Table.Briefing: Europe

Belgiens Pläne im Rat + Neuer Außenminister in Frankreich + Outbound Investment kommt wohl nicht

Liebe Leserin, lieber Leser,

am 24. Januar will die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket zur Wirtschaftssicherheit vorstellen. Das mit größter Spannung erwartete Element aber wird aller Voraussicht nach fehlen: der eigentlich angekündigte Gesetzesvorschlag zum sogenannten Outbound Investment Screening. Stattdessen werde es bei einem unverbindlichen Weißbuch bleiben, heißt es in Brüssel.

Die Kommission hatte in ihrem Strategiepapier im Juni die Sorge geäußert, dass nicht nur durch Exporte, sondern auch durch Investitionen europäischer Unternehmen Knowhow über sicherheitsrelevante Technologien in Drittländer abfließen könnte. Daher kündigte sie einen Vorschlag an, wie Auslandsinvestitionen in bestimmten Technologiefeldern wie Künstliche Intelligenz, Halbleitertechnik und Quantencomputing kontrolliert werden sollten. Unternehmen müssten dann geplante Investments bei staatlichen Stellen melden. Gerade China wurde in diesem Kontext oft genannt.

Die US-Regierung drängte die Europäer zu einem solchen Schritt. US-Präsident Joe Biden hat im Sommer Kontrollen von US-Auslandsinvestitionen, etwa in der Mikroelektronik, angeordnet und sucht Verbündete.  Doch die EU-Kommission stieß bei ihren Konsultationen zu den Plänen auf breiten Widerstand in der Wirtschaft und in vielen Mitgliedstaaten. Die Verbände kritisierten die Einschränkungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und neue Bürokratie. Dem Vernehmen nach beugt sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun diesem Druck.

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Till Hoppe
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Analyse

Start der Ratspräsidentschaft: Belgien will Fundamente für größere und stärkere EU legen

“Protect, strengthen, prepare – Schützen, Stärken, Vorausschauen”: Unter dieses Motto hat Belgien seine sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft gestellt. Die bis 2030 geplante Erweiterung um die Ukraine, Moldau und weitere Länder etwa auf dem Westbalkan soll die Europäische Union größer und stärker machen, heißt es im Programm des neuen Ratsvorsitzes.

Der langwierige und komplizierte Beitrittsprozess könnte die Union zunächst jedoch schwächen und lähmen. Denn jeder Schritt muss von allen 27 EU-Staaten einstimmig gebilligt werden. Zudem ist die EU selbst nicht auf die Erweiterung vorbereitet; sie muss noch einige strittige und teure Reformen auf den Weg bringen und umsetzen.

Der belgische Ratsvorsitz steht nun vor der schwierigen Aufgabe, beide Prozesse in Gang zu bringen: Die im Dezember beschlossenen Beitrittsverhandlungen, die zunächst mit der Ukraine und Moldau geplant sind, aber auch die EU-Reformen. Wenige Wochen nach dem EU-Gipfel im Dezember 2023 nimmt der Fahrplan nun langsam Gestalt an.

Die Erweiterung steht ab März auf der Agenda

Zunächst werde man sich um die noch ausstehenden EU-Gesetze kümmern, kündigte der belgische Ständige Vertreter Willem Van de Voorde in Brüssel an. Erst ab März will der neue Ratsvorsitz die Erweiterung angehen. Für die Ukraine und Moldau beginne dann die “operative Phase” der Beitrittsgespräche. Sie ist mit vielen Hürden verbunden.

Zunächst müssen beide Länder noch ausstehende Reformen umsetzen. Für die Ukraine hat die EU-Kommission sieben Vorbedingungen formuliert, von denen vier bereits erfüllt sind. Ganz oben auf der To-do-Liste stehen:

  • der Kampf gegen die Korruption (eine Daueraufgabe, vor allem auf höchster Ebene),
  • die Implementierung eines Anti-Oligarchen-Gesetzes
  • sowie die Umsetzung von Empfehlungen der Venedig-Kommission zum Schutz nationaler Minderheiten.

Im März will die Brüsseler Behörde einen Bericht über die Umsetzung der Reformen und die Erfüllung der Vorbedingungen vorlegen. Wenn er positiv ausfällt und sich die EU-Staaten auf einen Verhandlungsrahmen einigen, können die eigentlichen Beitrittsgespräche beginnen. Auch für den Start der sogenannten Beitrittskonferenz sei ein einstimmiger Beschluss des Rates nötig, sagte Van de Voorde.

Ungarn kann den Start verzögern

Dies gibt vor allem Ungarn die Möglichkeit, den Start zu verzögern. Da auch die Öffnung und Schließung der insgesamt 35 Beitrittskapitel im Konsens geschehen muss, könnte Ministerpräsident Viktor Orbán insgesamt noch 70-mal ein Veto einlegen. Dass er sich beim EU-Gipfel im Dezember enthalten habe, sei keine Garantie dafür, dass die Verhandlungen störungsfrei ablaufen, heißt es in Brüssel.

Der belgische Ratsvorsitz lässt sich davon jedoch nicht entmutigen – im Gegenteil: Er macht Dampf. “Viktor Orbán hat verstanden, dass es auch bei der Blockade ein Limit gibt”, gibt sich Van de Voorde optimistisch. Belgien werde sich um zügige Verhandlungen bemühen und zugleich die EU-Reform angehen. Der belgische Fahrplan zur inneren Erneuerung fällt jedoch vergleichsweise vage aus.

Roadmap für Reformen kommt im Juni

Erst im Juni, nach intensiven Konsultationen, will Belgien eine “Roadmap” für mögliche Reformen vorlegen. Dabei geht es nicht – wie früher bei der Erweiterung üblich – um eine “Vertiefung” der EU und ihrer Institutionen, sondern vor allem um die Sicherung ihrer Handlungsfähigkeit. Alte und neue Mitglieder sollen die EU nicht lähmen, sondern wenn möglich sogar noch schlagkräftiger machen.

Allerdings haben die 27 schon jetzt große Mühe, die selbst geweckten Erwartungen zu erfüllen. So ist die EU bei ihrem letzten Gipfel mit dem Versuch gescheitert, den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) zu ergänzen und 50 Milliarden Euro für die Ukraine freizugeben. Orbán hat ein Veto eingelegt – nun soll es ein Sondergipfel am 1. Februar richten. Wenn der ungarische Ministerpräsident erneut “Nein” sagt, droht Ärger.

Streit ums Geld dürfte es aber auch ohne Orbán geben. Schon jetzt ist klar, dass das Budget ausgeweitet werden muss, wenn die Erweiterung kommt. Falls neun Länder beitreten sollten (neben der Ukraine und Moldau auch Georgien sowie sechs Balkanstaaten), so müsste der MFR um 256,8 Milliarden Euro aufgestockt werden, heißt es in einer EU-internen Studie, aus der die Financial Times zitiert.

Der belgische Ratsvorsitz macht sich diese Zahl zwar nicht zu eigen. Premierminister Alexander De Croo hat sich jedoch bereits für ein höheres EU-Budget ausgesprochen, das teilweise durch neue Eigenmittel finanziert werden soll. In einem Interview mit Le Soir mahnte er auch neue Prioritäten an. Es sei schwer zu erklären, dass das meiste Geld in die Kohäsion und in die Landwirtschaft geht, sagte der liberale Politiker.

Belgier legen sich mit den Sparsamen an

Damit legt sich De Croo mit Ländern wie Frankreich und Italien, aber auch mit “frugalen” (sparsamen) Staaten wie den Niederlanden oder Deutschland an. Mit Entscheidungen zum künftigen MFR wird während der belgischen Präsidentschaft allerdings nicht mehr gerechnet. Am Ende soll vielmehr eine “strategische Agenda” stehen, mit der die Prioritäten für die nächsten Jahre festgezurrt werden.

Die Erweiterung und die EU-Reform dürften dabei ganz weit oben stehen. Der belgische Ratsvorsitz will bis Juni die Fundamente für eine größere und stärkere EU legen, die Umsetzung dürfte erst danach folgen – unter ungarischem Vorsitz, ausgerechnet.

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AI Act: Der mühsam gefundene Kompromiss ist in Gefahr

Die Einigung über den AI Act hat doch nicht das vom Parlament gewünschte Ergebnis gebracht. Vor allem die FDP, allen voran Schattenberichterstatterin Svenja Hahn, lehnen die im aktuellen Gesetzestext vorgesehene Einigung über das umstrittene Thema biometrische Erkennung im öffentlichen Raum ab. Es sei “unsäglich”, dass die spanische Ratspräsidentschaft dafür gesorgt habe, dass der finale Gesetzestext in entscheidenden Punkten nicht mehr der Trilog-Einigung entspreche, findet Hahn.

Zu diesem “Missverständnis” konnte es kommen, weil die Einigung nach dem Verhandlungsmarathon in der Nacht zum 9. Dezember auf der Basis mündlicher Absprachen erfolgte. Den entsprechenden Text, der Table.Media in Auszügen vorliegt, erhielten die Beteiligten erst am 21. Dezember schriftlich. Die Berichterstatter Dragoș Tudorache (Renew) und Brando Benifei (S&D) hatten im entscheidenden Moment offenbar nicht nachdrücklich genug die Schriftform gefordert.

Die Diskussion über die biometrische Erkennung im öffentlichen Raum hatte bei der Verhandlung den größten Teil der Zeit beansprucht. Das Parlament wollte die biometrische Erkennung in Echtzeit vollständig verbieten und die nachgelagerte nur unter hohen Hürden und nur für schwere Straftaten zulassen.

FDP und NGOs sehen Bürgerrechte verletzt

In der jetzigen Textfassung bleibt es nach Hahns Auffassung hingegen unklar, ab wann eine biometrische Identifizierung nicht mehr als “Echtzeit”, sondern als “nachgelagert” gilt. Auch von den sehr engen Bedingungen für den Einsatz wie einem vorherigen Richtervorbehalt sei kaum etwas geblieben. Hahn sieht darin eine Bedrohung der Bürgerrechte. Banalste Ordnungswidrigkeiten könnten so mittels Gesichtserkennung verfolgt werden.

Das sieht auch die Organisation European Digital Rights (EDRi) so. “Wir haben das Thema biometrische Erkennung im öffentlichen Raum seit Jahren in den Mitgliedstaaten beobachtet und gesehen, dass diese die Grenzen immer weiter hinausschieben“, sagt Ella Jakubowska, Senior Policy Advisor bei EDRi, zu Table.Media. “Wir sahen im AI Act eine Möglichkeit, dies einzudämmen, dank der starken Position des Parlaments.” Frankreich etwa will die Technologie bei den Olympischen Spielen einsetzen.

Doch nun hätten die Regierungen einen Freifahrtschein erhalten, “aus unseren Gesichtern und Körpern wandelnde Barcodes zu machen“. Regierungen überall auf der Welt könnten die EU als Beispiel nehmen, dass biometrische Überwachung im öffentlichen Raum okay sei. “Dabei haben derart tiefgreifende Eingriffe in die Privatsphäre keinen Platz in einer demokratischen Gesellschaft”, meint Jakubowska.

Polizei setzt Gesichtserkennung bereits ein

EDRi hat entsprechende Beispiele aus der Vergangenheit gesammelt, die zeigen sollen, was künftig möglich sein wird, sollte der AI Act in der nun vorliegenden Fassung kommen. Zwei dieser Beispiele:

  • Nach dem G20-Gipfel 2017 in Deutschland nutzte die Hamburger Polizei eine Gesichtserkennungssoftware, um Videoüberwachungsaufnahmen, Pressefotos sowie private Bilder und Videos zu scannen, um Demonstranten zu identifizieren. Es folgte zwar ein dreijähriger Rechtsstreit zwischen der Polizei und der Hamburger Datenschutzbehörde. Doch Artikel 29 Absatz 6a des KI-Gesetzes würde eine solche Verwendung nicht verhindern, meint EDRi. Das könne die Entscheidung der Datenschutzbehörde untergraben und die nachträgliche biometrische Erkennung von Demonstranten legitimieren, was im Widerspruch zum Datenschutzrecht stehe.
  • In zwei EU-Ländern, Malta und Polen, ist der Zugang zu reproduktiver Gesundheitspflege wie Abtreibung kriminalisiert. Nach dem AI Act könnte selbst die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs als Rechtfertigung für den Einsatz von biometrischer Erkennung dienen, warnt EDRi.

Abstimmung über AI Act ist kein Selbstläufer

Könnte der AI Act also bei der Abstimmung im Parlament wegen der Regelung zur biometrischen Erkennung noch scheitern? Die anderen Parteien sind derzeit nicht bereit, den Kompromiss wegen Artikel 29 Absatz 6a wieder aufzubrechen. So wie es jetzt aussieht, wird die FDP das Gesetz bei der Abstimmung jedoch ablehnen. Allerdings gilt das nicht für die gesamte Renew-Fraktion, zu der unter anderem auch der Berichterstatter Dragoș Tudorache gehört. Gleiches gilt für S&D. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bürgerrechtlich orientierte Parlamentarier auch aus diesen Fraktionen das Gesetz am Ende ablehnen.

