Table.Briefing: Europe

“Biber und Saatkrähe werden Plage” + Tiktok macht Rückzieher

Liebe Leserin, lieber Leser,

in der Landwirtschaftspolitik will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Paradigmenwechsel: Im vergangenen Mandat legte die von ihr geführte Kommission Vorschläge vor, die Klima- und Artenschutz in den Mittelpunkt stellten. Für die nächsten fünf Jahre soll die Anpassung an den Klimawandel in den Fokus rücken.

Im Interview mit Table.Briefings erklärt Agrarpolitiker Norbert Lins (CDU), was die Kommission vorschlagen könnte: etwa Bauern Finanzhilfen für Ernteausfallversicherung zahlen, wie das bereits in Italien und Baden-Württemberg praktiziert wird. Lins, der die letzten fünf Jahre den Agrarausschuss geleitet hat, fordert zudem schnellere Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel.

Und: Erstmals erklärt ein Christdemokrat, welche bislang “streng geschützten Arten im Begriff sind, eine Plage zu werden”. Nicht nur beim Wolf, sondern auch beim Bär, Saatkrähe, Kormoran, Biber und Gänsen will er den hohen Schutzstandard senken. Die Kommission soll vorschlagen, einschlägiges EU-Recht dafür zu ändern: die Vogelschutz– sowie die FFH-Richtlinie. Ob die Kommission der Forderung nachkommt ist ungewiss. Sicher ist, dass er für den Vorschlag Kritik von Naturschützern bekommt. Kommen Sie gut durch den Tag!

Ihr
Markus Grabitz
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Analyse

Norbert Lins (CDU): “Streng geschützte Arten sind dabei, zur Plage zu werden”

Norbert Lins (CDU) ist Agrarpolitiker im Europaparlament.

Herr Lins, Ursula von der Leyen hat deutlich gemacht, dass im nächsten Mandat in der Agrarpolitik Anpassung an den Klimawandel Priorität haben sollte vor Maßnahmen zum Klima- und Artenschutz …

Die Kommissionspräsidentin hat mit diesem Schwerpunkt einen wichtigen Beitrag geleistet zur Entpolarisierung der Debatte um die Landwirtschaft. Dass Klimawandel stattfindet und die Landwirtschaft darauf reagieren muss, das ist breiter Konsens im neuen Europaparlament. Ich möchte noch hervorheben, dass von der Leyen das Augenmerk auf mehr Resilienz in der Landwirtschaft legt. Das ist umfassend zu verstehen.

Und was heißt das für die zu erwartenden Vorschläge?

Ich rechne mit Vorschlägen, die das Risikomanagement stärken und das Problem der Wasserknappheit angehen. Sicherlich wird das Element der Risikoversicherung auch im Rahmen der nächsten GAP gestärkt. Das alles ist nicht komplett neu. Schon heute gibt es Versicherungsbeihilfen, wenn ein Bauer eine Police gegen die Folgen von Frost und Hagel abschließt. In Italien etwa wird das bereits sehr umfangreich genutzt, in Deutschland eher regional.

Was noch?

Ich sehe Bedarf bei den neuen Züchtungstechniken. Sie können noch einen Beitrag zur Klimaanpassung der Landwirtschaft leisten. Dann geht es um die Frage: Wie kann ich das Getreide und die Sonderkulturen besser schützen? Man kann Erdbeeren auf dem Feld mehr einpacken, etwa in Folie, um die Früchte besser gegen Starkregen abzuschirmen. Auch Agriphotovoltaik (Agri-PV) sollte ausgebaut werden, also ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die Photovoltaik-Stromproduktion und die landwirtschaftliche Produktion. Ein Beispiel wären hier Photovoltaik-Flächen über Obstbäumen, wozu es schon vielversprechende Modellprojekte gibt, unter anderem am Bodensee.

Neuer Anlauf bei Pflanzenschutz

Was steht beim Pflanzenschutz an?

Ich erwarte, dass der Instrumentenkasten beim Pflanzenschutz in Ordnung gebracht wird. Dürre oder Starkregen erhöhen den Schädlingsdruck. Hier sollte möglichst viel mit biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln gearbeitet werden. Der chemisch-synthetische Pflanzenschutz spielt aber auch eine unverzichtbare Rolle. Ich erwarte, dass die Kommission dem Umstand Rechnung trägt.

Was erwarten Sie konkret?

Mir geht es nicht darum, pauschal mehr Substanzen zuzulassen. So ist in den letzten vier Jahren kein einziges neues Pflanzenschutzmittel zugelassen worden. Einige Mittel sind wieder zugelassen worden. Das System der Zulassung ist sehr langwierig und sollte überarbeitet werden. Es sollte zudem zu einer Harmonisierung zwischen den Regelungszonen kommen. Sinnvoll wäre daher eine Revision des Rechtstextes, um die Probleme der zonalen Einteilung zu beheben oder abzuschaffen. Doch auch innerhalb der Zonen gibt es gravierende Mängel.

Welche denn?

Das System der gegenseitigen Anerkennung funktioniert nicht. Das heißt: Wenn ein Mitgliedstaat etwas zulässt, heißt dies nicht, dass es auch in anderen Mitgliedstaaten der gleichen Zone zu haben ist.   

Was meint von der Leyen, wenn sie umfassend mehr Resilienz für den Agrarsektor einfordert?

Sie bezieht Resilienz auch auf die Wettbewerbssituation, in der sich unsere Landwirte auf dem Weltmarkt befinden. Wir müssen stärker darauf schauen, was die EU-Agrarpolitik für Folgen auf den internationalen Wettbewerb hat: Wie stehen unsere Bauern im Vergleich zu Bauern aus der Ukraine, aus den USA, Brasilien und Kanada da?  Hier gibt es klar die Notwendigkeit gegenzusteuern. Die EU-Regulierung bürdet der EU-Landwirtschaft viele Maßnahmen auf, die die Konkurrenz anderswo nicht erfüllen muss.

Israel ist Vorbild bei Resilienz gegen Dürre

In Südeuropa fehlt der Landwirtschaft zunehmend Wasser. Ist denkbar, dass künftig dort Ackerbau wegen des Klimawandels gar nicht mehr möglich ist?

In den betroffenen Regionen ist Landwirtschaft sicher einer großen Herausforderung ausgesetzt. In Israel kann man aber sehen, dass Wasserknappheit nicht das Aus für die Landwirtschaft bedeutet: Dort wird in großem Stil Wasser aus Meerwasserentsalzungsanlagen in der Landwirtschaft verwendet. Zunächst wird es als Frischwasser in den Haushalten benutzt, um dann wiederaufbereitet teils in der Landwirtschaft verwendet zu werden. Es gibt also Länder in unserer Nachbarschaft, die sich bereits auf die Probleme eingestellt haben, mit denen unsere südlichen Mitgliedstaaten verstärkt zu kämpfen haben. Auch hier kann die EU sicher einen Beitrag leisten, die Landwirtschaft resilienter gegen Wassermangel zu machen.

