalena Baerbock Außenministerin wurde, kündigte sie an, die deutsche Außenpolitik feministisch gestalten zu wollen. Ein großer Erfolg für Kristina Lunz, die den Begriff prägte. Seitdem “feministische Außenpolitik” im Koalitionsvertrag steht, ist sie zum Buzz- und Reizwort geworden.
Dabei kursieren einige Fehlannahmen, meint Lunz. “Ich höre oft, das sei ein westliches Konzept, das anderen Ländern oktroyiert werden soll – das ist Blödsinn.” Zivilgesellschaftliche Bestrebungen und Kämpfe um Frauenrechte gebe es in anderen Ländern genauso lang wie im Westen. “Wir verdanken es Frauen aus Lateinamerika, dass Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern in der UN-Charta festgehalten ist.”
Eine weitere Fehlannahme sei, dass feministische Außenpolitik bedeute, mehr Frauen in politischen Ämtern unterzubringen. Feminismus habe immer etwas mit Machtverschiebung zu tun, sagt Lunz. “Repräsentation ist ein wichtiger Aspekt, aber eben nur einer.” Bei aller Kritik am Begriff “feministisch” gehe der Blick für den Kern einer feministischen Außenpolitik verloren. Patriarchales Denken, Misogynie, Homophobie seien Grundpfeiler von faschistischen Bewegungen und Autoritarismus. Mit einer feministischen Zivilgesellschaft könne dies am besten verhindert werden.
Auch die Bekämpfung der Klimakrise hat eine feministische Komponente: “Wir sehen, dass vor allem Frauen und Mädchen, die Kosten für die Klimakrise tragen: 80 Prozent der Klimaflüchtlinge sind weiblich und viele von ihnen erleben auf der Flucht sexualisierte Gewalt”, sagt Lunz. An dieser Gerechtigkeitskomponente setze die feministische Außenpolitik an, sagt die CFFP-Gründerin.
Lunz’ Arbeit und der lange Atem von Feministinnen zeigt sich langsam auf dem internationalen Parkett. “2014 war Schweden das erste Land mit einer offiziell feministischen Außenpolitik. 2022 waren es sieben, heute sind es elf Staaten – das ist eine große Errungenschaft.” Durch einen internationalen Rechtsruck und den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wird das Konzept der gewaltfreien, feministischen Außenpolitik auf die Probe gestellt. Lunz bleibt optimistisch: “Wir haben als Organisation – und auch ich als Aktivistin – schon Dinge erreicht, an die nie jemand geglaubt hat.” Svenja Schlicht
die Reaktion aus China wird wohl nicht lange auf sich warten lassen. Die ersten Kommentare zu Joe Bidens Dekret gibt es aus Peking bereits. Der US-Präsident hat sein Finanzministerium angewiesen, bestimmte amerikanische Investitionen in chinesische Unternehmen zu untersagen. Zwar ist Europas Wirtschaft nicht direkt betroffen. Dennoch sieht die deutsche Industrie die Errichtung dieses “sehr schmalen, aber sehr hohen Zauns”, wie Siemens-Chef Roland Busch es ausdrückte, skeptisch.
Die EU solle von eigenen Plänen zur Einführung eines Outbound Investment Screenings Abstand nehmen, rät etwa DIHK-Außenhandelsexpertin Melanie Vogelbach. Sie forderte, die EU solle sich eng mit den USA abstimmen, um negative Auswirkungen der US-Pläne auf die europäische Wirtschaft zu verhindern.
Ziel der europäischen Außenwirtschaftsstrategie müsse es sein, anstelle von staatlich gelenktem Außenhandel die globale Öffnung von Märkten und Investitionsstandorten zu beschleunigen. So könnten Unternehmen die Diversifizierung ihrer Lieferketten vorantreiben, meint Vogelbach. Anders gesagt: Sie schlägt eher ein De-Risking als ein Decoupling vor, wie die USA es anstreben.
Die EU-Kommission will die angekündigten Investitionsbeschränkungen für US-Unternehmen in China genau analysieren. “Wir stehen in engem Kontakt mit der US-Regierung und freuen uns auf weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich”, hieß es in einer ersten Reaktion aus Brüssel. Auch die EU und die Mitgliedsstaaten wollten verhindern, dass Kapital und Know-how europäischer Unternehmen militärische und nachrichtendienstliche Fähigkeiten von Akteuren verbesserten, “die sie möglicherweise dazu nutzen, den internationalen Frieden und die Sicherheit zu untergraben”.
