Table.Briefing: Europe

Auswege aus der Mitteltechnologiefalle + EVP gegen Erneuerbaren Ziel 2040 + Italiens Pläne mit SpaceX

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn Sie sich heute auf den Weg nach Brüssel machen wollten, dann wissen Sie hoffentlich bereits Bescheid: Der öffentliche Verkehr in Belgien wird wegen eines Streiks in weiten Teilen des Landes lahm liegen.

Nur etwa jeder dritte IC-Zug werde fahren, teilte die belgische Bahn mit. Der Nahverkehr in Brüssel soll ebenfalls weitestgehend zum Erliegen kommen. “Die Brüsseler Verkehrsbetriebe werden alles daran setzen, um zumindest einen Teil des Dienstes zu gewährleisten”, teilten sie mit. Auch die Hälfte der Europaflüge von Brussels Airlines werden wohl ausfallen. Das Chaos bei den noch verbliebenen Verkehrsmitteln ist also absehbar. Wer nicht zu Fuß gehen kann, sollte vielleicht lieber zu Hause bleiben.

Hintergrund für den Streik ist, dass sich ein halbes Jahr nach der Wahl in Belgien eine neue Mitte-rechts-Regierung andeutet. Die großen Gewerkschaften des Landes erwarten unter anderem tiefe Einschnitte in den Sozialstaat, was sie nicht so einfach hinnehmen wollen. Deshalb haben sie zu dem landesweiten Streik aufgerufen. Beschäftigte sollten ab Sonntagabend um 22 Uhr für 24 Stunden ihre Arbeit niederlegen.

Ich wünsche Ihnen trotz alles Widrigkeiten einen erfolgreichen Tag, an dem hoffentlich wenigstens die Datenautobahn einwandfrei funktioniert,

Ihre
Corinna Visser
Bild von Corinna  Visser

Analyse

EU-Binnenmarktbericht: Kommission malt düsteres Bild und übernimmt Draghi-Methodik

Der jährliche EU-Binnenmarktbericht der Kommission zeigt anhand verschiedener Metriken auf, wie sich der Binnenmarkt entwickelt. Er soll die analytische Grundlage für den Wettbewerbsfähigkeitskompass liefern, den die Kommission bald präsentieren wird.

Ein Entwurf des EU-Binnenmarktberichts, der Table.Briefings vorliegt, zeigt die europäische Wirtschaft in einer schwierigen Lage. Um die Union in verschiedenen Industriebereichen wieder wettbewerbsfähiger zu machen und die EU aus der Mitteltechnologiefalle (Middle technology trap) zu führen, will die Kommission einen sektorspezifischen Ansatz nehmen.

Arbeitsproduktivität ist vergleichsweise gering

Die EU habe doppelt bis dreimal so hohe Energiepreise wie die USA, zu wenig öffentliche und private Investitionen in vielversprechende Technologien und eine weniger digitalisierte Wirtschaft als ihre Wettbewerber, erklärt die Kommmission im Berichtsentwurf. Unter anderem deswegen hinke die Arbeitsproduktivität in der EU jener in den USA hinterher. Gemessen am kaufkraftbereinigten BIP pro gearbeiteter Stunde lag die EU-Arbeitsproduktivität bei 77,8 Prozent der US-Arbeitsproduktivität.

“Die Attraktivität Europas als Geschäftsdestination ist im Abschwung”, schreibt die Kommission. Seit 2008 sei ein Drittel der Unicorn-Unternehmen, also Start-ups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro, in Drittstaaten abgewandert. “Nur vier der 50 größten Techfirmen haben ihren Standort in der EU und keines der wertvollsten Unternehmen der EU ist innerhalb der letzten 50 Jahre neu gestartet.”

Regulatorische Hindernisse und Investitionsflaute

Die Gründe für die Probleme sind vielfältig. Unter anderem nennt der Kommissionsbericht:

  • Neue Hürden im Binnenmarkt: Während die EU stetig Binnenmarkthürden abbaue, kämen auch immer wieder neue dazu. Speziell bei der Arbeiterentsendung und bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen müssten Unternehmen oft hohe regulatorische oder administrative Hürden überwinden.
  • Regulatorische Last: Insbesondere für KMUs sei der administrative Aufwand, um die regulatorischen Erfordernisse zu erfüllen, ein großes Hindernis. 28 Prozent der KMUs hätten berichtet, dass mehr als zehn Prozent ihrer Belegschaft angestellt sei, um die Einhaltung von Gesetzen sicherzustellen.
  • Zu wenig F&E-Ausgaben in fortgeschrittene Technologien: Forschungs- und Entwicklungsausgaben wuchsen in den vergangenen Jahren nur sehr langsam, beklagt die Kommission. Zudem wird das Geld oft nicht in den vielversprechendsten Sektoren ausgegeben. Die EU sei spezialisiert auf weniger komplexe Technologien als ihre Wettbewerber.
  • Zu wenig Wachstumskapital: Venture-Capital-Investitionen sind 2023 von einem ohnehin tiefen Stand noch einmal gesunken auf nur 0,05 Prozent des BIPs. In den USA liegt der Wert beim Zehnfachen, in China beim Siebenfachen.

Auswege aus der Mitteltechnologiefalle

“Europa riskiert, in mehreren Bereichen den Anschluss zu verlieren”, warnt die Kommission. Sie will deshalb im neuen Mandat mit sektorspezifischen industriepolitischen Strategien dagegenhalten. Im Entwurf des Binnenmarktberichts legt die Kommission die methodische Grundlage für diese sektorspezifischen Strategien. Mario Draghi hatte in seinem Bericht vom Herbst 2024 vorgeschlagen, die Sektoren in vier verschiedene Kategorien einzuteilen. Der Berichtsentwurf der Kommission übernimmt Draghis Kategorisierung:

  1. Strategisch wichtige Sektoren: In diesen Sektoren sollen Politikmaßnahmen dafür sorgen, dass eine gewisse Industriekapazität in der EU bleibt oder aufgebaut wird. Dies könne zum Beispiel durch Resilienzkriterien, local content requirements oder durch ein gelockertes Regime für staatliche Beihilfen geschehen.
  2. Sektoren mit sozioökonomischer Wichtigkeit: Sektoren, die zum Beispiel durch ihre hohen Beschäftigungszahlen von sozioökonomischer Bedeutung sind, sollen vor allem gegen unfairen, staatlich subventionierten Wettbewerb aus Drittstaaten geschützt werden. Dies könne wie zuletzt in der Autoindustrie zum Beispiel durch Ausgleichszölle geschehen.
  3. Zukunftstechnologien: Sektoren mit hohem künftigen Wachstumspotenzial sollen durch eine Forschungs- und Innovationspolitik unterstützt werden, die darauf abzielt, Technologien bis zur Marktreife zu begleiten und zu unterstützen. Neben der Forschungspolitik müssen hier auch Finanzinstrumente wie InvestEU und die EIB zum Einsatz kommen. Bei nachhaltigen Technologien könne die Nachfrage durch grüne Leitmärkte angekurbelt werden.
  4. Nicht wettbewerbsfähige Sektoren: In einigen Industrien und Technologien sei der Kostennachteil der EU schlicht zu groß, sagt die Kommission. In diesen Sektoren müsse die EU vor allem darauf schauen, dass sie eine diversifizierte Lieferkette aufbauen kann, damit Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten verhindert werden können.

Der Binnenmarktbericht, den die Kommisssion in den kommenden Tagen offiziell vorstellen will, wird die analytische Grundlage bilden für den Wettbewerbsfähigkeitskompass (Competitiveness Compass) sowie den Clean Industrial Deal, welche die wirtschaftspolitische Agenda der neuen EU-Kommission prägen sollen.

  • Autoindustrie
  • Bürokratie
  • Clean Industrial Deal
  • EU-Binnenmarkt
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Erneuerbare: EVP-Abgeordnete wollen Ziel für 2040 streichen

Abgeordnete der EVP haben sich bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wegen eines Zugeständnisses an die Grünen im Mission Letter für den neuen Energiekommissar Dan Jørgensen beschwert. Jørgensen hatte sich bei seiner parlamentarischen Anhörung offen für ein Erneuerbaren-Ziel für 2040 gezeigt.

Nach der Bestätigung des Kollegiums durch die Abgeordneten hatte von der Leyen mehrere Mission Letter geändert und auch das Ziel für Erneuerbare festgeschrieben. Gewertet wurde das als Entgegenkommen gegenüber den Grünen, um die Wiederwahl von der Leyens abzusichern.

“Diese Änderung untergräbt somit die Gültigkeit der Herrn Jørgensen erteilten Bestätigung. Es ist zwingend erforderlich, seinen Mission Letter in der Fassung wiederherzustellen, die zum Zeitpunkt seiner Anhörung vorlag”, schreiben 14 Industriepolitiker der EVP um den französischen Abgeordneten François-Xavier Bellamy. Zu den Unterzeichnern gehören auch die CDU-Abgeordneten Andrea Wechsler und Hildegard Bentele.

Wechsler: CCS wird bedeutende Rolle spielen

Eine Absage an ein neues Erneuerbaren-Ziel für 2040 hatten auch Frankreich und andere Atomstaaten im Rat gefordert. Die Parlamentarier argumentieren ebenfalls mit dem Prinzip der Technologieneutralität und dem Recht der Mitgliedstaaten, ihren Energiemix frei zu bestimmen – auch bei der Dekarbonisierung. “Sie müssen in der Lage sein, dieses Ziel zu erreichen, indem sie auf andere kohlenstoffarme Energieträger als die erneuerbaren Energien zurückgreifen”, heißt es in dem Brief.

Wechsler setzt insbesondere auf die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. “Wir werden uns mit CCS auseinandersetzen müssen, weil CCS eine bedeutende Rolle bei der Dekarbonisierung in Europa spielen muss”, sagte Wechsler zu Table.Briefings. Zur Energieerzeugung hat sich die Union bislang für CCS bei Gaskraftwerken und bei der Herstellung von blauem Wasserstoff ausgesprochen.

Energie- und Chemieunternehmen wollen CCS für Kohlekraftwerke

Die Technologieoffenheit weckt allerdings Begehrlichkeiten. Am Freitag forderte der Verein der Kohlenimporteure, die CO2-Abscheidung auch für Steinkohlekraftwerke zu ermöglichen: Es sei nicht einzusehen, CCS/CCU für den Betrieb von Gaskraftwerken zuzulassen, bei Kohlekraftwerken aber nicht. Zu dem Verein gehören Energieunternehmen wie EnBW, Uniper, Steag und Trianel, der Chemieparkbetreiber Currenta und die Deutsche Bahn.

Im vergangenen Jahr wurde der Ausbau der Erneuerbaren in der EU bereits eingebremst. Die Solarenergie verzeichnete mit 65,5 Gigawatt (GW) zwar noch einen Anstieg, allerdings ging die Wachstumsrate nach Angaben von SolarPower Europe stark zurück. Am Freitag meldete dann WindEurope einen Rückgang der Installationszahlen.