Auch im Rat könnte es Widerstand geben. Gerüchte, die Bundesregierung habe der spanischen Ratspräsidentschaft einen Brief geschrieben, in dem sie den Kompromiss ablehnte, dementierten sowohl das federführende Bundeswirtschafts- als auch Volker Wissings Digitalministerium. Dennoch ist offen, ob Deutschland den Kompromiss annimmt. Zu viele Ministerien mit unterschiedlichen Sichtweisen wollen ein Wörtchen mitreden, auch Innenministerin Nancy Faser und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke.

Widerspruch aus Frankreich

Zwar steht im Koalitionsvertrag: “Biometrische Erkennung im öffentlichen Raum sowie automatisierte staatliche Scoring Systeme durch KI sind europarechtlich auszuschließen.” Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass die Bundesregierung den Kompromiss an dieser Stelle scheitern lässt.

Wissing zum Beispiel könnte sein Veto einlegen bei der fast ebenso strittigen Entscheidung, wie Allzweck-KI-Modelle (GPAI Models) zu regulieren sind. Hier könnte auch Widerstand aus Frankreich kommen. Präsident Emmanuel Macron hat keinen Hehl daraus gemacht, dass ihm der Kompromiss nicht passt. Er sagte, das Gesetz berge die Gefahr, dass europäische Technologieunternehmen hinter denen aus den USA und China zurückblieben.

Bundesregierung hat wenig Zeit zur Meinungsbildung

Wie die Bundesregierung die verschiedenen Interessen unter einen Hut bringen will, ist offen. Sie will zunächst den Text prüfen. Der liegt ihr offiziell aber noch gar nicht vor, da die Details zurzeit in den technischen Verhandlungen noch finalisiert werden. Die belgische Ratspräsidentschaft plant, den Text am 19. Januar zu versenden. Dann bleibt wenig Zeit zur Prüfung, denn bereits am 24. Januar, sollen die Ständigen Vertreter Position beziehen.

Geben diese ihre Zustimmung, haben die Juristen und juristischen Linguisten noch einige Wochen Zeit, den Text korrekt in alle 24 Amtssprechen der EU zu übersetzen. Ende Februar oder Anfang März könnten dann die Abstimmungen im Plenum und im Rat stattfinden.  

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Sezessionspläne der Republika Srpska sind “ernsthafte Bedrohung für Investitionen und den EU-Integrationsprozess in Bosnien”

Eine Woche vor Beginn eines Prozesses gegen den Präsidenten der bosnisch-serbischen Republika Srpska, Milorad Dodik, erhöht die internationale Gemeinschaft den Druck auf den sezessionistischen Politiker. Der hatte am Dienstag trotz Warnungen des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, anlässlich des Gründungstags der bosnisch-serbischen Republika Srpksa (RS) eine Polizeiparade und einen sogenannten “Ehrenmarsch” durchführen lassen.

Rund 3.400 Polizisten, Veteranen des Bosnien-Krieges, dem zwischen 1992 und 1995 rund 100.000 Menschen zum Opfer fielen, marschierten durch Banja Luka. Anders als angekündigt, nahm der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nicht an dem Aufmarsch teil. Unter den Gästen befand sich der Generalstabschef der serbischen Streitkräfte, Milan Mojsilović. Er hatte vor zwei Jahren Vinko Padurević, einem vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Beihilfe zum Völkermord in Srebrenica verurteilten serbischen Offizier, den serbischen Armeeverdienstorden verliehen.

Unterstützung aus Belgrad

In der serbischen Hauptstadt Belgrad ließ der im Dezember wiedergewählte serbische Präsident Aleksandar Vučić am Dienstagabend synchron zur Veranstaltung in Banja Luka ein Feuerwerk veranstalten, um seine Unterstützung für die Feierlichkeiten zum Tag der Republika Srpska zum Ausdruck zu bringen. Belgrad unterstützte das Dayton-Friedensabkommen und die territoriale Integrität Bosnien-Herzegowinas, ließ Vučić in seiner Gratulation laut Medienberichten wissen, widersetze sich jedoch einer “Abschaffung oder Erniedrigung der Republika Srpska”.

Die Europäische Kommission bekräftigte am Dienstag ihre Kritik am Vorgehen Dodiks. Seit Jahren droht er mit der Sezession der kleineren der beiden bosnischen Teilrepubliken vom Gesamtstaat. “Was die Rechtmäßigkeit des ‘Tages der Republika Srpska’ betrifft, so hat das Verfassungsgericht des Landes bereits zweimal, 2015 und 2019, entschieden, dass die Gesetzgebung in der Republika Srpska über den ‘Tag der Republika Srpska’ nicht mit der Verfassung von Bosnien-Herzegowina im Einklang steht”, sagte Peter Stano, Kommissionssprecher für Außenbeziehungen.

Europäische Kommission droht mit Konsequenzen

“Die Europäische Union hat immer betont, dass die Souveränität, die territoriale Integrität, die verfassungsmäßige Ordnung und die internationale Persönlichkeit Bosnien-Herzegowinas gewahrt werden müssen”, so Stano weiter. Jede Handlung, die gegen diese Grundsätze verstößt, werde ernste Konsequenzen nach sich ziehen. Bosnien-Herzegowina ist seit Dezember 2022 offizieller EU-Beitrittskandidat, wird aber durch das Vorgehen Dodiks an Fortschritten ebenso gehindert wie durch Verzögerungen bei Verfassungs-, Justiz- und Wahlreformen. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten im Dezember erklärt, dass Beitrittsgespräche eröffnet werden, “sobald das erforderliche Maß an Übereinstimmung mit den Beitrittskriterien erreicht ist”.

Bereits bei den Feierlichkeiten zum Gründungstag der RS vor einem Jahr hatte Dodik den Westen provoziert: Er ließ die administrativen Übergänge zwischen der bosnisch-serbischen Entität und der muslimisch-kroatischen Föderation mit gepanzerten Fahrzeugen blockieren. Als die Republika Srpska im Januar 1992 am Vorabend des Kriegs gegründet wurde, befanden sich drei bosnisch-serbische Politiker an ihrer Spitze – Radovan Karadzić, Biljana Plavšić und Momcilo Krajišnik -, die später vom UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien verurteilt wurden.

US-Botschaft solidarisch gegen Sezessionsbestrebungen

Am Vorabend der Feierlichkeiten flogen F-16-Kampfjets der USA demonstrativ über den Norden Bosnien-Herzegowinas. Die US-Botschaft in Sarajewo forderte eine Untersuchung der Feierlichkeiten und erklärte, sie werde “nicht zögern”, auf Handlungen zu reagieren, die gegen das 1995 von den USA vermittelte Friedensabkommen verstoßen. Der Einsatz der F-16-Kampfflieger war Teil eines bilateralen Luft-Boden-Manövers mit der bosnischen Armee, das, so die US-Botschaft, “das Engagement der USA zur Wahrung der territorialen Integrität Bosnien-Herzegowinas angesichts von Anti-Dayton- und Sezessionsbestrebungen” zeige.

Der Streit über die Gedenkfeier kommt weniger als einen Monat, nachdem Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) festgestellt hatten, dass Tausende von Wählern aus Bosnien und Herzegowina eingeschleust worden waren, um bei den jüngsten serbischen Wahlen illegal ihre Stimmen abzugeben.

Prozess gegen Dodik am 17. Januar

Am Mittwoch verurteilte auch Christian Schmidt die Feierlichkeiten und nationalistische Äußerungen bosnisch-serbischer Politiker. “Solche Maßnahmen gefährden nicht nur die Sicherheit und das Wohlergehen der Rückkehrer, sondern stellen auch eine ernsthafte Bedrohung für Investitionen, den EU-Integrationsprozess und den allgemeinen Wohlstand des ganzen Landes dar.”

Dodik muss sich kommende Woche vor Gericht verantworten, weil er im August Gesetze erlassen hatte, die gegen Entscheidung des Verfassungsgerichts und des Hohen Repräsentanten verstoßen. Das Verfahren war im Dezember verschoben worden, weil Dodik verlangt hatte, es in Banja Luka abhalten zu lassen – mit Verweis auf politische Manipulationen, die ihm bei einem Prozess in Sarajevo drohten. Das lehnte das Gericht nun ab und wird kommende Woche prüfen, ob der seit Jahren im Clinch mit Schmidt liegende Dodik gegen die Bestimmungen des Dayton-Friedensvertrags von 1995 verstoßen hat.

Die kurz danach verabschiedeten sogenannten “Bonn Powers” räumen dem Hohen Repräsentanten unter anderem das Recht ein, Politiker und Amtsinhaber, die das Dayton-Abkommen untergraben, abzusetzen und Gesetze zu erlassen sowie illegale Paraden zu verbieten. Alexander Rhotert

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EU-Monitoring

15.01.-16.01.2024
Informelle Tagung der Umweltminister
Themen: Anpassung und Resilienz, Kreislaufwirtschaft, gerechter Übergang. Vorläufige Tagesordnung

15.01.2024 – 15:00 Uhr
Euro-Gruppe
Themen: Artikel IV des IWF: Mission im Euro-Währungsgebiet, Empfehlung zum Euroraum 2024, Wettbewerbsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets: Entwicklung der Energiepreise im Euro-Währungsgebiet, Auswirkungen auf die Wirtschaft des Euroraums und politische Reaktionen, Arbeitsprogramm der Eurogruppe für I/2024. Vorläufige Tagesordnung

15.01.2024 – 17:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Gasemissionen
Themen: Gemeinsame Aussprache zu Gasemissionen (Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, Verordnung über fluorierte Gase). Vorläufige Tagesordnung

15.01.2024 – 19:00-20:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE)
Themen: Net Zero Industry Act, Abstimmung über die Trilogergebnisse zum Strommarktdesign und zur REMIT-Verordnung. Vorläufige Tagesordnung

16.01.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Überarbeitung der Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat. Vorläufige Tagesordnung

16.01.2024 – 09:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Belgischer Ratsvorsitz, Elektrische Luftfahrt, GASP und GSVP
Themen: Erklärungen des Rates und der Kommission zur Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des belgischen Ratsvorsitzes, Abstimmung zur elektrischen Luftfahrt (eine Lösung für Kurz- und Mittelstreckenflüge), Gemeinsame Aussprache zu GASP und GSVP. Vorläufige Tagesordnung

16.01.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Themen: Gedankenaustausch zum Arbeitsprogramm des belgischen Vorsitzes, Gedankenaustausch zu den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine, Leitlinien für die weitere Arbeit für das Treffen der Finanzminister und G20-Zentralbankpräsidenten vom 26. bis 29. Februar 2024. Vorläufige Tagesordnung

17.01.2024 – 09:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, EU-Strategie Zentralasien
Themen: Aussprache zu den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 14. und 15. Dezember 2023, Abstimmung zu den Sicherheits- und verteidigungspolitischen Auswirkungen des Einflusses Chinas auf die kritische Infrastruktur in der Europäischen Union, Abstimmung zur EU-Strategie für Zentralasien. Vorläufige Tagesordnung

18.01.2024
Trilog: CO2-Flottengrenzwerte
Themen: Es handelt sich um den ersten politischen Trilog, nachdem im Dezember bereits Gespräche auf technischer Ebene stattgefunden haben. Die belgische Ratspräsidentschaft hat erste Kompromisse skizziert. Bislang ist der Rat nicht bereit, auf die Forderungen des Parlaments einzugehen. Beobachter rechnen erst bei der nächsten Verhandlungsrunde im Februar mit Bewegung.

18.01.2024
EuGH-Urteil zur Auskunft über Umstände des Abschusses von Flug MH17
Themen: Die niederländische Regierung hat die Anfrage des Medienunternehmens RTL abgelehnt, ihre Erkenntnisse über den Abschuss des Malaysia Airlines-Flugs MH17 zu teilen. Der niederländische Staatsrat befragt den EuGH zur Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens. Vorabentscheidungsersuchen

18.01.2024 – 09:00-16:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Interessensschutz der EU, Finanzierungstransparenz, Große Anfragen
Themen: Abstimmung zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, Abstimmung zur Transparenz und Rechenschaftspflicht von aus dem EU-Haushalt finanzierten nicht-staatlichen Organisationen, Große Anfragen. Vorläufige Tagesordnung

News

Stéphane Séjourné wird neuer französischer Außenminister

Renew-Chef Stéphane Séjourné bekommt einen neuen Job: Er soll Außenminister Frankreichs werden.

