am Montag und Dienstag kommen die EU-Energieminister zu einem informellen Treffen in Brüssel zusammen. Im Vorfeld melden sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol, zu Wort: Der EU sei es gelungen, sich endgültig aus der Gas-Abhängigkeit von Russland zu befreien, schreiben sie in einem Beitrag für Table.Briefings: “Europa hat sein Energie-Schicksal wieder in eigener Hand.”
Von der Leyen und Birol erwarten, dass die Gaspreise weiter sinken. Die Speicher seien am Ende der Heizperiode noch zu fast 60 Prozent gefüllt, ein Rekordwert. Zudem werde das LNG-Angebot in den nächsten Jahren um rund 50 Prozent steigen, dank neuer Exportkapazitäten vor allem in den USA und Katar. “Dies hat zur Folge, dass wir an der Schwelle einer Welt der Gasknappheit in eine Welt des Gasüberflusses stehen“, schreiben die Kommissionspräsidentin und IEA-Chef. “Dies könnte zu deutlich niedrigeren Gaspreisen führen.”
Verstehen kann man ihren Beitrag auch als Mahnung an die Energieminister. Europa sei aus der Gaskrise gekommen, weil man gemeinsam gehandelt und die Stärken des Binnenmarktes genutzt habe, so von der Leyen und Birol.
Dass diese Solidarität nicht selbstverständlich ist, daran erinnert auch ein bemerkenswerter Satz aus dem Diskussionspapier, das die belgische Ratspräsidentschaft vorab an die Minister verschickt hat: Milliardeninvestitionen in grenzüberschreitende Stromleitungen setzten Vertrauen in den freien Fluss von Energie über Grenzen voraus, schreiben die Belgier. Themen für die Energiepolitik werden also nicht nur die Kostenteilung für diese Milliardenausgaben, sondern auch die Teilhabe aller Stromkunden an den günstigsten Erzeugungsmöglichkeiten innerhalb der EU.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Wochenausklang.
Die Kapitalmarktunion soll die europäische Wirtschaft dynamisieren, hoffen die Regierungen der großen EU-Volkswirtschaften. Ein Punkt, der in den vergangenen Wochen im Katalog der möglichen Maßnahmen an Beachtung gewonnen hat, ist die Zentralisierung der Kapitalmarktaufsicht.
Im Februar dieses Jahres verlangte Bruno Le Maire Fortschritte bei der Kapitalmarktaufsicht, und dass im Notfall auch eine Koalition der Willigen ohne Gesamt-EU vorangehen solle. Im März dann forderte die EZB in einer scharf formulierten Kommunikation eine stärkere Integration der Marktaufsicht.
Nicolas Véron, Senior Fellow beim Brüsseler Thinktank Bruegel sowie beim Peterson Institute in Washington DC, hält die Zentralisierung der Marktaufsicht für deinen sinnvollen Schritt. Im Gegensatz zu anderen Forderungen, wie zum Beispiel der Harmonisierung des Steuerrechts, sei dieser auch politisch machbar.
Obwohl die Finanzmarktregulierungen in Theorie EU-weit die gleichen seien, sei das in der Praxis nicht der Fall, weil nationale Behörden die Regeln unterschiedlich auslegen. “Die Flaschenhälse finden sich heute in der Interpretation der Regeln, nicht in den Regeln selbst”, sagt Véron. So gäbe es zwar beispielsweise einheitliche Buchhaltungsstandards, doch da diese von den nationalen Behörden unterschiedlich durchgesetzt würden, bleibe der Markt faktisch fragmentiert.
Die Zentralisierung der Marktaufsicht ist für Véron kein Wundermittel. Stattdessen sieht er diese strukturelle Anpassung als Katalysator, der den Rest der Kapitalmarktunionsagenda vorantreiben könnte. Ein starker zentraler Akteur hätte ein Interesse daran, die verbleibenden Markthürden zu identifizieren und zu beseitigen. Er sieht auch die Erfahrungen aus dem Bankensektor, in dem der EZB nach der Finanzkrise die Oberaufsicht aufgetragen wurde, als positives Beispiel.
Die EU-Kommission hatte schon 2017 versucht, die Marktaufsicht zu zentralisieren, war aber am nationalen Widerstand gescheitert. Auch als die EU-Finanzminister im März dieses Jahres ihren Forderungskatalog zur Kapitalmarktunion finalisierten, blieb der Punkt zur Marktaufsicht vage. Die Finanzminister aus Frankreich, der Niederlande und Italien warben vergeblich für die zentralisierte Aufsicht.
Deshalb reagieren nun viele Beobachter überrascht, dass die Regierungschefs, die sich in der nächsten Woche über dieses Thema unterhalten werden, schneller voranzugehen scheinen. Im Entwurf der Schlussfolgerungen steht, dass die Marktaufsicht verbessert werden solle, “zum Beispiel, indem den Europäischen Überwachungsbehörden erlaubt wird, die systemisch relevantesten grenzüberschreitenden Kapital- und Finanzmarktakteure zu überwachen“.
Es sind vor allem Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron, die das Thema vorantreiben. Sie wollen die Kapitalmärkte besser miteinander verknüpfen, um die lahmenden privaten Investitionen in Fahrt zu bringen. Das Kanzleramt steht auch hinter dem ehrgeizigen Zeitplan, bereits bis zum Gipfel im Juni Ergebnisse zu erzielen und dann weitere Schritte zur Vertiefung der Kapitalmarktunion zu besprechen. Neben den Aufsichtsstrukturen geht es bei den Verhandlungen zwischen Paris und Berlin auch um den Verbriefungsmarkt und ein Europäisches Sparprodukt.
Im Bundesfinanzministerium fürchtet man jedoch, dass die Regierungschefs speziell bei der zentralisierten Aufsicht zu schnell voranpreschen. Am Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg am Donnerstag sagte Christian Lindner, es solle um Kooperation gehen, nicht um Zentralisierung: “Denn die regionalen Strukturen sind sehr unterschiedlich und deshalb muss es auch eine differenzierte Betrachtung geben. Gerade bei den kleineren Akteuren darf es nicht zu höheren Kosten und mehr bürokratischen Belastungen, erst recht nicht zu Doppelstrukturen kommen.”
Véron warnt ebenfalls, dass eine zentralisierte Marktaufsicht aufpassen müsse, das lokale Markt-Knowhow nicht zu verlieren. Er betont aber, dass es auch Firmen gebe, die von einer speziellen Beziehung zu “ihrer” nationalen Aufsicht profitieren. Diese Bedenken werden teilweise auch in der Finanzindustrie geteilt.
Für Véron ist aber auch klar, dass die ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) ohnehin neu erfunden werden müsse, wenn sie eine wichtigere Rolle einnehmen solle. So müssten seiner Meinung nach zum Beispiel die Entscheidungsgremien kleiner und politisch unabhängig werden.
Ein EU-Beamter betonte gegenüber Table.Briefings, dass der Aufbau einer zentralisierten Marktaufsicht nicht über Nacht geschehen könne, sondern viel Zeit, Personal und Geld benötige.
Um das Problem für die kleineren Marktakteure anzugehen, meint der EU-Beamte, dass auch ein Opt-in Modell denkbar sei. In diesem könnten große grenzüberschreitende Kapitalmarkteure sich freiwillig für eine europäische statt einer nationalen Aufsicht entscheiden. Kleine Akteure wären davon nicht betroffen.
Dennoch: Im Bundesfinanzministerium sieht man eine einheitliche Aufsicht in Europa nicht als zentrale Stellschraube. Aus Sicht der Regierungsexperten hinkt auch der oft vorgebrachte Vergleich zu den Banken. Vermögensverwalter können bereits mit einer Lizenz ihres Heimatlandes in anderen Mitgliedstaaten etwa Fonds auflegen, ohne eine eigene Niederlassung gründen zu müssen, über das sogenannte Passporting. Sie unterliegen damit weiter nur der heimischen Aufsicht. Eine europaweite Aufsicht bringe daher wenig Effizienzgewinne, so das Argument.
