Table.Briefing: Europe

AfD-Sonderweg in Europa + Netzausbau bedroht Klimapläne + Deutsches Ja zum AI Act

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie reagieren die europäischen Partner auf den eindringlichen Aufruf aus Berlin, Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine mit Waffen nicht alleine zu lassen? Das informelle Treffen der EU-Verteidigungsminister heute im Brüsseler Palais Egmont könnte eine Gelegenheit sein für eine erste Zwischenbilanz. Deutschland stelle im laufenden Jahr mit gut sieben Milliarden Euro mehr als die Hälfte von dem bereit, was die anderen EU-Staaten planten, hatte Olaf Scholz Anfang Woche kritisiert. Der Bundeskanzler dürfte dabei auch im Hinterkopf haben, dass bei einem Comeback von Donald Trump noch ganz andere Lasten auf die Europäer zukommen werden.

Vor dem Hintergrund des Appells aus Berlin hat jetzt auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell eine Abfrage in den Hauptstädten gestartet. Erste Ergebnisse könnten heute beim Treffen der Verteidigungsminister oder spätestens dann beim EU-Sondergipfel am Donnerstag vorliegen. Vor allem bei den großen Mitgliedstaaten Frankreich, Spanien und Italien sind zumindest die bekannten Zahlen bescheiden. Es wäre also noch viel Luft nach oben. Gut möglich, dass angespornt durch den Appell aus Berlin der eine oder andere Verteidigungsminister mit neuen Zusagen nach Brüssel kommt, wo diese Woche die langfristige Unterstützung der Ukraine mit Kriegsgerät im Fokus steht.

Beim informellen Treffen heute werden auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerov erwartet, der über die eher düstere Lage an der Front berichten soll. Auf der Agenda steht zudem die künftige European Defence Industrial Strategy (Edis), die Borrell demnächst präsentieren soll. Die Ministerinnen und Minister werden sich auch über den Stand der Vorbereitungen für neue die EU-Marinemission Aspis im Roten Meer informieren. Wenn alles nach Plan geht, wird auch eine Fregatte der Bundeswehr spätestens ab Ende Februar mithelfen, die kommerzielle Schifffahrt in der strategisch wichtigen Passage vor Angriffen der Huthi-Rebellen zu schützen.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag,

Ihr
Stephan Israel
Bild von Stephan  Israel

Analyse

AfD wählt Sonderweg unter Europas Rechten

Das ging Marine Le Pen dann doch zu weit: “Überhaupt nicht einverstanden” sei sie mit den Planspielen von AfD-Politikern für eine “Remigration” von Ausländern, sagte die Chefin des Rassemblement National vergangene Woche. Auch die Forderung von AfD-Chefin Alice Weidel nach einem EU-Austritt wollte sie sich nicht zu eigen machen.

Die AfD schlägt inzwischen einen Sonderweg unter den Rechtsaußen-Parteien in der EU ein. Während Marine Le Pen, Geert Wilders oder Giorgia Meloni sich zumindest in ihrer Rhetorik gemäßigt haben, schlagen Weidel und ihre Parteifreunde immer radikalere Töne an. Forderungen nach einem EU-Austritt Deutschlands, dem “Dexit”, hatte Bundessprecherin Weidel beim Europaparteitag im vergangenen August noch explizit abgelehnt – “weil es nicht unserer Programmatik entspricht”.

“AfD macht weiter Fundamentalopposition”

Le Pen, Wilders oder die österreichische FPÖ hüteten sich davor, mögliche Wähler und Koalitionspartner zu verschrecken, weil sie ihre Machtoptionen sichern wollten, sagt Manuel Müller, Senior Research Fellow am Finnish Institute of International Affairs. “Die AfD macht hingegen weiter Fundamentalopposition und rückt eher noch weiter nach rechts.”

Le Pen hatte nach ihrer erfolglosen Präsidentschaftskandidatur 2017 die Forderung nach einem “Frexit” fallen lassen: Die Wahlanalysen zeigten, dass die bei einem Austritt drohenden Turbulenzen viele Wähler verschreckt hatten – Großbritannien lieferte nach dem Brexit-Referendum das Anschauungsmaterial. Bei der Präsidentschaftswahl 2022 sprach Le Pen daher nur noch davon, sie wolle “die EU grundlegend verändern, um eine europäische Vereinigung von Nationen zu schaffen”.

Meloni setzte Draghis Kurs fort

In Italien führte die rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia den außen- und europapolitischen Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi weitgehend fort. Mit Vincenzo Celeste entsandte sie einen Ständigen Vertreter nach Brüssel, der unter ihren Vorgängern als hochrangiger Beamter im Außenministerium gedient hatte. In Brüssel und Berlin wird Meloni inzwischen als inhaltlich gut vorbereitete und konstruktive Gesprächspartnerin geschätzt.

Die AfD scheint hingegen nicht bereit, sich zu mäßigen, um anschlussfähiger für Politiker der Mitte zu werden. “Das mag an den Überzeugungen des Führungspersonals liegen, oder auch an der in Deutschland recht stabilen Brandmauer anderer Parteien”, so Experte Müller. So wurde CDU-Chef Friedrich Merz im vergangenen Sommer aus den eigenen Reihen hart kritisiert, als er eine Zusammenarbeit mit AfD-Politikern auf Kommunalebene nicht ausschloss. In Italien, Finnland oder Schweden bilden hingegen Mitte-Rechts-Parteien gemeinsam mit Rechtsaußen-Partnern die Regierung.

Spannungen in ID-Fraktion

Die strategischen Differenzen sorgen für Spannungen zwischen AfD und anderen Rechtsaußen-Parteien. Müller rechnet aber nicht damit, dass die Differenzen groß genug sind, um die gemeinsame ID-Fraktion (Identität und Demokratie) im Europaparlament zu sprengen. Laut jüngsten Projektionen könnte diese bei der Europawahl im Juni rund 100 Sitze erringen und damit drittstärkste Kraft werden.

Es sei aber denkbar, so Müller, dass weitere ID-Mitglieder dem Weg der Partei Die Finnen folgten: Deren Abgeordnete hatten sich nach der Regierungsbeteiligung in Helsinki der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) angeschlossen. Die EKR sei für die Europäische Volkspartei als Partner leichter zu akzeptieren und biete daher größeren Einflussmöglichkeiten im Europaparlament.

Was die AfD fordert

Die ID-Parteien sind für die EVP-Fraktion von Manfred Weber hingegen kaum anschlussfähig. Die drei Bedingungen Webers für eine Zusammenarbeit – pro Europa, pro Ukraine, pro Rechtsstaat – erfüllen sie nicht.

  • So beschreibt die AfD in ihrem Europawahlprogramm die EU als “ein undemokratisches und reformunfähiges Konstrukt”. EU-Kommission und Europaparlament will sie abschaffen und dafür einen “Bund europäischer Nationen” ausrufen, verbunden durch einen Binnenmarkt. Dass auch der moderne Warenaustausch eine Vielzahl von Regeln braucht, die sich schwerlich unter dem postulierten Grundsatz der Einstimmigkeit aushandeln ließen, verschweigt das Programm.
  • Die AfD fordert zudem “die sofortige Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland”, die die EU wegen des Krieges gegen die Ukraine beschlossen hatte. Vielmehr solle der “ungestörte Handel mit Russland” wiederhergestellt werden, ebenso wie die beschädigten Nord-Stream-Gasleitungen.
  • Den Green Deal lehnt die AfD als “ökosozialistisches Projekt” komplett ab: “Die Behauptung einer Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen”, schreibt sie.

Wahlerfolg trotz Extrempositionen

Trotz solcher Extrempositionen könnte die Partei bei der Europawahl noch stärker abschneiden als in den aktuellen Umfragen, warnt Timo Lochocki, Forscher der Open Society Foundation am Bard College Berlin: “Die anderen Parteien tun sich schwerer, ihre Anhänger bei einer solchen Zwischenwahl zu mobilisieren“. Ob die aktuellen Massenproteste gegen die AfD daran etwas änderten, sei mehr als fünf Monate vor der Wahl noch nicht absehbar.

Das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht hält Lochocki zwar programmatisch für die “größte Bedrohung für die AfD seit ihrer Gründung”. Ihr Erfolg bei den Wahlen werde aber stark davon abhängen, ob es ihr gelinge, in der Öffentlichkeit so omnipräsent zu sein wie die AfD, so der Experte.

  • AfD
  • Europapolitik
  • Europawahlen 2024
  • EVP
  • Rechtsextremismus
  • Strategien der AfD
Translation missing.

Schleppender Netzausbau bedroht Erneuerbaren-Pläne Europas

Einer der großen Erfolge der COP28 – der Beschluss zur Verdreifachung bei den Kapazitäten der erneuerbaren Energien bis 2030 – wird durch einen zu langsamen Ausbau der Stromnetze gefährdet. Nun warnt der Generaldirektor der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA), Francesco La Camera, im Gespräch mit Table.Media: “Ohne die dringenden Infrastrukturbedürfnisse anzugehen, wird die Welt nicht in der Lage sein, die Energiewende zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad zu beschleunigen“. La Camera fügt hinzu: “Weltweit sind die Investitionen in das Stromnetz hinter denen in die erneuerbaren Energien zurückgeblieben.” Sie müssten “deutlich erhöht werden”.

Die Internationale Energieagentur (IEA) liefert für diese Warnung konkrete Zahlen: Das Ziel der Verdreifachung der Erneuerbaren könnte weltweit um gut 20 Prozent verfehlt werden. “Unzureichende Investitionen in die Netzinfrastruktur verhindern einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien”, so die IEA. Das bedeutet: Fossile Energien müssten länger am Netz bleiben, die Emissionen wären höher als nötig.

Kristian Ruby ist Generalsekretär des Verbands Eurelectric, der 3.500 europäische Firmen aus den Bereichen Stromerzeugung, -verteilung und -versorgung vertritt. Er fordert für Europa einen “ambitionierten Investitions- und Expansionsplan für die Netze”. Die EU habe in den letzten fünf Jahren “extrem ambitionierte Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren festgelegt”. Das “Tempo beim Ausbau der Stromnetze” müsse nun “deutlich erhöht werden”, sagt Ruby zu Table.Media. Andernfalls werde das Stromnetz ein “Engpass für die Energiewende”.

Netze auf Erneuerbare vorbereiten

La Camera ruft die Staaten “nachdrücklich” auf, “sich auf die großen Mengen an erneuerbaren Energien vorzubereiten, die in den nächsten Jahrzehnten ans Netz gehen werden”. Netzinvestitionen müssten “drei bis fünf Jahre vor Investitionen in erneuerbare Energien getätigt werden”. Stabile und gut ausgebaute Stromnetze sind ein Grundbaustein für die Energiewende und eine dekarbonisierte Wirtschaft:

  • Durch E-Autos, Wärmepumpen, die Herstellung von Wasserstoff und eine dekarbonisierte Stahlerzeugung wird die Stromnachfrage schnell ansteigen. In der EU wird der Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 um rund 60 Prozent zunehmen, schreibt die EU-Kommission. Ohne entsprechenden Netzausbau kann diese Nachfrage kaum gedeckt werden.
  • Erneuerbare Energien werden häufig nicht dort erzeugt, wo die Nachfrage hoch ist – anders als im traditionellen fossilen Stromsystem. Es braucht mehr Netzkapazitäten, um den Strom zu den Verbrauchern zu leiten.
  • Viele Verbraucher werden durch Solar-Dachanlagen selbst zu Stromerzeugern. Bei hoher Stromproduktion muss das Netz diese neue Stromerzeugung auffangen können.

Netzausbau hinkt Ausbau von Wind und Solar hinterher

Doch der Netzausbau hält nicht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt. In der jüngsten Vergangenheit habe man die Reserven des Stromnetzes ausgenutzt, um Erneuerbare ans Netz zu bringen, sagt Leonhard Birnbaum, Präsident des Branchenverbands Eurelectric und CEO von Eon zu Reuters. Doch “in immer mehr Regionen Europas sind die Reserven einfach aufgebraucht“.