20 Prozent weniger Windkraft installiert

Wurden 2023 in der EU noch 16,2 GW zugebaut, waren es im vergangenen Jahr nur noch 13 GW. Damit die EU ihre Energieziele erreicht, müssten es nach Angaben des Verbandes eigentlich 30 GW pro Jahr sein. In Deutschland hatten dagegen zumindest die Genehmigungen für Windkraftanlagen zuletzt deutlich zugelegt – auch wegen verkürzter Planungsverfahren.

EU-weit habe sich die Genehmigungssituation 2024 aber sogar verschlechtert, stellt WindEurope ernüchtert fest. Viele Mitgliedstaaten hätten die neuen Erleichterungen durch die Erneuerbaren-Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt.

500 GW warten auf Netzanbindung

Mehr als 500 GW an Windprojekten in der EU warteten derzeit außerdem auf Zusagen für eine Netzanbindung. Ein prominentes Beispiel sei der fertige Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 3. Tennet könne ihn erst 2026 ans Netz anschließen.

Zudem hält die Elektrifizierung nicht Schritt mit dem Ausbau der Erneuerbaren, weshalb es immer häufiger zu negativen Börsenpreisen kommt. Für viele Erneuerbaren-Projekte stehe die Wirtschaftlichkeit deshalb infrage, sagte der CEO von Axpo, Christoph Brand, der Agentur Bloomberg. Der von der EU-Kommission angekündigte Elektrifizierungsplan könne gar nicht schnell genug kommen, bekräftigte WindEurope am Freitag.

2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

Denn der ebenfalls am Freitag veröffentlichte Copernicus Global Climate Highlights Report 2024 zeigt, dass das vergangene Jahr das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war. Und es wird das erste Jahr sein, in dem die jährliche globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegt.

Das vergangene Jahr war auch das wärmste für alle kontinentalen Regionen, einschließlich Europa, mit Ausnahme der Antarktis und Australasiens. Dabei hat sich der europäische Kontinent seit den 1980er Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt und ist damit der sich am schnellsten erwärmende Kontinent der Erde.

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Sichere Kommunikation aus dem All: Italien hat eigene Pläne

Nach erheblichen Startschwierigkeiten hatte die EU-Kommission erst im vergangenen Dezember im zweiten Anlauf das Konsortium Spacerise beauftragt, das Satelliten-Kommunikationssystem Iris² aufzubauen. Italien ist im Konsortium mit Thales Alenia Space vertreten. Doch dann meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg, das Land habe einen Fünfjahresvertrag mit SpaceX im Volumen von 1,5 Milliarden Euro über Kommunikationsdienste aus dem All geschlossen. Ergibt das gemeinsame EU-Programm noch Sinn, wenn wichtige Mitgliedsländer aussteigen?

Die Iris2-Konstellation (Infrastructure for Resilience, Interconnectivity and Security by Satellite) ist Europas Antwort auf die veränderte Bedrohungslage. Sie soll die Kommunikationskapazitäten für staatliche Nutzer und Unternehmen verbessern und gleichzeitig schnelle Internet-Breitbandverbindungen bereitstellen, um unversorgte Gebiete anzubinden.

Stärkung der europäischen Souveränität

“Zur Stärkung der europäischen Souveränität sollten europäische Regierungen verstärkt auf europäische Fähigkeiten und Systeme setzen – gerade in der strategisch wichtigen Raumfahrt”, sagt Matthias Wachter, BDI-Abteilungsleiter Internationale Zusammenarbeit, Rohstoffe, Sicherheit und Raumfahrt. “Die italienische Industrie ist an der geplanten europäischen Iris2-Satelliten-Konstellation beteiligt. Vor diesem Hintergrund überrascht das Interesse der italienischen Regierung an einem US-System.”

Tatsächlich haben im Grunde alle europäischen Streitkräfte Defizite, was sichere Kommunikation angeht. Deswegen konnten sich die Regierungen relativ schnell auf Iris2 einigen. Dennoch wird es einige Jahre dauern, bis das europäische System einsatzbereit ist. Die Angebote der SpaceX-Tochter Starlink sind dagegen sofort verfügbar. Eine Interimslösung könnte also der Hintergrund für Italiens Pläne mit SpaceX sein.

Nach der Entscheidung für ein System ist der Wechsel schwierig

Das Problem: Wenn so ein System erst eingeführt und etabliert ist, wenn die Terminals und Antennen gekauft und im Einsatz sind, dann ändert man das nicht so einfach über Nacht. Es ist auch eine Ausbildung notwendig. Das treibt die Wechselkosten zu einem anderen System in die Höhe.

Das sieht man zum Beispiel an den Navigationssatellitensystemen. Deutschland ist der größte Finanzier vom europäischen System Galileo der ersten und zweiten Generation. Aber Bundesregierung und Bundeswehr nutzen ausschließlich das US-System GPS. Die Begründung ist: Es ist eingeführt und es funktioniert. Und auch die Bundeswehr nutzt SpaceX, weil es billiger ist.

Insgesamt habe Europa jedoch “im Vergleich zu den USA und China erhebliche Defizite im Bereich von Weltraumfähigkeiten“, findet Wachter vom BDI. “Umso wichtiger ist es, dass die Europäer ihre eigenen Anstrengungen intensivieren.” Und die eigenen Systeme dann auch nutzen.

Italien ist mit SpaceX im Gespräch

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat einen Deal mit Elon Musks SpaceX zwar dementiert. “Ich bin ziemlich erstaunt darüber, wie manche Fake News umherschwirren und weiter diskutiert werden, selbst nachdem sie dementiert wurden – wie der angebliche Vertrag mit SpaceX”, sagte Meloni am Donnerstag in ihrer Jahres-Pressekonferenz in Rom. Sie habe nie persönlich mit Elon Musk über einen Deal zwischen Italien und SpaceX gesprochen.

Dass ein Deal mit SpaceX zur Debatte steht, ist jedoch nichts Neues. Eine solche Zusammenarbeit werde bereits seit Mitte 2023 geprüft, schreiben italienische Medien. Mit der Firma SpaceX sei man in einer Phase der Voruntersuchungen, bestätigte Meloni.

SpaceX habe der Regierung vorgestellt, über welche Technologien das Unternehmen verfüge, eine sichere Kommunikation auf nationaler und vor allem globaler Ebene zu ermöglichen. “Uns ist vor allem die Gewährleistung einer sicheren Kommunikation in den Beziehungen zu diplomatischen Vertretungen und Militärkontingenten im Ausland wichtig, die sehr heikel sind”, sagte Meloni. Derartige Gespräche wie die mit SpaceX gehörten zur Normalität. “Dutzende von Unternehmen bieten sich für die unterschiedlichsten Dinge an, dann wird die Voruntersuchung durchgeführt, und wenn die Angelegenheit von Interesse ist, wird sie in den entsprechenden Gremien platziert.”

In italienischen Medien waren in den vergangenen Tagen ebenfalls Diskussionen aufgekommen, ob eine Zusammenarbeit mit SpaceX italienische Arbeitsplätze gefährden könnte. Nach Angaben der EU-Kommissionen bedeutet die Beteiligung Italiens an Iris2 unter anderem, dass das Land voraussichtlich drei Kontrollzentren der kommenden Konstellation beherbergen werde.

Eine mögliche Vereinbarung zwischen Italien und SpaceX über die Nutzung des Satellitenkommunikationssystems Starlink sei aber mit der Teilnahme an Iris2 vereinbar. Das erklärte ein Sprecher der EU-Kommission der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. “Italien hat als souveräner Staat den vollen Ermessensspielraum, um souveräne Entscheidungen und Maßnahmen zu treffen.”

Italiens Opposition fordert Aufklärung

Elly Schlein, die Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico, gibt sich mit den bisherigen Erklärungen nicht zufrieden. Sie verlangt von Meloni zeitnahe Aufklärung vor dem Parlament. “Wenn 1,5 Milliarden Euro der Italiener für die Satelliten eines amerikanischen Milliardärs der Preis für dessen Freundschaft sind, sind wir nicht bereit, das zu bezahlen”, sagte Schlein. “Italien ist nicht zu verkaufen.”

Die Gespräche mit SpaceX waren bereits öfter Thema in den italienischen Medien. Im September wurde gemutmaßt, dass sich Musk mit der unternehmerischen Annäherung an Italien erhoffen könnte, dass Meloni sich für ihn im Gegenzug in Europa gegen die Regulierung sozialer Medien stark macht.

Im November bereits rechtfertigte Verteidigungsminister Guido Crosetto (Fratelli d’Italia) die Gespräche über einen potenziellen Vertrag mit SpaceX vor dem Parlament in Rom. “Heute gibt es für Kommunikationssatelliten in geringer Höhe nur Starlink. Und das Problem ist, dass man, um das Niveau von Starlink zu erreichen, nicht nur Kapazitäten für die Herstellung der Satelliten, sondern auch für deren Start benötigt. Die hat bis heute zu diesen Kosten nur Starlink.

Dies sei nicht nur ein italienisches Problem. “Sie haben eine private Partei, die ein weltweites Monopol hat, mit der müssen Sie reden.” Die Alternative sei, ein autonomes System aufzubauen. “Aber im Fall von Europa wird das erst in zehn bis 15 Jahren zur Verfügung stehen”, meint Crosetto.

Tatsächlich sieht die EU-Kommission den ersten Start für IRIS² bereits für 2029 vor und die vollständige Einführung bis Ende 2030. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Offen ist auch, was die Iris2-Dienste kosten werden. Die Gesamtkosten für die volle Laufzeit des 12-jährigen Konzessionsvertrags belaufen sich auf 10,6 Milliarden Euro.

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News

Politische Prioritäten: Von der Leyen setzt 14 Projektgruppen ein

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat 14 neue Projektgruppen innerhalb der Kommission eingerichtet, um die Koordinierung und Umsetzung politischer Prioritäten zu verbessern. Die Projektgruppen sollen sicherstellen, dass Initiativen von der Konzeption bis zur Umsetzung kohärent und effizient gesteuert werden. Dies ist ein neuer Ansatz, der darauf abzielt, die Zusammenarbeit zwischen den Kommissionsmitgliedern zu stärken und die Effektivität der Kommissionsarbeit zu erhöhen.

Die Projektgruppen wurden im Einklang mit den Arbeitsmethoden der Europäischen Kommission gebildet und spiegeln wider, was von der Leyen in den Politischen Leitlinien und den Missionsschreiben an die Kommissionsmitglieder vorgegeben hatte.

Die 14 Projektgruppen und ihre Leitung und befassen sich mit folgenden Bereichen:

  • Clean Industrial Deal – Teresa Ribera, Stéphane Séjourné, Wopke Hoekstra
  • Künstliche Intelligenz – Henna Virkkunen
  • Externe Maßnahmen – Kaja Kallas
  • Kompetenzen, Arbeitsplätze und soziale Rechte – Roxana Mînzatu
  • Wirtschaftliche Sicherheit – Maroš Šefčovič
  • Verteidigungsunion – Andrius Kubilius
  • Europäische Spar- und Investitionsunion – Maria Luís Albuquerque
  • Union der Vorsorge – Hadja Lahbib
  • Europäische Innere Sicherheit – Magnus Brunner
  • Wasserresilienz – Jessika Roswall
  • Bezahlbarer Wohnraum – Dan Jørgensen
  • Start-ups und Scale-ups – Ekaterina Sachariewa
  • Europäischer Demokratie-Schild – Michael McGrath
  • Vision für Landwirtschaft und Ernährung – Christophe Hansen.

