Table.Briefing: Europe

16. Sanktionspaket fertig + Kritik an LNG-Plänen + Farm to Fork am Ende

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn das kein eindeutiges Signal ist: Am Tag, an dem Donald Trump den Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, einen Diktator nennt, machen die Botschafter der EU-Staaten den Weg frei für neue Russland-Sanktionen. Die EU-Außenminister werden das 16. Sanktionspaket am Montag rechtzeitig zum dritten Jahrestag des russischen Angriffskrieges formell verabschieden. Unter anderem listet der Staatenverbund weitere 73 Tanker der russischen Schattenflotte auf, verhängt weitgehende Einfuhrbeschränkungen gegen russische Aluminiumprodukte und schließt 13 zusätzliche Banken aus dem Finanzkommunikationssystem Swift aus. Wer Putin zu ernsthaften Verhandlungen bewegen will, muss den Druck weiter erhöhen, so die Botschaft aus Europa.

In Paris sondierte Emmanuel Macron gestern bei einem zweiten Mini-Gipfel zur Ukraine die Chancen für eine europäische Antwort auf Donald Trumps Alleingang. Eingeladen waren diesmal Länder von Kanada bis Luxemburg, die am Montag beim ersten Treffen nicht dabei waren. Der französische Präsident wies den Eindruck zurück, dass er mit seinen Bemühungen für einen Konsens keinen Erfolg habe. Geht es nach ihm, könnten Franzosen und Briten den Kern einer europäischen Friedenstruppe stellen, ergänzt durch UN-Blauhelme. Macron will mit weiteren Treffen das Terrain vorbereiten, bis dann Ratspräsident António Costa nach der Bundestagswahl übernimmt. Derzeit sei der EU-Ratspräsident noch nicht in der Lage, einen außerordentlichen Gipfel einzuberufen, sagte eine EU-Beamtin. Ein Treffen sei nur sinnvoll, wenn es eine solide Grundlage für eine gute Diskussion und ein relevantes Ergebnis gebe.

Ursula von der Leyen wiederum wird zum dritten Jahrestag des russischen Angriffskriegs mit ihrem Team nach Kyjiw reisen. Die Kommissionspräsidentin dürfte beim Solidaritätsbesuch auch ein neues milliardenschweres Hilfspaket mitbringen. Zumindest in Brüssel und in den meisten Hauptstädten der EU stimmen die Koordinaten noch, und es werden Opfer und Täter im russischen Angriffskrieg nicht verwechselt.

Eine gute restliche Woche Ihnen noch,

Ihr
Stephan Israel
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Analyse

LNG: Experten kritisieren Plan zur Exportförderung

Der Brüsseler Thinktank Bruegel sieht wenig Chancen für einen neuen EU-Plan zur Senkung der Gaspreise. Im Entwurf zum Clean Industrial Deal hatte die EU-Kommission in Aussicht gestellt, sie selbst oder die Mitgliedstaaten könnten Projekte zum Export von Flüssiggas in den Förderländern unterstützen – beispielsweise über vergünstigte Kredite oder den Erwerb von Rechten zur Gasverflüssigung an entsprechenden Terminals. Auch wenn die Kommission kein bestimmtes Land nennt, ist der Vorstoß offenbar als Angebot an die USA zu verstehen.

Schon wenige Tage nach der US-Wahl im November hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Bereitschaft zu mehr Importen signalisiert: “Wir beziehen immer noch viel LNG aus Russland. Warum ersetzen wir es nicht durch amerikanisches LNG? Das ist billiger für uns und senkt unsere Energiepreise.”

Angebot an die USA

Auf die USA deutet auch eine Formulierung in dem neuen Kommissionsentwurf hin: “Die Kommission wird unter anderem eine Nachfragebündelung für EU-Unternehmen vorschlagen, die Tolling-Verträge für LNG-Anlagen weltweit abschließen sowie LNG-Lieferoptionsverträge mit vertrauenswürdigen LNG-Produzenten.”

Tolling-Verträge sind ein spezielles Finanzierungsmodell für Verflüssigungsterminals, das zunächst in Indonesien entstand. In den USA hat das Unternehmen Cheniere dieses Finanzierungsmodell populär gemacht. Der Vorteil für LNG-Exporteure in den USA liege darin, dass mehr Unternehmen Verträge zur Unterstützung des Baus neuer Terminals unterzeichnen würden, sagt Gasexperte Martin Senior von Argus Media.

Wirkung erst in zehn Jahren

Bruegel hält Finanzhilfen für neue Terminals allerdings kurzfristig für wenig hilfreich. “Wenn das heute bei einem neuen LNG-Exportprojekt der Fall wäre, könnte es erst 2035 in Betrieb gehen“, sagt der Bruegel-Experte Ben McWilliams zu Table.Briefings. Sinnvoller sei es, Verträge mit Projekten zu schließen, die in den nächsten Jahren fertig werden.

Kritisch sehen Experten auch das Drängen der Kommission auf Langfrist-Verträge und einen gemeinsamen Gaseinkauf. Dass Exporteure gerne Verträge mit Laufzeiten von mindestens 15 Jahren hätten, ist wenig verwunderlich. Für die 2030er-Jahre habe Europa erst 70 Prozent seines Gasbedarfs vertraglich gesichert, behauptete der Produzentenverband IOGP im November. “Ein Großteil der europäischen LNG-Importe erfolgt aktuell auf Spot-Basis”, sagt Martin Senior. Dadurch ist Europa allerdings kurzfristigen Preisschwankungen ausgesetzt, was das Ansinnen der Kommission erklärt.

Zentraler Gaseinkauf bisher mit wenig Unterstützung

Für die EU sei es wegen der Klimaziele und der zurückgehenden Gasnachfrage allerdings schwer, sich zu Langfristverträgen zu verpflichten, sagt McWilliams. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor seien die derzeitigen Verhandlungen mit Russland über die Ukraine. “Ein 20-jähriger US-LNG-Vertrag könnte in einem Szenario, in dem russisches Gas wieder in großem Umfang verfügbar ist, plötzlich sehr unattraktiv erscheinen.”

Wenig Chancen sehen Experten auch für die wieder aufgewärmte Idee eines zentralen Gaseinkaufs auf EU-Ebene. Schon zum Höhepunkt der Energiekrise waren große Gasunternehmen von der Steuerung aus Brüssel wenig begeistert.

Zuletzt hatte Mario Draghi vorgeschlagen, Industrieunternehmen auf diese Weise Zugang zu günstigem Gas zu verschaffen, sagt Anne-Sophie Corbeau von der Columbia University. Falls es wieder ein Überangebot an Gas geben sollte, sei dieses Modell allerdings teurer als der Markt. Und schon vor zwei Jahren habe die “Energieplattform” der EU keinen gemeinsamen Gaseinkauf hinbekommen, resümiert McWilliams vom Thinktank Bruegel.

Förderung von Exportinfrastruktur

Der Vorstoß der Kommission fällt in eine Zeit, in der auch asiatische Länder Interesse an neuen amerikanischen LNG-Kapazitäten zeigen. Nach einem Besuch bei US-Präsident Donald Trump hatte Japans Premier Shigeru Ishiba gesagt, LNG sei eines der Felder, in das japanische Unternehmen in den USA investieren könnten. Das Land will so höhere Zölle abwenden.

Japan sei durch seine ölindizierten Langfrist-Verträge aber auch unabhängiger von den Spotmärkten und zahle derzeit geringe Preise für LNG, sagt Corbeau von der Columbia University. Die Kommission schreibt in ihrem Entwurf, sie evaluiere nun das japanische Modell, auch Exportinfrastruktur in Produzentenländern zu unterstützen. Aktuell verfolgen die USA und Japan etwa ein Projekt in Alaska.

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Spaniens Verteidigungsausgaben: Kaum Chancen, das Nato-Ziel zu erreichen 

Spanien ist weit davon entfernt, die Nato-Ziele für Verteidigungsausgaben zu erreichen. Mit 1,28 Prozent des BIP liegen die spanischen Militärausgaben unter den 2014 vereinbarten zwei Prozent und weit entfernt von den fünf Prozent, die US-Präsident Donald Trump fordert. Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat die Verbündeten aufgefordert, noch diesen Sommer das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen

Zwar versicherte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez nach seinem Treffen mit Rutte Ende Januar, dass die Militärausgaben bis 2029 auf zwei Prozent erhöht würden. Dennoch bleibt Spanien damit hinter den Erwartungen zurück. Denn noch im Laufe des Jahres soll ein neues Ausgabenziel “nördlich von drei Prozent” beschlossen werden, wie Rutte als neue Quote gefordert hatte. Er drängt darauf, dass Europa seine Sicherheit in die eigene Hand nehmen muss, da die Verteidigung Europas für die neue US-Regierung keine Priorität mehr darstelle. 