Doch wie geht es weiter im Konflikt zwischen den USA und China? Das hat mein Kollege Finn Mayer-Kuckuk analysiert.
Per Dekret hat US-Präsident Joe Biden am Mittwoch verfügt: gewisse Kapitalinvestitionen von US-Anlegern in chinesische Hochtechnologiefirmen sollen ab dem kommenden Jahr nicht mehr möglich sein. Auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen ist untersagt. Betroffen sind die Branchen:
Die Verwaltungsanweisung betrifft offiziell “Countries of Concern”, gemeint ist China. So darf beispielsweise ein US-Investmenthaus wie Goldman Sachs künftig kein Geld mehr in eine chinesische KI-Firma wie Baidu oder Alibaba stecken. Auch die Finanzierung chinesischer Start-ups vonseiten der USA ist nicht mehr möglich. Bisher waren solche Investitionen Routine.
Es ist weniger die Maßnahme selbst, die in Europa erhebliche Sorgen weckt. Ihre unmittelbaren Auswirkungen werden sich in Grenzen halten, zumal sie nicht rückwirkt. Europäische und deutsche Firmen sind nicht direkt betroffen.
Doch indirekt wird die unbegrenzte Fortsetzung des Handelskonflikts globale Auswirkungen haben. China wird seinerseits mit einer Handelsmaßnahme reagieren, wie bisher jedes Mal nach US-Sanktionen. Das Außenministerium in Peking klagte am Donnerstag bereits darüber, Opfer von “wirtschaftlichem Zwang” vonseiten der USA zu sein.
Es ist zudem der Ton des Dekrets, der nichts Gutes für die Entwicklung des Welthandels in den kommenden Jahren verheißt. Biden begründet die Maßnahme ausdrücklich nicht wirtschaftlich, sondern politisch als Frage der nationalen Sicherheit. Er stellt den Investitionsstopp als Notwehr gegen den Aufstieg Chinas zum technischen Rivalen dar.
In erstaunlicher Offenheit legen die Dekrete der US-Präsidenten dar, dass sie die pure Existenz einer technisch ebenbürtigen Großmacht an sich schon als gefährlich empfinden. Die USA sollen und müssen ihren Vorsprung mit allen Mitteln verteidigen. Das bestätigt die chinesische Sicht, dass der Westen das eigene Land klein halten wolle, wie der Sprecher des Außenministeriums auch klar sagte.
Der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses, sieht die Sanktionen durchaus kritisch. Lange sorgt sich um willkürliche Nutzung der nationalen Sicherheit als Begründung für Handelshemmnisse. “Eine völlig unspezifische Nutzung dieser Begründung öffnet natürlich Tür und Tor für Protektionismus.” Lange sieht hier eine Fortsetzung der Praktiken Donald Trumps.
Mit jeder neuen Runde des Handelskonflikts schrumpft jedoch der Handlungsspielraum international agierender Unternehmen. Und je konsequenter beide Seiten technische Produkte des Gegners ablehnen, desto weniger können europäische Firmen einheitliche Geräte für den Weltmarkt anbieten. Wenn die Grundversion eines Produkts hochwertige US-Chips enthält, muss ein Unternehmen für China eine Version mit chinesischen Chips entwickeln. Es droht eine Spaltung des Weltmarkts.
Lange stuft das Dekret als einen weiteren Schritt der Eskalation zwischen den USA und China ein und erkennt darin sogar “eine neue Dimension”. Er glaubt nicht, dass Brüssel dem Schritt folgen sollte: “Wir in der EU haben unsere eigenen Interessen, und insofern sollten wir uns nicht unter Druck setzen lassen und unsere Strategie autonom verfolgen.”
Aus Sicht der USA ergibt die Maßnahme nach Langes Einschätzung allerdings Sinn: Biden komme gleich zwei seiner Ziele damit näher. Er verbinde “die ökonomischen Interessen, China in der Konkurrenz zum Wirtschaftsstandort USA zu begrenzen, mit der geopolitischen Absicht, China bestimmte technologische Möglichkeiten in der politischen Expansion zu entziehen”.
Biden will tatsächlich den Erklärungen seiner Beamten zufolge zwei Dinge erreichen:
Der neue Investment-Bann fügt sich in die Liste der Handelsmaßnahmen des Weißen Hauses nahtlos ein. Er trägt zudem unmissverständlich Bidens Handschrift. Während Donald Trump sich noch auf Old-Economy-Produkte wie Waschmaschinen und Stahl konzentrierte, geht es Biden vor allem um Hochtechnologie.