Ist die FFH-Richtlinie auch im Blick, wenn es um die Anpassung an den Klimawandel geht?

Die Reform des Artenschutzrechts ist überfällig und gehört selbstverständlich dazu, wenn man sich an die gewandelten Bedingungen anpassen will. Es gilt zu akzeptieren, dass sich die Welt verändert hat, seitdem wir 1979 die Vogelschutz- und 1992 die FFH-Richtlinie geschaffen haben. Die Realität hat sich verändert, dem muss Rechnung getragen werden: Viele Populationen haben sich erholt. Der extrem strenge Artenschutz, der aktuell fatalerweise durch EuGH-Urteile noch einmal zementiert wurde, ist bei einigen Arten zu hinterfragen. Wir brauchen eine moderne Reform des Artenschutzrechts in der EU.

Werden Sie für die Forderung Unterstützung in der Kommission und Rat haben?

Bei der Kommission können wir das erst einschätzen, wenn im Herbst ihre personelle Zusammensetzung feststeht. Im Rat hätten wir es bei den Landwirtschaftsministern sicher leichter als bei den Umweltministern. Mir ist wichtig: In den letzten zwei Jahren stand bei allen Debatten zum Artenschutz immer der Wolf im Mittelpunkt. Er ist sicher die problematischste Spezies. An zweiter Stelle kommt der Bär, der immer wieder den Menschen zunahe kommt, etwa in Italien oder der Slowakei und in Rumänien. Der Schutzstatus des Bibers steht nicht mehr im Einklang mit seinem Erhaltungszustand. Bei den Vögeln gibt es Änderungsbedarf beim Kormoran, der die Fischbestände plündert, Gänsen und Saatkrähen, die etwa die Maisfelder gerade von Ökobauern leer picken, weil der nicht gebeizte Mais für sie ein Leckerbissen ist. Es sind nicht nur Hochwasser oder Dürren, die klimawandelbedingt häufiger auftreten und die Ernten gefährden, sondern eben auch gewisse Tierarten.

Sie wollen den Artenschutz zurückdrehen …

Ich freue mich über jede Spezies, die im Bestand gefährdet war und sich dann erholt hat. Man darf aber die Augen nicht davor verschließen, dass bei einigen Arten die Erholung überhandgenommen hat und sie im Begriff sind, zur Plage zu werden.

  • Agri-PV
  • FFH-Richtlinie
  • Hochwasser
  • Klimaanpassung
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News

EU-Erfolg: Tiktok zieht süchtig machende Funktion zurück

Die Video-App Tiktok gibt gegenüber der EU nach: Sie zieht ein umstrittenes Bonusprogramm zurück. Das hat die EU-Kommission am Montag mitgeteilt. Tiktok hatte die Funktion erst im Frühjahr eingeführt. Die Nutzer erhalten Punkte, wenn sie sich Videos ansehen. “Tiktok Lite Rewards” soll sie animieren, besonders lange auf der App zu bleiben und sich besonders viele Clips anzusehen. Tiktok gehört dem chinesischen Medienbetreiber Bytedance.

Die EU hatte in dem Punkteprogramm einen Verstoß gegen das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) gesehen. Unter anderem verbietet es manipulative Mechanismen, durch die die Nutzung hochgetrieben wird. Im Fachjargon heißen diese Dark Patterns – “verborgene Muster”. Indem Tiktok akzeptiert, gegen ein EU-Gesetz verstoßen zu haben, gilt damit auch ein Verbot, ein vergleichbares Programm mit ähnlichem Effekt als Ersatz einzuführen.

Soziale Medien nutzen zuletzt häufiger subtile Funktionen, um Nutzer noch länger als bisher auf der Plattform zu halten. Snapchat beispielsweise zeigt an, wie viele Tage hintereinander zwei Nutzer sich Bilder geschickt haben. Das weckt den Ehrgeiz, diese Kontaktsträhne aufrechtzuerhalten. Die Bonuspunkte von Tiktok standen zuletzt besonders in der Kritik, zumal Tiktok viele Verschwörungstheorien sowie rechtsradikales und destabilisierendes Gedankengut verbreitet. fin

  • Datenschutz
  • Digital Services Act
  • EU
  • Regulierung
  • Technologie
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Blauer Wasserstoff: BDEW warnt vor geringem Angebot

Der BDEW plädiert für eine Ausweitung der zulässigen Lieferanten von blauem Wasserstoff. In einem Vermerk, der Table.Briefings vorliegt, spricht sich der Energieverband für die projektspezifische Berechnung der Emissionen aus. “Das ist ausschlaggebend, um eine bessere Emissionsbilanz vorweisen zu können und damit die Chancen zu erhöhen, die 70-Prozent-Treibhausgas-Einsparung einzuhalten. Dabei würden geleichzeitig beste Technologien bzw. Importländer gefördert sowie Anreize zur weiteren Emissionsminderung gesetzt.”

Nach Informationen von Table.Briefings hat der BDEW seine Position auch in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dargelegt. Durch die genauere Berechnung würde voraussichtlich die Zahl der Importländer steigen. In einem Entwurf arbeitet die EU-Kommission bislang nicht mit projektspezifischen, sondern mit Standardwerten für die Vorkettenemissionen bei der Wasserstoffherstellung. Dadurch würde nach einer Analyse von Agora Industrie im Wesentlichen nur blauer Wasserstoff aus Norwegen als kohlenstoffarm anerkannt.

Weichere Regeln für Wasserstoff aus Elektrolyse

Mit einer spezifischeren Berechnung könnten auch einzelne emissionsarme Projekte aus weiteren Staaten eine Chance bekommen, so das Kalkül des BDEW. Allerdings hängt dieses Vorgehen von einem weiteren Rechtsakt zur Methanverordnung ab, der erst bis 2027 folgen soll.

Der Verband spricht sich außerdem für weichere Kriterien für die Herstellung von kohlenstoffarmem Wasserstoff aus Elektrolyse aus: “Nach jetzigem Stand wäre bei Stromnetzbezug in Deutschland erzeugter Wasserstoff in den nächsten Jahren kaum qualifizierbar.” ber

  • Blauer Wasserstoff
  • Erdgas
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Zölle auf E-Autos: Dombrovskis rechnet mit Zustimmung

EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis rechnet damit, dass die Mitgliedstaaten das Inkrafttreten europäischer Zölle auf chinesische Elektroautos ab November unterstützen. “Es ist klar, dass die Mitgliedsstaaten die Notwendigkeit erkennen, die EU-Automobilindustrie zu schützen, denn das Risiko eines Schadens ist real. Der Marktanteil chinesischer batteriebetriebener Elektrofahrzeuge wächst sehr schnell. Es besteht eine Subventionierung”, sagte Dombrovskis der Financial Times. “Es ist also sicherlich ein Problem, das angegangen werden muss.”

