die SPD beschließt am Sonntag Personal und Programm für die Europawahl. Die Listenplätze haben Bundespartei und Landesverbände bereits im Vorfeld weitgehend ausgekungelt, Generalsekretär Kevin Kühnert rechnet höchstens mit vereinzelten Kampfkandidaturen. Auch der Entwurf des Wahlprogramms enthält wenig Überraschungen: Die SPD plädiert etwa für eine aktive Industriepolitik, will dafür das Beihilferecht “entschlacken” (Kühnert) und den von Olaf Scholz schon lange betriebenen Mindeststeuersatz für multinationale Unternehmen in allen EU-Staaten durchsetzen.
Die programmatische Grundsatzrede vor den 150 Delegierten am Sonntag hält Spitzenkandidatin Katarina Barley. Nach ihr wird der Bundeskanzler sprechen. Scholz soll das zweite Gesicht der Kampagne werden, die wieder von der Hamburger Agentur Raphael Brinkert entworfen wird – der derzeit miesen Umfragewerte zum Trotz. “Alles andere hielte ich für absonderlich”, sagt Kühnert.
Ohnehin werden die Sozialdemokraten wohl keinen allzu lautstarken Wahlkampf führen. Weder Scholz noch Barley neigen zu markigen Sprüchen. Kühnert sieht die ruhige, zugewandte Art Barleys sogar als Stärke: Als einzige politische Kraft seien die Sozialdemokraten anschlussfähig für alle Mitte-Parteien von der EVP bis zur Linken; angesichts der Polarisierung werde es nach der Wahl umso mehr auf Fähigkeit und Willen zum Kompromiss ankommen.
Ob das aber ausreicht, um die bei der Europawahl traditionell etwas trägen SPD-Anhänger zu mobilisieren? Die frühere Bundesjustizministerin und heutige Vize-Präsidentin des Europaparlaments kann jedenfalls glaubhaft für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten, was angesichts des Erstarkens rechtsnationalistischer Parteien und der jüngsten Großdemos in deutschen Städten ein starkes Argument sein kann. Schmerzhaft für die Sozialdemokraten werden dürfte hingegen die anlaufende Debatte über die Wehrhaftigkeit bzw. “Kriegstüchtigkeit” (Boris Pistorius) Europas.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel befeuert mit ihren Äußerungen zum “Dexit” überdies den Wahlkampf. Wenn nationale Egoismen höher gewichtet würden als das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes, dann zeige das den “nationalistischen Wahn” der AfD, so Kühnert.
Wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode will Kommissionspräsidentin von der Leyen in Sachen Landwirtschaft erst einmal reden. Im Rahmen des “Strategiedialogs zur Zukunft der Landwirtschaft”, der am Donnerstag erstmals tagte, sollen Vertreter aus der Land- und Lebensmittelwirtschaft, Umwelt- und Tierschutzverbänden und Verbraucherschützern eine gemeinsame Zukunftsvision erarbeiten. Von der Leyen hatte den Dialog im September in ihrer Rede zur Lage der Union (SOTEU) angekündigt. Das Gremium solle die “wachsende Spaltung und Polarisierung” in dem Bereich überwinden, betonte die Kommissionspräsidentin bei der Eröffnungssitzung. Einen Abschlussbericht soll es im Spätsommer geben – nach der Europawahl und dem Beginn des Mandats der nächsten Kommission.
Vielen in Deutschland dürfte das Konzept bekannt vorkommen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann startete 2022 einen Strategiedialog Landwirtschaft, der bis heute läuft. Zuvor tagte unter anderem Namen, aber in ähnlichem Format auf Bundesebene die Zukunftskommission Landwirtschaft, initiiert 2019 durch von der Leyens Parteikollegin, Kanzlerin Angela Merkel, als Reaktion auf Bauernproteste. Auch wenn die Umsetzung bis heute kaum vorangekommen ist: Dass sich die Beteiligten – von Bauernverband bis Umwelt-NGOs – auf gemeinsame Handlungsempfehlungen einigten, galt in der polarisierten Agrarwelt als Sensation. Hieran knüpft von der Leyen auch personell an: Peter Strohschneider, der Vorsitzende der deutschen Zukunftskommission, leitet auch den neuen Strategiedialog.
Auf EU-Ebene ist das Format dagegen neu, und hochaktuell angesichts von Bauernprotesten in immer mehr Ländern, die sich auch gegen die europäische Agrarpolitik richten. Wie der Dialog verlaufen soll, welchen Umfang die Gespräche thematisch haben und was am Ende als konkretes Ergebnis stehen könnte – das blieb am Eröffnungstag vage. Selbst die beteiligten Verbände hatten dem Vernehmen nach bis zum Start am Donnerstag kaum Informationen erhalten. Weder die Frequenz der Treffen noch das Abschlussdatum stehen fest. Hochrangige Beteiligte an der Organisation des Dialogs argumentieren, der Prozess sei absichtlich offen gestaltet, um Raum für die Kompromissfindung zu lassen.
Inhaltlich könnten die Ergebnisse den Beteiligten zufolge unter anderem in die Vorbereitung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) nach 2027 einfließen. Ein erstes Ideenpapier hierzu wollte die Kommission eigentlich noch vor der Wahl vorlegen. Aus Kommissionskreisen ist zuletzt aber zu hören, dass die Arbeit an der Zukunft der GAP erst unter der neuen Kommission nach der Wahl ins Rollen kommen soll.
Die Kommissionspräsidentin versicherte bei der Auftaktveranstaltung den Teilnehmern, dass die Vision und Empfehlungen des Gremiums “die Arbeit der kommenden Jahre beeinflussen werden.” Von der Leyens Amtszeit endet im November. Dass die EVP-Politikerin wieder antritt, gilt als wahrscheinlich. Kritiker wittern in dem Strategiedialog vor diesem Hintergrund ein Wahlkampfmanöver, um die Landbevölkerung zu umwerben.
Kritik kommt vor allem von Umwelt- und Tierschützern auch am Zeitpunkt der Initiative. Denn an Ideen mangelt es kurz vor dem Ende der Wahlperiode nicht, eher an der Umsetzung: Viele eigentlich im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie geplante Dossiers sind noch offen oder wurden gar nicht vorgelegt. Aus Kommissionskreisen ist dagegen die Argumentation zu hören, die Zeiten hätten sich seit dem Entwurf der Strategie geändert: Krisen wie der Ukrainekrieg oder die Corona-Pandemie hätten die Landwirtschaft zusätzlich zur notwendigen Transformation des Sektors herausgefordert. Hier brauche es nun einen neuen Ansatz, den der Strategiedialog liefern soll.
