Lob für politische Entscheidungen ist selten – in dieser Ausgabe können wir aber sogar zweimal darüber berichten. Zumal: von unterschiedlichen Seiten der politischen Auseinandersetzungen um die Transformation zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft.
Zum einen haben Nicolas Heronymus und ich mit Martin Schneider gesprochen, dem Hauptgeschäftsführer des Vereins Deutscher Zementwerke. Seine Branche, sagen Kritiker, hat die Dekarbonisierung bislang verschlafen. Nun soll es laut Schneider umso schneller gehen. Von der Politik fühlt sich sein Verband dabei gut unterstützt: Förderprogramme und Pläne, bei der öffentlichen Beschaffung “grüne” Zemente zu bevorzugen, gefallen ihm gut. Nur bei der Finanzierung der Leitungen, in denen als unvermeidbar geltende CO₂-Emissionen transportiert werden sollen, sieht er noch politischen Handlungsbedarf.
Auf der anderen Seite haben sich Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen zu Wort gemeldet, um die EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) gegen – aus ihrer Sicht – überzogene Kritik zu verteidigen. Lukas Knigge hat aufgeschrieben, warum die NGOs die Verordnung für gelungen halten. Anders als behauptet, brauche es kaum neue Daten. Auch Preissteigerungen, die viele befürchten, seien nicht zu erwarten. Vielmehr helfe die Verordnung, den Klimawandel und damit auch Preissteigerungen bei Lebensmitteln zu verlangsamen.
Table.Briefings: Sehr geehrter Herr Schneider, die Stahlindustrie hat ein Siegel für CO₂-armen Stahl vorgestellt, und die Bundesregierung plant, solchen Stahl in öffentlichen Ausschreibungen zu bevorzugen. Gibt es auch Pläne für ein grünes Zementsiegel?
Martin Schneider: Das BMWK hat mit den grünen Leitmärkten und den Anforderungen an die Baustoffe die Klassifizierung für CO₂-Gehalte im Zement vorgegeben. Ob man daraus ein echtes Siegel macht, oder ob dieses Level auf andere Weise verifiziert wird, ist eine offene Frage. Auf jeden Fall wird man dem Zement künftig seinen CO₂-Gehalt ansehen. Dann könnte die öffentliche Hand den CO₂-Fußabdruck in den Ausschreibungen neben dem Preis zu einem weiteren Kriterium machen.
Die Zementindustrie wird trotz vieler möglicher Dekarbonisierungsschritte weiter CO₂-Emissionen verursachen. In einer Studie haben Sie sich mit Carbon Capture and Storage (CCS) befasst. Darin steht, dass in vier Jahren schon erste CO₂-Leitungen in Betrieb gehen sollen. 2035 soll dann das ganze CO₂-Leitungsnetz fertig sein. Sind diese Zeiträume realistisch?
Was wäre denn die Alternative? Können wir es uns noch leisten, bis 2050 zu warten? Schon der EU-Emissionshandel zwingt uns zum Handeln: Zementhersteller und andere Branchen im EU-Emissionshandel müssen bereits bis 2040 weitgehend klimaneutral produzieren. Da kann ich mir die Frage stellen: Sind die Zeiträume realistisch oder nicht? Ich sage es einmal andersherum: Die Faktenlage erfordert es.
Mit der Kohlenstoffmanagement-Strategie und dem Kohlenstoffdioxid-Transportgesetz hat die Bundesregierung die Rahmenbedingungen noch einmal geprüft und überlegt, wo was beschleunigt werden kann. Da bin ich sehr optimistisch. Und es ist ja alles da. Wir müssen es nur zusammenfügen.
Das CO₂-Leitungsnetz wird einige Milliarden Euro kosten. Wünschen Sie sich eine Beteiligung des Staats bei der Finanzierung?
Die Politik hat vorgegeben, dass das Netz privatwirtschaftlich finanziert werden muss. Die Herausforderung ist: Wie kann ich in die großen Investitionen gehen, wenn ich am Anfang noch keinen “Return on Investment” erkenne? Da wird man Absicherungsmodelle finden müssen, um dieses Risiko der Netzbetreiber abzufedern. Die Finanzierung ist nicht das Problem. Das Problem ist das Risikomanagement in dieser Übergangsphase.
Das heißt, der Staat, die Gesellschaft, müsste dieses Risiko tragen?
Die Politik muss auf jeden Fall den Rahmen setzen, damit das Risiko abgefedert wird. Wenn Sie damit meinen, dass letztlich die Gesellschaft das Risiko trägt, dann ist die Antwort: Ja. Wir müssen zu Beginn der Transformation auf der Herstellerseite viel Geld in die Hand nehmen. Auch die Netzbetreiber müssen in Vorleistung gehen. Der Markt ist noch nicht da. Aber wenn die Systeme eingeschwungen sind, haben wir als Gesellschaft auch einen riesigen Benefit: eine CO₂-freie Grundstoffindustrie.
Es gibt bereits viele Förderlinien, beispielsweise die Klimaschutzverträge. Sehen Sie sich hinreichend unterstützt in der Transformation?
Die Klimaschutzverträge sind extrem gut. Da haben sich die Verantwortlichen in der Politik wirklich Gedanken gemacht, wie man das geschickt finanziert. Auf europäischer Ebene gibt es den Innovationsfonds, der sehr hilfreich ist. In der Praxis wird sich zeigen, auf welche Dinge man noch einmal schauen muss. Es kostet schon viel Zeit und Aufwand, bis tatsächlich etwas passiert. Aber ich finde es richtig klasse, dass unsere Industrie nicht alleingelassen wird.
Ein Verbandsvertreter, der nicht sagt: “Wir brauchen mehr Förderung”. Das ist selten!
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, ich bin zufrieden mit der Förderung. Was wir jetzt haben, ist erst einmal richtig gut, damit können wir anfangen. Die Politik muss ich an der Stelle auch einmal loben: In einer Zeit, in der die Politik sich ja auch mit vielen anderen Themen beschäftigen muss, bei denen sie vielleicht nicht immer glänzen kann, haben wir ein gutes Paket bekommen. Da muss ich schon sagen: Hut ab!
Ein großes Transformationsthema in der Bauindustrie ist die Kreislaufwirtschaft. Welche Rolle spielt zirkuläres Wirtschaften für die Zementhersteller?
Die Kreislaufwirtschaft ist in der ganzen Wertschöpfungskette wichtig. Beton kann zu 100 Prozent wiederverwertet werden. Das setzt voraus, dass dieser Beton möglichst sortenrein ist, deshalb ist eine gute Aufbereitung des Altbetons das A und O.
Neben der Ressourcenschonung wollen wir auch den Klinkergehalt und damit den CO₂-Fußabdruck des Zements optimieren. Dabei stellt sich die Frage, welche anderen Stoffe eingesetzt werden können. Das sind heute etwa Hüttensand oder Kalksteinmehl, künftig werden dies auch neue Stoffe wie beispielsweise calcinierte Tone oder Ziegelmehl sein.
Werden weiterhin auch primäre Rohstoffe in der Zementherstellung benötigt?
Grundsätzlich lässt sich gebrochener und aufbereiteter Beton eins zu eins einsetzen, und dann brauchen Sie im Prinzip kein primäres Rohmaterial. Allerdings haben wir noch nicht so viel Recyclingmaterial, um damit jeden Beton in Deutschland herzustellen. Daher sind wir nach wie vor auf primäre Rohstoffe angewiesen.
Wichtig ist zu schauen, was wo am besten passt und den höchsten Beitrag zur CO₂-Minderung bringt. Die Zemente, die wir morgen brauchen, sind dann anspruchsvoller als heute. Am Ende sind es Hi-Tech-Produkte für unterschiedliche Anwendungen. Um Zemente bei der Anwendung immer optimal einzustellen, werden aber auch Neuerungen in den Normen und in den Abläufen auf den Baustellen nötig sein.
Rechnen Sie damit, dass Sie in Zukunft kleinere Mengen verkaufen?
Wir werden effizienter mit dem Klinker im Zement umgehen, effizienter mit dem Zement im Beton und effizienter mit dem Beton im Bauteil. Je effizienter wir sind, desto weniger müssen wir mit großem wirtschaftlichem Aufwand die CO₂-Emissionen senken.