Die Zölle gelten seit Anfang Juli, endgültig gezahlt werden müssen sie allerdings erst ab November. Vor dem endgültigen Inkrafttreten können die Mitgliedsstaaten den Kommissionsvorschlag noch mit qualifizierter Mehrheit zurückweisen, was eine hohe Hürde bedeutet. Deutschland ist eigentlich gegen die Zölle, weil es Gegenmaßnahmen befürchtet, unter denen auch deutsche Autobauer leiden. ber

  • China
  • E-Autos
  • Handelspolitik
  • Zölle
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Nitratbelastung: Nach Belgien und Frankreich könnte Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren drohen

Die EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien und Frankreich wegen Verstößen gegen die EU-Nitrat-Richtlinie und die EU-Trinkwasser-Richtlinie ein. In der belgischen Region Flandern sind die Nitratwerte im Grundwasser zu hoch, in Frankreich im Trinkwasser.

Auch in Deutschland wird der EU-Grenzwert für Grundwasserkörper im Rahmen der EU-Nitrat-Richtlinie noch an etwa ein Viertel der Messstellen überschritten. Ob die Brüsseler Behörde ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten wird, ließ diese auf Anfrage von Table.Briefings zunächst unbeantwortet. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium ließ offen, ob es aktuell dazu Gespräche mit der EU-Kommission führt. Eine Sprecherin des Ministeriums teilte lediglich mit, dass 2023 “Strafzahlungen in Millionenhöhe” verhindert wurden. Geld, das angesichts der aktuellen Haushaltslage an anderer Stelle besser investiert wäre, so die Sprecherin weiter.

Schlagbezogenes Monitoring kann nicht umgesetzt werden

Trotz Zurückhaltung der beiden Behörden – Redebedarf hätten sie. Nicht nur wegen der zu hohen Grenzwerte. Auch, weil Deutschland das schlagbezogene Monitoring in roten Gebieten bislang nicht umsetzt. Laut BMEL ist die Dokumentation der ausgebrachten Nährstoffmengen (Stickstoff und Phosphor) aber eine Bedingung der EU-Kommission aus dem Jahr 2023, in dem die Brüsseler Behörde das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einstellte. Besonders verfahren ist die Situation nun, weil der Bundesrat Anfang Juli 2024 einer Änderung des Düngegesetzes nicht zustimmte. Dies wäre aber eine Voraussetzung gewesen, um eine Rechtsverordnung für das schlagbezogene Monitoring erlassen zu können.

Das geänderte Düngegesetz hätte lediglich allgemein festgelegt, was per Rechtsverordnungen geregelt werden darf. “Bei den Düngeregeln muss ein Schritt nach dem anderen gegangen werden”, kommentiert es eine BMEL-Sprecherin. Weil die Grundlage für die geplante neue Rechtsverordnung für das schlagbezogene Monitoring fehlt, prüft das BMEL aktuell den Vermittlungsausschuss einzuschalten, so die Sprecherin weiter. Ziel wäre es, dass Länderkammer und Bundestag beim umstrittenen Düngegesetz einen Kompromiss finden.

Regeln im Rahmen der geplanten Rechtsverordnungen hätten Bund und Länder anschließend separat verhandelt, so zumindest plante es das BMEL. Die Daten aus mehreren Quellen, darunter das schlagbezogene Monitoring, die überarbeitete Stoffstrombilanz und die Messstellen, hätten laut BMEL eine gute Grundlage gebildet, um mit der EU-Kommission über differenzierte Maßnahmen in roten Gebieten zu verhandeln. Kritikern versucht das BMEL den Wind aus den Segeln zu nehmen: Die Verordnungen sollten “bürokratiearm” und betriebliche Daten, die ohnehin anfielen, “mehrfach” genutzt werden.

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke hat keinen Alternativvorschlag

Kritiker der BMEL-Pläne halten sich mit alternativen Vorschlägen zurück. Auf Nachfrage von Table.Briefings, wie Vorgaben der EU-Kommission erfüllt und differenzierte Maßnahmen in roten Gebieten ermöglicht werden könnten, teilt ein Sprecher des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) mit: Die Verantwortung für einen Lösungsvorschlag liege bei der Bundesregierung. Wichtig sei es, nur Daten zu erheben, die zwingend gebraucht werden, so der Sprecher weiter. Betriebe außerhalb der roten Gebiete beispielsweise würden durch die Stoffstrombilanz-Verordnung mit “unnötiger” Bürokratie belastet.

So einfach ist es allerdings nicht. Auch außerhalb von roten Gebieten können Betriebe liegen, die Nährstoffüberschüsse verursachen. Aus Kreisen des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist zu hören, dass die Nitratbelastung deshalb überall überwacht werden müsse. Vor allem, weil sich die Verhältnisse ändern können. Um Gewässer zu schützen, müsse die Zu- und Abfuhr von Nährstoffen kontinuierlich kontrolliert werden.

Brandenburg stimmte dem geänderten Düngegesetz wegen der Ermächtigungsgrundlage für eine Stoffstrombilanz-Verordnung nicht zu. Woidke hatte dies zuvor auf dem Bauerntag in Cottbus angekündigt. Am 22. September wird in Brandenburg einer neuer Landtag gewählt. Das Düngegesetz sorgt in Kreisen des Deutschen Bauernverbands seit Jahren für großen Widerstand, aktuell vor allem wegen der Stoffstrombilanz-Verordnung. has

  • Agrarpolitik
  • Düngegesetz
  • Düngemittel
  • EU-Kommission

Venezuela: EU erkennt Sieg von Maduro nicht an

Die Europäische Union erkennt das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl in Venezuela ohne eine vollständige Offenlegung der Wahlunterlagen nicht an. Das teilte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano, mit. 

Nach einer von Betrugsvorwürfen begleiteten Wahl am vergangenen Sonntag hatte die linientreue Wahlbehörde CNE den seit 2013 regierenden autoritären Präsidenten Nicolás Maduro zum Wahlsieger erklärt. Allerdings veröffentlichte sie bislang nicht die aufgeschlüsselten Resultate der einzelnen Stimmbezirke. Diese zeigten laut Opposition, dass ihr Kandidat Edmundo González Urrutia mit deutlichem Vorsprung vor Maduro gewonnen habe.

“Willkürliche Festnahmen”

Jeder Versuch, die vollständige Veröffentlichung der offiziellen Wahlergebnisse zu verzögern, werde deren Glaubwürdigkeit nur weiter infrage stellen, hieß es in der EU-Mitteilung weiter. Der Sprecher äußerte zugleich die Besorgnis der EU über eine wachsende Zahl “willkürlicher Festnahmen” und die anhaltenden Schikanen gegen die Opposition. 

Die venezolanische Regierung wies die Erklärung aus Brüssel zurück. “Josep Borrell, mischen Sie sich nicht in die Angelegenheiten Venezuelas ein. Haben Sie Respekt und seien Sie still”, schrieb Außenminister Yvan Gil auf X. “Dieses Volk hat seine Unabhängigkeit mit Blut und Feuer erkämpft. Ihre faschistischen Schützlinge werden niemals wieder an die Macht kommen.” 