Es gibt Politikerinnen und Politiker, die ein Leben lang das Gleiche machen. Und es gibt welche, die sich stetig weiter entwickeln. Man könnte auch sagen: sich immer wieder neu erfinden. Zu dieser Kategorie zählt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Als FDP-Kommunalpolitikerin gestartet, stürmte sie in schwersten Zeiten nach Berlin, um der Partei beim Wiederaufbau zu helfen. Dann musste sie erleben, wie im Kalkül des Parteivorsitzenden Christian Lindner plötzlich andere Liberale wichtiger wurden. Doch statt sich dem zu ergeben, rückte sie ins Parlament und warf sich in die Außenpolitik. Mit dem Ergebnis, dass sie mittlerweile neben Lindner zu den prominentesten Liberalen überhaupt gehört. Und das dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass sie am Sonntag offiziell zur Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Europawahl gewählt wird.
Knapp vier Jahre ist es her, da wurde Strack-Zimmermann von Nicola Beer verdrängt. Aus dem Amt der stellvertretenden Bundesvorsitzenden und damit dem Parteipräsidium. Beer, damals noch Generalsekretärin, sollte für die Partei die Spitzenkandidatur für die Europawahl übernehmen und zusätzlich Lindners Stellvertreterin werden. Auf dem Posten, den seit 2013 Strack-Zimmermann innehatte.
Sie hätte das Amt weiter für sich beanspruchen und in eine Kampfkandidatur ziehen können. Doch Strack-Zimmermann verzichtete. “Alle, die mich kennen, wissen, dass ich keinem Kampf und keiner Kampfabstimmung aus dem Weg gehe, sofern ich der Überzeugung bin, dass dabei auch die Freien Demokraten einen Nutzen haben”, schrieb Strack-Zimmermann in einem Brief an Lindner und den damaligen NRW-Landesvorsitzenden Joachim Stamp. Sie verzichte “aus Rücksicht auf die Partei”, fügte aber an: “Meine Entscheidung ist definitiv nicht der Beginn eines Rückzugs.” Für Lindner war das zunächst bequem und klang zugleich doch auch wie eine Drohung.
Zumal er selbst sie sechs Jahre zuvor aus der Düsseldorfer Kommunalpolitik in die Bundespolitik geholt hatte. Als Teil des Teams, das die Partei nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag wieder neu aufbauen sollte. Sie werde “nicht nur ein neues Gesicht in der Führung der Partei sein, sondern auch die kommunale Verankerung der Partei weiter stärken”, versprach Lindner damals den Delegierten.
Der frisch gewählte Parteichef ahnte damals wohl nicht, dass Strack-Zimmermanns Interesse sich nicht ewig auf die Kommunen beschränken sollte. 2017 kandidierte sie hinter Lindner auf Platz zwei der NRW-Landesliste für die Bundestagswahl und holte mit 19,7 Prozent das deutschlandweit beste Zweitstimmenergebnis für die FDP. In der neuen formierten Bundestagsfraktion wurde sie Sprecherin für Kommunalpolitik – und für Verteidigung.
Letzteres war das Amt, durch das sie auch über die Parteigrenzen hinaus an Profil gewann. Als Oppositionspolitikerin hatte sie leichtes Spiel, sich an der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen abzuarbeiten. Strack-Zimmermann war mit pointierten Kommentaren stets zur Stelle, was zunehmend auch die Talkshowredaktionen des Landes erkannten.
Für die Parteiführung aber wurde Strack-Zimmermann ungemütlich, weil sie sich nicht von anderen steuern lassen mochte. Sie hat ihren eigenen Kopf, ihren eigenen gesunden Menschenverstand, und das bekam nicht nur die Regierung, sondern im Zweifel auch die eigene Parteiführung zu spüren. Nicht, indem sie diese offen kritisierte, wohl aber, indem sie wenig empfänglich war für Vorschläge, wie sie dieses oder jenes sehen oder bewerten sollte. Sie behielt ihren eigenen Kopf. Ein Grundverständnis, an dem sich bis heute nichts geändert hat.
Und als es dann für Beer und Lindner opportun erschien, Strack-Zimmermanns Posten für Beer zu reservieren, hatte Strack-Zimmermann die neue Lage klug erkannt. Ihrer öffentlichen Präsenz schadete das nicht. Als Verteidigungspolitikerin war sie weiter gefragt, zumal die Armee und die deutsche Sicherheitspolitik mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zusätzlich in den Fokus rückten.
Als ihre Partei 2021 in die Ampel-Regierung eintrat, konnten sich viele Strack-Zimmermann als Verteidigungsministerin vorstellen. Doch die FDP hatte andere Ambitionen, gab sich in den Koalitionsverhandlungen keine Mühe, das Ressort für sich zu gewinnen. Immerhin durfte sie im Bundestag den Vorsitz des Verteidigungsausschusses übernehmen. Für Strack-Zimmermann ein ideales Amt: Auf der einen Seite verleiht die Position ihr Gewicht. Auf der anderen Seite kann sie stets das Mitspracherecht des Parlaments in wichtigen Regierungsfragen beanspruchen – und damit stets auch ein bisschen opponieren. Sie tat dies zur Genüge, als die Regierung in der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine zögerte.
Der Ruf nach Strack-Zimmermann wurde erneut laut, als Christine Lambrecht nach einem überaus glücklosen Jahr im Amt zurücktrat. Eine Kabinettsumbildung kam jedoch weder für Lindner noch für Kanzler Olaf Scholz infrage, das Ressort blieb weiterhin in den Händen der SPD. Die FDP-Politikerin gab dennoch später in einem Spiegel-Interview zu Protokoll: “Wenn man mich gefragt hätte, hätte ich ja gesagt.”
Dem Vernehmen nach wurde sie auch nicht gefragt, als es um die Spitzenkandidatur für die Europawahl ging. Sie selbst, so sagt es die 65-Jährige, habe den Wunsch an Lindner herangetragen. Zumindest fürs Erste sieht es aus wie eine Win-Win-Situation für beide: Die Ampel-Regierung verliert einen Störfaktor, von dem man auch im Kanzleramt zunehmend genervt war. Zugleich dürfte auch Strack-Zimmermann froh sein, dass ihr Büro künftig 650 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt ist.