Stéphane Séjourné wird Frankreichs neuer Außenminister, teilte das Büro von Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag mit. Finanzminister Bruno Le Maire und Innenminister Gérald Darmanin sollen zudem in ihren derzeitigen Ämtern bleiben.

Die größte Überraschung bei der Regierungsumbildung ist jedoch die Ernennung der konservativen Politikerin Rachida Dati, einer engen Verbündeten des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Sie wird Kulturministerin Frankreichs. rtr

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Minister wollen Treffen von Orbán und Selenskyj anbahnen

Die Außenminister Ungarns und der Ukraine, Péter Szijjártó und Dmytro Kuleba, wollen am 29. Januar im ukrainischen Uschhorod darüber verhandeln, ob es zu einem Treffen von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kommt. Das teilten beide Seiten am Donnerstag mit. Auch der Chef von Selenskyjs Büro, Andrij Jermak, solle an dem Treffen teilnehmen, sagte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleh Nikolenko.

Orbán pflegt gute Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Beim letzten EU-Gipfeltreffen hatte Orbán die geplante Sonderzahlung von 50 Milliarden Euro für die Ukraine per Veto verhindert. Über dieses Thema soll beim nächsten EU-Gipfel im Februar erneut beraten werden. Die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine kritisiert Orbán ebenfalls, verhinderte aber den entsprechenden Beschluss beim EU-Gipfel im Dezember nicht, sondern enthielt sich durch Verlassen des Verhandlungsraums der Stimme.

In Budapest galt es als unsicher, ob es noch vor dem EU-Gipfel im Februar zum Treffen Orbans mit Selenskyj kommen könnte. Szijjártó betonte, ein solches Treffen habe nur Sinn, wenn dieses “bedeutende Ergebnisse” verspreche. Dafür müsse es “entsprechend vorbereitet” werden. dpa

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USA und Großbritannien bombardieren Huthi-Einrichtungen in Jemen

Mit Luftangriffen auf Einrichtungen der Huthi-Milizen im Jemen haben die USA und Großbritannien auf die anhaltende Bedrohung von Handelsschiffen vor der jemenitischen Küste im Roten Meer reagiert. Mit Flugzeugen und von Schiffen aus wurden am frühen Freitagmorgen jemenitischer Zeit Startplätze für Drohnen und Antischiffsraketen bombardiert. US-Präsident Joe Biden und der britische Premier Rishi Sunak bezeichneten die Aktion als notwendigen Schritt, um die Gefahr für Menschenleben und den internationalen Handel einzudämmen.

Seit Mitte November hatten die Huthis, die von Iran unterstützt werden, immer wieder gezielt Drohnen und Antischiffsraketen auf Containerfrachter und Tanker abgefeuert, die die jemenitische Küste auf dem Weg vom oder zum Suez-Kanal passierten. Als Grund nannten sie die Unterstützung der Hamas-Milizen im Krieg gegen Israel. Zahlreiche Reedereien hatten daraufhin für ihre Schiffe die Route durch das Rote Meer ausgesetzt und vor allem Frachter auf den längeren Seeweg um Afrika geschickt.

Gemeinsame Erklärung von 10 Staaten

Nach Angaben von US-Regierungsvertretern wurden bei der Aktion, die von Australien, Bahrain, Kanada und den Niederlanden unterstützt wurde, zahlreiche “sehr gezielt ausgewählte Ziele” mit Präzisionsmunition angegriffen, um zivile Opfer zu vermeiden. Genauere Angaben zur Zahl und zum Erfolg der Mission gab es aus Washington zunächst nicht. Das britische Verteidigungsministerium teilte mit, die auf Zypern gestarteten britischen Kampfjets vom Typ Eurofighter Typhoon hätten mit gelenkten “Paveway IV”-Bomben einen Drohnen-Startplatz in Bani im Nordwesten Jemens und den Flugplatz von Abbs angegriffen, wo Marschflugkörper gestartet worden seien.

Der Angriff sei unabhängig von der Mission “Operation Prosperity Guardian”, in der Kriegsschiffe mehrerer Nationen unter US-Führung Handelsschiffe vor Angriffen schützen, hieß es aus Regierungskreisen in Washington. Ebenfalls getrennt von den Luftschlägen, aber zeitgleich veröffentlichte das Weiße Haus eine gemeinsame Erklärung von 10 Staaten, darunter auch Deutschland: Darin werden die Huthi erneut aufgefordert, ihre Angriffe auf die Schifffahrt einzustellen. Sollten sie ihre Aktionen fortführen, seien sie für die Konsequenzen selbst verantwortlich.

EU-Pläne für Militärmission im Roten Meer werden konkret

Unabhängig vom Versuch der USA und Großbritanniens, mit Luftangriffen die Bedrohung durch Huthi-Milizen im Jemen zu stoppen, nehmen die Pläne der EU für eine eigene Mission zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer Gestalt an. Am kommenden Dienstag sollen sich die Botschafter der Mitgliedsstaaten im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) mit einem Aktionsplan befassen, der den Einsatz von Kriegsschiffen vorsieht, berichtet das sicherheitspolitische Brüsseler Nachrichtenportal Bruxelles 2. Dafür soll eine bereits bestehende Mission unter französischer Führung zum Schutz von Schiffen in der Straße von Hormus ausgeweitet werden.

Das in Brüssel erarbeitete “Crisis Management Concept” sieht nach Angaben von Bruxelles 2 vor, die 2020 eingerichtete “Europäische maritime Überwachungsmission in der Straße von Hormus” (Mission européenne de surveillance maritime dans le détroit d’Ormuz , EMASOH) auf das Rote Meer und das Bab el Mandeb, die Verbindung zwischen dem Golf von Aden und dem Roten Meer und damit dem Suezkanal, auszudehnen. Vor der jemenitischen Küste greifen von Iran unterstützte Huthi-Milizen seit November Handelsschiffe im Roten Meer an, um die Hamas-Milizen im Krieg gegen Israel zu unterstützen. Erst am Mittwoch hatten Kriegsschiffe der USA und Großbritanniens den bislang größten Angriff mit Drohnen und Antischiffsraketen gegen Containerfrachter abgewehrt.

Fregatte “Hessen” wäre geeignet

Die USA haben zwar zur Bekämpfung dieser Angriffe eine Koalition der Willigen unter dem Namen “Operation Prosperity Guardian” gestartet, der allerdings bislang nur wenige europäische Staaten beigetreten sind. Stattdessen versuchte die EU zunächst, die Aufgaben ihrer Antipiraterie-Mission Atalanta am Horn von Afrika zu erweitern, was aber am Widerstand Spaniens scheiterte. Eine neue EU-Mission könnte dagegen auf mehr Zustimmung und auch Beteiligung europäischer Nationen bauen.

Nach Angaben von Bruxelles 2 trieb vor allem Deutschland die Beratungen in Brüssel über den neuen Einsatz voran. Die bisherigen Planungen sehen danach den Einsatz von mindestens drei Fregatten, einschließlich Luftaufklärung durch Drohnen oder Hubschrauber vor. Für die Bundeswehr kommt dabei der Einsatz der Fregatte “Hessen” infrage, die für die Luftverteidigung ausgerüstet ist und erst kurz vor Weihnachten aus einem Nato-Einsatz nach Wilhelmshaven zurückgekehrt war.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, hatte erst am Mittwoch noch einmal die Bereitschaft der Bundesregierung bekräftigt, an einer Mission unter EU-Kommando teilzunehmen. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass Deutschland die bestehende Mission in der Straße von Hormus bereits bei ihrer Einrichtung 2020 politisch mitgetragen hatte – auch wenn es nie eine militärische deutsche Beteiligung gab. Nach einer Befassung des PSK könnte der Plan den EU-Außenministern zu ihrem Treffen am 22. Januar vorgelegt werden. tw

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Unternehmen beklagen Hürden im Binnenmarkt

Viele Unternehmen in der EU klagen über Probleme bei grenzüberschreitenden Aktivitäten. In einer Umfrage der Kammer-Dachorganisation Eurochambres nannten die 1.000 befragten Firmen insbesondere uneinheitliche vertragliche und rechtliche Praktiken, abweichende nationale Vorschriften bei Dienstleistungen und mangelnde Informationen über die nationalen Praktiken als Hindernisse.

Trotz des in den EU-Verträgen verankerten Binnenmarktes hätten die Unternehmen keinen uneingeschränkten Zugang zu den 450 Millionen Konsumenten in der EU, kritisierte Eurochambres-Präsident Vladimír Dlouhý. Die Unternehmen fordern unter anderem ein mehrsprachiges Online-Portal mit allen benötigten Informationen zu den Verfahren in anderen Mitgliedstaaten.

Der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta betonte bei der Konferenz des Verbandes, es bedürfte einer weiteren Angleichung der Rechtssysteme in den 27 Mitgliedstaaten. Letta wird voraussichtlich im März seinen Bericht zum Binnenmarkt vorlegen, mit dem ihn die EU-Staats- und Regierungschefs beauftragt haben. Der Präsident des Jacques Delors Institute in Paris kündigte an, sein Bericht werde auch ein Kapitel zur Durchsetzung der geltenden Regeln enthalten, denn hier gebe es aktuell große Defizite. tho

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Hydrogen Europe wehrt sich gegen Elektrifizierungsziel

Der Wasserstoffverband Hydrogen Europe hat sich gegen die Bestrebungen von Eurelectric ausgesprochen, eine Elektrifizierungsquote im europäischen Recht zu verankern. Dies sei nicht das Ziel der Governance-Verordnung, sagte eine Vertreterin von Hydrogen Europe am Donnerstag bei einer Anhörung der Kommission zur Evaluierung des Rechtsaktes. Für den Stromverband Eurelectric ist ein freiwilliges Elektrifizierungsziel der Mitgliedstaaten das wichtigste Lobbying-Vorhaben in diesem Jahr.

Die Grundsatzentscheidung zwischen CO₂-armen Gasen und Elektrizität hatte sich zuletzt in der Debatte um die Dekarbonisierung des Wärmesektors zugespitzt. Aber auch im Verkehr und in der Industrie gibt es Anwendungen, für die grundsätzlich beide Technologien in Frage kommen.

Berater legen im Februar Evaluation vor

Im Februar will ein Konsortium um Berater des Beratungsunternehmens ICF einen Evaluierungsbericht an die Kommission schicken. Bei der Anhörung stellte ICF erste Erkenntnisse vor. So hätten viele Mitgliedstaaten den Wunsch geäußert, die Berichtspflichten zeitlich noch besser mit anderen Rechtsakten wie dem Klimaschutzgesetz abzustimmen.

Umweltverbände riefen die Kommission dazu auf, bei der Bewertung der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECPs) stärker darauf zu achten, ob sich diese in die Langfriststrategien der Mitgliedstaaten für die Klimaneutralität einfügen. Der Industrieverband Wind-Europe sprach sich jedoch gegen eine starke Überarbeitung der Governance-Verordnung aus. Investoren hätten zuletzt wieder Vertrauen in die Marktentwicklung gefasst. Deshalb sei es klüger, an funktionierenden Regelungen festzuhalten. ber

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Polens Präsident will verurteilte PiS-Politiker erneut begnadigen

Polens Präsident Andrzej Duda will zwei rechtskräftig verurteilte ehemalige Mitglieder der abgewählten nationalkonservativen PiS-Regierung ein zweites Mal begnadigen. Einen entsprechenden Antrag habe er bei Justizminister Adam Bodnar gestellt, sagte Duda am Donnerstag in Warschau. Der Präsident hatte sich zuvor mit den Ehefrauen der beiden PiS-Politiker getroffen.

Der Streit zwischen der neuen Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk und dem früheren Regierungslager der PiS um die Verhaftung des Ex-Innenministers Mariusz Kamiński und seines Stellvertreters Maciej Wasik hat Polen an den Rand einer Staatskrise gebracht. Die beiden Politiker waren am Dienstag verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden, nachdem sie zunächst Schutz im Präsidentenpalast gesucht hatten. Die PiS bezeichnet die beiden als “politische Gefangene”. Kamiński trat am ersten Tag seiner Haft in den Hungerstreik.

Kamiński und Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief.

Demonstration gegen Tusk-Regierung

Duda gab seine Entscheidung, die beiden nun ein zweites Mal zu begnadigen, kurz vor einer geplanten Demonstration von PiS-Anhängern in Warschau bekannt. Mehrere Tausend Menschen demonstrierten gegen die Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk.

Die überwiegend älteren Anhänger der nationalkonservativen Oppositionspartei PiS versammelten sich am Donnerstag vor dem Parlamentsgebäude in Warschau. Sie trugen polnische Fahnen sowie Plakate mit der Aufschrift: “Hier ist Polen, kein Tuskoland” und “Kulturminister – Zensurminister”. Der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński sagte vor den Demonstranten: “Das ist keine polnische Regierung.” Die PiS unterstellt Tusk, dass er im Auftrag von Deutschland handele.