Ob Lindners Finanzministerium mit diesen Argumenten noch vor dem Gipfel bis zum Kanzleramt durchdringt, wird sich in der kommenden Woche zeigen. Kanzler Scholz argumentiert intern für ambitionierte Reformen. Um einen Kompromiss mit Frankreich zu ermöglichen, könnte die Bundesregierung daher womöglich auch eine Europäisierung der Aufsicht akzeptieren. Wie ein EU-Diplomat gegenüber Table.Briefings bestätigte, zeigt sich die deutsche Regierung mit der aktuellen, ambitionierten Formulierung in den Gipfelschlussfolgerungen bisher zufrieden.
Seit 2021 sitzen in der EVP-Fraktion im Europaparlament keine ungarischen Abgeordneten mehr. Bei den anstehenden Europawahlen wollen das ungarische Oppositionsparteien ändern. “Ich habe die begründete Erwartung, dass die EVP uns aufnehmen würde“, sagte Péter Róna, Spitzenkandidat von Jobbik Table.Briefings. Róna, der lange den Grünen nahe stand und sich in Ungarn einen Namen als liberaler Ökonom gemacht hat, tritt mit 81 Jahren bei der Europawahl an. Auch bei Péter Magyar, dem neuen Star der ungarischen Politik, wird in Budapest erwartet, dass er sich nach einem Wahlerfolg der EVP anschließen würde.
Magyar, der in Ungarn aktuell Massenproteste gegen die Orbán-Regierung anführt, hat sich dazu allerdings noch nicht geäußert. “Er ist damit beschäftigt, die Dynamik der Protestbewegung aufrecht zu halten“, beobachtet Zsuzsanna Szelényi, Gründungsdirektorin des Democracy Institute Leadership Academy an der Central European University in Budapest. 2021 trat die Fideszpartei aus der EVP-Fraktion aus – und kam damit einem Ausschluss zuvor. Seither zählt die EVP-Fraktion keine ungarischen Mitglieder.
Das Ziel der ungarischen Opposition bei der anstehenden Europawahl: Diese zu einem Referendum zu Orbán zu machen, der mittlerweile seit 14 Jahren regiert. Anders als bei nationalen oder kommunalen Wahlen gilt bei der Europawahl das Verhältniswahlrecht. Das Ergebnis dürfte also sehr viel besser die Stimmung im Land widerspiegeln als die Urnengänge nach Mehrheitswahlrecht, wie sie sonst in Ungarn üblich sind. Zu überwinden gibt es nur eine Fünf-Prozent-Klausel.
Die große Frage bei der Europawahl wird sein, ob der Anwalt Magyar die weitverbreitete Unzufriedenheit mit Orbán und seinem autoritären Regime in Stimmen ummünzen kann. Ebenfalls wichtig: Wird Magyar Stimmen aus dem Orbán-Lager oder der Opposition abziehen?
Bis vor Kurzem zählte Magyar noch zu den Nutznießern des Systems – mit einem lukrativen Job bei einer staatlichen Einrichtung. Von 2011 bis 2015 arbeitete er in der Ständigen Vertretung Ungarns in Brüssel. Dort fiel er damals dadurch auf, dass er Positionen von Fidesz sehr entschlossen durchsetzte. Nun führt er Massendemonstrationen mit zehntausenden Teilnehmenden gegen seine früheren Wegbegleiter an.
Eine eigene Partei hat Magyar nicht rechtzeitig gründen können. Er will mit einer Partei namens Tisza antreten, die ein Jahr vor der Parlamentswahl in der Stadt Eger gegründet worden war. Aktuell interviewt er Kandidaten, um eine Liste aufzustellen. Ungarn stellt derzeit 22 Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Ein Parteiprogramm von Tisza gibt es noch nicht. “Wir können nur aus seinen Reden und Tweets ableiten, wofür er steht”, sagt die frühere Abgeordnete Szelényi, die 1994 aus Fidesz ausgetreten ist. Magyar möchte eine dritte politische Kraft als Alternative zu Fidesz und der Opposition bilden, bleibe inhaltlich aber vage. Die EU stelle er als zu stark zentralisiert und bürokratisch dar, das Orbán-Regime kritisiert er als korrupt.
Auch Opponent Róna von Jobbik kritisiert, dass Magyar bisher nicht offengelegt hat, wo er ideologisch steht. Der Ökonom wirbt dafür, dass EU-Gelder künftig direkt in ungarische Gemeinden fließen, statt über die Zentralregierung. Die EU solle die Verteilung direkt überwachen. Jobbik war eine rechtsextreme Kraft, rückte aber schon vor Jahren in die Mitte des politischen Spektrums, was 2022 zur Abspaltung des rechten Flügels unter dem Namen Mi Hazánk Mozgalom führte.
Wie ernst Fidesz den Herausforderer Magyar nimmt, zeigt sich schon daran, dass sein Konterfei auf einem denunziatorischen Plakat aufgenommen wurde, in dem die Regierungspartei oppositionelle Politiker als Empfänger von Mitteln aus den USA darstellt. Ein Redner, der auf der Kundgebung in Budapest am vergangenen Samstag auftrat, verlor seine Beschäftigung bei einem öffentlichen Unternehmen.
Der Ausgang der Europawahl wird allerdings nichts daran ändern, dass Orbán mit einer Zweidrittelmehrheit im heimischen Parlament quasi durchregieren kann. 25 Mal hat er in seiner Amtszeit das Wahlrecht ändern lassen. Silke Wettach
Alle Texte zur Europawahl 2024 finden Sie hier.
15.04.-16.04.2024
Informelle Ministertagung Energie
Themen: Aussprache zur Planung, Finanzierung und rechtzeitige Lieferung einer stärker integrierten Energieinfrastruktur, Prioritäten des belgischen Ratsvorsitzes, Aussprache zur Stärkung der Energieinfrastruktur und zur Resilienz kritischer Energieinfrastrukturen. Infos
15.04.-16.04.2024
Konferenz Hochrangige Konferenz: Europäische Säule der sozialen Rechte
Themen: Verabschiedung einer interinstitutionelle Erklärung (La Hulpe Declaration) zur Sozialagenda für den Zeitraum 2024-2029. Infos
15.04.2024 – 15:00-18:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI)
Themen: Gedankenaustausche mit der Kommission zur Lage auf den Agrarmärkten, zur Umsetzung der EU-Vorschriften zur Entalkoholisierung von Weinen, zur Situation des ökologischen Landbaus in Europa. Vorläufige Tagesordnung
16.04.2024 – 16:00-17:00 Uhr
Sitzung des Auswärtigen Ausschusses (AFET)
Themen: Gedankenaustausch mit Milojko Spajić (Premierminister von Montenegro). Vorläufige Tagesordnung
17.04.-18.04.2024
Außerordentliche Tagung des Europäischen Rates
Themen: Die Staats- und Regierungschefs kommen zu Beratungen zusammen. Infos
17.04.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Die Kommissare kommen zu Beratungen zusammen. Vorläufige Tagesordnung
18.04.-19.04.2024
Informelle Ministertagung Verbraucherschutz
Themen: Aussprachen zur Einführung in das belgische System zur Bereitstellung von Informationen beim Kauf von Gebrauchtwagen, zum nachhaltigen Onlinehandel, zu den Auswirkungen des Einsatzes künstlicher Intelligenz (KI), zur Zugänglichkeit von Finanzdienstleistungen, zum Influencer-Marketing und zur Wirksamkeit des Kooperationsnetzwerks im Verbraucherschutz. Infos
Mit 382 Ja- zu 144 Nein-Stimmen rügt das Parlament die Berufung von Markus Pieper (CDU) zum KMU-Beauftragten der Kommission. Abgeordnete von ganz links über Grüne, Sozialisten und Liberale bis hin zu den Rechtsradikalen von ID schlossen sich dem Antrag an, der im Rahmen der Haushaltsentlastung der Kommission für das Jahr 2022 abgestimmt wurde. Die EVP hielt zu Pieper und stimmte gegen die Rüge.