Jede Projektgruppe hat ein eigenes Mandat, eine eigene Zusammensetzung und eigene Arbeitsmethoden. Die Vorsitzenden der Gruppen sind dafür verantwortlich, die erfolgreiche Umsetzung des jeweiligen Mandats zu gewährleisten. Die Projektgruppen sind zunächst für ein Jahr eingerichtet und können bei Bedarf verlängert werden. vis

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Zensurvorwürfe: SPD-Abgeordnete verlangen Aussprache mit Musk und Zuckerberg

Deutsche Europaabgeordnete der SPD sehen eine gefährliche Verquickung von Geschäftsinteressen mit der kommenden US-Regierung und fordern von der EU schnelles Handeln. In seiner jüngsten Videobotschaft kündigte Meta-CEO Mark Zuckerberg nach Ansicht der Abgeordneten eine “fatale Kehrtwende beim Umgang mit Hass, Hetze und Desinformation auf seinen Plattformen Facebook und Instagram” an.

Darüber hinaus habe er die EU der “institutionalisierten Zensur” beschuldigt, gegen die er mithilfe der US-Regierung vorgehen wolle. Dies dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben, schrieben die Abgeordneten an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sowie Ratspräsident António Costa.

Zuckerberg und Musk vorladen

Als direkte Reaktion auf die jüngsten darauf fordern die SPD-Europaabgeordneten, zu denen René Repasi, Tiemo Wölken und Birgit Sippel gehören, unter anderem:

  • Einen raschen Abschluss der laufenden Untersuchungen unter dem Digital Services Act (DSA) gegen X und Tiktok, sowie die Prüfung und gegebenenfalls die Eröffnung von Verfahren gegen Facebook. Instagram und Threads mit besonderem Fokus auf die Ausgestaltung von Empfehlungsalgorithmen
  • Eine Aufstockung des zuständigen Personals für die Durchsetzung sowie die Überführung des zuständigen Direktorats aus dem politisch geführten Generaldirektorat Connect in eine eigene Verwaltungsstruktur.
  • Die sofortige Vorladung von Mark Zuckerberg und Elon Musk in die zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments und ein Hausverbot für Meta-Lobbyisten in allen EU-Institutionen bis zur Klärung der haltlosen Zensurvorwürfe gegen die EU.

Zudem schlagen sie “nach Jahren fruchtloser Debatten um die strategische Autonomie Europas” eine neue, entschiedene Initiative der Kommission vor. “Europa braucht einen ‘Euro Stack Act’, mit dem Ziel, europäische Technologiekapazitäten zu stärken und unsere Abhängigkeit von nicht-europäischen Tech-Unternehmen zu reduzieren.”

    Keine politischen Deals mit dem DSA

    “Wir haben zuletzt gesehen, wie der ehemalige Digitalkommissar Thierry Breton immer erst dann gehandelt hat, wenn es politisch opportun war, beziehungsweise Medienaufmerksamkeit generiert hat”, sagte Tiemo Wölken zu Europe.Table. Ein Beispiel sei die Eröffnung eines Verfahrens gegen X erst nach dem Angriff der Hamas auf Israel, obwohl die Probleme mit X schon länger bekannt gewesen seien. “Ich halte das für gefährlich und habe deshalb von Anfang an gefordert, dass die Durchsetzung des DSA bei einer unabhängigen Behörde liegen sollte, denn so wichtige Güter wie der Schutz unserer Grundrechte online sollte nicht politisch beeinflussbar sein”, sagte Wölken.

    Eine Möglichkeit sei die Überführung des zuständigen Direktorats aus der GD Connect in eine eigenständige Generaldirektion, die nicht auch mit der Erarbeitung von politischen Leitlinien und Gesetzesvorschlägen betraut ist. So ergebe sich eine größere Distanz zum politischen Tagesgeschäft.

    “Es gibt durchaus Beispiele für solche technischen Generaldirektorate, beispielsweise die GD Übersetzung, oder die GD Digit, die für die IT zuständig ist”, erläuterte Wölken. Es sei noch zu früh, um zu sagen, wie die neue Kommission sich hier verhalten werde. “Allerdings sehe ich definitiv die Gefahr, dass die Durchsetzung des DSA für einen politischen Kuhhandel missbraucht werden könnte.” Das käme einem Ende der Rechtsstaatlichkeit gleich.

    Meta stellt DEI-Programme ein

    Mark Zuckerberg hat sich am vergangenen Freitag offenbar bereits mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump in dessen Anwesen in Florida getroffen. Dies berichteten US-Medien. Meta erklärte ebenfalls am Freitag in einer Notiz an seine Mitarbeiter, dass es seine Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI), sowie die Programme für die Einstellung, Schulung und Auswahl von Lieferanten beenden werde. vis

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    • Meta
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    USA: Supreme Court zeigt sich offen für Tiktok-Verbot

    Ein Verbot von Tiktok in den USA wird wahrscheinlicher. Am Freitag hörten die neun Richter des Supreme Court mündliche Stellungnahmen zu dem Fall an. In der rund zweistündigen Anhörung kam auch Noel Francisco, der Anwalt von Tiktok zu Wort. Seine Argumentation, dass ein Verbot das von der amerikanischen Verfassung garantierte Recht auf Redefreiheit beschneide, wiesen die Richter zurück. Zudem äußerten sie Zweifel an der Behauptung des chinesischen Mutterkonzerns Bytedance, dass eine Abspaltung von Tiktok in den USA “unmöglich” sei.

    US-Behörden wollen wegen Sicherheitsbedenken durchsetzen, dass Tiktok in den USA nur weiterbestehen darf, wenn Bytedance den amerikanischen Teil der Kurzvideo-App verkauft. Bereits am 19. Januar soll das Verbot in Kraft treten. Dann müsste die App aus den App-Stores von Google und Apple in den USA entfernt werden. Momentan hat die Video-Plattform in den Vereinigten Staaten etwa 170 Millionen Nutzer.

    Donald Trump, der sich in seiner ersten Amtszeit noch kritisch zu Tiktok äußerte, setzt sich nun für eine einvernehmliche Lösung ein. Ende Dezember wandte er sich an den Supreme Court mit der Bitte, die Umsetzung des Gesetzes vorübergehend auszusetzen, um Verhandlungen zu ermöglichen.

    Eine Entscheidung, ob das Gesetz in Kraft tritt oder vorübergehend ausgesetzt wird, könnte schon heute im Laufe des Tages bekanntgegeben werden. Tiktok-Anwalt Francisco warnte, dass ein Verbot auch andere Unternehmen zur Zielscheibe machen werde. fpe

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    • Tiktok

    NGT: Wie Experten Polens Vorschlag zu Patenten einschätzen

    Mit einem neuen Kompromissvorschlag will die polnische EU-Ratspräsidentschaft das Patt bei den Verhandlungen der Mitgliedstaaten zum Gentechnikrecht durchbrechen. Warschau will die Frage der Patentierbarkeit gentechnisch veränderter Pflanzen lösen, geht dabei aber deutlich weniger weit als zuvor die belgische Ratspräsidentschaft.

    Ist eine Pflanze der Kategorie NGT 1 (Neue Gentechniken Kategorie 1) mit einem Patent belegt, soll sie speziell gekennzeichnet werden. Einzelne EU-Mitgliedstaaten könnten deren Anbau auf dem eigenen Staatsgebiet verbieten. Die Pflanze könnte aber trotzdem EU-weit vermarktet werden. Belgien hatte dagegen vorgeschlagen, dass nur patentfreie Pflanzen überhaupt in die laxer regulierte Kategorie 1 fallen dürfen.

    Zweifel an der Rechtssicherheit des Vorschlags

    Für Unternehmen, die NGT-Pflanzen vermarkten, dürfte der Vorschlag ohne größere Schwierigkeiten umsetzbar sein, meint Kai Purnhagen, Professor für Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth. Denn Informationen über Patente würden ohnehin schon jetzt verfügbar gemacht. Ob der Vorschlag mit internationalem Patentrecht vereinbar sei, sei aber fraglich.

    Patentfragen im Rahmen des EU-Gentechnikrechts lösen zu wollen, könne zu juristischen Komplikationen führen, sagt der Experte. Polen argumentiert dagegen, dass dies der einzig gangbare Weg sei. Denn weder Kommission noch Mitgliedstaaten trügen eine separate Reform des Patentrechts mit.

    Frage der Koexistenz mit Biolandbau ungelöst

    Zweifel an der Rechtssicherheit des Vorschlags äußert auch Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Zudem sei unklar, wie er ohne lückenlose Rückverfolgbarkeit in der Praxis umgesetzt werden soll. Es handle sich deshalb um eine “Scheinlösung” für die Patentfrage. Kritisch sieht sie auch, dass Polen die Frage der Koexistenz zwischen Biolandbau und NGT-Pflanzen ungelöst lasse. Polen gibt an, sich auf die Patentfrage zu konzentrieren, weil sie entscheidend sei, um eine mehrheitsfähige Lösung im Rat zu finden.

    Tatsächlich gilt es als möglich, dass Polen eine Mehrheit erreichen könnte. Ein erster Gradmesser ist am 20. Januar zu erwarten. Dann soll der Vorschlag auf Arbeitsebene erstmals im Rat besprochen werden. jd

    • EU-Gentechnik
    • EU-Gentechnikrecht
    • NGT
    • Patente
    • Polnische Ratspräsidentschaft

    EU-Kommission zahlt Ukraine erste Tranche von drei Milliarden Euro

    Die EU-Kommission hat der Ukraine am Freitag drei Milliarden Euro als erste Tranche aus einem Darlehen der G7-Staaten ausbezahlt: “Wir geben der Ukraine die finanzielle Kraft, weiter für ihre Freiheit zu kämpfen – und zu siegen”, wird Ursula von der Leyen in der Pressemitteilung zitiert. Europa habe die Ukraine bisher mit fast 134 Milliarden Euro unterstützt, und es werde noch mehr kommen. Genau wie der ukrainische Widerstand werde die Unterstützung Europas unerschütterlich sein. Die Auszahlung ist kurz vor Amtsantritt von Donald Trump auch ein wichtiges Signal.

    Auch für Militärausgaben

    Dank der G7-Initiative kann die Ukraine mit insgesamt rund 45 Milliarden Euro rechnen, wobei der Anteil der EU bei bis zu 18,1 Milliarden Euro liegt. Die EU will der Ukraine im Rahmen des Makrofinanzhilfe-Darlehens von März bis November monatlich eine Milliarde Euro auszahlen. Die restlichen 6,1 Milliarden Euro sind für Dezember vorgesehen.

    Diese Mittel sollen die makroökonomische Stabilität der Ukraine gewährleisten und auch dazu dienen, die von Russland zerstörte kritische Infrastruktur wiederherzustellen. Kyjiw kann das Darlehen ebenfalls zur direkten Unterstützung der Militärausgaben beziehungsweise der Verteidigungsinfrastruktur verwenden.