Die USA und ein halbes Dutzend lateinamerikanischer Länder haben Oppositionskandidat González bereits als Sieger anerkannt. Am Sonntag forderten Deutschland und andere europäische Länder die Veröffentlichung der Wahlunterlagen. “Wir bringen unsere große Besorgnis über die Lage in Venezuela nach den Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Sonntag zum Ausdruck”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Niederlande, Spanien und Portugaldpa

  • Europäische Kommission
  • Josep Borrell
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Standpunkt

Eine Vision für eine digitale Neu-Aufklärung Europas

Von Catherine Mulligan und Martin Hullin
Forscherin Catherine Mulligan und Martin Hullin von der Bertelsmannstiftung rufen zu einer neuen digitalen Aufklärung auf.

Fünfzig Jahre nach der Geburt des Internets steht Europa vor der nächsten revolutionären technologischen Transformation. An der Schwelle einer neuen, digital unterstützten gesellschaftlichen Ära konzentriert sich der vorherrschende Diskurs oft auf Ängste vor digitaler Übermacht, reaktionärem Muskelspiel bei der Regulierung und die begrenzte Innovationsfähigkeit des Kontinents. Doch dieser Moment birgt auch ein beispielloses Potenzial für transformativen Wandel, wenn wir Europas digitale Rahmenwerke durchdacht gestalten.

Europa steht vor einer entscheidenden Wahl: sich passiv an externe Modelle der digitalen Koordination anzupassen oder proaktiv eine digitale Zukunft durch eine gemeinsame Vision zu gestalten, die ihre Stärke aus der ihr innewohnenden Vielfalt schöpft. Wir schlagen eine kühne Vision für eine “digitale Neu-Aufklärung” vor, die zu digitalen Bürgerarchitekturen führt, die das Gemeinwohl priorisieren und Innovation fördern.

Regulierung für Innovation: Lernen aus Europas Vermächtnis

Entgegen dem populären Narrativ, das die Vereinigten Staaten als Wiege der Innovation und Europa allein als Regulierer darstellt, hat Europa eine lange Geschichte technologischer Fortschritte durch innovative strategische Regulierungsrahmen:

Telekommunikations- und Pharmaregulierung: Die europäischen Vorschriften für Telekommunikation und Pharmazeutika wurden entwickelt, um ein wettbewerbsfähiges, aber kollaboratives Umfeld für Innovation zu schaffen. Dies verschaffte den europäischen Unternehmen in beiden Branchen eine gute Ausgangsposition, um global zu konkurrieren. Die 1995 gegründete EMA half, den Prozess der Markteinführung neuer und sicherer Medikamente zu straffen und förderte Innovationen in der Arzneimittelentwicklung – was während der COVID-19-Pandemie von entscheidender Bedeutung war.

Erneuerbare-Energien-Richtlinie: Die 2009 eingeführte Richtlinie für erneuerbare Energien legte verbindliche Ziele für alle Mitgliedstaaten fest, bis 2020 mindestens 20 Prozent ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Diese Richtlinie führte zu einem Innovationsschub in Solar-, Wind- und anderen erneuerbaren Technologien und förderte den grünen Energiesektor.

Obwohl keine der Standards, Vorschriften oder Richtlinien ein Allheilmittel für die beschriebenen Herausforderungen war, verdeutlichen sie Europas Fähigkeit, technologische Governance für Innovation und Gemeinwohl zu nutzen.

Europa braucht paneuropäische Unternehmen und Strukturen

Diese Kühnheit findet sich auch in den jüngsten Regulierungsinitiativen wie DMA, DSA, AI Act, GDPR und so weiter wieder, die den Umgang Europas – und anderer Länder – mit digitalen Monopolen verändert haben. Man könnte sagen, dass diese Initiativen durch die wahrgenommene Hilflosigkeit der EU gegenüber den großen Technologieunternehmen getrieben wurden. Wir sind jedoch der Meinung, dass dies ein zu einfaches Argument ist.

Ein Problem, bei dem Regulierung tatsächlich Hindernisse im digitalen Bereich Europas schafft, ist die Schaffung falscher Beschränkungen. Europas Wirtschaft besteht hauptsächlich aus KMUs, was vor allem auf Regeln zurückzuführen ist, die Unternehmen daran hindern, Größe zu erreichen. Viele KMUs haben Schwierigkeiten, technologische Innovationen zu übernehmen, geschweige denn zu entwickeln und voranzutreiben. Cybersicherheit, Informationskriegsführung, Desinformation und KI-Innovationen erfordern paneuropäische Unternehmen und Strukturen.

Der Ruf nach einer neuen digitalen Aufklärung

In Anlehnung an den transformativen Geist der ursprünglichen Aufklärung, die festgefahrene Doktrinen und Ideologien in Frage stellte, rufen wir zu einer modernen digitalen Aufklärung auf, um die wirtschaftlichen und technologischen Ideologien, die die heutige digitale Landschaft dominieren, zu hinterfragen und zu überarbeiten.

Das Herzstück der digitalen Strategie Europas sollte die Schaffung einer robusten, widerstandsfähigen bürgerlichen digitalen Architektur sein, die auf die Bedürfnisse ihrer Bürger reagiert. Dies beinhaltet die Gestaltung eines dezentralen Systems, in dem Datenkontrolle und -verwaltung auf verschiedene Akteure verteilt sind, was die Systemsicherheit und -integrität erhöht. Diese Multistakeholder-Bemühungen sollten durch innovative Governance-Modelle unterstützt werden, die Transparenz fördern und ein breites Spektrum an Akteuren einbeziehen.

Bürgerarchitekturen als Bausteine für eine aufgeklärte digitale Ära

Europas Weg in eine widerstandsfähige und demokratische digitale Zukunft ist eine tiefgreifende Chance. Indem es seine historischen Stärken nutzt und seinen Ansatz für digitale Technologie und Daten neu definiert, kann Europa eine globale Bewegung zu einer sichereren, integrativeren und innovativeren digitalen Ära anführen.

Dies stimmt mit Europas Gründungswerten überein und positioniert es an der Spitze der globalen Technologieführerschaft. Es erfordert den Übergang von einer konservativen Politikgestaltung hin zu einem dynamischen, experimentellen Ansatz, der durch eine echte Koalition der Beteiligten legitimiert ist. Lassen Sie uns den dringend benötigten Mut an den Tag legen!

Martin Hullin leitet als Director das Programm Digitalisierung und Gemeinwohl bei der Bertelsmann Stiftung. Davor war er unter anderem stellvertretender Exekutivdirektor des Internet & Jurisdiction Policy Network sowie Mitbegründer und stellvertretender Exekutivdirektor der Datasphere Initiative.

Catherine Mulligan ist Honorary Senior Research Associate für Informatik am University College London und Co-Direktorin des Forschungszentrums für Kryptowährung am Imperial College London. Sie war Mitglied des High-Level Panels für digitale Zusammenarbeit, das von UN-Generalsekretär António Guterres einberufen wurde.

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EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in der Landwirtschaftspolitik will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Paradigmenwechsel: Im vergangenen Mandat legte die von ihr geführte Kommission Vorschläge vor, die Klima- und Artenschutz in den Mittelpunkt stellten. Für die nächsten fünf Jahre soll die Anpassung an den Klimawandel in den Fokus rücken.