Ein wenig stellt sich allerdings die Frage, wer hier wem mehr schadet. Die US-Finanzbranche hat schließlich auch aus Eigeninteresse in den schnell wachsenden chinesischen Tech-Sektor investiert. China ist zudem tendenziell unzugänglich; vor allen die westlichen Investitionen haben aber jahrzehntelang Türen geöffnet und den Informationsstand des Westens über die Vorgänge in China hochgehalten. Ein Verbot von Investitionen in chinesische Tech-Firmen klingt fast mehr wie eine Sanktion, die China gegen die USA hätte verhängen können.
Das deutsche Entwicklungsministerium hat seine Hilfe umgehend gestoppt, ebenso die Weltbank, die EU und natürlich Frankreich. Dabei ist Niger auf westliche Hilfe besonders angewiesen. Der für die EU bislang so wichtige Partner bei der Eindämmung irregulärer Migration aus den Subsahara-Ländern hatte eine Hilfszusage über rund eine halbe Milliarde Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2024. Damit sollten vor allem Regierungsführung und Bildung vorangebracht werden.
Mit dem Tag des Putsches hat sich all das erst einmal zerschlagen. Niger steuert ohne finanzielle Unterstützung und Entwicklungszusammenarbeit auf ein Desaster zu, wie der Afrika-Experte und Ökonom Robert Kappel sagt. Nach wie vor ist die Lage unübersichtlich. Das macht auch die Zeitachse schwer berechenbar. Je mehr Zeit jetzt ohne Verhandlungen verstreicht, desto fester werden die Putschisten im Sattel sitzen. Militärische Drohungen und Druck auf die Putschisten machten die Lage noch brisanter. Die Folge wäre nicht nur eine massive Verschlechterung der Versorgungslage im Land, sondern auch die Gefahr einer großen Zahl von Binnenflüchtlingen.
Mit der Fehleinschätzung der Lage im Niger hat sich die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik eine erstaunliche Schlappe geleistet. An warnenden Stimmen fehlte es nicht, zum Beispiel als der ehemalige französische Botschafter Gérard Araud kürzlich davor mahnte, “Niger sei für Frankreich das, was Afghanistan für die USA ist”. Seiner Regierung in Paris empfahl er, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen Kolonien zu normalisieren und die afrikanischen Partner als souveräne Nationen zu behandeln. Militärische Präsenz fördere nur die Frustration der lokalen Bevölkerung über Frankreichs koloniales Erbe.
Aus Kappels Sicht ist die deutsche Politik in eine “Falle von Unkenntnis” getappt. Daraufhin habe sich Deutschland weitgehend an Frankreich orientiert, das allerdings mit seinem Fokus auf wirtschaftliche Ausbeutung einen völlig anderen Ansatz in der Zusammenarbeit beider Länder verfolgt habe.
Der Putsch hat ein doppeltes Dilemma offengelegt: Der sicherheitspolitische Ansatz des Westens ist ebenso gescheitert wie der entwicklungspolitische. Die auch von der Bundesregierung verbreitete Erzählung vom “Stabilitätsanker Niger” war Wunschdenken. Die westliche Sahel-Politik, also der ambitionierte Versuch, die Ausbreitung fundamentalistischer und terroristischer Gruppen in einer notorisch instabilen Region durch militärische Präsenz zu unterbinden, ist gescheitert. Überall wurde der “demokratische Machtwechsel” vom Februar 2021 gelobt und die “stabilen Verhältnisse im Land” gepriesen.
Tatsächlich haben weder Deutschland noch Frankreich die Notwendigkeit einer endogenen Entwicklungshilfe erkannt. Besonders Frankreich sieht Kappel in einer Großkrise der Afrikapolitik. Vor diesem Hintergrund lässt aufhorchen, dass Jochen Flasbarth, Staatssekretär im BMZ, kürzlich in einem Post die Ansicht vertrat, Deutschland müsse sich in diesen Fragen jetzt kritisch mit Frankreich auseinandersetzen.
Zum Chaos in der Region trägt aber auch die mangelnde Einigkeit in der EU über eine gemeinsame Afrika-Strategie bei. Einerseits ist die EU zwar ein wichtiger Geber von Entwicklungshilfe, doch über das Vorgehen in der Sahelzone sind sich die EU-Länder uneins. Ex-Botschafter Araud nennt das ein “europäisches Versagen”.