Aber auch wenn wir sehr viel effizienter mit dem Material umgehen, bleibt die Frage: Welchen Bedarf haben wir an zu erneuernder Infrastruktur, an Gebäuden, an Wohnungen? Ich glaube, dass wir im Mittel auch langfristig von einem stabilen Baubedarf in unserem Land ausgehen können. Beim Zement können wir von einer vergleichbaren Menge ausgehen.
Eine Gruppe von Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen, darunter der WWF, Germanwatch, Oroverde und DUH, spricht von Missverständnissen in der öffentlichen Debatte um die EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR). Wirkungsweise der Verordnung und Zeitaufwand der Umsetzung seien häufig irreführend wiedergegeben worden. Daher fordern die NGOs, dass das Gesetz pünktlich Ende dieses Jahres wirksam wird.
Zuletzt waren die Stimmen derer lauter geworden, die das Gesetz als zu bürokratisch kritisieren und eine Überforderung vor allem von kleineren Forst- und Landwirten befürchten. Teile der Industrie sowie auch die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP) sprachen sich für eine Verschiebung der Verordnung aus. Die Kritik an der Entwaldungsverordnung sei “übertrieben, unsachlich und von Missverständnissen geprägt”, entgegnet Kathrin Samson, Vorständin Naturschutz beim WWF Deutschland. Die von “einigen Politikern und Lobbyisten verbreitete Panikmache” habe mit der Realität wenig zu tun.
Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee und Kautschuk sowie einige daraus hergestellte Produkte fallen ab dem 30. Dezember 2024 unter die EUDR. Sie legt verbindliche Sorgfaltspflichten für Marktteilnehmer beim Import und Export dieser Produkte fest und soll Entwaldung und Waldzerstörung in und außerhalb der EU verhindern sowie die CO₂-Emissionen um mindestens 32 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren. Zunächst gilt sie nur für große und mittlere Unternehmen, ab Mitte 2025 auch für Klein- und Kleinstbetriebe.
In einem gemeinsamen Positionspapier unterziehen die Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen zehn “Fehlannahmen” einem Faktencheck. Sie überprüfen darin unter anderem die Vorwürfe an die EUDR zu:
Insbesondere die Anforderung der EUDR, GPS-Daten der Agrar- und Waldflächen vorzulegen, stieß in der Vergangenheit auf Kritik, da die Beschaffung der Daten für die Land- und Forstbetriebe nicht umsetzbar oder bürokratisch überfordernd sei. Die NGOs kommen zu dem Schluss, dass die benötigten Daten ohnehin vorlägen, da sie auch für die Beantragung von EU-Agrarsubventionen oder nationale Förderungen gebraucht würden. Sollten die GPS-Daten der Produktionsflächen trotzdem fehlen, ließen sie sich – etwa mit Google Maps – “mit überschaubarem Aufwand kurzfristig beschaffen”, heißt es in dem Papier. Zudem verlange die EUDR keine GPS-Daten einzelner Bäume, sondern nur der von Holzeinschlag betroffenen Grundstücke.
Auch die in der EUDR geforderte Sorgfaltserklärung, die betroffene Unternehmen abgeben müssen, enthalte lediglich Informationen, die den EU-Landwirtschafts- oder Forstbetrieben bereits vorlägen. Die am Beginn einer Lieferkette stehenden Soja- und Rinder- sowie Forstwirtschaftsbetriebe hätten ohnehin geringeren bürokratischen Aufwand, da sie keine Informationen von Dritten ermitteln müssten, heißt es.
Bei Nicht-EU-Betrieben müsse zwar im Einzelfall mit Hindernissen bei der Beschaffung von nötigen Informationen zur Sorgfaltsprüfung gerechnet werden, jedoch gehe es um die Prüfung zur Legalität der Produkte. Kooperativen in Produktionsländern gingen davon aus, dass die EUDR helfen werde, Korruption innerhalb von Lieferketten zu bekämpfen, so der Faktencheck. Die Rückverfolgbarkeit werde als wichtiger Faktor betrachtet, um Lebensbedingungen in den Produktionsländern zu verbessern.
Zudem habe es unter anderem durch den Druck der EUDR auch außerhalb der EU bereits deutliche Verbesserungen bei der Bekämpfung von illegaler Entwaldung gegeben. Der Faktencheck erwähnt Fortschritte bei der Rückverfolgbarkeit von den betroffenen Produkten in Indonesien, Ecuador, Argentinien und Côte d’Ivoire. Sogar China suche nach Möglichkeiten, illegale Entwaldung in seinen Lieferketten zu verhindern.
Der Kritik, die EUDR verursache höhere Preise durch mehr Bürokratie, entgegnen die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, die erwartete Preissteigerung sei eine Folge des Klimawandels. “Die EUDR ist ein Instrument, das helfen soll, den Klimawandel zu verlangsamen.” Rückverfolgbare Lieferketten hätten im Kakaosektor zudem gezeigt, dass teure Zwischenhändler aus dem Markt ausscheiden.
Auch die Kritik – unter anderem von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir – Deutschland drohe, als Hochrisikoland behandelt zu werden, sollte die EU-Kommission die Einstufung nicht rechtzeitig vornehmen, lassen die NGOs nicht gelten. Ob ein Land oder eine Region mit niedrigem oder mittlerem Risiko für Entwaldung eingestuft wird, mache für Marktteilnehmer keinen Unterschied. Wenn die Entwaldungsfreiheit und Legalität eines Produkts belegbar ist, was für eine Einstufung als Niedrigrisikoland erforderlich ist, bedeute dies kaum “nennenswerten Mehraufwand” für EU-Länder.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer am Mittwoch vorgestellten Studie die Idee einer deutschen “PV-Reserve” ins Spiel gebracht. Dazu könnte eine Menge von Solarmodulen auf dem Weltmarkt eingekauft und eingelagert werden, die den Ausbaubedarf von ein bis zwei Jahren deckt. Bei Lieferengpässen könnte so Zeit gewonnen werden, um andere Importquellen zu erschließen oder die heimische Produktion hochzufahren, ohne dass Engpässe beim Ausbau drohen, so das DIW.
Der Ausbau der Photovoltaik kam in Deutschland zuletzt schneller voran als erwartet. So waren Mitte 2024 insgesamt Anlagen mit einer Kapazität von knapp 91 Gigawatt installiert. Die Planung der Bundesregierung ging von 88 Gigawatt bis Ende des Jahres aus.
Allerdings hängt der positive Trend stark von China ab. Von dort wurden einer Meldung des Statistischen Bundesamtes zufolge im vergangenen Jahr PV-Module im Wert von 3,6 Milliarden Euro nach Deutschland importiert. Mit knapp 87 Prozent war China somit das mit Abstand wichtigste Herkunftsland.
Gleichzeitig ging die inländische Produktion weiter zurück. So sank die Zahl der in Deutschland produzierten Solarmodule im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte auf rund 495.000 Stück. Angesichts der weltweiten Überkapazitäten und der starken Förderung der Branche in China und den USA hält das DIW einen Wiederaufbau der deutschen und europäischen Solarindustrie derzeit jedoch für politisch kaum durchsetzbar.
Der Net-Zero Industry Act der EU-Kommission sieht vor, dass im Jahr 2030 mindestens 40 Prozent aller in der EU benötigten PV-Module in Europa produziert werden. Dazu sollen Fabriken in Frankreich, Italien und Deutschland entstehen. Die Umsetzung steht aber erst am Anfang.
Statt eine PV-Reserve aufzubauen, könnte aus Sicht von DIW-Ökonom Wolf-Peter Schill auch das Tempo der Neuinstallationen weiter erhöht werden, “solange der Weltmarkt mit Modulen regelrecht überschwemmt ist”. Jedes bereits installierte Panel mindere die Notwendigkeit späterer Importe. ch
Der Deutsche Naturschutzring, der BUND, Campact, die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace und der Nabu fordern in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Genehmigung der Erdgasförderung vor Borkum zurückzunehmen. Eine Zustimmung “untergrabe die klimapolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands”.
Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) Niedersachsen hatte in dieser Woche der niederländischen Firma ONE-Dyas B.V. die Genehmigung für horizontale Bohrungen und Erdgasförderung im deutschen Hoheitsgebiet der Nordsee erteilt.
