heute ist der Tag, auf den viele in Europa seit Wochen warten – je nachdem, wen man fragt, mit Anspannung oder Vorfreude. Nachdem die Abstimmung Ende September verschoben wurde, werden die Mitgliedsstaaten heute über die Ausgleichszölle auf chinesische E-Autos entscheiden.
In Berlin wurde bis zum Schluss gerungen, ob man sich enthalten soll oder gegen die Zölle stimmt. Am Abend drang dann durch, dass Deutschland mit “Nein” stimmen wird. Auch Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock, die für eine Enthaltung plädiert hatten, sollen das Nein nach Informationen von Table.Briefings mittragen. Dennoch: Kanzler Scholz zog in einer Runde der Koalitionsspitzen offenbar sein schärfstes Schwert – und entschied am Ende qua Richtlinienkompetenz. Welche Gräben sich in Sachen Zölle zwischen Deutschland und Frankreich auftun, lesen Sie in unserer Analyse.
Außerdem: Die Fraktionschefs haben kurz vor den Anhörungen der Kommissare einige Ausschüsse herabgestuft in ihren Frage- und Mitspracherechten oder gleich ganz gestrichen. S&D und Grüne werfen EVP-Chef Manfred Weber nun vor, im Vorfeld Absprachen mit den beiden rechtsextremen Fraktionen getroffen zu haben. Mehr lesen Sie in unserer News.
Ich wünsche Ihnen einen guten Freitag!
Vor der Abstimmung zu den Zusatzzöllen auf chinesische Elektro-Fahrzeuge zeigte sich in Berlin der Zwist zwischen den beiden größten EU-Staaten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nutzte seinen Auftritt beim Berlin Global Dialogue diese Woche in der Hauptstadt, um für die von der EU geplanten Ausgleichszölle gegen chinesische E-Auto-Importe zu werben – doch die Bundesregierung kann sich nicht für diesen Kurs erwärmen.
Obwohl das von den Grünen geführte Wirtschaftsministerium mitgegangen wäre, hat Kanzler Olaf Scholz in finalen Gesprächen der Koalitionsspitzen von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und durchgesetzt, dass Deutschland bei der Abstimmung am Freitag mit “Nein” stimmen wird. Finanzminister Christian Lindner unterstützte das; Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock hatten zunächst für eine Enthaltung plädiert, tragen das “Nein” aber nach Informationen von Table.Briefings nun mit.
In der FDP hatte es zuvor geheißen, eine Enthaltung helfe niemandem. Man dürfe der Autoindustrie, einer Schlüsselindustrie im Land mit Millionen von Arbeitsplätzen, durch einen Handelskonflikt mit China nicht in den Rücken fallen. Die Zölle sollten daher klar abgelehnt werden. Ähnlich argumentiert der Kanzler.
Macron dagegen hatte in der Hochschule ESMT am Mittwoch für ein “level playing field” geworben und auf die 100-prozentigen Strafzölle der USA gegen China hingewiesen. Auch China habe ja mit Zöllen gegen Branntwein gedroht, sagte der Präsident und erinnerte an die Cognac-Nation Frankreich.
Grünen-Wirtschaftsminister Habeck betonte diese Woche, dass er Strafzölle ablehne und man eine politische Lösung mit China finden müsse. “Ich bin komplett gegen die Zölle”, hatte der Wirtschaftsminister beim Berlin Global Dialogue erklärt. Er bevorzuge eine Verhandlungslösung, etwa in Form von Mindestpreisen für chinesische E-Autos.
“Die Frage ist, auf welchem Weg können wir in dieser konkreten Situation eine politische Lösung finden?”, sagte Habeck. Zugleich mahnte er, dass die EU geschlossen gegenüber Peking auftreten müsse. Wohl auch deshalb lehnte Habeck ein Nein – wie von Lindner gefordert – zunächst ab.
Aller Voraussicht nach wird jedoch ein Nein aus Deutschland die Zölle nicht aufhalten können, weil genügend EU-Staaten am Freitag für die Strafzölle stimmen dürfte.
Die Autoindustrie ist für ein “Nein”. Mercedes-Chef Ola Källenius sagte am Mittwoch: “Wenn ich Deutschland wäre, würde ich mit Nein stimmen. Nicht, um unsere Verhandlungsposition zu schwächen, sondern um zu signalisieren, dass wir über eine faire Win-Win-Situation mit fairen Wettbewerbsbedingungen verhandeln wollen.” Die Zölle gefährdeten auch das Geschäft von Mercedes, Fahrzeuge in China zu produzieren und nach Europa zu exportieren. Der Verband der Autoindustrie warnt davor, dass die Zusatzzölle die Wettbewerbsfähigkeit der ohnehin kriselnden europäischen Autoindustrie gefährden könnten.
“Ein Votum der EU-Staaten, ab Ende Oktober hohe zusätzliche Zölle auf E-Pkw aus China zu erheben, wäre ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. “Durch diese Maßnahme wächst das Risiko eines globalen Handelskonfliktes weiter an.” Müller forderte, dass die Bundesregierung klar Stellung gegen die Strafzölle beziehen müsse. Eine Enthaltung sei keine Option.
“Niemand will Streit mit China. Aber es ist offensichtlich, dass chinesische Elektroautos subventioniert werden, was zu einer massiven Marktverzerrung in Europa führt”, sagte Daniel Caspary (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. “Eine Verhandlungslösung ist weiterhin unser bevorzugtes Ziel. Sollten diese Gespräche jedoch zu keiner fairen Lösung führen, bleibt der EU nichts anderes übrig, als Maßnahmen zu ergreifen.”
Die Zusatzzölle sind in einer Höhe von 7,8 Prozent für Tesla bis 35,3 Prozent für SAIC veranschlagt. Andere Hersteller wie BYD und Geely liegen dazwischen. Dazu kommen zehn Prozent Zoll, die ohnehin schon gelten. Rückwirkend werden die seit Juli geltenden Zusatzzölle in Form von Bankgarantien nicht eingeholt. Das hatte die EU-Kommission bereits mitgeteilt. Nach den EU-Vorschriften kann die EU-Kommission die Zölle für die nächsten fünf Jahre verhängen, sofern nicht eine qualifizierte Mehrheit von 15 EU-Ländern, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, gegen den Plan stimmt.
Laut EU-Kreisen werden Frankreich, Griechenland, Italien und Polen für die Zölle stimmen – allein diese Länder repräsentieren zusammen bereits rund 39 Prozent der EU-Bevölkerung. Auch die Niederlande, Dänemark und Belgien werden sich demnach dafür aussprechen. Im Juli stimmten auch Litauen, Lettland und Bulgarien dafür – ebenso Spanien. Sollte die Abstimmung wieder so ausfallen, sind 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert. Ohne Spanien wären es rund 50 Prozent. Dass die “Nein”-Seite also die nötigen 65 Prozent erreicht, ist sehr unwahrscheinlich.
Wie sich Spanien entscheiden wird, war zwischenzeitlich offen: Nach einem Besuch von Pedro Sánchez in Peking erklärte der spanische Ministerpräsident, dass Zusatzzölle keine favorisierte Lösung seien. Später ruderte Madrid zurück und betonte, sich noch nicht entschieden zu haben. Bei der Abstimmung im Juli stimmten Ungarn, Malta, Zypern, und die Slowakei mit “Nein”. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dieses Mal so sein. Enthalten hatten sich im Juli neben Deutschland: Schweden, Österreich, Kroatien, Estland, Finnland, Irland, Luxemburg, Portugal, Rumänien und Slowenien.
Auch wenn die Entscheidung getroffen ist, gehen die Verhandlungen zwischen der EU und China noch weiter. Dabei geht es beispielsweise um die Festlegung von Mindestpreisen für chinesische E-Autos. Chinesische Hersteller hatten dazu Angebote bei der EU-Kommission eingereicht. Das erste Angebot war mit der Begründung einer abgelaufenen zeitlichen Frist abgelehnt worden. Über einen zweiten Vorschlag wird noch gesprochen. Details sind bisher nicht bekannt. Die Preisverpflichtung könnte neben einem Mindestimportpreis auch eine Mengenbegrenzung umfassen.
Es war ein historischer Tag: Am 25. Juni haben die EU-Staaten die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine eröffnet. Nie zuvor hatte die EU mit einem Land im Krieg verhandelt, nie waren die Erwartungen so hoch. Bei einem Beitritt wäre die Ukraine das größte Flächenland in der EU, einer der größten Agrarproduzenten und wahrscheinlich auch der größte Nettoempfänger.
Doch drei Monate nach Beginn der Beitrittskonferenz ist das Interesse erlahmt. In Brüssel kreist die Debatte um einen neuen, bis zu 35 Milliarden Euro schweren Kredit, den die EU-Kommission der Ukraine versprochen hat. Die Beitrittsgespräche sind kaum noch Thema; beim Europäischen Rat Ende Oktober werden sie nicht einmal auf der Tagesordnung stehen. Dabei häufen sich die Probleme.
Aus Kreisen, die für die Kommission an den Verhandlungen beteiligt sind, hört man die Sorge, dass in der ukrainischen Regierung und Verwaltung völlig unrealistische Vorstellungen über den Beitrittsprozess herrschen. Sowohl die für die Verhandlungen nötige Zeit als auch die benötigten Reformen würden in Kiew massiv unterschätzt.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte seinen Landsleuten schon 2022 einen “Blitz-Beitritt” versprochen. Im Sommer dieses Jahres kündigte er dann einen “Siegesplan” an, der neben militärischen und finanziellen Wünschen auch die Aufforderung enthält, die Ukraine schnell in die Nato und die EU aufzunehmen. Doch die Mühlen in Brüssel mahlen langsam.
Bis zum Ende des ungarischen Ratsvorsitzes im Dezember seien keine substanziellen Fortschritte zu erwarten, sagen EU-Diplomaten. Ministerpräsident Viktor Orbán, der den Beitritt der Ukraine ablehnt und sich mehr und mehr an Russland anlehnt, will man keine Möglichkeit geben, die Beitrittsgespräche zu torpedieren. Aber auch auf der Arbeitsebene geht es kaum voran.
Die EU-Kommission hat mit dem sogenannten Screening, also dem Abgleich des ukrainischen Rechts mit dem EU-Acquis, begonnen. Dabei geht es zunächst um den “Fundamentals Cluster”, der fünf der insgesamt 35 Verhandlungskapitel und Themen wie Rechtsstaat und Grundrechte, öffentliches Beschaffungswesen oder die Kontrolle der öffentlichen Finanzen umfasst.