    Diskussion um Vermögenswerte

    Das Instrument des außerordentlichen Mikrofinanzhilfe-Darlehens biete ein hohes Maß an Flexibilität und sehr günstige Konditionen mit langen Laufzeiten, schreibt die EU-Kommission. Die Rückzahlung werde aus den außerordentlichen Gewinnen auf den blockierten russischen Zentralbankgeldern sichergestellt. Damit werde ein klares Signal gesetzt, dass die Last des Wiederaufbaus der Ukraine von denjenigen getragen werden müsse, die für die Zerstörung des Landes verantwortlich sind.

    Einige EU-Staaten und die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen, der Ukraine auch die russischen Zentralbankgelder selbst zukommen zu lassen. Ein Großteil der Vermögenswerte der russischen Zentralbank, und zwar rund 210 Milliarden Euro, liegt in den EU-Mitgliedstaaten. sti

    • G7
    • Kritische Infrastruktur
    • Russland
    • Sanktionen
    • Ukraine-Wiederaufbau
    • Ursula von der Leyen
    • Zentralbank

    Umfrage: EU bewältigt wichtige Aufgaben nicht

    Die Europäische Union versagt bei der Bewältigung zentraler Aufgaben. Das ergab eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Europäischen Bewegung Deutschland. Demnach sind 88 Prozent der Befragten der Meinung, der EU gelinge es nicht, Asylbewerber ausgewogen auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. 66 Prozent geben an, die EU schaffe nicht genügend Anreize für mehr Wirtschaftswachstum. Für 62 Prozent gelingt es zu wenig, die Demokratie gegen Gefahren von innen und außen zu schützen.

    Trotz dieser Defizite sagen nur 20 Prozent der Befragten, die EU-Mitgliedschaft habe alles in allem mehr Nachteile für Deutschland. Für 50 Prozent überwiegen die Vorteile. 57 Prozent geben aber an, die Funktionsweise der EU-Institutionen nicht genügend zu verstehen.

    Deutschland hat keine Führungsrolle mehr

    Deutschland hat nach Einschätzung der meisten Befragten an Einfluss in der EU verloren. Lediglich ein Drittel ist der Meinung, Berlin nehme noch eine Führungsrolle ein. Die Ampel-Koalition hatte sich bei mehreren EU-Gesetzesvorhaben nicht oder erst sehr spät auf eine gemeinsame Position einigen können. Deutschland war zudem bei wichtigen Abstimmungen wie über die Zölle auf E-Autos aus China überstimmt worden. 55 Prozent der Befragten halten es daher für sinnvoll, die Formulierung der Europapolitik einem den Bundesministerien übergeordneten Gremium zu übertragen.

    Um die EU zu stärken, halten 59 Prozent der Befragten mehr Mitbestimmungsrechte für das Europaparlament für sinnvoll. 70 Prozent fordern, im Rat der Mitgliedstaaten mit Mehrheit zu entscheiden.

    Geteilter ist das Meinungsbild bei der Frage der EU-Erweiterung: 49 Prozent befürworten eine Aufnahme der Westbalkan-Staaten, 39 lehnen sie ab. Im Falle der Ukraine sind 44 Prozent dafür, 43 Prozent dagegen. Für die Umfrage hatte Forsa gut 1500 Wahlberechtigte in Deutschland befragt. tho

    • Demokratie
    • EU-Erweiterung
    • Europapolitik
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    • Ursula von der Leyen
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    Schweiz bereit, Putin und Trump ein Treffen zu ermöglichen MERKUR
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    Schallenberg zu von der Leyen: Österreich bleibt verlässlich SALZBURGER NACHRICHTEN
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    Italiens Priesterseminare: Schwule zugelassen, solange nicht “praktizierend” FAZ
    Niederlande: Polizei in Den Haag nimmt hunderte Klima-Aktivisten wegen Blockade von Autobahn fest DEUTSCHLANDFUNK
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    Slowakei droht Ukraine: Warum Premier Fico auf Konfrontation setzt – und auf Putin TAGESSPIEGEL
    Slowakei: Proteste gegen prorussischen Kurs der Regierung DEUTSCHLANDFUNK
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    Hätten zwei Hochhäuser zerstören können: Polnische Antipanzerminen landen aus Versehen im Ikea-Lager T-ONLINE
    USA-Sanktionen gegen Serbien: Vucic will mit Putin sprechen EURONEWS

    Standpunkt

    Was die EU gegen Kreml-Propaganda in ihrem Hinterhof tun könnte

    Von Thomas Brey
    Thomas Brey
    Thomas Brey ist Autor einer Studie zu Desinformation und Kreml-Propaganda auf dem Balkan.

    Was könnte die EU tun, um das Ruder doch noch einmal herumzureißen? Von Serbien über Nordmazedonien, Bulgarien oder Ungarn hat Moskau in weiten Teilen mit den Instrumenten der Desinformation und hybriden Kriegsführung die Deutungshoheit erobert. Es gibt nicht das eine Rezept, sondern eine Palette von Maßnahmen, die wirken könnten.

    So wäre es wichtig, die Medienkompetenz bei jungen Menschen in Südosteuropa und auch in der EU zu fördern. Die EU-Staaten könnten auch ausländische Radioprogramme wie die Deutsche Welle mit ihren fremdsprachigen Programmen aufwerten. Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen müsste Brüssel zudem gegenüber den Kandidatenländern durchsetzen, dass politische Einflussnahme und Zentralisierung der Medien zurückgebunden werden. Wichtig wäre auch, Propaganda und Desinformation durch Faktenchecks zu konterkarieren.

    Länder kippen wie Dominosteine

    Es wäre höchste Zeit, dass die bisher weitgehend inaktive EU reagiert und nicht wartet, bis weitere Länder wie Dominosteine ins prorussische Lager kippen. Eines der jüngsten Beispiele ist Georgien, das sich in rasender Geschwindigkeit von einem EU-Beitrittskandidaten zum Verbündeten Russlands entwickelt hat.

    Ungarns Regierungschef Viktor Orbán ist offen ins Russland-Lager gewechselt. Er pflegt enge Beziehungen zum Kreml-Herrscher Wladimir Putin, samt regelmäßigen Treffen und Telefonaten. Das EU-Mitglied blockiert Brüsseler Gemeinschaftspolitik nach Kräften: mit Vetoandrohungen für die Ukraine-Hilfen oder sogar gegen den EU-Haushalt.

    Putin gratuliert

    Das EU-Land Slowakei folgt dem ungarischen Beispiel. Es macht Front gegen die Ukrainepolitik Brüssels und droht dem ukrainischen Nachbarn mit Sanktionen. Regierungschef Robert Fico hatte Ende Dezember sogar Putin in Moskau besucht und sich wie Ungarn als Vermittler im russischen Angriffskrieg angedient. Folgerichtig hatte Putin Fico und Orbán (gemeinsam mit Alt-Kanzler Gerhard Schröder) zum Jahreswechsel gratuliert.

    Im EU-Staat Rumänien ist die erste Runde der Präsidentenwahlen annulliert worden, nachdem sich der prorussische Rechtsextremist Călin Georgescu aus dem Nichts durchgesetzt hatte. Der steht im Ukrainekrieg aufseiten Russlands und will erreichen, dass Rumänien der NATO und EU den Rücken kehrt.

    Fruchtbarerer Boden

    Diese kleine Auswahl besorgniserregender außenpolitischer Entwicklungen in Europa zeigt die Wirkung russischer Staatspropaganda – nicht monokausal, aber doch zu einem großen Teil. Kreml-Narrative werden wie ein Dauer-Trommelfeuer über hunderte Portale und Social-Media-Kanäle in Dutzenden europäischen Ländern verbreitet. Dort fallen die immer gleichen Fake-Botschaften auf fruchtbaren Boden bei großen Teilen der Bevölkerung – vorwiegend bei armutsgefährdeten Schichten und nationalistischen Kreisen. Die Kreml-Desinformationen werden verstärkt durch populistische Politiker in den jeweiligen Ländern und die von ihnen kontrollierten Medien.

    Ihren Ausgang hat die russische Propagandaoffensive auf dem Balkan genommen. In Belgrad hatte die Staatsagentur Sputnik Serbien 2014 mit einer großen Redaktion ihre Arbeit aufgenommen. Acht Jahre später folgte RT Balkan. Die ehemalige Agentur Russia Today (RT) sendet seit letztem Dezember sogar ein TV-Programm.

    Die Informationen werden in serbischer Sprache kostenlos zur Verfügung gestellt und von hunderten Zeitungen, Social-Media-Kanälen und Portalen unredigiert eins zu eins übernommen. Auch in den Nachbarstaaten. Hier erproben Russlands Staatspropagandisten, mit welchen Techniken die besten Ergebnisse bei den Bürgern auch anderer Länder erzielt werden.

    Eckpunkte der Propaganda

    Eckpunkte dieses Narratives aus der Kreml-Küche:

    • die angebliche Verarmung breiter Bevölkerungsschichten im Westen
    • die behauptete Spaltung der Gesellschaften in eine kleine Elite und die breite Masse der Unterdrückten
    • die Auflösung des patriarchalisch-christlichen Familienmodells durch die LGBTQI-Bewegung führe zur Verweichlichung dieser Gesellschaften
    • das kapitalistische Wirtschaftssystem stehe kurz vor dem Kollaps
    • trotz sozialer Not und bitterer Armut in ihren Ländern werden nach dieser Lesart Milliarden für Waffen ausgegeben, mit denen die Ukraine auch nicht den Krieg gegen das übermächtige Russland gewinnen könne
    • die USA würden als westliche Führungsmacht durch eine multipolare Welt unter Führung Russlands und China abgelöst
    • die EU werde in kolonialistischer Manier von den USA ausgebeutet …

    Kippt Tschechien als nächstes?

    In Österreich ist zurzeit zu besichtigen, was russischer hybrider Einfluss anrichtet. Der jetzt mit der Regierungsbildung beauftragte Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Herbert Kickl, zeigt sich besonders Russland-affin. Seine Partei schloss bereits 2016 einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei “Geeintes Russland”, der erst im April 2024 nach öffentlicher Empörung aufgekündigt wurde. Als Nächstes könnte Tschechien kippen, wenn Andrej Babiš dort bei den Parlamentswahlen im Herbst ein Comeback schafft.

    Thomas Brey hat für die Friedrich-Naumann-Stiftung die Studie “Russland – Wegbereiter von Autokratien – Wie der Kreml Europa destabilisiert” verfasst. Der Autor war zuvor mehr als drei Jahrzehnte Südosteuropa-Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur dpa.

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    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

    Licenses:
      Liebe Leserin, lieber Leser,

      wenn Sie sich heute auf den Weg nach Brüssel machen wollten, dann wissen Sie hoffentlich bereits Bescheid: Der öffentliche Verkehr in Belgien wird wegen eines Streiks in weiten Teilen des Landes lahm liegen.

      Nur etwa jeder dritte IC-Zug werde fahren, teilte die belgische Bahn mit. Der Nahverkehr in Brüssel soll ebenfalls weitestgehend zum Erliegen kommen. “Die Brüsseler Verkehrsbetriebe werden alles daran setzen, um zumindest einen Teil des Dienstes zu gewährleisten”, teilten sie mit. Auch die Hälfte der Europaflüge von Brussels Airlines werden wohl ausfallen. Das Chaos bei den noch verbliebenen Verkehrsmitteln ist also absehbar. Wer nicht zu Fuß gehen kann, sollte vielleicht lieber zu Hause bleiben.