Die Umweltorganisationen sehen die Gasförderung auch als Gefahr für die Meeresumwelt und den Unesco-Status des Wattenmeers. “Für die Nordsee und das Wattenmeer ist diese Genehmigung eine Katastrophe”, sagte Susanne Gerstner vom BUND Niedersachsen. Das NGO-Bündnis kündigte auch juristische Schritte an. “Wir werden gegen die Genehmigung klagen”, sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner zu Table.Briefings. Vergangene Woche hatte das Verwaltungsgericht Oldenburg bereits den Bau eines Seekabels zur Stromversorgung der Gasbohrinsel durch ONE-Dyas untersagt.
LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier erklärte, die hohen Sicherheits- und Umweltstandards der Europäischen Union würden eingehalten: “Unsere Entscheidung haben wir mit Blick auf gesetzliche Vorgaben zum Klimaschutz überprüft.” Die Zulassung sei auf 18 Jahre befristet und ende vorzeitig, sobald in Deutschland kein Erdgas mehr benötigt werde. Zudem sei das heimische Erdgas deutlich weniger klimaschädlich als importierte Alternativen, erklärte Mühlenmeier.
ONE-Dyas betonte, dass das Unternehmen alle eingereichten Gutachten und Unterlagen sorgfältig geprüft habe. Die beantragten Richtbohrungen würden nicht in Schutzgebiete vordringen und seien mit dem Nationalpark “Niedersächsisches Wattenmeer” und dem Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer vereinbar. spm
Seit Dienstagmorgen streiken die Arbeiter der weltweit größten Kupfermine “Escondida” in Chile. Nachdem die Gewerkschaft Unión No. 1 sich in den Tarifverhandlungen nicht mit den Arbeitgebern einigen konnte, sind etwa 2.400 Arbeiter in einen Streik getreten. Der Bergwerksbetreiber gehört zu 57,5 Prozent dem australisch-britischen Bergbaukonzern BHP, zu 30 Prozent dem australischen Rio Tinto und zu 12,5 Prozent dem japanischen Jeco.
Laut chilenischen Medienberichten beschuldigen Gewerkschafter den multinationalen Konzern der “Verlängerung der Arbeitszeiten, des Verlusts grundlegender Leistungen wie der Verpflegung vor Ort und der Erhöhung der betrieblichen Anforderungen”. Sie kritisierten auch die Gesundheitsversorgung. Das Angebot einer Bonuszahlung über 28.900 US-Dollar pro Arbeiter lehnte die Gewerkschaft ab. Sie fordert stattdessen einen Bonus von einem Prozent der Aktionärsdividende, was etwa 36.000 US-Dollar entspräche.
BHP hat nach eigenen Angaben einen “minimalen Betrieb” durch nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte etabliert. Die Gewerkschaft kritisierte dies als “schwerwiegende gewerkschaftsfeindliche Praxis”, so Reuters.
Die Arbeiter des Escondida-Bergwerks in der nordchilenischen Atacama-Wüste bauten im vergangenen Jahr 1,1 Millionen Tonnen Kupfer ab. Das sind mehr als 20 Prozent der chilenischen und mehr als fünf Prozent der globalen Kupferproduktion. Ein 44-tägiger Streik im Jahr 2017 hatte Verluste in Höhe von 740 Millionen US-Dollar verursacht. Kupfer ist ein wichtiger Rohstoff für die Energiewende. Ein längerer Produktionsausfall in Chile könnte den Weltmarktpreis für das Metall in die Höhe treiben.
Auch Arbeiter der 730 Kilometer südlicher gelegenen Casarones-Kupfermine haben laut lokalen Medienberichten einen Streik begonnen. Die Mine wird von dem kanadischen Konzern Lundin Mining betrieben. leo
Fast 80 Nobelpreisträger und ehemalige Staatschefs kritisieren in einem offenen Brief, dass fossile Brennstoffe in einem Entwurf des UN-Verhandlungstexts zum Summit of the Future nicht mehr erwähnt werden. In einer früheren Version des Papiers war noch von einer “Beschleunigung” des “Übergangs weg von fossilen Brennstoffen” (‘transition away’) die Rede. Sie forderten am Dienstag dazu auf, diese Formulierung wieder in den Pact for the Future aufzunehmen.
Der Summit of the Future findet vom 20. bis 23. September in New York statt. Er soll die UN-Verhandlungen im Vorfeld der COP29 im November in Aserbaidschan vorantreiben. Die Erwähnung fossiler Brennstoffe in UN-Klimadokumenten war bis zur COP28 im vergangenen Jahr immer wieder blockiert worden – vor allem von OPEC-Mitgliedern sowie anderen großen Verschmutzern, um ihre Verpflichtungen kleinzuhalten. Erst 2023 wurden fossile Brennstoffe erstmals in einem COP-Abschlussdokument erwähnt. Damals einigten sich die Staaten auf die Formulierung “transition away from fossil fuels” – also den Übergang weg von fossilen Brennstoffen. lb
Laut einer Berechnung des US-Thinktanks Energy Innovation könnte ein zukünftiger US-Präsident Donald Trump die Fortschritte in der US-Klimapolitik fast komplett zunichtemachen. Würde Trump die klimapolitischen Inhalte des “Project 2025” umsetzen, würden die jährlichen Emissionen im Jahr 2030 noch bei 4,92 Gigatonnen CO₂-Äquivalenten liegen. Bei einer Fortführung der derzeitigen US-Politik würden die Emissionen hingegen auf 4,14 Gigatonnen im Jahr 2030 sinken. Die Differenz ist größer als die Gesamtemissionen Deutschlands, die 2023 bei 0,67 Gigatonnen CO₂-Äquivalenten lagen.
Laut den Analysten von Energy Innovation werden die US-Emissionen durch den Inflation Reduction Act (IRA), den Chips and Science Act und neue Umweltschutzregulierungen bis 2030 deutlich abnehmen. Würde Trump diese Maßnahmen und Förderprogramme zurückdrehen, wie es das von der Heritage Foundation geleitete, konservative “Project 2025” vorsieht, käme es kaum zu einer CO₂-Reduktion. Die Berechnungen von Energy Innovation gehen davon aus, dass Trump einen Großteil der IRA-Förderung rückgängig machen würde. Dazu zählen Steuererleichterungen für E-Autos, Ladestationen, Förderung für die Ansiedlung grüner Industrien, Steuererleichterungen für sauberen Strom, Carbon Capture and Storage (CCS) und Wasserstoff. Allerdings ist noch fraglich, ob Trump den Inflation Reduction Act komplett aufheben würde. Denn ein großer Teil der Steuererleichterungen und neuen Arbeitsplätze kommt republikanischen Staaten zugute. nib
Biodiesel-Skandal gefährdet eine Industrie: Ein Unternehmen rutscht in die Insolvenz – Frankfurter Rundschau
Landwärme, ein Biomethanversorger, Dienstleister und Berater aus Berlin, hat diese Woche Insolvenz angemeldet. Zum Verhängnis wurde der Firma anscheinend der mutmaßliche Betrug mit falsch deklariertem Biodiesel aus China. Durch die Schwemme aus Fernost seien die Preise für Treibhausgasminderungs-Quoten – die unter anderem die Mineralölindustrie gesetzlich vorweisen muss – in den Keller gegangen. Amy Walker berichtet über die Vorwürfe des Landwärme-Geschäftsführers. Politik und Behörden hätten die mutmaßlichen Betrugsfälle nicht konsequent genug bekämpft und so einen Milliardenschaden mitverursacht. Zum Artikel
Verbrenner-Absatz in China bricht ein – VW & Co. straucheln – Handelsblatt
In China gingen die Verkäufe von Verbrennern bergab, berichten Franz Hubik und Roman Tyborski. Im ersten Halbjahr 2024 hätte der Verbrenner-Anteil nur noch bei 59 Prozent gelegen – im Vergleich zu 94 Prozent vor vier Jahren. Bei Herstellern aus der westlichen Welt führe dies zu weniger Umsatz und Gewinn. Ein Grund: Hersteller aus China verkaufen mehr E-Autos, welche die Wünsche der Käufer nach Digitalität viel stärker berücksichtigen. Zum Artikel
Texas am Lech – Zeit
Bayern plant, eigenes Gas zu fördern. Zwischen Ammersee und Lech soll dafür gebohrt werden. Anja Stehle hat sich bei einer Bürgerbewegung umgehört, die das verhindern will. Laut und hell würde die Baustelle werden, fürchten die Neu-Aktivisten. Auch der Bohrturm sei ihnen ein Dorn im Auge. Der Landrat von der CSU befürchtet eine verschlechterte Energiebilanz und Einbußen im Tourismus. Zum Artikel