Ein zu langsamer Netzausbau führt dazu, dass Solar- und Windkraftanlagen weniger Strom einspeisen oder erst gar nicht ans Netz angeschlossen werden können. Laut Internationaler Energieagentur werden Solar- und Windkraftanlagen in Zukunft wegen fehlender Netzkapazitäten “in vielen Ländern” häufiger abgeregelt werden müssen. Die Kosten dafür seien in den vergangenen Jahren um mehrere Milliarden Euro gestiegen.

Erneuerbaren-Projekte in der Warteschlange

In vielen Staaten, darunter Deutschland, Italien und den Niederlanden, beklagen Erneuerbaren-Entwickler, dass es zu lange dauert, bis ihre Wind- und Solaranlagen an das Stromnetz angeschlossen werden. In Spanien und Italien warten jeweils 150 Gigawatt an neuer Kapazität auf den Netzanschluss. In Griechenland und Ungarn nehmen die Netzbetreiber schon keine Anfragen für den Netzanschluss von Großanlagen mehr entgegen.

Laut Kadri Simson, EU-Kommissarin für Energie, dauert es bis zu zehn Jahre, bis Genehmigungen zur Verstärkung lokaler Netze erteilt werden – auch dadurch könnte die Energiewende ins Stocken geraten. Laut IEA befinden sich weltweit “fast 1.500 Gigawatt an Wind- und Solar-PV-Projekten in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien in der Netz-Warteschlange”.

Dazu kommt: Gut 40 Prozent des Verteilnetzes in Europa sind älter als 40 Jahre. Die einzelnen Komponenten haben ihre durchschnittliche Lebensdauer also oft schon überschritten oder stehen kurz davor. Ein so altes Netz ist nicht dafür gemacht, neue Erneuerbaren-Kapazitäten zu verkraften.

Probleme: Investitionen, Planung, Lieferketten

Die Ursachen des langsamen Ausbaus sind vielfältig. La Camera drängt zu “beschleunigten Genehmigungsverfahren, um rechtzeitige Investitionen in moderne Stromnetze zu gewährleisten”. Ruby von Eurelectric sieht diese Beschleunigung als “zentralen Punkt” für den Netzausbau.

Laut EU-Kommission müsse die Langfristplanung verbessert werden. Die Herausforderung: Die Umsetzung von Erneuerbare-Energien-Anlagen dauert mitunter weniger als ein Jahr, während Projekte zum Netzausbau sieben bis zehn Jahre dauern.

Es fehlt außerdem an Investitionen: Bis 2030 müssten laut Kommission 584 Milliarden Euro in den Ausbau und die Erneuerung der europäischen Netze investiert werden – davon gut zwei Drittel in die Verteilnetze. Während sich die Investitionen in Erneuerbare seit 2010 global fast verdoppelt hätten, “haben sich die weltweiten Investitionen in die Netze kaum verändert”, kritisiert die IEA. Auch die Netzverbindungen zwischen den einzelnen EU-Staaten werden zu langsam ausgebaut. Die Ursache: “Kostenüberschreitungen, Inflation und steigende Zinssätze”, wie EU-Kommissarin Simson betont.

Es drohen noch größere Lieferengpässe

Dazu kommt der Lieferketten und Fachkräftemangel: Es gibt Lieferprobleme bei einigen Komponenten für den Ausbau der Stromnetze – beispielsweise Hochspannungs-Transformatoren, Hochleistungs-Chips oder bestimmte Stahlsorten, warnt die IEA. Teilweise dauert es mehrere Jahre, die Komponenten zu beschaffen, so die Kommission. Das Problem könne sich durch die steigende globale Nachfrage sogar noch verschlimmern – “potenziell verstärkt durch einen Mangel an erfahrenem Personal in der Fertigung“, sagt die IEA.

Die EU-Kommission hat die Stromnetze deshalb als strategischen Sektor in ihren Net-Zero Industry Act aufgenommen, der im Frühjahr 2024 beschlossen werden soll, und einen Grid Action Plan verabschiedet. Kristian Ruby von Eurelectric mahnt: “Die industriellen Kapazitäten in Europa zur Herstellung von Komponenten für den Ausbau der Netze müssen dringend erweitert werden. Aktuell sind die Kapazitäten nicht auf das Tempo der Energiewende ausgelegt.”

  • COP28
  • Erneuerbare Energien
  • Fossile Brennstoffe
  • IRENA
  • Klima & Umwelt
  • Klimapolitik
  • Stromnetze

News

AI Act: Deutschland stimmt Kompromiss doch zu

Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) hat seinen Widerstand gegen den Kompromiss aus dem Trilog zum AI Act aufgegeben. So konnte sich die Bundesregierung auf eine gemeinsame Position einigen. Sie wird im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) am Freitag mit Ja stimmen. Das teilten die federführenden Ministerien für Wirtschaft (BMWK) und Justiz (BMJ) am Dienstag mit.

Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der AI Act vom Rat angenommen wird, da viele Länder sich an dem Votum Deutschlands orientieren werden. Frankreich, das dem AI Act noch kritischer gegenüberstand als Deutschland, wollte seine Position ebenfalls im Laufe des Dienstags festlegen. Frankreich allein kann das Gesetz in dieser Form aber nicht verhindern. Dafür ist eine qualifizierte Mehrheit nötig, für die Frankreich nun wohl nicht genug Mitstreiter findet. Die belgische Ratspräsidentschaft hat für die Sitzung noch einmal eine bereinigte Textfassung von 272 Seiten vorgelegt.

Habeck und Buschmann begrüßen die Einigung

“Mit der deutschen Zustimmung zur KI-Verordnung setzen wir uns für Rechtssicherheit und vertrauenswürdige KI made in Europe ein”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Jetzt komme es auf eine bürokratiearme, innovationsfreundliche Umsetzung an. Justizminister Marco Buschmann wies darauf hin, dass künstliche Intelligenz die Schlüsseltechnologie für die Wettbewerbsfähigkeit Europas sei.

Die europaweite und erstmalige Regelung der KI-gestützten biometrischen Fernidentifizierung nannte Buschmann einen “wichtigen Erfolg für den Grundrechtsschutz”. Das sehen allerdings nicht alle in seiner Partei so. Die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn will dem AI Act aus diesem Grunde nicht zustimmen. Der Grünen-Abgeordnete Sergey Lagodinsky kommentierte die Zustimmung zum AI Act auf X: “Ich freue mich, dass alle Beteiligten zum Ergebnis gelangt sind, dass diese Regulierung nicht perfekt, aber nötig ist.”

Wissing nennt den Kompromiss tragbar

Volker Wissing, dessen Ministerium bei diesem Rechtsakt nur beraten konnte, hatte sich lange gegen den Kompromiss gewehrt. Am Dienstag nannte er ihn “tragbar”. Er kündigte an: “Bei der Umsetzung des AI Acts werden wir den maximalen Spielraum nutzen, um Doppelregulierung zu vermeiden und Europa zu einem bedeutenden KI-Standort zu entwickeln, der sich im weltweiten Wettbewerb behauptet.”

Der Digitalverband Bitkom zeigte sich erleichtert, dass die Hängepartie beim AI Act nun wohl beendet ist. Dies könne die “dringend notwendige Rechtssicherheit bei dieser wohl wichtigsten Zukunftstechnologie” verbessern. “Entscheidend ist dafür aber vor allem, wie die Vorgaben des AI Acts sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene ausgelegt und angewendet werden”, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Hier müsse neben einer Risikoeinschätzung immer auch eine Abwägung der Chancen Künstlicher Intelligenz stattfinden.

So geht es weiter: Die Abstimmung im AStV findet am 2. Februar statt. Anschließend stimmen im Parlament die zuständigen Ausschüsse ab. Nach der Zustimmung geht der Text in die juristisch-linguistische Prüfung und die Übersetzung. Die Abstimmung im Plenum findet voraussichtlich im April statt. vis

  • AI Act
  • Deutschland
  • Digitalisierung
  • Frankreich
  • Künstliche Intelligenz
  • Künstliche Intelligenz-Verordnung
  • Trilog
  • Volker Wissing

EU-US TTC: Gespräche, aber keine Beschlüsse

Beim fünften Treffen des EU-US Trade and Technology Councils (TTC) in Washington haben Vertreter beider Seiten über Fortschritte und zukünftige Prioritäten in den Bereichen Handel und Technologie beraten. Im Fokus standen die Intensivierung des bilateralen Handels und der Investitionen, die Zusammenarbeit in der Wirtschaftssicherheit und bei neuen Technologien sowie die Förderung gemeinsamer Interessen im digitalen Bereich. Das teilte die Kommission am Dienstagabend mit.

Zu dem fünften TTC waren die Exekutivvizepräsidenten Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis sowie Kommissar Thierry Breton nach Washington gereist. Dort trafen sie unter anderem Außenminister Antony Blinken, Handelsministerin Gina Raimondo und Handelsbeauftragte Katherine Tai. Eine Abschlusserklärung gab es diesmal nicht, denn dieses Treffen diente vor allem der Vorbereitung des sechsten und letzten TTC in diesem Zyklus, das im Frühjahr in Belgien stattfinden soll.

Maschinenbau und Autoindustrie wünschen sich mehr Fortschritte

Nach Angaben der Kommission legten beide Seiten in ihren Gesprächen besondere Aufmerksamkeit auf die Erleichterung des Handels mit Gütern und Technologien, die für die grüne Transformation wichtig sind, sowie auf eine engere Zusammenarbeit bei der Konformitätsbewertung. Letzteres ist ein wichtiges Thema für den deutschen Anlagen- und Maschinenbau.

“Die Unterschiede in den Konformitätsbewertungsverfahren zwischen der EU und den USA verursachen stark verlängerte Lieferzeiten und Zusatzkosten”, sagte Ulrich Ackermann, Leiter der VDMA-Außenwirtschaft. “Deshalb braucht es endlich ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen für Maschinen und elektrotechnische Maschinenprodukte.”

Wichtige Punkte in den Gesprächen waren auch die Fortschritte bei digitalen Handelsinstrumenten zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands und die Stärkung der Ansätze zur Investitionsprüfung, Exportkontrolle und Dual-Use-Innovation. Die Teilnehmer begrüßten zudem die internationalen Leitprinzipien für Künstliche Intelligenz und den Verhaltenskodex für KI-Entwickler im Rahmen der G7. Sie betonten die Bedeutung der Zusammenarbeit in der internationalen KI-Governance.

Kein Thema beim TTC war der Streit um Zölle bei Aluminium und Stahl. Dombrovskis sagte allerdings, dass er dazu bilaterale Gespräche mit Tai geführt habe. Für dieses Thema interessiert sich die deutsche Automobilindustrie. In der Partnerschaft zwischen der EU und den USA gebe es ungenutzte Potenziale, gerade was den gegenseitigen Marktzugang und die regulatorische Kooperation, etwa bei der Elektromobilität und Zukunftstechnologien, betrifft, erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. vis

  • Geopolitik
  • Handelspolitik
  • Künstliche Intelligenz
  • Margrethe Vestager
  • Thierry Breton
  • TTC
  • USA

Solarhersteller fordern Rettungsmaßnahmen aus Brüssel

Europäische Hersteller von Solarmodulen haben die EU am Dienstag zu Sofortmaßnahmen aufgefordert, damit lokale Firmen nicht unter dem Preisdruck chinesischer Importe schließen müssen. “In den nächsten vier bis acht Wochen werden die wichtigsten EU-Hersteller von PV-Modulen und ihre europäischen Zulieferer ihre Produktionslinien stilllegen, wenn nicht umgehend substanzielle Notfallmaßnahmen ergriffen werden”, heißt es in dem Schreiben des Branchenverbandes European Solar Manufacturing Council (ESMC) an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ohne schnelle Hilfe laufe die EU Gefahr, in kürzester Zeit mehr als die Hälfte ihrer Produktionskapazitäten für Photovoltaikmodule zu verlieren. Der Brief liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor.