Afrika-Experte Robert Kappel pflichtet dem uneingeschränkt bei. Europa habe bis heute versagt darin, ein Konzept für ein Miteinander mit beiderseitigem Nutzen zu entwerfen. Dabei habe Europa noch immer Assets, mit denen man nicht nur in Niger Punkte machen könne.
Entwicklungspolitik müsse endlich so gemacht werden, dass sie wirtschaftliche Dynamik entfache und Jobs schaffe. Investitionen in Bildung, Start-ups, Universitäts- aber auch industrielle Kooperationen gehörten unbedingt dazu. Auf militärische Kriterien sollte sich der Westen jedenfalls nicht stützen, darin weiß sich Kappel mit Ex-Botschafter Araud im Einklang. In wirtschaftlichen Dimensionen denken und sich nicht am französischen Modell von Afrika als Hinterhof orientieren, so müsste für Kappel ein Neustart der Entwicklungszusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent aussehen.
Wie es scheint, hat Nigers Putsch in Afrika eine Grundsatzdebatte über Sicherheits- und Entwicklungspolitik losgetreten, die längst überfällig gewesen wäre. Der Westen kann niemanden von außen entwickeln. Nur endogene Entwicklung verdient diese Bezeichnung, also was Menschen kraft ihres Geistes und ihrer Hände zu leisten imstande sind und ihr Leben verbessert. Das ist die Lektion für die Entwicklungspolitik.
Die EU-Kommission hat am Donnerstag Beihilfen der Bundesregierung an energieintensive Unternehmen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro genehmigt. Sie sollen zunächst bis 2030 von Kosten aus dem 2021 eingeführten nationalen Emissionshandel für Brennstoffe entlastet werden, um die Abwanderung ins Ausland zu verhindern. Die Maßnahme komme Unternehmen zugute, die in Sektoren und Teilsektoren tätig sind, die auch im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems auf der sogenannten Carbon-Leakage-Liste aufgeführt sind, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit.
Mit der Überführung des nationalen Brennstoffemissionshandels ab 2027 in den europäischen ETS II werden voraussichtlich auch neue EU-Beihilferegeln gelten, sodass die Carbon-Leakage-Kompensation dann angepasst werde, so das Ministerium weiter. Die Höhe der Kompensation beträgt je nach Emissionsintensität der Beihilfeempfänger zwischen 65 Prozent und 95 Prozent der Kosten, teilte die EU-Kommission mit. Einen Teil der Beihilfen müssten die Unternehmen in Energieeffizienz oder Dekarbonisierung investieren.
In der Industrie herrscht noch Unklarheit, wie es ab 2027 mit der Einführung des ETS II weitergeht, grundsätzlich zeigte sich der BDI gestern aber erleichtert. “Die Genehmigung hätte auch länger dauern können”, hieß es aus dem Verband.
Ebenfalls genehmigt hat die Kommission am Mittwoch die Förderung von 200 HPC-Schnellladesäulen an deutschen Autobahnen. Mittels High-Power Charging sind Ladeleistungen von über 100 Kilowatt möglich. Die Beihilfe hat einen Umfang von 350 Millionen Euro und gilt für rund 950 Ladepunkte an den 200 Standorten. ber
Mit grünem Wasserstoff sind große Hoffnungen verbunden: Er soll zu weniger Emissionen im Stahlsektor beitragen, in Kraftwerken zum Einsatz kommen, die Schifffahrt und – in der Hoffnung einiger – auch den Personenverkehr klimafreundlicher machen. Doch um den künftigen Bedarf zu decken, muss die Elektrolyse-Kapazität schneller wachsen als es die Wind- und Solarindustrie in den Phasen ihres prozentual größten Wachstums vermocht hat. Das zeigt eine in der Fachzeitschrift “Nature Energy” erschienene Studie, an der insbesondere Autoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) beteiligt waren.
Die EU will bis 2030 zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff produzieren und ebenso viel aus dem Ausland importieren. Dafür müsste sich die Elektrolyse-Kapazität ab 2024 jedes Jahr verdoppeln, so die Autoren der Studie. Solche Wachstumsraten seien “beispiellos für Energietechnologien”, schreiben sie. Ihnen zufolge wird es erst im Jahr 2038 zu einem “Durchbruch” hin zu hohen Kapazitäten kommen. Es dauere eine gewisse Zeit, bis hohe Wachstumsraten zu einer hohen installierten Kapazität von Elektrolyseuren führten.