“This used to be a beautiful place”: how the US became the world’s biggest fossil fuel state – Guardian
Die USA produzieren aktuell mehr Öl und Gas als jedes andere Land in der Geschichte. Ganze Landstriche sind mittlerweile abhängig von dem lukrativen Geschäft mit den fossilen Brennstoffen. Das hat auch politische Auswirkungen. Oliver Milman berichtet aus dem US-Bundesstaat Louisiana. Zum Artikel
Sie wollen doch nur arbeiten, ohne zu sterben – Süddeutsche Zeitung
In einer Kobalt-Mine in Marokko streiken die Arbeiter. Christina Kunkel und Mauritius Much setzen die im vergangenen November begonnene Recherche über Missstände und Umweltprobleme in der Mine fort. Ein Bergmann sagt, dass sich die Arbeitssicherheit weiter verschlechtert habe. Er fürchte jede Schicht um sein Leben. Der deutsche PKW-Hersteller BMW bezieht Kobalt für Autobatterien aus dieser Mine. Zum Artikel
How Big Tech is quietly trying to reshape how pollution is reported – Financial Times
Techkonzerne aus den USA lobbyieren für eine Reform des Greenhouse Gas Protocol (GHG). Allerdings in unterschiedliche Richtungen, berichten Kenza Bryan, Camilla Hodgson und Jana Tauschinski. Während Amazon und Meta die Regeln zur Berechnung ihres CO₂-Ausstoßes gerne lockern würden, treten andere Unternehmen für eine Verschärfung ein. Da sich Behörden in Europa und den USA auf die GHG-Regeln beziehen, stehe viel CO₂ und viel Geld auf dem Spiel. Zum Artikel
Unwetter: Ist die Schweiz bald auch unversicherbar? – Basler Zeitung
Der Schweizerische Versicherungsverband wagte Mitte Juli eine erste Schätzung der versicherten Unwetterschäden in diesem Jahr – und kam auf 160 bis 200 Millionen Franken. Nora Scheel beklagt in ihrem Gastbeitrag, dass sich die Versicherungen nun aus der Deckung von Gebäuden in Regionen mit vielen extremen Wetterereignissen zurückziehen, gleichzeitig aber weiter Geschäfte mit der Kohle-, Öl- und Gasindustrie machen. Zum Artikel
How Extreme Heat Is Threatening Education Progress Worldwide – New York Times
Die anhaltende Verbrennung fossiler Energieträger führt an vielen Orten der Welt zu einer deutlichen Zunahme extremer Wetterereignisse. Eine Folge: Schulen müssen oft tagelang, manchmal sogar wochenlang geschlossen bleiben. Das drohe, schreibt Somini Sengupta, eine der größten globalen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zu untergraben: die Bildung von Kindern. Zum Artikel
Geschichten, die bewegen – das ist das Metier von Anabel Bermejo. “Nur mit gut erzählten Geschichten kann man Menschen in Deutschland nahebringen, dass uns fast alle Ungerechtigkeiten auf der Welt etwas angehen.” 13 Jahre lang war die heute 53-Jährige Pressesprecherin von Menschenrechtsorganisationen. Seit 2020 ist sie für die Kommunikationsagentur “better nau” tätig. Die Agentur bietet für NGOs, Stiftungen, Institutionen und ausgewählte Unternehmen unter anderem Interview-Trainings und strategische Kommunikationsberatung, redigiert Jahresberichte und unterstützt beim Thema Social Media.
Immer noch gehe es ihr vor allem um Gerechtigkeit, sagt Bermejo. Sie ist ein Gastarbeiterkind – ihre Eltern kamen in den 1960er-Jahren aus Spanien nach Deutschland und arbeiteten in einer Woll- und Garnfabrik in Freiburg: “So weiß man: Menschen verlassen ihr Land nicht leichtfertig, sondern aus Not.” Doch entscheidend für ihren Werdegang sei die ehrenamtliche Arbeit ihres Vaters in einem Freiburger Gefängnis gewesen. Er besuchte Häftlinge, vor allem aus Lateinamerika, unterhielt sich mit ihnen, versorgte sie mit Büchern, hielt Kontakt zu ihren Familien.
Schon während ihres Studiums der Geschichte, Politikwissenschaft und Romanistik in Köln absolvierte Bermejo journalistische Praktika. Sie merkte, wie viel Spaß es ihr machte, Geschichten rund um wichtige Themen zu entwickeln. Nach der Geburt ihrer ersten Tochter wechselte sie vom Nachrichtensender N-TV, wo sie als Fernsehredakteurin gearbeitet hatte, zu Amnesty International als Pressesprecherin. Sie baute bei Amnesty das Audiovisuelle aus und beschäftigte sich zum Beispiel mit den Menschenrechtsverletzungen im US-Militärgefängnis Guantánamo. “Das Thema hat wehgetan. Es ging mal nicht um Diktatoren in Südamerika oder Asien, sondern um Folter und Willkür in demokratischen Staaten des Westens.” 2011 wurde sie Pressesprecherin des Polittalks “Günther Jauch”, dann zog es Bermejo 2014 erneut zu einer Menschenrechtsorganisation – dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).
Kurz nach ihrem Start initiierte das ECCHR eine bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland nie dagewesene Klage: Es ging um den Brand in der pakistanischen Textilfabrik Ali Enterprises. 258 Menschen waren dabei am 11. September 2012 ums Leben gekommen. Gemeinsam mit dem ECCHR forderten die Überlebenden und Hinterbliebenen 2015 Schadensersatz vom deutschen Textildiscounter KiK, dem Hauptkunden der Fabrik. Als Leiterin der Kommunikation plante Bermejo die gesamte Öffentlichkeitsarbeit – sie schrieb Pressetexte, bereitete Kolleginnen und Kollegen auf Interviews vor, organisierte Pressekonferenzen oder moderierte Panel-Diskussionen.
“Die Arbeiterinnen und Arbeiter erstickten oder verbrannten, weil viele Fenster vergittert waren”, sagt Bermejo. “Die Notausgänge waren verschlossen, und nur eine Tür des Gebäudes stand offen.” Sie erzählt auch, dass der zuständige Richter am Landgericht Dortmund eine Mutter, die bei dem Brand ihren Sohn verloren hatte, nicht zu Wort kommen ließ – für Bermejo ein persönlicher Schlüsselmoment: “Ich glaube, das ist es, was mich antreibt. Dazu beizutragen, dass diese Stimmen gehört werden.”
Auch wenn das Gericht die Klage am Ende wegen Verjährung ablehnte, hat sie viel bewirkt, sagt Bermejo. “Sie hat gezeigt, wer den eigentlichen Preis für unseren Konsum im globalen Norden zahlt.” Sie hält das EU-Lieferkettengesetz für einen guten und wichtigen Schritt, weil es am Anfang der Lieferkette ansetzt und eine zivilrechtliche Haftungsregel enthält: Aus ihrer Sicht ist das Gesetz trotz aller Mängel ein Paradigmenwechsel. “Es hätte den Betroffenen des Ali-Enterprises-Brandes sicher geholfen, ihre Rechte einzuklagen.” Luca Wolpers
Research.Table – Fusionsforschung: Akademien-Papier offenbart politisches Dilemma: Die wissenschaftlichen Akademien zeichnen in einem Impuls zur Kernfusion das Bild einer vielversprechenden Technologie, die noch mit zahlreichen Unwägbarkeiten kämpft. Es braucht Geld, was aber nicht zulasten der Erneuerbaren gehen darf. Daraus ergibt sich ein politisches Dilemma. Zum Artikel
Climate.Table – Wärmepumpen: Warum die Lage besser ist, als die Statistik nahelegt: Auf einer dreitägigen Reise wollte Robert Habeck Falschinformationen über Wärmepumpen widerlegen. Denn deren Verkaufszahlen bleiben deutlich hinter den Erwartungen des BMWK zurück. Allerdings sind sie deutlich besser als oft vermeldet, denn die Statistik vermittelt ein falsches Bild. Zum Artikel
China.Table – Stromnetz: So will Peking den Weg für Erneuerbare freimachen: China baut in Rekordtempo die erneuerbaren Energien aus. Flaschenhals sind bislang die Stromnetze. Nun soll kräftig investiert werden, damit Solar und Wind besser eingespeist werden können. Zum Artikel
Lob für politische Entscheidungen ist selten – in dieser Ausgabe können wir aber sogar zweimal darüber berichten. Zumal: von unterschiedlichen Seiten der politischen Auseinandersetzungen um die Transformation zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft.