Die EVP kritisiert, dass der Antrag vom Parlamentspräsidium überhaupt zugelassen wurde: Sie argumentieren, da Ausschreibung und der größte Teil des Auswahlverfahrens 2023 stattfanden, hätte der Antrag eigentlich erst bei der Entlastung der Kommission im nächsten Jahr abgestimmt werden können.
Der Antrag fordert die Kommission auf, die Situation zu bereinigen, indem die Berufung rückgängig gemacht und ein “wahrhaft transparenter und offener Prozess für die Auswahl des KMU-Beauftragten gestartet wird”. Rechtliche Folgen hat die Rüge nicht. Die Antwort der Kommission auf Fragen einer Gruppe von Parlamentariern in der Sache steht unterdessen noch immer aus.
Pieper tritt seinen Posten als KMU-Beauftrager am 16. April an. mgr
Das EU-Parlament hat am Donnerstag neuen Regeln für die europäischen Strom-, Gas- und Wasserstoffmärkte zugestimmt. Die Novelle der Gasmarkt-Richtlinie legt unter anderem fest, dass Gaskunden ihre Anschlüsse gekündigt werden dürfen, um damit das Ziel der Klimaneutralität zu erfüllen. Das Gaspaket schafft außerdem die Grundlagen für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur.
Das Plenum stimmte auch für die Strommarktreform, mit der zum Beispiel die Erlöse von neu gebauten Erneuerbare-Energien-Anlagen begrenzt werden. Sowohl das Gas- als auch das Strommarktpaket müssen nun noch vom Rat formal angenommen werden. ber
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will nach der Einigung zum EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) die Verhandlungen über ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten (“UN-Treaty”) weiter vorantreiben, das unternehmerische Sorgfaltspflichten auch auf globaler Ebene etablieren soll. Das sagte er bei einer Veranstaltung zum Thema Rohstofflieferketten in Berlin.
“Als Europäische Union müssen wir uns mit Nachdruck an den Verhandlungen im UN Treaty-Prozess beteiligen”, betonte er. “Mit dem europäischen Recht haben wir nun die Möglichkeit, unsere Expertise einzubringen, um auch international für ein Level Playing Field zu kämpfen.”
Im UN-Menschenrechtsrat wurde 2014 eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen für den Schutz der Menschenrechte bei Unternehmenstätigkeiten ausarbeiten soll. Seitdem haben neun Treffen der Arbeitsgruppe stattgefunden; die zehnte Sitzung ist für den 21. bis 25. Oktober geplant.
Bei einem gemeinsamen Statement mit Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze betonte Heil, die EU-Lieferkettenrichtlinie sei “ein Meilenstein” im Kampf für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Millionen Menschen in den Lieferketten. Nach der formalen Zustimmung des EU-Parlaments, die für Ende April geplant ist, muss die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.
Auch Schulze erklärte, sie setze sich dafür ein, dass die Richtlinie vom EU-Parlament angenommen und zügig umgesetzt werde. Sie reagierte auch auf die Forderung von FDP und BDI, das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zu entschärfen: “Gerade für deutsche Unternehmen ist es gut, wenn sie schon jetzt hohe Standards an Sorgfaltspflichten einhalten”, erklärte sie. “Damit haben sie einen echten Vorteil gegenüber europäischen Mitbewerbern, sobald die EU-Richtlinie in Kraft tritt. Und sie investieren schon heute in das Geschäftsmodell von morgen.” leo
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem weiteren Urteil zum Schadenersatzrecht in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für rechtliche Klarheit gesorgt. In seinem Donnerstag veröffentlichten Urteil kommen die Richter zum Schluss, dass das Schadenersatzrecht, wie in Artikel 82 DSGVO angelegt, keinen allgemeinen Anspruch auf Immaterialschadenersatz begründet.
Bereits vor einigen Monaten hatte der EuGH für Recht erkannt, dass Schadenersatz nur bei Vorliegen eines Schadens möglich sei. Die Richter bekräftigten nun in einem weiteren Vorlageverfahren, dass das unabhängig von dessen konkreter Höhe gelte. Eine Bagatellgrenze gibt es somit nicht.
Der “Verlust der Kontrolle” sei dabei zwar ein erlittener Schaden im Sinne des Gesetzes. Sofern dieser aber keine Auswirkungen gehabt habe, sei auch kein Ersatz angemessen. Im konkreten Fall ging es um eine widerrechtliche Datennutzung für Direktwerbung – trotz erfolgter Widersprüche. Nicht möglich sei, so die Richter, die Bemessung des Schadenersatzes analog der Vorgaben des Artikels 83. Dieser regelt den Bußgeldrahmen für Strafen durch Aufsichtsbehörden.
Geklagt hatte ein Empfänger von Werbung, der dieser ausdrücklich widersprochen hatte. Das Ganze war Vorlageverfahren, sprich: der EuGH hat damit Fragen eines Gerichts beantwortet.
Ebenfalls stellte der EuGH klar, dass ein für die Datenverarbeitung Verantwortlicher sich nicht dadurch seiner Haftung entledigen kann, dass er ein Fehlverhalten eines Dritten – etwa eines Auftragsdatenverarbeiters – anführt. Ansonsten würde dies “die praktische Wirksamkeit des in Art. 82 Abs. 1 DSGVO verankerten Anspruchs auf Schadenersatz beeinträchtigen, was nicht im Einklang mit dem Ziel dieser Verordnung stünde, ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten.”
Mit dem jetzigen Urteil hat der EuGH weitere Klarstellungen zu Auslegungsfragen gemacht, die lange vor nationalen Gerichten umstritten waren. Die DSGVO-Auslegungen des EuGH binden die nationalen Gerichte unmittelbar.
In einem anderen Verfahren hat der Generalanwalt beim EuGH, Priit Pikamäe, Donnerstag seinen Schlussantrag vorgelegt: Datenschutzaufsichtsbehörden seien zum Einschreiten verpflichtet, so Pikamäe, wenn sie im Rahmen einer Beschwerde eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten feststellten. Sie müssten Abhilfemaßnahmen prüfen und ergreifen, die geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind.
Konkret geht es bei diesem Verfahren um das Verhalten des Hessischen Datenschutzbeauftragten bei einer Beschwerde über unzulässigen Datenabruf bei einer Sparkasse. Ein Urteil dazu wird bis zum Sommer erwartet. fst
Der als prorussisch geltende slowakische Premierminister Robert Fico will die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Ukraine in den Bereichen Energie, Eisenbahnverbindungen sowie bei Getreidetransporten vertiefen. Nach einem gemeinsamen Treffen der slowakischen und der ukrainischen Regierung sagte Fico, die Slowakei wolle ein “guter, freundlicher” Nachbar der Ukraine sein.
Fico bekräftigte am Donnerstag, dass die Slowakei trotz der Einstellung der staatlichen Militärhilfe weiterhin kommerzielle Geschäfte für militärische Lieferungen zulassen werde. Er sagte, die Länder hätten sich darauf geeinigt, dass eine alte Breitspur-Güterzugverbindung von der zweitgrößten slowakischen Stadt Košice aus den Personenverkehr nach Kiew aufnehmen soll.
Außerdem werden sie in den kommenden Jahren den wichtigsten Straßengrenzübergang modernisieren und die grenzüberschreitenden Stromübertragungsnetze ausbauen.
Fico sagte, die Slowakei werde weiterhin einen Korridor für den Export ukrainischer Agrarprodukte zur Verfügung stellen. Der zum Treffen gereiste ukrainischen Ministerpräsident Denys Schmyhal erklärte, man habe sich zudem darauf geeinigt, an der Aufhebung von Beschränkungen für ukrainische Produkte zu arbeiten, die die Slowakei und andere EU-Länder zum Schutz der heimischen Märkte eingeführt haben.