Die Autoren mahnen: Die Regierungen müssten “dringend Geschäftsmodelle für Investitionen in grünen Wasserstoff” entwickeln, beispielsweise durch finanzielle Anreize oder Quoten für grünen Wasserstoff. Damit Wasserstoffangebot und -nachfrage sowie die Infrastruktur für die Wasserstoffproduktion und -nutzung gleichzeitig wachsen könnten, brauche es “erhebliche Koordination” vonseiten der Politik. nib/ae
Bereits als Studentin wollte Kristina Lunz viel verändern: Mit ihrer Medienkampagne “Stop Bild Sexism” protestierte sie gegen die “Oben-Ohne”-Frauenportraits in der Bild-Zeitung – und war damit erfolgreich. “Mein Wille, Dinge zu verändern, ist damals aus ganz viel Wut entstanden“, sagt die heute 34-Jährige. Kurz darauf gründete sie das Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP), dessen Ko-Geschäftsführerin sie bis heute ist. Mittlerweile ist Lunz viel gefragt: Sie sitzt mit Außenministerinnen, Außenministern und Staatsoberhäuptern am Tisch und sucht mit ihnen Wege, die Rechte und Interessen von Frauen besser in ihre Politik einzubinden.
Die gebürtige Oberfränkin studierte Public Policy am University College London und anschließend Global Governance in Oxford. Nach dem Studium arbeitete sie für eine Menschenrechtsorganisation in Kolumbien und das Gender und Coordination Office des Entwicklungsprogramms der UN in Myanmar. “In der Zeit konnte ich sehen, wie wenig Beachtung Frauenrechte international finden”, sagt sie.
Damals fand in Myanmar der Genozid an den Rohingya statt, während dessen Frauen strategisch vergewaltigt wurden. “Da kam in mir das Bedürfnis auf, den Feminismus, den ich bisher nur innenpolitisch angewandt hatte, auch in die Außenpolitik zu tragen”, sagt Lunz. 2016 gründete sie das CFFP in London mit und eröffnete 2018 die Berliner Dependance.
Als Annalena Baerbock Außenministerin wurde, kündigte sie an, die deutsche Außenpolitik feministisch gestalten zu wollen. Ein großer Erfolg für Kristina Lunz, die den Begriff prägte. Seitdem “feministische Außenpolitik” im Koalitionsvertrag steht, ist sie zum Buzz- und Reizwort geworden.
Dabei kursieren einige Fehlannahmen, meint Lunz. “Ich höre oft, das sei ein westliches Konzept, das anderen Ländern oktroyiert werden soll – das ist Blödsinn.” Zivilgesellschaftliche Bestrebungen und Kämpfe um Frauenrechte gebe es in anderen Ländern genauso lang wie im Westen. “Wir verdanken es Frauen aus Lateinamerika, dass Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern in der UN-Charta festgehalten ist.”
Eine weitere Fehlannahme sei, dass feministische Außenpolitik bedeute, mehr Frauen in politischen Ämtern unterzubringen. Feminismus habe immer etwas mit Machtverschiebung zu tun, sagt Lunz. “Repräsentation ist ein wichtiger Aspekt, aber eben nur einer.” Bei aller Kritik am Begriff “feministisch” gehe der Blick für den Kern einer feministischen Außenpolitik verloren. Patriarchales Denken, Misogynie, Homophobie seien Grundpfeiler von faschistischen Bewegungen und Autoritarismus. Mit einer feministischen Zivilgesellschaft könne dies am besten verhindert werden.
Auch die Bekämpfung der Klimakrise hat eine feministische Komponente: “Wir sehen, dass vor allem Frauen und Mädchen, die Kosten für die Klimakrise tragen: 80 Prozent der Klimaflüchtlinge sind weiblich und viele von ihnen erleben auf der Flucht sexualisierte Gewalt”, sagt Lunz. An dieser Gerechtigkeitskomponente setze die feministische Außenpolitik an, sagt die CFFP-Gründerin.
Lunz’ Arbeit und der lange Atem von Feministinnen zeigt sich langsam auf dem internationalen Parkett. “2014 war Schweden das erste Land mit einer offiziell feministischen Außenpolitik. 2022 waren es sieben, heute sind es elf Staaten – das ist eine große Errungenschaft.” Durch einen internationalen Rechtsruck und den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wird das Konzept der gewaltfreien, feministischen Außenpolitik auf die Probe gestellt. Lunz bleibt optimistisch: “Wir haben als Organisation – und auch ich als Aktivistin – schon Dinge erreicht, an die nie jemand geglaubt hat.” Svenja Schlicht