29.01.2024
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zu den Prioritäten der belgischen Ratspräsidentschaft, Gedankenaustausch zum jährlichen Dialog über Rechtsstaatlichkeit (länderspezifische Diskussion). Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
29.01.2024 – 15:00-18:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
Themen: Bericht zu den Trilogverhandlungen (Umgebungsluftqualität und saubere Luft für Europa, Behandlung kommunaler Abwässer), Gedankenaustausch mit der Kommission über die Fortschritte bei der Verwirklichung der Klimaziele von 2030 und 2050, Gedankenaustausch zur EU-weiten Bewertung des Entwurfs der aktualisierten nationalen Energie- und Klimapläne. Vorläufige Tagesordnung
30.01.-31.01.2024
Informelle Ministertagung Verteidigung
Themen: Aktuelle und neu auftretende Sicherheitsbedrohungen, einheitliche Antwort auf Herausforderungen, die von hybriden Bedrohungen bis zu regionalen Konflikten reichen, Aktualisierungen zu kooperativen GSVP-Verteidigungsprojekten und Initiativen. Infos
31.01.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Paket zur Krebsvorsorge (Überarbeitung der Empfehlung des Rates zu rauchfreien Zonen, Empfehlung des Rates zu durch Impfung vermeidbaren Krebserkrankungen). Vorläufige Tagesordnung
01.02.2024
Außerordentliche Tagung des Europäischen Rats
Themen: Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-2027. Vorläufige Tagesordnung
01.02.2024 – 09:30-13:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT)
Themen: Verschiedene Aspekte der Entlastung des Haushalts 2022, Aussprache zum Europol-Bericht über die Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der europäischen Finanz- und Wirtschaftskriminalität 2023 (EFECTA). Vorläufige Tagesordnung
02.02.-03.02.2024
Informelle Ministertagung Außen
Themen: Die Außenminister kommen zu Beratungen zusammen. Infos
02.02.2024
Ministertagung EU-ASEAN
Themen: Die Minister des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) und der EU kommen zu Beratungen zusammen. Infos
Deutschland und zehn weitere EU-Staaten wollen von der EU-Kommission ein ehrgeiziges neues Klimaziel, aber auch Vorschläge für mehr Kosteneffizienz. “Wir fordern die Europäische Kommission nachdrücklich auf, in ihrer bevorstehenden Mitteilung ein ehrgeiziges EU-Klimaziel für 2040 zu empfehlen”, heißt es in einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission, der Table.Media gestern vorlag.
Einen genauen Wert für die CO2-Minderung nennen die elf Ressortchefs – unter ihnen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck – zwar nicht. Allerdings solle das Ziel “den Empfehlungen des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel Rechnung tragen“. Der EU-Klimabeirat hatte ein Ziel von minus 90 bis 95 Prozent Treibhausgasen empfohlen.
Die elf Mitgliedstaaten denken in ihrem Brief auch an die zweite Hälfte des Jahrhunderts: “Das Ziel sollte auch sicherstellen, dass die EU bis spätestens 2050 auf dem Weg zur Klimaneutralität ist und danach negative Emissionen anstrebt.”
Besonders großen Wert legen die Unterzeichner allerdings auf das Thema Kosten: “Wir fordern die Kommission daher auf, in ihrer Mitteilung allgemeine Leitlinien für einen kosteneffizienteren und verlässlicheren Ansatz für die EU-Klimapolitik in allen Sektoren vorzugeben.”
Zu den Unterstützern zählen neben Deutschland auch Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Spanien, Österreich und Portugal. ber
Es ist unklar, ob die EU-Mitgliedstaaten in ausreichendem Maß die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) im Rat unterstützen werden. Die Mehrheit der Staaten steht zwar hinter der Richtlinie, erfuhr Table.Media aus Verhandlungskreisen. Sollten Deutschland und weitere Mitgliedstaaten sich jedoch tatsächlich enthalten, könnte dies für eine Zustimmung im Rat nicht ausreichen.
Bei der Abstimmung gilt das Prinzip der qualifizierten Mehrheit: Dabei müssen mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten für den Vorschlag stimmen – also 15 von 27 Staaten – und die zustimmenden Staaten müssen mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung ausmachen. Wenn alle bekannten Wackelkandidaten der Richtlinie ihre Unterstützung entziehen, könnte diese Mehrheit knapp werden. Genannt werden neben Deutschland auch Italien, Estland, Tschechien und Schweden.
Am Montag wird sich die zuständige Ratsarbeitsgruppe mit der Richtlinie befassen, sagte ein EU-Diplomat zu Table.Media. Am Mittwoch solle die Richtlinie dann eigentlich an die EU-Botschafter gehen. Dies könne sich aber verzögern, falls sich eine Sperrminorität abzeichne. Man arbeite aber an einem Konsens, hieß es. Für eine Sperrminorität müssen mindestens vier Ratsmitglieder gegen das Gesetz stimmen oder sich enthalten.
Derzeit spricht wenig dafür, dass die Bundesregierung der Richtlinie zustimmen kann. Dafür sind die SPD und die Grünen, die FDP ist dagegen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am gestrigen Donnerstag: “Wir stehen dazu, dass die EU für Lieferkettenverantwortung zu sorgen hat.” Manche seien “allzu vergesslich”, was Missstände wie jene betreffe, gegen die Lkw-Fahrer an der Raststätte Gräfenhausen protestiert hatten.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete und mittelstandspolitische Sprecher Carl-Julius Cronenberg hingegen untermauerte im Gespräch mit Table.Media den Beschluss des Parteipräsidiums: “Das Trilogergebnis ist nicht zustimmungsfähig.” Die ablehnende Haltung der FDP dürfte aber niemanden überraschen, schließlich gebe es eine Protokollerklärung der Bundesregierung, “ohne einer Safe-Harbour-Regelung der CSDDD nicht zuzustimmen”. Die Partei werde sich Nachverhandlungen in Brüssel aber nicht verschließen, sollte für die CSDDD im Rat eine Mehrheit fehlen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) veröffentlichte währenddessen die Ergebnisse einer Umfrage unter rund 400 Unternehmen zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Demnach geben 92 Prozent der Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich des LkSG fallen, an, dass der bürokratische Mehraufwand “sehr hoch” oder “hoch” sei. Auch 88 Prozent der Unternehmen, die nur indirekt vom LkSG betroffen seien, sehen sich einer “sehr hohen” oder “hohen” Belastung ausgesetzt. Schon jetzt müsse jedes zweite Unternehmen Leistungen externer Beratungsunternehmen oder Anwaltskanzleien in Anspruch nehmen. cd, tho, leo
Die FDP wählt am Sonntag auf ihrem Parteitag in Berlin ihre Kandidatenliste für die Europawahl. Für die Spitzenkandidatur ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann bereits gesetzt. Wie Table.Media erfuhr, haben sich die Landesvorsitzenden zusammen mit Parteichef Christian Lindner außerdem auf einen gemeinsamen Vorschlag für die Plätze zwei bis zehn verständigt.
Hinter Strack-Zimmermann sollen zunächst die amtierenden Europaparlamentarier Svenja Hahn (Hamburg), Andreas Glück (Baden-Württemberg), Moritz Körner (Nordrhein-Westfalen) und Jan-Christoph Oetjen (Niedersachsen) kandidieren. Diese Reihenfolge ist identisch mit der von der Europawahl 2019. Michael Kauch, der erst Anfang des Jahres als Nachrücker für Nicola Beer ins EU-Parlament eingezogen war, tritt nicht erneut an.
Gerungen wird um den aussichtsreichen Listenplatz sechs. Dafür haben die Chefs der mächtigsten Landesverbände eigentlich die Hessin Isabel Schnitzler vorgesehen. Allerdings erhebt die Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, Sandra Weeser aus Rheinland-Pfalz, ebenfalls Anspruch auf den Platz und will in eine Kampfkandidatur ziehen.