“Die Ukraine braucht Hilfe, und die Ukraine braucht Solidarität“, sagte Fico nach dem Treffen mit Schmyhal in der Ostslowakei.
Fico hat seit seinem Amtsantritt im vergangenen Oktober einen Wandel in der slowakischen Außenpolitik eingeleitet, indem er die staatliche Militärhilfe für Kiew einstellte und die Kommunikationskanäle mit Moskau öffnete, obwohl die EU versucht, die russische Regierung zu isolieren. Dennoch war Fico bestrebt, die Geschäftsbeziehungen zu Kiew aufrechtzuerhalten und auch weiterhin kommerzielle Waffengeschäfte zuzulassen. rtr/lei
Das Freihandelsabkommen CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada ist ein “Win-Win-Abkommen” für beide Seiten und habe sich bisher als besonders vorteilhaft für französische Landwirte erwiesen. Das sagte der französische Premierminister Gabriel Attal am Donnerstag während eines offiziellen Besuchs in Ottawa.
“CETA ist ein Abkommen, von dem beide Seiten profitieren”, sagte Attal auf einer Pressekonferenz mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau. Er fügte hinzu, dass das auf EU-Ebene ausgehandelte Abkommen trotz anhaltender politischer Meinungsverschiedenheiten in Frankreich weiterhin gelte.
Das Abkommen erlitt letzten Monat einen Rückschlag, als eine große Mehrheit der französischen Senatoren in einer Abstimmung gegen die Ratifizierung des Freihandelsabkommens stimmte. Zuvor hatten Landwirte in wochenlangen Protesten die liberale EU-Handelspolitik kritisiert. rtr
Der Frühling ist da, der Winter vorbei. Europa hat auch den zweiten Winter seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ohne Energieengpässe, Stromausfälle, kalte Wohnungen oder Unterbrechungen der Gasversorgung überstanden. Ganz im Gegenteil, der Ausgang des Winters markiert für Europa und seinen Energiesektor einen echten Meilenstein: Die EU-Gasspeicher sind am Ende der Heizperiode zu fast 60 Prozent gefüllt, ein Rekordwert.
Das machte keine großen Schlagzeilen, ist aber wichtig. Denn es zeigt, dass sich Europa und sein Energiesektor endgültig aus dem Griff Russlands befreit haben. Europa hat sein Energie-Schicksal wieder in eigener Hand.
Wie haben wir das erreicht? Erinnern Sie sich an das Jahr 2021, lange bevor Russland in die Ukraine einmarschierte? Damals hatte Russland die Gasvorräte nicht so weit aufgefüllt wie sonst üblich. In der Rückschau ist das ein klarer Versuch Russlands, unsere Gasabhängigkeit auszunutzen und seinen Hebel gegen uns zu vergrößern.
Dann kam die Invasion in der Ukraine. Und Präsident Putin hat sich angesichts der europäischen Solidarität prompt entschieden, dieses Mittel gegen uns, gegen Europa, einzusetzen, indem er die Gaslieferungen drosselte und hohe Brennstoffpreise als Waffe benutzte.
Wir alle haben die Folgen von Putins Entscheidungen zu spüren bekommen. Die Europäer kämpfen mit dem dadurch verursachten Druck auf die Lebenshaltungskosten. Die schwankenden Gasvorräte wurden zu einem Barometer für unsere Verwundbarkeit, für unsere Energieunsicherheit.
Aber dieses Barometer ist jetzt stabil und weist in die richtige Richtung. Unsere Entscheidungen waren goldrichtig. Europa hat echte Fortschritte dabei gemacht, die Widerstandsfähigkeit seines Energiesystems zu stärken. Die Gaspreise sind drastisch gesunken. Seit Anfang dieses Jahres liegen sie konstant unter 30 Euro pro Megawattstunde.
Wie ist das gelungen? Europa hat schnell und geschlossen gehandelt. Wir haben die Stärken unseres Binnenmarktes eingesetzt. Wir konnten auf die Hilfe unserer Freunde zählen, die uns mit alternativen Lieferungen versorgten. Inzwischen ist Norwegen, ein verlässlicher Partner, der Hauptlieferant von Erdgas in der EU.
Aber am wichtigsten ist, dass wir eine strukturelle Antwort auf diese Krise gefunden haben, indem wir massiv in erneuerbare Energien investiert und die Energieeffizienz gesteigert haben. Die Ergebnisse sprechen für sich. Noch vor zwei Jahren – und das sind Zahlen der Internationalen Energieagentur – stammte jede fünfte in der Europäischen Union verbrauchte Energieeinheit aus russischen fossilen Brennstoffen. Heute ist es eine von zwanzig. Wir erzeugen in der Europäischen Union insgesamt mehr Energie aus erneuerbaren Energien, als aus Russland geliefert wird. Letztes Jahr, im Jahr 2023, haben wir zum ersten Mal überhaupt mehr Strom aus Windkraft als aus Gas erzeugt.
Europa senkt seinen Verbrauch im Einklang mit unseren Klimazielen. Das bedeutet aber nicht, dass wir die Gasmärkte nicht mehr im Blick haben müssen. Denn wir stehen jetzt vor ganz anderen Fragen und Herausforderungen. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wird eine große Welle neuer LNG-Exportprojekte auf den Weltmarkt kommen, vor allem aus den Vereinigten Staaten und aus Katar. Diese Projekte werden das weltweite Angebot an LNG um 50 Prozent erhöhen. Dies hat zur Folge, dass wir an der Schwelle einer Welt der Gasknappheit in eine Welt des Gasüberflusses übergehen stehen. Dies könnte zu deutlich niedrigeren Gaspreisen führen.
Gleichzeitig ist der Anteil der Gaseinfuhren aus Russland von 45 Prozent vor dem Krieg in der Ukraine auf 15 Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Die Zeiten, in denen Europa von Russland abhängig war, sind vorbei. Mit den Kürzungen der russischen Pipeline-Lieferungen ist LNG nun effektiv zu Europas Hauptversorgungsquelle für Gas geworden. Es wird noch einige Zeit für unsere Energiepreise und unsere Energiesicherheit wichtig bleiben, während wir gleichzeitig eine neue Wirtschaft mit sauberer Energie aufbauen.
Aber wir haben auch das große Ganze im Blick. Wir befinden uns in einer Klimakrise. In der Wirtschaft der Zukunft müssen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen. Erschwingliche Preise für Energie sind ein Schlüsselfaktor. Doch günstigeres Gas entbindet Europa und andere große Volkswirtschaften nicht von der Verantwortung, so schnell wie möglich selbst Netto-Null-Emissionen zu erreichen und anderen Ländern dabei zu helfen, es ihnen gleichzutun. Um dies zu erreichen, müssen wir alle Emissionsquellen beseitigen, auch die Gasemissionen.
Das bedeutet, dass wir darauf drängen müssen, dass die Methanemissionen des Gases, das wir weiterhin verwenden, egal ob es hier produziert oder importiert wird, nahezu Null betragen. Es bedeutet, dass wir den Anteil an erneuerbaren Energien, erneuerbaren Gasen, Energieeffizienz, sauberem Wasserstoff und anderen sauberen Energietechnologien drastisch erhöhen müssen.
Es bedeutet auch, Hand in Hand mit der Industrie zu arbeiten und sie dabei zu unterstützen, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die für eine dekarbonisierte Wirtschaft geeignet sind. Das war der Zweck der Clean Transition Dialogues, die die Kommission zwischen November und vergangener Woche organisiert hat.
Mit anderen Worten: Europa ist zwar gestärkt aus den vergangenen Wintern hervorgegangen, doch wir bleiben weiter auf dauerhafte Lösungen für unsere Energiedilemmata fokussiert.
Ursula von der Leyen ist Präsidentin der Europäischen Kommission. Fatih Birol ist Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur.