Europäisierung der Nato 

“Die derzeitige Arbeitsteilung in der Nato ist nicht im Interesse der USA”, sagt Justin Logan, Direktor für Verteidigungs- und Außenpolitikstudien am Cato Institute in Washington. “Da die mächtigsten europäischen Staaten über die Mittel verfügen, ihr Überleben zu sichern, werden sie sich nicht der Gefahr aussetzen, von Russland überfallen zu werden“, sagte Logan zu Table.Briefings.

Länder sollten, entsprechend der Bedrohungslage, der sie sich ausgesetzt fühlen, für ihre Verteidigung aufwenden, fügte Logan hinzu: “Geografische Lage und Entfernung zu Bedrohungen sind wichtige Faktoren dafür, wie viel Staaten ausgeben.” Italien und Spanien seien weniger bedroht als Polen, daher geben sie einen geringeren Prozentsatz ihrer Wirtschaftsleistung aus. Neben Spanien erreichen sieben weitere Nato-Länder das Zwei-Prozent-Ziel noch nicht: Slowenien, Luxemburg, Belgien, Kanada, Italien, Portugal und Kroatien.

Spanien sträubt sich, Verteidigungsausgaben zu erhöhen

Die spanische Regierungskoalition aus Sozialisten (PSOE) und Linksparteien hat sich bisher gegen eine Erhöhung der Militärausgaben gesträubt. Sánchez hatte im Januar auf der Botschafterkonferenz gesagt, dass “die Welt dringendere Probleme hat und in keinem Handbuch steht, dass Frieden und Sicherheit durch die Aufstockung von Waffenarsenalen erreicht werden können”. Die spanische Vizepräsidentin und Gründerin des Linksbündnisses Sumar, Yolanda Díaz, erklärte, dass die Erhöhung der Militärausgaben nicht nur unnötig sei, sondern dass “die spanische Wirtschaft nicht in der Lage sei, die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des BIP zu erhöhen”. 

Hinzu kommt, dass Sánchez in dieser Legislaturperiode stark von Vereinbarungen mit der separatistischen katalanischen Partei Junts von Carles Puigdemont abhängt, um Vorschläge im Kongress durchzubringen. Das hat zur Folge, dass Sánchez seit seiner Wiederernennung im November 2023 keine Haushaltspläne im Kongress vorgestellt hat, weil er nicht die nötige parlamentarische Mehrheit hat, einen Haushaltsplan durchzubringen. Der Haushalt, den die derzeitige Regierung verwendet, stammt aus der vorangegangenen Legislaturperiode. Ohne Haushaltspläne müsste Spanien außerordentliche Mittel verwenden, um allein nur das Zwei-Prozent-Ziel für die Militärausgaben zu erreichen. 

Sánchez verteidigt sich, dass Spanien in absoluten Zahlen der zehntgrößte Nato-Beitragszahler sei. Nach Schätzungen der Nato selbst belief sich der wirtschaftliche Beitrag Spaniens 2024 auf rund 21 Milliarden US-Dollar. Am meisten geben aus: die USA (968 Milliarden Dollar), Deutschland (98 Milliarden), Großbritannien (82 Milliarden), Frankreich (64 Milliarden) und Polen (35 Milliarden). 

Polen ist Spitzenreiter gemessen am BIP 

Gemessen an ihrem BIP investiert Polen mit 4,12 Prozent am meisten in die Verteidigung, gefolgt von Estland (3,43) und den USA (3,38). Ein Sprecher des polnischen Verteidigungsministeriums erklärt, dass Polen eines der wenigen Nato-Länder sei, das bereits Verteidigungsausgaben in Höhe von fast fünf Prozent des BIP plane. 

“Im Haushalt für 2025 haben wir einen Rekordbetrag von knapp 30 Milliarden Euro für die Landesverteidigung, einschließlich einer Erhöhung der Gehälter von Berufssoldaten, gesichert.” Zusammen mit den Ausgaben des Unterstützungsfonds für die Streitkräfte im Jahr 2025 würden die Verteidigungsausgaben etwa 43,22 Milliarden Euro erreichen, erklärte der Sprecher. 

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Termine

24.02.2025 – 19:00-20:30 Uhr, Hamburg
Europa-Union Hamburg, Podiumsdiskussion Europa mitgedacht – Europäische Perspektiven für Hamburg
In diesem Wahlhearing werden Kandidat:innen zur Bürgerschaftswahl am 02.03 in Hamburg ihre Positionen zur europäischen Zusammenarbeit darlegen und sich Fragen von Wähler:innen stellen. INFOS & ANMELDUNG

24.02.2025 – 19:00-20:30 Uhr, online
Polis180, Webinar Digitale Wahlauslese: Bundestagswahl 2025 – Was bedeutet das Ergebnis für junge Menschen und die Zukunft der deutschen Außen- und Europapolitik?
Bei der digitalen Wahlauslese werden die Wahlergebnisse, deren Konsequenzen für junge Menschen und die politischen Veränderungen der kommenden Jahre mit Marina Weisband (Publizistin und Aktivistin) und Rüdiger Maas (Generationsforscher) diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

22.02.2025, 10:00-16:00 Uhr, Berlin
Europäische Akademie Berlin, Diskussion Europalounge live: Die Politik in Deutschland und Europa nach der Bundestagswahl
In der Europalounge der Europäischen Akademie wird bei diesem Event über aktuelle Themen und Trends der deutschen und europäischen Politik diskutiert- mit einem besonderen Fokus darauf, wie es nach der Bundestagswahl weitergeht.  INFOS & ANMELDUNG

24.02.2025, 18:00-19:00 Uhr, online
Europäische Akademie Berlin, Diskussion Beyond the Ballot: Europäische Wahlnachlese
Bei dieser Auftaktveranstaltung der Reihe “Zwischen Zeitenwende und Einheit in Europa” wird es eine Wahlnachlese geben, in der mit hochkarätigen Expertinnen und Experten die politischen Folgen des Wahlausgangs diskutiert werden. Infos

25.02.2025, 18:00-20:00 Uhr, Potsdam
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Diskussion Deutsche Außenpolitik der Ampelregierung
Bei diesem Event wird es einen Vortrag und eine Diskussion mit Petra Erler (2006-2010 Chefin des Kabinetts von EU-Kommissar Günter Verheugen, seit 2010 Geschäftsführerin von The European Experience) geben, bei der die deutsche Außenpolitik der Ampelregierung diskutiert wird. Infos

25.-26.02.2025, Berlin
Innovate UK et al., Workshop Bilaterales Brokerage Event mit dem Vereinigten Königreich zu Wasserstoff und Batterien
Die Veranstaltung fördert die Zusammenarbeit zwischen deutschen und britischen Organisationen im Bereich Wasserstoff- und Batterietechnologien, um Partnerschaften für im Rahmen von Horizont Europa aufzubauen. Sie bietet eine Plattform für den Austausch und die Vernetzung von rund 30 Organisationen aus beiden Ländern. Infos

News

Studie: EU-Industriepolitik braucht mehr Fokus auf strategisch wichtige Sektoren

Ein Großteil der in den vergangenen Jahren genehmigten staatlichen Beihilfen ist nicht in strategisch wichtige Sektoren geflossen. Das zeigt ein neuer Bericht des Jacques Delors Centre. Der Thinktank hat 280.000 Beihilfefälle zwischen 2019 und 2024 untersucht und mithilfe eines KI-Modells klassifiziert. Das Ergebnis: “Nur 12 Prozent der Subventionen gingen in strategische Sektoren wie Batterieproduktion, sauberer Wasserstoff, Halbleiter, Softwareentwicklung und Biotech”, heißt es in dem Bericht.

Die Initiativen unter dem “Green Deal Industrial Plan” des letzten Kommissionsmandats seien nur dem Namen nach Industriepolitik gewesen, argumentieren die Autoren. “In Praxis litten sie unter zu wenig sektoriellem Fokus, schlechter Koordinierung und ungenügender finanzieller Unterstützung”.

EU muss schwierige Entscheidungen treffen

In ihrem Papier schlagen die Autoren vor, die Methodik zu verwenden, die Mario Draghi in seinem Wettbewerbsfähigkeitsbericht vorgeschlagen hatte. Zukunftstechnologien, bei denen man führend sein wolle, benötigten eine anderen Politikmix als Technologien, die aufgrund ihrer hohen Beschäftigung wichtig sind. Es könne nicht das Ziel sein, bei jeder Technologie eine Produktionskapazität von mindestens 40 Prozent in der EU zu erreichen, wie das etwa der Net Zero Industry Act vorgibt, erklärte Nils Redeker, Autor und Direktor des Jacques Delors Centre.

Der Clean Industrial Deal (CID) müsse nun für einen klaren sektoriellen Fokus sorgen, fügte er hinzu. “Die Kommission muss klar sagen, welche Sektoren sie für strategisch wichtig hält und welche Ziele sie in diesen Sektoren genau erreichen will”, sagte Redeker.

Noch ist unklar, ob die EU zu diesen politisch schwierigen Entscheidungen bereit ist. Der erste Entwurf des CID macht noch keine erkennbaren Unterschiede zwischen verschiedenen Sektoren. Redeker hofft, dass die Kommission mit ihren Aktionsplänen, zum Beispiel zu Stahl, Automobil und Biotech, ein klareres Ziel verfolgen wird. Als positives Zeichen wertet der Institutsdirektor, dass der CID alle wichtigen Instrumente von öffentlicher Beschaffung über Handelsinstrumente bis staatlichen Beihilfen vereint.

Auch staatliche Beihilfen sollen trotz des bisher fehlenden Fokus weiterhin Teil des Maßnahmenmix sein, fordert Redeker: “Das Risiko, dass alle zu wenig machen, ist deutlich größer, als dass wir in einen Subventionswettlauf fallen”. jaa

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Fehlende Sozialmaßnahmen: Kritik am Clean Industrial Deal

Das bisherige Sozialkapitel des Clean Industrial Deal ist nach Ansicht von Gewerkschaftern und Grünen-Politikern unzureichend. “Die geleakte Version des CID ignoriert komplett die Notwendigkeit, die Arbeitnehmer in den Mittelpunkt des grünen industriellen Wandels zu stellen”, sagte etwa Sara Matthieu, die für die Grünen im Industrieausschuss des EU-Parlaments sitzt.

Der am Dienstag durchgesickerte Entwurf zum Clean Industrial Deal enthält im Sozialbereich nur wenige konkrete Versprechungen. Vieles soll geprüft werden, jedoch ohne klare Bekenntnisse dazu. Nur als Prüfaufträge vermerkt sind etwa eine Sozialklausel im Vergabeverfahren oder bessere Anreize für Investitionen in die Aus- und Weiterbildung.

Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) warnte bereits am Dienstag nach einem Treffen mit den Exekutiv-Vizepräsidenten Teresa Ribera, Roxana Mînzatu und Stéphane Séjourné, der grüne Übergang dürfe “Arbeitnehmer nicht länger im Stich lassen”. EGB-Generalsekretärin Esther Lynch sagte: “Die politischen Entscheidungsträger sprechen schon lange von einem gerechten Übergang, aber er ist bisher nicht zustande gekommen.”

Der EGB verweist auf eine dringliche Lage und einen massiven Jobabbau im Zuge der Transformation. Die Industriegewerkschaft IndustriALL verzeichnete alleine in den vergangenen Monaten Ankündigungen über einen Stellenabbau von mehr als 100.000 Industriearbeitsplätzen.

Grüne fordern Just Transition Directive

Sowohl der EGB als auch die Grünen fordern konkrete Maßnahmen, um Jobs im Rahmen der industriellen Transformation zu sichern. Beide bringen eine Richtlinie für den gerechten Übergang (Just Transition Directive) ins Spiel. Die Grünen im Europaparlament wollen laut ihrem eigenen Industrieplan mit einer solchen Richtlinie Industrieunternehmen verpflichten, den sozialen Dialog, Tarifverhandlungen und die Beteiligung der Arbeitnehmer an strategischen Entscheidungen über ihre Zukunft zu gewährleisten. Sie fordern auch, das Recht auf Weiterbildung während der Arbeitszeit für eine Höherqualifizierung und Umschulung in Branchen mit Fachkräftemangel, in einer solchen Richtlinie zu verankerten.

Zudem drängen der EGB und die Grünen, dass eine finanzielle Förderung von Unternehmen durch öffentliche Mittel auf EU- und auf Länderebene an soziale Auflagen geknüpft sein müsse. “Öffentliche Finanzierung sollte immer dem öffentlichen Wohl dienen”, heißt es von den Grünen. Der EGB fordert zudem eine SURE 2.0-Regelung, ähnlich derjenigen, die während der Pandemie Arbeitsplätze gerettet habe. lei/luk

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Vision Landwirtschaft: Kommission besiegelt Abkehr von der Farm-to-Fork-Strategie

Die “Vision für Landwirtschaft und Ernährung”, die Agrarkommissar Christophe Hansen und Vizepräsident Raffaele Fitto am Mittwoch präsentiert haben, stellt ein wesentliches Ziel der vergangenen Legislatur in Frage. Der Farm-to-Fork-Strategie, die in der vergangenen Amtszeit Regulierung zu Umweltschutz und gesunder Ernährung in den Vordergrund stellte, kehrt die Kommission den Rücken zu.

Umwelt- und Klimaziele werfe man nicht über Bord, wolle sie aber durch Anreize statt Vorgaben erreichen, betonte Hansen. Ein Trend, der sich schon seit Amtsantritt der neuen Kommission abgezeichnet hatte. Misserfolge wie bei der Pestizidverordnung (SUR), die die Kommission nach heftigem Widerstand schließlich zurückzog, müsse man künftig vermeiden, so der Agrarkommissar.

Pestizidverordnung endgültig vom Tisch

Eine Neuauflage der SUR ist nicht geplant, wie eine hohe Kommissionsbeamtin bestätigt. Stattdessen soll bestehendes Recht besser umgesetzt und Alternativen zu chemischen Pestiziden schneller zugänglich werden. Auch das Ziel von 25 Prozent Ökolandbau bis 2030 findet sich im Visionspapier nicht mehr.

Die Ernährungspolitik will die Kommission künftig weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen. Von einer EU-weit einheitlichen Nährwertkennzeichnung etwa, die in der Farm-to-Fork-Strategie angekündigt, aber nie umgesetzt wurde, ist keine Rede mehr. Stattdessen liegt der Fokus jetzt auf Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau. Gleich zwei “Vereinfachungspakete” für den Agrar- und Lebensmittelsektor will die Kommission noch in diesem Jahr vorlegen.

Heikle Zukunftsfragen ausgespart

Konkrete Maßnahmen kündigt das Papier allerdings kaum an, einige Passagen wurden gegenüber einem geleakten Entwurf zudem noch abgeschwächt. Einen Exportstopp für in der EU verbotene Pestizide etwa will man nicht mehr “umsetzen”, sondern nur noch “prüfen”. Besonders heikle Fragen schiebt die Kommission erst einmal auf: Zur Zukunft der Tierhaltung etwa kündigt sie, statt inhaltliche Vorschläge zu machen, ein neues Gremium an.

Aus der Kommission ist zu hören, das Visionspapier sei mit Absicht vage gehalten: Statt, wie in der Farm-to-Fork-Strategie, eine Reihe von Vorgaben zu machen, wolle man den Dialog mit den Interessenvertretern anstoßen. jd

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FDP-Fraktion fordert Neustart der Beziehungen zu Großbritannien

Führende FDP-Politiker sprechen sich dafür aus, angesichts der geopolitischen Verwerfungen die Beziehungen zu Großbritannien zu vertiefen. “Deutschland und die EU brauchen einen Fahrplan für eine engere Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich, an dessen Ende auch eine Rückkehr des Vereinigten Königreichs in die EU stehen kann”, heißt es in einem Positionspapier, das die beiden Vizevorsitzenden der Bundestagsfraktion, Michael Link und Konstantin Kuhle, verfasst haben und das Table.Briefings vorliegt. Dies sei angesichts der Politik von US-Präsident Donald Trump und der wachsenden Rivalität mit China geboten.

Drängendste gemeinsame Aufgabe sei jetzt, den europäischen Pfeiler der Nato zu stärken. Dafür könne Deutschland der von Großbritannien geführten Joint Expeditionary Force beitreten. Auch sei eine Teilnahme Großbritanniens an EU-Missionen zu prüfen. Angesichts des drohenden Handelskrieges mit den USA sei eine abgestimmte Haltung ebenso sinnvoll wie die Schaffung einer EU-UK-Zollunion, um den bilateralen Handel anzuschieben. Wenn die Briten am Ende in die EU zurückkehren wollten, stehe ihnen die Tür offen, teilte Kuhle mit. “Der Brexit muss nicht für immer sein.” tho

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Autodialog: Wertschöpfungskette und Batterien Thema bei Séjournés Arbeitssitzung

Kommissionsvize Stéphane Séjourné hat im Rahmen des Autodialogs zwei Arbeitssitzungen zur Wertschöpfungskette abgehalten. In der ersten Runde ging es um Batterien, bei der Hersteller wie Northvolt, LG, Recyclingfirmen sowie der Branchenverband ACEA und die NGO T+E vertreten waren. Dabei trugen die Teilnehmer dem Kommissar für die Industriestrategie ihre Positionen zu Batterien, kritischen Rohstoffen und Energiepreisen vor.

In der zweiten Runde ging es um die automobile Wertschöpfungskette. Mit dabei waren Zulieferer wie Bosch, Mahle und Valeo, Verbände wie Hydrogen Europe, CLEPA und ACEA: Als Analyse diente den Teilnehmern dem Vernehmen nach der Draghi-Bericht. Dort hieß es: Die Automobilbranche sei ein Paradebeispiel “fehlender Planung durch die EU, unter der Anwendung von Klimapolitik ohne Industriepolitik”.

Sigried de Vries vom Herstellerverband ACEA wies auf die Schwierigkeit der Transformation hin: “Der Umstieg auf emissionsfreie Antriebe ist weit mehr als der Wechsel von einer Fahrzeugtechnologie zur anderen. Wir brauchen einen Zugang auf der vollen Breite des Ökosystems, der neue Partnerschaften bei den Wertschöpfungsketten auslöst.”

Es werde nicht ausreichen, einige Bereiche der Wertschöpfungskette zu regulieren, damit die europäische Industrie die Transformation anführen und den Status als Automotive-Standort verteidigen könne. “Wir brauchen einen Mentalitätswandel und eine dramatische Überarbeitung der Mittel, wie wir die Industrie regulieren und stimulieren, und zwar schnell.” Benjamin Krieger von CLEPA sagte: “Die Zukunft der Mobilität hängt von unserer Innovationsfähigkeit ab und davon, ob wir neue Technologien schneller industrialisieren und skalieren.” mgr

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FP10: EU-Parlament fordert Eigenständigkeit und höheres Budget

Das Europäische Parlament setzt sich für ein eigenständiges zehntes Forschungsrahmenprogramm (FP10) mit einem deutlich erhöhten Budget ein. Einen entsprechenden Initiativbericht verabschiedeten die Mitglieder des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) am Mittwoch.

Die Abgeordneten fordern eine radikale Vereinfachung der Antrags- und Verwaltungsprozesse sowie eine stärkere Förderung von bahnbrechender Forschung. Geplant sind zudem mehr Mittel für den Europäischen Innovationsrat (EIC) und den Europäischen Forschungsrat (ERC).

Der federführende Berichterstatter Christian Ehler (CDU) forderte die Kommission auf, die Verträge einzuhalten und das FP10 als unabhängiges Unionsprogramm zu erhalten. Die Einbeziehung des FP10 in den angekündigten Wettbewerbsfähigkeitsfonds würde bedeuten, die Finanzierung von Forschung und Innovation (F&I) auf kurzfristige politische Ziele auszurichten, kritisierte Ehler. “Dies wäre schädlich für die Grundlagenforschung und die freie, erkenntnisgetriebene Forschung.”

Hintergrund sind Pläne in der Kommission, im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU von 2028-2035 die Zahl der aktuell mehr als 50 Ausgabenprogramme stark zu reduzieren. Ob dies auch bekannte Programme wie das Forschungsrahmenprogramm oder das Austauschprogramm Erasmus betreffen soll, wird in der Behörde kontrovers diskutiert. vis

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EU-Einigung auf Abfallvermeidung sieht stärkere Verantwortung der Textilindustrie vor

Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten haben sich in der Nacht auf Mittwoch vorläufig auf die Details der Abfallrahmenrichtlinie geeinigt. Textil- und Lebensmittelabfälle sollen bis 2030 reduziert werden, außerdem sollen die Hersteller mehr Verantwortung tragen. Die entsprechende Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie hatte die EU-Kommission im Sommer 2023 vorgeschlagen. Damit soll bis 2030 die Menge nicht recycelter Siedlungsabfälle in der EU halbiert werden, also die Abfälle aus privaten Haushalten, ähnlichen Einrichtungen wie Wohnheimen und die hausmüllähnlichen Abfälle der Industrie.

Laut der vorläufigen Einigung sollen im Lebensmittelsektor bis 2030 zwei Ziele erreicht werden:

  • Abfälle aus der Verarbeitung und Herstellung von Lebensmitteln sollen um zehn Prozent reduziert werden (im Vergleich zum Zeitraum 2021 bis 2023).
  • Pro-Kopf-Abfälle aus dem Einzelhandel, der Gastronomie, der Lebensmittelversorgung und den Haushalten sollen um 30 Prozent gesenkt werden (ebenfalls verglichen mit 2021 bis 2023).

Darüber hinaus sieht der Text auch die freiwillige Spende nicht verkaufter Lebensmittel vor, die noch für den Verzehr geeignet sind. Die Mitgliedstaaten sollen hier entsprechende Maßnahmen entwickeln.

Hersteller zukünftig für Textil-Abfälle verantwortlich

Die Unterhändler von Parlament und Rat stimmten auch der erweiterten Herstellerverantwortung für Textilien zu, die die Kommission vorgeschlagen hatte: Textilhersteller und Modemarken sollen für ihre Abfälle selbst verantwortlich sein. Sie müssen künftig eine Gebühr zahlen, mit der die Sammlung und Behandlung der Textilabfälle finanziert werden soll.

Die Höhe der Gebühr soll künftig davon abhängen, wie kreislauforientiert und nachhaltig das Design ihres Produkts ist. Hersteller von “Fast Fashion”, deren Kleidung nur für eine kurze Nutzungsdauer produziert wird, sollen höhere Gebühren zahlen. Die erweiterte Herstellerverantwortung soll für alle Unternehmen gelten. Die Frist dafür liegt 2,5 Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie, also voraussichtlich im Jahr 2027. Kleinstunternehmen sollen ein zusätzliches Jahr Zeit für die Vorbereitung erhalten.

Bei der Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie in Deutschland ist das Bundesumweltministerium federführend. leo

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Presseschau

Ukraine: Neue EU-Sanktionen gegen Russland DEUTSCHLANDFUNK
EU-Ratspräsident erwägt Sondergipfel zur Ukraine BOERSE.DE
EU-Chefdiplomatin: Gemeinsame Verteidigungsanleihen sind Option BLOOMBERG
Die EU-Chefdiplomatin Kallas will die Militärhilfe für die Ukraine bündeln – europäische “Friedenstruppen” bezeichnet sie als Falle NZZ
Treffer auf Ölpumpstation – Putin sieht Mitschuld der EU BOERSE.DE
Weniger Pushbacks an EU-Außengrenzen FAZ
EU präsentiert Clean Industrial Deal für Klima und Industrie in Europa SÜDDEUTSCHE
Gegen Fast-Fashion: Neue EU-Regeln für Alttextilien FAZ
Neue Strategie für Agrarpolitik: Einkommen der Bauern für EU-Kommission wichtiger als Umwelt TAZ
Entlastung für Unternehmen: EU sagt hohen Strompreisen den Kampf an N-TV
Frankreichs Regierung: Bayrou übersteht Misstrauensvotum der Sozialisten ZEIT
Keine Kampftruppen für den Ukraine-Krieg: Frankreich lässt sich allerdings eine Hintertür offen MERKUR
Alkoholexzesse von Jugendlichen führen in Griechenland zu härteren Gesetzen DER STANDARD
Google zahlt Italien mehr als 300 Millionen Euro in einem seit Jahren dauernden Steuerstreit HORIZONT
Warum die Integrität Bosniens von einem Gerichtsurteil in Sarajevo abhängen könnte EURONEWS
Kein Ende der Gewalt gegen Bosniens Frauen FR
Raubkunst: Niederlande geben Benin-Bronzen an Nigeria zurück DEUTSCHLANDFUNK
Anschlag an Wiener Bahnhof verhindert – Polizei nimmt 14-Jährigen fest FAZ

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wenn das kein eindeutiges Signal ist: Am Tag, an dem Donald Trump den Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, einen Diktator nennt, machen die Botschafter der EU-Staaten den Weg frei für neue Russland-Sanktionen. Die EU-Außenminister werden das 16. Sanktionspaket am Montag rechtzeitig zum dritten Jahrestag des russischen Angriffskrieges formell verabschieden. Unter anderem listet der Staatenverbund weitere 73 Tanker der russischen Schattenflotte auf, verhängt weitgehende Einfuhrbeschränkungen gegen russische Aluminiumprodukte und schließt 13 zusätzliche Banken aus dem Finanzkommunikationssystem Swift aus. Wer Putin zu ernsthaften Verhandlungen bewegen will, muss den Druck weiter erhöhen, so die Botschaft aus Europa.

    In Paris sondierte Emmanuel Macron gestern bei einem zweiten Mini-Gipfel zur Ukraine die Chancen für eine europäische Antwort auf Donald Trumps Alleingang. Eingeladen waren diesmal Länder von Kanada bis Luxemburg, die am Montag beim ersten Treffen nicht dabei waren. Der französische Präsident wies den Eindruck zurück, dass er mit seinen Bemühungen für einen Konsens keinen Erfolg habe. Geht es nach ihm, könnten Franzosen und Briten den Kern einer europäischen Friedenstruppe stellen, ergänzt durch UN-Blauhelme. Macron will mit weiteren Treffen das Terrain vorbereiten, bis dann Ratspräsident António Costa nach der Bundestagswahl übernimmt. Derzeit sei der EU-Ratspräsident noch nicht in der Lage, einen außerordentlichen Gipfel einzuberufen, sagte eine EU-Beamtin. Ein Treffen sei nur sinnvoll, wenn es eine solide Grundlage für eine gute Diskussion und ein relevantes Ergebnis gebe.

    Ursula von der Leyen wiederum wird zum dritten Jahrestag des russischen Angriffskriegs mit ihrem Team nach Kyjiw reisen. Die Kommissionspräsidentin dürfte beim Solidaritätsbesuch auch ein neues milliardenschweres Hilfspaket mitbringen. Zumindest in Brüssel und in den meisten Hauptstädten der EU stimmen die Koordinaten noch, und es werden Opfer und Täter im russischen Angriffskrieg nicht verwechselt.

    Eine gute restliche Woche Ihnen noch,

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    Analyse

    LNG: Experten kritisieren Plan zur Exportförderung

    Der Brüsseler Thinktank Bruegel sieht wenig Chancen für einen neuen EU-Plan zur Senkung der Gaspreise. Im Entwurf zum Clean Industrial Deal hatte die EU-Kommission in Aussicht gestellt, sie selbst oder die Mitgliedstaaten könnten Projekte zum Export von Flüssiggas in den Förderländern unterstützen – beispielsweise über vergünstigte Kredite oder den Erwerb von Rechten zur Gasverflüssigung an entsprechenden Terminals. Auch wenn die Kommission kein bestimmtes Land nennt, ist der Vorstoß offenbar als Angebot an die USA zu verstehen.

    Schon wenige Tage nach der US-Wahl im November hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Bereitschaft zu mehr Importen signalisiert: “Wir beziehen immer noch viel LNG aus Russland. Warum ersetzen wir es nicht durch amerikanisches LNG? Das ist billiger für uns und senkt unsere Energiepreise.”

    Angebot an die USA

    Auf die USA deutet auch eine Formulierung in dem neuen Kommissionsentwurf hin: “Die Kommission wird unter anderem eine Nachfragebündelung für EU-Unternehmen vorschlagen, die Tolling-Verträge für LNG-Anlagen weltweit abschließen sowie LNG-Lieferoptionsverträge mit vertrauenswürdigen LNG-Produzenten.”

    Tolling-Verträge sind ein spezielles Finanzierungsmodell für Verflüssigungsterminals, das zunächst in Indonesien entstand. In den USA hat das Unternehmen Cheniere dieses Finanzierungsmodell populär gemacht. Der Vorteil für LNG-Exporteure in den USA liege darin, dass mehr Unternehmen Verträge zur Unterstützung des Baus neuer Terminals unterzeichnen würden, sagt Gasexperte Martin Senior von Argus Media.

    Wirkung erst in zehn Jahren

    Bruegel hält Finanzhilfen für neue Terminals allerdings kurzfristig für wenig hilfreich. “Wenn das heute bei einem neuen LNG-Exportprojekt der Fall wäre, könnte es erst 2035 in Betrieb gehen“, sagt der Bruegel-Experte Ben McWilliams zu Table.Briefings. Sinnvoller sei es, Verträge mit Projekten zu schließen, die in den nächsten Jahren fertig werden.

    Kritisch sehen Experten auch das Drängen der Kommission auf Langfrist-Verträge und einen gemeinsamen Gaseinkauf. Dass Exporteure gerne Verträge mit Laufzeiten von mindestens 15 Jahren hätten, ist wenig verwunderlich. Für die 2030er-Jahre habe Europa erst 70 Prozent seines Gasbedarfs vertraglich gesichert, behauptete der Produzentenverband IOGP im November. “Ein Großteil der europäischen LNG-Importe erfolgt aktuell auf Spot-Basis”, sagt Martin Senior. Dadurch ist Europa allerdings kurzfristigen Preisschwankungen ausgesetzt, was das Ansinnen der Kommission erklärt.

    Zentraler Gaseinkauf bisher mit wenig Unterstützung

    Für die EU sei es wegen der Klimaziele und der zurückgehenden Gasnachfrage allerdings schwer, sich zu Langfristverträgen zu verpflichten, sagt McWilliams. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor seien die derzeitigen Verhandlungen mit Russland über die Ukraine. “Ein 20-jähriger US-LNG-Vertrag könnte in einem Szenario, in dem russisches Gas wieder in großem Umfang verfügbar ist, plötzlich sehr unattraktiv erscheinen.”

    Wenig Chancen sehen Experten auch für die wieder aufgewärmte Idee eines zentralen Gaseinkaufs auf EU-Ebene. Schon zum Höhepunkt der Energiekrise waren große Gasunternehmen von der Steuerung aus Brüssel wenig begeistert.

    Zuletzt hatte Mario Draghi vorgeschlagen, Industrieunternehmen auf diese Weise Zugang zu günstigem Gas zu verschaffen, sagt Anne-Sophie Corbeau von der Columbia University. Falls es wieder ein Überangebot an Gas geben sollte, sei dieses Modell allerdings teurer als der Markt. Und schon vor zwei Jahren habe die “Energieplattform” der EU keinen gemeinsamen Gaseinkauf hinbekommen, resümiert McWilliams vom Thinktank Bruegel.

    Förderung von Exportinfrastruktur

    Der Vorstoß der Kommission fällt in eine Zeit, in der auch asiatische Länder Interesse an neuen amerikanischen LNG-Kapazitäten zeigen. Nach einem Besuch bei US-Präsident Donald Trump hatte Japans Premier Shigeru Ishiba gesagt, LNG sei eines der Felder, in das japanische Unternehmen in den USA investieren könnten. Das Land will so höhere Zölle abwenden.

    Japan sei durch seine ölindizierten Langfrist-Verträge aber auch unabhängiger von den Spotmärkten und zahle derzeit geringe Preise für LNG, sagt Corbeau von der Columbia University. Die Kommission schreibt in ihrem Entwurf, sie evaluiere nun das japanische Modell, auch Exportinfrastruktur in Produzentenländern zu unterstützen. Aktuell verfolgen die USA und Japan etwa ein Projekt in Alaska.

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    Spaniens Verteidigungsausgaben: Kaum Chancen, das Nato-Ziel zu erreichen 

    Spanien ist weit davon entfernt, die Nato-Ziele für Verteidigungsausgaben zu erreichen. Mit 1,28 Prozent des BIP liegen die spanischen Militärausgaben unter den 2014 vereinbarten zwei Prozent und weit entfernt von den fünf Prozent, die US-Präsident Donald Trump fordert. Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat die Verbündeten aufgefordert, noch diesen Sommer das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen

    Zwar versicherte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez nach seinem Treffen mit Rutte Ende Januar, dass die Militärausgaben bis 2029 auf zwei Prozent erhöht würden. Dennoch bleibt Spanien damit hinter den Erwartungen zurück. Denn noch im Laufe des Jahres soll ein neues Ausgabenziel “nördlich von drei Prozent” beschlossen werden, wie Rutte als neue Quote gefordert hatte. Er drängt darauf, dass Europa seine Sicherheit in die eigene Hand nehmen muss, da die Verteidigung Europas für die neue US-Regierung keine Priorität mehr darstelle. 

    Europäisierung der Nato 

    “Die derzeitige Arbeitsteilung in der Nato ist nicht im Interesse der USA”, sagt Justin Logan, Direktor für Verteidigungs- und Außenpolitikstudien am Cato Institute in Washington. “Da die mächtigsten europäischen Staaten über die Mittel verfügen, ihr Überleben zu sichern, werden sie sich nicht der Gefahr aussetzen, von Russland überfallen zu werden“, sagte Logan zu Table.Briefings.

    Länder sollten, entsprechend der Bedrohungslage, der sie sich ausgesetzt fühlen, für ihre Verteidigung aufwenden, fügte Logan hinzu: “Geografische Lage und Entfernung zu Bedrohungen sind wichtige Faktoren dafür, wie viel Staaten ausgeben.” Italien und Spanien seien weniger bedroht als Polen, daher geben sie einen geringeren Prozentsatz ihrer Wirtschaftsleistung aus. Neben Spanien erreichen sieben weitere Nato-Länder das Zwei-Prozent-Ziel noch nicht: Slowenien, Luxemburg, Belgien, Kanada, Italien, Portugal und Kroatien.

    Spanien sträubt sich, Verteidigungsausgaben zu erhöhen

    Die spanische Regierungskoalition aus Sozialisten (PSOE) und Linksparteien hat sich bisher gegen eine Erhöhung der Militärausgaben gesträubt. Sánchez hatte im Januar auf der Botschafterkonferenz gesagt, dass “die Welt dringendere Probleme hat und in keinem Handbuch steht, dass Frieden und Sicherheit durch die Aufstockung von Waffenarsenalen erreicht werden können”. Die spanische Vizepräsidentin und Gründerin des Linksbündnisses Sumar, Yolanda Díaz, erklärte, dass die Erhöhung der Militärausgaben nicht nur unnötig sei, sondern dass “die spanische Wirtschaft nicht in der Lage sei, die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des BIP zu erhöhen”. 

    Hinzu kommt, dass Sánchez in dieser Legislaturperiode stark von Vereinbarungen mit der separatistischen katalanischen Partei Junts von Carles Puigdemont abhängt, um Vorschläge im Kongress durchzubringen. Das hat zur Folge, dass Sánchez seit seiner Wiederernennung im November 2023 keine Haushaltspläne im Kongress vorgestellt hat, weil er nicht die nötige parlamentarische Mehrheit hat, einen Haushaltsplan durchzubringen. Der Haushalt, den die derzeitige Regierung verwendet, stammt aus der vorangegangenen Legislaturperiode. Ohne Haushaltspläne müsste Spanien außerordentliche Mittel verwenden, um allein nur das Zwei-Prozent-Ziel für die Militärausgaben zu erreichen. 

    Sánchez verteidigt sich, dass Spanien in absoluten Zahlen der zehntgrößte Nato-Beitragszahler sei. Nach Schätzungen der Nato selbst belief sich der wirtschaftliche Beitrag Spaniens 2024 auf rund 21 Milliarden US-Dollar. Am meisten geben aus: die USA (968 Milliarden Dollar), Deutschland (98 Milliarden), Großbritannien (82 Milliarden), Frankreich (64 Milliarden) und Polen (35 Milliarden). 

    Polen ist Spitzenreiter gemessen am BIP 

    Gemessen an ihrem BIP investiert Polen mit 4,12 Prozent am meisten in die Verteidigung, gefolgt von Estland (3,43) und den USA (3,38). Ein Sprecher des polnischen Verteidigungsministeriums erklärt, dass Polen eines der wenigen Nato-Länder sei, das bereits Verteidigungsausgaben in Höhe von fast fünf Prozent des BIP plane. 

    “Im Haushalt für 2025 haben wir einen Rekordbetrag von knapp 30 Milliarden Euro für die Landesverteidigung, einschließlich einer Erhöhung der Gehälter von Berufssoldaten, gesichert.” Zusammen mit den Ausgaben des Unterstützungsfonds für die Streitkräfte im Jahr 2025 würden die Verteidigungsausgaben etwa 43,22 Milliarden Euro erreichen, erklärte der Sprecher. 

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    Termine

    24.02.2025 – 19:00-20:30 Uhr, Hamburg
    Europa-Union Hamburg, Podiumsdiskussion Europa mitgedacht – Europäische Perspektiven für Hamburg
    In diesem Wahlhearing werden Kandidat:innen zur Bürgerschaftswahl am 02.03 in Hamburg ihre Positionen zur europäischen Zusammenarbeit darlegen und sich Fragen von Wähler:innen stellen. INFOS & ANMELDUNG

    24.02.2025 – 19:00-20:30 Uhr, online
    Polis180, Webinar Digitale Wahlauslese: Bundestagswahl 2025 – Was bedeutet das Ergebnis für junge Menschen und die Zukunft der deutschen Außen- und Europapolitik?
    Bei der digitalen Wahlauslese werden die Wahlergebnisse, deren Konsequenzen für junge Menschen und die politischen Veränderungen der kommenden Jahre mit Marina Weisband (Publizistin und Aktivistin) und Rüdiger Maas (Generationsforscher) diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

    22.02.2025, 10:00-16:00 Uhr, Berlin
    Europäische Akademie Berlin, Diskussion Europalounge live: Die Politik in Deutschland und Europa nach der Bundestagswahl
    In der Europalounge der Europäischen Akademie wird bei diesem Event über aktuelle Themen und Trends der deutschen und europäischen Politik diskutiert- mit einem besonderen Fokus darauf, wie es nach der Bundestagswahl weitergeht.  INFOS & ANMELDUNG

    24.02.2025, 18:00-19:00 Uhr, online
    Europäische Akademie Berlin, Diskussion Beyond the Ballot: Europäische Wahlnachlese
    Bei dieser Auftaktveranstaltung der Reihe “Zwischen Zeitenwende und Einheit in Europa” wird es eine Wahlnachlese geben, in der mit hochkarätigen Expertinnen und Experten die politischen Folgen des Wahlausgangs diskutiert werden. Infos

    25.02.2025, 18:00-20:00 Uhr, Potsdam
    Rosa-Luxemburg-Stiftung, Diskussion Deutsche Außenpolitik der Ampelregierung
    Bei diesem Event wird es einen Vortrag und eine Diskussion mit Petra Erler (2006-2010 Chefin des Kabinetts von EU-Kommissar Günter Verheugen, seit 2010 Geschäftsführerin von The European Experience) geben, bei der die deutsche Außenpolitik der Ampelregierung diskutiert wird. Infos

    25.-26.02.2025, Berlin
    Innovate UK et al., Workshop Bilaterales Brokerage Event mit dem Vereinigten Königreich zu Wasserstoff und Batterien
    Die Veranstaltung fördert die Zusammenarbeit zwischen deutschen und britischen Organisationen im Bereich Wasserstoff- und Batterietechnologien, um Partnerschaften für im Rahmen von Horizont Europa aufzubauen. Sie bietet eine Plattform für den Austausch und die Vernetzung von rund 30 Organisationen aus beiden Ländern. Infos

    News

    Studie: EU-Industriepolitik braucht mehr Fokus auf strategisch wichtige Sektoren

    Ein Großteil der in den vergangenen Jahren genehmigten staatlichen Beihilfen ist nicht in strategisch wichtige Sektoren geflossen. Das zeigt ein neuer Bericht des Jacques Delors Centre. Der Thinktank hat 280.000 Beihilfefälle zwischen 2019 und 2024 untersucht und mithilfe eines KI-Modells klassifiziert. Das Ergebnis: “Nur 12 Prozent der Subventionen gingen in strategische Sektoren wie Batterieproduktion, sauberer Wasserstoff, Halbleiter, Softwareentwicklung und Biotech”, heißt es in dem Bericht.

    Die Initiativen unter dem “Green Deal Industrial Plan” des letzten Kommissionsmandats seien nur dem Namen nach Industriepolitik gewesen, argumentieren die Autoren. “In Praxis litten sie unter zu wenig sektoriellem Fokus, schlechter Koordinierung und ungenügender finanzieller Unterstützung”.

    EU muss schwierige Entscheidungen treffen

    In ihrem Papier schlagen die Autoren vor, die Methodik zu verwenden, die Mario Draghi in seinem Wettbewerbsfähigkeitsbericht vorgeschlagen hatte. Zukunftstechnologien, bei denen man führend sein wolle, benötigten eine anderen Politikmix als Technologien, die aufgrund ihrer hohen Beschäftigung wichtig sind. Es könne nicht das Ziel sein, bei jeder Technologie eine Produktionskapazität von mindestens 40 Prozent in der EU zu erreichen, wie das etwa der Net Zero Industry Act vorgibt, erklärte Nils Redeker, Autor und Direktor des Jacques Delors Centre.

    Der Clean Industrial Deal (CID) müsse nun für einen klaren sektoriellen Fokus sorgen, fügte er hinzu. “Die Kommission muss klar sagen, welche Sektoren sie für strategisch wichtig hält und welche Ziele sie in diesen Sektoren genau erreichen will”, sagte Redeker.

    Noch ist unklar, ob die EU zu diesen politisch schwierigen Entscheidungen bereit ist. Der erste Entwurf des CID macht noch keine erkennbaren Unterschiede zwischen verschiedenen Sektoren. Redeker hofft, dass die Kommission mit ihren Aktionsplänen, zum Beispiel zu Stahl, Automobil und Biotech, ein klareres Ziel verfolgen wird. Als positives Zeichen wertet der Institutsdirektor, dass der CID alle wichtigen Instrumente von öffentlicher Beschaffung über Handelsinstrumente bis staatlichen Beihilfen vereint.

    Auch staatliche Beihilfen sollen trotz des bisher fehlenden Fokus weiterhin Teil des Maßnahmenmix sein, fordert Redeker: “Das Risiko, dass alle zu wenig machen, ist deutlich größer, als dass wir in einen Subventionswettlauf fallen”. jaa

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    Fehlende Sozialmaßnahmen: Kritik am Clean Industrial Deal

    Das bisherige Sozialkapitel des Clean Industrial Deal ist nach Ansicht von Gewerkschaftern und Grünen-Politikern unzureichend. “Die geleakte Version des CID ignoriert komplett die Notwendigkeit, die Arbeitnehmer in den Mittelpunkt des grünen industriellen Wandels zu stellen”, sagte etwa Sara Matthieu, die für die Grünen im Industrieausschuss des EU-Parlaments sitzt.

    Der am Dienstag durchgesickerte Entwurf zum Clean Industrial Deal enthält im Sozialbereich nur wenige konkrete Versprechungen. Vieles soll geprüft werden, jedoch ohne klare Bekenntnisse dazu. Nur als Prüfaufträge vermerkt sind etwa eine Sozialklausel im Vergabeverfahren oder bessere Anreize für Investitionen in die Aus- und Weiterbildung.

    Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) warnte bereits am Dienstag nach einem Treffen mit den Exekutiv-Vizepräsidenten Teresa Ribera, Roxana Mînzatu und Stéphane Séjourné, der grüne Übergang dürfe “Arbeitnehmer nicht länger im Stich lassen”. EGB-Generalsekretärin Esther Lynch sagte: “Die politischen Entscheidungsträger sprechen schon lange von einem gerechten Übergang, aber er ist bisher nicht zustande gekommen.”

    Der EGB verweist auf eine dringliche Lage und einen massiven Jobabbau im Zuge der Transformation. Die Industriegewerkschaft IndustriALL verzeichnete alleine in den vergangenen Monaten Ankündigungen über einen Stellenabbau von mehr als 100.000 Industriearbeitsplätzen.

    Grüne fordern Just Transition Directive

    Sowohl der EGB als auch die Grünen fordern konkrete Maßnahmen, um Jobs im Rahmen der industriellen Transformation zu sichern. Beide bringen eine Richtlinie für den gerechten Übergang (Just Transition Directive) ins Spiel. Die Grünen im Europaparlament wollen laut ihrem eigenen Industrieplan mit einer solchen Richtlinie Industrieunternehmen verpflichten, den sozialen Dialog, Tarifverhandlungen und die Beteiligung der Arbeitnehmer an strategischen Entscheidungen über ihre Zukunft zu gewährleisten. Sie fordern auch, das Recht auf Weiterbildung während der Arbeitszeit für eine Höherqualifizierung und Umschulung in Branchen mit Fachkräftemangel, in einer solchen Richtlinie zu verankerten.

    Zudem drängen der EGB und die Grünen, dass eine finanzielle Förderung von Unternehmen durch öffentliche Mittel auf EU- und auf Länderebene an soziale Auflagen geknüpft sein müsse. “Öffentliche Finanzierung sollte immer dem öffentlichen Wohl dienen”, heißt es von den Grünen. Der EGB fordert zudem eine SURE 2.0-Regelung, ähnlich derjenigen, die während der Pandemie Arbeitsplätze gerettet habe. lei/luk

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    Vision Landwirtschaft: Kommission besiegelt Abkehr von der Farm-to-Fork-Strategie

    Die “Vision für Landwirtschaft und Ernährung”, die Agrarkommissar Christophe Hansen und Vizepräsident Raffaele Fitto am Mittwoch präsentiert haben, stellt ein wesentliches Ziel der vergangenen Legislatur in Frage. Der Farm-to-Fork-Strategie, die in der vergangenen Amtszeit Regulierung zu Umweltschutz und gesunder Ernährung in den Vordergrund stellte, kehrt die Kommission den Rücken zu.

    Umwelt- und Klimaziele werfe man nicht über Bord, wolle sie aber durch Anreize statt Vorgaben erreichen, betonte Hansen. Ein Trend, der sich schon seit Amtsantritt der neuen Kommission abgezeichnet hatte. Misserfolge wie bei der Pestizidverordnung (SUR), die die Kommission nach heftigem Widerstand schließlich zurückzog, müsse man künftig vermeiden, so der Agrarkommissar.

    Pestizidverordnung endgültig vom Tisch

    Eine Neuauflage der SUR ist nicht geplant, wie eine hohe Kommissionsbeamtin bestätigt. Stattdessen soll bestehendes Recht besser umgesetzt und Alternativen zu chemischen Pestiziden schneller zugänglich werden. Auch das Ziel von 25 Prozent Ökolandbau bis 2030 findet sich im Visionspapier nicht mehr.

    Die Ernährungspolitik will die Kommission künftig weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen. Von einer EU-weit einheitlichen Nährwertkennzeichnung etwa, die in der Farm-to-Fork-Strategie angekündigt, aber nie umgesetzt wurde, ist keine Rede mehr. Stattdessen liegt der Fokus jetzt auf Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau. Gleich zwei “Vereinfachungspakete” für den Agrar- und Lebensmittelsektor will die Kommission noch in diesem Jahr vorlegen.

    Heikle Zukunftsfragen ausgespart

    Konkrete Maßnahmen kündigt das Papier allerdings kaum an, einige Passagen wurden gegenüber einem geleakten Entwurf zudem noch abgeschwächt. Einen Exportstopp für in der EU verbotene Pestizide etwa will man nicht mehr “umsetzen”, sondern nur noch “prüfen”. Besonders heikle Fragen schiebt die Kommission erst einmal auf: Zur Zukunft der Tierhaltung etwa kündigt sie, statt inhaltliche Vorschläge zu machen, ein neues Gremium an.

    Aus der Kommission ist zu hören, das Visionspapier sei mit Absicht vage gehalten: Statt, wie in der Farm-to-Fork-Strategie, eine Reihe von Vorgaben zu machen, wolle man den Dialog mit den Interessenvertretern anstoßen. jd

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    FDP-Fraktion fordert Neustart der Beziehungen zu Großbritannien

    Führende FDP-Politiker sprechen sich dafür aus, angesichts der geopolitischen Verwerfungen die Beziehungen zu Großbritannien zu vertiefen. “Deutschland und die EU brauchen einen Fahrplan für eine engere Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich, an dessen Ende auch eine Rückkehr des Vereinigten Königreichs in die EU stehen kann”, heißt es in einem Positionspapier, das die beiden Vizevorsitzenden der Bundestagsfraktion, Michael Link und Konstantin Kuhle, verfasst haben und das Table.Briefings vorliegt. Dies sei angesichts der Politik von US-Präsident Donald Trump und der wachsenden Rivalität mit China geboten.

    Drängendste gemeinsame Aufgabe sei jetzt, den europäischen Pfeiler der Nato zu stärken. Dafür könne Deutschland der von Großbritannien geführten Joint Expeditionary Force beitreten. Auch sei eine Teilnahme Großbritanniens an EU-Missionen zu prüfen. Angesichts des drohenden Handelskrieges mit den USA sei eine abgestimmte Haltung ebenso sinnvoll wie die Schaffung einer EU-UK-Zollunion, um den bilateralen Handel anzuschieben. Wenn die Briten am Ende in die EU zurückkehren wollten, stehe ihnen die Tür offen, teilte Kuhle mit. “Der Brexit muss nicht für immer sein.” tho

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    Autodialog: Wertschöpfungskette und Batterien Thema bei Séjournés Arbeitssitzung

    Kommissionsvize Stéphane Séjourné hat im Rahmen des Autodialogs zwei Arbeitssitzungen zur Wertschöpfungskette abgehalten. In der ersten Runde ging es um Batterien, bei der Hersteller wie Northvolt, LG, Recyclingfirmen sowie der Branchenverband ACEA und die NGO T+E vertreten waren. Dabei trugen die Teilnehmer dem Kommissar für die Industriestrategie ihre Positionen zu Batterien, kritischen Rohstoffen und Energiepreisen vor.

    In der zweiten Runde ging es um die automobile Wertschöpfungskette. Mit dabei waren Zulieferer wie Bosch, Mahle und Valeo, Verbände wie Hydrogen Europe, CLEPA und ACEA: Als Analyse diente den Teilnehmern dem Vernehmen nach der Draghi-Bericht. Dort hieß es: Die Automobilbranche sei ein Paradebeispiel “fehlender Planung durch die EU, unter der Anwendung von Klimapolitik ohne Industriepolitik”.

    Sigried de Vries vom Herstellerverband ACEA wies auf die Schwierigkeit der Transformation hin: “Der Umstieg auf emissionsfreie Antriebe ist weit mehr als der Wechsel von einer Fahrzeugtechnologie zur anderen. Wir brauchen einen Zugang auf der vollen Breite des Ökosystems, der neue Partnerschaften bei den Wertschöpfungsketten auslöst.”

    Es werde nicht ausreichen, einige Bereiche der Wertschöpfungskette zu regulieren, damit die europäische Industrie die Transformation anführen und den Status als Automotive-Standort verteidigen könne. “Wir brauchen einen Mentalitätswandel und eine dramatische Überarbeitung der Mittel, wie wir die Industrie regulieren und stimulieren, und zwar schnell.” Benjamin Krieger von CLEPA sagte: “Die Zukunft der Mobilität hängt von unserer Innovationsfähigkeit ab und davon, ob wir neue Technologien schneller industrialisieren und skalieren.” mgr

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    FP10: EU-Parlament fordert Eigenständigkeit und höheres Budget

    Das Europäische Parlament setzt sich für ein eigenständiges zehntes Forschungsrahmenprogramm (FP10) mit einem deutlich erhöhten Budget ein. Einen entsprechenden Initiativbericht verabschiedeten die Mitglieder des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) am Mittwoch.

    Die Abgeordneten fordern eine radikale Vereinfachung der Antrags- und Verwaltungsprozesse sowie eine stärkere Förderung von bahnbrechender Forschung. Geplant sind zudem mehr Mittel für den Europäischen Innovationsrat (EIC) und den Europäischen Forschungsrat (ERC).

    Der federführende Berichterstatter Christian Ehler (CDU) forderte die Kommission auf, die Verträge einzuhalten und das FP10 als unabhängiges Unionsprogramm zu erhalten. Die Einbeziehung des FP10 in den angekündigten Wettbewerbsfähigkeitsfonds würde bedeuten, die Finanzierung von Forschung und Innovation (F&I) auf kurzfristige politische Ziele auszurichten, kritisierte Ehler. “Dies wäre schädlich für die Grundlagenforschung und die freie, erkenntnisgetriebene Forschung.”

    Hintergrund sind Pläne in der Kommission, im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU von 2028-2035 die Zahl der aktuell mehr als 50 Ausgabenprogramme stark zu reduzieren. Ob dies auch bekannte Programme wie das Forschungsrahmenprogramm oder das Austauschprogramm Erasmus betreffen soll, wird in der Behörde kontrovers diskutiert. vis

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    EU-Einigung auf Abfallvermeidung sieht stärkere Verantwortung der Textilindustrie vor

    Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten haben sich in der Nacht auf Mittwoch vorläufig auf die Details der Abfallrahmenrichtlinie geeinigt. Textil- und Lebensmittelabfälle sollen bis 2030 reduziert werden, außerdem sollen die Hersteller mehr Verantwortung tragen. Die entsprechende Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie hatte die EU-Kommission im Sommer 2023 vorgeschlagen. Damit soll bis 2030 die Menge nicht recycelter Siedlungsabfälle in der EU halbiert werden, also die Abfälle aus privaten Haushalten, ähnlichen Einrichtungen wie Wohnheimen und die hausmüllähnlichen Abfälle der Industrie.

    Laut der vorläufigen Einigung sollen im Lebensmittelsektor bis 2030 zwei Ziele erreicht werden:

    • Abfälle aus der Verarbeitung und Herstellung von Lebensmitteln sollen um zehn Prozent reduziert werden (im Vergleich zum Zeitraum 2021 bis 2023).
    • Pro-Kopf-Abfälle aus dem Einzelhandel, der Gastronomie, der Lebensmittelversorgung und den Haushalten sollen um 30 Prozent gesenkt werden (ebenfalls verglichen mit 2021 bis 2023).

    Darüber hinaus sieht der Text auch die freiwillige Spende nicht verkaufter Lebensmittel vor, die noch für den Verzehr geeignet sind. Die Mitgliedstaaten sollen hier entsprechende Maßnahmen entwickeln.

    Hersteller zukünftig für Textil-Abfälle verantwortlich

    Die Unterhändler von Parlament und Rat stimmten auch der erweiterten Herstellerverantwortung für Textilien zu, die die Kommission vorgeschlagen hatte: Textilhersteller und Modemarken sollen für ihre Abfälle selbst verantwortlich sein. Sie müssen künftig eine Gebühr zahlen, mit der die Sammlung und Behandlung der Textilabfälle finanziert werden soll.

    Die Höhe der Gebühr soll künftig davon abhängen, wie kreislauforientiert und nachhaltig das Design ihres Produkts ist. Hersteller von “Fast Fashion”, deren Kleidung nur für eine kurze Nutzungsdauer produziert wird, sollen höhere Gebühren zahlen. Die erweiterte Herstellerverantwortung soll für alle Unternehmen gelten. Die Frist dafür liegt 2,5 Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie, also voraussichtlich im Jahr 2027. Kleinstunternehmen sollen ein zusätzliches Jahr Zeit für die Vorbereitung erhalten.

    Bei der Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie in Deutschland ist das Bundesumweltministerium federführend. leo

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    Presseschau

    Ukraine: Neue EU-Sanktionen gegen Russland DEUTSCHLANDFUNK
    EU-Ratspräsident erwägt Sondergipfel zur Ukraine BOERSE.DE
    EU-Chefdiplomatin: Gemeinsame Verteidigungsanleihen sind Option BLOOMBERG
    Die EU-Chefdiplomatin Kallas will die Militärhilfe für die Ukraine bündeln – europäische “Friedenstruppen” bezeichnet sie als Falle NZZ
    Treffer auf Ölpumpstation – Putin sieht Mitschuld der EU BOERSE.DE
    Weniger Pushbacks an EU-Außengrenzen FAZ
    EU präsentiert Clean Industrial Deal für Klima und Industrie in Europa SÜDDEUTSCHE
    Gegen Fast-Fashion: Neue EU-Regeln für Alttextilien FAZ
    Neue Strategie für Agrarpolitik: Einkommen der Bauern für EU-Kommission wichtiger als Umwelt TAZ
    Entlastung für Unternehmen: EU sagt hohen Strompreisen den Kampf an N-TV
    Frankreichs Regierung: Bayrou übersteht Misstrauensvotum der Sozialisten ZEIT
    Keine Kampftruppen für den Ukraine-Krieg: Frankreich lässt sich allerdings eine Hintertür offen MERKUR
    Alkoholexzesse von Jugendlichen führen in Griechenland zu härteren Gesetzen DER STANDARD
    Google zahlt Italien mehr als 300 Millionen Euro in einem seit Jahren dauernden Steuerstreit HORIZONT
    Warum die Integrität Bosniens von einem Gerichtsurteil in Sarajevo abhängen könnte EURONEWS
    Kein Ende der Gewalt gegen Bosniens Frauen FR
    Raubkunst: Niederlande geben Benin-Bronzen an Nigeria zurück DEUTSCHLANDFUNK
    Anschlag an Wiener Bahnhof verhindert – Polizei nimmt 14-Jährigen fest FAZ

    Europe.Table Redaktion

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