Dahinter sollen Phil Hackemann (Bayern), Martin Hoeck (Brandenburg), Helmer Krane (Schleswig-Holstein) und Sarah Zickler (Baden-Württemberg) folgen. Die ostdeutschen Landesverbände sind dem Vernehmen nach zwar nicht glücklich, dass ihr Kandidat erst an Position acht steht, haben eine Kampfkandidatur jedoch bislang nicht angekündigt. mst
Die rechte ID-Fraktion im EU-Parlament könnte nach einem Medienbericht zerfallen. Marine Le Pen, Fraktionschefin des Rassemblement National in der französischen Nationalversammlung, habe der AfD mit einem Ende des Brüsseler Bündnisses gedroht, berichtete gestern tagesschau.de. Anlass seien Berichte über das Potsdamer Treffen von AfD-Politikern und Rechtsextremen zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund.
“Ich bin ganz und gar nicht einverstanden mit den Vorschlägen, die bei diesem Treffen diskutiert worden sein sollen”, zitierte die ARD-Website Le Pen. Es müsse geprüft werden, “ob sich daraus Folgen ergeben” für die gemeinsame Fraktion im EU-Parlament. Mit der italienischen Lega bilden der Rassemblement National und die AfD die größten Mitglieder der ID-Gruppe im EU-Parlament. red
Laut EU-Kommission haben zahlreiche EU-Staaten eine ganze Reihe von zuletzt in Kraft getretenen Gesetzen noch nicht in nationales Recht übersetzt. Auch in Deutschland hapert die Umsetzung von vier Gesetzen offenbar. Darunter ist auch die Reform des EU-Emissionshandelssystems (ETS). Insgesamt 26 Länder (alle bis auf Dänemark) haben demnach die vollständige Umsetzung der im Mai 2023 gültig gewordene Überarbeitung des ETS nicht bis Ablauf der Frist zum 31. Dezember 2023 gemeldet, teilt die Kommission mit. Darin geregelt: Die Ausweitung des ETS auf den Seeverkehr und die Einführung eines zweiten ETS für Gebäudeheizung und Verkehr.
Auch die neuen Steuertransparenzvorschriften für Transaktionen auf digitalen Plattformen hätte gemäß der Kommission bis Ende vergangenen Jahres in den Ländern umgesetzt werden müssen. Deutschland und Polen hätten dies bislang versäumt. Das einheitliche Ladekabel (USB-C für mobile Geräte) sowie die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie warten ebenfalls noch auf die Umsetzung in Berlin. Letztere dient dem Schutz von Opfern von Verkehrsunfällen, indem die Überprüfung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungen erleichtert wird.
Die Kommission hat gegen die Staaten, die sie noch nicht über die nationale Umsetzung der Gesetze informiert hat, nun Beschlüsse für Vertragsverletzungsverfahren erlassen. Die Länder haben nun zwei Monate Zeit, um auf ein Aufforderungsschreiben der Kommission zu antworten und die Richtlinien entsprechend umzusetzen. Kommen sie dem nicht nach, will die Kommission die nächsten Schritte des Vertragsverletzungsverfahrens einleiten. luk
Es ist DAS Thema des Tages in der Brüsseler Klima-Umwelt-Bubble: Diederik Samsom, die eigentliche graue Eminenz für Klimafragen in der Europäischen Kommission, verlässt seinen Posten als Kabinettschef von Klimakommissar Wopke Hoekstra. Der Abgang dieses Experten für internationale Klimaverhandlungen gibt Anlass zu einer der beliebtesten Übungen der Brüsseler Bubble: offizielle Erklärungen zu ignorieren, die beispielsweise von einem “guten Einvernehmen” zwischen Hoekstra und Samsom sprechen, und über den Wechsel des politischen Personals zu spekulieren, den dieser Abgang mit sich bringt.
Zunächst also ein Fokus auf das Personalkarussell: Das niederländischen Medium NOS berichtet, dass Esther de Lange, derzeit Mitglied des Europäischen Parlaments für die EVP, die neue Stabschefin von Wopke Hoekstra wird. Sie ist Mitglied des Umweltausschusses (ENVI) und hat sich als erbitterte Gegnerin des Renaturierungsgesetzes hervorgetan. De Lange selbst hat sich dazu noch nicht geäußert.
Hinter den Kulissen ist auch zu hören, dass Hoekstra nach den EU-Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni als EU-Kommissar weitermachen will. Auch hier gibt es keine offizielle Bestätigung seitens der Kommission. Sicher ist nur, dass das niederländische Kabinett nach diesen Wahlen einen neuen Kandidaten für das Amt des EU-Kommissars nominieren muss. Hoekstra und de Lange hätten dann eine Art sechsmonatiges Training gehabt, um sich auf das neue Mandat vorzubereiten.
Was man auch aus Brüssel hört, ist, dass Samsom bis Juni bleiben wird, um die Fortsetzung des Green Deals nach den Europawahlen vorzubereiten, ein Arbeitsprogramm, das die Brüsseler Blase sofort als Green Deal 2.0 gelabelt hat. Angesichts der gegensätzlichen politischen Hintergründe von Samsom und de Lange ist zu erwarten, dass es im Berlaymont krachen wird.
“Denn Samsom ist kein Beamter, sondern ein Politiker”, wird im Berlaymont betont. Und in der Tat war es Frans Timmermans, die bevorzugte Zielscheibe der europäischen Konservativen, der den ehemaligen Greenpeace-Mitarbeiter nach Brüssel holte, der wie er Sozialdemokrat ist.
Samsom hatte als Kampagnenmanager bei Greenpeace begonnen, wurde dann Direktor eines Unternehmens für grüne Energie und wechselte 2003 in die Politik. Von 2012 bis 2016 war er Vorsitzender der Partij van de Arbeid (PvdA). Nachdem er den Posten an Lodewijk Asscher abgeben musste, verließ Samsom die niederländische Politik. Ob er nun dorthin zurück will, darüber wird derzeit in Brüssel spekuliert.
Im Europäischen Parlament lässt die Nachricht vom Abtritt Diederik Samsoms niemanden kalt – was eine Untertreibung ist. “Er war derjenige, der den Green Deal vorangetrieben hat, allerdings auf den Korridoren. Er ist keine Persönlichkeit, die nach Aufmerksamkeit und Medien sucht, er ist eher ein Schattenmann, der die Fäden zieht”, berichtet eine Quelle aus dem Parlament. “Es kam vor, dass er EU-Abgeordnete anrief, um ihr Abstimmungsverhalten zu beeinflussen. Selbst wenn es in die entgegengesetzte Richtung dessen ging, woran die Abgeordneten arbeiteten”, so die Quelle.