Der von den Nationalkonservativen organisierte “Protest der freien Polen” sollte sich ursprünglich gegen die Umgestaltung der öffentlich-rechtlichen Medien richten. Die Regierung von Tusk hatte vor einigen Wochen mit dem Umbau des Fernsehsenders TVP, des polnischen Radios sowie der Nachrichtenagentur PAP begonnen, die die PiS in ihrer achtjährigen Regierungszeit unter ihre Kontrolle gebracht hatte. dpa

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Data Act tritt in Kraft

Am Donnerstag ist der Data Act der EU in Kraft getreten. Die Verordnung soll für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung sorgen sowie einen europäischen Datenmarkt etablieren. Das Datengesetz legt die Rechte für den Zugang zu und die Nutzung von Daten fest, die vernetzte Geräte erzeugen. Vor allem von der Nutzung von Industriedaten verspricht sich die Kommission einen Mehrwert.

Umstritten war das Gesetz vor allem deswegen, weil einige Unternehmen um den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse fürchteten. Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager, zuständig für Wettbewerbspolitik, sagte jedoch, mit der Datengesetzgebung erhalte der Nutzer die Kontrolle über die Weitergabe der von seinen vernetzten Geräten erzeugten Daten, “während wir gleichzeitig den Schutz von Geschäftsgeheimnissen sicherstellen und das europäische Grundrecht auf Privatsphäre wahren”. Der Reichtum an Industriedaten werde zu neuen datengestützten Anwendungen führen, “insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz”, fügte Binnenmarktkommissar Thierry Breton hinzu.

Noch viel Vorbereitung bis zur Anwendung nötig

Nach seinem Inkrafttreten wird das Datengesetz in 20 Monaten, also am 11. September 2026, zur Anwendung kommen. Bis dahin ist jedoch noch einiges zu tun, findet der Digitalverband Bitkom. “Das Aufsichtsregime des Data Governance Act ist in Deutschland auch nach Anwendungsbeginn weiterhin unklar”, sagte David Schönwerth, Bereichsleiter Data Economy beim Bitkom. “Wir hoffen, dass die Aufsichtsfrage beim Data Act möglichst früh geklärt wird.”

Der horizontale Data ­Act lasse die Aufsichtsstrukturen für sektorale Datenzugänge sowie Datenschutz unangetastet und sehe für sich eine oder mehrere (bestehende) Aufsichtsbehörden auf nationaler Ebene vor. “Das Zusammenspiel der Aufsichtsbehörden im ‘Datenbereich’ könnte also aufwändiger und komplexer werden, als es irgendjemandem lieb sein kann”, meint Schönwerth. “Wir müssen uns dringend verständigen, wie eine effektive, einheitliche Datenaufsicht in Deutschland und Europa aussehen kann.” So könne es eigentlich nicht weitergehen, klagt Schönwerth. vis

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ENVI nimmt Trilog-Ergebnisse zu Industrieemissionen und Methan an

Der Umweltausschuss des Europaparlaments stimmte mit einer Mehrheit von 64 Stimmen bei fünf Gegenstimmen und sieben Enthaltungen für die Ende November erzielten Einigung über die Richtlinie zu Industrieemissionen (IED). Voraussichtlich in der Sitzungswoche im März (11. bis 13. März) soll das Plenum abstimmen, allerdings muss der Termin noch bestätigt werden, heißt es aus Parlamentskreisen.

Die Richtlinie zielt darauf ab, die Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung zu verringern, indem Vorschriften für Emissionen und Abfalldeponien für Unternehmen verschärft werden. Außerdem soll ein europäisches Register für die Freisetzung und Verbringung von Schadstoffen, das sogenannte E-PRTR, aktualisiert werden.

Die neue Industrieemissionsrichtlinie macht “endlich Schluss mit Genehmigungen à la carte”, denn Behörden müssten künftig die striktest-möglichen Grenzwerte anlegen, sagte Jutta Paulus, Grünen-Berichterstatterin im Industrieausschuss (ITRE), zu Table.Media. Dies werde Umweltverschmutzung und Gesundheitsschädigung “nachhaltig verringern”, ist Paulus überzeugt. “Nach der Oder-Katastrophe 2022 mit massenhaftem Fischsterben werden endlich auch Vorgaben für die Anpassung der Grenzwerte an den aktuellen Wasserstand gemacht.”

Grünes Licht auch für Methanverordnung

Der ENVI billigte zudem die im November erzielte Einigung über die Methanverordnung. Auch hier soll die Abstimmung im Plenum voraussichtlicht im März stattfinden.

Wenige Tage vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) hatten sich Rat und Parlament im Trilog auf eine Verordnung zur Reduktion von Methanemissionen im Energiesektor geeinigt. Das Parlament konnte sich in einem wichtigen Punkt durchsetzen: Das Gesetz bezieht auch die Methanemissionen von Energieimporten mit ein.

Das Gesetz werde erstmals bindende Maßnahmen zur Verringerung des zweitwichtigsten Treibhausgases Methan festlegen, kommentierte Paulus, Grünen-Berichterstatterin im Industrieausschuss. Leckagen, aus denen Methan austritt, müssen demnach gesucht und geschlossen werden. Dies werde Methanemissionen weltweit reduzieren und die Nutzung des nicht verschwendeten Methans werde zu “mehr Energiesouveränität” beitragen, so Paulus. Das Abfackeln und Ablassen soll nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt sein. cst

Der Ausschuss nahm gestern außerdem drei weitere Trilog-Ergebnisse an:

  • ENVI
  • Europäisches Parlament
  • Industrieemissionen
  • Landwirtschaft
  • Methan
  • Methan-Verordnung
  • Verpackungen

Presseschau

Mini-Meuterei bei der EU: Viktor Orbán bald ohne EU-Stimmrecht? TAGESSPIEGEL
Russland würde Waffenstillstand nutzen um aufzurüsten, sagt Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj EURONEWS
Staatenlose Palästinenser aus Gaza sollen in EU einfacher den Flüchtlingsschutz erhalten WELT
Frankreich: Gabriel Attal verkleinert Kabinett deutlich FAZ
Schnelle Nato-Eingreiftruppe: Marine übergibt Kommando an Spanien DEUTSCHLANDFUNK
Huthi-Attacken verzögern Nachschub nach Europa HANDELSBLATT
Huthi-Angriffe im Roten Meer: Vergeltungsschlag des Westens könnte unmittelbar bevorstehen FR
Brexit kostet Großbritannien jährlich 163 Milliarden Euro WELT
Politisches Theater in Warschau: Aufgeheizte Stimmung in Polen ZDF
Polens PiS-Partei wettert gegen Tusk, EU und Deutschland ORF
Finnlands östliche Landesgrenze zu Russland bleibt weiter geschlossen N-TV
Polizei stoppt Flixbus in Belgien wegen Terrorverdachts T-ONLINE
Thronwechsel in Dänemark: Königin Margrethe II. übergibt an Frederik X. NDR
Serbien: Ein Autokrat zementiert seine Macht SÜDDEUTSCHE
Schweden, Finnland und Lettland nutzen erneuerbare Energiequellen am meisten EURONEWS
Europäischer Gerichtshof: Dyson kann keinen Schadenersatz von EU-Kommission verlangen HANDELSBLATT
Google droht EU-Niederlage wegen Preisvergleichsdienst DER STANDARD
Wegen hohem Zucker- und Koffeingehalt: Polen verbietet Energydrinks für Minderjährige ZM-ONLINE
Bankenregulierung: Spanische Börsenaufsicht leitet Verfahren gegen Deutsche Bank ein HANDELSBLATT
Kroatischer Notenbank Boris Vujcic: Zinssenkungen idealerweise im kleinen Schritten HANDELSBLATT
Belgiens Premierminister Alexander De Croo und Außenministerin Hadja Lahbib eröffnen neue Botschaft in Peking BRF
Starker Vulkanausbruch auf Island deutet sich an – große Aschewolke befürchtet KSTA

Standpunkt

What’s cooking in Paris? Macrons Schachzug sechs Monate vor der EU-Wahl

Von Claire Stam
Emmanuel Macron im Elysee-Palast in Paris.

Europa ist die politische DNA von Emmanuel Macron“, sagt eine gut informierte liberale Quelle zu Table.Media. “Er hat seine politische Identität um Europa herum aufgebaut”. Das Problem: Während das Präsidentenlager immer noch keinen Spitzenkandidaten für die Europawahl am 9. Juni hat, liegt der Rassemblement National (RN) in den Umfragen etwa zehn Prozentpunkten vor der Liste Macrons.

Die bevorstehenden Wahlen stellen daher eine große Herausforderung für den französischen Präsidenten dar. “Wenn er die Wahl verliert, wird er für den Rest seiner Amtszeit die politische Kontrolle in Frankreich verlieren“, so die Quelle. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf der europäischen Bühne. Dieses Szenario ist im Élysée-Palast undenkbar. Und deshalb hat der französische Präsident seinen König und seine Königin zugleich auf dem politischen Schachbrett Frankreichs herausgeholt: Gabriel Attal und Stéphane Séjourné.

Attal und Séjourné: Macrons Trumpfkarten

Der ehemalige Bildungsminister Attal, der kometenhaft zum Premierminister aufgestiegen ist, ist derzeit tatsächlich einer der beliebtesten politischen Persönlichkeiten in Frankreich. Es ist diese Popularität, die die Wahl erklärt. Mit seiner Ernennung hat sich Macron für jemanden entschieden, der in der Lage ist, seine Präsidentschaft wieder in Gang zu bringen. Nach der Verabschiedung der sehr umstrittenen Gesetze zur Rentenreform und zur Einwanderung hatte seine zweite Amtszeit an Schwung verloren. Attals Profil steht im Gegensatz zu seinen in Paris als eher technokratisch wahrgenommenen Vorgängern Élisabeth Borne und Jean Castex.

Attal wird auf die starken Schultern von Renew-Chef Stéphane Séjourné zählen können, der am Donnerstagabend überraschend zum Europa- und Außenminister ernannt wurde. Der Europaabgeordnete kennt das europäische Getriebe besser als jeder andere in Paris. Mehr noch: Der Macronist, der – wie Gabriel Attal – von der Sozialistischen Partei kam, war vor seiner Ernennung zum Renew-Chef politischer Berater von Macron. Mit anderen Worten: Mit Attal und Séjourné hat Macron zwei Politiker an seine Seite geholt, die seit der ersten Stunde zu seinen treuesten Anhängern zählen. Beide Politikern verfügen über rhetorische Stärke und europäisches Fachwissen.

Bewusstes Zögern beim Spitzenkandidaten

Welche Rolle wird Premierminister Attal bei der Europawahl spielen? Den Europaabgeordneten des Rassemblement National Jordan Bardella im Visier halten. Mit seinen 28 Jahren ist er ebenfalls ein aufsteigender Stern in der französischen Politik. “Mit ihrem Kandidaten kann der RN Attal nicht mit seinem jungen Alter und einem Mangel an politischer Erfahrung attackieren”, heißt es. Da beide eine Vorliebe für Pointen haben und viel über soziale Netzwerken kommunizieren, sei ihre politische Kommunikation nicht so unterschiedlich. Und der neue Premierminister, der bereits sechs Mal mit Jordan Bardella im Fernsehen debattiert hat, versichert, dass er seinen Kontrahenten “nicht fürchtet”.

Sich auf Bardella zu fokussieren wird Attal umso leichter fallen, als er bis zum Sommer keine großen Reformen durch das Parlament bringen muss – im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Borne. Er wird sich auch nicht mit der Nationalisierung der europäischen Debatten auseinandersetzen müssen: Renaissance, der französische Zweig von Renew, hat allerdings auch noch keinen Spitzenkandidaten für die Europawahl nominiert.

Hinter der Verzögerung steckt Kalkül. “Wenn die Renaissance ihren Kandidaten im Herbst vorgestellt hätte, hätte er sich mit dem Widerstand gegen die Rentenreform und die Reform des Einwanderungsgesetzes auseinandersetzen müssen”, heißt es aus liberalen Kreisen Frankreichs. Eine Nominierung in den kommenden Tagen werde den Renaissance-Kandidaten also vor einer nationalen Debatte bewahren, die für das Lager des Präsidenten nicht unbedingt von Vorteil gewesen wäre.

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    am 24. Januar will die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket zur Wirtschaftssicherheit vorstellen. Das mit größter Spannung erwartete Element aber wird aller Voraussicht nach fehlen: der eigentlich angekündigte Gesetzesvorschlag zum sogenannten Outbound Investment Screening. Stattdessen werde es bei einem unverbindlichen Weißbuch bleiben, heißt es in Brüssel.