    Im Interview mit Table.Briefings erklärt Agrarpolitiker Norbert Lins (CDU), was die Kommission vorschlagen könnte: etwa Bauern Finanzhilfen für Ernteausfallversicherung zahlen, wie das bereits in Italien und Baden-Württemberg praktiziert wird. Lins, der die letzten fünf Jahre den Agrarausschuss geleitet hat, fordert zudem schnellere Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel.

    Und: Erstmals erklärt ein Christdemokrat, welche bislang “streng geschützten Arten im Begriff sind, eine Plage zu werden”. Nicht nur beim Wolf, sondern auch beim Bär, Saatkrähe, Kormoran, Biber und Gänsen will er den hohen Schutzstandard senken. Die Kommission soll vorschlagen, einschlägiges EU-Recht dafür zu ändern: die Vogelschutz– sowie die FFH-Richtlinie. Ob die Kommission der Forderung nachkommt ist ungewiss. Sicher ist, dass er für den Vorschlag Kritik von Naturschützern bekommt. Kommen Sie gut durch den Tag!

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    Markus Grabitz
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    Norbert Lins (CDU): “Streng geschützte Arten sind dabei, zur Plage zu werden”

    Norbert Lins (CDU) ist Agrarpolitiker im Europaparlament.

    Herr Lins, Ursula von der Leyen hat deutlich gemacht, dass im nächsten Mandat in der Agrarpolitik Anpassung an den Klimawandel Priorität haben sollte vor Maßnahmen zum Klima- und Artenschutz …

    Die Kommissionspräsidentin hat mit diesem Schwerpunkt einen wichtigen Beitrag geleistet zur Entpolarisierung der Debatte um die Landwirtschaft. Dass Klimawandel stattfindet und die Landwirtschaft darauf reagieren muss, das ist breiter Konsens im neuen Europaparlament. Ich möchte noch hervorheben, dass von der Leyen das Augenmerk auf mehr Resilienz in der Landwirtschaft legt. Das ist umfassend zu verstehen.

    Und was heißt das für die zu erwartenden Vorschläge?

    Ich rechne mit Vorschlägen, die das Risikomanagement stärken und das Problem der Wasserknappheit angehen. Sicherlich wird das Element der Risikoversicherung auch im Rahmen der nächsten GAP gestärkt. Das alles ist nicht komplett neu. Schon heute gibt es Versicherungsbeihilfen, wenn ein Bauer eine Police gegen die Folgen von Frost und Hagel abschließt. In Italien etwa wird das bereits sehr umfangreich genutzt, in Deutschland eher regional.

    Was noch?

    Ich sehe Bedarf bei den neuen Züchtungstechniken. Sie können noch einen Beitrag zur Klimaanpassung der Landwirtschaft leisten. Dann geht es um die Frage: Wie kann ich das Getreide und die Sonderkulturen besser schützen? Man kann Erdbeeren auf dem Feld mehr einpacken, etwa in Folie, um die Früchte besser gegen Starkregen abzuschirmen. Auch Agriphotovoltaik (Agri-PV) sollte ausgebaut werden, also ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die Photovoltaik-Stromproduktion und die landwirtschaftliche Produktion. Ein Beispiel wären hier Photovoltaik-Flächen über Obstbäumen, wozu es schon vielversprechende Modellprojekte gibt, unter anderem am Bodensee.

    Neuer Anlauf bei Pflanzenschutz

    Was steht beim Pflanzenschutz an?

    Ich erwarte, dass der Instrumentenkasten beim Pflanzenschutz in Ordnung gebracht wird. Dürre oder Starkregen erhöhen den Schädlingsdruck. Hier sollte möglichst viel mit biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln gearbeitet werden. Der chemisch-synthetische Pflanzenschutz spielt aber auch eine unverzichtbare Rolle. Ich erwarte, dass die Kommission dem Umstand Rechnung trägt.

    Was erwarten Sie konkret?

    Mir geht es nicht darum, pauschal mehr Substanzen zuzulassen. So ist in den letzten vier Jahren kein einziges neues Pflanzenschutzmittel zugelassen worden. Einige Mittel sind wieder zugelassen worden. Das System der Zulassung ist sehr langwierig und sollte überarbeitet werden. Es sollte zudem zu einer Harmonisierung zwischen den Regelungszonen kommen. Sinnvoll wäre daher eine Revision des Rechtstextes, um die Probleme der zonalen Einteilung zu beheben oder abzuschaffen. Doch auch innerhalb der Zonen gibt es gravierende Mängel.

    Welche denn?

    Das System der gegenseitigen Anerkennung funktioniert nicht. Das heißt: Wenn ein Mitgliedstaat etwas zulässt, heißt dies nicht, dass es auch in anderen Mitgliedstaaten der gleichen Zone zu haben ist.   

    Was meint von der Leyen, wenn sie umfassend mehr Resilienz für den Agrarsektor einfordert?

    Sie bezieht Resilienz auch auf die Wettbewerbssituation, in der sich unsere Landwirte auf dem Weltmarkt befinden. Wir müssen stärker darauf schauen, was die EU-Agrarpolitik für Folgen auf den internationalen Wettbewerb hat: Wie stehen unsere Bauern im Vergleich zu Bauern aus der Ukraine, aus den USA, Brasilien und Kanada da?  Hier gibt es klar die Notwendigkeit gegenzusteuern. Die EU-Regulierung bürdet der EU-Landwirtschaft viele Maßnahmen auf, die die Konkurrenz anderswo nicht erfüllen muss.

    Israel ist Vorbild bei Resilienz gegen Dürre

    In Südeuropa fehlt der Landwirtschaft zunehmend Wasser. Ist denkbar, dass künftig dort Ackerbau wegen des Klimawandels gar nicht mehr möglich ist?

    In den betroffenen Regionen ist Landwirtschaft sicher einer großen Herausforderung ausgesetzt. In Israel kann man aber sehen, dass Wasserknappheit nicht das Aus für die Landwirtschaft bedeutet: Dort wird in großem Stil Wasser aus Meerwasserentsalzungsanlagen in der Landwirtschaft verwendet. Zunächst wird es als Frischwasser in den Haushalten benutzt, um dann wiederaufbereitet teils in der Landwirtschaft verwendet zu werden. Es gibt also Länder in unserer Nachbarschaft, die sich bereits auf die Probleme eingestellt haben, mit denen unsere südlichen Mitgliedstaaten verstärkt zu kämpfen haben. Auch hier kann die EU sicher einen Beitrag leisten, die Landwirtschaft resilienter gegen Wassermangel zu machen.

    Ist die FFH-Richtlinie auch im Blick, wenn es um die Anpassung an den Klimawandel geht?