      Hintergrund für den Streik ist, dass sich ein halbes Jahr nach der Wahl in Belgien eine neue Mitte-rechts-Regierung andeutet. Die großen Gewerkschaften des Landes erwarten unter anderem tiefe Einschnitte in den Sozialstaat, was sie nicht so einfach hinnehmen wollen. Deshalb haben sie zu dem landesweiten Streik aufgerufen. Beschäftigte sollten ab Sonntagabend um 22 Uhr für 24 Stunden ihre Arbeit niederlegen.

      Ich wünsche Ihnen trotz alles Widrigkeiten einen erfolgreichen Tag, an dem hoffentlich wenigstens die Datenautobahn einwandfrei funktioniert,

      Ihre
      Corinna Visser
      Bild von Corinna  Visser

      Analyse

      EU-Binnenmarktbericht: Kommission malt düsteres Bild und übernimmt Draghi-Methodik

      Der jährliche EU-Binnenmarktbericht der Kommission zeigt anhand verschiedener Metriken auf, wie sich der Binnenmarkt entwickelt. Er soll die analytische Grundlage für den Wettbewerbsfähigkeitskompass liefern, den die Kommission bald präsentieren wird.

      Ein Entwurf des EU-Binnenmarktberichts, der Table.Briefings vorliegt, zeigt die europäische Wirtschaft in einer schwierigen Lage. Um die Union in verschiedenen Industriebereichen wieder wettbewerbsfähiger zu machen und die EU aus der Mitteltechnologiefalle (Middle technology trap) zu führen, will die Kommission einen sektorspezifischen Ansatz nehmen.

      Arbeitsproduktivität ist vergleichsweise gering

      Die EU habe doppelt bis dreimal so hohe Energiepreise wie die USA, zu wenig öffentliche und private Investitionen in vielversprechende Technologien und eine weniger digitalisierte Wirtschaft als ihre Wettbewerber, erklärt die Kommmission im Berichtsentwurf. Unter anderem deswegen hinke die Arbeitsproduktivität in der EU jener in den USA hinterher. Gemessen am kaufkraftbereinigten BIP pro gearbeiteter Stunde lag die EU-Arbeitsproduktivität bei 77,8 Prozent der US-Arbeitsproduktivität.

      “Die Attraktivität Europas als Geschäftsdestination ist im Abschwung”, schreibt die Kommission. Seit 2008 sei ein Drittel der Unicorn-Unternehmen, also Start-ups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro, in Drittstaaten abgewandert. “Nur vier der 50 größten Techfirmen haben ihren Standort in der EU und keines der wertvollsten Unternehmen der EU ist innerhalb der letzten 50 Jahre neu gestartet.”

      Regulatorische Hindernisse und Investitionsflaute

      Die Gründe für die Probleme sind vielfältig. Unter anderem nennt der Kommissionsbericht:

      • Neue Hürden im Binnenmarkt: Während die EU stetig Binnenmarkthürden abbaue, kämen auch immer wieder neue dazu. Speziell bei der Arbeiterentsendung und bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen müssten Unternehmen oft hohe regulatorische oder administrative Hürden überwinden.
      • Regulatorische Last: Insbesondere für KMUs sei der administrative Aufwand, um die regulatorischen Erfordernisse zu erfüllen, ein großes Hindernis. 28 Prozent der KMUs hätten berichtet, dass mehr als zehn Prozent ihrer Belegschaft angestellt sei, um die Einhaltung von Gesetzen sicherzustellen.
      • Zu wenig F&E-Ausgaben in fortgeschrittene Technologien: Forschungs- und Entwicklungsausgaben wuchsen in den vergangenen Jahren nur sehr langsam, beklagt die Kommission. Zudem wird das Geld oft nicht in den vielversprechendsten Sektoren ausgegeben. Die EU sei spezialisiert auf weniger komplexe Technologien als ihre Wettbewerber.
      • Zu wenig Wachstumskapital: Venture-Capital-Investitionen sind 2023 von einem ohnehin tiefen Stand noch einmal gesunken auf nur 0,05 Prozent des BIPs. In den USA liegt der Wert beim Zehnfachen, in China beim Siebenfachen.

      Auswege aus der Mitteltechnologiefalle

      “Europa riskiert, in mehreren Bereichen den Anschluss zu verlieren”, warnt die Kommission. Sie will deshalb im neuen Mandat mit sektorspezifischen industriepolitischen Strategien dagegenhalten. Im Entwurf des Binnenmarktberichts legt die Kommission die methodische Grundlage für diese sektorspezifischen Strategien. Mario Draghi hatte in seinem Bericht vom Herbst 2024 vorgeschlagen, die Sektoren in vier verschiedene Kategorien einzuteilen. Der Berichtsentwurf der Kommission übernimmt Draghis Kategorisierung:

      1. Strategisch wichtige Sektoren: In diesen Sektoren sollen Politikmaßnahmen dafür sorgen, dass eine gewisse Industriekapazität in der EU bleibt oder aufgebaut wird. Dies könne zum Beispiel durch Resilienzkriterien, local content requirements oder durch ein gelockertes Regime für staatliche Beihilfen geschehen.
      2. Sektoren mit sozioökonomischer Wichtigkeit: Sektoren, die zum Beispiel durch ihre hohen Beschäftigungszahlen von sozioökonomischer Bedeutung sind, sollen vor allem gegen unfairen, staatlich subventionierten Wettbewerb aus Drittstaaten geschützt werden. Dies könne wie zuletzt in der Autoindustrie zum Beispiel durch Ausgleichszölle geschehen.
      3. Zukunftstechnologien: Sektoren mit hohem künftigen Wachstumspotenzial sollen durch eine Forschungs- und Innovationspolitik unterstützt werden, die darauf abzielt, Technologien bis zur Marktreife zu begleiten und zu unterstützen. Neben der Forschungspolitik müssen hier auch Finanzinstrumente wie InvestEU und die EIB zum Einsatz kommen. Bei nachhaltigen Technologien könne die Nachfrage durch grüne Leitmärkte angekurbelt werden.
      4. Nicht wettbewerbsfähige Sektoren: In einigen Industrien und Technologien sei der Kostennachteil der EU schlicht zu groß, sagt die Kommission. In diesen Sektoren müsse die EU vor allem darauf schauen, dass sie eine diversifizierte Lieferkette aufbauen kann, damit Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten verhindert werden können.

      Der Binnenmarktbericht, den die Kommisssion in den kommenden Tagen offiziell vorstellen will, wird die analytische Grundlage bilden für den Wettbewerbsfähigkeitskompass (Competitiveness Compass) sowie den Clean Industrial Deal, welche die wirtschaftspolitische Agenda der neuen EU-Kommission prägen sollen.

      • Autoindustrie
      • Bürokratie
      • Clean Industrial Deal
      • EU-Binnenmarkt
      • EU-Kommission
      • Forschungspolitik
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      • Lieferketten
      • Mario Draghi
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      • Technologie
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      • Wirtschaftspolitik

      Erneuerbare: EVP-Abgeordnete wollen Ziel für 2040 streichen

      Abgeordnete der EVP haben sich bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wegen eines Zugeständnisses an die Grünen im Mission Letter für den neuen Energiekommissar Dan Jørgensen beschwert. Jørgensen hatte sich bei seiner parlamentarischen Anhörung offen für ein Erneuerbaren-Ziel für 2040 gezeigt.

      Nach der Bestätigung des Kollegiums durch die Abgeordneten hatte von der Leyen mehrere Mission Letter geändert und auch das Ziel für Erneuerbare festgeschrieben. Gewertet wurde das als Entgegenkommen gegenüber den Grünen, um die Wiederwahl von der Leyens abzusichern.

      “Diese Änderung untergräbt somit die Gültigkeit der Herrn Jørgensen erteilten Bestätigung. Es ist zwingend erforderlich, seinen Mission Letter in der Fassung wiederherzustellen, die zum Zeitpunkt seiner Anhörung vorlag”, schreiben 14 Industriepolitiker der EVP um den französischen Abgeordneten François-Xavier Bellamy. Zu den Unterzeichnern gehören auch die CDU-Abgeordneten Andrea Wechsler und Hildegard Bentele.

      Wechsler: CCS wird bedeutende Rolle spielen

      Eine Absage an ein neues Erneuerbaren-Ziel für 2040 hatten auch Frankreich und andere Atomstaaten im Rat gefordert. Die Parlamentarier argumentieren ebenfalls mit dem Prinzip der Technologieneutralität und dem Recht der Mitgliedstaaten, ihren Energiemix frei zu bestimmen – auch bei der Dekarbonisierung. “Sie müssen in der Lage sein, dieses Ziel zu erreichen, indem sie auf andere kohlenstoffarme Energieträger als die erneuerbaren Energien zurückgreifen”, heißt es in dem Brief.

      Wechsler setzt insbesondere auf die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. “Wir werden uns mit CCS auseinandersetzen müssen, weil CCS eine bedeutende Rolle bei der Dekarbonisierung in Europa spielen muss”, sagte Wechsler zu Table.Briefings. Zur Energieerzeugung hat sich die Union bislang für CCS bei Gaskraftwerken und bei der Herstellung von blauem Wasserstoff ausgesprochen.

      Energie- und Chemieunternehmen wollen CCS für Kohlekraftwerke

      Die Technologieoffenheit weckt allerdings Begehrlichkeiten. Am Freitag forderte der Verein der Kohlenimporteure, die CO2-Abscheidung auch für Steinkohlekraftwerke zu ermöglichen: Es sei nicht einzusehen, CCS/CCU für den Betrieb von Gaskraftwerken zuzulassen, bei Kohlekraftwerken aber nicht. Zu dem Verein gehören Energieunternehmen wie EnBW, Uniper, Steag und Trianel, der Chemieparkbetreiber Currenta und die Deutsche Bahn.

      Im vergangenen Jahr wurde der Ausbau der Erneuerbaren in der EU bereits eingebremst. Die Solarenergie verzeichnete mit 65,5 Gigawatt (GW) zwar noch einen Anstieg, allerdings ging die Wachstumsrate nach Angaben von SolarPower Europe stark zurück. Am Freitag meldete dann WindEurope einen Rückgang der Installationszahlen.

      20 Prozent weniger Windkraft installiert

      Wurden 2023 in der EU noch 16,2 GW zugebaut, waren es im vergangenen Jahr nur noch 13 GW. Damit die EU ihre Energieziele erreicht, müssten es nach Angaben des Verbandes eigentlich 30 GW pro Jahr sein. In Deutschland hatten dagegen zumindest die Genehmigungen für Windkraftanlagen zuletzt deutlich zugelegt – auch wegen verkürzter Planungsverfahren.

      EU-weit habe sich die Genehmigungssituation 2024 aber sogar verschlechtert, stellt WindEurope ernüchtert fest. Viele Mitgliedstaaten hätten die neuen Erleichterungen durch die Erneuerbaren-Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt.

      500 GW warten auf Netzanbindung

      Mehr als 500 GW an Windprojekten in der EU warteten derzeit außerdem auf Zusagen für eine Netzanbindung. Ein prominentes Beispiel sei der fertige Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 3. Tennet könne ihn erst 2026 ans Netz anschließen.