Die englische Fassung des Beitrages finden Sie hier.
am Montag und Dienstag kommen die EU-Energieminister zu einem informellen Treffen in Brüssel zusammen. Im Vorfeld melden sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol, zu Wort: Der EU sei es gelungen, sich endgültig aus der Gas-Abhängigkeit von Russland zu befreien, schreiben sie in einem Beitrag für Table.Briefings: “Europa hat sein Energie-Schicksal wieder in eigener Hand.”
Von der Leyen und Birol erwarten, dass die Gaspreise weiter sinken. Die Speicher seien am Ende der Heizperiode noch zu fast 60 Prozent gefüllt, ein Rekordwert. Zudem werde das LNG-Angebot in den nächsten Jahren um rund 50 Prozent steigen, dank neuer Exportkapazitäten vor allem in den USA und Katar. “Dies hat zur Folge, dass wir an der Schwelle einer Welt der Gasknappheit in eine Welt des Gasüberflusses stehen“, schreiben die Kommissionspräsidentin und IEA-Chef. “Dies könnte zu deutlich niedrigeren Gaspreisen führen.”
Verstehen kann man ihren Beitrag auch als Mahnung an die Energieminister. Europa sei aus der Gaskrise gekommen, weil man gemeinsam gehandelt und die Stärken des Binnenmarktes genutzt habe, so von der Leyen und Birol.
Dass diese Solidarität nicht selbstverständlich ist, daran erinnert auch ein bemerkenswerter Satz aus dem Diskussionspapier, das die belgische Ratspräsidentschaft vorab an die Minister verschickt hat: Milliardeninvestitionen in grenzüberschreitende Stromleitungen setzten Vertrauen in den freien Fluss von Energie über Grenzen voraus, schreiben die Belgier. Themen für die Energiepolitik werden also nicht nur die Kostenteilung für diese Milliardenausgaben, sondern auch die Teilhabe aller Stromkunden an den günstigsten Erzeugungsmöglichkeiten innerhalb der EU.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Wochenausklang.
Die Kapitalmarktunion soll die europäische Wirtschaft dynamisieren, hoffen die Regierungen der großen EU-Volkswirtschaften. Ein Punkt, der in den vergangenen Wochen im Katalog der möglichen Maßnahmen an Beachtung gewonnen hat, ist die Zentralisierung der Kapitalmarktaufsicht.
Im Februar dieses Jahres verlangte Bruno Le Maire Fortschritte bei der Kapitalmarktaufsicht, und dass im Notfall auch eine Koalition der Willigen ohne Gesamt-EU vorangehen solle. Im März dann forderte die EZB in einer scharf formulierten Kommunikation eine stärkere Integration der Marktaufsicht.
Nicolas Véron, Senior Fellow beim Brüsseler Thinktank Bruegel sowie beim Peterson Institute in Washington DC, hält die Zentralisierung der Marktaufsicht für deinen sinnvollen Schritt. Im Gegensatz zu anderen Forderungen, wie zum Beispiel der Harmonisierung des Steuerrechts, sei dieser auch politisch machbar.
Obwohl die Finanzmarktregulierungen in Theorie EU-weit die gleichen seien, sei das in der Praxis nicht der Fall, weil nationale Behörden die Regeln unterschiedlich auslegen. “Die Flaschenhälse finden sich heute in der Interpretation der Regeln, nicht in den Regeln selbst”, sagt Véron. So gäbe es zwar beispielsweise einheitliche Buchhaltungsstandards, doch da diese von den nationalen Behörden unterschiedlich durchgesetzt würden, bleibe der Markt faktisch fragmentiert.
Die Zentralisierung der Marktaufsicht ist für Véron kein Wundermittel. Stattdessen sieht er diese strukturelle Anpassung als Katalysator, der den Rest der Kapitalmarktunionsagenda vorantreiben könnte. Ein starker zentraler Akteur hätte ein Interesse daran, die verbleibenden Markthürden zu identifizieren und zu beseitigen. Er sieht auch die Erfahrungen aus dem Bankensektor, in dem der EZB nach der Finanzkrise die Oberaufsicht aufgetragen wurde, als positives Beispiel.
Die EU-Kommission hatte schon 2017 versucht, die Marktaufsicht zu zentralisieren, war aber am nationalen Widerstand gescheitert. Auch als die EU-Finanzminister im März dieses Jahres ihren Forderungskatalog zur Kapitalmarktunion finalisierten, blieb der Punkt zur Marktaufsicht vage. Die Finanzminister aus Frankreich, der Niederlande und Italien warben vergeblich für die zentralisierte Aufsicht.
Deshalb reagieren nun viele Beobachter überrascht, dass die Regierungschefs, die sich in der nächsten Woche über dieses Thema unterhalten werden, schneller voranzugehen scheinen. Im Entwurf der Schlussfolgerungen steht, dass die Marktaufsicht verbessert werden solle, “zum Beispiel, indem den Europäischen Überwachungsbehörden erlaubt wird, die systemisch relevantesten grenzüberschreitenden Kapital- und Finanzmarktakteure zu überwachen“.
Es sind vor allem Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron, die das Thema vorantreiben. Sie wollen die Kapitalmärkte besser miteinander verknüpfen, um die lahmenden privaten Investitionen in Fahrt zu bringen. Das Kanzleramt steht auch hinter dem ehrgeizigen Zeitplan, bereits bis zum Gipfel im Juni Ergebnisse zu erzielen und dann weitere Schritte zur Vertiefung der Kapitalmarktunion zu besprechen. Neben den Aufsichtsstrukturen geht es bei den Verhandlungen zwischen Paris und Berlin auch um den Verbriefungsmarkt und ein Europäisches Sparprodukt.
Im Bundesfinanzministerium fürchtet man jedoch, dass die Regierungschefs speziell bei der zentralisierten Aufsicht zu schnell voranpreschen. Am Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg am Donnerstag sagte Christian Lindner, es solle um Kooperation gehen, nicht um Zentralisierung: “Denn die regionalen Strukturen sind sehr unterschiedlich und deshalb muss es auch eine differenzierte Betrachtung geben. Gerade bei den kleineren Akteuren darf es nicht zu höheren Kosten und mehr bürokratischen Belastungen, erst recht nicht zu Doppelstrukturen kommen.”
Véron warnt ebenfalls, dass eine zentralisierte Marktaufsicht aufpassen müsse, das lokale Markt-Knowhow nicht zu verlieren. Er betont aber, dass es auch Firmen gebe, die von einer speziellen Beziehung zu “ihrer” nationalen Aufsicht profitieren. Diese Bedenken werden teilweise auch in der Finanzindustrie geteilt.
Für Véron ist aber auch klar, dass die ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) ohnehin neu erfunden werden müsse, wenn sie eine wichtigere Rolle einnehmen solle. So müssten seiner Meinung nach zum Beispiel die Entscheidungsgremien kleiner und politisch unabhängig werden.
Ein EU-Beamter betonte gegenüber Table.Briefings, dass der Aufbau einer zentralisierten Marktaufsicht nicht über Nacht geschehen könne, sondern viel Zeit, Personal und Geld benötige.
Um das Problem für die kleineren Marktakteure anzugehen, meint der EU-Beamte, dass auch ein Opt-in Modell denkbar sei. In diesem könnten große grenzüberschreitende Kapitalmarkteure sich freiwillig für eine europäische statt einer nationalen Aufsicht entscheiden. Kleine Akteure wären davon nicht betroffen.
Dennoch: Im Bundesfinanzministerium sieht man eine einheitliche Aufsicht in Europa nicht als zentrale Stellschraube. Aus Sicht der Regierungsexperten hinkt auch der oft vorgebrachte Vergleich zu den Banken. Vermögensverwalter können bereits mit einer Lizenz ihres Heimatlandes in anderen Mitgliedstaaten etwa Fonds auflegen, ohne eine eigene Niederlassung gründen zu müssen, über das sogenannte Passporting. Sie unterliegen damit weiter nur der heimischen Aufsicht. Eine europaweite Aufsicht bringe daher wenig Effizienzgewinne, so das Argument.