Die europäische Solarindustrie ist seit dem Sommer durch einen Preissturz unter starken Druck geraten, ausgelöst vor allem durch eine Flut günstiger Solarmodule aus China. Diese haben sich teilweise in europäischen Lagern angesammelt und damit die Preise gedrückt. China hält 90 Prozent Weltmarktanteil bei Solaranlagen. Meyer Burger, der größte Solaranlagenhersteller in Deutschland, kündigte kürzlich an, seine Solaranlagenfabrik der Firma im sächsischen Freiberg im April zu schließen, wenn es keine Unterstützung der Politik gebe. Bis Mitte Februar müsse er über die Schließung entscheiden, um im Zweifelsfall die Gesamtfirma zu retten, sagte Firmenchef Gunter Erfurt. Wenige Tage später hatte auch der Dresdner Modulproduzent Solarwatt vor einem Aus seiner Produktion gewarnt.

Der ESMC fordert nun unter anderem ein Programm zum staatlichen Aufkauf überschüssiger Solarmodul-Lagerbestände in Europa, um das Überangebot zu verringern. Außerdem solle Brüssel die Vorschriften für staatliche Beihilfen ändern, damit die Mitgliedsstaaten ihre eigenen Solarhersteller stärker unterstützen können. Wenn diese Maßnahmen nicht schnell umgesetzt werden können, solle die EU auch “Schutzmaßnahmen” in Erwägung ziehen, um einer Importflut entgegenzuwirken, heißt es in dem Schreiben. Dazu könnten auch Zölle und Quoten gehören. Viele Solarhersteller lehnen höhere Zölle allerdings als marktschädigend ab. ck/rtr

  • Energiewende
  • Erneuerbare Energien
  • Photovoltaik

Studie: Neuwagen-Emissionen höher als offizielle EU-Prüfwerte

Trotz verschärfter EU-Regeln wächst laut internationalem Umweltforschungsverbund ICCT bei den CO₂-Emissionen die Kluft zwischen Pkw-Herstellerangaben einerseits und den Werten im realen Betrieb andererseits. Demnach ist die Differenz zwischen 2018 und 2022 von acht auf 14 Prozent gewachsen. Das geht aus einer Studie der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation hervor, die Table.Media vorab exklusiv vorliegt.

Die Ergebnisse stellen damit die Wirksamkeit der CO₂-Reduktionsmaßnahmen der EU infrage. Laut EU-Angaben sollten die Werte eigentlich zwischen 2018 und 2022 um rund 7,3 Prozent gesunken sein. Die ICCT-Studie lässt dies nun einem anderen Licht erscheinen. Von der erzielten Reduktion um 7,3 Prozent auf dem Papier blieben dann im Realbetrieb auf der Straße mit 2,3 Prozent nur weniger als ein Drittel übrig. Demnach würden die Bemühungen der EU zur Verringerung der verkehrsbedingten CO₂-Emissionen von den Herstellern untergraben.

Prüfverfahren WLTP soll Differenzen eigentlich verringern

Um dem entgegenzuwirken, wurde eigentlich 2017 in der Folge des Dieselskandals, den der ICCT mit aufgedeckt hatte, das weltweit harmonisierte Prüfverfahren WLTP für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge eingeführt. Dabei werden auch Daten aus realen Fahrbetrieb gesammelt, um den realen Fahrbetrieb besser zu simulieren. Diese Werte sollten repräsentativer sein als die des reinen Labortestzyklus NEFZ.

Doch auch das WLTP erscheint dem ICCT nun als unzureichend. “Unsere Analyse zeigt, dass die Differenz zwischen den offiziellen Angaben und den realen CO₂-Emissionen auch nach Einführung von WLTP wieder wächst“, sagt Jan Dornoff, leitender Wissenschaftler beim ICCT und Mitverfasser des Berichts. “Wird hier nicht gegengesteuert, verlieren die offiziellen CO₂-Emissionswerte zunehmend an Aussagekraft für die tatsächlichen Emissionen. So kommen dann auch die verpflichtend vorgesehenen Reduktionen der offiziellen Werte nicht in der realen Welt an.”

Auch Rechnungshof weist auf Diskrepanzen hin

Erst vergangene Woche hatte der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht “Reduktion der CO₂-Emissionen von Pkw” der CO₂-Flottenregulierung der EU ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Bis 2020 sei “der angestrebte Nutzen der Verordnung weitgehend hinfällig” gewesen. Der Ausstoß von CO₂-Emissionen durch Neufahrzeuge sei kaum oder gar nicht zurückgegangen.

Das habe vor allem daran gelegen, “dass sich die Hersteller auf die Verringerung der im Labor gemessenen Emissionen statt auf die Verringerung der tatsächlichen Emissionen konzentrierten”. Erst 2017 ist dann auf einen Testbetrieb umgestiegen worden, der den realen Fahrbetrieb besser simuliert. Der Rechnungshof-Bericht basierte auf Recherchen in drei Mitgliedstaaten, Deutschland, Italien und Niederlande.

ICCT: Daten aus realem Verbrauch nutzen

Die ICCT-Experten haben nun offizielle CO₂-Emissionsdaten der Europäischen Umweltagentur EEA als Maß für den Kraftstoffverbrauch analysiert und mit realen Kraftstoffverbrauchsdaten von mehr als 160.000 Fahrzeugen verglichen. Dabei handelt es sich um Verbrenner- und konventionelle Hybridfahrzeuge, deren Eigentümer ihre Verbrauchsdaten auf der Website spritmonitor.de hinterlegt haben. Plug-in-Hybride wurden in einer früheren Studie separat analysiert.

Der ICCT plädiert dafür, über Daten aus der Überwachungseinrichtung für den Kraftstoffverbrauch OBFCM die Abweichungen zwischen den Laborwerten und den Verbrauchswerten im tatsächlichen Fahrbetrieb zu verringern. ICCT-Europe-Geschäftsführer Peter Mock fordert: “Damit lässt sich ein Korrekturmechanismus einrichten, der sicherstellt, dass die offiziellen CO₂-Emissionswerte, die die Hersteller in den kommenden Jahren erfüllen müssen, so aktualisiert werden, dass sie auch real den ursprünglich beabsichtigten und gesetzlich festgeschriebenen Minderungszielen entsprechen.” löh

  • Autoindustrie
  • CO2-Emissionen
  • Klima & Umwelt
  • Umwelt

Sicherheitsfragen stehen bei EU-Indopazifik-Treffen im Zentrum

Vertreter der Europäischen Union und von Indopazifik-Staaten werden am Freitag zum dritten EU-Indopazifik-Forum in Brüssel zusammenkommen. Ein kleineres Treffen ausschließlich mit Vertretern des südostasiatischen Asean-Staatenbunds findet am Freitagnachmittag unter dem Vorsitz des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und des philippinischen Außenministers Enrique Manalo statt.

Zu den Themen gehören die Sicherheitszusammenarbeit, Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sowie die Global Gateway-Initiative. Viele der indopazifischen Teilnehmer haben vor allem Sicherheitsanliegen in Bezug auf China. Die Volksrepublik steht nicht auf der Einladungsliste, ebenso wenig wie in früheren Jahren. Eine gemeinsame Erklärung nach den Treffen ist EU-Kreisen zufolge angedacht. Eine solche hatte es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Knackpunkt war damals, dass sich die Asean-Staaten und die EU nicht auf einen Wortlaut zum Angriffskrieg gegen die Ukraine und zur Situation um Taiwan einigen können.

Wer aus den indopazifischen Staaten teilnehmen wird, war am Dienstag noch nicht öffentlich. Auch eine Liste der teilnehmenden EU-Minister hatte der Europäische Auswärtige Dienst zunächst nicht vorgelegt. Im vergangenen Jahr hatte es Kritik daran gegeben, dass von 27 EU-Außenministern lediglich 14 an dem EU-Indopazifik-Treffen in Stockholm teilnahmen. Auch Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock hatte sich vertreten lassen.

Bereits am Donnerstag findet erstmals der Pazifik-Tag statt, mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen zu den Herausforderungen und Zukunftsaussichten der Zusammenarbeit zwischen der EU und den pazifischen Inselstaaten. Für beide Veranstaltungen würden rund 70 Delegationen erwartet, erklärte ein EU-Beamter am Dienstag. Beim Pazifik-Tag sollen Partnerschaftsprojekte vorgestellt werden. ari

  • China
  • EEAS
  • EU
  • Geopolitik
  • Global Gateway
  • Indopazifik

Ackerbau: Verpflichtung zur Stilllegung soll ausgesetzt bleiben

Die Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen sollen weiterhin ausgesetzt bleiben. Das hat die Kommission angekündigt. Wie genau der Vorschlag aussieht, ist noch nicht klar. Der Text soll am Donnerstag kommen. Dem Vernehmen nach soll nicht nur die abermalige Aussetzung der vierprozentigen Stilllegungsverpflichtung kommen. Auch Vorschläge zu Zwischenfrüchten und Leguminosen werden erwartet. Die konkrete Umsetzung der Vorschläge könnte von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren, weil ihre Behörden die rechtliche Oberhand haben. mgr

  • Europäische Kommission
  • GAP
  • Klima & Umwelt

Anja Hirschel ist Spitzenkandidatin der Piratenpartei

Die Europäische Piratenpartei hat auf ihrer Generalversammlung in Luxemburg Marcel Kolaja aus der Tschechischen Republik und Anja Hirschel aus Deutschland offiziell als Spitzenkandidaten für die Europawahlen im Juni nominiert. Hirschel folgt auf Patrick Breyer, der nicht wieder kandidiert hat.

Die Europäische Piratenpartei ist Mitglied der Piratenpartei International und hat 18 Mitglieder in 17 europäischen Ländern. Gewählte Vertreter auf nationaler Ebene gibt es in Tschechien, Luxemburg und Island sowie auf europäischer Ebene in Deutschland und Tschechien.

Hirschel ist Expertin für Datenschutz und Digitalisierung

Als Spitzenkandidatin möchte sie eine neue Perspektive für die digitale und vernetzte Zukunft der EU bieten, sagte Hirschel. Ihre Expertise könne sie als zertifizierte Datenschutzbeauftragte in den Bereichen Digitalisierung, Datenschutz, Urheberrecht und Umweltfragen einbringen. Sie freue sich darauf, “die
Vision der Piratenpartei für eine Europäische Union zu vertreten, die den digitalen Fortschritt begrüßt und gleichzeitig die Rechte und Werte ihrer Bürger schützt.”

Aktuell arbeitet Hirschel hauptberuflich für ein IT-Unternehmen, wo sie Betriebsrätin ist. Zudem ist sie Stadträtin in Ulm für die Piratenpartei, deren Spitzenkandidatin sie bei der Bundestagswahl 2021 war.

Kolaja tritt erneut an

Ebenfalls als Spitzenkandidat nominiert ist Marcel Kolaja, der bereits Mitglied sowie Quästor des Europäischen Parlaments ist. Er wurde von seiner Partei, die in Tschechien mitregiert, als möglicher nächster tschechischer EU-Kommissar nominiert.

Kolaja sagte, angesichts des zunehmenden Populismus und der Unterstützung für rechtsextreme Parteien böten die Piraten eine Alternative, deren Politik auf Fakten, funktionsfähigen Lösungen und Ehrlichkeit basiere. “Deshalb muss die Stimme der Piraten in den höchsten Rängen der europäischen Politik klar vernehmbar sein”, sagte Kolaja. vis

  • Digitalpolitik
  • Europawahlen 2024

Frankreich will Atomkraft weiter ausbauen

In einer Regierungserklärung hat der neue französische Premierminister Gabriel Attal das Bekenntnis zur Kernenergie erneuert. Attal sagte, Kernenergie sei “französischer Stolz”. Frankreich werde weiter in die Kernenergie investieren und Reaktoren entwickeln, kündigte er am Dienstag vor der Nationalversammlung an.

“Wir werden unser Nuklearnetz weiter ausbauen und in diesem Jahr stark in Programme investieren”, sagte Attal. Zudem solle der EPR-Reaktor Flamanville des staatlichen Energieversorgers EDF in Betrieb genommen werden. “Wir werden die Entwicklung der erneuerbaren Energien ebenso fortsetzen wie die Entwicklung der Kernenergie in unserem Land”, sagte Attal.