      Zudem hält die Elektrifizierung nicht Schritt mit dem Ausbau der Erneuerbaren, weshalb es immer häufiger zu negativen Börsenpreisen kommt. Für viele Erneuerbaren-Projekte stehe die Wirtschaftlichkeit deshalb infrage, sagte der CEO von Axpo, Christoph Brand, der Agentur Bloomberg. Der von der EU-Kommission angekündigte Elektrifizierungsplan könne gar nicht schnell genug kommen, bekräftigte WindEurope am Freitag.

      2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

      Denn der ebenfalls am Freitag veröffentlichte Copernicus Global Climate Highlights Report 2024 zeigt, dass das vergangene Jahr das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war. Und es wird das erste Jahr sein, in dem die jährliche globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegt.

      Das vergangene Jahr war auch das wärmste für alle kontinentalen Regionen, einschließlich Europa, mit Ausnahme der Antarktis und Australasiens. Dabei hat sich der europäische Kontinent seit den 1980er Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt und ist damit der sich am schnellsten erwärmende Kontinent der Erde.

      • Antarktis
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      Sichere Kommunikation aus dem All: Italien hat eigene Pläne

      Nach erheblichen Startschwierigkeiten hatte die EU-Kommission erst im vergangenen Dezember im zweiten Anlauf das Konsortium Spacerise beauftragt, das Satelliten-Kommunikationssystem Iris² aufzubauen. Italien ist im Konsortium mit Thales Alenia Space vertreten. Doch dann meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg, das Land habe einen Fünfjahresvertrag mit SpaceX im Volumen von 1,5 Milliarden Euro über Kommunikationsdienste aus dem All geschlossen. Ergibt das gemeinsame EU-Programm noch Sinn, wenn wichtige Mitgliedsländer aussteigen?

      Die Iris2-Konstellation (Infrastructure for Resilience, Interconnectivity and Security by Satellite) ist Europas Antwort auf die veränderte Bedrohungslage. Sie soll die Kommunikationskapazitäten für staatliche Nutzer und Unternehmen verbessern und gleichzeitig schnelle Internet-Breitbandverbindungen bereitstellen, um unversorgte Gebiete anzubinden.

      Stärkung der europäischen Souveränität

      “Zur Stärkung der europäischen Souveränität sollten europäische Regierungen verstärkt auf europäische Fähigkeiten und Systeme setzen – gerade in der strategisch wichtigen Raumfahrt”, sagt Matthias Wachter, BDI-Abteilungsleiter Internationale Zusammenarbeit, Rohstoffe, Sicherheit und Raumfahrt. “Die italienische Industrie ist an der geplanten europäischen Iris2-Satelliten-Konstellation beteiligt. Vor diesem Hintergrund überrascht das Interesse der italienischen Regierung an einem US-System.”

      Tatsächlich haben im Grunde alle europäischen Streitkräfte Defizite, was sichere Kommunikation angeht. Deswegen konnten sich die Regierungen relativ schnell auf Iris2 einigen. Dennoch wird es einige Jahre dauern, bis das europäische System einsatzbereit ist. Die Angebote der SpaceX-Tochter Starlink sind dagegen sofort verfügbar. Eine Interimslösung könnte also der Hintergrund für Italiens Pläne mit SpaceX sein.

      Nach der Entscheidung für ein System ist der Wechsel schwierig

      Das Problem: Wenn so ein System erst eingeführt und etabliert ist, wenn die Terminals und Antennen gekauft und im Einsatz sind, dann ändert man das nicht so einfach über Nacht. Es ist auch eine Ausbildung notwendig. Das treibt die Wechselkosten zu einem anderen System in die Höhe.

      Das sieht man zum Beispiel an den Navigationssatellitensystemen. Deutschland ist der größte Finanzier vom europäischen System Galileo der ersten und zweiten Generation. Aber Bundesregierung und Bundeswehr nutzen ausschließlich das US-System GPS. Die Begründung ist: Es ist eingeführt und es funktioniert. Und auch die Bundeswehr nutzt SpaceX, weil es billiger ist.

      Insgesamt habe Europa jedoch “im Vergleich zu den USA und China erhebliche Defizite im Bereich von Weltraumfähigkeiten“, findet Wachter vom BDI. “Umso wichtiger ist es, dass die Europäer ihre eigenen Anstrengungen intensivieren.” Und die eigenen Systeme dann auch nutzen.

      Italien ist mit SpaceX im Gespräch

      Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat einen Deal mit Elon Musks SpaceX zwar dementiert. “Ich bin ziemlich erstaunt darüber, wie manche Fake News umherschwirren und weiter diskutiert werden, selbst nachdem sie dementiert wurden – wie der angebliche Vertrag mit SpaceX”, sagte Meloni am Donnerstag in ihrer Jahres-Pressekonferenz in Rom. Sie habe nie persönlich mit Elon Musk über einen Deal zwischen Italien und SpaceX gesprochen.

      Dass ein Deal mit SpaceX zur Debatte steht, ist jedoch nichts Neues. Eine solche Zusammenarbeit werde bereits seit Mitte 2023 geprüft, schreiben italienische Medien. Mit der Firma SpaceX sei man in einer Phase der Voruntersuchungen, bestätigte Meloni.

      SpaceX habe der Regierung vorgestellt, über welche Technologien das Unternehmen verfüge, eine sichere Kommunikation auf nationaler und vor allem globaler Ebene zu ermöglichen. “Uns ist vor allem die Gewährleistung einer sicheren Kommunikation in den Beziehungen zu diplomatischen Vertretungen und Militärkontingenten im Ausland wichtig, die sehr heikel sind”, sagte Meloni. Derartige Gespräche wie die mit SpaceX gehörten zur Normalität. “Dutzende von Unternehmen bieten sich für die unterschiedlichsten Dinge an, dann wird die Voruntersuchung durchgeführt, und wenn die Angelegenheit von Interesse ist, wird sie in den entsprechenden Gremien platziert.”

      In italienischen Medien waren in den vergangenen Tagen ebenfalls Diskussionen aufgekommen, ob eine Zusammenarbeit mit SpaceX italienische Arbeitsplätze gefährden könnte. Nach Angaben der EU-Kommissionen bedeutet die Beteiligung Italiens an Iris2 unter anderem, dass das Land voraussichtlich drei Kontrollzentren der kommenden Konstellation beherbergen werde.

      Eine mögliche Vereinbarung zwischen Italien und SpaceX über die Nutzung des Satellitenkommunikationssystems Starlink sei aber mit der Teilnahme an Iris2 vereinbar. Das erklärte ein Sprecher der EU-Kommission der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. “Italien hat als souveräner Staat den vollen Ermessensspielraum, um souveräne Entscheidungen und Maßnahmen zu treffen.”

      Italiens Opposition fordert Aufklärung

      Elly Schlein, die Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico, gibt sich mit den bisherigen Erklärungen nicht zufrieden. Sie verlangt von Meloni zeitnahe Aufklärung vor dem Parlament. “Wenn 1,5 Milliarden Euro der Italiener für die Satelliten eines amerikanischen Milliardärs der Preis für dessen Freundschaft sind, sind wir nicht bereit, das zu bezahlen”, sagte Schlein. “Italien ist nicht zu verkaufen.”

      Die Gespräche mit SpaceX waren bereits öfter Thema in den italienischen Medien. Im September wurde gemutmaßt, dass sich Musk mit der unternehmerischen Annäherung an Italien erhoffen könnte, dass Meloni sich für ihn im Gegenzug in Europa gegen die Regulierung sozialer Medien stark macht.

      Im November bereits rechtfertigte Verteidigungsminister Guido Crosetto (Fratelli d’Italia) die Gespräche über einen potenziellen Vertrag mit SpaceX vor dem Parlament in Rom. “Heute gibt es für Kommunikationssatelliten in geringer Höhe nur Starlink. Und das Problem ist, dass man, um das Niveau von Starlink zu erreichen, nicht nur Kapazitäten für die Herstellung der Satelliten, sondern auch für deren Start benötigt. Die hat bis heute zu diesen Kosten nur Starlink.

      Dies sei nicht nur ein italienisches Problem. “Sie haben eine private Partei, die ein weltweites Monopol hat, mit der müssen Sie reden.” Die Alternative sei, ein autonomes System aufzubauen. “Aber im Fall von Europa wird das erst in zehn bis 15 Jahren zur Verfügung stehen”, meint Crosetto.

      Tatsächlich sieht die EU-Kommission den ersten Start für IRIS² bereits für 2029 vor und die vollständige Einführung bis Ende 2030. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Offen ist auch, was die Iris2-Dienste kosten werden. Die Gesamtkosten für die volle Laufzeit des 12-jährigen Konzessionsvertrags belaufen sich auf 10,6 Milliarden Euro.

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      News

      Politische Prioritäten: Von der Leyen setzt 14 Projektgruppen ein

      Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat 14 neue Projektgruppen innerhalb der Kommission eingerichtet, um die Koordinierung und Umsetzung politischer Prioritäten zu verbessern. Die Projektgruppen sollen sicherstellen, dass Initiativen von der Konzeption bis zur Umsetzung kohärent und effizient gesteuert werden. Dies ist ein neuer Ansatz, der darauf abzielt, die Zusammenarbeit zwischen den Kommissionsmitgliedern zu stärken und die Effektivität der Kommissionsarbeit zu erhöhen.

      Die Projektgruppen wurden im Einklang mit den Arbeitsmethoden der Europäischen Kommission gebildet und spiegeln wider, was von der Leyen in den Politischen Leitlinien und den Missionsschreiben an die Kommissionsmitglieder vorgegeben hatte.

      Die 14 Projektgruppen und ihre Leitung und befassen sich mit folgenden Bereichen:

      • Clean Industrial Deal – Teresa Ribera, Stéphane Séjourné, Wopke Hoekstra
      • Künstliche Intelligenz – Henna Virkkunen
      • Externe Maßnahmen – Kaja Kallas
      • Kompetenzen, Arbeitsplätze und soziale Rechte – Roxana Mînzatu
      • Wirtschaftliche Sicherheit – Maroš Šefčovič
      • Verteidigungsunion – Andrius Kubilius
      • Europäische Spar- und Investitionsunion – Maria Luís Albuquerque
      • Union der Vorsorge – Hadja Lahbib
      • Europäische Innere Sicherheit – Magnus Brunner
      • Wasserresilienz – Jessika Roswall
      • Bezahlbarer Wohnraum – Dan Jørgensen
      • Start-ups und Scale-ups – Ekaterina Sachariewa
      • Europäischer Demokratie-Schild – Michael McGrath
      • Vision für Landwirtschaft und Ernährung – Christophe Hansen.