Ob Lindners Finanzministerium mit diesen Argumenten noch vor dem Gipfel bis zum Kanzleramt durchdringt, wird sich in der kommenden Woche zeigen. Kanzler Scholz argumentiert intern für ambitionierte Reformen. Um einen Kompromiss mit Frankreich zu ermöglichen, könnte die Bundesregierung daher womöglich auch eine Europäisierung der Aufsicht akzeptieren. Wie ein EU-Diplomat gegenüber Table.Briefings bestätigte, zeigt sich die deutsche Regierung mit der aktuellen, ambitionierten Formulierung in den Gipfelschlussfolgerungen bisher zufrieden.
Seit 2021 sitzen in der EVP-Fraktion im Europaparlament keine ungarischen Abgeordneten mehr. Bei den anstehenden Europawahlen wollen das ungarische Oppositionsparteien ändern. “Ich habe die begründete Erwartung, dass die EVP uns aufnehmen würde“, sagte Péter Róna, Spitzenkandidat von Jobbik Table.Briefings. Róna, der lange den Grünen nahe stand und sich in Ungarn einen Namen als liberaler Ökonom gemacht hat, tritt mit 81 Jahren bei der Europawahl an. Auch bei Péter Magyar, dem neuen Star der ungarischen Politik, wird in Budapest erwartet, dass er sich nach einem Wahlerfolg der EVP anschließen würde.
Magyar, der in Ungarn aktuell Massenproteste gegen die Orbán-Regierung anführt, hat sich dazu allerdings noch nicht geäußert. “Er ist damit beschäftigt, die Dynamik der Protestbewegung aufrecht zu halten“, beobachtet Zsuzsanna Szelényi, Gründungsdirektorin des Democracy Institute Leadership Academy an der Central European University in Budapest. 2021 trat die Fideszpartei aus der EVP-Fraktion aus – und kam damit einem Ausschluss zuvor. Seither zählt die EVP-Fraktion keine ungarischen Mitglieder.
Das Ziel der ungarischen Opposition bei der anstehenden Europawahl: Diese zu einem Referendum zu Orbán zu machen, der mittlerweile seit 14 Jahren regiert. Anders als bei nationalen oder kommunalen Wahlen gilt bei der Europawahl das Verhältniswahlrecht. Das Ergebnis dürfte also sehr viel besser die Stimmung im Land widerspiegeln als die Urnengänge nach Mehrheitswahlrecht, wie sie sonst in Ungarn üblich sind. Zu überwinden gibt es nur eine Fünf-Prozent-Klausel.
Die große Frage bei der Europawahl wird sein, ob der Anwalt Magyar die weitverbreitete Unzufriedenheit mit Orbán und seinem autoritären Regime in Stimmen ummünzen kann. Ebenfalls wichtig: Wird Magyar Stimmen aus dem Orbán-Lager oder der Opposition abziehen?
Bis vor Kurzem zählte Magyar noch zu den Nutznießern des Systems – mit einem lukrativen Job bei einer staatlichen Einrichtung. Von 2011 bis 2015 arbeitete er in der Ständigen Vertretung Ungarns in Brüssel. Dort fiel er damals dadurch auf, dass er Positionen von Fidesz sehr entschlossen durchsetzte. Nun führt er Massendemonstrationen mit zehntausenden Teilnehmenden gegen seine früheren Wegbegleiter an.
Eine eigene Partei hat Magyar nicht rechtzeitig gründen können. Er will mit einer Partei namens Tisza antreten, die ein Jahr vor der Parlamentswahl in der Stadt Eger gegründet worden war. Aktuell interviewt er Kandidaten, um eine Liste aufzustellen. Ungarn stellt derzeit 22 Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Ein Parteiprogramm von Tisza gibt es noch nicht. “Wir können nur aus seinen Reden und Tweets ableiten, wofür er steht”, sagt die frühere Abgeordnete Szelényi, die 1994 aus Fidesz ausgetreten ist. Magyar möchte eine dritte politische Kraft als Alternative zu Fidesz und der Opposition bilden, bleibe inhaltlich aber vage. Die EU stelle er als zu stark zentralisiert und bürokratisch dar, das Orbán-Regime kritisiert er als korrupt.
Auch Opponent Róna von Jobbik kritisiert, dass Magyar bisher nicht offengelegt hat, wo er ideologisch steht. Der Ökonom wirbt dafür, dass EU-Gelder künftig direkt in ungarische Gemeinden fließen, statt über die Zentralregierung. Die EU solle die Verteilung direkt überwachen. Jobbik war eine rechtsextreme Kraft, rückte aber schon vor Jahren in die Mitte des politischen Spektrums, was 2022 zur Abspaltung des rechten Flügels unter dem Namen Mi Hazánk Mozgalom führte.
Wie ernst Fidesz den Herausforderer Magyar nimmt, zeigt sich schon daran, dass sein Konterfei auf einem denunziatorischen Plakat aufgenommen wurde, in dem die Regierungspartei oppositionelle Politiker als Empfänger von Mitteln aus den USA darstellt. Ein Redner, der auf der Kundgebung in Budapest am vergangenen Samstag auftrat, verlor seine Beschäftigung bei einem öffentlichen Unternehmen.
Der Ausgang der Europawahl wird allerdings nichts daran ändern, dass Orbán mit einer Zweidrittelmehrheit im heimischen Parlament quasi durchregieren kann. 25 Mal hat er in seiner Amtszeit das Wahlrecht ändern lassen. Silke Wettach
Alle Texte zur Europawahl 2024 finden Sie hier.
15.04.-16.04.2024
Informelle Ministertagung Energie
Themen: Aussprache zur Planung, Finanzierung und rechtzeitige Lieferung einer stärker integrierten Energieinfrastruktur, Prioritäten des belgischen Ratsvorsitzes, Aussprache zur Stärkung der Energieinfrastruktur und zur Resilienz kritischer Energieinfrastrukturen. Infos
15.04.-16.04.2024
Konferenz Hochrangige Konferenz: Europäische Säule der sozialen Rechte
Themen: Verabschiedung einer interinstitutionelle Erklärung (La Hulpe Declaration) zur Sozialagenda für den Zeitraum 2024-2029. Infos
15.04.2024 – 15:00-18:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI)
Themen: Gedankenaustausche mit der Kommission zur Lage auf den Agrarmärkten, zur Umsetzung der EU-Vorschriften zur Entalkoholisierung von Weinen, zur Situation des ökologischen Landbaus in Europa. Vorläufige Tagesordnung
16.04.2024 – 16:00-17:00 Uhr
Sitzung des Auswärtigen Ausschusses (AFET)
Themen: Gedankenaustausch mit Milojko Spajić (Premierminister von Montenegro). Vorläufige Tagesordnung
17.04.-18.04.2024
Außerordentliche Tagung des Europäischen Rates
Themen: Die Staats- und Regierungschefs kommen zu Beratungen zusammen. Infos
17.04.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Die Kommissare kommen zu Beratungen zusammen. Vorläufige Tagesordnung
18.04.-19.04.2024
Informelle Ministertagung Verbraucherschutz
Themen: Aussprachen zur Einführung in das belgische System zur Bereitstellung von Informationen beim Kauf von Gebrauchtwagen, zum nachhaltigen Onlinehandel, zu den Auswirkungen des Einsatzes künstlicher Intelligenz (KI), zur Zugänglichkeit von Finanzdienstleistungen, zum Influencer-Marketing und zur Wirksamkeit des Kooperationsnetzwerks im Verbraucherschutz. Infos
Mit 382 Ja- zu 144 Nein-Stimmen rügt das Parlament die Berufung von Markus Pieper (CDU) zum KMU-Beauftragten der Kommission. Abgeordnete von ganz links über Grüne, Sozialisten und Liberale bis hin zu den Rechtsradikalen von ID schlossen sich dem Antrag an, der im Rahmen der Haushaltsentlastung der Kommission für das Jahr 2022 abgestimmt wurde. Die EVP hielt zu Pieper und stimmte gegen die Rüge.