Als besonders kritisch gilt der Bereich Rechtsstaat. Dazu fand Ende September der erste Abgleich statt. Das Screening ist allerdings nur eine Vorstufe für die eigentlichen Verhandlungen. Die erste Regierungskonferenz zu den “Fundamentals” sei erst 2025 zu erwarten, teilte die EU-Kommission auf Anfrage von Table.Briefings mit.
Ob es bereits Fortschritte beim Rechtsstaat gibt und wie sie bewertet werden, wollte die Kommission nicht sagen. Erste Aufschlüsse dürfte der Erweiterungsbericht geben, den die Brüsseler Behörde Ende Oktober, wahrscheinlich aber erst im November vorstellen will. Auf dieser Grundlage will der Allgemeine Rat dann im Dezember erste Schlussfolgerungen ziehen.
Die letzten Entwicklungen sprechen nicht dafür, dass sich die Ukraine der EU annähert. So hat Selenskyj seinen “Siegesplan” nur in Washington vorgestellt, nicht aber in Brüssel. Wichtige Details, die auch den EU-Beitritt betreffen könnten, werden immer noch geheim gehalten. Für Stirnrunzeln sorgt auch, dass in Kiew der Chef des Energieversorgers Ukrenergo gefeuert wurde.
Dies sei nur schwerlich mit den EU-Regeln zum Rechtsstaat und guter Regierungsführung zu vereinbaren, heißt es in Brüssel. Die Reformen müssten weitergehen, fordern die G7 und die EU. Der gefeuerte Chef von Ukrenergo, Volodymyr Kudrytskyi, erklärte, Selenskyj wolle die Energieversorgung unter seine Kontrolle bringen. “Es geht nur darum, die Macht zu zentralisieren.”
Ähnliche Vorwürfe waren bereits bei der überraschenden Regierungsumbildung in Kiew Anfang September laut geworden, bei der auch der in der EU beliebte Außenminister Dmytro Kuleba völlig überraschend ausgewechselt wurde. Kuleba war für die Beitrittsverhandlungen mit der EU zuständig. Sein Nachfolger Andrij Sybiha muß sich erst noch einarbeiten.
Für Irritationen sorgt auch ein Streit zwischen Selenskyj und dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski. Bei einem Treffen in Kiew Mitte September warf Selenskyj Polen vor, die Ukraine bei den EU-Beitrittsverhandlungen nicht zu unterstützen. Sikorski antwortete, dass sein Land ein Jahrzehnt gebraucht habe, um der EU beizutreten. Selenskyjs Vorstellungen seien unrealistisch.
Bei dem Treffen kam auch das Massaker von Wolhynien zur Sprache. 1943 wurden Tausende Polen in der damals von den Nazis besetzten Region von Mitgliedern der Ukrainischen Aufständischen Armee getötet. Der polnische Außenminister forderte die Exhumierung der Opfer für eine “christliche Umbettung”. Der Streit könnte den EU-Beitritt gefährden, berichtet “Kyiv Independent“.
Auf die designierte neue Erweiterungskommissarin Marta Kos kommt eine ungewöhnlich schwierige Aufgabe zu. Sie muss nicht nur den polnisch-ukrainischen Konflikt entschärfen, sondern auch den schleppenden Beitrittsgesprächen neuen Elan verleihen. Zunächst muss die 59-jährige slowenische Diplomatin jedoch die Anhörung im Europaparlament überstehen.
Auch das wird nicht leicht. Kos war erst in letzter Minute für Brüssel nominiert worden, nachdem von der Leyen mehr Frauen für ihr Team angefordert hatte. Sie ist keine Ukraine-Expertin und hat sich noch nach Kriegsbeginn gegen einen Abbruch der Beziehungen zu Russland ausgesprochen. Bei ihrer Anhörung im November muss sie sich daher auf kritische Fragen gefasst machen. Mit: János Allenbach-Ammann
07.10.2024 – 17:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Hamas-Terror, Grenzkontrollen, EU-Solidaritätsfonds
Themen: Erklärung der Kommission zum Thema “Ein Jahr nach den Terroranschlägen der Hamas vom 7. Oktober”; Erklärung der Kommission zur Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen in einer Reihe von Mitgliedstaaten und ihre Auswirkungen auf den Schengen-Raum; kurze Vorstellung des Berichts zur Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union. Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 17:30 Uhr
Euro-Gruppe
Themen: Vorbereitung internationaler Treffen (einschließlich Wechselkursentwicklung). Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 19:00-20:00 Uhr
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
Themen: Abstimmung über den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2025; Abstimmung über die Einrichtung eines Kooperationsmechanismus für Ukraine-Darlehen und die
Bereitstellung einer außerordentlichen Makrofinanzhilfe für die Ukraine. Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 19:00-20:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI)
Themen: Meinungsaustausch mit István Nagy (Minister für Landwirtschaft, über die Prioritäten des ungarischen Vorsitzes im Rat der Europäischen Union im Bereich Landwirtschaft). Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 19:30-21:00 Uhr
Sitzung des Ausschusss für Verkehr und Tourismus (TRAN)
Themen: Abstimmung zur Nutzung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn im einheitlichen europäischen
Eisenbahnraum; Abstimmung zur Verwirklichung des einheitlichen europäischen Luftraums (Neufassung). Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 20:00-21:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
Themen: Vorstellung des Programms des Ratsvorsitzes. Vorläufige Tagesordnung
08.10.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Digitalisierung von Reisedokumenten. Vorläufige Tagesordnung
08.10.2024 – 09:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, Krise der Automobilindustrie, Situation im Sudan
Themen: Aussprache zur Vorbereitung des Europäischen Rates vom 17./18. Oktober 2024; Aussprache zur Krise der Automobilindustrie in der EU; Aussprache zur Situation im Sudan. Vorläufige Tagesordnung
08.10.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Themen: Wirtschaftliche Erholung in Europa; Gedankenaustausch über die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der russischen Aggression gegen die Ukraine; Annahme der Schlussfolgerungen zur Klimafinanzierung im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz 2024, COP29, vom 11. bis 22. November 2024. Vorläufige Tagesordnung
09.10.-10.10.2024
Informelle Ministertagung Beschäftigung, Sozialpolitik und Gesundheit
Themen: Überlegungen zum Arbeitskräftemangel und zur Mobilisierung des ungenutzten Arbeitskräftepotenzials im Kontext der demografischen Herausforderungen; Erörterung der wichtigsten Fragen der sozialen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen und Menschen mit veränderten Arbeitsfähigkeiten. Infos
09.10.2024 – 09:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Russische Einmischung, Besteuerung der Superreichen, Wohnraum
Themen: Aussprache zum Schwerpunktthema Arbeitsprogramm der ungarischen Ratspräsidentschaft, Aussprache zur Besteuerung der Superreichen, um Armut zu beenden und Ungleichheiten zu verringern (EU-Unterstützung für den Vorschlag der G20-Präsidentschaft); Erklärung der Kommission zum Thema nachhaltiger, angemessener und erschwinglicher Wohnraum in Europa. Vorläufige Tagesordnung
10.10.-11.10.2024
Rat der EU: Justiz und Inneres
Themen: Gedankenaustausch zur Erhöhung der Wirksamkeit der EU-Rückkehrpolitik; Sachstand zur vollständige Anwendung des Schengen-Besitzstands in Bulgarien und Rumänien; Gedankenaustausch zu den Folgen externer Konflikte und ihrer Auswirkungen auf die EU. Vorläufige Tagesordnung
10.10.2024 – 09:00-16:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Religiösen Intoleranz, Waldbrände im Amazonasgebiet
Themen: Erklärung der Kommission zur Zunahme der religiösen Intoleranz in Europa; Erklärung der Kommission zu den Folgen der verheerenden Waldbrände im Amazonasgebiet und die Bedeutung des Amazonasgebiets für den Klimawandel. Vorläufige Tagesordnung
10.10.2024 – 09:00-09:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Entwicklung (DEVE)
Themen: Abstimmung über die UN-Klimakonferenz 2024 in Baku, Aserbaidschan (COP29); Abstimmung über den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2025. Vorläufige Tagesordnung
Die Fraktionschefs haben bei den Kompetenzen der Ausschüsse für die Anhörungen der Kommissare noch Änderungen vorgenommen. So ist der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE) nicht mehr ein verantwortlicher Ausschuss bei der Anhörung von Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie. Der LIBE-Ausschuss ist nur noch eingeladener Ausschuss mit weniger Fragerechten. Außerdem fließt die Meinung des eingeladenen Ausschusses nicht in die Bewertung ein.
Sowohl bei Agrarkommissar Christophe Hansen als auch bei der Außenbeauftragten Kaja Kallas wurde der Umweltausschuss (ENVI) ebenfalls aus dem Co-Lead gestrichen und zu einem eingeladenen Ausschuss herabgestuft. Bei der Anhörung von Olivér Várhelyi, für Gesundheit und Tierschutz vorgeschlagen, wurde der Gleichstellungsausschuss (FEMM) komplett von der Anhörung ausgeschlossen. Insbesondere die Herabstufung von LIBE bei der Anhörung von Virkkunen war umstritten.
S&D und Grüne werfen EVP-Chef Manfred Weber vor, im Vorfeld Absprachen mit den beiden rechtsextremen Fraktionen getroffen zu haben. Dies sei ein Bruch des Cordon sanitaire. Die Fraktionschefs haben auch den ersten Teil des Zeitplans für die Anhörungen der künftigen Kommissare beschlossen; der zweite Teil des Zeitplans soll bei einer Sitzung nächste Woche in Straßburg beschlossen werden. mgr
Der Rechtsausschuss des Parlaments hält die Erklärungen von drei von 26 Bewerbern für die Kommissarsposten zu möglichen Interessenskonflikten für so unproblematisch, dass er bei ihnen keine weiteren Fragen mehr hat. Dabei handelt es sich dem Vernehmen nach um zwei Kommissare aus der christdemokratischen Parteienfamilie EVP sowie um den Ungarn Olivér Varhélyi, der aus der rechtsextremen Parteienfamilie der “Patrioten” kommt.
Bei den anderen 23 Kandidaten ist der Ausschuss nach der Überprüfung der Erklärungen in einer ersten Sitzung der Meinung, dass sie zu wenige Informationen gegeben haben. Daher wird der Ausschuss sie auffordern, die Angaben noch einmal zu ergänzen. Bei einigen Kommissaren ergeben sich zudem spezifische Nachfragen. Die Bewerber sollen nun weitere Angaben etwa zu Eigentum und Aktienbesitz machen, um mögliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit ihrem Portfolio auszuräumen.