    Die Reform des Artenschutzrechts ist überfällig und gehört selbstverständlich dazu, wenn man sich an die gewandelten Bedingungen anpassen will. Es gilt zu akzeptieren, dass sich die Welt verändert hat, seitdem wir 1979 die Vogelschutz- und 1992 die FFH-Richtlinie geschaffen haben. Die Realität hat sich verändert, dem muss Rechnung getragen werden: Viele Populationen haben sich erholt. Der extrem strenge Artenschutz, der aktuell fatalerweise durch EuGH-Urteile noch einmal zementiert wurde, ist bei einigen Arten zu hinterfragen. Wir brauchen eine moderne Reform des Artenschutzrechts in der EU.

    Werden Sie für die Forderung Unterstützung in der Kommission und Rat haben?

    Bei der Kommission können wir das erst einschätzen, wenn im Herbst ihre personelle Zusammensetzung feststeht. Im Rat hätten wir es bei den Landwirtschaftsministern sicher leichter als bei den Umweltministern. Mir ist wichtig: In den letzten zwei Jahren stand bei allen Debatten zum Artenschutz immer der Wolf im Mittelpunkt. Er ist sicher die problematischste Spezies. An zweiter Stelle kommt der Bär, der immer wieder den Menschen zunahe kommt, etwa in Italien oder der Slowakei und in Rumänien. Der Schutzstatus des Bibers steht nicht mehr im Einklang mit seinem Erhaltungszustand. Bei den Vögeln gibt es Änderungsbedarf beim Kormoran, der die Fischbestände plündert, Gänsen und Saatkrähen, die etwa die Maisfelder gerade von Ökobauern leer picken, weil der nicht gebeizte Mais für sie ein Leckerbissen ist. Es sind nicht nur Hochwasser oder Dürren, die klimawandelbedingt häufiger auftreten und die Ernten gefährden, sondern eben auch gewisse Tierarten.

    Sie wollen den Artenschutz zurückdrehen …

    Ich freue mich über jede Spezies, die im Bestand gefährdet war und sich dann erholt hat. Man darf aber die Augen nicht davor verschließen, dass bei einigen Arten die Erholung überhandgenommen hat und sie im Begriff sind, zur Plage zu werden.

    • Agri-PV
    • FFH-Richtlinie
    • Hochwasser
    • Klimaanpassung
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    EU-Erfolg: Tiktok zieht süchtig machende Funktion zurück

    Die Video-App Tiktok gibt gegenüber der EU nach: Sie zieht ein umstrittenes Bonusprogramm zurück. Das hat die EU-Kommission am Montag mitgeteilt. Tiktok hatte die Funktion erst im Frühjahr eingeführt. Die Nutzer erhalten Punkte, wenn sie sich Videos ansehen. “Tiktok Lite Rewards” soll sie animieren, besonders lange auf der App zu bleiben und sich besonders viele Clips anzusehen. Tiktok gehört dem chinesischen Medienbetreiber Bytedance.

    Die EU hatte in dem Punkteprogramm einen Verstoß gegen das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) gesehen. Unter anderem verbietet es manipulative Mechanismen, durch die die Nutzung hochgetrieben wird. Im Fachjargon heißen diese Dark Patterns – “verborgene Muster”. Indem Tiktok akzeptiert, gegen ein EU-Gesetz verstoßen zu haben, gilt damit auch ein Verbot, ein vergleichbares Programm mit ähnlichem Effekt als Ersatz einzuführen.

    Soziale Medien nutzen zuletzt häufiger subtile Funktionen, um Nutzer noch länger als bisher auf der Plattform zu halten. Snapchat beispielsweise zeigt an, wie viele Tage hintereinander zwei Nutzer sich Bilder geschickt haben. Das weckt den Ehrgeiz, diese Kontaktsträhne aufrechtzuerhalten. Die Bonuspunkte von Tiktok standen zuletzt besonders in der Kritik, zumal Tiktok viele Verschwörungstheorien sowie rechtsradikales und destabilisierendes Gedankengut verbreitet. fin

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    Blauer Wasserstoff: BDEW warnt vor geringem Angebot

    Der BDEW plädiert für eine Ausweitung der zulässigen Lieferanten von blauem Wasserstoff. In einem Vermerk, der Table.Briefings vorliegt, spricht sich der Energieverband für die projektspezifische Berechnung der Emissionen aus. “Das ist ausschlaggebend, um eine bessere Emissionsbilanz vorweisen zu können und damit die Chancen zu erhöhen, die 70-Prozent-Treibhausgas-Einsparung einzuhalten. Dabei würden geleichzeitig beste Technologien bzw. Importländer gefördert sowie Anreize zur weiteren Emissionsminderung gesetzt.”

    Nach Informationen von Table.Briefings hat der BDEW seine Position auch in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dargelegt. Durch die genauere Berechnung würde voraussichtlich die Zahl der Importländer steigen. In einem Entwurf arbeitet die EU-Kommission bislang nicht mit projektspezifischen, sondern mit Standardwerten für die Vorkettenemissionen bei der Wasserstoffherstellung. Dadurch würde nach einer Analyse von Agora Industrie im Wesentlichen nur blauer Wasserstoff aus Norwegen als kohlenstoffarm anerkannt.

    Weichere Regeln für Wasserstoff aus Elektrolyse

    Mit einer spezifischeren Berechnung könnten auch einzelne emissionsarme Projekte aus weiteren Staaten eine Chance bekommen, so das Kalkül des BDEW. Allerdings hängt dieses Vorgehen von einem weiteren Rechtsakt zur Methanverordnung ab, der erst bis 2027 folgen soll.

    Der Verband spricht sich außerdem für weichere Kriterien für die Herstellung von kohlenstoffarmem Wasserstoff aus Elektrolyse aus: “Nach jetzigem Stand wäre bei Stromnetzbezug in Deutschland erzeugter Wasserstoff in den nächsten Jahren kaum qualifizierbar.” ber

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    Zölle auf E-Autos: Dombrovskis rechnet mit Zustimmung

    EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis rechnet damit, dass die Mitgliedstaaten das Inkrafttreten europäischer Zölle auf chinesische Elektroautos ab November unterstützen. “Es ist klar, dass die Mitgliedsstaaten die Notwendigkeit erkennen, die EU-Automobilindustrie zu schützen, denn das Risiko eines Schadens ist real. Der Marktanteil chinesischer batteriebetriebener Elektrofahrzeuge wächst sehr schnell. Es besteht eine Subventionierung”, sagte Dombrovskis der Financial Times. “Es ist also sicherlich ein Problem, das angegangen werden muss.”

    Die Zölle gelten seit Anfang Juli, endgültig gezahlt werden müssen sie allerdings erst ab November. Vor dem endgültigen Inkrafttreten können die Mitgliedsstaaten den Kommissionsvorschlag noch mit qualifizierter Mehrheit zurückweisen, was eine hohe Hürde bedeutet. Deutschland ist eigentlich gegen die Zölle, weil es Gegenmaßnahmen befürchtet, unter denen auch deutsche Autobauer leiden. ber

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    Nitratbelastung: Nach Belgien und Frankreich könnte Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren drohen

    Die EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien und Frankreich wegen Verstößen gegen die EU-Nitrat-Richtlinie und die EU-Trinkwasser-Richtlinie ein. In der belgischen Region Flandern sind die Nitratwerte im Grundwasser zu hoch, in Frankreich im Trinkwasser.