Die EVP kritisiert, dass der Antrag vom Parlamentspräsidium überhaupt zugelassen wurde: Sie argumentieren, da Ausschreibung und der größte Teil des Auswahlverfahrens 2023 stattfanden, hätte der Antrag eigentlich erst bei der Entlastung der Kommission im nächsten Jahr abgestimmt werden können.
Der Antrag fordert die Kommission auf, die Situation zu bereinigen, indem die Berufung rückgängig gemacht und ein “wahrhaft transparenter und offener Prozess für die Auswahl des KMU-Beauftragten gestartet wird”. Rechtliche Folgen hat die Rüge nicht. Die Antwort der Kommission auf Fragen einer Gruppe von Parlamentariern in der Sache steht unterdessen noch immer aus.
Pieper tritt seinen Posten als KMU-Beauftrager am 16. April an. mgr
Das EU-Parlament hat am Donnerstag neuen Regeln für die europäischen Strom-, Gas- und Wasserstoffmärkte zugestimmt. Die Novelle der Gasmarkt-Richtlinie legt unter anderem fest, dass Gaskunden ihre Anschlüsse gekündigt werden dürfen, um damit das Ziel der Klimaneutralität zu erfüllen. Das Gaspaket schafft außerdem die Grundlagen für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur.
Das Plenum stimmte auch für die Strommarktreform, mit der zum Beispiel die Erlöse von neu gebauten Erneuerbare-Energien-Anlagen begrenzt werden. Sowohl das Gas- als auch das Strommarktpaket müssen nun noch vom Rat formal angenommen werden. ber
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will nach der Einigung zum EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) die Verhandlungen über ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten (“UN-Treaty”) weiter vorantreiben, das unternehmerische Sorgfaltspflichten auch auf globaler Ebene etablieren soll. Das sagte er bei einer Veranstaltung zum Thema Rohstofflieferketten in Berlin.
“Als Europäische Union müssen wir uns mit Nachdruck an den Verhandlungen im UN Treaty-Prozess beteiligen”, betonte er. “Mit dem europäischen Recht haben wir nun die Möglichkeit, unsere Expertise einzubringen, um auch international für ein Level Playing Field zu kämpfen.”
Im UN-Menschenrechtsrat wurde 2014 eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen für den Schutz der Menschenrechte bei Unternehmenstätigkeiten ausarbeiten soll. Seitdem haben neun Treffen der Arbeitsgruppe stattgefunden; die zehnte Sitzung ist für den 21. bis 25. Oktober geplant.
Bei einem gemeinsamen Statement mit Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze betonte Heil, die EU-Lieferkettenrichtlinie sei “ein Meilenstein” im Kampf für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Millionen Menschen in den Lieferketten. Nach der formalen Zustimmung des EU-Parlaments, die für Ende April geplant ist, muss die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.
Auch Schulze erklärte, sie setze sich dafür ein, dass die Richtlinie vom EU-Parlament angenommen und zügig umgesetzt werde. Sie reagierte auch auf die Forderung von FDP und BDI, das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zu entschärfen: “Gerade für deutsche Unternehmen ist es gut, wenn sie schon jetzt hohe Standards an Sorgfaltspflichten einhalten”, erklärte sie. “Damit haben sie einen echten Vorteil gegenüber europäischen Mitbewerbern, sobald die EU-Richtlinie in Kraft tritt. Und sie investieren schon heute in das Geschäftsmodell von morgen.” leo
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem weiteren Urteil zum Schadenersatzrecht in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für rechtliche Klarheit gesorgt. In seinem Donnerstag veröffentlichten Urteil kommen die Richter zum Schluss, dass das Schadenersatzrecht, wie in Artikel 82 DSGVO angelegt, keinen allgemeinen Anspruch auf Immaterialschadenersatz begründet.
Bereits vor einigen Monaten hatte der EuGH für Recht erkannt, dass Schadenersatz nur bei Vorliegen eines Schadens möglich sei. Die Richter bekräftigten nun in einem weiteren Vorlageverfahren, dass das unabhängig von dessen konkreter Höhe gelte. Eine Bagatellgrenze gibt es somit nicht.
Der “Verlust der Kontrolle” sei dabei zwar ein erlittener Schaden im Sinne des Gesetzes. Sofern dieser aber keine Auswirkungen gehabt habe, sei auch kein Ersatz angemessen. Im konkreten Fall ging es um eine widerrechtliche Datennutzung für Direktwerbung – trotz erfolgter Widersprüche. Nicht möglich sei, so die Richter, die Bemessung des Schadenersatzes analog der Vorgaben des Artikels 83. Dieser regelt den Bußgeldrahmen für Strafen durch Aufsichtsbehörden.
Geklagt hatte ein Empfänger von Werbung, der dieser ausdrücklich widersprochen hatte. Das Ganze war Vorlageverfahren, sprich: der EuGH hat damit Fragen eines Gerichts beantwortet.
Ebenfalls stellte der EuGH klar, dass ein für die Datenverarbeitung Verantwortlicher sich nicht dadurch seiner Haftung entledigen kann, dass er ein Fehlverhalten eines Dritten – etwa eines Auftragsdatenverarbeiters – anführt. Ansonsten würde dies “die praktische Wirksamkeit des in Art. 82 Abs. 1 DSGVO verankerten Anspruchs auf Schadenersatz beeinträchtigen, was nicht im Einklang mit dem Ziel dieser Verordnung stünde, ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten.”
Mit dem jetzigen Urteil hat der EuGH weitere Klarstellungen zu Auslegungsfragen gemacht, die lange vor nationalen Gerichten umstritten waren. Die DSGVO-Auslegungen des EuGH binden die nationalen Gerichte unmittelbar.
In einem anderen Verfahren hat der Generalanwalt beim EuGH, Priit Pikamäe, Donnerstag seinen Schlussantrag vorgelegt: Datenschutzaufsichtsbehörden seien zum Einschreiten verpflichtet, so Pikamäe, wenn sie im Rahmen einer Beschwerde eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten feststellten. Sie müssten Abhilfemaßnahmen prüfen und ergreifen, die geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind.
Konkret geht es bei diesem Verfahren um das Verhalten des Hessischen Datenschutzbeauftragten bei einer Beschwerde über unzulässigen Datenabruf bei einer Sparkasse. Ein Urteil dazu wird bis zum Sommer erwartet. fst
Der als prorussisch geltende slowakische Premierminister Robert Fico will die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Ukraine in den Bereichen Energie, Eisenbahnverbindungen sowie bei Getreidetransporten vertiefen. Nach einem gemeinsamen Treffen der slowakischen und der ukrainischen Regierung sagte Fico, die Slowakei wolle ein “guter, freundlicher” Nachbar der Ukraine sein.
Fico bekräftigte am Donnerstag, dass die Slowakei trotz der Einstellung der staatlichen Militärhilfe weiterhin kommerzielle Geschäfte für militärische Lieferungen zulassen werde. Er sagte, die Länder hätten sich darauf geeinigt, dass eine alte Breitspur-Güterzugverbindung von der zweitgrößten slowakischen Stadt Košice aus den Personenverkehr nach Kiew aufnehmen soll.
Außerdem werden sie in den kommenden Jahren den wichtigsten Straßengrenzübergang modernisieren und die grenzüberschreitenden Stromübertragungsnetze ausbauen.
Fico sagte, die Slowakei werde weiterhin einen Korridor für den Export ukrainischer Agrarprodukte zur Verfügung stellen. Der zum Treffen gereiste ukrainischen Ministerpräsident Denys Schmyhal erklärte, man habe sich zudem darauf geeinigt, an der Aufhebung von Beschränkungen für ukrainische Produkte zu arbeiten, die die Slowakei und andere EU-Länder zum Schutz der heimischen Märkte eingeführt haben.