Dem Vernehmen nach hat der Ausschuss aber bei keinem Bewerber grundsätzliche Bedenken, ihn zur Anhörung in den Fachausschüssen zuzulassen. 2019 hatte es bereits in der ersten Runde bei mehreren Bewerbern erhebliche Hinweise auf Interessenkonflikte gegeben. Der Rechtsausschuss tagt Montag und Donnerstag wieder, um die Prüfung abzuschließen. mgr
Nach der Ankündigung der Europäischen Kommission, den Start der neuen EU-Regeln für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr verschieben zu wollen, richtet sich der Blick auf Parlament und Rat. Sie müssen der Änderung zustimmen – voraussichtlich im Schnellverfahren, denn bis Dezember, dem bislang geplanten Start für die Verordnung, bleibt wenig Zeit. Im Parlament könnte direkt das Plenum abstimmen, statt zuerst der zuständige Ausschuss. Und Rat und Parlament können die Trilogverhandlungen auslassen, wenn beide den Kommissionsvorschlag ohne Änderungen mittragen.
Während viele Mitgliedstaaten einen Aufschub gefordert hatten, kommt aus dem Parlament Kritik. Die Verschiebung sei ein Trauerspiel, kommentiert etwa Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses. S&D-Schattenberichterstatterin Delara Burkhardt bemängelt, Ursula von der Leyen säge schon kurz nach Beginn ihrer zweiten Amtszeit am Green Deal. Die Kommissionspräsidentin hätte die Verzögerung verhindern können, ist sie überzeugt: “Sie hätte längst Umsetzungsleitlinien für betroffene Unternehmen, Behörden und Produzentenländer herausgeben können.” Dass von der Leyen die Leitlinien zurückhielt, habe für unnötige Verunsicherung bei allen Betroffenen gesorgt, sagt Burkhardt zu Table.Briefings.
Sollten im nun neu zu eröffnenden Gesetzgebungsverfahren neben der Änderung des Startdatums weitere Details des Gesetzes angefasst werden, kündigt Burkhardt Widerstand an. Eine reine Verschiebung wollen die Sozialdemokraten dagegen nicht blockieren. Wie die Grünen sich positionieren, ist noch unklar. Mit der Unterstützung der S&D dürfte es aber auch ohne die Grünen für eine Parlamentsmehrheit reichen.
Man werde alles dafür tun, dass die EVP das Gesetzgebungsverfahren nicht dafür ausnutzt, die Verordnung “zu einem zahnlosen Papiertiger zusammenschrumpfen zu lassen”, betont Burkhardt. Auch Cavazzini sieht insbesondere die EVP in der Pflicht: “Wir müssen jetzt sicherstellen, dass mit der Verschiebung nicht die Büchse der Pandora geöffnet und das Gesetz nicht abgeschwächt wird.”
Der EVP-Abgeordnete und Vorsitzende des Agrarausschusses, Herbert Dorfmann, sagte zu Table.Briefings, man wolle lediglich die Verschiebung im Schnellverfahren beschließen. Sonst bestehe die Gefahr, dass diese nicht rechtzeitig beschlossen würde. Er schließt jedoch nicht aus, in einem zweiten, späteren Gesetzgebungsverfahren auch inhaltliche Aspekte zu überarbeiten. Das komme darauf an, wie die Kommission die Umsetzungsrechtsakte ausgestaltet. “Bei einer vernünftigen Umsetzung müsste man nicht noch einmal ran“, so Dorfmann.
Während die EU-Kommission die lange erwarteten Leitlinien nun vorgelegt hat, stehen andere Elemente zur Umsetzung noch aus. Das Benchmarking, das jedem Land ein bestimmtes Entwaldungsrisiko zuweist, will sie bis zum 30. Juni 2025 vorlegen. Ab Dezember dieses Jahres soll das nötige IT-System in Betrieb sein.
Branchenverbände fordern weiterhin, den Inhalt der Verordnung zu ändern. So wollen der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Familienbetriebe Land und Forst, dass Länder mit geringem Entwaldungsrisiko wie Deutschland von den Regeln ausgenommen werden. Die Ampel-Koalition ist dazu gespalten: Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad sprach sich für eine “grundlegende Überarbeitung” aus, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dagegen. luk/jd
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht in umfassenden Berichtspflichten ein Problem für die deutsche Wirtschaft und fordert ein fundamentales Umdenken. Der Weg seien nicht einzelne Verbesserungen, “sondern die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen”, sagte Habeck auch mit Bezug auf das Lieferkettengesetz bei einem Unternehmertag des Außenhandelsverbands BGA am Mittwoch. “Wir haben uns eingebuddelt in einer Welt, wo am Ende die Richtigkeit der Berichtspflichten darüber entscheidet, wie wettbewerbsfähig ein Unternehmen ist.”
Bei Regularien wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Entwaldungsrichtlinie oder dem Lieferkettengesetz sei man “bei guter Intention völlig falsch abgebogen”. Die Wettbewerbsfähigkeit stehe in Deutschland unter Druck, betonte der Grünen-Politiker. Bei der Bürokratie müsse man energischer rangehen.
Habeck sprach sich dafür aus, den Unternehmerinnen und Unternehmern wieder mehr Eigenverantwortung zuzutrauen. Kein Unternehmen wolle Kinder- oder Sklavenarbeit in seinen Produkten. Es sei eine fundamentale Umkehr in der Logik notwendig: “Klare Regelgesetzgebung, aber keine Berichtspflichten, sondern an Regeln halten und im Zweifelsfall die Strafen dafür zu bezahlen, wenn man erwischt wird”, sagte Habeck.
Unterstützung bekam er von Olaf Scholz. Der Bundeskanzler sagte beim BGA: “Bei der ab 2025 einsetzenden Nachhaltigkeitsberichterstattung wollen wir den geplanten Umfang der Berichtspflichten nicht akzeptieren. Wir setzen uns deshalb bei der Europäischen Kommission dafür ein, die Vorgaben zum Inhalt der Berichterstattung deutlich zu reduzieren.”
Die Bundesregierung hatte in ihrer Wachstumsinitiative angekündigt, dass es bei der Umsetzung von Sorgfalts- und Berichtspflichten gelte, unverhältnismäßige Belastungen der Unternehmen zu vermeiden. Die Europäische Lieferkettenrichtlinie solle so bürokratiearm wie möglich umgesetzt werden. dpa
Die EU-Kommission will Ungarn erneut wegen mutmaßlicher Verstöße gegen europäisches Recht vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Grund sei diesmal das nationale Gesetz über die “Verteidigung der Souveränität”, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Sie sieht darin unter anderem Verstöße gegen Grundsätze der Demokratie, der freien Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit. Konkret geht es den Angaben zufolge auch um die Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht darauf, vertraulich mit Anwältinnen und Anwälten sprechen, beziehungsweise schreiben zu können.
Mit dem im Dezember verabschiedeten Gesetz wurde ein neues “Amt für Souveränitätsschutz” eingerichtet, das eventuelle Bedrohungen Ungarns aus dem Ausland überwachen soll. Das bereits geltende Verbot der Parteienfinanzierung aus dem Ausland wurde damit auf Vereine und andere Organisationen ausgeweitet. Verantwortlichen dieser Organisationen, die versuchen, Finanzquellen aus dem Ausland zu verschleiern, drohen zudem drei Jahre Freiheitsentzug.
“Das Gesetz verleiht dem Amt einen sehr weiten Ermessensspielraum für die Ermittlungen – insbesondere, was den Zugang zu Informationen betrifft -, und gestattet es dem Amt, in die Ermittlungstätigkeit anderer Behörden einzugreifen”, teilte die EU-Kommission mit. Die Befugnisse und der große Ermessensspielraum werden Folgen etwa für Nichtregierungsorganisationen, Medien und Journalisten haben und wohl nicht verhältnismäßig sein. dpa
Der Europäische Fiskalausschuss (European Fiscal Board, EFB) zeigt sich in seinem neuen Jahresbericht besorgt über gestiegene Nettoausgaben, insbesondere Sozial-Ausgaben. Den Bericht hat das unabhängige Beratungsgremium der Kommission am Mittwoch vorgestellt. Der Europäische Fiskalausschuss fordert von der EU-Kommission eine konsequentere Anwendung der Fiskalregeln und regt an, dass die EU europäische öffentliche Güter wie transnationale Infrastrukturinvestitionen und Verteidigungsausgaben vermehrt auf europäischer Ebene finanzieren soll.
In den vergangenen drei Jahren sind die Nettoausgaben in der ganzen EU stark gestiegen, warnt das fünfköpfige EFB in seinem achten Jahresbericht. Außergewöhnliche Ausgaben, die mit der Covid-Pandemie 2020 und mit der Energie-Krise 2022 zu tun hatten, sind 2023 zwar zurückgegangen. Stattdessen stiegen im vergangenen Jahr andere Ausgaben: Das EFB hob insbesondere gestiegene Sozialausgaben hervor.
Im Gegensatz zu anderen Jahren waren es 2023 vor allem die Länder mit relativ niedrigen Schuldenständen, deren Nettoausgaben am stärksten gestiegen sind. Einer der Gründe dafür sind die gewachsenen Verteidigungsausgaben von Ost- und Mitteleuropäischen Staaten. Viele von ihnen haben Schuldenstände unter 60 Prozent des BIPs und ihre Verteidigungsausgaben seit der russischen Invasion in der Ukraine drastisch aufgestockt.
Das EFB sieht den Grund für die gestiegenen Ausgaben unter anderem darin, dass die Ausnahmeklausel (General Escape Clause) der Fiskalregeln angewendet wurde. “In diesem Umfeld wurde den steigenden Nettoausgaben wenig Beachtung geschenkt”, sagte der dänische EFB-Vorsitzende Niels Thygesen. Die Kommission habe die Ausnahmeklausel zu lange angewandt. Schon Ende 2021 sei der “starke Konjunkturabschwung”, der die Anwendung der Ausgleichsklausel gerechtfertigt hatte, streng genommen schon vorbei gewesen, so Thygesen. Trotzdem habe die Kommission sie auch 2022 und 2023 angewandt.