Bekenntnis zu Europa

Zum Ende seiner Regierungserklärung legte Attal ein Bekenntnis zu Europa ab. Weniger Europa würde auch weniger Macht für Frankreich bedeuten. Er kritisierte den rechtsnationalen Rassemblement National von Marine Le Pen für deren Streben nach einem verdecktem Austritt Frankreichs aus der EU.

Attal stellte in seiner Rede außerdem höhere Löhne in Aussicht. Ein zu hoher Anteil der Bevölkerung verdiene nur Mindestlohn, sagte Attal. Das müsse sich ändern. Zudem appellierte er angesichts der fehlenden absoluten Regierungsmehrheit im Unterhaus an die politische Opposition, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. dpa/rtr

  • Atomkraft
  • Energiepolitik
  • Frankreich

Spionageverdacht: Europaparlament leitet Untersuchung zu Ždanoka ein

Das Europäische Parlament hat wegen möglicher Kontakte zum russischen Geheimdienst FSB eine Untersuchung gegen die lettische EU-Abgeordnete Tatjana Ždanoka eingeleitet. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nehme die in einem Medienbericht erhobenen Vorwürfe “sehr ernst”, teilte das Parlament am Dienstag mit. Auch in Lettland leiteten die Sicherheitsbehörden eine Prüfung der über die 73-Jährige bekannt gewordenen Informationen ein.

Ždanoka sitzt seit 2004 im Europaparlament. Bis 2022 gehörte sie der Greens/EFA-Fraktion als Teil der EFA-Gruppe an. Damals stimmte sie, als eine von nur 13 Abgeordneten, gegen eine Resolution, die den Überfall Russlands auf die Ukraine verurteilte. Daraufhin schloss die Fraktion sie aus. Seither ist sie fraktionslos.

Einer am Montag unter anderem vom Portal “The Insider” veröffentlichten investigativen Recherche zufolge soll Ždanoka seit rund 20 Jahren für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB tätig und damit beauftragt gewesen sein, eine kremlfreundliche Stimmung im Baltikum zu befördern. Dazu sei die Politikerin von mindestens 2004 bis 2017 von zwei verschiedenen FSB-Agenten betreut worden, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf entsprechende Korrespondenzen in geleakten E-Mails.

Ex-Fraktion distanziert sich von ihr

Ždanoka wies die Vorwürfe zurück. Nach Einschätzung der lettischen Sicherheitspolizei sind Ždanoka Status als Europa-Abgeordnete und die verbundene rechtliche Immunität ein “wesentlicher Aspekt, der zu ihren Aktivitäten zur Unterstützung der geopolitischen Interessen Russlands beitrug.”

Die Greens/EFA-Fraktion erklärte am Dienstag in einem Statement, Ždanoka habe während ihrer Zeit in der Fraktion “keinen Anteil an der Gestaltung der Fraktionspolitik in außenpolitischen Fragen, einschließlich der Politik in Bezug auf Russland” gehabt.

Schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine war die lettische Europa-Abgeordnete durch ein betont positives Verhältnis zu Russland aufgefallen. 2014 etwa reiste sie als “internationale Beobachterin” zu der international als Scheinreferendum eingeordneten Unabhängigkeitsabstimmung auf der Krim – auf Kosten des Europaparlaments, wie das lettische Radio später enthüllte. dpa/lei

  • Europäisches Parlament
  • Lettland
  • Russland
  • Spionage

Mögliche Preisabsprachen: Razzien bei Reifenherstellern

Die EU-Kommission hat am Dienstag Razzien bei Continental und anderen Reifenherstellern in Europa wegen des Verdachts eines Reifenkartells vorgenommen. Es gehe um mögliche Preisabsprachen bei neuen Ersatzreifen für Autos, Transporter, Lkw und Busse, erklärte die EU-Kommission am Dienstag. “Die Kommission ist besorgt darüber, dass eine Preiskoordinierung zwischen den inspizierten Unternehmen stattgefunden hat, auch über öffentliche Kommunikation”, hieß es. Die Behörde äußerte sich nicht zu den betroffenen Unternehmen.

Ein Sprecher von Conti erklärte, seit Dienstag liefen Untersuchungen der europäischen Kartellbehörden in Räumen des Unternehmens. Pirelli teilte mit, vollständig mit der EU-Kommission zu kooperieren. Ein Sprecher ergänzte, der italienische Reifenkonzern habe sich fair verhalten. Auch Michelin bestätigte die Durchsuchungen. Ein Sprecher betonte, das französische Unternehmen halte sich stets an die Wettbewerbsregeln, die in den jeweiligen Ländern gälten. rtr

  • Wettbewerbsverfahren
  • Zulieferer

Presseschau

EU genehmigt deutsche Milliardenhilfe für mehr Tierwohl SÜDDEUTSCHE
EU-Kommission kommt Bauern bei Flächennutzung entgegen ORF
Nach Protesten in Paris: Frankreichs Premierminister stellt Bauern Ausnahmen von EU-Regeln in Aussicht SPIEGEL
Frankreichs Premier Gabriel Attal ruft Opposition zu Zusammenarbeit auf SWISSINFO
Schweizer Nationalratskommission gibt grünes Licht für Verhandlungen Schweiz-EU SRF
EU: Deutschland will jetzt doch zum AI Act zustimmen HEISE
EZB will Geldpolitik stärker am Klimaschutz ausrichten HANDELSBLATT
Eurostat: Europäische Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gestiegen LUXEMBURGER WORT
Spanisches Parlament stimmt gegen Amnestiegesetz: Separatistenführer Puigdemont darf nicht straffrei nach Hause RND
Blockade in Irland beendet: Bald kann in Belfast regiert werden FAZ
Großbritannien: Rishi Sunak gewinnt erste Abstimmung im Oberhaus über Ruanda-Asylgesetz DER STANDARD

Heads

Paulina Hennig-Kloska: Polens Umweltministerin mit heikler Mission

Paulina Hennig-Kloska, neue polnische Umwelt- und Klimaministerin, bei ihrer Vereidigung im Dezember 2023
Paulina Hennig-Kloska, neue polnische Ministerin für Klima und Umwelt, bei ihrer Vereidigung im Dezember 2023.

Paulina Hennig-Kloska war noch nicht im Amt, da spürte sie schon, welche Sprengkraft ihre neuen Themen mit sich bringen. Die im Dezember 2023 schließlich zur Ministerin für Klima und Umwelt ernannte Hennig-Kloska legte mit anderen Abgeordneten einen Gesetzesvorschlag zum erleichterten Bau von Windparks vor und sorgte vor allem durch die verkürzte Entfernung zu Wohngebäuden für Empörung: Dem Vorschlag zufolge sollten besonders leise Anlagen mit einem Abstand von 300 Metern gebaut werden können – 200 Meter weniger, als es im Wahlkampf versprochen worden war. 

Die Recht- und Gerechtigkeitspartei PiS, die bis zum letzten Jahr die Regierung führte, warf Hennig-Kloska vor, Lobbygruppen der Windradindustrie insbesondere aus Deutschland zu befördern. Hennig-Kloska forderte eine Entschuldigung und drohte, einen PiS-Abgeordneten wegen Verleumdung zu verklagen. Manche Koalitionspolitiker sprachen Hennig-Kloska daraufhin die Eignung für das neue Amt ab – doch ihre Partei hielt an der 46-Jährigen fest. Etwas später, als vereidigte Ministerin, gab sie Fehler zu und änderte manche Punkte. Spätestens im März soll das überarbeitete Windparkgesetz jetzt verabschiedet werden.

Sie ist keine Umweltaktivistin

Hennig-Kloska ist keine Aktivistin. Die aus Gniezno westlich von Warschau stammende Politikwissenschaftlerin arbeitete zuerst als Radiojournalistin, war Abteilungsleiterin bei einer lokalen Bank und leitete mit ihrem Mann Artur Kloska die Firma Borg, die auf Büroeinrichtung spezialisiert ist.

2015 trat sie der Partei Nowoczesna bei und wurde unerwartet in das nationale Parlament gewählt, den Sejm. Weil Borg einen öffentlichen Auftrag zur Möblierung von Schulen gewann, sprachen Kritiker von Korruption. Einen Beweis konnten sie allerdings nicht vorlegen – und die Wähler glaubten ihnen auch nicht. Stattdessen wählten sie die Abgeordnete seitdem zweimal wieder.

Im Frühjahr 2021 wechselte Hennig-Kloska dann zur Partei Polen 2050, die nun zur Regierungskoalition des Ministerpräsidenten Donald Tusk gehört, und wurde zu einer der wichtigsten Politikerinnen der neuen Partei, die sich als wertkonservativ und bodenständig präsentiert. Mit der neuen Partei kam auch ein neues Thema: vom Gesundheitsressort wechselte sie in den Energie- und Klimaausschuss.

Energiewende als Fundament der Wettbewerbsfähigkeit

“Damals wurde mir klar, dass die Energiewende das Fundament einer zukünftigen wettbewerbsfähigen Wirtschaft ist”, sagt sie. “Und der CO₂-Fußabdruck wird unsere Wirtschaft zerstören, wenn wir nicht ernsthaft etwas dagegen unternehmen.” In der Wirtschaftspolitik ist sie eine Liberale, sie tritt für Steuersenkungen ein und unterstützt die Privatisierung von Staatsunternehmen, mit Ausnahme des Energie- und Verteidigungssektors.  

In ihrem neuen Amt geht es jetzt darum, sich schnell einzuarbeiten und viele Herausforderungen anzupacken, denn die vorige PiS-Regierung hat die Umweltpolitik komplett vernachlässigt. 63 Prozent seines Strombedarfs deckt Polen noch immer mit Kohle ab, der Ausstieg aus dem fossilen Brennstoff ist erst für 2049 geplant. Nun soll das Ministerium Investitionen in erneuerbare Energiequellen fördern, in Windkraftanlagen, in Photovoltaik und Biomasseanlagen, aber auch in Kernenergie. Die thermische Modernisierung von Gebäuden muss ebenfalls dringend angegangen werden, um Einsparziele zu erreichen. 

Hennig-Kloska versucht Balanceakt

Um all das zu finanzieren, hofft Hennig-Kloska auch auf die Europäische Union. Das Programm “Saubere Luft” etwa, in dessen Rahmen alte Verbrennungsöfen ausgetauscht werden sollen, wurde zuletzt mangels Finanzierung eingefroren, obgleich jährlich etwa 50.000 Menschen an den Folgen von Smog sterben. Hennig-Kloska will nun EU-Mittel aus dem europäischen Fonds für Infrastruktur, Klima und Umwelt (FENIKS) mobilisieren. Polen wird sich auch um Projektfinanzierung aus dem Fit-for-55-Paket der EU bewerben. 

Zugleich geht es für Hennig-Kloska darum, die Balance zu halten, auch innerhalb der eigenen Regierung. Mitte Januar war es ihre grüne Stellvertreterin Urszula Zielińska, die ein hohes Tempo bei der Transformation verlangte und forderte, dass die EU ihren CO₂-Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent reduzieren solle. Paulina Hennig-Kloska pfiff Zielińska schnell zurück und erklärte, die Aussage sei weder offiziell noch mit anderen Ressorts abgestimmt gewesen. 

Zwar seien sich alle Parteien der Regierungskoalition darin einig, dass Polen klimaneutral werden müsse. Dafür brauche es aber Zeit. Einer Allianz von elf Ländern, darunter Deutschland, die vergangene Woche ebenfalls ambitioniertere EU-Klimaziele forderte, schloss sich Polen nicht an. Schließlich muss Hennig-Kloska auch auf den Koalitionspartner Rücksicht nehmen, die Bauernpartei PSL. Und die hat erklärt, dass sie die Bürger bei der Transformation nicht überfordern will. Andrzej Rybak

  • Energiepolitik
  • Energiewende
  • Klima & Umwelt
  • Kohleausstieg
  • Polen

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wie reagieren die europäischen Partner auf den eindringlichen Aufruf aus Berlin, Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine mit Waffen nicht alleine zu lassen? Das informelle Treffen der EU-Verteidigungsminister heute im Brüsseler Palais Egmont könnte eine Gelegenheit sein für eine erste Zwischenbilanz. Deutschland stelle im laufenden Jahr mit gut sieben Milliarden Euro mehr als die Hälfte von dem bereit, was die anderen EU-Staaten planten, hatte Olaf Scholz Anfang Woche kritisiert. Der Bundeskanzler dürfte dabei auch im Hinterkopf haben, dass bei einem Comeback von Donald Trump noch ganz andere Lasten auf die Europäer zukommen werden.