“Die Ukraine braucht Hilfe, und die Ukraine braucht Solidarität“, sagte Fico nach dem Treffen mit Schmyhal in der Ostslowakei.
Fico hat seit seinem Amtsantritt im vergangenen Oktober einen Wandel in der slowakischen Außenpolitik eingeleitet, indem er die staatliche Militärhilfe für Kiew einstellte und die Kommunikationskanäle mit Moskau öffnete, obwohl die EU versucht, die russische Regierung zu isolieren. Dennoch war Fico bestrebt, die Geschäftsbeziehungen zu Kiew aufrechtzuerhalten und auch weiterhin kommerzielle Waffengeschäfte zuzulassen. rtr/lei
Das Freihandelsabkommen CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada ist ein “Win-Win-Abkommen” für beide Seiten und habe sich bisher als besonders vorteilhaft für französische Landwirte erwiesen. Das sagte der französische Premierminister Gabriel Attal am Donnerstag während eines offiziellen Besuchs in Ottawa.
“CETA ist ein Abkommen, von dem beide Seiten profitieren”, sagte Attal auf einer Pressekonferenz mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau. Er fügte hinzu, dass das auf EU-Ebene ausgehandelte Abkommen trotz anhaltender politischer Meinungsverschiedenheiten in Frankreich weiterhin gelte.
Das Abkommen erlitt letzten Monat einen Rückschlag, als eine große Mehrheit der französischen Senatoren in einer Abstimmung gegen die Ratifizierung des Freihandelsabkommens stimmte. Zuvor hatten Landwirte in wochenlangen Protesten die liberale EU-Handelspolitik kritisiert. rtr
Der Frühling ist da, der Winter vorbei. Europa hat auch den zweiten Winter seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ohne Energieengpässe, Stromausfälle, kalte Wohnungen oder Unterbrechungen der Gasversorgung überstanden. Ganz im Gegenteil, der Ausgang des Winters markiert für Europa und seinen Energiesektor einen echten Meilenstein: Die EU-Gasspeicher sind am Ende der Heizperiode zu fast 60 Prozent gefüllt, ein Rekordwert.
Das machte keine großen Schlagzeilen, ist aber wichtig. Denn es zeigt, dass sich Europa und sein Energiesektor endgültig aus dem Griff Russlands befreit haben. Europa hat sein Energie-Schicksal wieder in eigener Hand.
Wie haben wir das erreicht? Erinnern Sie sich an das Jahr 2021, lange bevor Russland in die Ukraine einmarschierte? Damals hatte Russland die Gasvorräte nicht so weit aufgefüllt wie sonst üblich. In der Rückschau ist das ein klarer Versuch Russlands, unsere Gasabhängigkeit auszunutzen und seinen Hebel gegen uns zu vergrößern.
Dann kam die Invasion in der Ukraine. Und Präsident Putin hat sich angesichts der europäischen Solidarität prompt entschieden, dieses Mittel gegen uns, gegen Europa, einzusetzen, indem er die Gaslieferungen drosselte und hohe Brennstoffpreise als Waffe benutzte.
Wir alle haben die Folgen von Putins Entscheidungen zu spüren bekommen. Die Europäer kämpfen mit dem dadurch verursachten Druck auf die Lebenshaltungskosten. Die schwankenden Gasvorräte wurden zu einem Barometer für unsere Verwundbarkeit, für unsere Energieunsicherheit.
Aber dieses Barometer ist jetzt stabil und weist in die richtige Richtung. Unsere Entscheidungen waren goldrichtig. Europa hat echte Fortschritte dabei gemacht, die Widerstandsfähigkeit seines Energiesystems zu stärken. Die Gaspreise sind drastisch gesunken. Seit Anfang dieses Jahres liegen sie konstant unter 30 Euro pro Megawattstunde.
Wie ist das gelungen? Europa hat schnell und geschlossen gehandelt. Wir haben die Stärken unseres Binnenmarktes eingesetzt. Wir konnten auf die Hilfe unserer Freunde zählen, die uns mit alternativen Lieferungen versorgten. Inzwischen ist Norwegen, ein verlässlicher Partner, der Hauptlieferant von Erdgas in der EU.
Aber am wichtigsten ist, dass wir eine strukturelle Antwort auf diese Krise gefunden haben, indem wir massiv in erneuerbare Energien investiert und die Energieeffizienz gesteigert haben. Die Ergebnisse sprechen für sich. Noch vor zwei Jahren – und das sind Zahlen der Internationalen Energieagentur – stammte jede fünfte in der Europäischen Union verbrauchte Energieeinheit aus russischen fossilen Brennstoffen. Heute ist es eine von zwanzig. Wir erzeugen in der Europäischen Union insgesamt mehr Energie aus erneuerbaren Energien, als aus Russland geliefert wird. Letztes Jahr, im Jahr 2023, haben wir zum ersten Mal überhaupt mehr Strom aus Windkraft als aus Gas erzeugt.
Europa senkt seinen Verbrauch im Einklang mit unseren Klimazielen. Das bedeutet aber nicht, dass wir die Gasmärkte nicht mehr im Blick haben müssen. Denn wir stehen jetzt vor ganz anderen Fragen und Herausforderungen. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wird eine große Welle neuer LNG-Exportprojekte auf den Weltmarkt kommen, vor allem aus den Vereinigten Staaten und aus Katar. Diese Projekte werden das weltweite Angebot an LNG um 50 Prozent erhöhen. Dies hat zur Folge, dass wir an der Schwelle einer Welt der Gasknappheit in eine Welt des Gasüberflusses übergehen stehen. Dies könnte zu deutlich niedrigeren Gaspreisen führen.
Gleichzeitig ist der Anteil der Gaseinfuhren aus Russland von 45 Prozent vor dem Krieg in der Ukraine auf 15 Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Die Zeiten, in denen Europa von Russland abhängig war, sind vorbei. Mit den Kürzungen der russischen Pipeline-Lieferungen ist LNG nun effektiv zu Europas Hauptversorgungsquelle für Gas geworden. Es wird noch einige Zeit für unsere Energiepreise und unsere Energiesicherheit wichtig bleiben, während wir gleichzeitig eine neue Wirtschaft mit sauberer Energie aufbauen.
Aber wir haben auch das große Ganze im Blick. Wir befinden uns in einer Klimakrise. In der Wirtschaft der Zukunft müssen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen. Erschwingliche Preise für Energie sind ein Schlüsselfaktor. Doch günstigeres Gas entbindet Europa und andere große Volkswirtschaften nicht von der Verantwortung, so schnell wie möglich selbst Netto-Null-Emissionen zu erreichen und anderen Ländern dabei zu helfen, es ihnen gleichzutun. Um dies zu erreichen, müssen wir alle Emissionsquellen beseitigen, auch die Gasemissionen.
Das bedeutet, dass wir darauf drängen müssen, dass die Methanemissionen des Gases, das wir weiterhin verwenden, egal ob es hier produziert oder importiert wird, nahezu Null betragen. Es bedeutet, dass wir den Anteil an erneuerbaren Energien, erneuerbaren Gasen, Energieeffizienz, sauberem Wasserstoff und anderen sauberen Energietechnologien drastisch erhöhen müssen.
Es bedeutet auch, Hand in Hand mit der Industrie zu arbeiten und sie dabei zu unterstützen, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die für eine dekarbonisierte Wirtschaft geeignet sind. Das war der Zweck der Clean Transition Dialogues, die die Kommission zwischen November und vergangener Woche organisiert hat.
Mit anderen Worten: Europa ist zwar gestärkt aus den vergangenen Wintern hervorgegangen, doch wir bleiben weiter auf dauerhafte Lösungen für unsere Energiedilemmata fokussiert.
Ursula von der Leyen ist Präsidentin der Europäischen Kommission. Fatih Birol ist Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur.
Die englische Fassung des Beitrages finden Sie hier.