Über die neuen Fiskalregeln äußerte sich das EFB verhalten positiv. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sei sehr gut gewesen, aber die Mitgliedstaaten hätten die Regeln wieder übermäßig verkompliziert. Insgesamt sei die Reform dennoch “definitiv eine Verbesserung”, sagte Thygesen.
Wichtig ist laut EFB, dass die Kommission die Regeln nun konsequent anwendet. Diesbezüglich kritisiert der Jahresbericht, dass die Kommission diesen Sommer kein Defizitverfahren gegen Spanien anstrengte, obwohl Spanien die 3-Prozent-Defizitgrenze 2023 übertraf. Auch dass die EU-Kommission ihre Politikempfehlungen an die Mitgliedstaaten in einem Defizitverfahren noch nicht versandt hat – und dies erst für Mitte November vorsieht – dürfe sich nicht wiederholen, warnte Thygesen.
Während das EFB tendenziell auf eine vorsichtige, ausgabenkritische Fiskalpolitik setzt, strebt es auch eine Diskussion über mehr Finanzierung auf EU-Ebene an. “Die Bereitstellung von mehr europäischen öffentlichen Gütern durch eine europäische Dimension wird notwendig werden, durch nationale, aber auch gemeinsame EU-Anstrengungen, um die vielen künftigen Herausforderungen zu meistern”, sagte Thygesen.
Explizit nannten er und seine Co-Autoren die Bemühungen gegen den Klimawandel – zum Beispiel Elektrizitätsnetze – und Verteidigung. Thygesen regte an, die Diskussion um eine verstärkte gemeinsame Finanzierung, 2025 wieder aufzunehmen, weil die Kommission im kommenden Sommer auch einen ersten Entwurf für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) präsentieren wird. Gleichzeitig sagte er aber auch, dass der neue MFR, der erst 2028 beginnt, für viele kritische Bereiche zu spät komme.
Das niederländische EFB-Mitglied Roel Beetsma sagte, dass der Druck steigen werde, Aufgaben zentral zu finanzieren. Als Optionen, die vor 2028 umgesetzt werden könnten, nannte er die bisher unausgeschöpften Teile des NGEU-Fonds und die aktuell ungenutzte Finanzkapazität des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Der Jahresbericht 2024 war der letzte unter der aktuellen Besetzung des EBF. Das Personal des Beratungsgremiums, das Niels Thygesen seit 2016 leitet, wird komplett ausgewechselt. Noch ist unklar, wer die Nachfolge antreten wird. jaa
Der deutsche Europapolitiker Engin Eroglu ist neuer Vorsitzender der China-Delegation des Europaparlaments. Eroglu (Freie Wähler) wurde am Donnerstag in das Amt gewählt. Eroglu ist stellvertretender Bundesvorsitzer und Landesvorsitzender der Freien Wähler in Hessen und seit 2019 für die Partei im Europaparlament. Er hat sich in der Vergangenheit deutlich gegen Menschenrechtsverletzungen in China ausgesprochen. Im Frühjahr dieses Jahres wurde bekannt, dass Eroglu Ziel einer chinesischen Cyberattacke war.
“Die China-Delegation ist eine der wichtigsten Delegationen des Parlaments, und als ihr Vorsitzender werde ich natürlich daran arbeiten, die China-Diskussion im Parlament mitzugestalten”, sagte Eroglu Table.Briefings. In den vergangenen Jahren habe das Parlament eine wichtige Rolle in der Brüsseler China-Diskussion gespielt. “Eine unserer Aufgaben wird es sein, unsere China-Kompetenz weiter zu schärfen und auszubauen.”
Als Stellvertreterin wurde Markéta Gregorová von der tschechischen Piratenpartei gewählt. Gregorová ist Mitinitiatorin der Taiwan-Freundschaftsgruppe des EU-Parlaments und sitzt auch im Handelsausschuss. Ebenfalls stellvertretender Vorsitzender ist der deutsche SPD-Europapolitiker René Repasi. Repasi war bereits in der vergangenen Amtsperiode stellvertretender Vorsitzender der Delegation. Er ist auch Vorsitzender der deutschen SPD-Abgeordneten im Europaparlament. Die China-Delegation besteht aus 38 Vollmitgliedern. Derzeit reist das Gremium nicht in die Volksrepublik, da einige Mitglieder noch unter chinesischen Sanktionen stehen. ari
Tiktok, die Kurzvideo-App des chinesischen Techriesen Bytedance, muss der EU-Kommission Fragen über dessen Algorithmen und Empfehlungssysteme beantworten. Die Anfrage richte sich auch an die US-Plattformen YouTube und Snapchat, hieß es in einer Erklärung am Mittwoch. Demnach will die Brüsseler Behörde wissen, welche Sicherheitsvorkehrungen die Plattformen treffen, um die Verbreitung schädlicher Inhalte zu verhindern. Ein hochrangiger EU-Beamter bezeichnete die Untersuchung als “Weckruf für die Plattformen”, ihr Verhalten zu ändern – etwa, indem sie den Nutzern erlauben, bestimmte Arten von Videos zu verbergen.
In der Untersuchung geht es auch um die Frage, ob gefährdeten Menschen Inhalte, die Essstörungen, Depressionen und Drogenmissbrauch verherrlichen, sowie Fake News vorgeschlagen werden. Auch die Auswirkungen von Funktionen wie Autoplay und Endlos-Scrolling sollen untersucht werden. Die Kommission will außerdem von Tiktok wissen, “was das Unternehmen bisher getan hat, um Menschen davor abzuhalten, die App zu missbrauchen und die Risiken im Zusammenhang mit Wahlen und dem zivilen Diskurs zu minimieren”. Als Strafe könnten die Tech-Giganten mit Geldstrafen belegt werden.
Die Anfrage basiert auf dem Digital Services Act (DSA). Die EU hatte im Frühjahr bereits gegen Tiktok formelle Ermittlungen eingeleitet, weil das Unternehmen mutmaßlich nicht genug für den Jugendschutz tue. Auch hier stand das Empfehlungssystem im Mittelpunkt. Im Sommer dieses Jahres zog Tiktok nach Druck aus Brüssel das umstrittene Bonusprogramm “Tiktok Lite Rewards” zurück. Mit dem Reward-Programm belohnte Tiktok Content-Interaktionen mit virtueller Währung, die gegen echte Gutscheine eintauschbar war. Die EU-Kommission argumentierte unter anderem, dass das Programm süchtig machen könne. mcl
Dan Jørgensen kann Politik ordentlich verkaufen, sagt Linda Kalcher über den designierten Energiekommissar aus Dänemark. Kalcher ist Gründerin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives und kennt Jørgensen noch aus seiner Zeit als Europaabgeordneter. Sein Netzwerk reicht weit über die europäischen Grenzen hinaus, weshalb Jørgensen dem Portfolio womöglich eine stärkere Außenwirkung verpassen könnte.
Als Energiekommissar wird es seine Aufgabe sein, die Energieunion Europas zu vollenden und unabhängig von russischen Energielieferungen zu machen. Er soll die Netzinfrastruktur modernisieren und die Energiepreise senken, was sowohl Verbrauchern zugutekäme als auch die Industrie international wettbewerbsfähiger machen würde. Keine leichten Aufgaben, doch Jørgensen hat Erfahrung mit komplizierten Herausforderungen im Energiebereich.
Als Entwicklungsminister Dänemarks hat er Europas internationalen Energiepartnerschaften mitverantwortet. Zuvor als Klima- und Energieminister gründete er gemeinsam mit Costa Rica die Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) während der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26), um die Abkehr von fossilen Energieträgern in Industrie- und Entwicklungsländern voranzutreiben. Bei der COP28 in Dubai verhandelte er für Dänemark im Verbund mit den anderen europäischen Ministern sogar die Abkehr von fossilen Brennstoffen in das Abschlussdokument der Konferenz.
In seiner neuen Rolle wird Jørgensen eher in die EU hinein agieren müssen, statt nach außen. Doch unkomplizierter wird es dadurch keineswegs. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihm auch aufgetragen, den Hochlauf kleiner modularer Kernreaktoren (SMR) sowie der Verpressung und Lagerung von CO₂ (CCS) voranzutreiben. Vor allem die Nutzung und Förderung der Kernenergie sind in Europa heftig umstritten. Jørgensen wird vermitteln müssen, insbesondere zwischen Paris und Berlin. In der Vergangenheit hat er bereits bewiesen, dass er in der Broker-Rolle auch Ergebnisse erzielt.
Auf ministerieller Ebene leitete er im Vorfeld der COP28 in Dubai die Gespräche zum Global Stocktake, dem wichtigsten Text der letzten Klimakonferenz. Bis zu seiner Nominierung als EU-Kommissar agierte er zudem als Vermittler für das neue globale Klimafinanzziel, das wichtigste Dokument der nächsten COP in Baku. Die Krux bei diesen Vermittlerrollen – im COP-Jargon Facilitator genannt – ist es, zwischen sich diametral gegenüberstehenden Positionen zu vermitteln. “Das hat Jørgensen immer gut gemacht”, bescheinigt Kalcher. Er ist kommunikativ, spricht mit allen Seiten und setzt sich für Lösungen ein. Etwas, wofür seine Vorgängerin Kadri Simson nicht gerade bekannt war. Zudem sei er ein Arbeitstier, sagt Kalcher. “Er beginnt morgens um 6 und abends um 11 ist er erst fertig.”
Weniger vertraut ist er mit dem zweiten Teil seines Portfolios. Jørgensen ist auch Wohnungskommissar. Bezahlbarer Wohnraum, geringere Baukosten und der Aufbau einer paneuropäischen Investitionsplattform gehören dort zu seinen Aufgabenbereichen. Er wird sich einarbeiten müssen. Auch die Umsetzung der Pläne von der Leyens erfordert viel Geschick mit den Kompetenzen der europäischen Institutionen. Denn die Städtebau- und Wohnungspolitik liegt in der Hand der Mitgliedstaaten.
Jørgensen wird vor allem mit der designierten Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera und Klimakommissar Wopke Hoekstra zusammenarbeiten. Beide kennt er gut. “Sie können gut miteinander”, sagt Kalcher. Bei der COP28 in Dubai verhandelten sie Seite an Seite für Europa. In Brüssel sollen sie nun gemeinsam an der Dekarbonisierung der europäischen Industrie arbeiten. Jørgensen wird Pläne für bezahlbare Energiepreise und die Elektrifizierung und Versorgung der Industrie mit sauberer Energie ausarbeiten müssen. Lukas Knigge
heute ist der Tag, auf den viele in Europa seit Wochen warten – je nachdem, wen man fragt, mit Anspannung oder Vorfreude. Nachdem die Abstimmung Ende September verschoben wurde, werden die Mitgliedsstaaten heute über die Ausgleichszölle auf chinesische E-Autos entscheiden.