    Vor dem Hintergrund des Appells aus Berlin hat jetzt auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell eine Abfrage in den Hauptstädten gestartet. Erste Ergebnisse könnten heute beim Treffen der Verteidigungsminister oder spätestens dann beim EU-Sondergipfel am Donnerstag vorliegen. Vor allem bei den großen Mitgliedstaaten Frankreich, Spanien und Italien sind zumindest die bekannten Zahlen bescheiden. Es wäre also noch viel Luft nach oben. Gut möglich, dass angespornt durch den Appell aus Berlin der eine oder andere Verteidigungsminister mit neuen Zusagen nach Brüssel kommt, wo diese Woche die langfristige Unterstützung der Ukraine mit Kriegsgerät im Fokus steht.

    Beim informellen Treffen heute werden auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerov erwartet, der über die eher düstere Lage an der Front berichten soll. Auf der Agenda steht zudem die künftige European Defence Industrial Strategy (Edis), die Borrell demnächst präsentieren soll. Die Ministerinnen und Minister werden sich auch über den Stand der Vorbereitungen für neue die EU-Marinemission Aspis im Roten Meer informieren. Wenn alles nach Plan geht, wird auch eine Fregatte der Bundeswehr spätestens ab Ende Februar mithelfen, die kommerzielle Schifffahrt in der strategisch wichtigen Passage vor Angriffen der Huthi-Rebellen zu schützen.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag,

    Ihr
    Stephan Israel
    Bild von Stephan  Israel

    Analyse

    AfD wählt Sonderweg unter Europas Rechten

    Das ging Marine Le Pen dann doch zu weit: “Überhaupt nicht einverstanden” sei sie mit den Planspielen von AfD-Politikern für eine “Remigration” von Ausländern, sagte die Chefin des Rassemblement National vergangene Woche. Auch die Forderung von AfD-Chefin Alice Weidel nach einem EU-Austritt wollte sie sich nicht zu eigen machen.

    Die AfD schlägt inzwischen einen Sonderweg unter den Rechtsaußen-Parteien in der EU ein. Während Marine Le Pen, Geert Wilders oder Giorgia Meloni sich zumindest in ihrer Rhetorik gemäßigt haben, schlagen Weidel und ihre Parteifreunde immer radikalere Töne an. Forderungen nach einem EU-Austritt Deutschlands, dem “Dexit”, hatte Bundessprecherin Weidel beim Europaparteitag im vergangenen August noch explizit abgelehnt – “weil es nicht unserer Programmatik entspricht”.

    “AfD macht weiter Fundamentalopposition”

    Le Pen, Wilders oder die österreichische FPÖ hüteten sich davor, mögliche Wähler und Koalitionspartner zu verschrecken, weil sie ihre Machtoptionen sichern wollten, sagt Manuel Müller, Senior Research Fellow am Finnish Institute of International Affairs. “Die AfD macht hingegen weiter Fundamentalopposition und rückt eher noch weiter nach rechts.”

    Le Pen hatte nach ihrer erfolglosen Präsidentschaftskandidatur 2017 die Forderung nach einem “Frexit” fallen lassen: Die Wahlanalysen zeigten, dass die bei einem Austritt drohenden Turbulenzen viele Wähler verschreckt hatten – Großbritannien lieferte nach dem Brexit-Referendum das Anschauungsmaterial. Bei der Präsidentschaftswahl 2022 sprach Le Pen daher nur noch davon, sie wolle “die EU grundlegend verändern, um eine europäische Vereinigung von Nationen zu schaffen”.

    Meloni setzte Draghis Kurs fort

    In Italien führte die rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia den außen- und europapolitischen Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi weitgehend fort. Mit Vincenzo Celeste entsandte sie einen Ständigen Vertreter nach Brüssel, der unter ihren Vorgängern als hochrangiger Beamter im Außenministerium gedient hatte. In Brüssel und Berlin wird Meloni inzwischen als inhaltlich gut vorbereitete und konstruktive Gesprächspartnerin geschätzt.

    Die AfD scheint hingegen nicht bereit, sich zu mäßigen, um anschlussfähiger für Politiker der Mitte zu werden. “Das mag an den Überzeugungen des Führungspersonals liegen, oder auch an der in Deutschland recht stabilen Brandmauer anderer Parteien”, so Experte Müller. So wurde CDU-Chef Friedrich Merz im vergangenen Sommer aus den eigenen Reihen hart kritisiert, als er eine Zusammenarbeit mit AfD-Politikern auf Kommunalebene nicht ausschloss. In Italien, Finnland oder Schweden bilden hingegen Mitte-Rechts-Parteien gemeinsam mit Rechtsaußen-Partnern die Regierung.

    Spannungen in ID-Fraktion

    Die strategischen Differenzen sorgen für Spannungen zwischen AfD und anderen Rechtsaußen-Parteien. Müller rechnet aber nicht damit, dass die Differenzen groß genug sind, um die gemeinsame ID-Fraktion (Identität und Demokratie) im Europaparlament zu sprengen. Laut jüngsten Projektionen könnte diese bei der Europawahl im Juni rund 100 Sitze erringen und damit drittstärkste Kraft werden.

    Es sei aber denkbar, so Müller, dass weitere ID-Mitglieder dem Weg der Partei Die Finnen folgten: Deren Abgeordnete hatten sich nach der Regierungsbeteiligung in Helsinki der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) angeschlossen. Die EKR sei für die Europäische Volkspartei als Partner leichter zu akzeptieren und biete daher größeren Einflussmöglichkeiten im Europaparlament.

    Was die AfD fordert

    Die ID-Parteien sind für die EVP-Fraktion von Manfred Weber hingegen kaum anschlussfähig. Die drei Bedingungen Webers für eine Zusammenarbeit – pro Europa, pro Ukraine, pro Rechtsstaat – erfüllen sie nicht.

    • So beschreibt die AfD in ihrem Europawahlprogramm die EU als “ein undemokratisches und reformunfähiges Konstrukt”. EU-Kommission und Europaparlament will sie abschaffen und dafür einen “Bund europäischer Nationen” ausrufen, verbunden durch einen Binnenmarkt. Dass auch der moderne Warenaustausch eine Vielzahl von Regeln braucht, die sich schwerlich unter dem postulierten Grundsatz der Einstimmigkeit aushandeln ließen, verschweigt das Programm.
    • Die AfD fordert zudem “die sofortige Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland”, die die EU wegen des Krieges gegen die Ukraine beschlossen hatte. Vielmehr solle der “ungestörte Handel mit Russland” wiederhergestellt werden, ebenso wie die beschädigten Nord-Stream-Gasleitungen.
    • Den Green Deal lehnt die AfD als “ökosozialistisches Projekt” komplett ab: “Die Behauptung einer Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen”, schreibt sie.

    Wahlerfolg trotz Extrempositionen

    Trotz solcher Extrempositionen könnte die Partei bei der Europawahl noch stärker abschneiden als in den aktuellen Umfragen, warnt Timo Lochocki, Forscher der Open Society Foundation am Bard College Berlin: “Die anderen Parteien tun sich schwerer, ihre Anhänger bei einer solchen Zwischenwahl zu mobilisieren“. Ob die aktuellen Massenproteste gegen die AfD daran etwas änderten, sei mehr als fünf Monate vor der Wahl noch nicht absehbar.

    Das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht hält Lochocki zwar programmatisch für die “größte Bedrohung für die AfD seit ihrer Gründung”. Ihr Erfolg bei den Wahlen werde aber stark davon abhängen, ob es ihr gelinge, in der Öffentlichkeit so omnipräsent zu sein wie die AfD, so der Experte.

    • AfD
    • Europapolitik
    • Europawahlen 2024
    • EVP
    • Rechtsextremismus
    • Strategien der AfD
    Translation missing.

    Schleppender Netzausbau bedroht Erneuerbaren-Pläne Europas

    Einer der großen Erfolge der COP28 – der Beschluss zur Verdreifachung bei den Kapazitäten der erneuerbaren Energien bis 2030 – wird durch einen zu langsamen Ausbau der Stromnetze gefährdet. Nun warnt der Generaldirektor der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA), Francesco La Camera, im Gespräch mit Table.Media: “Ohne die dringenden Infrastrukturbedürfnisse anzugehen, wird die Welt nicht in der Lage sein, die Energiewende zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad zu beschleunigen“. La Camera fügt hinzu: “Weltweit sind die Investitionen in das Stromnetz hinter denen in die erneuerbaren Energien zurückgeblieben.” Sie müssten “deutlich erhöht werden”.

    Die Internationale Energieagentur (IEA) liefert für diese Warnung konkrete Zahlen: Das Ziel der Verdreifachung der Erneuerbaren könnte weltweit um gut 20 Prozent verfehlt werden. “Unzureichende Investitionen in die Netzinfrastruktur verhindern einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien”, so die IEA. Das bedeutet: Fossile Energien müssten länger am Netz bleiben, die Emissionen wären höher als nötig.

    Kristian Ruby ist Generalsekretär des Verbands Eurelectric, der 3.500 europäische Firmen aus den Bereichen Stromerzeugung, -verteilung und -versorgung vertritt. Er fordert für Europa einen “ambitionierten Investitions- und Expansionsplan für die Netze”. Die EU habe in den letzten fünf Jahren “extrem ambitionierte Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren festgelegt”. Das “Tempo beim Ausbau der Stromnetze” müsse nun “deutlich erhöht werden”, sagt Ruby zu Table.Media. Andernfalls werde das Stromnetz ein “Engpass für die Energiewende”.

    Netze auf Erneuerbare vorbereiten

    La Camera ruft die Staaten “nachdrücklich” auf, “sich auf die großen Mengen an erneuerbaren Energien vorzubereiten, die in den nächsten Jahrzehnten ans Netz gehen werden”. Netzinvestitionen müssten “drei bis fünf Jahre vor Investitionen in erneuerbare Energien getätigt werden”. Stabile und gut ausgebaute Stromnetze sind ein Grundbaustein für die Energiewende und eine dekarbonisierte Wirtschaft:

    • Durch E-Autos, Wärmepumpen, die Herstellung von Wasserstoff und eine dekarbonisierte Stahlerzeugung wird die Stromnachfrage schnell ansteigen. In der EU wird der Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 um rund 60 Prozent zunehmen, schreibt die EU-Kommission. Ohne entsprechenden Netzausbau kann diese Nachfrage kaum gedeckt werden.
    • Erneuerbare Energien werden häufig nicht dort erzeugt, wo die Nachfrage hoch ist – anders als im traditionellen fossilen Stromsystem. Es braucht mehr Netzkapazitäten, um den Strom zu den Verbrauchern zu leiten.
    • Viele Verbraucher werden durch Solar-Dachanlagen selbst zu Stromerzeugern. Bei hoher Stromproduktion muss das Netz diese neue Stromerzeugung auffangen können.

    Netzausbau hinkt Ausbau von Wind und Solar hinterher

    Doch der Netzausbau hält nicht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt. In der jüngsten Vergangenheit habe man die Reserven des Stromnetzes ausgenutzt, um Erneuerbare ans Netz zu bringen, sagt Leonhard Birnbaum, Präsident des Branchenverbands Eurelectric und CEO von Eon zu Reuters. Doch “in immer mehr Regionen Europas sind die Reserven einfach aufgebraucht“.