Zum einen haben Nicolas Heronymus und ich mit Martin Schneider gesprochen, dem Hauptgeschäftsführer des Vereins Deutscher Zementwerke. Seine Branche, sagen Kritiker, hat die Dekarbonisierung bislang verschlafen. Nun soll es laut Schneider umso schneller gehen. Von der Politik fühlt sich sein Verband dabei gut unterstützt: Förderprogramme und Pläne, bei der öffentlichen Beschaffung “grüne” Zemente zu bevorzugen, gefallen ihm gut. Nur bei der Finanzierung der Leitungen, in denen als unvermeidbar geltende CO₂-Emissionen transportiert werden sollen, sieht er noch politischen Handlungsbedarf.
Auf der anderen Seite haben sich Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen zu Wort gemeldet, um die EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) gegen – aus ihrer Sicht – überzogene Kritik zu verteidigen. Lukas Knigge hat aufgeschrieben, warum die NGOs die Verordnung für gelungen halten. Anders als behauptet, brauche es kaum neue Daten. Auch Preissteigerungen, die viele befürchten, seien nicht zu erwarten. Vielmehr helfe die Verordnung, den Klimawandel und damit auch Preissteigerungen bei Lebensmitteln zu verlangsamen.
Table.Briefings: Sehr geehrter Herr Schneider, die Stahlindustrie hat ein Siegel für CO₂-armen Stahl vorgestellt, und die Bundesregierung plant, solchen Stahl in öffentlichen Ausschreibungen zu bevorzugen. Gibt es auch Pläne für ein grünes Zementsiegel?
Martin Schneider: Das BMWK hat mit den grünen Leitmärkten und den Anforderungen an die Baustoffe die Klassifizierung für CO₂-Gehalte im Zement vorgegeben. Ob man daraus ein echtes Siegel macht, oder ob dieses Level auf andere Weise verifiziert wird, ist eine offene Frage. Auf jeden Fall wird man dem Zement künftig seinen CO₂-Gehalt ansehen. Dann könnte die öffentliche Hand den CO₂-Fußabdruck in den Ausschreibungen neben dem Preis zu einem weiteren Kriterium machen.
Die Zementindustrie wird trotz vieler möglicher Dekarbonisierungsschritte weiter CO₂-Emissionen verursachen. In einer Studie haben Sie sich mit Carbon Capture and Storage (CCS) befasst. Darin steht, dass in vier Jahren schon erste CO₂-Leitungen in Betrieb gehen sollen. 2035 soll dann das ganze CO₂-Leitungsnetz fertig sein. Sind diese Zeiträume realistisch?
Was wäre denn die Alternative? Können wir es uns noch leisten, bis 2050 zu warten? Schon der EU-Emissionshandel zwingt uns zum Handeln: Zementhersteller und andere Branchen im EU-Emissionshandel müssen bereits bis 2040 weitgehend klimaneutral produzieren. Da kann ich mir die Frage stellen: Sind die Zeiträume realistisch oder nicht? Ich sage es einmal andersherum: Die Faktenlage erfordert es.
Mit der Kohlenstoffmanagement-Strategie und dem Kohlenstoffdioxid-Transportgesetz hat die Bundesregierung die Rahmenbedingungen noch einmal geprüft und überlegt, wo was beschleunigt werden kann. Da bin ich sehr optimistisch. Und es ist ja alles da. Wir müssen es nur zusammenfügen.
Das CO₂-Leitungsnetz wird einige Milliarden Euro kosten. Wünschen Sie sich eine Beteiligung des Staats bei der Finanzierung?
Die Politik hat vorgegeben, dass das Netz privatwirtschaftlich finanziert werden muss. Die Herausforderung ist: Wie kann ich in die großen Investitionen gehen, wenn ich am Anfang noch keinen “Return on Investment” erkenne? Da wird man Absicherungsmodelle finden müssen, um dieses Risiko der Netzbetreiber abzufedern. Die Finanzierung ist nicht das Problem. Das Problem ist das Risikomanagement in dieser Übergangsphase.
Das heißt, der Staat, die Gesellschaft, müsste dieses Risiko tragen?
Die Politik muss auf jeden Fall den Rahmen setzen, damit das Risiko abgefedert wird. Wenn Sie damit meinen, dass letztlich die Gesellschaft das Risiko trägt, dann ist die Antwort: Ja. Wir müssen zu Beginn der Transformation auf der Herstellerseite viel Geld in die Hand nehmen. Auch die Netzbetreiber müssen in Vorleistung gehen. Der Markt ist noch nicht da. Aber wenn die Systeme eingeschwungen sind, haben wir als Gesellschaft auch einen riesigen Benefit: eine CO₂-freie Grundstoffindustrie.
Es gibt bereits viele Förderlinien, beispielsweise die Klimaschutzverträge. Sehen Sie sich hinreichend unterstützt in der Transformation?
Die Klimaschutzverträge sind extrem gut. Da haben sich die Verantwortlichen in der Politik wirklich Gedanken gemacht, wie man das geschickt finanziert. Auf europäischer Ebene gibt es den Innovationsfonds, der sehr hilfreich ist. In der Praxis wird sich zeigen, auf welche Dinge man noch einmal schauen muss. Es kostet schon viel Zeit und Aufwand, bis tatsächlich etwas passiert. Aber ich finde es richtig klasse, dass unsere Industrie nicht alleingelassen wird.
Ein Verbandsvertreter, der nicht sagt: “Wir brauchen mehr Förderung”. Das ist selten!
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, ich bin zufrieden mit der Förderung. Was wir jetzt haben, ist erst einmal richtig gut, damit können wir anfangen. Die Politik muss ich an der Stelle auch einmal loben: In einer Zeit, in der die Politik sich ja auch mit vielen anderen Themen beschäftigen muss, bei denen sie vielleicht nicht immer glänzen kann, haben wir ein gutes Paket bekommen. Da muss ich schon sagen: Hut ab!
Ein großes Transformationsthema in der Bauindustrie ist die Kreislaufwirtschaft. Welche Rolle spielt zirkuläres Wirtschaften für die Zementhersteller?
Die Kreislaufwirtschaft ist in der ganzen Wertschöpfungskette wichtig. Beton kann zu 100 Prozent wiederverwertet werden. Das setzt voraus, dass dieser Beton möglichst sortenrein ist, deshalb ist eine gute Aufbereitung des Altbetons das A und O.
Neben der Ressourcenschonung wollen wir auch den Klinkergehalt und damit den CO₂-Fußabdruck des Zements optimieren. Dabei stellt sich die Frage, welche anderen Stoffe eingesetzt werden können. Das sind heute etwa Hüttensand oder Kalksteinmehl, künftig werden dies auch neue Stoffe wie beispielsweise calcinierte Tone oder Ziegelmehl sein.
Werden weiterhin auch primäre Rohstoffe in der Zementherstellung benötigt?
Grundsätzlich lässt sich gebrochener und aufbereiteter Beton eins zu eins einsetzen, und dann brauchen Sie im Prinzip kein primäres Rohmaterial. Allerdings haben wir noch nicht so viel Recyclingmaterial, um damit jeden Beton in Deutschland herzustellen. Daher sind wir nach wie vor auf primäre Rohstoffe angewiesen.
Wichtig ist zu schauen, was wo am besten passt und den höchsten Beitrag zur CO₂-Minderung bringt. Die Zemente, die wir morgen brauchen, sind dann anspruchsvoller als heute. Am Ende sind es Hi-Tech-Produkte für unterschiedliche Anwendungen. Um Zemente bei der Anwendung immer optimal einzustellen, werden aber auch Neuerungen in den Normen und in den Abläufen auf den Baustellen nötig sein.
Rechnen Sie damit, dass Sie in Zukunft kleinere Mengen verkaufen?
Wir werden effizienter mit dem Klinker im Zement umgehen, effizienter mit dem Zement im Beton und effizienter mit dem Beton im Bauteil. Je effizienter wir sind, desto weniger müssen wir mit großem wirtschaftlichem Aufwand die CO₂-Emissionen senken.