    Die Kommission hatte in ihrem Strategiepapier im Juni die Sorge geäußert, dass nicht nur durch Exporte, sondern auch durch Investitionen europäischer Unternehmen Knowhow über sicherheitsrelevante Technologien in Drittländer abfließen könnte. Daher kündigte sie einen Vorschlag an, wie Auslandsinvestitionen in bestimmten Technologiefeldern wie Künstliche Intelligenz, Halbleitertechnik und Quantencomputing kontrolliert werden sollten. Unternehmen müssten dann geplante Investments bei staatlichen Stellen melden. Gerade China wurde in diesem Kontext oft genannt.

    Die US-Regierung drängte die Europäer zu einem solchen Schritt. US-Präsident Joe Biden hat im Sommer Kontrollen von US-Auslandsinvestitionen, etwa in der Mikroelektronik, angeordnet und sucht Verbündete.  Doch die EU-Kommission stieß bei ihren Konsultationen zu den Plänen auf breiten Widerstand in der Wirtschaft und in vielen Mitgliedstaaten. Die Verbände kritisierten die Einschränkungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und neue Bürokratie. Dem Vernehmen nach beugt sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun diesem Druck.

    Ihr
    Till Hoppe
    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    Start der Ratspräsidentschaft: Belgien will Fundamente für größere und stärkere EU legen

    “Protect, strengthen, prepare – Schützen, Stärken, Vorausschauen”: Unter dieses Motto hat Belgien seine sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft gestellt. Die bis 2030 geplante Erweiterung um die Ukraine, Moldau und weitere Länder etwa auf dem Westbalkan soll die Europäische Union größer und stärker machen, heißt es im Programm des neuen Ratsvorsitzes.

    Der langwierige und komplizierte Beitrittsprozess könnte die Union zunächst jedoch schwächen und lähmen. Denn jeder Schritt muss von allen 27 EU-Staaten einstimmig gebilligt werden. Zudem ist die EU selbst nicht auf die Erweiterung vorbereitet; sie muss noch einige strittige und teure Reformen auf den Weg bringen und umsetzen.

    Der belgische Ratsvorsitz steht nun vor der schwierigen Aufgabe, beide Prozesse in Gang zu bringen: Die im Dezember beschlossenen Beitrittsverhandlungen, die zunächst mit der Ukraine und Moldau geplant sind, aber auch die EU-Reformen. Wenige Wochen nach dem EU-Gipfel im Dezember 2023 nimmt der Fahrplan nun langsam Gestalt an.

    Die Erweiterung steht ab März auf der Agenda

    Zunächst werde man sich um die noch ausstehenden EU-Gesetze kümmern, kündigte der belgische Ständige Vertreter Willem Van de Voorde in Brüssel an. Erst ab März will der neue Ratsvorsitz die Erweiterung angehen. Für die Ukraine und Moldau beginne dann die “operative Phase” der Beitrittsgespräche. Sie ist mit vielen Hürden verbunden.

    Zunächst müssen beide Länder noch ausstehende Reformen umsetzen. Für die Ukraine hat die EU-Kommission sieben Vorbedingungen formuliert, von denen vier bereits erfüllt sind. Ganz oben auf der To-do-Liste stehen:

    • der Kampf gegen die Korruption (eine Daueraufgabe, vor allem auf höchster Ebene),
    • die Implementierung eines Anti-Oligarchen-Gesetzes
    • sowie die Umsetzung von Empfehlungen der Venedig-Kommission zum Schutz nationaler Minderheiten.

    Im März will die Brüsseler Behörde einen Bericht über die Umsetzung der Reformen und die Erfüllung der Vorbedingungen vorlegen. Wenn er positiv ausfällt und sich die EU-Staaten auf einen Verhandlungsrahmen einigen, können die eigentlichen Beitrittsgespräche beginnen. Auch für den Start der sogenannten Beitrittskonferenz sei ein einstimmiger Beschluss des Rates nötig, sagte Van de Voorde.

    Ungarn kann den Start verzögern

    Dies gibt vor allem Ungarn die Möglichkeit, den Start zu verzögern. Da auch die Öffnung und Schließung der insgesamt 35 Beitrittskapitel im Konsens geschehen muss, könnte Ministerpräsident Viktor Orbán insgesamt noch 70-mal ein Veto einlegen. Dass er sich beim EU-Gipfel im Dezember enthalten habe, sei keine Garantie dafür, dass die Verhandlungen störungsfrei ablaufen, heißt es in Brüssel.

    Der belgische Ratsvorsitz lässt sich davon jedoch nicht entmutigen – im Gegenteil: Er macht Dampf. “Viktor Orbán hat verstanden, dass es auch bei der Blockade ein Limit gibt”, gibt sich Van de Voorde optimistisch. Belgien werde sich um zügige Verhandlungen bemühen und zugleich die EU-Reform angehen. Der belgische Fahrplan zur inneren Erneuerung fällt jedoch vergleichsweise vage aus.

    Roadmap für Reformen kommt im Juni

    Erst im Juni, nach intensiven Konsultationen, will Belgien eine “Roadmap” für mögliche Reformen vorlegen. Dabei geht es nicht – wie früher bei der Erweiterung üblich – um eine “Vertiefung” der EU und ihrer Institutionen, sondern vor allem um die Sicherung ihrer Handlungsfähigkeit. Alte und neue Mitglieder sollen die EU nicht lähmen, sondern wenn möglich sogar noch schlagkräftiger machen.

    Allerdings haben die 27 schon jetzt große Mühe, die selbst geweckten Erwartungen zu erfüllen. So ist die EU bei ihrem letzten Gipfel mit dem Versuch gescheitert, den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) zu ergänzen und 50 Milliarden Euro für die Ukraine freizugeben. Orbán hat ein Veto eingelegt – nun soll es ein Sondergipfel am 1. Februar richten. Wenn der ungarische Ministerpräsident erneut “Nein” sagt, droht Ärger.

    Streit ums Geld dürfte es aber auch ohne Orbán geben. Schon jetzt ist klar, dass das Budget ausgeweitet werden muss, wenn die Erweiterung kommt. Falls neun Länder beitreten sollten (neben der Ukraine und Moldau auch Georgien sowie sechs Balkanstaaten), so müsste der MFR um 256,8 Milliarden Euro aufgestockt werden, heißt es in einer EU-internen Studie, aus der die Financial Times zitiert.

    Der belgische Ratsvorsitz macht sich diese Zahl zwar nicht zu eigen. Premierminister Alexander De Croo hat sich jedoch bereits für ein höheres EU-Budget ausgesprochen, das teilweise durch neue Eigenmittel finanziert werden soll. In einem Interview mit Le Soir mahnte er auch neue Prioritäten an. Es sei schwer zu erklären, dass das meiste Geld in die Kohäsion und in die Landwirtschaft geht, sagte der liberale Politiker.

    Belgier legen sich mit den Sparsamen an

    Damit legt sich De Croo mit Ländern wie Frankreich und Italien, aber auch mit “frugalen” (sparsamen) Staaten wie den Niederlanden oder Deutschland an. Mit Entscheidungen zum künftigen MFR wird während der belgischen Präsidentschaft allerdings nicht mehr gerechnet. Am Ende soll vielmehr eine “strategische Agenda” stehen, mit der die Prioritäten für die nächsten Jahre festgezurrt werden.

    Die Erweiterung und die EU-Reform dürften dabei ganz weit oben stehen. Der belgische Ratsvorsitz will bis Juni die Fundamente für eine größere und stärkere EU legen, die Umsetzung dürfte erst danach folgen – unter ungarischem Vorsitz, ausgerechnet.

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    AI Act: Der mühsam gefundene Kompromiss ist in Gefahr

    Die Einigung über den AI Act hat doch nicht das vom Parlament gewünschte Ergebnis gebracht. Vor allem die FDP, allen voran Schattenberichterstatterin Svenja Hahn, lehnen die im aktuellen Gesetzestext vorgesehene Einigung über das umstrittene Thema biometrische Erkennung im öffentlichen Raum ab. Es sei “unsäglich”, dass die spanische Ratspräsidentschaft dafür gesorgt habe, dass der finale Gesetzestext in entscheidenden Punkten nicht mehr der Trilog-Einigung entspreche, findet Hahn.

    Zu diesem “Missverständnis” konnte es kommen, weil die Einigung nach dem Verhandlungsmarathon in der Nacht zum 9. Dezember auf der Basis mündlicher Absprachen erfolgte. Den entsprechenden Text, der Table.Media in Auszügen vorliegt, erhielten die Beteiligten erst am 21. Dezember schriftlich. Die Berichterstatter Dragoș Tudorache (Renew) und Brando Benifei (S&D) hatten im entscheidenden Moment offenbar nicht nachdrücklich genug die Schriftform gefordert.

    Die Diskussion über die biometrische Erkennung im öffentlichen Raum hatte bei der Verhandlung den größten Teil der Zeit beansprucht. Das Parlament wollte die biometrische Erkennung in Echtzeit vollständig verbieten und die nachgelagerte nur unter hohen Hürden und nur für schwere Straftaten zulassen.

    FDP und NGOs sehen Bürgerrechte verletzt

    In der jetzigen Textfassung bleibt es nach Hahns Auffassung hingegen unklar, ab wann eine biometrische Identifizierung nicht mehr als “Echtzeit”, sondern als “nachgelagert” gilt. Auch von den sehr engen Bedingungen für den Einsatz wie einem vorherigen Richtervorbehalt sei kaum etwas geblieben. Hahn sieht darin eine Bedrohung der Bürgerrechte. Banalste Ordnungswidrigkeiten könnten so mittels Gesichtserkennung verfolgt werden.

    Das sieht auch die Organisation European Digital Rights (EDRi) so. “Wir haben das Thema biometrische Erkennung im öffentlichen Raum seit Jahren in den Mitgliedstaaten beobachtet und gesehen, dass diese die Grenzen immer weiter hinausschieben“, sagt Ella Jakubowska, Senior Policy Advisor bei EDRi, zu Table.Media. “Wir sahen im AI Act eine Möglichkeit, dies einzudämmen, dank der starken Position des Parlaments.” Frankreich etwa will die Technologie bei den Olympischen Spielen einsetzen.

    Doch nun hätten die Regierungen einen Freifahrtschein erhalten, “aus unseren Gesichtern und Körpern wandelnde Barcodes zu machen“. Regierungen überall auf der Welt könnten die EU als Beispiel nehmen, dass biometrische Überwachung im öffentlichen Raum okay sei. “Dabei haben derart tiefgreifende Eingriffe in die Privatsphäre keinen Platz in einer demokratischen Gesellschaft”, meint Jakubowska.

    Polizei setzt Gesichtserkennung bereits ein

    EDRi hat entsprechende Beispiele aus der Vergangenheit gesammelt, die zeigen sollen, was künftig möglich sein wird, sollte der AI Act in der nun vorliegenden Fassung kommen. Zwei dieser Beispiele:

    • Nach dem G20-Gipfel 2017 in Deutschland nutzte die Hamburger Polizei eine Gesichtserkennungssoftware, um Videoüberwachungsaufnahmen, Pressefotos sowie private Bilder und Videos zu scannen, um Demonstranten zu identifizieren. Es folgte zwar ein dreijähriger Rechtsstreit zwischen der Polizei und der Hamburger Datenschutzbehörde. Doch Artikel 29 Absatz 6a des KI-Gesetzes würde eine solche Verwendung nicht verhindern, meint EDRi. Das könne die Entscheidung der Datenschutzbehörde untergraben und die nachträgliche biometrische Erkennung von Demonstranten legitimieren, was im Widerspruch zum Datenschutzrecht stehe.
    • In zwei EU-Ländern, Malta und Polen, ist der Zugang zu reproduktiver Gesundheitspflege wie Abtreibung kriminalisiert. Nach dem AI Act könnte selbst die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs als Rechtfertigung für den Einsatz von biometrischer Erkennung dienen, warnt EDRi.

    Abstimmung über AI Act ist kein Selbstläufer

    Könnte der AI Act also bei der Abstimmung im Parlament wegen der Regelung zur biometrischen Erkennung noch scheitern? Die anderen Parteien sind derzeit nicht bereit, den Kompromiss wegen Artikel 29 Absatz 6a wieder aufzubrechen. So wie es jetzt aussieht, wird die FDP das Gesetz bei der Abstimmung jedoch ablehnen. Allerdings gilt das nicht für die gesamte Renew-Fraktion, zu der unter anderem auch der Berichterstatter Dragoș Tudorache gehört. Gleiches gilt für S&D. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bürgerrechtlich orientierte Parlamentarier auch aus diesen Fraktionen das Gesetz am Ende ablehnen.