    Auch in Deutschland wird der EU-Grenzwert für Grundwasserkörper im Rahmen der EU-Nitrat-Richtlinie noch an etwa ein Viertel der Messstellen überschritten. Ob die Brüsseler Behörde ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten wird, ließ diese auf Anfrage von Table.Briefings zunächst unbeantwortet. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium ließ offen, ob es aktuell dazu Gespräche mit der EU-Kommission führt. Eine Sprecherin des Ministeriums teilte lediglich mit, dass 2023 “Strafzahlungen in Millionenhöhe” verhindert wurden. Geld, das angesichts der aktuellen Haushaltslage an anderer Stelle besser investiert wäre, so die Sprecherin weiter.

    Schlagbezogenes Monitoring kann nicht umgesetzt werden

    Trotz Zurückhaltung der beiden Behörden – Redebedarf hätten sie. Nicht nur wegen der zu hohen Grenzwerte. Auch, weil Deutschland das schlagbezogene Monitoring in roten Gebieten bislang nicht umsetzt. Laut BMEL ist die Dokumentation der ausgebrachten Nährstoffmengen (Stickstoff und Phosphor) aber eine Bedingung der EU-Kommission aus dem Jahr 2023, in dem die Brüsseler Behörde das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einstellte. Besonders verfahren ist die Situation nun, weil der Bundesrat Anfang Juli 2024 einer Änderung des Düngegesetzes nicht zustimmte. Dies wäre aber eine Voraussetzung gewesen, um eine Rechtsverordnung für das schlagbezogene Monitoring erlassen zu können.

    Das geänderte Düngegesetz hätte lediglich allgemein festgelegt, was per Rechtsverordnungen geregelt werden darf. “Bei den Düngeregeln muss ein Schritt nach dem anderen gegangen werden”, kommentiert es eine BMEL-Sprecherin. Weil die Grundlage für die geplante neue Rechtsverordnung für das schlagbezogene Monitoring fehlt, prüft das BMEL aktuell den Vermittlungsausschuss einzuschalten, so die Sprecherin weiter. Ziel wäre es, dass Länderkammer und Bundestag beim umstrittenen Düngegesetz einen Kompromiss finden.

    Regeln im Rahmen der geplanten Rechtsverordnungen hätten Bund und Länder anschließend separat verhandelt, so zumindest plante es das BMEL. Die Daten aus mehreren Quellen, darunter das schlagbezogene Monitoring, die überarbeitete Stoffstrombilanz und die Messstellen, hätten laut BMEL eine gute Grundlage gebildet, um mit der EU-Kommission über differenzierte Maßnahmen in roten Gebieten zu verhandeln. Kritikern versucht das BMEL den Wind aus den Segeln zu nehmen: Die Verordnungen sollten “bürokratiearm” und betriebliche Daten, die ohnehin anfielen, “mehrfach” genutzt werden.

    Brandenburgs Ministerpräsident Woidke hat keinen Alternativvorschlag

    Kritiker der BMEL-Pläne halten sich mit alternativen Vorschlägen zurück. Auf Nachfrage von Table.Briefings, wie Vorgaben der EU-Kommission erfüllt und differenzierte Maßnahmen in roten Gebieten ermöglicht werden könnten, teilt ein Sprecher des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) mit: Die Verantwortung für einen Lösungsvorschlag liege bei der Bundesregierung. Wichtig sei es, nur Daten zu erheben, die zwingend gebraucht werden, so der Sprecher weiter. Betriebe außerhalb der roten Gebiete beispielsweise würden durch die Stoffstrombilanz-Verordnung mit “unnötiger” Bürokratie belastet.

    So einfach ist es allerdings nicht. Auch außerhalb von roten Gebieten können Betriebe liegen, die Nährstoffüberschüsse verursachen. Aus Kreisen des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist zu hören, dass die Nitratbelastung deshalb überall überwacht werden müsse. Vor allem, weil sich die Verhältnisse ändern können. Um Gewässer zu schützen, müsse die Zu- und Abfuhr von Nährstoffen kontinuierlich kontrolliert werden.

    Brandenburg stimmte dem geänderten Düngegesetz wegen der Ermächtigungsgrundlage für eine Stoffstrombilanz-Verordnung nicht zu. Woidke hatte dies zuvor auf dem Bauerntag in Cottbus angekündigt. Am 22. September wird in Brandenburg einer neuer Landtag gewählt. Das Düngegesetz sorgt in Kreisen des Deutschen Bauernverbands seit Jahren für großen Widerstand, aktuell vor allem wegen der Stoffstrombilanz-Verordnung. has

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    Venezuela: EU erkennt Sieg von Maduro nicht an

    Die Europäische Union erkennt das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl in Venezuela ohne eine vollständige Offenlegung der Wahlunterlagen nicht an. Das teilte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano, mit. 

    Nach einer von Betrugsvorwürfen begleiteten Wahl am vergangenen Sonntag hatte die linientreue Wahlbehörde CNE den seit 2013 regierenden autoritären Präsidenten Nicolás Maduro zum Wahlsieger erklärt. Allerdings veröffentlichte sie bislang nicht die aufgeschlüsselten Resultate der einzelnen Stimmbezirke. Diese zeigten laut Opposition, dass ihr Kandidat Edmundo González Urrutia mit deutlichem Vorsprung vor Maduro gewonnen habe.

    “Willkürliche Festnahmen”

    Jeder Versuch, die vollständige Veröffentlichung der offiziellen Wahlergebnisse zu verzögern, werde deren Glaubwürdigkeit nur weiter infrage stellen, hieß es in der EU-Mitteilung weiter. Der Sprecher äußerte zugleich die Besorgnis der EU über eine wachsende Zahl “willkürlicher Festnahmen” und die anhaltenden Schikanen gegen die Opposition. 

    Die venezolanische Regierung wies die Erklärung aus Brüssel zurück. “Josep Borrell, mischen Sie sich nicht in die Angelegenheiten Venezuelas ein. Haben Sie Respekt und seien Sie still”, schrieb Außenminister Yvan Gil auf X. “Dieses Volk hat seine Unabhängigkeit mit Blut und Feuer erkämpft. Ihre faschistischen Schützlinge werden niemals wieder an die Macht kommen.” 