Vielleicht wird sich die Arbeitsweise mit der Person, die seine Nachfolge antritt, ändern. Man kann sich nur einer Sache sicher sein: Der Green Deal ist ein Projekt von so großer politischer Tragweite, dass es starke politische Persönlichkeiten braucht, um seine Richtung zu bestimmen und es zu steuern. Von Claire Stam
die SPD beschließt am Sonntag Personal und Programm für die Europawahl. Die Listenplätze haben Bundespartei und Landesverbände bereits im Vorfeld weitgehend ausgekungelt, Generalsekretär Kevin Kühnert rechnet höchstens mit vereinzelten Kampfkandidaturen. Auch der Entwurf des Wahlprogramms enthält wenig Überraschungen: Die SPD plädiert etwa für eine aktive Industriepolitik, will dafür das Beihilferecht “entschlacken” (Kühnert) und den von Olaf Scholz schon lange betriebenen Mindeststeuersatz für multinationale Unternehmen in allen EU-Staaten durchsetzen.
Die programmatische Grundsatzrede vor den 150 Delegierten am Sonntag hält Spitzenkandidatin Katarina Barley. Nach ihr wird der Bundeskanzler sprechen. Scholz soll das zweite Gesicht der Kampagne werden, die wieder von der Hamburger Agentur Raphael Brinkert entworfen wird – der derzeit miesen Umfragewerte zum Trotz. “Alles andere hielte ich für absonderlich”, sagt Kühnert.
Ohnehin werden die Sozialdemokraten wohl keinen allzu lautstarken Wahlkampf führen. Weder Scholz noch Barley neigen zu markigen Sprüchen. Kühnert sieht die ruhige, zugewandte Art Barleys sogar als Stärke: Als einzige politische Kraft seien die Sozialdemokraten anschlussfähig für alle Mitte-Parteien von der EVP bis zur Linken; angesichts der Polarisierung werde es nach der Wahl umso mehr auf Fähigkeit und Willen zum Kompromiss ankommen.
Ob das aber ausreicht, um die bei der Europawahl traditionell etwas trägen SPD-Anhänger zu mobilisieren? Die frühere Bundesjustizministerin und heutige Vize-Präsidentin des Europaparlaments kann jedenfalls glaubhaft für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten, was angesichts des Erstarkens rechtsnationalistischer Parteien und der jüngsten Großdemos in deutschen Städten ein starkes Argument sein kann. Schmerzhaft für die Sozialdemokraten werden dürfte hingegen die anlaufende Debatte über die Wehrhaftigkeit bzw. “Kriegstüchtigkeit” (Boris Pistorius) Europas.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel befeuert mit ihren Äußerungen zum “Dexit” überdies den Wahlkampf. Wenn nationale Egoismen höher gewichtet würden als das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes, dann zeige das den “nationalistischen Wahn” der AfD, so Kühnert.
Wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode will Kommissionspräsidentin von der Leyen in Sachen Landwirtschaft erst einmal reden. Im Rahmen des “Strategiedialogs zur Zukunft der Landwirtschaft”, der am Donnerstag erstmals tagte, sollen Vertreter aus der Land- und Lebensmittelwirtschaft, Umwelt- und Tierschutzverbänden und Verbraucherschützern eine gemeinsame Zukunftsvision erarbeiten. Von der Leyen hatte den Dialog im September in ihrer Rede zur Lage der Union (SOTEU) angekündigt. Das Gremium solle die “wachsende Spaltung und Polarisierung” in dem Bereich überwinden, betonte die Kommissionspräsidentin bei der Eröffnungssitzung. Einen Abschlussbericht soll es im Spätsommer geben – nach der Europawahl und dem Beginn des Mandats der nächsten Kommission.
Vielen in Deutschland dürfte das Konzept bekannt vorkommen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann startete 2022 einen Strategiedialog Landwirtschaft, der bis heute läuft. Zuvor tagte unter anderem Namen, aber in ähnlichem Format auf Bundesebene die Zukunftskommission Landwirtschaft, initiiert 2019 durch von der Leyens Parteikollegin, Kanzlerin Angela Merkel, als Reaktion auf Bauernproteste. Auch wenn die Umsetzung bis heute kaum vorangekommen ist: Dass sich die Beteiligten – von Bauernverband bis Umwelt-NGOs – auf gemeinsame Handlungsempfehlungen einigten, galt in der polarisierten Agrarwelt als Sensation. Hieran knüpft von der Leyen auch personell an: Peter Strohschneider, der Vorsitzende der deutschen Zukunftskommission, leitet auch den neuen Strategiedialog.
Auf EU-Ebene ist das Format dagegen neu, und hochaktuell angesichts von Bauernprotesten in immer mehr Ländern, die sich auch gegen die europäische Agrarpolitik richten. Wie der Dialog verlaufen soll, welchen Umfang die Gespräche thematisch haben und was am Ende als konkretes Ergebnis stehen könnte – das blieb am Eröffnungstag vage. Selbst die beteiligten Verbände hatten dem Vernehmen nach bis zum Start am Donnerstag kaum Informationen erhalten. Weder die Frequenz der Treffen noch das Abschlussdatum stehen fest. Hochrangige Beteiligte an der Organisation des Dialogs argumentieren, der Prozess sei absichtlich offen gestaltet, um Raum für die Kompromissfindung zu lassen.
Inhaltlich könnten die Ergebnisse den Beteiligten zufolge unter anderem in die Vorbereitung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) nach 2027 einfließen. Ein erstes Ideenpapier hierzu wollte die Kommission eigentlich noch vor der Wahl vorlegen. Aus Kommissionskreisen ist zuletzt aber zu hören, dass die Arbeit an der Zukunft der GAP erst unter der neuen Kommission nach der Wahl ins Rollen kommen soll.
Die Kommissionspräsidentin versicherte bei der Auftaktveranstaltung den Teilnehmern, dass die Vision und Empfehlungen des Gremiums “die Arbeit der kommenden Jahre beeinflussen werden.” Von der Leyens Amtszeit endet im November. Dass die EVP-Politikerin wieder antritt, gilt als wahrscheinlich. Kritiker wittern in dem Strategiedialog vor diesem Hintergrund ein Wahlkampfmanöver, um die Landbevölkerung zu umwerben.
Kritik kommt vor allem von Umwelt- und Tierschützern auch am Zeitpunkt der Initiative. Denn an Ideen mangelt es kurz vor dem Ende der Wahlperiode nicht, eher an der Umsetzung: Viele eigentlich im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie geplante Dossiers sind noch offen oder wurden gar nicht vorgelegt. Aus Kommissionskreisen ist dagegen die Argumentation zu hören, die Zeiten hätten sich seit dem Entwurf der Strategie geändert: Krisen wie der Ukrainekrieg oder die Corona-Pandemie hätten die Landwirtschaft zusätzlich zur notwendigen Transformation des Sektors herausgefordert. Hier brauche es nun einen neuen Ansatz, den der Strategiedialog liefern soll.