      Jede Projektgruppe hat ein eigenes Mandat, eine eigene Zusammensetzung und eigene Arbeitsmethoden. Die Vorsitzenden der Gruppen sind dafür verantwortlich, die erfolgreiche Umsetzung des jeweiligen Mandats zu gewährleisten. Die Projektgruppen sind zunächst für ein Jahr eingerichtet und können bei Bedarf verlängert werden. vis

      • Christophe Hansen
      • Clean Industrial Deal
      • Ekaterina Sachariewa
      • Ernährung
      • EU
      • EU-Kommission
      • Europäische Kommission
      • Künstliche Intelligenz
      • Maria Luís Albuquerque
      • Maroš Šefčovič
      • Michael McGrath
      • Spar- und Investitionsunion
      • Start-ups
      • Stéphane Séjourné
      • Ursula von der Leyen
      • wirtschaftliche Sicherheit

      Zensurvorwürfe: SPD-Abgeordnete verlangen Aussprache mit Musk und Zuckerberg

      Deutsche Europaabgeordnete der SPD sehen eine gefährliche Verquickung von Geschäftsinteressen mit der kommenden US-Regierung und fordern von der EU schnelles Handeln. In seiner jüngsten Videobotschaft kündigte Meta-CEO Mark Zuckerberg nach Ansicht der Abgeordneten eine “fatale Kehrtwende beim Umgang mit Hass, Hetze und Desinformation auf seinen Plattformen Facebook und Instagram” an.

      Darüber hinaus habe er die EU der “institutionalisierten Zensur” beschuldigt, gegen die er mithilfe der US-Regierung vorgehen wolle. Dies dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben, schrieben die Abgeordneten an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sowie Ratspräsident António Costa.

      Zuckerberg und Musk vorladen

      Als direkte Reaktion auf die jüngsten darauf fordern die SPD-Europaabgeordneten, zu denen René Repasi, Tiemo Wölken und Birgit Sippel gehören, unter anderem:

      • Einen raschen Abschluss der laufenden Untersuchungen unter dem Digital Services Act (DSA) gegen X und Tiktok, sowie die Prüfung und gegebenenfalls die Eröffnung von Verfahren gegen Facebook. Instagram und Threads mit besonderem Fokus auf die Ausgestaltung von Empfehlungsalgorithmen
      • Eine Aufstockung des zuständigen Personals für die Durchsetzung sowie die Überführung des zuständigen Direktorats aus dem politisch geführten Generaldirektorat Connect in eine eigene Verwaltungsstruktur.
      • Die sofortige Vorladung von Mark Zuckerberg und Elon Musk in die zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments und ein Hausverbot für Meta-Lobbyisten in allen EU-Institutionen bis zur Klärung der haltlosen Zensurvorwürfe gegen die EU.

      Zudem schlagen sie “nach Jahren fruchtloser Debatten um die strategische Autonomie Europas” eine neue, entschiedene Initiative der Kommission vor. “Europa braucht einen ‘Euro Stack Act’, mit dem Ziel, europäische Technologiekapazitäten zu stärken und unsere Abhängigkeit von nicht-europäischen Tech-Unternehmen zu reduzieren.”

        Keine politischen Deals mit dem DSA

        “Wir haben zuletzt gesehen, wie der ehemalige Digitalkommissar Thierry Breton immer erst dann gehandelt hat, wenn es politisch opportun war, beziehungsweise Medienaufmerksamkeit generiert hat”, sagte Tiemo Wölken zu Europe.Table. Ein Beispiel sei die Eröffnung eines Verfahrens gegen X erst nach dem Angriff der Hamas auf Israel, obwohl die Probleme mit X schon länger bekannt gewesen seien. “Ich halte das für gefährlich und habe deshalb von Anfang an gefordert, dass die Durchsetzung des DSA bei einer unabhängigen Behörde liegen sollte, denn so wichtige Güter wie der Schutz unserer Grundrechte online sollte nicht politisch beeinflussbar sein”, sagte Wölken.

        Eine Möglichkeit sei die Überführung des zuständigen Direktorats aus der GD Connect in eine eigenständige Generaldirektion, die nicht auch mit der Erarbeitung von politischen Leitlinien und Gesetzesvorschlägen betraut ist. So ergebe sich eine größere Distanz zum politischen Tagesgeschäft.

        “Es gibt durchaus Beispiele für solche technischen Generaldirektorate, beispielsweise die GD Übersetzung, oder die GD Digit, die für die IT zuständig ist”, erläuterte Wölken. Es sei noch zu früh, um zu sagen, wie die neue Kommission sich hier verhalten werde. “Allerdings sehe ich definitiv die Gefahr, dass die Durchsetzung des DSA für einen politischen Kuhhandel missbraucht werden könnte.” Das käme einem Ende der Rechtsstaatlichkeit gleich.

        Meta stellt DEI-Programme ein

        Mark Zuckerberg hat sich am vergangenen Freitag offenbar bereits mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump in dessen Anwesen in Florida getroffen. Dies berichteten US-Medien. Meta erklärte ebenfalls am Freitag in einer Notiz an seine Mitarbeiter, dass es seine Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI), sowie die Programme für die Einstellung, Schulung und Auswahl von Lieferanten beenden werde. vis

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        USA: Supreme Court zeigt sich offen für Tiktok-Verbot

        Ein Verbot von Tiktok in den USA wird wahrscheinlicher. Am Freitag hörten die neun Richter des Supreme Court mündliche Stellungnahmen zu dem Fall an. In der rund zweistündigen Anhörung kam auch Noel Francisco, der Anwalt von Tiktok zu Wort. Seine Argumentation, dass ein Verbot das von der amerikanischen Verfassung garantierte Recht auf Redefreiheit beschneide, wiesen die Richter zurück. Zudem äußerten sie Zweifel an der Behauptung des chinesischen Mutterkonzerns Bytedance, dass eine Abspaltung von Tiktok in den USA “unmöglich” sei.

        US-Behörden wollen wegen Sicherheitsbedenken durchsetzen, dass Tiktok in den USA nur weiterbestehen darf, wenn Bytedance den amerikanischen Teil der Kurzvideo-App verkauft. Bereits am 19. Januar soll das Verbot in Kraft treten. Dann müsste die App aus den App-Stores von Google und Apple in den USA entfernt werden. Momentan hat die Video-Plattform in den Vereinigten Staaten etwa 170 Millionen Nutzer.

        Donald Trump, der sich in seiner ersten Amtszeit noch kritisch zu Tiktok äußerte, setzt sich nun für eine einvernehmliche Lösung ein. Ende Dezember wandte er sich an den Supreme Court mit der Bitte, die Umsetzung des Gesetzes vorübergehend auszusetzen, um Verhandlungen zu ermöglichen.

        Eine Entscheidung, ob das Gesetz in Kraft tritt oder vorübergehend ausgesetzt wird, könnte schon heute im Laufe des Tages bekanntgegeben werden. Tiktok-Anwalt Francisco warnte, dass ein Verbot auch andere Unternehmen zur Zielscheibe machen werde. fpe

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        NGT: Wie Experten Polens Vorschlag zu Patenten einschätzen

        Mit einem neuen Kompromissvorschlag will die polnische EU-Ratspräsidentschaft das Patt bei den Verhandlungen der Mitgliedstaaten zum Gentechnikrecht durchbrechen. Warschau will die Frage der Patentierbarkeit gentechnisch veränderter Pflanzen lösen, geht dabei aber deutlich weniger weit als zuvor die belgische Ratspräsidentschaft.

        Ist eine Pflanze der Kategorie NGT 1 (Neue Gentechniken Kategorie 1) mit einem Patent belegt, soll sie speziell gekennzeichnet werden. Einzelne EU-Mitgliedstaaten könnten deren Anbau auf dem eigenen Staatsgebiet verbieten. Die Pflanze könnte aber trotzdem EU-weit vermarktet werden. Belgien hatte dagegen vorgeschlagen, dass nur patentfreie Pflanzen überhaupt in die laxer regulierte Kategorie 1 fallen dürfen.

        Zweifel an der Rechtssicherheit des Vorschlags

        Für Unternehmen, die NGT-Pflanzen vermarkten, dürfte der Vorschlag ohne größere Schwierigkeiten umsetzbar sein, meint Kai Purnhagen, Professor für Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth. Denn Informationen über Patente würden ohnehin schon jetzt verfügbar gemacht. Ob der Vorschlag mit internationalem Patentrecht vereinbar sei, sei aber fraglich.

        Patentfragen im Rahmen des EU-Gentechnikrechts lösen zu wollen, könne zu juristischen Komplikationen führen, sagt der Experte. Polen argumentiert dagegen, dass dies der einzig gangbare Weg sei. Denn weder Kommission noch Mitgliedstaaten trügen eine separate Reform des Patentrechts mit.

        Frage der Koexistenz mit Biolandbau ungelöst

        Zweifel an der Rechtssicherheit des Vorschlags äußert auch Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Zudem sei unklar, wie er ohne lückenlose Rückverfolgbarkeit in der Praxis umgesetzt werden soll. Es handle sich deshalb um eine “Scheinlösung” für die Patentfrage. Kritisch sieht sie auch, dass Polen die Frage der Koexistenz zwischen Biolandbau und NGT-Pflanzen ungelöst lasse. Polen gibt an, sich auf die Patentfrage zu konzentrieren, weil sie entscheidend sei, um eine mehrheitsfähige Lösung im Rat zu finden.

        Tatsächlich gilt es als möglich, dass Polen eine Mehrheit erreichen könnte. Ein erster Gradmesser ist am 20. Januar zu erwarten. Dann soll der Vorschlag auf Arbeitsebene erstmals im Rat besprochen werden. jd

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        EU-Kommission zahlt Ukraine erste Tranche von drei Milliarden Euro

        Die EU-Kommission hat der Ukraine am Freitag drei Milliarden Euro als erste Tranche aus einem Darlehen der G7-Staaten ausbezahlt: “Wir geben der Ukraine die finanzielle Kraft, weiter für ihre Freiheit zu kämpfen – und zu siegen”, wird Ursula von der Leyen in der Pressemitteilung zitiert. Europa habe die Ukraine bisher mit fast 134 Milliarden Euro unterstützt, und es werde noch mehr kommen. Genau wie der ukrainische Widerstand werde die Unterstützung Europas unerschütterlich sein. Die Auszahlung ist kurz vor Amtsantritt von Donald Trump auch ein wichtiges Signal.

        Auch für Militärausgaben

        Dank der G7-Initiative kann die Ukraine mit insgesamt rund 45 Milliarden Euro rechnen, wobei der Anteil der EU bei bis zu 18,1 Milliarden Euro liegt. Die EU will der Ukraine im Rahmen des Makrofinanzhilfe-Darlehens von März bis November monatlich eine Milliarde Euro auszahlen. Die restlichen 6,1 Milliarden Euro sind für Dezember vorgesehen.

        Diese Mittel sollen die makroökonomische Stabilität der Ukraine gewährleisten und auch dazu dienen, die von Russland zerstörte kritische Infrastruktur wiederherzustellen. Kyjiw kann das Darlehen ebenfalls zur direkten Unterstützung der Militärausgaben beziehungsweise der Verteidigungsinfrastruktur verwenden.

        Diskussion um Vermögenswerte

        Das Instrument des außerordentlichen Mikrofinanzhilfe-Darlehens biete ein hohes Maß an Flexibilität und sehr günstige Konditionen mit langen Laufzeiten, schreibt die EU-Kommission. Die Rückzahlung werde aus den außerordentlichen Gewinnen auf den blockierten russischen Zentralbankgeldern sichergestellt. Damit werde ein klares Signal gesetzt, dass die Last des Wiederaufbaus der Ukraine von denjenigen getragen werden müsse, die für die Zerstörung des Landes verantwortlich sind.