In Berlin wurde bis zum Schluss gerungen, ob man sich enthalten soll oder gegen die Zölle stimmt. Am Abend drang dann durch, dass Deutschland mit “Nein” stimmen wird. Auch Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock, die für eine Enthaltung plädiert hatten, sollen das Nein nach Informationen von Table.Briefings mittragen. Dennoch: Kanzler Scholz zog in einer Runde der Koalitionsspitzen offenbar sein schärfstes Schwert – und entschied am Ende qua Richtlinienkompetenz. Welche Gräben sich in Sachen Zölle zwischen Deutschland und Frankreich auftun, lesen Sie in unserer Analyse.
Außerdem: Die Fraktionschefs haben kurz vor den Anhörungen der Kommissare einige Ausschüsse herabgestuft in ihren Frage- und Mitspracherechten oder gleich ganz gestrichen. S&D und Grüne werfen EVP-Chef Manfred Weber nun vor, im Vorfeld Absprachen mit den beiden rechtsextremen Fraktionen getroffen zu haben. Mehr lesen Sie in unserer News.
Ich wünsche Ihnen einen guten Freitag!
Vor der Abstimmung zu den Zusatzzöllen auf chinesische Elektro-Fahrzeuge zeigte sich in Berlin der Zwist zwischen den beiden größten EU-Staaten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nutzte seinen Auftritt beim Berlin Global Dialogue diese Woche in der Hauptstadt, um für die von der EU geplanten Ausgleichszölle gegen chinesische E-Auto-Importe zu werben – doch die Bundesregierung kann sich nicht für diesen Kurs erwärmen.
Obwohl das von den Grünen geführte Wirtschaftsministerium mitgegangen wäre, hat Kanzler Olaf Scholz in finalen Gesprächen der Koalitionsspitzen von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und durchgesetzt, dass Deutschland bei der Abstimmung am Freitag mit “Nein” stimmen wird. Finanzminister Christian Lindner unterstützte das; Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock hatten zunächst für eine Enthaltung plädiert, tragen das “Nein” aber nach Informationen von Table.Briefings nun mit.
In der FDP hatte es zuvor geheißen, eine Enthaltung helfe niemandem. Man dürfe der Autoindustrie, einer Schlüsselindustrie im Land mit Millionen von Arbeitsplätzen, durch einen Handelskonflikt mit China nicht in den Rücken fallen. Die Zölle sollten daher klar abgelehnt werden. Ähnlich argumentiert der Kanzler.
Macron dagegen hatte in der Hochschule ESMT am Mittwoch für ein “level playing field” geworben und auf die 100-prozentigen Strafzölle der USA gegen China hingewiesen. Auch China habe ja mit Zöllen gegen Branntwein gedroht, sagte der Präsident und erinnerte an die Cognac-Nation Frankreich.
Grünen-Wirtschaftsminister Habeck betonte diese Woche, dass er Strafzölle ablehne und man eine politische Lösung mit China finden müsse. “Ich bin komplett gegen die Zölle”, hatte der Wirtschaftsminister beim Berlin Global Dialogue erklärt. Er bevorzuge eine Verhandlungslösung, etwa in Form von Mindestpreisen für chinesische E-Autos.
“Die Frage ist, auf welchem Weg können wir in dieser konkreten Situation eine politische Lösung finden?”, sagte Habeck. Zugleich mahnte er, dass die EU geschlossen gegenüber Peking auftreten müsse. Wohl auch deshalb lehnte Habeck ein Nein – wie von Lindner gefordert – zunächst ab.
Aller Voraussicht nach wird jedoch ein Nein aus Deutschland die Zölle nicht aufhalten können, weil genügend EU-Staaten am Freitag für die Strafzölle stimmen dürfte.
Die Autoindustrie ist für ein “Nein”. Mercedes-Chef Ola Källenius sagte am Mittwoch: “Wenn ich Deutschland wäre, würde ich mit Nein stimmen. Nicht, um unsere Verhandlungsposition zu schwächen, sondern um zu signalisieren, dass wir über eine faire Win-Win-Situation mit fairen Wettbewerbsbedingungen verhandeln wollen.” Die Zölle gefährdeten auch das Geschäft von Mercedes, Fahrzeuge in China zu produzieren und nach Europa zu exportieren. Der Verband der Autoindustrie warnt davor, dass die Zusatzzölle die Wettbewerbsfähigkeit der ohnehin kriselnden europäischen Autoindustrie gefährden könnten.
“Ein Votum der EU-Staaten, ab Ende Oktober hohe zusätzliche Zölle auf E-Pkw aus China zu erheben, wäre ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. “Durch diese Maßnahme wächst das Risiko eines globalen Handelskonfliktes weiter an.” Müller forderte, dass die Bundesregierung klar Stellung gegen die Strafzölle beziehen müsse. Eine Enthaltung sei keine Option.
“Niemand will Streit mit China. Aber es ist offensichtlich, dass chinesische Elektroautos subventioniert werden, was zu einer massiven Marktverzerrung in Europa führt”, sagte Daniel Caspary (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. “Eine Verhandlungslösung ist weiterhin unser bevorzugtes Ziel. Sollten diese Gespräche jedoch zu keiner fairen Lösung führen, bleibt der EU nichts anderes übrig, als Maßnahmen zu ergreifen.”
Die Zusatzzölle sind in einer Höhe von 7,8 Prozent für Tesla bis 35,3 Prozent für SAIC veranschlagt. Andere Hersteller wie BYD und Geely liegen dazwischen. Dazu kommen zehn Prozent Zoll, die ohnehin schon gelten. Rückwirkend werden die seit Juli geltenden Zusatzzölle in Form von Bankgarantien nicht eingeholt. Das hatte die EU-Kommission bereits mitgeteilt. Nach den EU-Vorschriften kann die EU-Kommission die Zölle für die nächsten fünf Jahre verhängen, sofern nicht eine qualifizierte Mehrheit von 15 EU-Ländern, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, gegen den Plan stimmt.
Laut EU-Kreisen werden Frankreich, Griechenland, Italien und Polen für die Zölle stimmen – allein diese Länder repräsentieren zusammen bereits rund 39 Prozent der EU-Bevölkerung. Auch die Niederlande, Dänemark und Belgien werden sich demnach dafür aussprechen. Im Juli stimmten auch Litauen, Lettland und Bulgarien dafür – ebenso Spanien. Sollte die Abstimmung wieder so ausfallen, sind 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert. Ohne Spanien wären es rund 50 Prozent. Dass die “Nein”-Seite also die nötigen 65 Prozent erreicht, ist sehr unwahrscheinlich.
Wie sich Spanien entscheiden wird, war zwischenzeitlich offen: Nach einem Besuch von Pedro Sánchez in Peking erklärte der spanische Ministerpräsident, dass Zusatzzölle keine favorisierte Lösung seien. Später ruderte Madrid zurück und betonte, sich noch nicht entschieden zu haben. Bei der Abstimmung im Juli stimmten Ungarn, Malta, Zypern, und die Slowakei mit “Nein”. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dieses Mal so sein. Enthalten hatten sich im Juli neben Deutschland: Schweden, Österreich, Kroatien, Estland, Finnland, Irland, Luxemburg, Portugal, Rumänien und Slowenien.
Auch wenn die Entscheidung getroffen ist, gehen die Verhandlungen zwischen der EU und China noch weiter. Dabei geht es beispielsweise um die Festlegung von Mindestpreisen für chinesische E-Autos. Chinesische Hersteller hatten dazu Angebote bei der EU-Kommission eingereicht. Das erste Angebot war mit der Begründung einer abgelaufenen zeitlichen Frist abgelehnt worden. Über einen zweiten Vorschlag wird noch gesprochen. Details sind bisher nicht bekannt. Die Preisverpflichtung könnte neben einem Mindestimportpreis auch eine Mengenbegrenzung umfassen.
Es war ein historischer Tag: Am 25. Juni haben die EU-Staaten die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine eröffnet. Nie zuvor hatte die EU mit einem Land im Krieg verhandelt, nie waren die Erwartungen so hoch. Bei einem Beitritt wäre die Ukraine das größte Flächenland in der EU, einer der größten Agrarproduzenten und wahrscheinlich auch der größte Nettoempfänger.
Doch drei Monate nach Beginn der Beitrittskonferenz ist das Interesse erlahmt. In Brüssel kreist die Debatte um einen neuen, bis zu 35 Milliarden Euro schweren Kredit, den die EU-Kommission der Ukraine versprochen hat. Die Beitrittsgespräche sind kaum noch Thema; beim Europäischen Rat Ende Oktober werden sie nicht einmal auf der Tagesordnung stehen. Dabei häufen sich die Probleme.
Aus Kreisen, die für die Kommission an den Verhandlungen beteiligt sind, hört man die Sorge, dass in der ukrainischen Regierung und Verwaltung völlig unrealistische Vorstellungen über den Beitrittsprozess herrschen. Sowohl die für die Verhandlungen nötige Zeit als auch die benötigten Reformen würden in Kiew massiv unterschätzt.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte seinen Landsleuten schon 2022 einen “Blitz-Beitritt” versprochen. Im Sommer dieses Jahres kündigte er dann einen “Siegesplan” an, der neben militärischen und finanziellen Wünschen auch die Aufforderung enthält, die Ukraine schnell in die Nato und die EU aufzunehmen. Doch die Mühlen in Brüssel mahlen langsam.
Bis zum Ende des ungarischen Ratsvorsitzes im Dezember seien keine substanziellen Fortschritte zu erwarten, sagen EU-Diplomaten. Ministerpräsident Viktor Orbán, der den Beitritt der Ukraine ablehnt und sich mehr und mehr an Russland anlehnt, will man keine Möglichkeit geben, die Beitrittsgespräche zu torpedieren. Aber auch auf der Arbeitsebene geht es kaum voran.
Die EU-Kommission hat mit dem sogenannten Screening, also dem Abgleich des ukrainischen Rechts mit dem EU-Acquis, begonnen. Dabei geht es zunächst um den “Fundamentals Cluster”, der fünf der insgesamt 35 Verhandlungskapitel und Themen wie Rechtsstaat und Grundrechte, öffentliches Beschaffungswesen oder die Kontrolle der öffentlichen Finanzen umfasst.