Es gibt Politikerinnen und Politiker, die ein Leben lang das Gleiche machen. Und es gibt welche, die sich stetig weiter entwickeln. Man könnte auch sagen: sich immer wieder neu erfinden. Zu dieser Kategorie zählt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Als FDP-Kommunalpolitikerin gestartet, stürmte sie in schwersten Zeiten nach Berlin, um der Partei beim Wiederaufbau zu helfen. Dann musste sie erleben, wie im Kalkül des Parteivorsitzenden Christian Lindner plötzlich andere Liberale wichtiger wurden. Doch statt sich dem zu ergeben, rückte sie ins Parlament und warf sich in die Außenpolitik. Mit dem Ergebnis, dass sie mittlerweile neben Lindner zu den prominentesten Liberalen überhaupt gehört. Und das dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass sie am Sonntag offiziell zur Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Europawahl gewählt wird.
Knapp vier Jahre ist es her, da wurde Strack-Zimmermann von Nicola Beer verdrängt. Aus dem Amt der stellvertretenden Bundesvorsitzenden und damit dem Parteipräsidium. Beer, damals noch Generalsekretärin, sollte für die Partei die Spitzenkandidatur für die Europawahl übernehmen und zusätzlich Lindners Stellvertreterin werden. Auf dem Posten, den seit 2013 Strack-Zimmermann innehatte.
Sie hätte das Amt weiter für sich beanspruchen und in eine Kampfkandidatur ziehen können. Doch Strack-Zimmermann verzichtete. “Alle, die mich kennen, wissen, dass ich keinem Kampf und keiner Kampfabstimmung aus dem Weg gehe, sofern ich der Überzeugung bin, dass dabei auch die Freien Demokraten einen Nutzen haben”, schrieb Strack-Zimmermann in einem Brief an Lindner und den damaligen NRW-Landesvorsitzenden Joachim Stamp. Sie verzichte “aus Rücksicht auf die Partei”, fügte aber an: “Meine Entscheidung ist definitiv nicht der Beginn eines Rückzugs.” Für Lindner war das zunächst bequem und klang zugleich doch auch wie eine Drohung.
Zumal er selbst sie sechs Jahre zuvor aus der Düsseldorfer Kommunalpolitik in die Bundespolitik geholt hatte. Als Teil des Teams, das die Partei nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag wieder neu aufbauen sollte. Sie werde “nicht nur ein neues Gesicht in der Führung der Partei sein, sondern auch die kommunale Verankerung der Partei weiter stärken”, versprach Lindner damals den Delegierten.
Der frisch gewählte Parteichef ahnte damals wohl nicht, dass Strack-Zimmermanns Interesse sich nicht ewig auf die Kommunen beschränken sollte. 2017 kandidierte sie hinter Lindner auf Platz zwei der NRW-Landesliste für die Bundestagswahl und holte mit 19,7 Prozent das deutschlandweit beste Zweitstimmenergebnis für die FDP. In der neuen formierten Bundestagsfraktion wurde sie Sprecherin für Kommunalpolitik – und für Verteidigung.
Letzteres war das Amt, durch das sie auch über die Parteigrenzen hinaus an Profil gewann. Als Oppositionspolitikerin hatte sie leichtes Spiel, sich an der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen abzuarbeiten. Strack-Zimmermann war mit pointierten Kommentaren stets zur Stelle, was zunehmend auch die Talkshowredaktionen des Landes erkannten.
Für die Parteiführung aber wurde Strack-Zimmermann ungemütlich, weil sie sich nicht von anderen steuern lassen mochte. Sie hat ihren eigenen Kopf, ihren eigenen gesunden Menschenverstand, und das bekam nicht nur die Regierung, sondern im Zweifel auch die eigene Parteiführung zu spüren. Nicht, indem sie diese offen kritisierte, wohl aber, indem sie wenig empfänglich war für Vorschläge, wie sie dieses oder jenes sehen oder bewerten sollte. Sie behielt ihren eigenen Kopf. Ein Grundverständnis, an dem sich bis heute nichts geändert hat.
Und als es dann für Beer und Lindner opportun erschien, Strack-Zimmermanns Posten für Beer zu reservieren, hatte Strack-Zimmermann die neue Lage klug erkannt. Ihrer öffentlichen Präsenz schadete das nicht. Als Verteidigungspolitikerin war sie weiter gefragt, zumal die Armee und die deutsche Sicherheitspolitik mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zusätzlich in den Fokus rückten.
Als ihre Partei 2021 in die Ampel-Regierung eintrat, konnten sich viele Strack-Zimmermann als Verteidigungsministerin vorstellen. Doch die FDP hatte andere Ambitionen, gab sich in den Koalitionsverhandlungen keine Mühe, das Ressort für sich zu gewinnen. Immerhin durfte sie im Bundestag den Vorsitz des Verteidigungsausschusses übernehmen. Für Strack-Zimmermann ein ideales Amt: Auf der einen Seite verleiht die Position ihr Gewicht. Auf der anderen Seite kann sie stets das Mitspracherecht des Parlaments in wichtigen Regierungsfragen beanspruchen – und damit stets auch ein bisschen opponieren. Sie tat dies zur Genüge, als die Regierung in der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine zögerte.
Der Ruf nach Strack-Zimmermann wurde erneut laut, als Christine Lambrecht nach einem überaus glücklosen Jahr im Amt zurücktrat. Eine Kabinettsumbildung kam jedoch weder für Lindner noch für Kanzler Olaf Scholz infrage, das Ressort blieb weiterhin in den Händen der SPD. Die FDP-Politikerin gab dennoch später in einem Spiegel-Interview zu Protokoll: “Wenn man mich gefragt hätte, hätte ich ja gesagt.”
Dem Vernehmen nach wurde sie auch nicht gefragt, als es um die Spitzenkandidatur für die Europawahl ging. Sie selbst, so sagt es die 65-Jährige, habe den Wunsch an Lindner herangetragen. Zumindest fürs Erste sieht es aus wie eine Win-Win-Situation für beide: Die Ampel-Regierung verliert einen Störfaktor, von dem man auch im Kanzleramt zunehmend genervt war. Zugleich dürfte auch Strack-Zimmermann froh sein, dass ihr Büro künftig 650 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt ist.