    Auch im Rat könnte es Widerstand geben. Gerüchte, die Bundesregierung habe der spanischen Ratspräsidentschaft einen Brief geschrieben, in dem sie den Kompromiss ablehnte, dementierten sowohl das federführende Bundeswirtschafts- als auch Volker Wissings Digitalministerium. Dennoch ist offen, ob Deutschland den Kompromiss annimmt. Zu viele Ministerien mit unterschiedlichen Sichtweisen wollen ein Wörtchen mitreden, auch Innenministerin Nancy Faser und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke.

    Widerspruch aus Frankreich

    Zwar steht im Koalitionsvertrag: “Biometrische Erkennung im öffentlichen Raum sowie automatisierte staatliche Scoring Systeme durch KI sind europarechtlich auszuschließen.” Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass die Bundesregierung den Kompromiss an dieser Stelle scheitern lässt.

    Wissing zum Beispiel könnte sein Veto einlegen bei der fast ebenso strittigen Entscheidung, wie Allzweck-KI-Modelle (GPAI Models) zu regulieren sind. Hier könnte auch Widerstand aus Frankreich kommen. Präsident Emmanuel Macron hat keinen Hehl daraus gemacht, dass ihm der Kompromiss nicht passt. Er sagte, das Gesetz berge die Gefahr, dass europäische Technologieunternehmen hinter denen aus den USA und China zurückblieben.

    Bundesregierung hat wenig Zeit zur Meinungsbildung

    Wie die Bundesregierung die verschiedenen Interessen unter einen Hut bringen will, ist offen. Sie will zunächst den Text prüfen. Der liegt ihr offiziell aber noch gar nicht vor, da die Details zurzeit in den technischen Verhandlungen noch finalisiert werden. Die belgische Ratspräsidentschaft plant, den Text am 19. Januar zu versenden. Dann bleibt wenig Zeit zur Prüfung, denn bereits am 24. Januar, sollen die Ständigen Vertreter Position beziehen.

    Geben diese ihre Zustimmung, haben die Juristen und juristischen Linguisten noch einige Wochen Zeit, den Text korrekt in alle 24 Amtssprechen der EU zu übersetzen. Ende Februar oder Anfang März könnten dann die Abstimmungen im Plenum und im Rat stattfinden.  

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    • Digitalpolitik
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    Sezessionspläne der Republika Srpska sind “ernsthafte Bedrohung für Investitionen und den EU-Integrationsprozess in Bosnien”

    Eine Woche vor Beginn eines Prozesses gegen den Präsidenten der bosnisch-serbischen Republika Srpska, Milorad Dodik, erhöht die internationale Gemeinschaft den Druck auf den sezessionistischen Politiker. Der hatte am Dienstag trotz Warnungen des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, anlässlich des Gründungstags der bosnisch-serbischen Republika Srpksa (RS) eine Polizeiparade und einen sogenannten “Ehrenmarsch” durchführen lassen.

    Rund 3.400 Polizisten, Veteranen des Bosnien-Krieges, dem zwischen 1992 und 1995 rund 100.000 Menschen zum Opfer fielen, marschierten durch Banja Luka. Anders als angekündigt, nahm der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nicht an dem Aufmarsch teil. Unter den Gästen befand sich der Generalstabschef der serbischen Streitkräfte, Milan Mojsilović. Er hatte vor zwei Jahren Vinko Padurević, einem vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Beihilfe zum Völkermord in Srebrenica verurteilten serbischen Offizier, den serbischen Armeeverdienstorden verliehen.

    Unterstützung aus Belgrad

    In der serbischen Hauptstadt Belgrad ließ der im Dezember wiedergewählte serbische Präsident Aleksandar Vučić am Dienstagabend synchron zur Veranstaltung in Banja Luka ein Feuerwerk veranstalten, um seine Unterstützung für die Feierlichkeiten zum Tag der Republika Srpska zum Ausdruck zu bringen. Belgrad unterstützte das Dayton-Friedensabkommen und die territoriale Integrität Bosnien-Herzegowinas, ließ Vučić in seiner Gratulation laut Medienberichten wissen, widersetze sich jedoch einer “Abschaffung oder Erniedrigung der Republika Srpska”.

    Die Europäische Kommission bekräftigte am Dienstag ihre Kritik am Vorgehen Dodiks. Seit Jahren droht er mit der Sezession der kleineren der beiden bosnischen Teilrepubliken vom Gesamtstaat. “Was die Rechtmäßigkeit des ‘Tages der Republika Srpska’ betrifft, so hat das Verfassungsgericht des Landes bereits zweimal, 2015 und 2019, entschieden, dass die Gesetzgebung in der Republika Srpska über den ‘Tag der Republika Srpska’ nicht mit der Verfassung von Bosnien-Herzegowina im Einklang steht”, sagte Peter Stano, Kommissionssprecher für Außenbeziehungen.

    Europäische Kommission droht mit Konsequenzen

    “Die Europäische Union hat immer betont, dass die Souveränität, die territoriale Integrität, die verfassungsmäßige Ordnung und die internationale Persönlichkeit Bosnien-Herzegowinas gewahrt werden müssen”, so Stano weiter. Jede Handlung, die gegen diese Grundsätze verstößt, werde ernste Konsequenzen nach sich ziehen. Bosnien-Herzegowina ist seit Dezember 2022 offizieller EU-Beitrittskandidat, wird aber durch das Vorgehen Dodiks an Fortschritten ebenso gehindert wie durch Verzögerungen bei Verfassungs-, Justiz- und Wahlreformen. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten im Dezember erklärt, dass Beitrittsgespräche eröffnet werden, “sobald das erforderliche Maß an Übereinstimmung mit den Beitrittskriterien erreicht ist”.

    Bereits bei den Feierlichkeiten zum Gründungstag der RS vor einem Jahr hatte Dodik den Westen provoziert: Er ließ die administrativen Übergänge zwischen der bosnisch-serbischen Entität und der muslimisch-kroatischen Föderation mit gepanzerten Fahrzeugen blockieren. Als die Republika Srpska im Januar 1992 am Vorabend des Kriegs gegründet wurde, befanden sich drei bosnisch-serbische Politiker an ihrer Spitze – Radovan Karadzić, Biljana Plavšić und Momcilo Krajišnik -, die später vom UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien verurteilt wurden.

    US-Botschaft solidarisch gegen Sezessionsbestrebungen

    Am Vorabend der Feierlichkeiten flogen F-16-Kampfjets der USA demonstrativ über den Norden Bosnien-Herzegowinas. Die US-Botschaft in Sarajewo forderte eine Untersuchung der Feierlichkeiten und erklärte, sie werde “nicht zögern”, auf Handlungen zu reagieren, die gegen das 1995 von den USA vermittelte Friedensabkommen verstoßen. Der Einsatz der F-16-Kampfflieger war Teil eines bilateralen Luft-Boden-Manövers mit der bosnischen Armee, das, so die US-Botschaft, “das Engagement der USA zur Wahrung der territorialen Integrität Bosnien-Herzegowinas angesichts von Anti-Dayton- und Sezessionsbestrebungen” zeige.

    Der Streit über die Gedenkfeier kommt weniger als einen Monat, nachdem Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) festgestellt hatten, dass Tausende von Wählern aus Bosnien und Herzegowina eingeschleust worden waren, um bei den jüngsten serbischen Wahlen illegal ihre Stimmen abzugeben.

    Prozess gegen Dodik am 17. Januar

    Am Mittwoch verurteilte auch Christian Schmidt die Feierlichkeiten und nationalistische Äußerungen bosnisch-serbischer Politiker. “Solche Maßnahmen gefährden nicht nur die Sicherheit und das Wohlergehen der Rückkehrer, sondern stellen auch eine ernsthafte Bedrohung für Investitionen, den EU-Integrationsprozess und den allgemeinen Wohlstand des ganzen Landes dar.”

    Dodik muss sich kommende Woche vor Gericht verantworten, weil er im August Gesetze erlassen hatte, die gegen Entscheidung des Verfassungsgerichts und des Hohen Repräsentanten verstoßen. Das Verfahren war im Dezember verschoben worden, weil Dodik verlangt hatte, es in Banja Luka abhalten zu lassen – mit Verweis auf politische Manipulationen, die ihm bei einem Prozess in Sarajevo drohten. Das lehnte das Gericht nun ab und wird kommende Woche prüfen, ob der seit Jahren im Clinch mit Schmidt liegende Dodik gegen die Bestimmungen des Dayton-Friedensvertrags von 1995 verstoßen hat.

    Die kurz danach verabschiedeten sogenannten “Bonn Powers” räumen dem Hohen Repräsentanten unter anderem das Recht ein, Politiker und Amtsinhaber, die das Dayton-Abkommen untergraben, abzusetzen und Gesetze zu erlassen sowie illegale Paraden zu verbieten. Alexander Rhotert

    • Bosnien-Herzegowina
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    • Europapolitik

    EU-Monitoring

    15.01.-16.01.2024
    Informelle Tagung der Umweltminister
    Themen: Anpassung und Resilienz, Kreislaufwirtschaft, gerechter Übergang. Vorläufige Tagesordnung

    15.01.2024 – 15:00 Uhr
    Euro-Gruppe
    Themen: Artikel IV des IWF: Mission im Euro-Währungsgebiet, Empfehlung zum Euroraum 2024, Wettbewerbsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets: Entwicklung der Energiepreise im Euro-Währungsgebiet, Auswirkungen auf die Wirtschaft des Euroraums und politische Reaktionen, Arbeitsprogramm der Eurogruppe für I/2024. Vorläufige Tagesordnung

    15.01.2024 – 17:00-22:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Gasemissionen
    Themen: Gemeinsame Aussprache zu Gasemissionen (Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, Verordnung über fluorierte Gase). Vorläufige Tagesordnung

    15.01.2024 – 19:00-20:00 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE)
    Themen: Net Zero Industry Act, Abstimmung über die Trilogergebnisse zum Strommarktdesign und zur REMIT-Verordnung. Vorläufige Tagesordnung

    16.01.2024
    Wöchentliche Kommissionssitzung
    Themen: Überarbeitung der Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat. Vorläufige Tagesordnung

    16.01.2024 – 09:00-22:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Belgischer Ratsvorsitz, Elektrische Luftfahrt, GASP und GSVP
    Themen: Erklärungen des Rates und der Kommission zur Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des belgischen Ratsvorsitzes, Abstimmung zur elektrischen Luftfahrt (eine Lösung für Kurz- und Mittelstreckenflüge), Gemeinsame Aussprache zu GASP und GSVP. Vorläufige Tagesordnung

    16.01.2024 – 10:00 Uhr
    Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
    Themen: Gedankenaustausch zum Arbeitsprogramm des belgischen Vorsitzes, Gedankenaustausch zu den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine, Leitlinien für die weitere Arbeit für das Treffen der Finanzminister und G20-Zentralbankpräsidenten vom 26. bis 29. Februar 2024. Vorläufige Tagesordnung

    17.01.2024 – 09:00-22:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, EU-Strategie Zentralasien
    Themen: Aussprache zu den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 14. und 15. Dezember 2023, Abstimmung zu den Sicherheits- und verteidigungspolitischen Auswirkungen des Einflusses Chinas auf die kritische Infrastruktur in der Europäischen Union, Abstimmung zur EU-Strategie für Zentralasien. Vorläufige Tagesordnung

    18.01.2024
    Trilog: CO2-Flottengrenzwerte
    Themen: Es handelt sich um den ersten politischen Trilog, nachdem im Dezember bereits Gespräche auf technischer Ebene stattgefunden haben. Die belgische Ratspräsidentschaft hat erste Kompromisse skizziert. Bislang ist der Rat nicht bereit, auf die Forderungen des Parlaments einzugehen. Beobachter rechnen erst bei der nächsten Verhandlungsrunde im Februar mit Bewegung.

    18.01.2024
    EuGH-Urteil zur Auskunft über Umstände des Abschusses von Flug MH17
    Themen: Die niederländische Regierung hat die Anfrage des Medienunternehmens RTL abgelehnt, ihre Erkenntnisse über den Abschuss des Malaysia Airlines-Flugs MH17 zu teilen. Der niederländische Staatsrat befragt den EuGH zur Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens. Vorabentscheidungsersuchen

    18.01.2024 – 09:00-16:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Interessensschutz der EU, Finanzierungstransparenz, Große Anfragen
    Themen: Abstimmung zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, Abstimmung zur Transparenz und Rechenschaftspflicht von aus dem EU-Haushalt finanzierten nicht-staatlichen Organisationen, Große Anfragen. Vorläufige Tagesordnung

    News

    Stéphane Séjourné wird neuer französischer Außenminister

    Renew-Chef Stéphane Séjourné bekommt einen neuen Job: Er soll Außenminister Frankreichs werden.