Als besonders kritisch gilt der Bereich Rechtsstaat. Dazu fand Ende September der erste Abgleich statt. Das Screening ist allerdings nur eine Vorstufe für die eigentlichen Verhandlungen. Die erste Regierungskonferenz zu den “Fundamentals” sei erst 2025 zu erwarten, teilte die EU-Kommission auf Anfrage von Table.Briefings mit.
Ob es bereits Fortschritte beim Rechtsstaat gibt und wie sie bewertet werden, wollte die Kommission nicht sagen. Erste Aufschlüsse dürfte der Erweiterungsbericht geben, den die Brüsseler Behörde Ende Oktober, wahrscheinlich aber erst im November vorstellen will. Auf dieser Grundlage will der Allgemeine Rat dann im Dezember erste Schlussfolgerungen ziehen.
Die letzten Entwicklungen sprechen nicht dafür, dass sich die Ukraine der EU annähert. So hat Selenskyj seinen “Siegesplan” nur in Washington vorgestellt, nicht aber in Brüssel. Wichtige Details, die auch den EU-Beitritt betreffen könnten, werden immer noch geheim gehalten. Für Stirnrunzeln sorgt auch, dass in Kiew der Chef des Energieversorgers Ukrenergo gefeuert wurde.
Dies sei nur schwerlich mit den EU-Regeln zum Rechtsstaat und guter Regierungsführung zu vereinbaren, heißt es in Brüssel. Die Reformen müssten weitergehen, fordern die G7 und die EU. Der gefeuerte Chef von Ukrenergo, Volodymyr Kudrytskyi, erklärte, Selenskyj wolle die Energieversorgung unter seine Kontrolle bringen. “Es geht nur darum, die Macht zu zentralisieren.”
Ähnliche Vorwürfe waren bereits bei der überraschenden Regierungsumbildung in Kiew Anfang September laut geworden, bei der auch der in der EU beliebte Außenminister Dmytro Kuleba völlig überraschend ausgewechselt wurde. Kuleba war für die Beitrittsverhandlungen mit der EU zuständig. Sein Nachfolger Andrij Sybiha muß sich erst noch einarbeiten.
Für Irritationen sorgt auch ein Streit zwischen Selenskyj und dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski. Bei einem Treffen in Kiew Mitte September warf Selenskyj Polen vor, die Ukraine bei den EU-Beitrittsverhandlungen nicht zu unterstützen. Sikorski antwortete, dass sein Land ein Jahrzehnt gebraucht habe, um der EU beizutreten. Selenskyjs Vorstellungen seien unrealistisch.
Bei dem Treffen kam auch das Massaker von Wolhynien zur Sprache. 1943 wurden Tausende Polen in der damals von den Nazis besetzten Region von Mitgliedern der Ukrainischen Aufständischen Armee getötet. Der polnische Außenminister forderte die Exhumierung der Opfer für eine “christliche Umbettung”. Der Streit könnte den EU-Beitritt gefährden, berichtet “Kyiv Independent“.
Auf die designierte neue Erweiterungskommissarin Marta Kos kommt eine ungewöhnlich schwierige Aufgabe zu. Sie muss nicht nur den polnisch-ukrainischen Konflikt entschärfen, sondern auch den schleppenden Beitrittsgesprächen neuen Elan verleihen. Zunächst muss die 59-jährige slowenische Diplomatin jedoch die Anhörung im Europaparlament überstehen.
Auch das wird nicht leicht. Kos war erst in letzter Minute für Brüssel nominiert worden, nachdem von der Leyen mehr Frauen für ihr Team angefordert hatte. Sie ist keine Ukraine-Expertin und hat sich noch nach Kriegsbeginn gegen einen Abbruch der Beziehungen zu Russland ausgesprochen. Bei ihrer Anhörung im November muss sie sich daher auf kritische Fragen gefasst machen. Mit: János Allenbach-Ammann
07.10.2024 – 17:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Hamas-Terror, Grenzkontrollen, EU-Solidaritätsfonds
Themen: Erklärung der Kommission zum Thema “Ein Jahr nach den Terroranschlägen der Hamas vom 7. Oktober”; Erklärung der Kommission zur Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen in einer Reihe von Mitgliedstaaten und ihre Auswirkungen auf den Schengen-Raum; kurze Vorstellung des Berichts zur Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union. Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 17:30 Uhr
Euro-Gruppe
Themen: Vorbereitung internationaler Treffen (einschließlich Wechselkursentwicklung). Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 19:00-20:00 Uhr
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
Themen: Abstimmung über den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2025; Abstimmung über die Einrichtung eines Kooperationsmechanismus für Ukraine-Darlehen und die
Bereitstellung einer außerordentlichen Makrofinanzhilfe für die Ukraine. Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 19:00-20:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI)
Themen: Meinungsaustausch mit István Nagy (Minister für Landwirtschaft, über die Prioritäten des ungarischen Vorsitzes im Rat der Europäischen Union im Bereich Landwirtschaft). Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 19:30-21:00 Uhr
Sitzung des Ausschusss für Verkehr und Tourismus (TRAN)
Themen: Abstimmung zur Nutzung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn im einheitlichen europäischen
Eisenbahnraum; Abstimmung zur Verwirklichung des einheitlichen europäischen Luftraums (Neufassung). Vorläufige Tagesordnung
07.10.2024 – 20:00-21:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
Themen: Vorstellung des Programms des Ratsvorsitzes. Vorläufige Tagesordnung
08.10.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Digitalisierung von Reisedokumenten. Vorläufige Tagesordnung
08.10.2024 – 09:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, Krise der Automobilindustrie, Situation im Sudan
Themen: Aussprache zur Vorbereitung des Europäischen Rates vom 17./18. Oktober 2024; Aussprache zur Krise der Automobilindustrie in der EU; Aussprache zur Situation im Sudan. Vorläufige Tagesordnung
08.10.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Themen: Wirtschaftliche Erholung in Europa; Gedankenaustausch über die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der russischen Aggression gegen die Ukraine; Annahme der Schlussfolgerungen zur Klimafinanzierung im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz 2024, COP29, vom 11. bis 22. November 2024. Vorläufige Tagesordnung
09.10.-10.10.2024
Informelle Ministertagung Beschäftigung, Sozialpolitik und Gesundheit
Themen: Überlegungen zum Arbeitskräftemangel und zur Mobilisierung des ungenutzten Arbeitskräftepotenzials im Kontext der demografischen Herausforderungen; Erörterung der wichtigsten Fragen der sozialen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen und Menschen mit veränderten Arbeitsfähigkeiten. Infos
09.10.2024 – 09:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Russische Einmischung, Besteuerung der Superreichen, Wohnraum
Themen: Aussprache zum Schwerpunktthema Arbeitsprogramm der ungarischen Ratspräsidentschaft, Aussprache zur Besteuerung der Superreichen, um Armut zu beenden und Ungleichheiten zu verringern (EU-Unterstützung für den Vorschlag der G20-Präsidentschaft); Erklärung der Kommission zum Thema nachhaltiger, angemessener und erschwinglicher Wohnraum in Europa. Vorläufige Tagesordnung
10.10.-11.10.2024
Rat der EU: Justiz und Inneres
Themen: Gedankenaustausch zur Erhöhung der Wirksamkeit der EU-Rückkehrpolitik; Sachstand zur vollständige Anwendung des Schengen-Besitzstands in Bulgarien und Rumänien; Gedankenaustausch zu den Folgen externer Konflikte und ihrer Auswirkungen auf die EU. Vorläufige Tagesordnung
10.10.2024 – 09:00-16:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Religiösen Intoleranz, Waldbrände im Amazonasgebiet
Themen: Erklärung der Kommission zur Zunahme der religiösen Intoleranz in Europa; Erklärung der Kommission zu den Folgen der verheerenden Waldbrände im Amazonasgebiet und die Bedeutung des Amazonasgebiets für den Klimawandel. Vorläufige Tagesordnung
10.10.2024 – 09:00-09:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Entwicklung (DEVE)
Themen: Abstimmung über die UN-Klimakonferenz 2024 in Baku, Aserbaidschan (COP29); Abstimmung über den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2025. Vorläufige Tagesordnung
Die Fraktionschefs haben bei den Kompetenzen der Ausschüsse für die Anhörungen der Kommissare noch Änderungen vorgenommen. So ist der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE) nicht mehr ein verantwortlicher Ausschuss bei der Anhörung von Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie. Der LIBE-Ausschuss ist nur noch eingeladener Ausschuss mit weniger Fragerechten. Außerdem fließt die Meinung des eingeladenen Ausschusses nicht in die Bewertung ein.
Sowohl bei Agrarkommissar Christophe Hansen als auch bei der Außenbeauftragten Kaja Kallas wurde der Umweltausschuss (ENVI) ebenfalls aus dem Co-Lead gestrichen und zu einem eingeladenen Ausschuss herabgestuft. Bei der Anhörung von Olivér Várhelyi, für Gesundheit und Tierschutz vorgeschlagen, wurde der Gleichstellungsausschuss (FEMM) komplett von der Anhörung ausgeschlossen. Insbesondere die Herabstufung von LIBE bei der Anhörung von Virkkunen war umstritten.
S&D und Grüne werfen EVP-Chef Manfred Weber vor, im Vorfeld Absprachen mit den beiden rechtsextremen Fraktionen getroffen zu haben. Dies sei ein Bruch des Cordon sanitaire. Die Fraktionschefs haben auch den ersten Teil des Zeitplans für die Anhörungen der künftigen Kommissare beschlossen; der zweite Teil des Zeitplans soll bei einer Sitzung nächste Woche in Straßburg beschlossen werden. mgr
Der Rechtsausschuss des Parlaments hält die Erklärungen von drei von 26 Bewerbern für die Kommissarsposten zu möglichen Interessenskonflikten für so unproblematisch, dass er bei ihnen keine weiteren Fragen mehr hat. Dabei handelt es sich dem Vernehmen nach um zwei Kommissare aus der christdemokratischen Parteienfamilie EVP sowie um den Ungarn Olivér Varhélyi, der aus der rechtsextremen Parteienfamilie der “Patrioten” kommt.