29.01.2024
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zu den Prioritäten der belgischen Ratspräsidentschaft, Gedankenaustausch zum jährlichen Dialog über Rechtsstaatlichkeit (länderspezifische Diskussion). Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
29.01.2024 – 15:00-18:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
Themen: Bericht zu den Trilogverhandlungen (Umgebungsluftqualität und saubere Luft für Europa, Behandlung kommunaler Abwässer), Gedankenaustausch mit der Kommission über die Fortschritte bei der Verwirklichung der Klimaziele von 2030 und 2050, Gedankenaustausch zur EU-weiten Bewertung des Entwurfs der aktualisierten nationalen Energie- und Klimapläne. Vorläufige Tagesordnung
30.01.-31.01.2024
Informelle Ministertagung Verteidigung
Themen: Aktuelle und neu auftretende Sicherheitsbedrohungen, einheitliche Antwort auf Herausforderungen, die von hybriden Bedrohungen bis zu regionalen Konflikten reichen, Aktualisierungen zu kooperativen GSVP-Verteidigungsprojekten und Initiativen. Infos
31.01.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Paket zur Krebsvorsorge (Überarbeitung der Empfehlung des Rates zu rauchfreien Zonen, Empfehlung des Rates zu durch Impfung vermeidbaren Krebserkrankungen). Vorläufige Tagesordnung
01.02.2024
Außerordentliche Tagung des Europäischen Rats
Themen: Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-2027. Vorläufige Tagesordnung
01.02.2024 – 09:30-13:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT)
Themen: Verschiedene Aspekte der Entlastung des Haushalts 2022, Aussprache zum Europol-Bericht über die Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der europäischen Finanz- und Wirtschaftskriminalität 2023 (EFECTA). Vorläufige Tagesordnung
02.02.-03.02.2024
Informelle Ministertagung Außen
Themen: Die Außenminister kommen zu Beratungen zusammen. Infos
02.02.2024
Ministertagung EU-ASEAN
Themen: Die Minister des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) und der EU kommen zu Beratungen zusammen. Infos
Deutschland und zehn weitere EU-Staaten wollen von der EU-Kommission ein ehrgeiziges neues Klimaziel, aber auch Vorschläge für mehr Kosteneffizienz. “Wir fordern die Europäische Kommission nachdrücklich auf, in ihrer bevorstehenden Mitteilung ein ehrgeiziges EU-Klimaziel für 2040 zu empfehlen”, heißt es in einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission, der Table.Media gestern vorlag.
Einen genauen Wert für die CO2-Minderung nennen die elf Ressortchefs – unter ihnen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck – zwar nicht. Allerdings solle das Ziel “den Empfehlungen des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel Rechnung tragen“. Der EU-Klimabeirat hatte ein Ziel von minus 90 bis 95 Prozent Treibhausgasen empfohlen.
Die elf Mitgliedstaaten denken in ihrem Brief auch an die zweite Hälfte des Jahrhunderts: “Das Ziel sollte auch sicherstellen, dass die EU bis spätestens 2050 auf dem Weg zur Klimaneutralität ist und danach negative Emissionen anstrebt.”
Besonders großen Wert legen die Unterzeichner allerdings auf das Thema Kosten: “Wir fordern die Kommission daher auf, in ihrer Mitteilung allgemeine Leitlinien für einen kosteneffizienteren und verlässlicheren Ansatz für die EU-Klimapolitik in allen Sektoren vorzugeben.”
Zu den Unterstützern zählen neben Deutschland auch Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Spanien, Österreich und Portugal. ber
Es ist unklar, ob die EU-Mitgliedstaaten in ausreichendem Maß die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) im Rat unterstützen werden. Die Mehrheit der Staaten steht zwar hinter der Richtlinie, erfuhr Table.Media aus Verhandlungskreisen. Sollten Deutschland und weitere Mitgliedstaaten sich jedoch tatsächlich enthalten, könnte dies für eine Zustimmung im Rat nicht ausreichen.
Bei der Abstimmung gilt das Prinzip der qualifizierten Mehrheit: Dabei müssen mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten für den Vorschlag stimmen – also 15 von 27 Staaten – und die zustimmenden Staaten müssen mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung ausmachen. Wenn alle bekannten Wackelkandidaten der Richtlinie ihre Unterstützung entziehen, könnte diese Mehrheit knapp werden. Genannt werden neben Deutschland auch Italien, Estland, Tschechien und Schweden.
Am Montag wird sich die zuständige Ratsarbeitsgruppe mit der Richtlinie befassen, sagte ein EU-Diplomat zu Table.Media. Am Mittwoch solle die Richtlinie dann eigentlich an die EU-Botschafter gehen. Dies könne sich aber verzögern, falls sich eine Sperrminorität abzeichne. Man arbeite aber an einem Konsens, hieß es. Für eine Sperrminorität müssen mindestens vier Ratsmitglieder gegen das Gesetz stimmen oder sich enthalten.
Derzeit spricht wenig dafür, dass die Bundesregierung der Richtlinie zustimmen kann. Dafür sind die SPD und die Grünen, die FDP ist dagegen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am gestrigen Donnerstag: “Wir stehen dazu, dass die EU für Lieferkettenverantwortung zu sorgen hat.” Manche seien “allzu vergesslich”, was Missstände wie jene betreffe, gegen die Lkw-Fahrer an der Raststätte Gräfenhausen protestiert hatten.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete und mittelstandspolitische Sprecher Carl-Julius Cronenberg hingegen untermauerte im Gespräch mit Table.Media den Beschluss des Parteipräsidiums: “Das Trilogergebnis ist nicht zustimmungsfähig.” Die ablehnende Haltung der FDP dürfte aber niemanden überraschen, schließlich gebe es eine Protokollerklärung der Bundesregierung, “ohne einer Safe-Harbour-Regelung der CSDDD nicht zuzustimmen”. Die Partei werde sich Nachverhandlungen in Brüssel aber nicht verschließen, sollte für die CSDDD im Rat eine Mehrheit fehlen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) veröffentlichte währenddessen die Ergebnisse einer Umfrage unter rund 400 Unternehmen zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Demnach geben 92 Prozent der Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich des LkSG fallen, an, dass der bürokratische Mehraufwand “sehr hoch” oder “hoch” sei. Auch 88 Prozent der Unternehmen, die nur indirekt vom LkSG betroffen seien, sehen sich einer “sehr hohen” oder “hohen” Belastung ausgesetzt. Schon jetzt müsse jedes zweite Unternehmen Leistungen externer Beratungsunternehmen oder Anwaltskanzleien in Anspruch nehmen. cd, tho, leo
Die FDP wählt am Sonntag auf ihrem Parteitag in Berlin ihre Kandidatenliste für die Europawahl. Für die Spitzenkandidatur ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann bereits gesetzt. Wie Table.Media erfuhr, haben sich die Landesvorsitzenden zusammen mit Parteichef Christian Lindner außerdem auf einen gemeinsamen Vorschlag für die Plätze zwei bis zehn verständigt.
Hinter Strack-Zimmermann sollen zunächst die amtierenden Europaparlamentarier Svenja Hahn (Hamburg), Andreas Glück (Baden-Württemberg), Moritz Körner (Nordrhein-Westfalen) und Jan-Christoph Oetjen (Niedersachsen) kandidieren. Diese Reihenfolge ist identisch mit der von der Europawahl 2019. Michael Kauch, der erst Anfang des Jahres als Nachrücker für Nicola Beer ins EU-Parlament eingezogen war, tritt nicht erneut an.
Gerungen wird um den aussichtsreichen Listenplatz sechs. Dafür haben die Chefs der mächtigsten Landesverbände eigentlich die Hessin Isabel Schnitzler vorgesehen. Allerdings erhebt die Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, Sandra Weeser aus Rheinland-Pfalz, ebenfalls Anspruch auf den Platz und will in eine Kampfkandidatur ziehen.