    Stéphane Séjourné wird Frankreichs neuer Außenminister, teilte das Büro von Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag mit. Finanzminister Bruno Le Maire und Innenminister Gérald Darmanin sollen zudem in ihren derzeitigen Ämtern bleiben.

    Die größte Überraschung bei der Regierungsumbildung ist jedoch die Ernennung der konservativen Politikerin Rachida Dati, einer engen Verbündeten des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Sie wird Kulturministerin Frankreichs. rtr

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    Minister wollen Treffen von Orbán und Selenskyj anbahnen

    Die Außenminister Ungarns und der Ukraine, Péter Szijjártó und Dmytro Kuleba, wollen am 29. Januar im ukrainischen Uschhorod darüber verhandeln, ob es zu einem Treffen von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kommt. Das teilten beide Seiten am Donnerstag mit. Auch der Chef von Selenskyjs Büro, Andrij Jermak, solle an dem Treffen teilnehmen, sagte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleh Nikolenko.

    Orbán pflegt gute Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Beim letzten EU-Gipfeltreffen hatte Orbán die geplante Sonderzahlung von 50 Milliarden Euro für die Ukraine per Veto verhindert. Über dieses Thema soll beim nächsten EU-Gipfel im Februar erneut beraten werden. Die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine kritisiert Orbán ebenfalls, verhinderte aber den entsprechenden Beschluss beim EU-Gipfel im Dezember nicht, sondern enthielt sich durch Verlassen des Verhandlungsraums der Stimme.

    In Budapest galt es als unsicher, ob es noch vor dem EU-Gipfel im Februar zum Treffen Orbans mit Selenskyj kommen könnte. Szijjártó betonte, ein solches Treffen habe nur Sinn, wenn dieses “bedeutende Ergebnisse” verspreche. Dafür müsse es “entsprechend vorbereitet” werden. dpa

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    USA und Großbritannien bombardieren Huthi-Einrichtungen in Jemen

    Mit Luftangriffen auf Einrichtungen der Huthi-Milizen im Jemen haben die USA und Großbritannien auf die anhaltende Bedrohung von Handelsschiffen vor der jemenitischen Küste im Roten Meer reagiert. Mit Flugzeugen und von Schiffen aus wurden am frühen Freitagmorgen jemenitischer Zeit Startplätze für Drohnen und Antischiffsraketen bombardiert. US-Präsident Joe Biden und der britische Premier Rishi Sunak bezeichneten die Aktion als notwendigen Schritt, um die Gefahr für Menschenleben und den internationalen Handel einzudämmen.

    Seit Mitte November hatten die Huthis, die von Iran unterstützt werden, immer wieder gezielt Drohnen und Antischiffsraketen auf Containerfrachter und Tanker abgefeuert, die die jemenitische Küste auf dem Weg vom oder zum Suez-Kanal passierten. Als Grund nannten sie die Unterstützung der Hamas-Milizen im Krieg gegen Israel. Zahlreiche Reedereien hatten daraufhin für ihre Schiffe die Route durch das Rote Meer ausgesetzt und vor allem Frachter auf den längeren Seeweg um Afrika geschickt.

    Gemeinsame Erklärung von 10 Staaten

    Nach Angaben von US-Regierungsvertretern wurden bei der Aktion, die von Australien, Bahrain, Kanada und den Niederlanden unterstützt wurde, zahlreiche “sehr gezielt ausgewählte Ziele” mit Präzisionsmunition angegriffen, um zivile Opfer zu vermeiden. Genauere Angaben zur Zahl und zum Erfolg der Mission gab es aus Washington zunächst nicht. Das britische Verteidigungsministerium teilte mit, die auf Zypern gestarteten britischen Kampfjets vom Typ Eurofighter Typhoon hätten mit gelenkten “Paveway IV”-Bomben einen Drohnen-Startplatz in Bani im Nordwesten Jemens und den Flugplatz von Abbs angegriffen, wo Marschflugkörper gestartet worden seien.

    Der Angriff sei unabhängig von der Mission “Operation Prosperity Guardian”, in der Kriegsschiffe mehrerer Nationen unter US-Führung Handelsschiffe vor Angriffen schützen, hieß es aus Regierungskreisen in Washington. Ebenfalls getrennt von den Luftschlägen, aber zeitgleich veröffentlichte das Weiße Haus eine gemeinsame Erklärung von 10 Staaten, darunter auch Deutschland: Darin werden die Huthi erneut aufgefordert, ihre Angriffe auf die Schifffahrt einzustellen. Sollten sie ihre Aktionen fortführen, seien sie für die Konsequenzen selbst verantwortlich.

    EU-Pläne für Militärmission im Roten Meer werden konkret

    Unabhängig vom Versuch der USA und Großbritanniens, mit Luftangriffen die Bedrohung durch Huthi-Milizen im Jemen zu stoppen, nehmen die Pläne der EU für eine eigene Mission zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer Gestalt an. Am kommenden Dienstag sollen sich die Botschafter der Mitgliedsstaaten im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) mit einem Aktionsplan befassen, der den Einsatz von Kriegsschiffen vorsieht, berichtet das sicherheitspolitische Brüsseler Nachrichtenportal Bruxelles 2. Dafür soll eine bereits bestehende Mission unter französischer Führung zum Schutz von Schiffen in der Straße von Hormus ausgeweitet werden.

    Das in Brüssel erarbeitete “Crisis Management Concept” sieht nach Angaben von Bruxelles 2 vor, die 2020 eingerichtete “Europäische maritime Überwachungsmission in der Straße von Hormus” (Mission européenne de surveillance maritime dans le détroit d’Ormuz , EMASOH) auf das Rote Meer und das Bab el Mandeb, die Verbindung zwischen dem Golf von Aden und dem Roten Meer und damit dem Suezkanal, auszudehnen. Vor der jemenitischen Küste greifen von Iran unterstützte Huthi-Milizen seit November Handelsschiffe im Roten Meer an, um die Hamas-Milizen im Krieg gegen Israel zu unterstützen. Erst am Mittwoch hatten Kriegsschiffe der USA und Großbritanniens den bislang größten Angriff mit Drohnen und Antischiffsraketen gegen Containerfrachter abgewehrt.

    Fregatte “Hessen” wäre geeignet

    Die USA haben zwar zur Bekämpfung dieser Angriffe eine Koalition der Willigen unter dem Namen “Operation Prosperity Guardian” gestartet, der allerdings bislang nur wenige europäische Staaten beigetreten sind. Stattdessen versuchte die EU zunächst, die Aufgaben ihrer Antipiraterie-Mission Atalanta am Horn von Afrika zu erweitern, was aber am Widerstand Spaniens scheiterte. Eine neue EU-Mission könnte dagegen auf mehr Zustimmung und auch Beteiligung europäischer Nationen bauen.

    Nach Angaben von Bruxelles 2 trieb vor allem Deutschland die Beratungen in Brüssel über den neuen Einsatz voran. Die bisherigen Planungen sehen danach den Einsatz von mindestens drei Fregatten, einschließlich Luftaufklärung durch Drohnen oder Hubschrauber vor. Für die Bundeswehr kommt dabei der Einsatz der Fregatte “Hessen” infrage, die für die Luftverteidigung ausgerüstet ist und erst kurz vor Weihnachten aus einem Nato-Einsatz nach Wilhelmshaven zurückgekehrt war.

    Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, hatte erst am Mittwoch noch einmal die Bereitschaft der Bundesregierung bekräftigt, an einer Mission unter EU-Kommando teilzunehmen. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass Deutschland die bestehende Mission in der Straße von Hormus bereits bei ihrer Einrichtung 2020 politisch mitgetragen hatte – auch wenn es nie eine militärische deutsche Beteiligung gab. Nach einer Befassung des PSK könnte der Plan den EU-Außenministern zu ihrem Treffen am 22. Januar vorgelegt werden. tw

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    Unternehmen beklagen Hürden im Binnenmarkt

    Viele Unternehmen in der EU klagen über Probleme bei grenzüberschreitenden Aktivitäten. In einer Umfrage der Kammer-Dachorganisation Eurochambres nannten die 1.000 befragten Firmen insbesondere uneinheitliche vertragliche und rechtliche Praktiken, abweichende nationale Vorschriften bei Dienstleistungen und mangelnde Informationen über die nationalen Praktiken als Hindernisse.

    Trotz des in den EU-Verträgen verankerten Binnenmarktes hätten die Unternehmen keinen uneingeschränkten Zugang zu den 450 Millionen Konsumenten in der EU, kritisierte Eurochambres-Präsident Vladimír Dlouhý. Die Unternehmen fordern unter anderem ein mehrsprachiges Online-Portal mit allen benötigten Informationen zu den Verfahren in anderen Mitgliedstaaten.

    Der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta betonte bei der Konferenz des Verbandes, es bedürfte einer weiteren Angleichung der Rechtssysteme in den 27 Mitgliedstaaten. Letta wird voraussichtlich im März seinen Bericht zum Binnenmarkt vorlegen, mit dem ihn die EU-Staats- und Regierungschefs beauftragt haben. Der Präsident des Jacques Delors Institute in Paris kündigte an, sein Bericht werde auch ein Kapitel zur Durchsetzung der geltenden Regeln enthalten, denn hier gebe es aktuell große Defizite. tho

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    • Wirtschaftspolitik

    Hydrogen Europe wehrt sich gegen Elektrifizierungsziel

    Der Wasserstoffverband Hydrogen Europe hat sich gegen die Bestrebungen von Eurelectric ausgesprochen, eine Elektrifizierungsquote im europäischen Recht zu verankern. Dies sei nicht das Ziel der Governance-Verordnung, sagte eine Vertreterin von Hydrogen Europe am Donnerstag bei einer Anhörung der Kommission zur Evaluierung des Rechtsaktes. Für den Stromverband Eurelectric ist ein freiwilliges Elektrifizierungsziel der Mitgliedstaaten das wichtigste Lobbying-Vorhaben in diesem Jahr.

    Die Grundsatzentscheidung zwischen CO₂-armen Gasen und Elektrizität hatte sich zuletzt in der Debatte um die Dekarbonisierung des Wärmesektors zugespitzt. Aber auch im Verkehr und in der Industrie gibt es Anwendungen, für die grundsätzlich beide Technologien in Frage kommen.

    Berater legen im Februar Evaluation vor

    Im Februar will ein Konsortium um Berater des Beratungsunternehmens ICF einen Evaluierungsbericht an die Kommission schicken. Bei der Anhörung stellte ICF erste Erkenntnisse vor. So hätten viele Mitgliedstaaten den Wunsch geäußert, die Berichtspflichten zeitlich noch besser mit anderen Rechtsakten wie dem Klimaschutzgesetz abzustimmen.

    Umweltverbände riefen die Kommission dazu auf, bei der Bewertung der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECPs) stärker darauf zu achten, ob sich diese in die Langfriststrategien der Mitgliedstaaten für die Klimaneutralität einfügen. Der Industrieverband Wind-Europe sprach sich jedoch gegen eine starke Überarbeitung der Governance-Verordnung aus. Investoren hätten zuletzt wieder Vertrauen in die Marktentwicklung gefasst. Deshalb sei es klüger, an funktionierenden Regelungen festzuhalten. ber

    • EU-Klimapolitik
    • Strom
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    Polens Präsident will verurteilte PiS-Politiker erneut begnadigen

    Polens Präsident Andrzej Duda will zwei rechtskräftig verurteilte ehemalige Mitglieder der abgewählten nationalkonservativen PiS-Regierung ein zweites Mal begnadigen. Einen entsprechenden Antrag habe er bei Justizminister Adam Bodnar gestellt, sagte Duda am Donnerstag in Warschau. Der Präsident hatte sich zuvor mit den Ehefrauen der beiden PiS-Politiker getroffen.

    Der Streit zwischen der neuen Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk und dem früheren Regierungslager der PiS um die Verhaftung des Ex-Innenministers Mariusz Kamiński und seines Stellvertreters Maciej Wasik hat Polen an den Rand einer Staatskrise gebracht. Die beiden Politiker waren am Dienstag verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden, nachdem sie zunächst Schutz im Präsidentenpalast gesucht hatten. Die PiS bezeichnet die beiden als “politische Gefangene”. Kamiński trat am ersten Tag seiner Haft in den Hungerstreik.

    Kamiński und Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief.

    Demonstration gegen Tusk-Regierung

    Duda gab seine Entscheidung, die beiden nun ein zweites Mal zu begnadigen, kurz vor einer geplanten Demonstration von PiS-Anhängern in Warschau bekannt. Mehrere Tausend Menschen demonstrierten gegen die Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk.