    Ein zu langsamer Netzausbau führt dazu, dass Solar- und Windkraftanlagen weniger Strom einspeisen oder erst gar nicht ans Netz angeschlossen werden können. Laut Internationaler Energieagentur werden Solar- und Windkraftanlagen in Zukunft wegen fehlender Netzkapazitäten “in vielen Ländern” häufiger abgeregelt werden müssen. Die Kosten dafür seien in den vergangenen Jahren um mehrere Milliarden Euro gestiegen.

    Erneuerbaren-Projekte in der Warteschlange

    In vielen Staaten, darunter Deutschland, Italien und den Niederlanden, beklagen Erneuerbaren-Entwickler, dass es zu lange dauert, bis ihre Wind- und Solaranlagen an das Stromnetz angeschlossen werden. In Spanien und Italien warten jeweils 150 Gigawatt an neuer Kapazität auf den Netzanschluss. In Griechenland und Ungarn nehmen die Netzbetreiber schon keine Anfragen für den Netzanschluss von Großanlagen mehr entgegen.

    Laut Kadri Simson, EU-Kommissarin für Energie, dauert es bis zu zehn Jahre, bis Genehmigungen zur Verstärkung lokaler Netze erteilt werden – auch dadurch könnte die Energiewende ins Stocken geraten. Laut IEA befinden sich weltweit “fast 1.500 Gigawatt an Wind- und Solar-PV-Projekten in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien in der Netz-Warteschlange”.

    Dazu kommt: Gut 40 Prozent des Verteilnetzes in Europa sind älter als 40 Jahre. Die einzelnen Komponenten haben ihre durchschnittliche Lebensdauer also oft schon überschritten oder stehen kurz davor. Ein so altes Netz ist nicht dafür gemacht, neue Erneuerbaren-Kapazitäten zu verkraften.

    Probleme: Investitionen, Planung, Lieferketten

    Die Ursachen des langsamen Ausbaus sind vielfältig. La Camera drängt zu “beschleunigten Genehmigungsverfahren, um rechtzeitige Investitionen in moderne Stromnetze zu gewährleisten”. Ruby von Eurelectric sieht diese Beschleunigung als “zentralen Punkt” für den Netzausbau.

    Laut EU-Kommission müsse die Langfristplanung verbessert werden. Die Herausforderung: Die Umsetzung von Erneuerbare-Energien-Anlagen dauert mitunter weniger als ein Jahr, während Projekte zum Netzausbau sieben bis zehn Jahre dauern.

    Es fehlt außerdem an Investitionen: Bis 2030 müssten laut Kommission 584 Milliarden Euro in den Ausbau und die Erneuerung der europäischen Netze investiert werden – davon gut zwei Drittel in die Verteilnetze. Während sich die Investitionen in Erneuerbare seit 2010 global fast verdoppelt hätten, “haben sich die weltweiten Investitionen in die Netze kaum verändert”, kritisiert die IEA. Auch die Netzverbindungen zwischen den einzelnen EU-Staaten werden zu langsam ausgebaut. Die Ursache: “Kostenüberschreitungen, Inflation und steigende Zinssätze”, wie EU-Kommissarin Simson betont.

    Es drohen noch größere Lieferengpässe

    Dazu kommt der Lieferketten und Fachkräftemangel: Es gibt Lieferprobleme bei einigen Komponenten für den Ausbau der Stromnetze – beispielsweise Hochspannungs-Transformatoren, Hochleistungs-Chips oder bestimmte Stahlsorten, warnt die IEA. Teilweise dauert es mehrere Jahre, die Komponenten zu beschaffen, so die Kommission. Das Problem könne sich durch die steigende globale Nachfrage sogar noch verschlimmern – “potenziell verstärkt durch einen Mangel an erfahrenem Personal in der Fertigung“, sagt die IEA.

    Die EU-Kommission hat die Stromnetze deshalb als strategischen Sektor in ihren Net-Zero Industry Act aufgenommen, der im Frühjahr 2024 beschlossen werden soll, und einen Grid Action Plan verabschiedet. Kristian Ruby von Eurelectric mahnt: “Die industriellen Kapazitäten in Europa zur Herstellung von Komponenten für den Ausbau der Netze müssen dringend erweitert werden. Aktuell sind die Kapazitäten nicht auf das Tempo der Energiewende ausgelegt.”

    • COP28
    • Erneuerbare Energien
    • Fossile Brennstoffe
    • IRENA
    • Klima & Umwelt
    • Klimapolitik
    • Stromnetze

    News

    AI Act: Deutschland stimmt Kompromiss doch zu

    Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) hat seinen Widerstand gegen den Kompromiss aus dem Trilog zum AI Act aufgegeben. So konnte sich die Bundesregierung auf eine gemeinsame Position einigen. Sie wird im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) am Freitag mit Ja stimmen. Das teilten die federführenden Ministerien für Wirtschaft (BMWK) und Justiz (BMJ) am Dienstag mit.

    Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der AI Act vom Rat angenommen wird, da viele Länder sich an dem Votum Deutschlands orientieren werden. Frankreich, das dem AI Act noch kritischer gegenüberstand als Deutschland, wollte seine Position ebenfalls im Laufe des Dienstags festlegen. Frankreich allein kann das Gesetz in dieser Form aber nicht verhindern. Dafür ist eine qualifizierte Mehrheit nötig, für die Frankreich nun wohl nicht genug Mitstreiter findet. Die belgische Ratspräsidentschaft hat für die Sitzung noch einmal eine bereinigte Textfassung von 272 Seiten vorgelegt.

    Habeck und Buschmann begrüßen die Einigung

    “Mit der deutschen Zustimmung zur KI-Verordnung setzen wir uns für Rechtssicherheit und vertrauenswürdige KI made in Europe ein”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Jetzt komme es auf eine bürokratiearme, innovationsfreundliche Umsetzung an. Justizminister Marco Buschmann wies darauf hin, dass künstliche Intelligenz die Schlüsseltechnologie für die Wettbewerbsfähigkeit Europas sei.

    Die europaweite und erstmalige Regelung der KI-gestützten biometrischen Fernidentifizierung nannte Buschmann einen “wichtigen Erfolg für den Grundrechtsschutz”. Das sehen allerdings nicht alle in seiner Partei so. Die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn will dem AI Act aus diesem Grunde nicht zustimmen. Der Grünen-Abgeordnete Sergey Lagodinsky kommentierte die Zustimmung zum AI Act auf X: “Ich freue mich, dass alle Beteiligten zum Ergebnis gelangt sind, dass diese Regulierung nicht perfekt, aber nötig ist.”

    Wissing nennt den Kompromiss tragbar

    Volker Wissing, dessen Ministerium bei diesem Rechtsakt nur beraten konnte, hatte sich lange gegen den Kompromiss gewehrt. Am Dienstag nannte er ihn “tragbar”. Er kündigte an: “Bei der Umsetzung des AI Acts werden wir den maximalen Spielraum nutzen, um Doppelregulierung zu vermeiden und Europa zu einem bedeutenden KI-Standort zu entwickeln, der sich im weltweiten Wettbewerb behauptet.”

    Der Digitalverband Bitkom zeigte sich erleichtert, dass die Hängepartie beim AI Act nun wohl beendet ist. Dies könne die “dringend notwendige Rechtssicherheit bei dieser wohl wichtigsten Zukunftstechnologie” verbessern. “Entscheidend ist dafür aber vor allem, wie die Vorgaben des AI Acts sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene ausgelegt und angewendet werden”, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Hier müsse neben einer Risikoeinschätzung immer auch eine Abwägung der Chancen Künstlicher Intelligenz stattfinden.

    So geht es weiter: Die Abstimmung im AStV findet am 2. Februar statt. Anschließend stimmen im Parlament die zuständigen Ausschüsse ab. Nach der Zustimmung geht der Text in die juristisch-linguistische Prüfung und die Übersetzung. Die Abstimmung im Plenum findet voraussichtlich im April statt. vis

    • AI Act
    • Deutschland
    • Digitalisierung
    • Frankreich
    • Künstliche Intelligenz
    • Künstliche Intelligenz-Verordnung
    • Trilog
    • Volker Wissing

    EU-US TTC: Gespräche, aber keine Beschlüsse

    Beim fünften Treffen des EU-US Trade and Technology Councils (TTC) in Washington haben Vertreter beider Seiten über Fortschritte und zukünftige Prioritäten in den Bereichen Handel und Technologie beraten. Im Fokus standen die Intensivierung des bilateralen Handels und der Investitionen, die Zusammenarbeit in der Wirtschaftssicherheit und bei neuen Technologien sowie die Förderung gemeinsamer Interessen im digitalen Bereich. Das teilte die Kommission am Dienstagabend mit.

    Zu dem fünften TTC waren die Exekutivvizepräsidenten Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis sowie Kommissar Thierry Breton nach Washington gereist. Dort trafen sie unter anderem Außenminister Antony Blinken, Handelsministerin Gina Raimondo und Handelsbeauftragte Katherine Tai. Eine Abschlusserklärung gab es diesmal nicht, denn dieses Treffen diente vor allem der Vorbereitung des sechsten und letzten TTC in diesem Zyklus, das im Frühjahr in Belgien stattfinden soll.

    Maschinenbau und Autoindustrie wünschen sich mehr Fortschritte

    Nach Angaben der Kommission legten beide Seiten in ihren Gesprächen besondere Aufmerksamkeit auf die Erleichterung des Handels mit Gütern und Technologien, die für die grüne Transformation wichtig sind, sowie auf eine engere Zusammenarbeit bei der Konformitätsbewertung. Letzteres ist ein wichtiges Thema für den deutschen Anlagen- und Maschinenbau.

    “Die Unterschiede in den Konformitätsbewertungsverfahren zwischen der EU und den USA verursachen stark verlängerte Lieferzeiten und Zusatzkosten”, sagte Ulrich Ackermann, Leiter der VDMA-Außenwirtschaft. “Deshalb braucht es endlich ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen für Maschinen und elektrotechnische Maschinenprodukte.”

    Wichtige Punkte in den Gesprächen waren auch die Fortschritte bei digitalen Handelsinstrumenten zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands und die Stärkung der Ansätze zur Investitionsprüfung, Exportkontrolle und Dual-Use-Innovation. Die Teilnehmer begrüßten zudem die internationalen Leitprinzipien für Künstliche Intelligenz und den Verhaltenskodex für KI-Entwickler im Rahmen der G7. Sie betonten die Bedeutung der Zusammenarbeit in der internationalen KI-Governance.

    Kein Thema beim TTC war der Streit um Zölle bei Aluminium und Stahl. Dombrovskis sagte allerdings, dass er dazu bilaterale Gespräche mit Tai geführt habe. Für dieses Thema interessiert sich die deutsche Automobilindustrie. In der Partnerschaft zwischen der EU und den USA gebe es ungenutzte Potenziale, gerade was den gegenseitigen Marktzugang und die regulatorische Kooperation, etwa bei der Elektromobilität und Zukunftstechnologien, betrifft, erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. vis

    • Geopolitik
    • Handelspolitik
    • Künstliche Intelligenz
    • Margrethe Vestager
    • Thierry Breton
    • TTC
    • USA

    Solarhersteller fordern Rettungsmaßnahmen aus Brüssel

    Europäische Hersteller von Solarmodulen haben die EU am Dienstag zu Sofortmaßnahmen aufgefordert, damit lokale Firmen nicht unter dem Preisdruck chinesischer Importe schließen müssen. “In den nächsten vier bis acht Wochen werden die wichtigsten EU-Hersteller von PV-Modulen und ihre europäischen Zulieferer ihre Produktionslinien stilllegen, wenn nicht umgehend substanzielle Notfallmaßnahmen ergriffen werden”, heißt es in dem Schreiben des Branchenverbandes European Solar Manufacturing Council (ESMC) an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ohne schnelle Hilfe laufe die EU Gefahr, in kürzester Zeit mehr als die Hälfte ihrer Produktionskapazitäten für Photovoltaikmodule zu verlieren. Der Brief liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor.