Dahinter sollen Phil Hackemann (Bayern), Martin Hoeck (Brandenburg), Helmer Krane (Schleswig-Holstein) und Sarah Zickler (Baden-Württemberg) folgen. Die ostdeutschen Landesverbände sind dem Vernehmen nach zwar nicht glücklich, dass ihr Kandidat erst an Position acht steht, haben eine Kampfkandidatur jedoch bislang nicht angekündigt. mst
Die rechte ID-Fraktion im EU-Parlament könnte nach einem Medienbericht zerfallen. Marine Le Pen, Fraktionschefin des Rassemblement National in der französischen Nationalversammlung, habe der AfD mit einem Ende des Brüsseler Bündnisses gedroht, berichtete gestern tagesschau.de. Anlass seien Berichte über das Potsdamer Treffen von AfD-Politikern und Rechtsextremen zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund.
“Ich bin ganz und gar nicht einverstanden mit den Vorschlägen, die bei diesem Treffen diskutiert worden sein sollen”, zitierte die ARD-Website Le Pen. Es müsse geprüft werden, “ob sich daraus Folgen ergeben” für die gemeinsame Fraktion im EU-Parlament. Mit der italienischen Lega bilden der Rassemblement National und die AfD die größten Mitglieder der ID-Gruppe im EU-Parlament. red
Laut EU-Kommission haben zahlreiche EU-Staaten eine ganze Reihe von zuletzt in Kraft getretenen Gesetzen noch nicht in nationales Recht übersetzt. Auch in Deutschland hapert die Umsetzung von vier Gesetzen offenbar. Darunter ist auch die Reform des EU-Emissionshandelssystems (ETS). Insgesamt 26 Länder (alle bis auf Dänemark) haben demnach die vollständige Umsetzung der im Mai 2023 gültig gewordene Überarbeitung des ETS nicht bis Ablauf der Frist zum 31. Dezember 2023 gemeldet, teilt die Kommission mit. Darin geregelt: Die Ausweitung des ETS auf den Seeverkehr und die Einführung eines zweiten ETS für Gebäudeheizung und Verkehr.
Auch die neuen Steuertransparenzvorschriften für Transaktionen auf digitalen Plattformen hätte gemäß der Kommission bis Ende vergangenen Jahres in den Ländern umgesetzt werden müssen. Deutschland und Polen hätten dies bislang versäumt. Das einheitliche Ladekabel (USB-C für mobile Geräte) sowie die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie warten ebenfalls noch auf die Umsetzung in Berlin. Letztere dient dem Schutz von Opfern von Verkehrsunfällen, indem die Überprüfung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungen erleichtert wird.
Die Kommission hat gegen die Staaten, die sie noch nicht über die nationale Umsetzung der Gesetze informiert hat, nun Beschlüsse für Vertragsverletzungsverfahren erlassen. Die Länder haben nun zwei Monate Zeit, um auf ein Aufforderungsschreiben der Kommission zu antworten und die Richtlinien entsprechend umzusetzen. Kommen sie dem nicht nach, will die Kommission die nächsten Schritte des Vertragsverletzungsverfahrens einleiten. luk
Es ist DAS Thema des Tages in der Brüsseler Klima-Umwelt-Bubble: Diederik Samsom, die eigentliche graue Eminenz für Klimafragen in der Europäischen Kommission, verlässt seinen Posten als Kabinettschef von Klimakommissar Wopke Hoekstra. Der Abgang dieses Experten für internationale Klimaverhandlungen gibt Anlass zu einer der beliebtesten Übungen der Brüsseler Bubble: offizielle Erklärungen zu ignorieren, die beispielsweise von einem “guten Einvernehmen” zwischen Hoekstra und Samsom sprechen, und über den Wechsel des politischen Personals zu spekulieren, den dieser Abgang mit sich bringt.
Zunächst also ein Fokus auf das Personalkarussell: Das niederländischen Medium NOS berichtet, dass Esther de Lange, derzeit Mitglied des Europäischen Parlaments für die EVP, die neue Stabschefin von Wopke Hoekstra wird. Sie ist Mitglied des Umweltausschusses (ENVI) und hat sich als erbitterte Gegnerin des Renaturierungsgesetzes hervorgetan. De Lange selbst hat sich dazu noch nicht geäußert.
Hinter den Kulissen ist auch zu hören, dass Hoekstra nach den EU-Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni als EU-Kommissar weitermachen will. Auch hier gibt es keine offizielle Bestätigung seitens der Kommission. Sicher ist nur, dass das niederländische Kabinett nach diesen Wahlen einen neuen Kandidaten für das Amt des EU-Kommissars nominieren muss. Hoekstra und de Lange hätten dann eine Art sechsmonatiges Training gehabt, um sich auf das neue Mandat vorzubereiten.
Was man auch aus Brüssel hört, ist, dass Samsom bis Juni bleiben wird, um die Fortsetzung des Green Deals nach den Europawahlen vorzubereiten, ein Arbeitsprogramm, das die Brüsseler Blase sofort als Green Deal 2.0 gelabelt hat. Angesichts der gegensätzlichen politischen Hintergründe von Samsom und de Lange ist zu erwarten, dass es im Berlaymont krachen wird.
“Denn Samsom ist kein Beamter, sondern ein Politiker”, wird im Berlaymont betont. Und in der Tat war es Frans Timmermans, die bevorzugte Zielscheibe der europäischen Konservativen, der den ehemaligen Greenpeace-Mitarbeiter nach Brüssel holte, der wie er Sozialdemokrat ist.
Samsom hatte als Kampagnenmanager bei Greenpeace begonnen, wurde dann Direktor eines Unternehmens für grüne Energie und wechselte 2003 in die Politik. Von 2012 bis 2016 war er Vorsitzender der Partij van de Arbeid (PvdA). Nachdem er den Posten an Lodewijk Asscher abgeben musste, verließ Samsom die niederländische Politik. Ob er nun dorthin zurück will, darüber wird derzeit in Brüssel spekuliert.
Im Europäischen Parlament lässt die Nachricht vom Abtritt Diederik Samsoms niemanden kalt – was eine Untertreibung ist. “Er war derjenige, der den Green Deal vorangetrieben hat, allerdings auf den Korridoren. Er ist keine Persönlichkeit, die nach Aufmerksamkeit und Medien sucht, er ist eher ein Schattenmann, der die Fäden zieht”, berichtet eine Quelle aus dem Parlament. “Es kam vor, dass er EU-Abgeordnete anrief, um ihr Abstimmungsverhalten zu beeinflussen. Selbst wenn es in die entgegengesetzte Richtung dessen ging, woran die Abgeordneten arbeiteten”, so die Quelle.
Vielleicht wird sich die Arbeitsweise mit der Person, die seine Nachfolge antritt, ändern. Man kann sich nur einer Sache sicher sein: Der Green Deal ist ein Projekt von so großer politischer Tragweite, dass es starke politische Persönlichkeiten braucht, um seine Richtung zu bestimmen und es zu steuern. Von Claire Stam