    Die USA und ein halbes Dutzend lateinamerikanischer Länder haben Oppositionskandidat González bereits als Sieger anerkannt. Am Sonntag forderten Deutschland und andere europäische Länder die Veröffentlichung der Wahlunterlagen. “Wir bringen unsere große Besorgnis über die Lage in Venezuela nach den Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Sonntag zum Ausdruck”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Niederlande, Spanien und Portugaldpa

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    Bulgarien: Regierungsbildung erneut gescheitert – weitere Neuwahl im Herbst DEUTSCHLANDFUNK
    Italien: EU-Kommissar und RAI-Führungsspitze: Es wird kein leichter August für Meloni EURONEWS
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    Österreich: EU-Abtreibungsvolksbegehren – Bürgerinitiative für einen sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erreicht erforderliche Unterschriftenanzahl ORF
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    Spanien: Ehemaliger Separatistenführer Puigdemont kündigt Rückkehr nach Spanien an EURACTIV
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    Subventionen und Investitionen statt Zölle: Die Türkei zeigt, wie man E-Autos fördert AUTO MOTOR UND SPORT

    Standpunkt

    Eine Vision für eine digitale Neu-Aufklärung Europas

    Von Catherine Mulligan und Martin Hullin
    Forscherin Catherine Mulligan und Martin Hullin von der Bertelsmannstiftung rufen zu einer neuen digitalen Aufklärung auf.

    Fünfzig Jahre nach der Geburt des Internets steht Europa vor der nächsten revolutionären technologischen Transformation. An der Schwelle einer neuen, digital unterstützten gesellschaftlichen Ära konzentriert sich der vorherrschende Diskurs oft auf Ängste vor digitaler Übermacht, reaktionärem Muskelspiel bei der Regulierung und die begrenzte Innovationsfähigkeit des Kontinents. Doch dieser Moment birgt auch ein beispielloses Potenzial für transformativen Wandel, wenn wir Europas digitale Rahmenwerke durchdacht gestalten.

    Europa steht vor einer entscheidenden Wahl: sich passiv an externe Modelle der digitalen Koordination anzupassen oder proaktiv eine digitale Zukunft durch eine gemeinsame Vision zu gestalten, die ihre Stärke aus der ihr innewohnenden Vielfalt schöpft. Wir schlagen eine kühne Vision für eine “digitale Neu-Aufklärung” vor, die zu digitalen Bürgerarchitekturen führt, die das Gemeinwohl priorisieren und Innovation fördern.

    Regulierung für Innovation: Lernen aus Europas Vermächtnis

    Entgegen dem populären Narrativ, das die Vereinigten Staaten als Wiege der Innovation und Europa allein als Regulierer darstellt, hat Europa eine lange Geschichte technologischer Fortschritte durch innovative strategische Regulierungsrahmen:

    Telekommunikations- und Pharmaregulierung: Die europäischen Vorschriften für Telekommunikation und Pharmazeutika wurden entwickelt, um ein wettbewerbsfähiges, aber kollaboratives Umfeld für Innovation zu schaffen. Dies verschaffte den europäischen Unternehmen in beiden Branchen eine gute Ausgangsposition, um global zu konkurrieren. Die 1995 gegründete EMA half, den Prozess der Markteinführung neuer und sicherer Medikamente zu straffen und förderte Innovationen in der Arzneimittelentwicklung – was während der COVID-19-Pandemie von entscheidender Bedeutung war.

    Erneuerbare-Energien-Richtlinie: Die 2009 eingeführte Richtlinie für erneuerbare Energien legte verbindliche Ziele für alle Mitgliedstaaten fest, bis 2020 mindestens 20 Prozent ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Diese Richtlinie führte zu einem Innovationsschub in Solar-, Wind- und anderen erneuerbaren Technologien und förderte den grünen Energiesektor.

    Obwohl keine der Standards, Vorschriften oder Richtlinien ein Allheilmittel für die beschriebenen Herausforderungen war, verdeutlichen sie Europas Fähigkeit, technologische Governance für Innovation und Gemeinwohl zu nutzen.

    Europa braucht paneuropäische Unternehmen und Strukturen

    Diese Kühnheit findet sich auch in den jüngsten Regulierungsinitiativen wie DMA, DSA, AI Act, GDPR und so weiter wieder, die den Umgang Europas – und anderer Länder – mit digitalen Monopolen verändert haben. Man könnte sagen, dass diese Initiativen durch die wahrgenommene Hilflosigkeit der EU gegenüber den großen Technologieunternehmen getrieben wurden. Wir sind jedoch der Meinung, dass dies ein zu einfaches Argument ist.

    Ein Problem, bei dem Regulierung tatsächlich Hindernisse im digitalen Bereich Europas schafft, ist die Schaffung falscher Beschränkungen. Europas Wirtschaft besteht hauptsächlich aus KMUs, was vor allem auf Regeln zurückzuführen ist, die Unternehmen daran hindern, Größe zu erreichen. Viele KMUs haben Schwierigkeiten, technologische Innovationen zu übernehmen, geschweige denn zu entwickeln und voranzutreiben. Cybersicherheit, Informationskriegsführung, Desinformation und KI-Innovationen erfordern paneuropäische Unternehmen und Strukturen.

    Der Ruf nach einer neuen digitalen Aufklärung

    In Anlehnung an den transformativen Geist der ursprünglichen Aufklärung, die festgefahrene Doktrinen und Ideologien in Frage stellte, rufen wir zu einer modernen digitalen Aufklärung auf, um die wirtschaftlichen und technologischen Ideologien, die die heutige digitale Landschaft dominieren, zu hinterfragen und zu überarbeiten.

    Das Herzstück der digitalen Strategie Europas sollte die Schaffung einer robusten, widerstandsfähigen bürgerlichen digitalen Architektur sein, die auf die Bedürfnisse ihrer Bürger reagiert. Dies beinhaltet die Gestaltung eines dezentralen Systems, in dem Datenkontrolle und -verwaltung auf verschiedene Akteure verteilt sind, was die Systemsicherheit und -integrität erhöht. Diese Multistakeholder-Bemühungen sollten durch innovative Governance-Modelle unterstützt werden, die Transparenz fördern und ein breites Spektrum an Akteuren einbeziehen.

    Bürgerarchitekturen als Bausteine für eine aufgeklärte digitale Ära

    Europas Weg in eine widerstandsfähige und demokratische digitale Zukunft ist eine tiefgreifende Chance. Indem es seine historischen Stärken nutzt und seinen Ansatz für digitale Technologie und Daten neu definiert, kann Europa eine globale Bewegung zu einer sichereren, integrativeren und innovativeren digitalen Ära anführen.

    Dies stimmt mit Europas Gründungswerten überein und positioniert es an der Spitze der globalen Technologieführerschaft. Es erfordert den Übergang von einer konservativen Politikgestaltung hin zu einem dynamischen, experimentellen Ansatz, der durch eine echte Koalition der Beteiligten legitimiert ist. Lassen Sie uns den dringend benötigten Mut an den Tag legen!

    Martin Hullin leitet als Director das Programm Digitalisierung und Gemeinwohl bei der Bertelsmann Stiftung. Davor war er unter anderem stellvertretender Exekutivdirektor des Internet & Jurisdiction Policy Network sowie Mitbegründer und stellvertretender Exekutivdirektor der Datasphere Initiative.

    Catherine Mulligan ist Honorary Senior Research Associate für Informatik am University College London und Co-Direktorin des Forschungszentrums für Kryptowährung am Imperial College London. Sie war Mitglied des High-Level Panels für digitale Zusammenarbeit, das von UN-Generalsekretär António Guterres einberufen wurde.

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