    Die europäische Solarindustrie ist seit dem Sommer durch einen Preissturz unter starken Druck geraten, ausgelöst vor allem durch eine Flut günstiger Solarmodule aus China. Diese haben sich teilweise in europäischen Lagern angesammelt und damit die Preise gedrückt. China hält 90 Prozent Weltmarktanteil bei Solaranlagen. Meyer Burger, der größte Solaranlagenhersteller in Deutschland, kündigte kürzlich an, seine Solaranlagenfabrik der Firma im sächsischen Freiberg im April zu schließen, wenn es keine Unterstützung der Politik gebe. Bis Mitte Februar müsse er über die Schließung entscheiden, um im Zweifelsfall die Gesamtfirma zu retten, sagte Firmenchef Gunter Erfurt. Wenige Tage später hatte auch der Dresdner Modulproduzent Solarwatt vor einem Aus seiner Produktion gewarnt.

    Der ESMC fordert nun unter anderem ein Programm zum staatlichen Aufkauf überschüssiger Solarmodul-Lagerbestände in Europa, um das Überangebot zu verringern. Außerdem solle Brüssel die Vorschriften für staatliche Beihilfen ändern, damit die Mitgliedsstaaten ihre eigenen Solarhersteller stärker unterstützen können. Wenn diese Maßnahmen nicht schnell umgesetzt werden können, solle die EU auch “Schutzmaßnahmen” in Erwägung ziehen, um einer Importflut entgegenzuwirken, heißt es in dem Schreiben. Dazu könnten auch Zölle und Quoten gehören. Viele Solarhersteller lehnen höhere Zölle allerdings als marktschädigend ab. ck/rtr

    • Energiewende
    • Erneuerbare Energien
    • Photovoltaik

    Studie: Neuwagen-Emissionen höher als offizielle EU-Prüfwerte

    Trotz verschärfter EU-Regeln wächst laut internationalem Umweltforschungsverbund ICCT bei den CO₂-Emissionen die Kluft zwischen Pkw-Herstellerangaben einerseits und den Werten im realen Betrieb andererseits. Demnach ist die Differenz zwischen 2018 und 2022 von acht auf 14 Prozent gewachsen. Das geht aus einer Studie der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation hervor, die Table.Media vorab exklusiv vorliegt.

    Die Ergebnisse stellen damit die Wirksamkeit der CO₂-Reduktionsmaßnahmen der EU infrage. Laut EU-Angaben sollten die Werte eigentlich zwischen 2018 und 2022 um rund 7,3 Prozent gesunken sein. Die ICCT-Studie lässt dies nun einem anderen Licht erscheinen. Von der erzielten Reduktion um 7,3 Prozent auf dem Papier blieben dann im Realbetrieb auf der Straße mit 2,3 Prozent nur weniger als ein Drittel übrig. Demnach würden die Bemühungen der EU zur Verringerung der verkehrsbedingten CO₂-Emissionen von den Herstellern untergraben.

    Prüfverfahren WLTP soll Differenzen eigentlich verringern

    Um dem entgegenzuwirken, wurde eigentlich 2017 in der Folge des Dieselskandals, den der ICCT mit aufgedeckt hatte, das weltweit harmonisierte Prüfverfahren WLTP für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge eingeführt. Dabei werden auch Daten aus realen Fahrbetrieb gesammelt, um den realen Fahrbetrieb besser zu simulieren. Diese Werte sollten repräsentativer sein als die des reinen Labortestzyklus NEFZ.

    Doch auch das WLTP erscheint dem ICCT nun als unzureichend. “Unsere Analyse zeigt, dass die Differenz zwischen den offiziellen Angaben und den realen CO₂-Emissionen auch nach Einführung von WLTP wieder wächst“, sagt Jan Dornoff, leitender Wissenschaftler beim ICCT und Mitverfasser des Berichts. “Wird hier nicht gegengesteuert, verlieren die offiziellen CO₂-Emissionswerte zunehmend an Aussagekraft für die tatsächlichen Emissionen. So kommen dann auch die verpflichtend vorgesehenen Reduktionen der offiziellen Werte nicht in der realen Welt an.”

    Auch Rechnungshof weist auf Diskrepanzen hin

    Erst vergangene Woche hatte der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht “Reduktion der CO₂-Emissionen von Pkw” der CO₂-Flottenregulierung der EU ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Bis 2020 sei “der angestrebte Nutzen der Verordnung weitgehend hinfällig” gewesen. Der Ausstoß von CO₂-Emissionen durch Neufahrzeuge sei kaum oder gar nicht zurückgegangen.

    Das habe vor allem daran gelegen, “dass sich die Hersteller auf die Verringerung der im Labor gemessenen Emissionen statt auf die Verringerung der tatsächlichen Emissionen konzentrierten”. Erst 2017 ist dann auf einen Testbetrieb umgestiegen worden, der den realen Fahrbetrieb besser simuliert. Der Rechnungshof-Bericht basierte auf Recherchen in drei Mitgliedstaaten, Deutschland, Italien und Niederlande.

    ICCT: Daten aus realem Verbrauch nutzen

    Die ICCT-Experten haben nun offizielle CO₂-Emissionsdaten der Europäischen Umweltagentur EEA als Maß für den Kraftstoffverbrauch analysiert und mit realen Kraftstoffverbrauchsdaten von mehr als 160.000 Fahrzeugen verglichen. Dabei handelt es sich um Verbrenner- und konventionelle Hybridfahrzeuge, deren Eigentümer ihre Verbrauchsdaten auf der Website spritmonitor.de hinterlegt haben. Plug-in-Hybride wurden in einer früheren Studie separat analysiert.

    Der ICCT plädiert dafür, über Daten aus der Überwachungseinrichtung für den Kraftstoffverbrauch OBFCM die Abweichungen zwischen den Laborwerten und den Verbrauchswerten im tatsächlichen Fahrbetrieb zu verringern. ICCT-Europe-Geschäftsführer Peter Mock fordert: “Damit lässt sich ein Korrekturmechanismus einrichten, der sicherstellt, dass die offiziellen CO₂-Emissionswerte, die die Hersteller in den kommenden Jahren erfüllen müssen, so aktualisiert werden, dass sie auch real den ursprünglich beabsichtigten und gesetzlich festgeschriebenen Minderungszielen entsprechen.” löh

    • Autoindustrie
    • CO2-Emissionen
    • Klima & Umwelt
    • Umwelt

    Sicherheitsfragen stehen bei EU-Indopazifik-Treffen im Zentrum

    Vertreter der Europäischen Union und von Indopazifik-Staaten werden am Freitag zum dritten EU-Indopazifik-Forum in Brüssel zusammenkommen. Ein kleineres Treffen ausschließlich mit Vertretern des südostasiatischen Asean-Staatenbunds findet am Freitagnachmittag unter dem Vorsitz des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und des philippinischen Außenministers Enrique Manalo statt.

    Zu den Themen gehören die Sicherheitszusammenarbeit, Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sowie die Global Gateway-Initiative. Viele der indopazifischen Teilnehmer haben vor allem Sicherheitsanliegen in Bezug auf China. Die Volksrepublik steht nicht auf der Einladungsliste, ebenso wenig wie in früheren Jahren. Eine gemeinsame Erklärung nach den Treffen ist EU-Kreisen zufolge angedacht. Eine solche hatte es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Knackpunkt war damals, dass sich die Asean-Staaten und die EU nicht auf einen Wortlaut zum Angriffskrieg gegen die Ukraine und zur Situation um Taiwan einigen können.

    Wer aus den indopazifischen Staaten teilnehmen wird, war am Dienstag noch nicht öffentlich. Auch eine Liste der teilnehmenden EU-Minister hatte der Europäische Auswärtige Dienst zunächst nicht vorgelegt. Im vergangenen Jahr hatte es Kritik daran gegeben, dass von 27 EU-Außenministern lediglich 14 an dem EU-Indopazifik-Treffen in Stockholm teilnahmen. Auch Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock hatte sich vertreten lassen.

    Bereits am Donnerstag findet erstmals der Pazifik-Tag statt, mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen zu den Herausforderungen und Zukunftsaussichten der Zusammenarbeit zwischen der EU und den pazifischen Inselstaaten. Für beide Veranstaltungen würden rund 70 Delegationen erwartet, erklärte ein EU-Beamter am Dienstag. Beim Pazifik-Tag sollen Partnerschaftsprojekte vorgestellt werden. ari

    • China
    • EEAS
    • EU
    • Geopolitik
    • Global Gateway
    • Indopazifik

    Ackerbau: Verpflichtung zur Stilllegung soll ausgesetzt bleiben

    Die Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen sollen weiterhin ausgesetzt bleiben. Das hat die Kommission angekündigt. Wie genau der Vorschlag aussieht, ist noch nicht klar. Der Text soll am Donnerstag kommen. Dem Vernehmen nach soll nicht nur die abermalige Aussetzung der vierprozentigen Stilllegungsverpflichtung kommen. Auch Vorschläge zu Zwischenfrüchten und Leguminosen werden erwartet. Die konkrete Umsetzung der Vorschläge könnte von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren, weil ihre Behörden die rechtliche Oberhand haben. mgr

    • Europäische Kommission
    • GAP
    • Klima & Umwelt

    Anja Hirschel ist Spitzenkandidatin der Piratenpartei

    Die Europäische Piratenpartei hat auf ihrer Generalversammlung in Luxemburg Marcel Kolaja aus der Tschechischen Republik und Anja Hirschel aus Deutschland offiziell als Spitzenkandidaten für die Europawahlen im Juni nominiert. Hirschel folgt auf Patrick Breyer, der nicht wieder kandidiert hat.

    Die Europäische Piratenpartei ist Mitglied der Piratenpartei International und hat 18 Mitglieder in 17 europäischen Ländern. Gewählte Vertreter auf nationaler Ebene gibt es in Tschechien, Luxemburg und Island sowie auf europäischer Ebene in Deutschland und Tschechien.

    Hirschel ist Expertin für Datenschutz und Digitalisierung

    Als Spitzenkandidatin möchte sie eine neue Perspektive für die digitale und vernetzte Zukunft der EU bieten, sagte Hirschel. Ihre Expertise könne sie als zertifizierte Datenschutzbeauftragte in den Bereichen Digitalisierung, Datenschutz, Urheberrecht und Umweltfragen einbringen. Sie freue sich darauf, “die
    Vision der Piratenpartei für eine Europäische Union zu vertreten, die den digitalen Fortschritt begrüßt und gleichzeitig die Rechte und Werte ihrer Bürger schützt.”

    Aktuell arbeitet Hirschel hauptberuflich für ein IT-Unternehmen, wo sie Betriebsrätin ist. Zudem ist sie Stadträtin in Ulm für die Piratenpartei, deren Spitzenkandidatin sie bei der Bundestagswahl 2021 war.

    Kolaja tritt erneut an

    Ebenfalls als Spitzenkandidat nominiert ist Marcel Kolaja, der bereits Mitglied sowie Quästor des Europäischen Parlaments ist. Er wurde von seiner Partei, die in Tschechien mitregiert, als möglicher nächster tschechischer EU-Kommissar nominiert.

    Kolaja sagte, angesichts des zunehmenden Populismus und der Unterstützung für rechtsextreme Parteien böten die Piraten eine Alternative, deren Politik auf Fakten, funktionsfähigen Lösungen und Ehrlichkeit basiere. “Deshalb muss die Stimme der Piraten in den höchsten Rängen der europäischen Politik klar vernehmbar sein”, sagte Kolaja. vis

    • Digitalpolitik
    • Europawahlen 2024

    Frankreich will Atomkraft weiter ausbauen

    In einer Regierungserklärung hat der neue französische Premierminister Gabriel Attal das Bekenntnis zur Kernenergie erneuert. Attal sagte, Kernenergie sei “französischer Stolz”. Frankreich werde weiter in die Kernenergie investieren und Reaktoren entwickeln, kündigte er am Dienstag vor der Nationalversammlung an.

    “Wir werden unser Nuklearnetz weiter ausbauen und in diesem Jahr stark in Programme investieren”, sagte Attal. Zudem solle der EPR-Reaktor Flamanville des staatlichen Energieversorgers EDF in Betrieb genommen werden. “Wir werden die Entwicklung der erneuerbaren Energien ebenso fortsetzen wie die Entwicklung der Kernenergie in unserem Land”, sagte Attal.