        Einige EU-Staaten und die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen, der Ukraine auch die russischen Zentralbankgelder selbst zukommen zu lassen. Ein Großteil der Vermögenswerte der russischen Zentralbank, und zwar rund 210 Milliarden Euro, liegt in den EU-Mitgliedstaaten. sti

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        Umfrage: EU bewältigt wichtige Aufgaben nicht

        Die Europäische Union versagt bei der Bewältigung zentraler Aufgaben. Das ergab eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Europäischen Bewegung Deutschland. Demnach sind 88 Prozent der Befragten der Meinung, der EU gelinge es nicht, Asylbewerber ausgewogen auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. 66 Prozent geben an, die EU schaffe nicht genügend Anreize für mehr Wirtschaftswachstum. Für 62 Prozent gelingt es zu wenig, die Demokratie gegen Gefahren von innen und außen zu schützen.

        Trotz dieser Defizite sagen nur 20 Prozent der Befragten, die EU-Mitgliedschaft habe alles in allem mehr Nachteile für Deutschland. Für 50 Prozent überwiegen die Vorteile. 57 Prozent geben aber an, die Funktionsweise der EU-Institutionen nicht genügend zu verstehen.

        Deutschland hat keine Führungsrolle mehr

        Deutschland hat nach Einschätzung der meisten Befragten an Einfluss in der EU verloren. Lediglich ein Drittel ist der Meinung, Berlin nehme noch eine Führungsrolle ein. Die Ampel-Koalition hatte sich bei mehreren EU-Gesetzesvorhaben nicht oder erst sehr spät auf eine gemeinsame Position einigen können. Deutschland war zudem bei wichtigen Abstimmungen wie über die Zölle auf E-Autos aus China überstimmt worden. 55 Prozent der Befragten halten es daher für sinnvoll, die Formulierung der Europapolitik einem den Bundesministerien übergeordneten Gremium zu übertragen.

        Um die EU zu stärken, halten 59 Prozent der Befragten mehr Mitbestimmungsrechte für das Europaparlament für sinnvoll. 70 Prozent fordern, im Rat der Mitgliedstaaten mit Mehrheit zu entscheiden.

        Geteilter ist das Meinungsbild bei der Frage der EU-Erweiterung: 49 Prozent befürworten eine Aufnahme der Westbalkan-Staaten, 39 lehnen sie ab. Im Falle der Ukraine sind 44 Prozent dafür, 43 Prozent dagegen. Für die Umfrage hatte Forsa gut 1500 Wahlberechtigte in Deutschland befragt. tho

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        Presseschau

        Radikale Inhalte gefördert: EU-Kommission weist Elon Musk in die Schranken N-TV
        Elon Musk und Alice Weidel im Live-Interview: Grenze des Erlaubten – Strafe möglich FRANKFURTER RUNDSCHAU
        “Robust” reagieren: Habeck warnt Donald Trump: Europa ist auf Zollstreit vorbereitet FOCUS
        Soziale Medien – Digitalkommissarin Virkkunen: EU-Regeln für Online-Plattformen durchsetzen DEUTSCHLANDFUNK
        “Wir haben es in Rumänien getan”: Ex-EU-Kommissar Thierry Breton will Bundestagswahl bei Musk-Einmischung annullieren FOCUS
        Elon Musk nennt Ex-EU-Kommissar Breton “Tyrann von Europa” DER STANDARD
        Einwanderung: Zahl der Asylanträge in der EU um zwölf Prozent gesunken WELT
        EU-Kommissarin Lahbib zu Arbeitsbesuch in Ukraine BRF
        EU-Türkei-Abkommen: Der Flüchtlingsdeal und seine Folgen DEUTSCHLANDFUNK
        EU-Kommission: EU sieht Attraktivität Europas für die Wirtschaft schwinden HANDELSBLATT
        Eon-Aktie unter Druck: Putin spielt eine Rolle dabei – und “Sicherheitsgründe” MERKUR
        Prognose: Amtsinhaber Milanovic bleibt Präsident in Kroatien SPIEGEL
        “Die Ostsee ist etwas, das wir verteidigen müssen”: Wie sich Estland vor weiterer Sabotage schützen will RND
        Energiekrise: Warum Putin “sein” Transnistrien jetzt frieren lässt DIE PRESSE
        Wiederholung der Wahlen im Mai – Rumänien: Massenprotest gegen Annullierung der Präsidentschaftswahl N-TV
        Annexionspläne von Donald Trump: Dänische Regierungschefin will mit Trump über Grönland sprechen ZEIT
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        Belgien übernimmt NATO-Operation für maritime Sicherheit GRENZECHO
        Protest gegen Rentenreform: Landesweiter Streik soll Belgien lahmlegen GOSLARSCHE
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        Slowakei: Proteste gegen prorussischen Kurs der Regierung DEUTSCHLANDFUNK
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        USA-Sanktionen gegen Serbien: Vucic will mit Putin sprechen EURONEWS

        Standpunkt

        Was die EU gegen Kreml-Propaganda in ihrem Hinterhof tun könnte

        Von Thomas Brey
        Thomas Brey
        Thomas Brey ist Autor einer Studie zu Desinformation und Kreml-Propaganda auf dem Balkan.

        Was könnte die EU tun, um das Ruder doch noch einmal herumzureißen? Von Serbien über Nordmazedonien, Bulgarien oder Ungarn hat Moskau in weiten Teilen mit den Instrumenten der Desinformation und hybriden Kriegsführung die Deutungshoheit erobert. Es gibt nicht das eine Rezept, sondern eine Palette von Maßnahmen, die wirken könnten.

        So wäre es wichtig, die Medienkompetenz bei jungen Menschen in Südosteuropa und auch in der EU zu fördern. Die EU-Staaten könnten auch ausländische Radioprogramme wie die Deutsche Welle mit ihren fremdsprachigen Programmen aufwerten. Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen müsste Brüssel zudem gegenüber den Kandidatenländern durchsetzen, dass politische Einflussnahme und Zentralisierung der Medien zurückgebunden werden. Wichtig wäre auch, Propaganda und Desinformation durch Faktenchecks zu konterkarieren.

        Länder kippen wie Dominosteine

        Es wäre höchste Zeit, dass die bisher weitgehend inaktive EU reagiert und nicht wartet, bis weitere Länder wie Dominosteine ins prorussische Lager kippen. Eines der jüngsten Beispiele ist Georgien, das sich in rasender Geschwindigkeit von einem EU-Beitrittskandidaten zum Verbündeten Russlands entwickelt hat.

        Ungarns Regierungschef Viktor Orbán ist offen ins Russland-Lager gewechselt. Er pflegt enge Beziehungen zum Kreml-Herrscher Wladimir Putin, samt regelmäßigen Treffen und Telefonaten. Das EU-Mitglied blockiert Brüsseler Gemeinschaftspolitik nach Kräften: mit Vetoandrohungen für die Ukraine-Hilfen oder sogar gegen den EU-Haushalt.

        Putin gratuliert

        Das EU-Land Slowakei folgt dem ungarischen Beispiel. Es macht Front gegen die Ukrainepolitik Brüssels und droht dem ukrainischen Nachbarn mit Sanktionen. Regierungschef Robert Fico hatte Ende Dezember sogar Putin in Moskau besucht und sich wie Ungarn als Vermittler im russischen Angriffskrieg angedient. Folgerichtig hatte Putin Fico und Orbán (gemeinsam mit Alt-Kanzler Gerhard Schröder) zum Jahreswechsel gratuliert.

        Im EU-Staat Rumänien ist die erste Runde der Präsidentenwahlen annulliert worden, nachdem sich der prorussische Rechtsextremist Călin Georgescu aus dem Nichts durchgesetzt hatte. Der steht im Ukrainekrieg aufseiten Russlands und will erreichen, dass Rumänien der NATO und EU den Rücken kehrt.

        Fruchtbarerer Boden

        Diese kleine Auswahl besorgniserregender außenpolitischer Entwicklungen in Europa zeigt die Wirkung russischer Staatspropaganda – nicht monokausal, aber doch zu einem großen Teil. Kreml-Narrative werden wie ein Dauer-Trommelfeuer über hunderte Portale und Social-Media-Kanäle in Dutzenden europäischen Ländern verbreitet. Dort fallen die immer gleichen Fake-Botschaften auf fruchtbaren Boden bei großen Teilen der Bevölkerung – vorwiegend bei armutsgefährdeten Schichten und nationalistischen Kreisen. Die Kreml-Desinformationen werden verstärkt durch populistische Politiker in den jeweiligen Ländern und die von ihnen kontrollierten Medien.

        Ihren Ausgang hat die russische Propagandaoffensive auf dem Balkan genommen. In Belgrad hatte die Staatsagentur Sputnik Serbien 2014 mit einer großen Redaktion ihre Arbeit aufgenommen. Acht Jahre später folgte RT Balkan. Die ehemalige Agentur Russia Today (RT) sendet seit letztem Dezember sogar ein TV-Programm.

        Die Informationen werden in serbischer Sprache kostenlos zur Verfügung gestellt und von hunderten Zeitungen, Social-Media-Kanälen und Portalen unredigiert eins zu eins übernommen. Auch in den Nachbarstaaten. Hier erproben Russlands Staatspropagandisten, mit welchen Techniken die besten Ergebnisse bei den Bürgern auch anderer Länder erzielt werden.

        Eckpunkte der Propaganda

        Eckpunkte dieses Narratives aus der Kreml-Küche:

        • die angebliche Verarmung breiter Bevölkerungsschichten im Westen
        • die behauptete Spaltung der Gesellschaften in eine kleine Elite und die breite Masse der Unterdrückten
        • die Auflösung des patriarchalisch-christlichen Familienmodells durch die LGBTQI-Bewegung führe zur Verweichlichung dieser Gesellschaften
        • das kapitalistische Wirtschaftssystem stehe kurz vor dem Kollaps
        • trotz sozialer Not und bitterer Armut in ihren Ländern werden nach dieser Lesart Milliarden für Waffen ausgegeben, mit denen die Ukraine auch nicht den Krieg gegen das übermächtige Russland gewinnen könne
        • die USA würden als westliche Führungsmacht durch eine multipolare Welt unter Führung Russlands und China abgelöst
        • die EU werde in kolonialistischer Manier von den USA ausgebeutet …

        Kippt Tschechien als nächstes?

        In Österreich ist zurzeit zu besichtigen, was russischer hybrider Einfluss anrichtet. Der jetzt mit der Regierungsbildung beauftragte Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Herbert Kickl, zeigt sich besonders Russland-affin. Seine Partei schloss bereits 2016 einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei “Geeintes Russland”, der erst im April 2024 nach öffentlicher Empörung aufgekündigt wurde. Als Nächstes könnte Tschechien kippen, wenn Andrej Babiš dort bei den Parlamentswahlen im Herbst ein Comeback schafft.

        Thomas Brey hat für die Friedrich-Naumann-Stiftung die Studie “Russland – Wegbereiter von Autokratien – Wie der Kreml Europa destabilisiert” verfasst. Der Autor war zuvor mehr als drei Jahrzehnte Südosteuropa-Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur dpa.

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