    Die überwiegend älteren Anhänger der nationalkonservativen Oppositionspartei PiS versammelten sich am Donnerstag vor dem Parlamentsgebäude in Warschau. Sie trugen polnische Fahnen sowie Plakate mit der Aufschrift: “Hier ist Polen, kein Tuskoland” und “Kulturminister – Zensurminister”. Der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński sagte vor den Demonstranten: “Das ist keine polnische Regierung.” Die PiS unterstellt Tusk, dass er im Auftrag von Deutschland handele.

    Der von den Nationalkonservativen organisierte “Protest der freien Polen” sollte sich ursprünglich gegen die Umgestaltung der öffentlich-rechtlichen Medien richten. Die Regierung von Tusk hatte vor einigen Wochen mit dem Umbau des Fernsehsenders TVP, des polnischen Radios sowie der Nachrichtenagentur PAP begonnen, die die PiS in ihrer achtjährigen Regierungszeit unter ihre Kontrolle gebracht hatte. dpa

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    • Polen

    Data Act tritt in Kraft

    Am Donnerstag ist der Data Act der EU in Kraft getreten. Die Verordnung soll für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung sorgen sowie einen europäischen Datenmarkt etablieren. Das Datengesetz legt die Rechte für den Zugang zu und die Nutzung von Daten fest, die vernetzte Geräte erzeugen. Vor allem von der Nutzung von Industriedaten verspricht sich die Kommission einen Mehrwert.

    Umstritten war das Gesetz vor allem deswegen, weil einige Unternehmen um den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse fürchteten. Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager, zuständig für Wettbewerbspolitik, sagte jedoch, mit der Datengesetzgebung erhalte der Nutzer die Kontrolle über die Weitergabe der von seinen vernetzten Geräten erzeugten Daten, “während wir gleichzeitig den Schutz von Geschäftsgeheimnissen sicherstellen und das europäische Grundrecht auf Privatsphäre wahren”. Der Reichtum an Industriedaten werde zu neuen datengestützten Anwendungen führen, “insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz”, fügte Binnenmarktkommissar Thierry Breton hinzu.

    Noch viel Vorbereitung bis zur Anwendung nötig

    Nach seinem Inkrafttreten wird das Datengesetz in 20 Monaten, also am 11. September 2026, zur Anwendung kommen. Bis dahin ist jedoch noch einiges zu tun, findet der Digitalverband Bitkom. “Das Aufsichtsregime des Data Governance Act ist in Deutschland auch nach Anwendungsbeginn weiterhin unklar”, sagte David Schönwerth, Bereichsleiter Data Economy beim Bitkom. “Wir hoffen, dass die Aufsichtsfrage beim Data Act möglichst früh geklärt wird.”

    Der horizontale Data ­Act lasse die Aufsichtsstrukturen für sektorale Datenzugänge sowie Datenschutz unangetastet und sehe für sich eine oder mehrere (bestehende) Aufsichtsbehörden auf nationaler Ebene vor. “Das Zusammenspiel der Aufsichtsbehörden im ‘Datenbereich’ könnte also aufwändiger und komplexer werden, als es irgendjemandem lieb sein kann”, meint Schönwerth. “Wir müssen uns dringend verständigen, wie eine effektive, einheitliche Datenaufsicht in Deutschland und Europa aussehen kann.” So könne es eigentlich nicht weitergehen, klagt Schönwerth. vis

    • Data Act
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    • Margrethe Vestager
    • Thierry Breton

    ENVI nimmt Trilog-Ergebnisse zu Industrieemissionen und Methan an

    Der Umweltausschuss des Europaparlaments stimmte mit einer Mehrheit von 64 Stimmen bei fünf Gegenstimmen und sieben Enthaltungen für die Ende November erzielten Einigung über die Richtlinie zu Industrieemissionen (IED). Voraussichtlich in der Sitzungswoche im März (11. bis 13. März) soll das Plenum abstimmen, allerdings muss der Termin noch bestätigt werden, heißt es aus Parlamentskreisen.

    Die Richtlinie zielt darauf ab, die Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung zu verringern, indem Vorschriften für Emissionen und Abfalldeponien für Unternehmen verschärft werden. Außerdem soll ein europäisches Register für die Freisetzung und Verbringung von Schadstoffen, das sogenannte E-PRTR, aktualisiert werden.

    Die neue Industrieemissionsrichtlinie macht “endlich Schluss mit Genehmigungen à la carte”, denn Behörden müssten künftig die striktest-möglichen Grenzwerte anlegen, sagte Jutta Paulus, Grünen-Berichterstatterin im Industrieausschuss (ITRE), zu Table.Media. Dies werde Umweltverschmutzung und Gesundheitsschädigung “nachhaltig verringern”, ist Paulus überzeugt. “Nach der Oder-Katastrophe 2022 mit massenhaftem Fischsterben werden endlich auch Vorgaben für die Anpassung der Grenzwerte an den aktuellen Wasserstand gemacht.”

    Grünes Licht auch für Methanverordnung

    Der ENVI billigte zudem die im November erzielte Einigung über die Methanverordnung. Auch hier soll die Abstimmung im Plenum voraussichtlicht im März stattfinden.

    Wenige Tage vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) hatten sich Rat und Parlament im Trilog auf eine Verordnung zur Reduktion von Methanemissionen im Energiesektor geeinigt. Das Parlament konnte sich in einem wichtigen Punkt durchsetzen: Das Gesetz bezieht auch die Methanemissionen von Energieimporten mit ein.

    Das Gesetz werde erstmals bindende Maßnahmen zur Verringerung des zweitwichtigsten Treibhausgases Methan festlegen, kommentierte Paulus, Grünen-Berichterstatterin im Industrieausschuss. Leckagen, aus denen Methan austritt, müssen demnach gesucht und geschlossen werden. Dies werde Methanemissionen weltweit reduzieren und die Nutzung des nicht verschwendeten Methans werde zu “mehr Energiesouveränität” beitragen, so Paulus. Das Abfackeln und Ablassen soll nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt sein. cst

    Der Ausschuss nahm gestern außerdem drei weitere Trilog-Ergebnisse an:

    • ENVI
    • Europäisches Parlament
    • Industrieemissionen
    • Landwirtschaft
    • Methan
    • Methan-Verordnung
    • Verpackungen

    Presseschau

    Mini-Meuterei bei der EU: Viktor Orbán bald ohne EU-Stimmrecht? TAGESSPIEGEL
    Russland würde Waffenstillstand nutzen um aufzurüsten, sagt Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj EURONEWS
    Staatenlose Palästinenser aus Gaza sollen in EU einfacher den Flüchtlingsschutz erhalten WELT
    Frankreich: Gabriel Attal verkleinert Kabinett deutlich FAZ
    Schnelle Nato-Eingreiftruppe: Marine übergibt Kommando an Spanien DEUTSCHLANDFUNK
    Huthi-Attacken verzögern Nachschub nach Europa HANDELSBLATT
    Huthi-Angriffe im Roten Meer: Vergeltungsschlag des Westens könnte unmittelbar bevorstehen FR
    Brexit kostet Großbritannien jährlich 163 Milliarden Euro WELT
    Politisches Theater in Warschau: Aufgeheizte Stimmung in Polen ZDF
    Polens PiS-Partei wettert gegen Tusk, EU und Deutschland ORF
    Finnlands östliche Landesgrenze zu Russland bleibt weiter geschlossen N-TV
    Polizei stoppt Flixbus in Belgien wegen Terrorverdachts T-ONLINE
    Thronwechsel in Dänemark: Königin Margrethe II. übergibt an Frederik X. NDR
    Serbien: Ein Autokrat zementiert seine Macht SÜDDEUTSCHE
    Schweden, Finnland und Lettland nutzen erneuerbare Energiequellen am meisten EURONEWS
    Europäischer Gerichtshof: Dyson kann keinen Schadenersatz von EU-Kommission verlangen HANDELSBLATT
    Google droht EU-Niederlage wegen Preisvergleichsdienst DER STANDARD
    Wegen hohem Zucker- und Koffeingehalt: Polen verbietet Energydrinks für Minderjährige ZM-ONLINE
    Bankenregulierung: Spanische Börsenaufsicht leitet Verfahren gegen Deutsche Bank ein HANDELSBLATT
    Kroatischer Notenbank Boris Vujcic: Zinssenkungen idealerweise im kleinen Schritten HANDELSBLATT
    Belgiens Premierminister Alexander De Croo und Außenministerin Hadja Lahbib eröffnen neue Botschaft in Peking BRF
    Starker Vulkanausbruch auf Island deutet sich an – große Aschewolke befürchtet KSTA

    Standpunkt

    What’s cooking in Paris? Macrons Schachzug sechs Monate vor der EU-Wahl

    Von Claire Stam
    Emmanuel Macron im Elysee-Palast in Paris.

    Europa ist die politische DNA von Emmanuel Macron“, sagt eine gut informierte liberale Quelle zu Table.Media. “Er hat seine politische Identität um Europa herum aufgebaut”. Das Problem: Während das Präsidentenlager immer noch keinen Spitzenkandidaten für die Europawahl am 9. Juni hat, liegt der Rassemblement National (RN) in den Umfragen etwa zehn Prozentpunkten vor der Liste Macrons.

    Die bevorstehenden Wahlen stellen daher eine große Herausforderung für den französischen Präsidenten dar. “Wenn er die Wahl verliert, wird er für den Rest seiner Amtszeit die politische Kontrolle in Frankreich verlieren“, so die Quelle. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf der europäischen Bühne. Dieses Szenario ist im Élysée-Palast undenkbar. Und deshalb hat der französische Präsident seinen König und seine Königin zugleich auf dem politischen Schachbrett Frankreichs herausgeholt: Gabriel Attal und Stéphane Séjourné.

    Attal und Séjourné: Macrons Trumpfkarten

    Der ehemalige Bildungsminister Attal, der kometenhaft zum Premierminister aufgestiegen ist, ist derzeit tatsächlich einer der beliebtesten politischen Persönlichkeiten in Frankreich. Es ist diese Popularität, die die Wahl erklärt. Mit seiner Ernennung hat sich Macron für jemanden entschieden, der in der Lage ist, seine Präsidentschaft wieder in Gang zu bringen. Nach der Verabschiedung der sehr umstrittenen Gesetze zur Rentenreform und zur Einwanderung hatte seine zweite Amtszeit an Schwung verloren. Attals Profil steht im Gegensatz zu seinen in Paris als eher technokratisch wahrgenommenen Vorgängern Élisabeth Borne und Jean Castex.

    Attal wird auf die starken Schultern von Renew-Chef Stéphane Séjourné zählen können, der am Donnerstagabend überraschend zum Europa- und Außenminister ernannt wurde. Der Europaabgeordnete kennt das europäische Getriebe besser als jeder andere in Paris. Mehr noch: Der Macronist, der – wie Gabriel Attal – von der Sozialistischen Partei kam, war vor seiner Ernennung zum Renew-Chef politischer Berater von Macron. Mit anderen Worten: Mit Attal und Séjourné hat Macron zwei Politiker an seine Seite geholt, die seit der ersten Stunde zu seinen treuesten Anhängern zählen. Beide Politikern verfügen über rhetorische Stärke und europäisches Fachwissen.

    Bewusstes Zögern beim Spitzenkandidaten

    Welche Rolle wird Premierminister Attal bei der Europawahl spielen? Den Europaabgeordneten des Rassemblement National Jordan Bardella im Visier halten. Mit seinen 28 Jahren ist er ebenfalls ein aufsteigender Stern in der französischen Politik. “Mit ihrem Kandidaten kann der RN Attal nicht mit seinem jungen Alter und einem Mangel an politischer Erfahrung attackieren”, heißt es. Da beide eine Vorliebe für Pointen haben und viel über soziale Netzwerken kommunizieren, sei ihre politische Kommunikation nicht so unterschiedlich. Und der neue Premierminister, der bereits sechs Mal mit Jordan Bardella im Fernsehen debattiert hat, versichert, dass er seinen Kontrahenten “nicht fürchtet”.

    Sich auf Bardella zu fokussieren wird Attal umso leichter fallen, als er bis zum Sommer keine großen Reformen durch das Parlament bringen muss – im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Borne. Er wird sich auch nicht mit der Nationalisierung der europäischen Debatten auseinandersetzen müssen: Renaissance, der französische Zweig von Renew, hat allerdings auch noch keinen Spitzenkandidaten für die Europawahl nominiert.

    Hinter der Verzögerung steckt Kalkül. “Wenn die Renaissance ihren Kandidaten im Herbst vorgestellt hätte, hätte er sich mit dem Widerstand gegen die Rentenreform und die Reform des Einwanderungsgesetzes auseinandersetzen müssen”, heißt es aus liberalen Kreisen Frankreichs. Eine Nominierung in den kommenden Tagen werde den Renaissance-Kandidaten also vor einer nationalen Debatte bewahren, die für das Lager des Präsidenten nicht unbedingt von Vorteil gewesen wäre.

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    Europe.Table Redaktion

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