Bei den anderen 23 Kandidaten ist der Ausschuss nach der Überprüfung der Erklärungen in einer ersten Sitzung der Meinung, dass sie zu wenige Informationen gegeben haben. Daher wird der Ausschuss sie auffordern, die Angaben noch einmal zu ergänzen. Bei einigen Kommissaren ergeben sich zudem spezifische Nachfragen. Die Bewerber sollen nun weitere Angaben etwa zu Eigentum und Aktienbesitz machen, um mögliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit ihrem Portfolio auszuräumen.
Dem Vernehmen nach hat der Ausschuss aber bei keinem Bewerber grundsätzliche Bedenken, ihn zur Anhörung in den Fachausschüssen zuzulassen. 2019 hatte es bereits in der ersten Runde bei mehreren Bewerbern erhebliche Hinweise auf Interessenkonflikte gegeben. Der Rechtsausschuss tagt Montag und Donnerstag wieder, um die Prüfung abzuschließen. mgr
Nach der Ankündigung der Europäischen Kommission, den Start der neuen EU-Regeln für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr verschieben zu wollen, richtet sich der Blick auf Parlament und Rat. Sie müssen der Änderung zustimmen – voraussichtlich im Schnellverfahren, denn bis Dezember, dem bislang geplanten Start für die Verordnung, bleibt wenig Zeit. Im Parlament könnte direkt das Plenum abstimmen, statt zuerst der zuständige Ausschuss. Und Rat und Parlament können die Trilogverhandlungen auslassen, wenn beide den Kommissionsvorschlag ohne Änderungen mittragen.
Während viele Mitgliedstaaten einen Aufschub gefordert hatten, kommt aus dem Parlament Kritik. Die Verschiebung sei ein Trauerspiel, kommentiert etwa Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses. S&D-Schattenberichterstatterin Delara Burkhardt bemängelt, Ursula von der Leyen säge schon kurz nach Beginn ihrer zweiten Amtszeit am Green Deal. Die Kommissionspräsidentin hätte die Verzögerung verhindern können, ist sie überzeugt: “Sie hätte längst Umsetzungsleitlinien für betroffene Unternehmen, Behörden und Produzentenländer herausgeben können.” Dass von der Leyen die Leitlinien zurückhielt, habe für unnötige Verunsicherung bei allen Betroffenen gesorgt, sagt Burkhardt zu Table.Briefings.
Sollten im nun neu zu eröffnenden Gesetzgebungsverfahren neben der Änderung des Startdatums weitere Details des Gesetzes angefasst werden, kündigt Burkhardt Widerstand an. Eine reine Verschiebung wollen die Sozialdemokraten dagegen nicht blockieren. Wie die Grünen sich positionieren, ist noch unklar. Mit der Unterstützung der S&D dürfte es aber auch ohne die Grünen für eine Parlamentsmehrheit reichen.
Man werde alles dafür tun, dass die EVP das Gesetzgebungsverfahren nicht dafür ausnutzt, die Verordnung “zu einem zahnlosen Papiertiger zusammenschrumpfen zu lassen”, betont Burkhardt. Auch Cavazzini sieht insbesondere die EVP in der Pflicht: “Wir müssen jetzt sicherstellen, dass mit der Verschiebung nicht die Büchse der Pandora geöffnet und das Gesetz nicht abgeschwächt wird.”
Der EVP-Abgeordnete und Vorsitzende des Agrarausschusses, Herbert Dorfmann, sagte zu Table.Briefings, man wolle lediglich die Verschiebung im Schnellverfahren beschließen. Sonst bestehe die Gefahr, dass diese nicht rechtzeitig beschlossen würde. Er schließt jedoch nicht aus, in einem zweiten, späteren Gesetzgebungsverfahren auch inhaltliche Aspekte zu überarbeiten. Das komme darauf an, wie die Kommission die Umsetzungsrechtsakte ausgestaltet. “Bei einer vernünftigen Umsetzung müsste man nicht noch einmal ran“, so Dorfmann.
Während die EU-Kommission die lange erwarteten Leitlinien nun vorgelegt hat, stehen andere Elemente zur Umsetzung noch aus. Das Benchmarking, das jedem Land ein bestimmtes Entwaldungsrisiko zuweist, will sie bis zum 30. Juni 2025 vorlegen. Ab Dezember dieses Jahres soll das nötige IT-System in Betrieb sein.
Branchenverbände fordern weiterhin, den Inhalt der Verordnung zu ändern. So wollen der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Familienbetriebe Land und Forst, dass Länder mit geringem Entwaldungsrisiko wie Deutschland von den Regeln ausgenommen werden. Die Ampel-Koalition ist dazu gespalten: Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad sprach sich für eine “grundlegende Überarbeitung” aus, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dagegen. luk/jd
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht in umfassenden Berichtspflichten ein Problem für die deutsche Wirtschaft und fordert ein fundamentales Umdenken. Der Weg seien nicht einzelne Verbesserungen, “sondern die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen”, sagte Habeck auch mit Bezug auf das Lieferkettengesetz bei einem Unternehmertag des Außenhandelsverbands BGA am Mittwoch. “Wir haben uns eingebuddelt in einer Welt, wo am Ende die Richtigkeit der Berichtspflichten darüber entscheidet, wie wettbewerbsfähig ein Unternehmen ist.”
Bei Regularien wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Entwaldungsrichtlinie oder dem Lieferkettengesetz sei man “bei guter Intention völlig falsch abgebogen”. Die Wettbewerbsfähigkeit stehe in Deutschland unter Druck, betonte der Grünen-Politiker. Bei der Bürokratie müsse man energischer rangehen.
Habeck sprach sich dafür aus, den Unternehmerinnen und Unternehmern wieder mehr Eigenverantwortung zuzutrauen. Kein Unternehmen wolle Kinder- oder Sklavenarbeit in seinen Produkten. Es sei eine fundamentale Umkehr in der Logik notwendig: “Klare Regelgesetzgebung, aber keine Berichtspflichten, sondern an Regeln halten und im Zweifelsfall die Strafen dafür zu bezahlen, wenn man erwischt wird”, sagte Habeck.
Unterstützung bekam er von Olaf Scholz. Der Bundeskanzler sagte beim BGA: “Bei der ab 2025 einsetzenden Nachhaltigkeitsberichterstattung wollen wir den geplanten Umfang der Berichtspflichten nicht akzeptieren. Wir setzen uns deshalb bei der Europäischen Kommission dafür ein, die Vorgaben zum Inhalt der Berichterstattung deutlich zu reduzieren.”
Die Bundesregierung hatte in ihrer Wachstumsinitiative angekündigt, dass es bei der Umsetzung von Sorgfalts- und Berichtspflichten gelte, unverhältnismäßige Belastungen der Unternehmen zu vermeiden. Die Europäische Lieferkettenrichtlinie solle so bürokratiearm wie möglich umgesetzt werden. dpa
Die EU-Kommission will Ungarn erneut wegen mutmaßlicher Verstöße gegen europäisches Recht vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Grund sei diesmal das nationale Gesetz über die “Verteidigung der Souveränität”, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Sie sieht darin unter anderem Verstöße gegen Grundsätze der Demokratie, der freien Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit. Konkret geht es den Angaben zufolge auch um die Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht darauf, vertraulich mit Anwältinnen und Anwälten sprechen, beziehungsweise schreiben zu können.
Mit dem im Dezember verabschiedeten Gesetz wurde ein neues “Amt für Souveränitätsschutz” eingerichtet, das eventuelle Bedrohungen Ungarns aus dem Ausland überwachen soll. Das bereits geltende Verbot der Parteienfinanzierung aus dem Ausland wurde damit auf Vereine und andere Organisationen ausgeweitet. Verantwortlichen dieser Organisationen, die versuchen, Finanzquellen aus dem Ausland zu verschleiern, drohen zudem drei Jahre Freiheitsentzug.
“Das Gesetz verleiht dem Amt einen sehr weiten Ermessensspielraum für die Ermittlungen – insbesondere, was den Zugang zu Informationen betrifft -, und gestattet es dem Amt, in die Ermittlungstätigkeit anderer Behörden einzugreifen”, teilte die EU-Kommission mit. Die Befugnisse und der große Ermessensspielraum werden Folgen etwa für Nichtregierungsorganisationen, Medien und Journalisten haben und wohl nicht verhältnismäßig sein. dpa
Der Europäische Fiskalausschuss (European Fiscal Board, EFB) zeigt sich in seinem neuen Jahresbericht besorgt über gestiegene Nettoausgaben, insbesondere Sozial-Ausgaben. Den Bericht hat das unabhängige Beratungsgremium der Kommission am Mittwoch vorgestellt. Der Europäische Fiskalausschuss fordert von der EU-Kommission eine konsequentere Anwendung der Fiskalregeln und regt an, dass die EU europäische öffentliche Güter wie transnationale Infrastrukturinvestitionen und Verteidigungsausgaben vermehrt auf europäischer Ebene finanzieren soll.
In den vergangenen drei Jahren sind die Nettoausgaben in der ganzen EU stark gestiegen, warnt das fünfköpfige EFB in seinem achten Jahresbericht. Außergewöhnliche Ausgaben, die mit der Covid-Pandemie 2020 und mit der Energie-Krise 2022 zu tun hatten, sind 2023 zwar zurückgegangen. Stattdessen stiegen im vergangenen Jahr andere Ausgaben: Das EFB hob insbesondere gestiegene Sozialausgaben hervor.
Im Gegensatz zu anderen Jahren waren es 2023 vor allem die Länder mit relativ niedrigen Schuldenständen, deren Nettoausgaben am stärksten gestiegen sind. Einer der Gründe dafür sind die gewachsenen Verteidigungsausgaben von Ost- und Mitteleuropäischen Staaten. Viele von ihnen haben Schuldenstände unter 60 Prozent des BIPs und ihre Verteidigungsausgaben seit der russischen Invasion in der Ukraine drastisch aufgestockt.
Das EFB sieht den Grund für die gestiegenen Ausgaben unter anderem darin, dass die Ausnahmeklausel (General Escape Clause) der Fiskalregeln angewendet wurde. “In diesem Umfeld wurde den steigenden Nettoausgaben wenig Beachtung geschenkt”, sagte der dänische EFB-Vorsitzende Niels Thygesen. Die Kommission habe die Ausnahmeklausel zu lange angewandt. Schon Ende 2021 sei der “starke Konjunkturabschwung”, der die Anwendung der Ausgleichsklausel gerechtfertigt hatte, streng genommen schon vorbei gewesen, so Thygesen. Trotzdem habe die Kommission sie auch 2022 und 2023 angewandt.
Über die neuen Fiskalregeln äußerte sich das EFB verhalten positiv. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sei sehr gut gewesen, aber die Mitgliedstaaten hätten die Regeln wieder übermäßig verkompliziert. Insgesamt sei die Reform dennoch “definitiv eine Verbesserung”, sagte Thygesen.
Wichtig ist laut EFB, dass die Kommission die Regeln nun konsequent anwendet. Diesbezüglich kritisiert der Jahresbericht, dass die Kommission diesen Sommer kein Defizitverfahren gegen Spanien anstrengte, obwohl Spanien die 3-Prozent-Defizitgrenze 2023 übertraf. Auch dass die EU-Kommission ihre Politikempfehlungen an die Mitgliedstaaten in einem Defizitverfahren noch nicht versandt hat – und dies erst für Mitte November vorsieht – dürfe sich nicht wiederholen, warnte Thygesen.
Während das EFB tendenziell auf eine vorsichtige, ausgabenkritische Fiskalpolitik setzt, strebt es auch eine Diskussion über mehr Finanzierung auf EU-Ebene an. “Die Bereitstellung von mehr europäischen öffentlichen Gütern durch eine europäische Dimension wird notwendig werden, durch nationale, aber auch gemeinsame EU-Anstrengungen, um die vielen künftigen Herausforderungen zu meistern”, sagte Thygesen.
Explizit nannten er und seine Co-Autoren die Bemühungen gegen den Klimawandel – zum Beispiel Elektrizitätsnetze – und Verteidigung. Thygesen regte an, die Diskussion um eine verstärkte gemeinsame Finanzierung, 2025 wieder aufzunehmen, weil die Kommission im kommenden Sommer auch einen ersten Entwurf für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) präsentieren wird. Gleichzeitig sagte er aber auch, dass der neue MFR, der erst 2028 beginnt, für viele kritische Bereiche zu spät komme.
Das niederländische EFB-Mitglied Roel Beetsma sagte, dass der Druck steigen werde, Aufgaben zentral zu finanzieren. Als Optionen, die vor 2028 umgesetzt werden könnten, nannte er die bisher unausgeschöpften Teile des NGEU-Fonds und die aktuell ungenutzte Finanzkapazität des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Der Jahresbericht 2024 war der letzte unter der aktuellen Besetzung des EBF. Das Personal des Beratungsgremiums, das Niels Thygesen seit 2016 leitet, wird komplett ausgewechselt. Noch ist unklar, wer die Nachfolge antreten wird. jaa
Der deutsche Europapolitiker Engin Eroglu ist neuer Vorsitzender der China-Delegation des Europaparlaments. Eroglu (Freie Wähler) wurde am Donnerstag in das Amt gewählt. Eroglu ist stellvertretender Bundesvorsitzer und Landesvorsitzender der Freien Wähler in Hessen und seit 2019 für die Partei im Europaparlament. Er hat sich in der Vergangenheit deutlich gegen Menschenrechtsverletzungen in China ausgesprochen. Im Frühjahr dieses Jahres wurde bekannt, dass Eroglu Ziel einer chinesischen Cyberattacke war.
“Die China-Delegation ist eine der wichtigsten Delegationen des Parlaments, und als ihr Vorsitzender werde ich natürlich daran arbeiten, die China-Diskussion im Parlament mitzugestalten”, sagte Eroglu Table.Briefings. In den vergangenen Jahren habe das Parlament eine wichtige Rolle in der Brüsseler China-Diskussion gespielt. “Eine unserer Aufgaben wird es sein, unsere China-Kompetenz weiter zu schärfen und auszubauen.”
Als Stellvertreterin wurde Markéta Gregorová von der tschechischen Piratenpartei gewählt. Gregorová ist Mitinitiatorin der Taiwan-Freundschaftsgruppe des EU-Parlaments und sitzt auch im Handelsausschuss. Ebenfalls stellvertretender Vorsitzender ist der deutsche SPD-Europapolitiker René Repasi. Repasi war bereits in der vergangenen Amtsperiode stellvertretender Vorsitzender der Delegation. Er ist auch Vorsitzender der deutschen SPD-Abgeordneten im Europaparlament. Die China-Delegation besteht aus 38 Vollmitgliedern. Derzeit reist das Gremium nicht in die Volksrepublik, da einige Mitglieder noch unter chinesischen Sanktionen stehen. ari
Tiktok, die Kurzvideo-App des chinesischen Techriesen Bytedance, muss der EU-Kommission Fragen über dessen Algorithmen und Empfehlungssysteme beantworten. Die Anfrage richte sich auch an die US-Plattformen YouTube und Snapchat, hieß es in einer Erklärung am Mittwoch. Demnach will die Brüsseler Behörde wissen, welche Sicherheitsvorkehrungen die Plattformen treffen, um die Verbreitung schädlicher Inhalte zu verhindern. Ein hochrangiger EU-Beamter bezeichnete die Untersuchung als “Weckruf für die Plattformen”, ihr Verhalten zu ändern – etwa, indem sie den Nutzern erlauben, bestimmte Arten von Videos zu verbergen.
In der Untersuchung geht es auch um die Frage, ob gefährdeten Menschen Inhalte, die Essstörungen, Depressionen und Drogenmissbrauch verherrlichen, sowie Fake News vorgeschlagen werden. Auch die Auswirkungen von Funktionen wie Autoplay und Endlos-Scrolling sollen untersucht werden. Die Kommission will außerdem von Tiktok wissen, “was das Unternehmen bisher getan hat, um Menschen davor abzuhalten, die App zu missbrauchen und die Risiken im Zusammenhang mit Wahlen und dem zivilen Diskurs zu minimieren”. Als Strafe könnten die Tech-Giganten mit Geldstrafen belegt werden.
Die Anfrage basiert auf dem Digital Services Act (DSA). Die EU hatte im Frühjahr bereits gegen Tiktok formelle Ermittlungen eingeleitet, weil das Unternehmen mutmaßlich nicht genug für den Jugendschutz tue. Auch hier stand das Empfehlungssystem im Mittelpunkt. Im Sommer dieses Jahres zog Tiktok nach Druck aus Brüssel das umstrittene Bonusprogramm “Tiktok Lite Rewards” zurück. Mit dem Reward-Programm belohnte Tiktok Content-Interaktionen mit virtueller Währung, die gegen echte Gutscheine eintauschbar war. Die EU-Kommission argumentierte unter anderem, dass das Programm süchtig machen könne. mcl
Dan Jørgensen kann Politik ordentlich verkaufen, sagt Linda Kalcher über den designierten Energiekommissar aus Dänemark. Kalcher ist Gründerin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives und kennt Jørgensen noch aus seiner Zeit als Europaabgeordneter. Sein Netzwerk reicht weit über die europäischen Grenzen hinaus, weshalb Jørgensen dem Portfolio womöglich eine stärkere Außenwirkung verpassen könnte.
Als Energiekommissar wird es seine Aufgabe sein, die Energieunion Europas zu vollenden und unabhängig von russischen Energielieferungen zu machen. Er soll die Netzinfrastruktur modernisieren und die Energiepreise senken, was sowohl Verbrauchern zugutekäme als auch die Industrie international wettbewerbsfähiger machen würde. Keine leichten Aufgaben, doch Jørgensen hat Erfahrung mit komplizierten Herausforderungen im Energiebereich.
Als Entwicklungsminister Dänemarks hat er Europas internationalen Energiepartnerschaften mitverantwortet. Zuvor als Klima- und Energieminister gründete er gemeinsam mit Costa Rica die Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) während der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26), um die Abkehr von fossilen Energieträgern in Industrie- und Entwicklungsländern voranzutreiben. Bei der COP28 in Dubai verhandelte er für Dänemark im Verbund mit den anderen europäischen Ministern sogar die Abkehr von fossilen Brennstoffen in das Abschlussdokument der Konferenz.
In seiner neuen Rolle wird Jørgensen eher in die EU hinein agieren müssen, statt nach außen. Doch unkomplizierter wird es dadurch keineswegs. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihm auch aufgetragen, den Hochlauf kleiner modularer Kernreaktoren (SMR) sowie der Verpressung und Lagerung von CO₂ (CCS) voranzutreiben. Vor allem die Nutzung und Förderung der Kernenergie sind in Europa heftig umstritten. Jørgensen wird vermitteln müssen, insbesondere zwischen Paris und Berlin. In der Vergangenheit hat er bereits bewiesen, dass er in der Broker-Rolle auch Ergebnisse erzielt.
Auf ministerieller Ebene leitete er im Vorfeld der COP28 in Dubai die Gespräche zum Global Stocktake, dem wichtigsten Text der letzten Klimakonferenz. Bis zu seiner Nominierung als EU-Kommissar agierte er zudem als Vermittler für das neue globale Klimafinanzziel, das wichtigste Dokument der nächsten COP in Baku. Die Krux bei diesen Vermittlerrollen – im COP-Jargon Facilitator genannt – ist es, zwischen sich diametral gegenüberstehenden Positionen zu vermitteln. “Das hat Jørgensen immer gut gemacht”, bescheinigt Kalcher. Er ist kommunikativ, spricht mit allen Seiten und setzt sich für Lösungen ein. Etwas, wofür seine Vorgängerin Kadri Simson nicht gerade bekannt war. Zudem sei er ein Arbeitstier, sagt Kalcher. “Er beginnt morgens um 6 und abends um 11 ist er erst fertig.”
Weniger vertraut ist er mit dem zweiten Teil seines Portfolios. Jørgensen ist auch Wohnungskommissar. Bezahlbarer Wohnraum, geringere Baukosten und der Aufbau einer paneuropäischen Investitionsplattform gehören dort zu seinen Aufgabenbereichen. Er wird sich einarbeiten müssen. Auch die Umsetzung der Pläne von der Leyens erfordert viel Geschick mit den Kompetenzen der europäischen Institutionen. Denn die Städtebau- und Wohnungspolitik liegt in der Hand der Mitgliedstaaten.
Jørgensen wird vor allem mit der designierten Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera und Klimakommissar Wopke Hoekstra zusammenarbeiten. Beide kennt er gut. “Sie können gut miteinander”, sagt Kalcher. Bei der COP28 in Dubai verhandelten sie Seite an Seite für Europa. In Brüssel sollen sie nun gemeinsam an der Dekarbonisierung der europäischen Industrie arbeiten. Jørgensen wird Pläne für bezahlbare Energiepreise und die Elektrifizierung und Versorgung der Industrie mit sauberer Energie ausarbeiten müssen. Lukas Knigge