Aber auch wenn wir sehr viel effizienter mit dem Material umgehen, bleibt die Frage: Welchen Bedarf haben wir an zu erneuernder Infrastruktur, an Gebäuden, an Wohnungen? Ich glaube, dass wir im Mittel auch langfristig von einem stabilen Baubedarf in unserem Land ausgehen können. Beim Zement können wir von einer vergleichbaren Menge ausgehen.
Eine Gruppe von Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen, darunter der WWF, Germanwatch, Oroverde und DUH, spricht von Missverständnissen in der öffentlichen Debatte um die EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR). Wirkungsweise der Verordnung und Zeitaufwand der Umsetzung seien häufig irreführend wiedergegeben worden. Daher fordern die NGOs, dass das Gesetz pünktlich Ende dieses Jahres wirksam wird.
Zuletzt waren die Stimmen derer lauter geworden, die das Gesetz als zu bürokratisch kritisieren und eine Überforderung vor allem von kleineren Forst- und Landwirten befürchten. Teile der Industrie sowie auch die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP) sprachen sich für eine Verschiebung der Verordnung aus. Die Kritik an der Entwaldungsverordnung sei “übertrieben, unsachlich und von Missverständnissen geprägt”, entgegnet Kathrin Samson, Vorständin Naturschutz beim WWF Deutschland. Die von “einigen Politikern und Lobbyisten verbreitete Panikmache” habe mit der Realität wenig zu tun.
Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee und Kautschuk sowie einige daraus hergestellte Produkte fallen ab dem 30. Dezember 2024 unter die EUDR. Sie legt verbindliche Sorgfaltspflichten für Marktteilnehmer beim Import und Export dieser Produkte fest und soll Entwaldung und Waldzerstörung in und außerhalb der EU verhindern sowie die CO₂-Emissionen um mindestens 32 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren. Zunächst gilt sie nur für große und mittlere Unternehmen, ab Mitte 2025 auch für Klein- und Kleinstbetriebe.
In einem gemeinsamen Positionspapier unterziehen die Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen zehn “Fehlannahmen” einem Faktencheck. Sie überprüfen darin unter anderem die Vorwürfe an die EUDR zu:
Insbesondere die Anforderung der EUDR, GPS-Daten der Agrar- und Waldflächen vorzulegen, stieß in der Vergangenheit auf Kritik, da die Beschaffung der Daten für die Land- und Forstbetriebe nicht umsetzbar oder bürokratisch überfordernd sei. Die NGOs kommen zu dem Schluss, dass die benötigten Daten ohnehin vorlägen, da sie auch für die Beantragung von EU-Agrarsubventionen oder nationale Förderungen gebraucht würden. Sollten die GPS-Daten der Produktionsflächen trotzdem fehlen, ließen sie sich – etwa mit Google Maps – “mit überschaubarem Aufwand kurzfristig beschaffen”, heißt es in dem Papier. Zudem verlange die EUDR keine GPS-Daten einzelner Bäume, sondern nur der von Holzeinschlag betroffenen Grundstücke.
Auch die in der EUDR geforderte Sorgfaltserklärung, die betroffene Unternehmen abgeben müssen, enthalte lediglich Informationen, die den EU-Landwirtschafts- oder Forstbetrieben bereits vorlägen. Die am Beginn einer Lieferkette stehenden Soja- und Rinder- sowie Forstwirtschaftsbetriebe hätten ohnehin geringeren bürokratischen Aufwand, da sie keine Informationen von Dritten ermitteln müssten, heißt es.
Bei Nicht-EU-Betrieben müsse zwar im Einzelfall mit Hindernissen bei der Beschaffung von nötigen Informationen zur Sorgfaltsprüfung gerechnet werden, jedoch gehe es um die Prüfung zur Legalität der Produkte. Kooperativen in Produktionsländern gingen davon aus, dass die EUDR helfen werde, Korruption innerhalb von Lieferketten zu bekämpfen, so der Faktencheck. Die Rückverfolgbarkeit werde als wichtiger Faktor betrachtet, um Lebensbedingungen in den Produktionsländern zu verbessern.
Zudem habe es unter anderem durch den Druck der EUDR auch außerhalb der EU bereits deutliche Verbesserungen bei der Bekämpfung von illegaler Entwaldung gegeben. Der Faktencheck erwähnt Fortschritte bei der Rückverfolgbarkeit von den betroffenen Produkten in Indonesien, Ecuador, Argentinien und Côte d’Ivoire. Sogar China suche nach Möglichkeiten, illegale Entwaldung in seinen Lieferketten zu verhindern.
Der Kritik, die EUDR verursache höhere Preise durch mehr Bürokratie, entgegnen die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, die erwartete Preissteigerung sei eine Folge des Klimawandels. “Die EUDR ist ein Instrument, das helfen soll, den Klimawandel zu verlangsamen.” Rückverfolgbare Lieferketten hätten im Kakaosektor zudem gezeigt, dass teure Zwischenhändler aus dem Markt ausscheiden.
Auch die Kritik – unter anderem von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir – Deutschland drohe, als Hochrisikoland behandelt zu werden, sollte die EU-Kommission die Einstufung nicht rechtzeitig vornehmen, lassen die NGOs nicht gelten. Ob ein Land oder eine Region mit niedrigem oder mittlerem Risiko für Entwaldung eingestuft wird, mache für Marktteilnehmer keinen Unterschied. Wenn die Entwaldungsfreiheit und Legalität eines Produkts belegbar ist, was für eine Einstufung als Niedrigrisikoland erforderlich ist, bedeute dies kaum “nennenswerten Mehraufwand” für EU-Länder.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer am Mittwoch vorgestellten Studie die Idee einer deutschen “PV-Reserve” ins Spiel gebracht. Dazu könnte eine Menge von Solarmodulen auf dem Weltmarkt eingekauft und eingelagert werden, die den Ausbaubedarf von ein bis zwei Jahren deckt. Bei Lieferengpässen könnte so Zeit gewonnen werden, um andere Importquellen zu erschließen oder die heimische Produktion hochzufahren, ohne dass Engpässe beim Ausbau drohen, so das DIW.
Der Ausbau der Photovoltaik kam in Deutschland zuletzt schneller voran als erwartet. So waren Mitte 2024 insgesamt Anlagen mit einer Kapazität von knapp 91 Gigawatt installiert. Die Planung der Bundesregierung ging von 88 Gigawatt bis Ende des Jahres aus.
Allerdings hängt der positive Trend stark von China ab. Von dort wurden einer Meldung des Statistischen Bundesamtes zufolge im vergangenen Jahr PV-Module im Wert von 3,6 Milliarden Euro nach Deutschland importiert. Mit knapp 87 Prozent war China somit das mit Abstand wichtigste Herkunftsland.
Gleichzeitig ging die inländische Produktion weiter zurück. So sank die Zahl der in Deutschland produzierten Solarmodule im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte auf rund 495.000 Stück. Angesichts der weltweiten Überkapazitäten und der starken Förderung der Branche in China und den USA hält das DIW einen Wiederaufbau der deutschen und europäischen Solarindustrie derzeit jedoch für politisch kaum durchsetzbar.
Der Net-Zero Industry Act der EU-Kommission sieht vor, dass im Jahr 2030 mindestens 40 Prozent aller in der EU benötigten PV-Module in Europa produziert werden. Dazu sollen Fabriken in Frankreich, Italien und Deutschland entstehen. Die Umsetzung steht aber erst am Anfang.
Statt eine PV-Reserve aufzubauen, könnte aus Sicht von DIW-Ökonom Wolf-Peter Schill auch das Tempo der Neuinstallationen weiter erhöht werden, “solange der Weltmarkt mit Modulen regelrecht überschwemmt ist”. Jedes bereits installierte Panel mindere die Notwendigkeit späterer Importe. ch
Der Deutsche Naturschutzring, der BUND, Campact, die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace und der Nabu fordern in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Genehmigung der Erdgasförderung vor Borkum zurückzunehmen. Eine Zustimmung “untergrabe die klimapolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands”.
Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) Niedersachsen hatte in dieser Woche der niederländischen Firma ONE-Dyas B.V. die Genehmigung für horizontale Bohrungen und Erdgasförderung im deutschen Hoheitsgebiet der Nordsee erteilt.
Die Umweltorganisationen sehen die Gasförderung auch als Gefahr für die Meeresumwelt und den Unesco-Status des Wattenmeers. “Für die Nordsee und das Wattenmeer ist diese Genehmigung eine Katastrophe”, sagte Susanne Gerstner vom BUND Niedersachsen. Das NGO-Bündnis kündigte auch juristische Schritte an. “Wir werden gegen die Genehmigung klagen”, sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner zu Table.Briefings. Vergangene Woche hatte das Verwaltungsgericht Oldenburg bereits den Bau eines Seekabels zur Stromversorgung der Gasbohrinsel durch ONE-Dyas untersagt.
LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier erklärte, die hohen Sicherheits- und Umweltstandards der Europäischen Union würden eingehalten: “Unsere Entscheidung haben wir mit Blick auf gesetzliche Vorgaben zum Klimaschutz überprüft.” Die Zulassung sei auf 18 Jahre befristet und ende vorzeitig, sobald in Deutschland kein Erdgas mehr benötigt werde. Zudem sei das heimische Erdgas deutlich weniger klimaschädlich als importierte Alternativen, erklärte Mühlenmeier.
ONE-Dyas betonte, dass das Unternehmen alle eingereichten Gutachten und Unterlagen sorgfältig geprüft habe. Die beantragten Richtbohrungen würden nicht in Schutzgebiete vordringen und seien mit dem Nationalpark “Niedersächsisches Wattenmeer” und dem Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer vereinbar. spm
Seit Dienstagmorgen streiken die Arbeiter der weltweit größten Kupfermine “Escondida” in Chile. Nachdem die Gewerkschaft Unión No. 1 sich in den Tarifverhandlungen nicht mit den Arbeitgebern einigen konnte, sind etwa 2.400 Arbeiter in einen Streik getreten. Der Bergwerksbetreiber gehört zu 57,5 Prozent dem australisch-britischen Bergbaukonzern BHP, zu 30 Prozent dem australischen Rio Tinto und zu 12,5 Prozent dem japanischen Jeco.
Laut chilenischen Medienberichten beschuldigen Gewerkschafter den multinationalen Konzern der “Verlängerung der Arbeitszeiten, des Verlusts grundlegender Leistungen wie der Verpflegung vor Ort und der Erhöhung der betrieblichen Anforderungen”. Sie kritisierten auch die Gesundheitsversorgung. Das Angebot einer Bonuszahlung über 28.900 US-Dollar pro Arbeiter lehnte die Gewerkschaft ab. Sie fordert stattdessen einen Bonus von einem Prozent der Aktionärsdividende, was etwa 36.000 US-Dollar entspräche.
BHP hat nach eigenen Angaben einen “minimalen Betrieb” durch nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte etabliert. Die Gewerkschaft kritisierte dies als “schwerwiegende gewerkschaftsfeindliche Praxis”, so Reuters.
Die Arbeiter des Escondida-Bergwerks in der nordchilenischen Atacama-Wüste bauten im vergangenen Jahr 1,1 Millionen Tonnen Kupfer ab. Das sind mehr als 20 Prozent der chilenischen und mehr als fünf Prozent der globalen Kupferproduktion. Ein 44-tägiger Streik im Jahr 2017 hatte Verluste in Höhe von 740 Millionen US-Dollar verursacht. Kupfer ist ein wichtiger Rohstoff für die Energiewende. Ein längerer Produktionsausfall in Chile könnte den Weltmarktpreis für das Metall in die Höhe treiben.
Auch Arbeiter der 730 Kilometer südlicher gelegenen Casarones-Kupfermine haben laut lokalen Medienberichten einen Streik begonnen. Die Mine wird von dem kanadischen Konzern Lundin Mining betrieben. leo
Fast 80 Nobelpreisträger und ehemalige Staatschefs kritisieren in einem offenen Brief, dass fossile Brennstoffe in einem Entwurf des UN-Verhandlungstexts zum Summit of the Future nicht mehr erwähnt werden. In einer früheren Version des Papiers war noch von einer “Beschleunigung” des “Übergangs weg von fossilen Brennstoffen” (‘transition away’) die Rede. Sie forderten am Dienstag dazu auf, diese Formulierung wieder in den Pact for the Future aufzunehmen.
Der Summit of the Future findet vom 20. bis 23. September in New York statt. Er soll die UN-Verhandlungen im Vorfeld der COP29 im November in Aserbaidschan vorantreiben. Die Erwähnung fossiler Brennstoffe in UN-Klimadokumenten war bis zur COP28 im vergangenen Jahr immer wieder blockiert worden – vor allem von OPEC-Mitgliedern sowie anderen großen Verschmutzern, um ihre Verpflichtungen kleinzuhalten. Erst 2023 wurden fossile Brennstoffe erstmals in einem COP-Abschlussdokument erwähnt. Damals einigten sich die Staaten auf die Formulierung “transition away from fossil fuels” – also den Übergang weg von fossilen Brennstoffen. lb
Laut einer Berechnung des US-Thinktanks Energy Innovation könnte ein zukünftiger US-Präsident Donald Trump die Fortschritte in der US-Klimapolitik fast komplett zunichtemachen. Würde Trump die klimapolitischen Inhalte des “Project 2025” umsetzen, würden die jährlichen Emissionen im Jahr 2030 noch bei 4,92 Gigatonnen CO₂-Äquivalenten liegen. Bei einer Fortführung der derzeitigen US-Politik würden die Emissionen hingegen auf 4,14 Gigatonnen im Jahr 2030 sinken. Die Differenz ist größer als die Gesamtemissionen Deutschlands, die 2023 bei 0,67 Gigatonnen CO₂-Äquivalenten lagen.
Laut den Analysten von Energy Innovation werden die US-Emissionen durch den Inflation Reduction Act (IRA), den Chips and Science Act und neue Umweltschutzregulierungen bis 2030 deutlich abnehmen. Würde Trump diese Maßnahmen und Förderprogramme zurückdrehen, wie es das von der Heritage Foundation geleitete, konservative “Project 2025” vorsieht, käme es kaum zu einer CO₂-Reduktion. Die Berechnungen von Energy Innovation gehen davon aus, dass Trump einen Großteil der IRA-Förderung rückgängig machen würde. Dazu zählen Steuererleichterungen für E-Autos, Ladestationen, Förderung für die Ansiedlung grüner Industrien, Steuererleichterungen für sauberen Strom, Carbon Capture and Storage (CCS) und Wasserstoff. Allerdings ist noch fraglich, ob Trump den Inflation Reduction Act komplett aufheben würde. Denn ein großer Teil der Steuererleichterungen und neuen Arbeitsplätze kommt republikanischen Staaten zugute. nib
Biodiesel-Skandal gefährdet eine Industrie: Ein Unternehmen rutscht in die Insolvenz – Frankfurter Rundschau
Landwärme, ein Biomethanversorger, Dienstleister und Berater aus Berlin, hat diese Woche Insolvenz angemeldet. Zum Verhängnis wurde der Firma anscheinend der mutmaßliche Betrug mit falsch deklariertem Biodiesel aus China. Durch die Schwemme aus Fernost seien die Preise für Treibhausgasminderungs-Quoten – die unter anderem die Mineralölindustrie gesetzlich vorweisen muss – in den Keller gegangen. Amy Walker berichtet über die Vorwürfe des Landwärme-Geschäftsführers. Politik und Behörden hätten die mutmaßlichen Betrugsfälle nicht konsequent genug bekämpft und so einen Milliardenschaden mitverursacht. Zum Artikel
Verbrenner-Absatz in China bricht ein – VW & Co. straucheln – Handelsblatt
In China gingen die Verkäufe von Verbrennern bergab, berichten Franz Hubik und Roman Tyborski. Im ersten Halbjahr 2024 hätte der Verbrenner-Anteil nur noch bei 59 Prozent gelegen – im Vergleich zu 94 Prozent vor vier Jahren. Bei Herstellern aus der westlichen Welt führe dies zu weniger Umsatz und Gewinn. Ein Grund: Hersteller aus China verkaufen mehr E-Autos, welche die Wünsche der Käufer nach Digitalität viel stärker berücksichtigen. Zum Artikel
Texas am Lech – Zeit
Bayern plant, eigenes Gas zu fördern. Zwischen Ammersee und Lech soll dafür gebohrt werden. Anja Stehle hat sich bei einer Bürgerbewegung umgehört, die das verhindern will. Laut und hell würde die Baustelle werden, fürchten die Neu-Aktivisten. Auch der Bohrturm sei ihnen ein Dorn im Auge. Der Landrat von der CSU befürchtet eine verschlechterte Energiebilanz und Einbußen im Tourismus. Zum Artikel
“This used to be a beautiful place”: how the US became the world’s biggest fossil fuel state – Guardian
Die USA produzieren aktuell mehr Öl und Gas als jedes andere Land in der Geschichte. Ganze Landstriche sind mittlerweile abhängig von dem lukrativen Geschäft mit den fossilen Brennstoffen. Das hat auch politische Auswirkungen. Oliver Milman berichtet aus dem US-Bundesstaat Louisiana. Zum Artikel
Sie wollen doch nur arbeiten, ohne zu sterben – Süddeutsche Zeitung
In einer Kobalt-Mine in Marokko streiken die Arbeiter. Christina Kunkel und Mauritius Much setzen die im vergangenen November begonnene Recherche über Missstände und Umweltprobleme in der Mine fort. Ein Bergmann sagt, dass sich die Arbeitssicherheit weiter verschlechtert habe. Er fürchte jede Schicht um sein Leben. Der deutsche PKW-Hersteller BMW bezieht Kobalt für Autobatterien aus dieser Mine. Zum Artikel
How Big Tech is quietly trying to reshape how pollution is reported – Financial Times
Techkonzerne aus den USA lobbyieren für eine Reform des Greenhouse Gas Protocol (GHG). Allerdings in unterschiedliche Richtungen, berichten Kenza Bryan, Camilla Hodgson und Jana Tauschinski. Während Amazon und Meta die Regeln zur Berechnung ihres CO₂-Ausstoßes gerne lockern würden, treten andere Unternehmen für eine Verschärfung ein. Da sich Behörden in Europa und den USA auf die GHG-Regeln beziehen, stehe viel CO₂ und viel Geld auf dem Spiel. Zum Artikel
Unwetter: Ist die Schweiz bald auch unversicherbar? – Basler Zeitung
Der Schweizerische Versicherungsverband wagte Mitte Juli eine erste Schätzung der versicherten Unwetterschäden in diesem Jahr – und kam auf 160 bis 200 Millionen Franken. Nora Scheel beklagt in ihrem Gastbeitrag, dass sich die Versicherungen nun aus der Deckung von Gebäuden in Regionen mit vielen extremen Wetterereignissen zurückziehen, gleichzeitig aber weiter Geschäfte mit der Kohle-, Öl- und Gasindustrie machen. Zum Artikel
How Extreme Heat Is Threatening Education Progress Worldwide – New York Times
Die anhaltende Verbrennung fossiler Energieträger führt an vielen Orten der Welt zu einer deutlichen Zunahme extremer Wetterereignisse. Eine Folge: Schulen müssen oft tagelang, manchmal sogar wochenlang geschlossen bleiben. Das drohe, schreibt Somini Sengupta, eine der größten globalen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zu untergraben: die Bildung von Kindern. Zum Artikel
Geschichten, die bewegen – das ist das Metier von Anabel Bermejo. “Nur mit gut erzählten Geschichten kann man Menschen in Deutschland nahebringen, dass uns fast alle Ungerechtigkeiten auf der Welt etwas angehen.” 13 Jahre lang war die heute 53-Jährige Pressesprecherin von Menschenrechtsorganisationen. Seit 2020 ist sie für die Kommunikationsagentur “better nau” tätig. Die Agentur bietet für NGOs, Stiftungen, Institutionen und ausgewählte Unternehmen unter anderem Interview-Trainings und strategische Kommunikationsberatung, redigiert Jahresberichte und unterstützt beim Thema Social Media.
Immer noch gehe es ihr vor allem um Gerechtigkeit, sagt Bermejo. Sie ist ein Gastarbeiterkind – ihre Eltern kamen in den 1960er-Jahren aus Spanien nach Deutschland und arbeiteten in einer Woll- und Garnfabrik in Freiburg: “So weiß man: Menschen verlassen ihr Land nicht leichtfertig, sondern aus Not.” Doch entscheidend für ihren Werdegang sei die ehrenamtliche Arbeit ihres Vaters in einem Freiburger Gefängnis gewesen. Er besuchte Häftlinge, vor allem aus Lateinamerika, unterhielt sich mit ihnen, versorgte sie mit Büchern, hielt Kontakt zu ihren Familien.
Schon während ihres Studiums der Geschichte, Politikwissenschaft und Romanistik in Köln absolvierte Bermejo journalistische Praktika. Sie merkte, wie viel Spaß es ihr machte, Geschichten rund um wichtige Themen zu entwickeln. Nach der Geburt ihrer ersten Tochter wechselte sie vom Nachrichtensender N-TV, wo sie als Fernsehredakteurin gearbeitet hatte, zu Amnesty International als Pressesprecherin. Sie baute bei Amnesty das Audiovisuelle aus und beschäftigte sich zum Beispiel mit den Menschenrechtsverletzungen im US-Militärgefängnis Guantánamo. “Das Thema hat wehgetan. Es ging mal nicht um Diktatoren in Südamerika oder Asien, sondern um Folter und Willkür in demokratischen Staaten des Westens.” 2011 wurde sie Pressesprecherin des Polittalks “Günther Jauch”, dann zog es Bermejo 2014 erneut zu einer Menschenrechtsorganisation – dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).
Kurz nach ihrem Start initiierte das ECCHR eine bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland nie dagewesene Klage: Es ging um den Brand in der pakistanischen Textilfabrik Ali Enterprises. 258 Menschen waren dabei am 11. September 2012 ums Leben gekommen. Gemeinsam mit dem ECCHR forderten die Überlebenden und Hinterbliebenen 2015 Schadensersatz vom deutschen Textildiscounter KiK, dem Hauptkunden der Fabrik. Als Leiterin der Kommunikation plante Bermejo die gesamte Öffentlichkeitsarbeit – sie schrieb Pressetexte, bereitete Kolleginnen und Kollegen auf Interviews vor, organisierte Pressekonferenzen oder moderierte Panel-Diskussionen.
“Die Arbeiterinnen und Arbeiter erstickten oder verbrannten, weil viele Fenster vergittert waren”, sagt Bermejo. “Die Notausgänge waren verschlossen, und nur eine Tür des Gebäudes stand offen.” Sie erzählt auch, dass der zuständige Richter am Landgericht Dortmund eine Mutter, die bei dem Brand ihren Sohn verloren hatte, nicht zu Wort kommen ließ – für Bermejo ein persönlicher Schlüsselmoment: “Ich glaube, das ist es, was mich antreibt. Dazu beizutragen, dass diese Stimmen gehört werden.”
Auch wenn das Gericht die Klage am Ende wegen Verjährung ablehnte, hat sie viel bewirkt, sagt Bermejo. “Sie hat gezeigt, wer den eigentlichen Preis für unseren Konsum im globalen Norden zahlt.” Sie hält das EU-Lieferkettengesetz für einen guten und wichtigen Schritt, weil es am Anfang der Lieferkette ansetzt und eine zivilrechtliche Haftungsregel enthält: Aus ihrer Sicht ist das Gesetz trotz aller Mängel ein Paradigmenwechsel. “Es hätte den Betroffenen des Ali-Enterprises-Brandes sicher geholfen, ihre Rechte einzuklagen.” Luca Wolpers
Research.Table – Fusionsforschung: Akademien-Papier offenbart politisches Dilemma: Die wissenschaftlichen Akademien zeichnen in einem Impuls zur Kernfusion das Bild einer vielversprechenden Technologie, die noch mit zahlreichen Unwägbarkeiten kämpft. Es braucht Geld, was aber nicht zulasten der Erneuerbaren gehen darf. Daraus ergibt sich ein politisches Dilemma. Zum Artikel
Climate.Table – Wärmepumpen: Warum die Lage besser ist, als die Statistik nahelegt: Auf einer dreitägigen Reise wollte Robert Habeck Falschinformationen über Wärmepumpen widerlegen. Denn deren Verkaufszahlen bleiben deutlich hinter den Erwartungen des BMWK zurück. Allerdings sind sie deutlich besser als oft vermeldet, denn die Statistik vermittelt ein falsches Bild. Zum Artikel
China.Table – Stromnetz: So will Peking den Weg für Erneuerbare freimachen: China baut in Rekordtempo die erneuerbaren Energien aus. Flaschenhals sind bislang die Stromnetze. Nun soll kräftig investiert werden, damit Solar und Wind besser eingespeist werden können. Zum Artikel