    Bekenntnis zu Europa

    Zum Ende seiner Regierungserklärung legte Attal ein Bekenntnis zu Europa ab. Weniger Europa würde auch weniger Macht für Frankreich bedeuten. Er kritisierte den rechtsnationalen Rassemblement National von Marine Le Pen für deren Streben nach einem verdecktem Austritt Frankreichs aus der EU.

    Attal stellte in seiner Rede außerdem höhere Löhne in Aussicht. Ein zu hoher Anteil der Bevölkerung verdiene nur Mindestlohn, sagte Attal. Das müsse sich ändern. Zudem appellierte er angesichts der fehlenden absoluten Regierungsmehrheit im Unterhaus an die politische Opposition, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. dpa/rtr

    • Atomkraft
    • Energiepolitik
    • Frankreich

    Spionageverdacht: Europaparlament leitet Untersuchung zu Ždanoka ein

    Das Europäische Parlament hat wegen möglicher Kontakte zum russischen Geheimdienst FSB eine Untersuchung gegen die lettische EU-Abgeordnete Tatjana Ždanoka eingeleitet. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nehme die in einem Medienbericht erhobenen Vorwürfe “sehr ernst”, teilte das Parlament am Dienstag mit. Auch in Lettland leiteten die Sicherheitsbehörden eine Prüfung der über die 73-Jährige bekannt gewordenen Informationen ein.

    Ždanoka sitzt seit 2004 im Europaparlament. Bis 2022 gehörte sie der Greens/EFA-Fraktion als Teil der EFA-Gruppe an. Damals stimmte sie, als eine von nur 13 Abgeordneten, gegen eine Resolution, die den Überfall Russlands auf die Ukraine verurteilte. Daraufhin schloss die Fraktion sie aus. Seither ist sie fraktionslos.

    Einer am Montag unter anderem vom Portal “The Insider” veröffentlichten investigativen Recherche zufolge soll Ždanoka seit rund 20 Jahren für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB tätig und damit beauftragt gewesen sein, eine kremlfreundliche Stimmung im Baltikum zu befördern. Dazu sei die Politikerin von mindestens 2004 bis 2017 von zwei verschiedenen FSB-Agenten betreut worden, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf entsprechende Korrespondenzen in geleakten E-Mails.

    Ex-Fraktion distanziert sich von ihr

    Ždanoka wies die Vorwürfe zurück. Nach Einschätzung der lettischen Sicherheitspolizei sind Ždanoka Status als Europa-Abgeordnete und die verbundene rechtliche Immunität ein “wesentlicher Aspekt, der zu ihren Aktivitäten zur Unterstützung der geopolitischen Interessen Russlands beitrug.”

    Die Greens/EFA-Fraktion erklärte am Dienstag in einem Statement, Ždanoka habe während ihrer Zeit in der Fraktion “keinen Anteil an der Gestaltung der Fraktionspolitik in außenpolitischen Fragen, einschließlich der Politik in Bezug auf Russland” gehabt.

    Schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine war die lettische Europa-Abgeordnete durch ein betont positives Verhältnis zu Russland aufgefallen. 2014 etwa reiste sie als “internationale Beobachterin” zu der international als Scheinreferendum eingeordneten Unabhängigkeitsabstimmung auf der Krim – auf Kosten des Europaparlaments, wie das lettische Radio später enthüllte. dpa/lei

    • Europäisches Parlament
    • Lettland
    • Russland
    • Spionage

    Mögliche Preisabsprachen: Razzien bei Reifenherstellern

    Die EU-Kommission hat am Dienstag Razzien bei Continental und anderen Reifenherstellern in Europa wegen des Verdachts eines Reifenkartells vorgenommen. Es gehe um mögliche Preisabsprachen bei neuen Ersatzreifen für Autos, Transporter, Lkw und Busse, erklärte die EU-Kommission am Dienstag. “Die Kommission ist besorgt darüber, dass eine Preiskoordinierung zwischen den inspizierten Unternehmen stattgefunden hat, auch über öffentliche Kommunikation”, hieß es. Die Behörde äußerte sich nicht zu den betroffenen Unternehmen.

    Ein Sprecher von Conti erklärte, seit Dienstag liefen Untersuchungen der europäischen Kartellbehörden in Räumen des Unternehmens. Pirelli teilte mit, vollständig mit der EU-Kommission zu kooperieren. Ein Sprecher ergänzte, der italienische Reifenkonzern habe sich fair verhalten. Auch Michelin bestätigte die Durchsuchungen. Ein Sprecher betonte, das französische Unternehmen halte sich stets an die Wettbewerbsregeln, die in den jeweiligen Ländern gälten. rtr

    • Wettbewerbsverfahren
    • Zulieferer

    Presseschau

    EU genehmigt deutsche Milliardenhilfe für mehr Tierwohl SÜDDEUTSCHE
    EU-Kommission kommt Bauern bei Flächennutzung entgegen ORF
    Nach Protesten in Paris: Frankreichs Premierminister stellt Bauern Ausnahmen von EU-Regeln in Aussicht SPIEGEL
    Frankreichs Premier Gabriel Attal ruft Opposition zu Zusammenarbeit auf SWISSINFO
    Schweizer Nationalratskommission gibt grünes Licht für Verhandlungen Schweiz-EU SRF
    EU: Deutschland will jetzt doch zum AI Act zustimmen HEISE
    EZB will Geldpolitik stärker am Klimaschutz ausrichten HANDELSBLATT
    Eurostat: Europäische Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gestiegen LUXEMBURGER WORT
    Spanisches Parlament stimmt gegen Amnestiegesetz: Separatistenführer Puigdemont darf nicht straffrei nach Hause RND
    Blockade in Irland beendet: Bald kann in Belfast regiert werden FAZ
    Großbritannien: Rishi Sunak gewinnt erste Abstimmung im Oberhaus über Ruanda-Asylgesetz DER STANDARD

    Heads

    Paulina Hennig-Kloska: Polens Umweltministerin mit heikler Mission

    Paulina Hennig-Kloska, neue polnische Umwelt- und Klimaministerin, bei ihrer Vereidigung im Dezember 2023
    Paulina Hennig-Kloska, neue polnische Ministerin für Klima und Umwelt, bei ihrer Vereidigung im Dezember 2023.

    Paulina Hennig-Kloska war noch nicht im Amt, da spürte sie schon, welche Sprengkraft ihre neuen Themen mit sich bringen. Die im Dezember 2023 schließlich zur Ministerin für Klima und Umwelt ernannte Hennig-Kloska legte mit anderen Abgeordneten einen Gesetzesvorschlag zum erleichterten Bau von Windparks vor und sorgte vor allem durch die verkürzte Entfernung zu Wohngebäuden für Empörung: Dem Vorschlag zufolge sollten besonders leise Anlagen mit einem Abstand von 300 Metern gebaut werden können – 200 Meter weniger, als es im Wahlkampf versprochen worden war. 

    Die Recht- und Gerechtigkeitspartei PiS, die bis zum letzten Jahr die Regierung führte, warf Hennig-Kloska vor, Lobbygruppen der Windradindustrie insbesondere aus Deutschland zu befördern. Hennig-Kloska forderte eine Entschuldigung und drohte, einen PiS-Abgeordneten wegen Verleumdung zu verklagen. Manche Koalitionspolitiker sprachen Hennig-Kloska daraufhin die Eignung für das neue Amt ab – doch ihre Partei hielt an der 46-Jährigen fest. Etwas später, als vereidigte Ministerin, gab sie Fehler zu und änderte manche Punkte. Spätestens im März soll das überarbeitete Windparkgesetz jetzt verabschiedet werden.

    Sie ist keine Umweltaktivistin

    Hennig-Kloska ist keine Aktivistin. Die aus Gniezno westlich von Warschau stammende Politikwissenschaftlerin arbeitete zuerst als Radiojournalistin, war Abteilungsleiterin bei einer lokalen Bank und leitete mit ihrem Mann Artur Kloska die Firma Borg, die auf Büroeinrichtung spezialisiert ist.

    2015 trat sie der Partei Nowoczesna bei und wurde unerwartet in das nationale Parlament gewählt, den Sejm. Weil Borg einen öffentlichen Auftrag zur Möblierung von Schulen gewann, sprachen Kritiker von Korruption. Einen Beweis konnten sie allerdings nicht vorlegen – und die Wähler glaubten ihnen auch nicht. Stattdessen wählten sie die Abgeordnete seitdem zweimal wieder.

    Im Frühjahr 2021 wechselte Hennig-Kloska dann zur Partei Polen 2050, die nun zur Regierungskoalition des Ministerpräsidenten Donald Tusk gehört, und wurde zu einer der wichtigsten Politikerinnen der neuen Partei, die sich als wertkonservativ und bodenständig präsentiert. Mit der neuen Partei kam auch ein neues Thema: vom Gesundheitsressort wechselte sie in den Energie- und Klimaausschuss.

    Energiewende als Fundament der Wettbewerbsfähigkeit

    “Damals wurde mir klar, dass die Energiewende das Fundament einer zukünftigen wettbewerbsfähigen Wirtschaft ist”, sagt sie. “Und der CO₂-Fußabdruck wird unsere Wirtschaft zerstören, wenn wir nicht ernsthaft etwas dagegen unternehmen.” In der Wirtschaftspolitik ist sie eine Liberale, sie tritt für Steuersenkungen ein und unterstützt die Privatisierung von Staatsunternehmen, mit Ausnahme des Energie- und Verteidigungssektors.  

    In ihrem neuen Amt geht es jetzt darum, sich schnell einzuarbeiten und viele Herausforderungen anzupacken, denn die vorige PiS-Regierung hat die Umweltpolitik komplett vernachlässigt. 63 Prozent seines Strombedarfs deckt Polen noch immer mit Kohle ab, der Ausstieg aus dem fossilen Brennstoff ist erst für 2049 geplant. Nun soll das Ministerium Investitionen in erneuerbare Energiequellen fördern, in Windkraftanlagen, in Photovoltaik und Biomasseanlagen, aber auch in Kernenergie. Die thermische Modernisierung von Gebäuden muss ebenfalls dringend angegangen werden, um Einsparziele zu erreichen. 

    Hennig-Kloska versucht Balanceakt

    Um all das zu finanzieren, hofft Hennig-Kloska auch auf die Europäische Union. Das Programm “Saubere Luft” etwa, in dessen Rahmen alte Verbrennungsöfen ausgetauscht werden sollen, wurde zuletzt mangels Finanzierung eingefroren, obgleich jährlich etwa 50.000 Menschen an den Folgen von Smog sterben. Hennig-Kloska will nun EU-Mittel aus dem europäischen Fonds für Infrastruktur, Klima und Umwelt (FENIKS) mobilisieren. Polen wird sich auch um Projektfinanzierung aus dem Fit-for-55-Paket der EU bewerben. 

    Zugleich geht es für Hennig-Kloska darum, die Balance zu halten, auch innerhalb der eigenen Regierung. Mitte Januar war es ihre grüne Stellvertreterin Urszula Zielińska, die ein hohes Tempo bei der Transformation verlangte und forderte, dass die EU ihren CO₂-Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent reduzieren solle. Paulina Hennig-Kloska pfiff Zielińska schnell zurück und erklärte, die Aussage sei weder offiziell noch mit anderen Ressorts abgestimmt gewesen. 

    Zwar seien sich alle Parteien der Regierungskoalition darin einig, dass Polen klimaneutral werden müsse. Dafür brauche es aber Zeit. Einer Allianz von elf Ländern, darunter Deutschland, die vergangene Woche ebenfalls ambitioniertere EU-Klimaziele forderte, schloss sich Polen nicht an. Schließlich muss Hennig-Kloska auch auf den Koalitionspartner Rücksicht nehmen, die Bauernpartei PSL. Und die hat erklärt, dass sie die Bürger bei der Transformation nicht überfordern will. Andrzej Rybak

    • Energiepolitik
    • Energiewende
    • Klima & Umwelt
    • Kohleausstieg
    • Polen

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen