Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) besuchte Anfang der Woche den Salzstock Gorleben, um dort einen fast 50 Jahre andauernden Konflikt symbolisch zu beenden. 1977 hatte Niedersachsens damaliger Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) angekündigt, den Salzstock auf die Eignung als Atommüllendlager zu untersuchen. Es folgten jahrzehntelange Bauarbeiten – offiziell: geologische Erkundungen – und Proteste der Umweltbewegung. 2013 erweiterte die Bundesregierung die Suche nach einem Endlager, diesmal ergebnisoffen. Bis heute ist keine Entscheidung gefallen. Aber Gorleben ist außen vor. Seit Ende November schaffen nun Arbeiter täglich tonnenweise Salz zurück in das Bergwerk. In drei Jahren sollen die Schächte verfüllt sein. Allerdings könnte eine benachbarte Halle noch bis zu 100 Jahre als Zwischenlager genutzt werden.
Deutlich kürzer hat die EU mit den lateinamerikanischen Staaten des Mercosur über einen Handelsvertrag beraten – aber es dauerte doch 25 Jahre, bis er nun unterschriftsreif war. Angesichts des Widerstands vieler EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und Polen ist allerdings weiterhin offen, ob er je Realität wird. Alexandra Endres und Till Hoppe beschäftigen sich mit den Nachhaltigkeitsaspekten des Abkommens.
Schneller soll die Wirtschaft in Deutschland klimaneutral werden – bis 2045 sind es nur noch knapp 20 Jahre. Um das Ziel zu erreichen, muss auch die Baubranche Fortschritte machen. Dabei spielt eine zentrale Rolle, was in der Zukunft aus altem Beton gemacht wird. Isabel Fisch berichtet für unsere Serie zur Kreislaufwirtschaft über das Circular Construction & Technology Center, das der Baukonzern Strabag in Bremen gegründet hat.
Bevor Christian Glock an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) und im Rahmen von EU-Projekten erforschte, wie nachhaltiges Bauen gelingen kann, arbeitete er 17 Jahre in der Industrie, verantwortete Massivbau-Projekte. Dabei hat der Bauingenieur vor allem eines gelernt: “Wenn die Bauherren ressourcenschonend bauen wollten, dann eher aus dem Wunsch nach schicken Zertifikaten statt echter Nachhaltigkeit.” Das spornte ihn an, zu forschen. Denn kaum ein Sektor verschlingt so viele natürliche Ressourcen wie der Bau.
Jedes Jahr entstehen weltweit Millionen von Häusern, Brücken und Straßen, für die rund 30 Milliarden Tonnen des formbaren, stabilen, überall verfügbaren und vor allem billigen Betons benötigt werden. Umso schlechter aus Sicht der Kreislaufwirtschaft, wenn Bauten abgerissen werden und deren Schutt deponiert oder maximal als Füllmaterial für Straßen wiederverwendet wird – wie es mit dem Großteil der jährlich rund 229 Millionen Tonnen Bauschutt in Deutschland geschieht. “Nur ein Bruchteil davon gelangt in den Wertstoffkreislauf der Zement- und Betonherstellung zurück”, sagt Glock.
Die Baubranche will das ändern, weil sie laut politischer Zielsetzung bis 2045 klimaneutral sein soll. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Bauten: Während vor zehn Jahren 550 Gebäude zertifiziert wurden, waren es Ende 2022 mehr als 2.800. Zum Teil sprechen aber auch wirtschaftliche Gründe dafür: Rohstoffe könnten teuer werden. Das macht es attraktiv, Kies, Sand oder Zement wiederzuverwenden. Doch taugt Recyclingbeton als günstiger Klimaretter?
Beim Bauunternehmen Strabag ist man davon überzeugt und hat dafür das Circular Construction & Technology Center in Bremen aus dem Boden gestampft. Dort will Strabag gemeinsam mit Hochschulen, Prüfanstalten und Instituten eine ressourcenschonende und CO₂-sparende Baukreislaufwirtschaft erforschen. Ein besonderer Fokus vor Ort: Recyclingbeton.
“Recyclingbeton ist in den letzten Jahren sehr beliebt geworden”, sagt Torsten Dölle, Leiter der Betonbautechnologie bei Strabag. In ihm stecken bis zu 25 Prozent recyceltes Abrissmaterial, das neue, natürliche Rohstoffe ersetzt und den Abfall auf Deponien senkt. Zudem fallen teure und klimaschädliche Lkw-Transporte weg – sofern die Abrissstelle nah an der Baustelle liegt.
Das Problem ist ihm zufolge jedoch die Verfügbarkeit. Wiederverwendbaren Bauschutt gibt es genügend, nur muss er auch aufbereitet werden können – und damit das nachhaltig ist, muss das nah an der Baustelle geschehen. “In Bremen gab es bislang keine Aufbereitungsanlage und damit auch keinen Recyclingbeton.” In dem kleinen Bundesland müssen alle Rohstoffe für den Bau importiert werden. Und eine Möglichkeit, altes Baumaterial aufzubereiten, gab es bisher auch nicht. Der neue Strabag-Campus ändert das.
Ankommender Bauschutt wird dort sortiert, zerkleinert und gesiebt. Dabei entstehen zwei Körnungsgrade: Ein sandartiges Material mit bis zu zwei Millimetern Größe sowie kiesähnliche Stücke, die bis zu 16 Millimeter groß sind. Diese können dann später dem natürlichen Stein beigemischt werden und diesen bis zu 25 Prozent ersetzen. Das bedeutet: Der Beton braucht ein Viertel weniger Neukies als bisher, was erst einmal nachhaltiger ist – und einem Trend entgegenwirken könnte. Denn seit Jahren wird immer weniger Kies in Deutschland abgebaut. Das liege vor allem daran, dass die Zahl der bewilligten Kiesgruben sinke, weil die behördlichen Auflagen und gesellschaftlichen Widerstände dagegen wüchsen, sagt Bauingenieur Glock.
Würde Kies tatsächlich knapp werden, wäre Recyclingbeton eine gute Alternative. Doch derzeit gibt es nach Angaben des Bundesverbands Mineralische Rohstoffe (MIRO) noch immer knapp 3.000 Kiesgruben, aus denen das Baumaterial je nach Standort weniger Strecke zurücklegen muss als Bauschutt. “Und da Recyclingbeton wegen des hohen Aufwandes meist teurer ist, ist der Preis in der Regel auch kein Ansporn, auf ihn zu setzen”, ergänzt Glock.
Aus ökologischen Gründen und damit für die Kreislaufwirtschaft ist es jedoch förderlich, bereits vorhandene Ressourcen zu nutzen, die ansonsten bestenfalls auf der Deponie landen würden. Laut Strabag sind nur 13 Prozent der hierzulande genutzten Baustoffe aus recyceltem Material. Vor allem politisch und gesellschaftlich sei aber mehr Recycling gewollt, heißt es von der Firma.
Wie viel recyceltes Material das Bauunternehmen beimischen kann, hängt vom Einsatzgebiet ab. Je mehr Strapazen die Bauten ausgesetzt sind, desto weniger eignet sich Recyclingbeton dafür. Denn: “Die Qualität der Betonkörnung hat sich in den letzten Jahren stark verbessert, entspricht aber noch immer nicht der Qualität der natürlichen Gesteinskörnung”, erklärt Dölle. “Sie ist weicher, und um das zu kompensieren, wird mehr Zement benötigt.”
Und je mehr Zement im Material enthalten ist, desto mehr CO₂ steckt auch darin – und hier liegt der wahre Klimakiller. Denn dessen Herstellung ist mit hohen CO₂-Emissionen verbunden. Von den durchschnittlich 250 Kilogramm CO₂, die jede Tonne Beton verursacht, stammt der Großteil aus dem benötigten Zement: 600 Kilogramm CO₂ braucht es, um eine Tonne Zement herzustellen. Deshalb stört es Glock, wenn Recyclingbeton als “grüner Beton” bezeichnet wird: Egal wie gut dieser auf dem Papier klingt – richtig klimafreundlich ist er heute noch nicht.
Technisch möglich ist es zwar, den Zement nachhaltiger zu machen, wie erste Pilotprojekte zeigen: Im Juni hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) etwa eine Pilotanlage in Betrieb genommen, mit der Recyclingbeton zu neuem Zementklinker werden sollen. Dazu wird der feinkörnige Abfall aus dem Beton genutzt, der bei 1.000 Grad Celsius in den Ofen kommt, statt der bisherigen 1.400 Grad. Dadurch sinke der Energieeinsatz im Vergleich zur konventionellen Klinkerherstellung um 40 Prozent, heißt es vom KIT. Zudem wird das Kohlendioxid aus dem Beton abgefangen und direkt wieder im Zement gebunden.
Doch in der Praxis sind diese Verfahren noch zu teuer, zu aufwändig. Auch Recyclingbeton ist meist teurer als herkömmlicher. Trotzdem wird er gerne verbaut, und zwar “so gerne, dass wir manchmal sogar bremsen müssen, weil es einfach keinen Sinn macht”, sagt Dölle von Strabag. In Städten, wo die Wege kurz sind, oder in Kriegsgebieten, wo es für den Wiederaufbau an Material fehlt, sei es eine gute Option, sagt Glock: “Aber oft ist es leider einfach Greenwashing der Bauherren.” Isabel Fisch
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Auch nach der Unterzeichnung des EU-Mercosur-Freihandelsvertrags reißt die Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen an dem Abkommen nicht ab. Sie fürchten, es werde die Klimakrise weiter verschärfen. Dagegen hofft das Bundeswirtschaftsministerium, der Freihandel könne den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft weiter vorantreiben. Die letzten Details sind noch nicht bekannt, aber die Kommission hat angekündigt, den gesamten Vertrag binnen weniger Tage zu veröffentlichen. Bis das Abkommen rechtskräftig ist, kann es noch dauern.
Forschende aus Brasilien warnen derweil: Unter keinen Umständen dürfe der Freihandelsvertrag die Entwaldung im Amazonasgebiet weiter vorantreiben. Entscheidend sei, wie der vorliegende Text nun umgesetzt werde.
Für die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten geht es dabei nicht nur um Freihandel. Angesichts globaler Machtverschiebungen – dem Aufstieg Chinas und dem Bedeutungsverlust der USA, deren Verlässlichkeit zugleich durch die Wahl Donald Trumps zum nächsten Präsidenten sinkt – sucht die EU nach neuen geopolitischen Allianzen. Lateinamerika bietet sich an. “EU-Mercosur spiegelt unsere Werte und unsere Verpflichtung für den Klimaschutz wider”, wirbt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Kritische NGOs hatten sich bis zuletzt gegen den Freihandelsvertrag gewandt. Fast 400 im “Netzwerk gerechter Welthandel” zusammengeschlossene Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Europa und Lateinamerika warnten: Das Abkommen werde “die Entwaldung beschleunigen, die Klimakrise verschärfen und unsere Regionen weiter von Klimagerechtigkeit entfernen”. Sie fürchten vor allem schädliche Folgen für die Ökosysteme des Amazonas, Gran Chaco und Cerrado, die jetzt schon stark unter der Entwaldung leiden.
Audrey Changoe, Koordinatorin für Handels- und Investitionspolitik des europäischen Climate Action Network (CAN Europe), kritisierte die aus ihrer Sicht intransparenten Verhandlungen. Es sei “ein Skandal, dass sich die Kommission bis zur letzten Minute geweigert hat, detaillierte Informationen über die Verhandlungen und Verhandlungsdokumente offenzulegen” – zu einem Abkommen, das rund 750 Millionen Menschen betrifft. Allerdings liegt der Vertrag an sich bereits seit 2019 vor. Seither wurden noch die Ergänzungen zur Nachhaltigkeit eingefügt.
CAN Europe sieht gerade Rindfleisch, Geflügel, Zucker und weitere Agrarprodukte, deren Einfuhren nach Europa durch den Freihandelsvertrag steigen dürften, als die “größten Treiber von Entwaldung, Treibhausgasemissionen und Verlust von Biodiversität”. Die nachträglich eingefügten Umweltbestimmungen wertet die Organisation als Greenwashing. Dabei stützt sie sich auf ein juristisches Gutachten, das im Frühjahr 2023 im Auftrag des Umweltinstituts München erstellt wurde.
Wie der Freihandelsvertrag auf die Umwelt wirkt, werde von seiner Umsetzung abhängen, sagt hingegen Flavia Loss de Araujo, Professorin für Internationale Beziehungen am brasilianischen Instituto Mauá de Tecnología (IMT) zu Table.Briefings. Zwar gingen Studien von “einem erheblichen Anstieg der Kohlenstoffemissionen” aus – doch das gelte nur, wenn man die im Vertragstext beschriebenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen außer Acht lasse.
“Der Text des Abkommens enthält ausreichende Garantien”, findet Loss de Araujo. Werde der Freihandelsvertrag klug implementiert, habe er das Potenzial, “Nachhaltigkeit in beispielloser Weise in den Mittelpunkt von Handelsgesprächen zu stellen” und könne in schwierigen Zeiten zu einem positiven Beispiel für den Multilateralismus werden. Doch um das zu schaffen, brauche es “mehr als Verweise auf internationale Regelungen im Text”, nämlich gemeinsame Arbeit der Vertragsparteien an Umsetzung und Finanzierung.
Ob mit oder ohne Freihandel: Die Entwaldung in Brasilien müsse schnellstmöglich auf null, fordert der brasilianische Klimawissenschaftler Carlos Nobre, der sein Berufsleben der Erforschung des Amazonas gewidmet hat. “Der Amazonas ist kurz davor, zu kippen”, sagt Nobre. “Ich bin sehr besorgt.” Der Forscher lobt die EU-Entwaldungsverordnung als “sehr gut”, und sagt: “Wir müssen auch die USA und China überzeugen, dass sie keine Produkte von entwaldetem Land mehr kaufen”. China ist derzeit der wichtigste Handelspartner Brasiliens.
Das jetzt ausgehandelte Abkommen enthält deutlich schärfere Nachhaltigkeitsverpflichtungen für die Mercosur-Staaten als die Fassung von 2019. Das gilt insbesondere für den Klimaschutz. Die EU-Kommission setzte durch, dass die Achtung des Pariser Abkommens als “essential element” in den Vertrag aufgenommen wird. Sprich: Sollte etwa Argentinien unter Präsident Milei aus dem Paris-Abkommen austreten oder dessen Ziele nicht mehr ernsthaft umsetzen, könnte die EU die Zollvergünstigungen des Mercosur-Abkommens außer Kraft setzen.
Etwas weniger hart sind die Verpflichtungen zum Waldschutz. In der Kommission verweist man darauf, dass sich die Mercosur-Länder nun zum ersten Mal in einem internationalen bindenden Vertrag verpflichtet hätten, bis 2030 die Entwaldung zu stoppen. Bislang gab es dazu nur politische Verpflichtungen, etwa im Rahmen der Glasgow Declaration. Doch die Entwaldungsklausel ist kein “essential element”. Sie kann als Teil des Nachhaltigkeitskapitels nicht mithilfe der Rücknahme der Zollerleichterungen durchgesetzt werden. Ein solcher Sanktionsmechanismus sei für Brasilien und Co nicht akzeptabel gewesen und werde oft als “neuer Imperialismus der Industriestaaten” gesehen, sagt ein EU-Beamter. Stattdessen greift ein spezieller Streitschlichtungsmechanismus, der Verhandlungen im Rahmen eines Expertenpanels vorsieht.
Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass die EU ihre Entwaldungsverordnung gerade um ein Jahr verschoben hat. Sie könnte fast ein Drittel der brasilianischen Exporte in die EU betreffen und war einer der größten Streitpunkte in den Mercosur-Verhandlungen. Brasilien und die anderen Mercosur-Länder kritisierten sie als protektionistische Maßnahme. Und auch unter dem Pariser Klimaschutzabkommen sind die Regeln zum Waldschutz weniger stark, als die EU ursprünglich angestrebt hatte: Vor wenigen Wochen gab sie auf der COP29 in Baku ihren Widerstand gegen laxe Regeln für den Handel mit Emissionsminderungsgutschriften unter Artikel 6 des Pariser Abkommens auf. Solche Gutschriften können unter anderem aus Waldprojekten stammen.
Die Bundesregierung betont, dass Deutschland sich besonders für strenge Klima- und Waldschutzbestimmungen im Freihandelsvertrag eingesetzt habe. Die derzeit hohen Abholzungsraten insbesondere im Amazonasgebiet dürften “durch das Mercosur-Abkommen nicht gesteigert werden”, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit. Auf den ersten Blick sei im Freihandelsvertrag gerade für den Klimaschutz viel erreicht worden. “Wir schauen uns den Text aber natürlich noch genau an.”
Im Ministerium erhofft man sich von dem Abkommen auch einen leichteren Zugang zu Rohstoffen wie Lithium und Kupfer, die für die Energiewende benötigt werden – und perspektivisch auch zu Wasserstoff. Die Mercosur-Region könnte zudem ein wichtiger Abnehmer für klimafreundliche Technologien aus Deutschland werden.
Die Kommission prüft derzeit, ob sie das Mercosur-Abkommen in einen Handelsteil und einen politischen Teil aufspalten will. Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck drängen darauf, weil die Zustimmungshürden für die Handelserleichterungen dann niedriger wären: Die Handelsfragen sind reine EU-Zuständigkeit (“EU only”) und könnten mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten und mit Zustimmung des Europaparlaments vorläufig in Kraft gesetzt werden. Der politische Teil berührt hingegen auch die Kompetenzen der EU-Staaten und muss deshalb von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden – was oft Jahre dauert.
Die Klauseln zum Schutz des Paris-Abkommens würden aber auch im Fall einer Aufspaltung greifen. “Da gibt es keine Lücke”, versichert ein EU-Beamter. Selbst wenn der Handelsteil zuerst vorläufig angewendet werde: Die Klauseln zum Pariser Klimaschutzabkommen, die im politischen Teil des Abkommens enthalten sind, würden gelten.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) mahnt eine zügige Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie CSDDD in deutsches Recht an. Entsprechend äußerte sich Direktorin Beate Rudolf bei der Vorstellung des 9. Menschenrechtsberichts am Montag in Berlin. Mit Blick auf das bereits geltende nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) forderte sie von Bundesregierung und Bundestag “Kontinuität und Klarheit für die Unternehmen”.
Das DIMR warnt vor den Folgen, wenn das deutsche Gesetz beschnitten würde, bevor die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist. “Das Lieferkettengesetz wäre für zwei Drittel aller Unternehmen temporär ausgesetzt”, sagte DIMR-Vizedirektor Michael Windfuhr. Für die bessere Einhaltung der Menschenrechte wäre das kontraproduktiv, “denn das deutsche Gesetz beginnt gerade zu wirken”. Gegenüber Table.Briefings begründete er dies mit einer Reihe von Beispielen:
Für eine generelle Evaluierung der Wirkung des LkSG sei es aber noch zu früh, sagte Windfuhr.
Eine Einigung in Regierung und Bundestag über das Thema erscheint bis zu den Neuwahlen im Februar zunehmend unrealistisch. Die Verkleinerung des Anwendungsbereichs des LkSG steht, anders als von manchen Beobachtern erwartet, nach Informationen von Table.Briefings am Mittwoch nicht auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts. Es läuft wohl auch keine Ressortabstimmung in diese Richtung.
Für Kanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck ist das Gesetz zwar keine Herzensangelegenheit, sagen Insider in der SPD und bei den Grünen. Gewerkschaften und Zivilgesellschaft ist es jedoch ein wichtiges Anliegen. Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass die beiden Parteien diese Akteure vor den anstehenden Wahlen verprellen wollen. Die Grünen-Fraktion hatte bereits im Oktober erklärt, dass sie die Verkleinerung des Anwendungsbereiches ablehnt.
Zudem gehen FDP und Union wohl mit der Forderung nach Komplettaussetzung des LkSG in den Wahlkampf. Dies schließt eine jetzige Zustimmung zu einer bloßen Verkleinerung eines ansonsten fortgeltenden Gesetzes aus. Hinzu kommt, dass die EU-Kommission noch nicht erklärt hat, ob die Verkleinerung überhaupt mit Gemeinschaftsrecht vereinbar wäre.
Anders als die öffentliche Debatte bisweilen vermuten lässt, sehen manche Unternehmen Vorteile in Lieferkettengesetzen und plädieren für deren Beibehaltung. “Das LkSG ist ein richtig gutes Gesetz”, sagte Johanna von Stechow, Direktorin für unternehmerische Verantwortung bei Tchibo, zu Table.Briefings. Viele Unternehmen, besonders KMU, äußern sich jedoch nur ohne Namensnennung. “Das Lieferkettengesetz hat einen Mehrwert für uns”, sagt eine KMU-Vertreterin Table.Briefings. Sie fände es auch falsch, wenn die Bundesregierung Berichtspflichten abschaffen würde. Es sei für KMU gut, sich damit zu beschäftigen, um ihre Geschäftsrisiken besser zu erkennen.
Zuletzt haben sich nach Informationen von Table.Briefings fünf Unternehmen bei einem Hintergrundgespräch mit Wirtschaftsminister Habeck ähnlich geäußert. KMU sollten keinesfalls von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten befreit werden, heißt es bei einem der beteiligten Unternehmen, denn “das Thema geht uns alle an”. Marktmacht hätten aber hauptsächlich die Großunternehmen, “die ihre Berichtspflichten an die KMU per Gießkannenprinzip übertragen, und das kann nicht sinnvoll sein”. Vor allem große Verbände plädieren für eine Aussetzung des LkSG.
Viele KMU wünschen sich eine differenzierte Betrachtung beim LkSG, vor allem eine Unterscheidung zwischen den Berichtspflichten einerseits und den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten andererseits. Schon jetzt hat das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) die Berichtspflichten bis Ende 2025 ausgesetzt. Man könnte diese Aussetzung noch weiter verlängern, bis die europäische Regelung greife, sagte auch Windfuhr vom DIMR. Aber keinesfalls sollte die Bundesregierung die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für einen Großteil der Unternehmen aussetzen. Diese Sorgfaltspflichten bilden den Kern der sogenannten Due-Dilligence-Gesetze.
11. bis 13. Dezember 2024, Altensteig
Konferenz Green Tourism Camp 2024 (Veranstalter: GreenSign) Info & Anmeldung
12. Dezember 2024, 11:00 bis 12:00 Uhr, Online
Vortrag Die Rolle der Taxonomie für das Verständnis von Biodiversität (Veranstalter: Nationales Monitoringzentrum zur Biodiversität) Info & Anmeldung
12. Dezember 2024, 11:45 bis 13:00 Uhr, Online
Online-Diskussion Mit Industriepolitik gute Jobs schaffen? (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
12. Dezember 2024, 14.00 bis 16:00 Uhr, Online
Webinar Artenschutz am Gebäude (Veranstalter: NABU Berlin) Info & Anmeldung
13. Dezember 2024, 11:45 bis 13:00 Uhr, Online
Mittagstalk Was tun gegen Klima-Desinformation und fossilen Lobbyismus? (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
13. Dezember 2024, 13:30 bis 17:00 Uhr, Karlsruhe
Netzwerktreffen Ökologischer und sozialer Umbau der Wirtschaft (Veranstalter: Netzwerk zukunftsfähiges Wirtschaften) Info & Anmeldung
13. Dezember 2024, 18:00 bis 21:00 Uhr, Emden
Diskussion Mobilitätswende und Transformation der Autoindustrie (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
17. Dezember 2024, 18:30 bis 20:30 Uhr, Karlsruhe
Diskussion Von Carbon Aware Computing zu Grid Aware Computing (Veranstalter: Green Web Foundation) Info & Anmeldung
17. Dezember 2024, 9:30 Uhr bis 15:15 Uhr, Online
Seminar Nachhaltigkeitskoordination – Bewertung der Nachhaltigkeitsanforderungen im baukulturellen Kontext (Veranstalter: Bayerische Architektenkammer) Info & Anmeldung
Eine am Montag aus Anlass des “Stahlgipfels” der Bundesregierung erschienene Studie des Thinktanks Epico Klimainnovation kritisiert den deutschen “Low-emission Steel Standard” (Less). Es bestehe die Gefahr des Greenwashings, denn Less benachteilige die besonders CO₂-arme Stahlproduktion aus Schrott und verschleiere die tatsächlichen CO₂-Emissionen der Herstellung aus neu abgebautem Eisenerz. Die Studie empfiehlt der Europäischen Union, bei der Entwicklung eines Grünstahl-Labels stattdessen eine technologisch neutrale CO₂-Berechnungsmethode anzuwenden. Außerdem sollte ein EU-Standard Umwelt- und Sozialkosten des Eisenerzabbaus berücksichtigen.
Less wurde von der Wirtschaftsvereinigung Stahl und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorangetrieben. Der Thinktank kritisiert, dass Less bei der Berechnung von CO₂-Emissionen eine gleitende Skala zugrunde legt: je höher der Anteil von Stahlschrott, desto strenger sind die Grenzwerte für CO₂-Emissionen, um den Standard zu erfüllen. Im Umkehrschluss gelten für Stahl aus neu gefördertem Eisenerz weniger strenge CO₂-Regelungen. Dadurch werde das Sammeln und Recycling von Stahlschrott im Sinne einer Kreislaufwirtschaft behindert, denn die Verwendung von Primäreisen werde dadurch potenziell billiger als die Wiederverwertung, sagte Studienkoautor Julian Parodi zu Table.Briefings.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl begründet die gleitende Skala mit der begrenzten Verfügbarkeit von Stahlschrott. “Klimaziele können nicht allein über den Mehreinsatz von Schrott erreicht werden”, sagte Martin Theuringer, Geschäftsführer der WV Stahl zu Table.Briefings. Zudem müssten “Anreize zur Dekarbonisierung der Primärstahlroute gesetzt werden”.
Gemeint sind die sehr hohen Investitionskosten für weniger klimaschädliche Verfahren bei der Verarbeitung von Eisenerz zu Stahl. Dafür planen die vier größten Stahlkonzerne in Deutschland, einzelne Hochöfen mit teuren Direktreduktionsanlagen zu ersetzen. Darin kann statt Kokskohle “grüner” Wasserstoff verwendet werden. Stahlschrott wird hingegen in bereits existierenden Elektrolichtbogenöfen wiederverwertet. Die Less-Berechnungsmethode, so Theuringer, ermögliche “die Transformationsherausforderungen in der Stahlproduktion technologieoffen” für beide Produktionswege “in einem einheitlichen Label abzubilden”. av
Versicherer haben in den vergangenen 20 Jahren rund 600 Milliarden US-Dollar für Schäden infolge des Klimawandels bezahlt. Das geht aus dem aktuellen Klimaversicherungsbericht des internationalen NGO-Netzwerks Insure Our Future hervor. Deutlich gewachsen ist demnach auch der Anteil der Schäden durch Wetterphänomene, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Die entsprechende Quote sei in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt von 31 auf 38 Prozent gestiegen, heißt es.
“Wenn wir die Emissionen in diesem Jahrzehnt nicht drastisch senken, werden die Klimaschäden exponentiell zunehmen und könnten sowohl Versicherer als auch Volkswirtschaften überlasten“, sagt Ilan Noy, ein führender Klimaökonom von der Te Herenga Waka-Victoria University of Wellington. Versicherer unterschätzten “massiv das Klimarisiko”.
Die Autoren der Studie nahmen 28 führende Schaden- und Unfallversicherer gesondert unter die Lupe. Sie hätten im Jahr 2023 10,6 Milliarden US-Dollar für klimabedingte Schäden aufgewendet. Gleichzeitig nahmen sie von Firmenkunden aus der fossilen Energiebranche nur wenig mehr ein, nämlich 11,3 Milliarden US-Dollar an Prämien. Bei sieben in der Studie erfassten europäischen Unternehmen – unter anderem Allianz, Axa, Aviva und Zurich – überstiegen die klimabedingten Verluste mit 3,23 Milliarden US-Dollar sogar die Prämieneinnahmen aus den Bereichen Kohle, Öl und Gas um rund eine Milliarde US-Dollar. Im Schnitt machten die Versicherungsabschlüsse für diese fossilen Branchen nur zwei Prozent ihrer Gesamtbilanzen aus. Das wirft nach Ansicht der NGO die Frage auf, “warum Versicherer ihren gewaltigen Einfluss auf fossile Industrien nicht nutzen, um die anderen 98 Prozent ihres Geschäfts vor steigenden Klimarisiken zu schützen”.
Die strengsten Klimarichtlinien von den 28 untersuchten Versicherern hat nach Ansicht der NGOs der italienische Versicherer Generali, der im Oktober die “erste Richtlinie zur Beschränkung fossiler Brennstoffe verabschiedete”. Die Allianz rutschte in dem Ranking auf Platz 2. Strengere Klimarichtlinien, insbesondere von den beiden deutschen Versicherern Allianz und Munich Re, forderte Regine Richter, Energie- und Finanzexpertin bei der Umwelt-NGO Urgewald: “Sie sollten auch neue Midstream- und Downstream-Gasinfrastruktur wie LNG-Terminals, Pipelines und Gaskraftwerke ausschließen”. cd
Das LNG-Terminal Deutsche Ostsee auf Rügen könnte zum Jahresende seine Betriebsgenehmigung verlieren. Eine entsprechende Entscheidung werde noch vor Weihnachten fallen, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) am Freitag.
Streitpunkt ist die Stromversorgung der Floating Storage and Regasification Units (FSRUs), der schwimmenden LNG-Terminals. “Es stellt sich die Frage, ob die Genehmigungsfähigkeit vorhanden ist oder im schlimmsten Fall der Weiterbetrieb in der Form nicht stattfinden kann”, so Backhaus.
Der private Betreiber Deutsche Regas hatte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine landseitige Stromversorgung der FSRUs beantragt und genehmigt bekommen. Dafür sollte ein vergleichsweise effizientes Blockheizkraftwerk eingesetzt werden. Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen. Als Gründe nannte das Unternehmen Lieferschwierigkeiten und technische Probleme. Stattdessen sollen nun auf unbestimmte Zeit schiffseigene Generatoren die Stromversorgung sicherstellen.
Kritiker des Projekts wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) befürchten deshalb eine höhere Lärm- und Luftschadstoffbelastung durch den Terminalbetrieb. Constantin Zerger, DUH-Experte für Energie und Klimaschutz, geht davon aus, dass die Inbetriebnahme des Blockheizkraftwerks von der Deutschen Regas verschleppt wird. Hintergrund sei, so vermutet Zerger, dass der Betreiber aufgrund wirtschaftlicher Probleme nicht mehr in der Lage sei, die Investitionen für die Landstromversorgung aufzubringen.
FSRUs sind Spezialschiffe, die LNG von Tankern aufnehmen, speichern und regasifizieren können, um es in Pipelines einzuspeisen. Vor Rügen liegen die “Transgas Power” und die “Energos Power” vor Anker. Zusammen haben sie eine Jahreskapazität von 13,5 Milliarden Kubikmetern. Ob sie für die Gasversorgung Deutschlands überhaupt gebraucht werden, ist seit Jahren heftig umstritten. Das Terminal im Hafen von Mukran wurde im September 2024 offiziell in Betrieb genommen und ist seitdem kaum ausgelastet. ch
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) fordert für Menschen mit Behinderung in Werkstätten zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt einen Mindestlohn. “Dann hätte der Werkstattlohn nicht länger Taschengeldcharakter”, sagte DIMR-Direktorin Beate Rudolf am Montag bei der Vorstellung des 9. Menschenrechtsberichts in der Bundespressekonferenz.
Bisher erhielten Beschäftigte in den Werkstätten lediglich ein Monatsgeld von durchschnittlich 222 Euro. Manche Unternehmen nutzen die Werkstätten wegen der geringen Entlohnung als verlängerte Werkbänke. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte im März einen Entwurf für einen bundesweiten Aktionsplan vorgelegt. “Wir erwarten hierfür von der nächsten Bundesregierung einen klaren Zeitplan” zur Umsetzung, sagte Rudolf.
Eigentlich wollte das BMAS zudem noch während dieser Legislatur ein Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vorlegen. Dies erwartet das DIMR nun ebenso von der nächsten Regierung. Inklusive Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien in Deutschland selten, sagte Rudolf. Menschen mit Behinderungen könnten ihren Arbeitsplatz kaum frei wählen – die Beschäftigung in einer Werkstatt sei der Normalfall. Damit verstoße Deutschland gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. cd
Der Gehalt an Perfluoroctansulfonat (PFOS) überschreitet in vielen europäischen Gewässern die gesetzlichen Grenzwerte zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit. Darauf deuten laut der Europäischen Umweltagentur (EUA) Überwachungsdaten von 1.300 Messstellen aus dem Jahr 2022 hin. Einem EUA-Bericht von Montag zufolge wurden bei Messungen die Grenzwerte deutlich überschritten:
PFOS ist eine von 10.000 chemischen Verbindungen aus der Gruppe der sogenannten Ewigkeitschemikalien (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen, PFAS). Da Behörden PFOS vergleichsweise früh für bedenklich hielten – aufgenommen im menschlichen Körper drohen Krebs, Entwicklungs- und Fortpflanzungsstörungen – ist zu dieser Verbindung der Forschungsstand weiter gediehen als zu anderen PFAS-Verbindungen. Die Verwendung von PFOS wurde in Europa seit 2006 und auch international eingeschränkt.
Das Ausmaß der Verschmutzung mit PFOS und anderen PFAS-Verbindungen wird laut EUA bislang nicht ausreichend erfasst. Die Agentur fordert empfindlichere Analysemethoden und die Ausweitung des Spektrums der untersuchten Stoffe und der geografischen Messstellen-Abdeckung.
Vorschläge für eine weitreichende Einschränkung von PFAS liegen der EU vor, sind jedoch ein Streitthema bei der Reform der Industriechemikalienverordnung REACH. Industrieverbände sehen in einem kompletten Verbot eine Bedrohung für Hightech-Industrien. Allerdings wären auch Ausnahmen denkbar, beispielsweise für die Medizintechnik. Auch bei der geplanten European Water Resilience Strategy könnte PFAS-Kontamination eine Rolle spielen. av
Investitionen in Klimatechnologien haben deutlich abgenommen. Das geht aus dem Bericht “State of Climate Tech 2024” hervor, den die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland am Dienstag vorgestellt hat. Demnach sind die weltweiten Wagniskapital- und Private-Equity-Finanzierungen in dem Bereich zwischen 2023 (Q4 2022 – Q3 2023) und 2024 (Q4 2023 – Q3 2024) um fast ein Drittel von 79 auf 56 Milliarden US-Dollar zurückgegangen. Auf dem deutschen Markt sank das Volumen von rund drei auf zwei Milliarden US-Dollar.
“Die Zahlen spiegeln die allgemeine Unsicherheit wider, die vor allem durch volatile Märkte und steigende Zinsen getrieben ist”, sagt Gunther Dütsch, Partner im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland. Der Bedarf an innovativen Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels sei jedoch dringender denn je.
Spitzenreiter mit mehr als einem Drittel der Investitionen ist nach wie vor der Energiesektor, der weltweit einen Anteil von 35 Prozent erreichte. In Deutschland lag er mit rund 46 Prozent sogar noch höher. Auch das Interesse an Technologien zur Anpassung an Klimarisiken und zur Stärkung der Resilienz wächst. 28 Prozent der untersuchten Climate-Tech-Deals weltweit und rund 15 Prozent in Deutschland gehörten zu diesem Bereich. Dazu zählen beispielsweise Hochwasserschutzsysteme, Technologien zum Dürremanagement oder hitzeresistente Baumaterialien.
Climate-Tech-Start-ups aus dem Industriesektor verloren dagegen an Interesse. Ihr Anteil an den weltweiten Gesamtinvestitionen sank im betrachteten Zeitraum von 17 auf sieben Prozent – und das, obwohl dieser Bereich ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verursacht. “Anreize wie steuerliche Vergünstigungen, Subventionen oder spezielle Förderprogramme könnten dazu beitragen, mehr Kapital in diesen Bereich zu lenken”, sagt Dütsch. “Nur durch eine gezielte und koordinierte Anstrengung könne der Industriesektor transformiert und ein bedeutender Beitrag zur globalen Reduktion von Treibhausgasemissionen geleistet werden.” ch
Der Verbrenner ist død – Zeit
In Norwegen stehen Verbrenner nur noch als Erinnerung in den Autohäusern, verkauft werden sie praktisch nicht mehr. Mittels der Steuergesetzgebung habe das Parlament sie teurer gemacht als die Elektrischen, so Zacharias Zacharakis. Auch der Zweitmarkt für E-Pkw sei lebendig. Die Norweger schauten nun mitleidig auf Deutschland, obwohl es hierzulande sogar mehr Ladestationen pro Fahrzeug gäbe. Zum Artikel
Britain’s electric-car roll-out is hitting speed bumps – The Economist
In den letzten Monaten dieses Jahres 2024 war mehr als jeder fünfte Neuwagen der britischen Autoindustrie ein Elektrofahrzeug. Nächstes Jahr müssten es laut einer Regulierung aber schon 28 Prozent sein. Bis 2030 soll der Verbrennerverkauf ganz eingestellt werden. Bislang, so die Autoren, scheuen potenzielle Käufer vor den relativ höheren Preisen für E-Pkw zurück. Die Labour-Regierung verspricht Hilfe, will am Enddatum aber festhalten. Zum Artikel
Ist die “Generalsanierung” der Bahn eine Fata Morgana? – Süddeutsche Zeitung
Während die Ausfinanzierung bereits beauftragter Streckensanierungen im Bundestag festhängt, und die defizitäre Güterbahn DB Cargo aus Geldmangel ein Sechstel der Arbeitsplätze abbaut, droht nun eine Absage des Generalsanierungsprogramms: Bei der Netzagentur laufe ein Prüfverfahren, ob die monatelange Sperrung wichtiger Strecken verhältnismäßig sei, berichten Klaus Ott und Vivien Timmler. Zum Artikel
Die da oben – Süddeutsche Zeitung
Die Ökonomin Monika Schnitzer habe bei einer hochrangig besetzen Konferenz in Bayern ein “beherztes Plädoyer” für Zuwanderung gehalten, schreiben Moritz Baumstieger und Jens-Christian Rabe. 1,5 Millionen Einwanderer müssten jährlich kommen, damit die notwendige Netto-Zuwanderung erreicht und die demografische Alterung aufgefangen werde. Sprachkurse und bessere Einbürgerungsmöglichkeiten seien Voraussetzung gelingender Integration der Fachkräfte. Zum Artikel
Hoffnungsschimmer bei Meyer Burger: Geldgeber wenden Insolvenz vorerst ab – aber die Uhr tickt – Neue Zürcher Zeitung
Der schwer angeschlagene Solarmodulhersteller habe sich Mittel in Höhe von 40 Millionen Dollar gesichert und verhandele weiter mit Gläubigern, schreibt Benjamin Triebe. Schwer getroffen hat das Unternehmen die Kündigung des US-amerikanischen Grosskunden Desri, just als die Schweizer Firma ihre Produktion aus Deutschland in die USA verlegte. Zum Artikel
Anger in South Africa over McKinsey’s $122mn bribery settlement – Financial Times
Korrupte Politiker, Beamte und Geschäftsleute beraubten die öffentlichen Unternehmen Südafrikas, bis Stromversorgung, Zug- und Flugverkehr zusammenbrachen. Aktiv geholfen haben dabei Berater von McKinsey. Ein Deal mit den Strafverfolgungsbehörden in Südafrika und den USA lasse McKinsey nun viel zu leicht davonkommen, hörte Rob Rose von Kritikern. Zum Artikel
Zeitwirtschaft, Zeitwohlstand, Zeitkonflikte – Makronom
Der Fokus auf die Geldwirtschaft blende zentrale Aspekte des menschlichen Zusammenlebens und der Zeitgerechtigkeit aus, schreibt Bernhard Emunds. Gemessen am Volumen mache Erwerbsarbeit nur 43 Prozent aller Tätigkeiten aus. Zudem werde sie nur zu rund 75 Prozent in der Privatwirtschaft – also in Unternehmen der Geldwirtschaft – geleistet. Schaue man auf die makroökonomischen Herausforderungen einer sozial-ökologischen Transformation, dann sei die quantitative Dimension, insbesondere der Umfang der erwerbsarbeitsfreien Zeit, von entscheidender Bedeutung. Zum Artikel
Die Welt ist mit einer historischen Schuldenkrise konfrontiert. Aktuell sind zwölf der ärmsten Länder der Welt zahlungsunfähig oder stehen kurz davor. Staaten nutzen Schulden, um in Infrastruktur, Wirtschaft und soziale Fürsorge zu investieren. Problematisch wird es allerdings, wenn die Auslandsverschuldung zu hoch wird. Die Ursachen für die aktuelle Schuldenkrise sind vielfältig: höhere Kosten für Energie- und Lebensmittelimporte, schwankende Rohstoffpreise, hohe Staatsausgaben durch Naturkatastrophen infolge der Klimakrise und teilweise schlechte Regierungsführung. Zusätzlich verschärft wurde diese Krise in den letzten Jahren durch die Erhöhung der europäischen und US-amerikanischen Leitzinsen. Dadurch stiegen die Zinsen weltweit.
Im vergangenen Jahr zahlten die Länder des Globalen Südens insgesamt 847 Milliarden US-Dollar Zinsen – ein Anstieg von 26 Prozent in zwei Jahren. Mit großen Folgen für die Staatshaushalte der betreffenden Länder. So wendeten 45 Länder 15 Prozent oder mehr ihrer Staatseinnahmen auf, um Schulden und die damit verbundenen Zinsen zu begleichen. In Sambia waren es sogar 40 Prozent, in Laos und Angola über 60 Prozent. Für Investitionen und soziale Ausgaben blieb ihnen nur noch wenig Geld. Besonders besorgniserregend ist die hohe Schuldenlast vieler Länder des Globalen Südens angesichts der menschengemachten Klimakatastrophe, die sie besonders stark trifft. Die überschuldeten Staaten können dringend notwendige Investitionen in Klimaanpassung und -resilienz nicht tätigen, was auf lange Sicht noch teurer wird.
Auch für den Kampf gegen Armut stellt Überschuldung ein großes Hemmnis dar: In vielen Ländern führt dies nämlich zu Kürzungen bei sozialen Leistungen, der Gesundheitsversorgung und den Bildungsausgaben. Gleichzeitig werden die Steuern für die Mehrheit der Bevölkerung erhöht. Statt Armut zu verringern, verschlechtert sich so die Situation vor allem für ohnehin vulnerable Gruppen. Die Auswirkungen der Schuldenkrise werden so zu einem Katalysator für soziale und politische Instabilität, wie beispielsweise die heftigen Proteste der letzten Monate in Kenia zeigen. Dort protestierten Millionen gegen Steuererhöhungen und staatliche Sparpläne, die vom Internationalen Währungsfonds unterstützt wurden. In gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizei kamen mindestens 65 Menschen ums Leben. Die Ereignisse in Kenia sollten uns als Weckruf dienen. Überschuldung führt nicht nur zu wirtschaftlicher, sondern auch zu sozialer und politischer Instabilität, die sich über nationale Grenzen hinaus ausbreiten kann.
Solange es kein geordnetes Verfahren für die Entschuldung von Staaten gibt, geraten die überschuldeten Staaten zunehmend in Abhängigkeit von China. China, das der größte einzelstaatliche Kreditgeber für Länder des Globalen Südens ist, nutzt die Vergabe von Krediten als ein Instrument, um seine geostrategischen Ziele zu erreichen.
Um die Schuldenfalle zu durchbrechen, sind Schuldenerlasse unumgänglich. Derzeit gibt es aber keinen rechtlichen Rahmen für den Fall, dass ein Staat zahlungsunfähig wird. Es kommt also auf den guten Willen der Gläubiger an, ob es einen Schuldenerlass gibt. Die Verhandlungen sind außerdem komplex und langwierig, weil es kein existierendes Verfahren dafür gibt. Das ist ungünstig für die Gläubiger – vor allem aber schmerzlich für den Schuldnerstaat, der währenddessen finanziell gelähmt ist. Während staatliche Gläubiger eher bereit sind, Schulden zu erlassen, weigern sich gewinnorientierte private Gläubiger oft, ihren Teil beizutragen.
Das Fehlen eines rechtlichen Rahmens führt so zu Blockaden oder unzureichenden Schuldenerlassen, bei denen private Gläubiger weniger beitragen. Nicht selten müssen Schuldnerstaaten so das durch staatliche Erlasse freigewordene Geld verwenden, um Schulden mit privaten Gläubigern zu begleichen, anstatt notwendige Investitionen zu tätigen. Ein Beispiel dafür ist Sri Lanka, das 2022 zahlungsunfähig wurde. Während andere Gläubiger über einen Schuldenerlass verhandelten, versuchte die Hamilton Reserve Bank, die volle Rückzahlung ihrer Forderungen – inklusive Strafzinsen – einzuklagen.
Langfristig braucht es daher ein internationales Staateninsolvenzverfahren, das die Einigung zwischen Schuldnerstaat und den vielen Gläubigern – darunter staatliche Akteure, private Investoren und multilaterale Institutionen wie die Weltbank – über den erforderlichen Schuldenerlass gerecht und wirksam regelt.
Einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem Staateninsolvenzverfahren könnte Deutschland mit einem sogenannten “Safe-Harbour-Gesetz” machen. Dieses würde es unkooperativen Gläubigern erschweren, Forderungen per Klage durchzusetzen, und würde das Auslandsvermögen der Schuldnerstaaten in Deutschland schützen. Vor allem aber hätte es eine starke internationale Signalwirkung: Deutschland würde als stabiler und fairer Partner in internationalen Finanzfragen auftreten. Belgien, das Vereinigte Königreich und der US-Bundesstaat New York planen beispielsweise ähnliche Regeln und könnten von einem Vorstoß Deutschlands ermutigt werden, diese tatsächlich zu verabschieden.
Seit Beginn der Legislaturperiode haben wir intensiv an der Entwicklung eines Safe-Harbour-Gesetzes gearbeitet. Wir haben dem Finanzministerium Vorschläge unterbreitet, wie Deutschland einen positiven Beitrag leisten könnte, und auf die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs gedrungen. Aber wie in vielen anderen Politikbereichen auch, hat das damals von der FDP geführte Haus keine konstruktive Rolle eingenommen, sondern unsere und weitere Vorschläge aus der Zivilgesellschaft abgeblockt.
Aber um Armut zu bekämpfen, die Klimakatastrophe zu bewältigen und globale Stabilität zu gewährleisten, müssen wir dringend einen Ausweg aus der Schuldenfalle finden. Langfristig ist das nur mit einem internationalen Staateninsolvenzverfahren möglich. Als Zwischenschritt muss Deutschland dringend ein Safe-Harbour-Gesetz verabschieden. Denn es ist politisch völlig unverantwortlich, Maßnahmen zur Lösung der internationalen Schuldenkrise weiter aufzuschieben.
Deborah Düring ist seit 2021 Mitglied des Bundestags für die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist die außenpolitische Sprecherin ihrer Partei. Zudem ist sie Mitglied des Finanzausschusses.
Europe.Table – Geheime NGO-Verträge der Kommission: EU-Gelder für Lobbyarbeit gegen Mercosur: Die Kommission unterstützt Umwelt-NGOs jährlich mit jeweils sechsstelligen Beträgen. Bisher geheim gehaltene Verträge offenbaren, was die NGO dafür tun müssen. Zum Artikel
Agrifood.Table – Biogaspaket: BMWK bringt nicht abgestimmten Entwurf ins Verbändeverfahren ein: Das Bundeswirtschaftsministerium startete vergangene Woche überraschend ein Verbändeverfahren mit einem Referentenentwurf zu einem Biogaspaket. Zum Artikel
Bildung.Table – Ausbildung: Wie der DGB den Stand der Inklusion bewertet: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat die Lage der Inklusion in der Ausbildung analysiert. Er sieht leichte Verbesserungen, mahnt aber noch deutlichen Nachholbedarf an. Was der DGB fordert. Zum Artikel
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) besuchte Anfang der Woche den Salzstock Gorleben, um dort einen fast 50 Jahre andauernden Konflikt symbolisch zu beenden. 1977 hatte Niedersachsens damaliger Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) angekündigt, den Salzstock auf die Eignung als Atommüllendlager zu untersuchen. Es folgten jahrzehntelange Bauarbeiten – offiziell: geologische Erkundungen – und Proteste der Umweltbewegung. 2013 erweiterte die Bundesregierung die Suche nach einem Endlager, diesmal ergebnisoffen. Bis heute ist keine Entscheidung gefallen. Aber Gorleben ist außen vor. Seit Ende November schaffen nun Arbeiter täglich tonnenweise Salz zurück in das Bergwerk. In drei Jahren sollen die Schächte verfüllt sein. Allerdings könnte eine benachbarte Halle noch bis zu 100 Jahre als Zwischenlager genutzt werden.
Deutlich kürzer hat die EU mit den lateinamerikanischen Staaten des Mercosur über einen Handelsvertrag beraten – aber es dauerte doch 25 Jahre, bis er nun unterschriftsreif war. Angesichts des Widerstands vieler EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und Polen ist allerdings weiterhin offen, ob er je Realität wird. Alexandra Endres und Till Hoppe beschäftigen sich mit den Nachhaltigkeitsaspekten des Abkommens.
Schneller soll die Wirtschaft in Deutschland klimaneutral werden – bis 2045 sind es nur noch knapp 20 Jahre. Um das Ziel zu erreichen, muss auch die Baubranche Fortschritte machen. Dabei spielt eine zentrale Rolle, was in der Zukunft aus altem Beton gemacht wird. Isabel Fisch berichtet für unsere Serie zur Kreislaufwirtschaft über das Circular Construction & Technology Center, das der Baukonzern Strabag in Bremen gegründet hat.
Bevor Christian Glock an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) und im Rahmen von EU-Projekten erforschte, wie nachhaltiges Bauen gelingen kann, arbeitete er 17 Jahre in der Industrie, verantwortete Massivbau-Projekte. Dabei hat der Bauingenieur vor allem eines gelernt: “Wenn die Bauherren ressourcenschonend bauen wollten, dann eher aus dem Wunsch nach schicken Zertifikaten statt echter Nachhaltigkeit.” Das spornte ihn an, zu forschen. Denn kaum ein Sektor verschlingt so viele natürliche Ressourcen wie der Bau.
Jedes Jahr entstehen weltweit Millionen von Häusern, Brücken und Straßen, für die rund 30 Milliarden Tonnen des formbaren, stabilen, überall verfügbaren und vor allem billigen Betons benötigt werden. Umso schlechter aus Sicht der Kreislaufwirtschaft, wenn Bauten abgerissen werden und deren Schutt deponiert oder maximal als Füllmaterial für Straßen wiederverwendet wird – wie es mit dem Großteil der jährlich rund 229 Millionen Tonnen Bauschutt in Deutschland geschieht. “Nur ein Bruchteil davon gelangt in den Wertstoffkreislauf der Zement- und Betonherstellung zurück”, sagt Glock.
Die Baubranche will das ändern, weil sie laut politischer Zielsetzung bis 2045 klimaneutral sein soll. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Bauten: Während vor zehn Jahren 550 Gebäude zertifiziert wurden, waren es Ende 2022 mehr als 2.800. Zum Teil sprechen aber auch wirtschaftliche Gründe dafür: Rohstoffe könnten teuer werden. Das macht es attraktiv, Kies, Sand oder Zement wiederzuverwenden. Doch taugt Recyclingbeton als günstiger Klimaretter?
Beim Bauunternehmen Strabag ist man davon überzeugt und hat dafür das Circular Construction & Technology Center in Bremen aus dem Boden gestampft. Dort will Strabag gemeinsam mit Hochschulen, Prüfanstalten und Instituten eine ressourcenschonende und CO₂-sparende Baukreislaufwirtschaft erforschen. Ein besonderer Fokus vor Ort: Recyclingbeton.
“Recyclingbeton ist in den letzten Jahren sehr beliebt geworden”, sagt Torsten Dölle, Leiter der Betonbautechnologie bei Strabag. In ihm stecken bis zu 25 Prozent recyceltes Abrissmaterial, das neue, natürliche Rohstoffe ersetzt und den Abfall auf Deponien senkt. Zudem fallen teure und klimaschädliche Lkw-Transporte weg – sofern die Abrissstelle nah an der Baustelle liegt.
Das Problem ist ihm zufolge jedoch die Verfügbarkeit. Wiederverwendbaren Bauschutt gibt es genügend, nur muss er auch aufbereitet werden können – und damit das nachhaltig ist, muss das nah an der Baustelle geschehen. “In Bremen gab es bislang keine Aufbereitungsanlage und damit auch keinen Recyclingbeton.” In dem kleinen Bundesland müssen alle Rohstoffe für den Bau importiert werden. Und eine Möglichkeit, altes Baumaterial aufzubereiten, gab es bisher auch nicht. Der neue Strabag-Campus ändert das.
Ankommender Bauschutt wird dort sortiert, zerkleinert und gesiebt. Dabei entstehen zwei Körnungsgrade: Ein sandartiges Material mit bis zu zwei Millimetern Größe sowie kiesähnliche Stücke, die bis zu 16 Millimeter groß sind. Diese können dann später dem natürlichen Stein beigemischt werden und diesen bis zu 25 Prozent ersetzen. Das bedeutet: Der Beton braucht ein Viertel weniger Neukies als bisher, was erst einmal nachhaltiger ist – und einem Trend entgegenwirken könnte. Denn seit Jahren wird immer weniger Kies in Deutschland abgebaut. Das liege vor allem daran, dass die Zahl der bewilligten Kiesgruben sinke, weil die behördlichen Auflagen und gesellschaftlichen Widerstände dagegen wüchsen, sagt Bauingenieur Glock.
Würde Kies tatsächlich knapp werden, wäre Recyclingbeton eine gute Alternative. Doch derzeit gibt es nach Angaben des Bundesverbands Mineralische Rohstoffe (MIRO) noch immer knapp 3.000 Kiesgruben, aus denen das Baumaterial je nach Standort weniger Strecke zurücklegen muss als Bauschutt. “Und da Recyclingbeton wegen des hohen Aufwandes meist teurer ist, ist der Preis in der Regel auch kein Ansporn, auf ihn zu setzen”, ergänzt Glock.
Aus ökologischen Gründen und damit für die Kreislaufwirtschaft ist es jedoch förderlich, bereits vorhandene Ressourcen zu nutzen, die ansonsten bestenfalls auf der Deponie landen würden. Laut Strabag sind nur 13 Prozent der hierzulande genutzten Baustoffe aus recyceltem Material. Vor allem politisch und gesellschaftlich sei aber mehr Recycling gewollt, heißt es von der Firma.
Wie viel recyceltes Material das Bauunternehmen beimischen kann, hängt vom Einsatzgebiet ab. Je mehr Strapazen die Bauten ausgesetzt sind, desto weniger eignet sich Recyclingbeton dafür. Denn: “Die Qualität der Betonkörnung hat sich in den letzten Jahren stark verbessert, entspricht aber noch immer nicht der Qualität der natürlichen Gesteinskörnung”, erklärt Dölle. “Sie ist weicher, und um das zu kompensieren, wird mehr Zement benötigt.”
Und je mehr Zement im Material enthalten ist, desto mehr CO₂ steckt auch darin – und hier liegt der wahre Klimakiller. Denn dessen Herstellung ist mit hohen CO₂-Emissionen verbunden. Von den durchschnittlich 250 Kilogramm CO₂, die jede Tonne Beton verursacht, stammt der Großteil aus dem benötigten Zement: 600 Kilogramm CO₂ braucht es, um eine Tonne Zement herzustellen. Deshalb stört es Glock, wenn Recyclingbeton als “grüner Beton” bezeichnet wird: Egal wie gut dieser auf dem Papier klingt – richtig klimafreundlich ist er heute noch nicht.
Technisch möglich ist es zwar, den Zement nachhaltiger zu machen, wie erste Pilotprojekte zeigen: Im Juni hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) etwa eine Pilotanlage in Betrieb genommen, mit der Recyclingbeton zu neuem Zementklinker werden sollen. Dazu wird der feinkörnige Abfall aus dem Beton genutzt, der bei 1.000 Grad Celsius in den Ofen kommt, statt der bisherigen 1.400 Grad. Dadurch sinke der Energieeinsatz im Vergleich zur konventionellen Klinkerherstellung um 40 Prozent, heißt es vom KIT. Zudem wird das Kohlendioxid aus dem Beton abgefangen und direkt wieder im Zement gebunden.
Doch in der Praxis sind diese Verfahren noch zu teuer, zu aufwändig. Auch Recyclingbeton ist meist teurer als herkömmlicher. Trotzdem wird er gerne verbaut, und zwar “so gerne, dass wir manchmal sogar bremsen müssen, weil es einfach keinen Sinn macht”, sagt Dölle von Strabag. In Städten, wo die Wege kurz sind, oder in Kriegsgebieten, wo es für den Wiederaufbau an Material fehlt, sei es eine gute Option, sagt Glock: “Aber oft ist es leider einfach Greenwashing der Bauherren.” Isabel Fisch
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Auch nach der Unterzeichnung des EU-Mercosur-Freihandelsvertrags reißt die Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen an dem Abkommen nicht ab. Sie fürchten, es werde die Klimakrise weiter verschärfen. Dagegen hofft das Bundeswirtschaftsministerium, der Freihandel könne den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft weiter vorantreiben. Die letzten Details sind noch nicht bekannt, aber die Kommission hat angekündigt, den gesamten Vertrag binnen weniger Tage zu veröffentlichen. Bis das Abkommen rechtskräftig ist, kann es noch dauern.
Forschende aus Brasilien warnen derweil: Unter keinen Umständen dürfe der Freihandelsvertrag die Entwaldung im Amazonasgebiet weiter vorantreiben. Entscheidend sei, wie der vorliegende Text nun umgesetzt werde.
Für die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten geht es dabei nicht nur um Freihandel. Angesichts globaler Machtverschiebungen – dem Aufstieg Chinas und dem Bedeutungsverlust der USA, deren Verlässlichkeit zugleich durch die Wahl Donald Trumps zum nächsten Präsidenten sinkt – sucht die EU nach neuen geopolitischen Allianzen. Lateinamerika bietet sich an. “EU-Mercosur spiegelt unsere Werte und unsere Verpflichtung für den Klimaschutz wider”, wirbt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Kritische NGOs hatten sich bis zuletzt gegen den Freihandelsvertrag gewandt. Fast 400 im “Netzwerk gerechter Welthandel” zusammengeschlossene Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Europa und Lateinamerika warnten: Das Abkommen werde “die Entwaldung beschleunigen, die Klimakrise verschärfen und unsere Regionen weiter von Klimagerechtigkeit entfernen”. Sie fürchten vor allem schädliche Folgen für die Ökosysteme des Amazonas, Gran Chaco und Cerrado, die jetzt schon stark unter der Entwaldung leiden.
Audrey Changoe, Koordinatorin für Handels- und Investitionspolitik des europäischen Climate Action Network (CAN Europe), kritisierte die aus ihrer Sicht intransparenten Verhandlungen. Es sei “ein Skandal, dass sich die Kommission bis zur letzten Minute geweigert hat, detaillierte Informationen über die Verhandlungen und Verhandlungsdokumente offenzulegen” – zu einem Abkommen, das rund 750 Millionen Menschen betrifft. Allerdings liegt der Vertrag an sich bereits seit 2019 vor. Seither wurden noch die Ergänzungen zur Nachhaltigkeit eingefügt.
CAN Europe sieht gerade Rindfleisch, Geflügel, Zucker und weitere Agrarprodukte, deren Einfuhren nach Europa durch den Freihandelsvertrag steigen dürften, als die “größten Treiber von Entwaldung, Treibhausgasemissionen und Verlust von Biodiversität”. Die nachträglich eingefügten Umweltbestimmungen wertet die Organisation als Greenwashing. Dabei stützt sie sich auf ein juristisches Gutachten, das im Frühjahr 2023 im Auftrag des Umweltinstituts München erstellt wurde.
Wie der Freihandelsvertrag auf die Umwelt wirkt, werde von seiner Umsetzung abhängen, sagt hingegen Flavia Loss de Araujo, Professorin für Internationale Beziehungen am brasilianischen Instituto Mauá de Tecnología (IMT) zu Table.Briefings. Zwar gingen Studien von “einem erheblichen Anstieg der Kohlenstoffemissionen” aus – doch das gelte nur, wenn man die im Vertragstext beschriebenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen außer Acht lasse.
“Der Text des Abkommens enthält ausreichende Garantien”, findet Loss de Araujo. Werde der Freihandelsvertrag klug implementiert, habe er das Potenzial, “Nachhaltigkeit in beispielloser Weise in den Mittelpunkt von Handelsgesprächen zu stellen” und könne in schwierigen Zeiten zu einem positiven Beispiel für den Multilateralismus werden. Doch um das zu schaffen, brauche es “mehr als Verweise auf internationale Regelungen im Text”, nämlich gemeinsame Arbeit der Vertragsparteien an Umsetzung und Finanzierung.
Ob mit oder ohne Freihandel: Die Entwaldung in Brasilien müsse schnellstmöglich auf null, fordert der brasilianische Klimawissenschaftler Carlos Nobre, der sein Berufsleben der Erforschung des Amazonas gewidmet hat. “Der Amazonas ist kurz davor, zu kippen”, sagt Nobre. “Ich bin sehr besorgt.” Der Forscher lobt die EU-Entwaldungsverordnung als “sehr gut”, und sagt: “Wir müssen auch die USA und China überzeugen, dass sie keine Produkte von entwaldetem Land mehr kaufen”. China ist derzeit der wichtigste Handelspartner Brasiliens.
Das jetzt ausgehandelte Abkommen enthält deutlich schärfere Nachhaltigkeitsverpflichtungen für die Mercosur-Staaten als die Fassung von 2019. Das gilt insbesondere für den Klimaschutz. Die EU-Kommission setzte durch, dass die Achtung des Pariser Abkommens als “essential element” in den Vertrag aufgenommen wird. Sprich: Sollte etwa Argentinien unter Präsident Milei aus dem Paris-Abkommen austreten oder dessen Ziele nicht mehr ernsthaft umsetzen, könnte die EU die Zollvergünstigungen des Mercosur-Abkommens außer Kraft setzen.
Etwas weniger hart sind die Verpflichtungen zum Waldschutz. In der Kommission verweist man darauf, dass sich die Mercosur-Länder nun zum ersten Mal in einem internationalen bindenden Vertrag verpflichtet hätten, bis 2030 die Entwaldung zu stoppen. Bislang gab es dazu nur politische Verpflichtungen, etwa im Rahmen der Glasgow Declaration. Doch die Entwaldungsklausel ist kein “essential element”. Sie kann als Teil des Nachhaltigkeitskapitels nicht mithilfe der Rücknahme der Zollerleichterungen durchgesetzt werden. Ein solcher Sanktionsmechanismus sei für Brasilien und Co nicht akzeptabel gewesen und werde oft als “neuer Imperialismus der Industriestaaten” gesehen, sagt ein EU-Beamter. Stattdessen greift ein spezieller Streitschlichtungsmechanismus, der Verhandlungen im Rahmen eines Expertenpanels vorsieht.
Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass die EU ihre Entwaldungsverordnung gerade um ein Jahr verschoben hat. Sie könnte fast ein Drittel der brasilianischen Exporte in die EU betreffen und war einer der größten Streitpunkte in den Mercosur-Verhandlungen. Brasilien und die anderen Mercosur-Länder kritisierten sie als protektionistische Maßnahme. Und auch unter dem Pariser Klimaschutzabkommen sind die Regeln zum Waldschutz weniger stark, als die EU ursprünglich angestrebt hatte: Vor wenigen Wochen gab sie auf der COP29 in Baku ihren Widerstand gegen laxe Regeln für den Handel mit Emissionsminderungsgutschriften unter Artikel 6 des Pariser Abkommens auf. Solche Gutschriften können unter anderem aus Waldprojekten stammen.
Die Bundesregierung betont, dass Deutschland sich besonders für strenge Klima- und Waldschutzbestimmungen im Freihandelsvertrag eingesetzt habe. Die derzeit hohen Abholzungsraten insbesondere im Amazonasgebiet dürften “durch das Mercosur-Abkommen nicht gesteigert werden”, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit. Auf den ersten Blick sei im Freihandelsvertrag gerade für den Klimaschutz viel erreicht worden. “Wir schauen uns den Text aber natürlich noch genau an.”
Im Ministerium erhofft man sich von dem Abkommen auch einen leichteren Zugang zu Rohstoffen wie Lithium und Kupfer, die für die Energiewende benötigt werden – und perspektivisch auch zu Wasserstoff. Die Mercosur-Region könnte zudem ein wichtiger Abnehmer für klimafreundliche Technologien aus Deutschland werden.
Die Kommission prüft derzeit, ob sie das Mercosur-Abkommen in einen Handelsteil und einen politischen Teil aufspalten will. Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck drängen darauf, weil die Zustimmungshürden für die Handelserleichterungen dann niedriger wären: Die Handelsfragen sind reine EU-Zuständigkeit (“EU only”) und könnten mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten und mit Zustimmung des Europaparlaments vorläufig in Kraft gesetzt werden. Der politische Teil berührt hingegen auch die Kompetenzen der EU-Staaten und muss deshalb von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden – was oft Jahre dauert.
Die Klauseln zum Schutz des Paris-Abkommens würden aber auch im Fall einer Aufspaltung greifen. “Da gibt es keine Lücke”, versichert ein EU-Beamter. Selbst wenn der Handelsteil zuerst vorläufig angewendet werde: Die Klauseln zum Pariser Klimaschutzabkommen, die im politischen Teil des Abkommens enthalten sind, würden gelten.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) mahnt eine zügige Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie CSDDD in deutsches Recht an. Entsprechend äußerte sich Direktorin Beate Rudolf bei der Vorstellung des 9. Menschenrechtsberichts am Montag in Berlin. Mit Blick auf das bereits geltende nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) forderte sie von Bundesregierung und Bundestag “Kontinuität und Klarheit für die Unternehmen”.
Das DIMR warnt vor den Folgen, wenn das deutsche Gesetz beschnitten würde, bevor die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist. “Das Lieferkettengesetz wäre für zwei Drittel aller Unternehmen temporär ausgesetzt”, sagte DIMR-Vizedirektor Michael Windfuhr. Für die bessere Einhaltung der Menschenrechte wäre das kontraproduktiv, “denn das deutsche Gesetz beginnt gerade zu wirken”. Gegenüber Table.Briefings begründete er dies mit einer Reihe von Beispielen:
Für eine generelle Evaluierung der Wirkung des LkSG sei es aber noch zu früh, sagte Windfuhr.
Eine Einigung in Regierung und Bundestag über das Thema erscheint bis zu den Neuwahlen im Februar zunehmend unrealistisch. Die Verkleinerung des Anwendungsbereichs des LkSG steht, anders als von manchen Beobachtern erwartet, nach Informationen von Table.Briefings am Mittwoch nicht auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts. Es läuft wohl auch keine Ressortabstimmung in diese Richtung.
Für Kanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck ist das Gesetz zwar keine Herzensangelegenheit, sagen Insider in der SPD und bei den Grünen. Gewerkschaften und Zivilgesellschaft ist es jedoch ein wichtiges Anliegen. Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass die beiden Parteien diese Akteure vor den anstehenden Wahlen verprellen wollen. Die Grünen-Fraktion hatte bereits im Oktober erklärt, dass sie die Verkleinerung des Anwendungsbereiches ablehnt.
Zudem gehen FDP und Union wohl mit der Forderung nach Komplettaussetzung des LkSG in den Wahlkampf. Dies schließt eine jetzige Zustimmung zu einer bloßen Verkleinerung eines ansonsten fortgeltenden Gesetzes aus. Hinzu kommt, dass die EU-Kommission noch nicht erklärt hat, ob die Verkleinerung überhaupt mit Gemeinschaftsrecht vereinbar wäre.
Anders als die öffentliche Debatte bisweilen vermuten lässt, sehen manche Unternehmen Vorteile in Lieferkettengesetzen und plädieren für deren Beibehaltung. “Das LkSG ist ein richtig gutes Gesetz”, sagte Johanna von Stechow, Direktorin für unternehmerische Verantwortung bei Tchibo, zu Table.Briefings. Viele Unternehmen, besonders KMU, äußern sich jedoch nur ohne Namensnennung. “Das Lieferkettengesetz hat einen Mehrwert für uns”, sagt eine KMU-Vertreterin Table.Briefings. Sie fände es auch falsch, wenn die Bundesregierung Berichtspflichten abschaffen würde. Es sei für KMU gut, sich damit zu beschäftigen, um ihre Geschäftsrisiken besser zu erkennen.
Zuletzt haben sich nach Informationen von Table.Briefings fünf Unternehmen bei einem Hintergrundgespräch mit Wirtschaftsminister Habeck ähnlich geäußert. KMU sollten keinesfalls von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten befreit werden, heißt es bei einem der beteiligten Unternehmen, denn “das Thema geht uns alle an”. Marktmacht hätten aber hauptsächlich die Großunternehmen, “die ihre Berichtspflichten an die KMU per Gießkannenprinzip übertragen, und das kann nicht sinnvoll sein”. Vor allem große Verbände plädieren für eine Aussetzung des LkSG.
Viele KMU wünschen sich eine differenzierte Betrachtung beim LkSG, vor allem eine Unterscheidung zwischen den Berichtspflichten einerseits und den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten andererseits. Schon jetzt hat das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) die Berichtspflichten bis Ende 2025 ausgesetzt. Man könnte diese Aussetzung noch weiter verlängern, bis die europäische Regelung greife, sagte auch Windfuhr vom DIMR. Aber keinesfalls sollte die Bundesregierung die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für einen Großteil der Unternehmen aussetzen. Diese Sorgfaltspflichten bilden den Kern der sogenannten Due-Dilligence-Gesetze.
11. bis 13. Dezember 2024, Altensteig
Konferenz Green Tourism Camp 2024 (Veranstalter: GreenSign) Info & Anmeldung
12. Dezember 2024, 11:00 bis 12:00 Uhr, Online
Vortrag Die Rolle der Taxonomie für das Verständnis von Biodiversität (Veranstalter: Nationales Monitoringzentrum zur Biodiversität) Info & Anmeldung
12. Dezember 2024, 11:45 bis 13:00 Uhr, Online
Online-Diskussion Mit Industriepolitik gute Jobs schaffen? (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
12. Dezember 2024, 14.00 bis 16:00 Uhr, Online
Webinar Artenschutz am Gebäude (Veranstalter: NABU Berlin) Info & Anmeldung
13. Dezember 2024, 11:45 bis 13:00 Uhr, Online
Mittagstalk Was tun gegen Klima-Desinformation und fossilen Lobbyismus? (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
13. Dezember 2024, 13:30 bis 17:00 Uhr, Karlsruhe
Netzwerktreffen Ökologischer und sozialer Umbau der Wirtschaft (Veranstalter: Netzwerk zukunftsfähiges Wirtschaften) Info & Anmeldung
13. Dezember 2024, 18:00 bis 21:00 Uhr, Emden
Diskussion Mobilitätswende und Transformation der Autoindustrie (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
17. Dezember 2024, 18:30 bis 20:30 Uhr, Karlsruhe
Diskussion Von Carbon Aware Computing zu Grid Aware Computing (Veranstalter: Green Web Foundation) Info & Anmeldung
17. Dezember 2024, 9:30 Uhr bis 15:15 Uhr, Online
Seminar Nachhaltigkeitskoordination – Bewertung der Nachhaltigkeitsanforderungen im baukulturellen Kontext (Veranstalter: Bayerische Architektenkammer) Info & Anmeldung
Eine am Montag aus Anlass des “Stahlgipfels” der Bundesregierung erschienene Studie des Thinktanks Epico Klimainnovation kritisiert den deutschen “Low-emission Steel Standard” (Less). Es bestehe die Gefahr des Greenwashings, denn Less benachteilige die besonders CO₂-arme Stahlproduktion aus Schrott und verschleiere die tatsächlichen CO₂-Emissionen der Herstellung aus neu abgebautem Eisenerz. Die Studie empfiehlt der Europäischen Union, bei der Entwicklung eines Grünstahl-Labels stattdessen eine technologisch neutrale CO₂-Berechnungsmethode anzuwenden. Außerdem sollte ein EU-Standard Umwelt- und Sozialkosten des Eisenerzabbaus berücksichtigen.
Less wurde von der Wirtschaftsvereinigung Stahl und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorangetrieben. Der Thinktank kritisiert, dass Less bei der Berechnung von CO₂-Emissionen eine gleitende Skala zugrunde legt: je höher der Anteil von Stahlschrott, desto strenger sind die Grenzwerte für CO₂-Emissionen, um den Standard zu erfüllen. Im Umkehrschluss gelten für Stahl aus neu gefördertem Eisenerz weniger strenge CO₂-Regelungen. Dadurch werde das Sammeln und Recycling von Stahlschrott im Sinne einer Kreislaufwirtschaft behindert, denn die Verwendung von Primäreisen werde dadurch potenziell billiger als die Wiederverwertung, sagte Studienkoautor Julian Parodi zu Table.Briefings.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl begründet die gleitende Skala mit der begrenzten Verfügbarkeit von Stahlschrott. “Klimaziele können nicht allein über den Mehreinsatz von Schrott erreicht werden”, sagte Martin Theuringer, Geschäftsführer der WV Stahl zu Table.Briefings. Zudem müssten “Anreize zur Dekarbonisierung der Primärstahlroute gesetzt werden”.
Gemeint sind die sehr hohen Investitionskosten für weniger klimaschädliche Verfahren bei der Verarbeitung von Eisenerz zu Stahl. Dafür planen die vier größten Stahlkonzerne in Deutschland, einzelne Hochöfen mit teuren Direktreduktionsanlagen zu ersetzen. Darin kann statt Kokskohle “grüner” Wasserstoff verwendet werden. Stahlschrott wird hingegen in bereits existierenden Elektrolichtbogenöfen wiederverwertet. Die Less-Berechnungsmethode, so Theuringer, ermögliche “die Transformationsherausforderungen in der Stahlproduktion technologieoffen” für beide Produktionswege “in einem einheitlichen Label abzubilden”. av
Versicherer haben in den vergangenen 20 Jahren rund 600 Milliarden US-Dollar für Schäden infolge des Klimawandels bezahlt. Das geht aus dem aktuellen Klimaversicherungsbericht des internationalen NGO-Netzwerks Insure Our Future hervor. Deutlich gewachsen ist demnach auch der Anteil der Schäden durch Wetterphänomene, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Die entsprechende Quote sei in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt von 31 auf 38 Prozent gestiegen, heißt es.
“Wenn wir die Emissionen in diesem Jahrzehnt nicht drastisch senken, werden die Klimaschäden exponentiell zunehmen und könnten sowohl Versicherer als auch Volkswirtschaften überlasten“, sagt Ilan Noy, ein führender Klimaökonom von der Te Herenga Waka-Victoria University of Wellington. Versicherer unterschätzten “massiv das Klimarisiko”.
Die Autoren der Studie nahmen 28 führende Schaden- und Unfallversicherer gesondert unter die Lupe. Sie hätten im Jahr 2023 10,6 Milliarden US-Dollar für klimabedingte Schäden aufgewendet. Gleichzeitig nahmen sie von Firmenkunden aus der fossilen Energiebranche nur wenig mehr ein, nämlich 11,3 Milliarden US-Dollar an Prämien. Bei sieben in der Studie erfassten europäischen Unternehmen – unter anderem Allianz, Axa, Aviva und Zurich – überstiegen die klimabedingten Verluste mit 3,23 Milliarden US-Dollar sogar die Prämieneinnahmen aus den Bereichen Kohle, Öl und Gas um rund eine Milliarde US-Dollar. Im Schnitt machten die Versicherungsabschlüsse für diese fossilen Branchen nur zwei Prozent ihrer Gesamtbilanzen aus. Das wirft nach Ansicht der NGO die Frage auf, “warum Versicherer ihren gewaltigen Einfluss auf fossile Industrien nicht nutzen, um die anderen 98 Prozent ihres Geschäfts vor steigenden Klimarisiken zu schützen”.
Die strengsten Klimarichtlinien von den 28 untersuchten Versicherern hat nach Ansicht der NGOs der italienische Versicherer Generali, der im Oktober die “erste Richtlinie zur Beschränkung fossiler Brennstoffe verabschiedete”. Die Allianz rutschte in dem Ranking auf Platz 2. Strengere Klimarichtlinien, insbesondere von den beiden deutschen Versicherern Allianz und Munich Re, forderte Regine Richter, Energie- und Finanzexpertin bei der Umwelt-NGO Urgewald: “Sie sollten auch neue Midstream- und Downstream-Gasinfrastruktur wie LNG-Terminals, Pipelines und Gaskraftwerke ausschließen”. cd
Das LNG-Terminal Deutsche Ostsee auf Rügen könnte zum Jahresende seine Betriebsgenehmigung verlieren. Eine entsprechende Entscheidung werde noch vor Weihnachten fallen, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) am Freitag.
Streitpunkt ist die Stromversorgung der Floating Storage and Regasification Units (FSRUs), der schwimmenden LNG-Terminals. “Es stellt sich die Frage, ob die Genehmigungsfähigkeit vorhanden ist oder im schlimmsten Fall der Weiterbetrieb in der Form nicht stattfinden kann”, so Backhaus.
Der private Betreiber Deutsche Regas hatte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine landseitige Stromversorgung der FSRUs beantragt und genehmigt bekommen. Dafür sollte ein vergleichsweise effizientes Blockheizkraftwerk eingesetzt werden. Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen. Als Gründe nannte das Unternehmen Lieferschwierigkeiten und technische Probleme. Stattdessen sollen nun auf unbestimmte Zeit schiffseigene Generatoren die Stromversorgung sicherstellen.
Kritiker des Projekts wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) befürchten deshalb eine höhere Lärm- und Luftschadstoffbelastung durch den Terminalbetrieb. Constantin Zerger, DUH-Experte für Energie und Klimaschutz, geht davon aus, dass die Inbetriebnahme des Blockheizkraftwerks von der Deutschen Regas verschleppt wird. Hintergrund sei, so vermutet Zerger, dass der Betreiber aufgrund wirtschaftlicher Probleme nicht mehr in der Lage sei, die Investitionen für die Landstromversorgung aufzubringen.
FSRUs sind Spezialschiffe, die LNG von Tankern aufnehmen, speichern und regasifizieren können, um es in Pipelines einzuspeisen. Vor Rügen liegen die “Transgas Power” und die “Energos Power” vor Anker. Zusammen haben sie eine Jahreskapazität von 13,5 Milliarden Kubikmetern. Ob sie für die Gasversorgung Deutschlands überhaupt gebraucht werden, ist seit Jahren heftig umstritten. Das Terminal im Hafen von Mukran wurde im September 2024 offiziell in Betrieb genommen und ist seitdem kaum ausgelastet. ch
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) fordert für Menschen mit Behinderung in Werkstätten zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt einen Mindestlohn. “Dann hätte der Werkstattlohn nicht länger Taschengeldcharakter”, sagte DIMR-Direktorin Beate Rudolf am Montag bei der Vorstellung des 9. Menschenrechtsberichts in der Bundespressekonferenz.
Bisher erhielten Beschäftigte in den Werkstätten lediglich ein Monatsgeld von durchschnittlich 222 Euro. Manche Unternehmen nutzen die Werkstätten wegen der geringen Entlohnung als verlängerte Werkbänke. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte im März einen Entwurf für einen bundesweiten Aktionsplan vorgelegt. “Wir erwarten hierfür von der nächsten Bundesregierung einen klaren Zeitplan” zur Umsetzung, sagte Rudolf.
Eigentlich wollte das BMAS zudem noch während dieser Legislatur ein Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vorlegen. Dies erwartet das DIMR nun ebenso von der nächsten Regierung. Inklusive Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien in Deutschland selten, sagte Rudolf. Menschen mit Behinderungen könnten ihren Arbeitsplatz kaum frei wählen – die Beschäftigung in einer Werkstatt sei der Normalfall. Damit verstoße Deutschland gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. cd
Der Gehalt an Perfluoroctansulfonat (PFOS) überschreitet in vielen europäischen Gewässern die gesetzlichen Grenzwerte zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit. Darauf deuten laut der Europäischen Umweltagentur (EUA) Überwachungsdaten von 1.300 Messstellen aus dem Jahr 2022 hin. Einem EUA-Bericht von Montag zufolge wurden bei Messungen die Grenzwerte deutlich überschritten:
PFOS ist eine von 10.000 chemischen Verbindungen aus der Gruppe der sogenannten Ewigkeitschemikalien (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen, PFAS). Da Behörden PFOS vergleichsweise früh für bedenklich hielten – aufgenommen im menschlichen Körper drohen Krebs, Entwicklungs- und Fortpflanzungsstörungen – ist zu dieser Verbindung der Forschungsstand weiter gediehen als zu anderen PFAS-Verbindungen. Die Verwendung von PFOS wurde in Europa seit 2006 und auch international eingeschränkt.
Das Ausmaß der Verschmutzung mit PFOS und anderen PFAS-Verbindungen wird laut EUA bislang nicht ausreichend erfasst. Die Agentur fordert empfindlichere Analysemethoden und die Ausweitung des Spektrums der untersuchten Stoffe und der geografischen Messstellen-Abdeckung.
Vorschläge für eine weitreichende Einschränkung von PFAS liegen der EU vor, sind jedoch ein Streitthema bei der Reform der Industriechemikalienverordnung REACH. Industrieverbände sehen in einem kompletten Verbot eine Bedrohung für Hightech-Industrien. Allerdings wären auch Ausnahmen denkbar, beispielsweise für die Medizintechnik. Auch bei der geplanten European Water Resilience Strategy könnte PFAS-Kontamination eine Rolle spielen. av
Investitionen in Klimatechnologien haben deutlich abgenommen. Das geht aus dem Bericht “State of Climate Tech 2024” hervor, den die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland am Dienstag vorgestellt hat. Demnach sind die weltweiten Wagniskapital- und Private-Equity-Finanzierungen in dem Bereich zwischen 2023 (Q4 2022 – Q3 2023) und 2024 (Q4 2023 – Q3 2024) um fast ein Drittel von 79 auf 56 Milliarden US-Dollar zurückgegangen. Auf dem deutschen Markt sank das Volumen von rund drei auf zwei Milliarden US-Dollar.
“Die Zahlen spiegeln die allgemeine Unsicherheit wider, die vor allem durch volatile Märkte und steigende Zinsen getrieben ist”, sagt Gunther Dütsch, Partner im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland. Der Bedarf an innovativen Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels sei jedoch dringender denn je.
Spitzenreiter mit mehr als einem Drittel der Investitionen ist nach wie vor der Energiesektor, der weltweit einen Anteil von 35 Prozent erreichte. In Deutschland lag er mit rund 46 Prozent sogar noch höher. Auch das Interesse an Technologien zur Anpassung an Klimarisiken und zur Stärkung der Resilienz wächst. 28 Prozent der untersuchten Climate-Tech-Deals weltweit und rund 15 Prozent in Deutschland gehörten zu diesem Bereich. Dazu zählen beispielsweise Hochwasserschutzsysteme, Technologien zum Dürremanagement oder hitzeresistente Baumaterialien.
Climate-Tech-Start-ups aus dem Industriesektor verloren dagegen an Interesse. Ihr Anteil an den weltweiten Gesamtinvestitionen sank im betrachteten Zeitraum von 17 auf sieben Prozent – und das, obwohl dieser Bereich ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verursacht. “Anreize wie steuerliche Vergünstigungen, Subventionen oder spezielle Förderprogramme könnten dazu beitragen, mehr Kapital in diesen Bereich zu lenken”, sagt Dütsch. “Nur durch eine gezielte und koordinierte Anstrengung könne der Industriesektor transformiert und ein bedeutender Beitrag zur globalen Reduktion von Treibhausgasemissionen geleistet werden.” ch
Der Verbrenner ist død – Zeit
In Norwegen stehen Verbrenner nur noch als Erinnerung in den Autohäusern, verkauft werden sie praktisch nicht mehr. Mittels der Steuergesetzgebung habe das Parlament sie teurer gemacht als die Elektrischen, so Zacharias Zacharakis. Auch der Zweitmarkt für E-Pkw sei lebendig. Die Norweger schauten nun mitleidig auf Deutschland, obwohl es hierzulande sogar mehr Ladestationen pro Fahrzeug gäbe. Zum Artikel
Britain’s electric-car roll-out is hitting speed bumps – The Economist
In den letzten Monaten dieses Jahres 2024 war mehr als jeder fünfte Neuwagen der britischen Autoindustrie ein Elektrofahrzeug. Nächstes Jahr müssten es laut einer Regulierung aber schon 28 Prozent sein. Bis 2030 soll der Verbrennerverkauf ganz eingestellt werden. Bislang, so die Autoren, scheuen potenzielle Käufer vor den relativ höheren Preisen für E-Pkw zurück. Die Labour-Regierung verspricht Hilfe, will am Enddatum aber festhalten. Zum Artikel
Ist die “Generalsanierung” der Bahn eine Fata Morgana? – Süddeutsche Zeitung
Während die Ausfinanzierung bereits beauftragter Streckensanierungen im Bundestag festhängt, und die defizitäre Güterbahn DB Cargo aus Geldmangel ein Sechstel der Arbeitsplätze abbaut, droht nun eine Absage des Generalsanierungsprogramms: Bei der Netzagentur laufe ein Prüfverfahren, ob die monatelange Sperrung wichtiger Strecken verhältnismäßig sei, berichten Klaus Ott und Vivien Timmler. Zum Artikel
Die da oben – Süddeutsche Zeitung
Die Ökonomin Monika Schnitzer habe bei einer hochrangig besetzen Konferenz in Bayern ein “beherztes Plädoyer” für Zuwanderung gehalten, schreiben Moritz Baumstieger und Jens-Christian Rabe. 1,5 Millionen Einwanderer müssten jährlich kommen, damit die notwendige Netto-Zuwanderung erreicht und die demografische Alterung aufgefangen werde. Sprachkurse und bessere Einbürgerungsmöglichkeiten seien Voraussetzung gelingender Integration der Fachkräfte. Zum Artikel
Hoffnungsschimmer bei Meyer Burger: Geldgeber wenden Insolvenz vorerst ab – aber die Uhr tickt – Neue Zürcher Zeitung
Der schwer angeschlagene Solarmodulhersteller habe sich Mittel in Höhe von 40 Millionen Dollar gesichert und verhandele weiter mit Gläubigern, schreibt Benjamin Triebe. Schwer getroffen hat das Unternehmen die Kündigung des US-amerikanischen Grosskunden Desri, just als die Schweizer Firma ihre Produktion aus Deutschland in die USA verlegte. Zum Artikel
Anger in South Africa over McKinsey’s $122mn bribery settlement – Financial Times
Korrupte Politiker, Beamte und Geschäftsleute beraubten die öffentlichen Unternehmen Südafrikas, bis Stromversorgung, Zug- und Flugverkehr zusammenbrachen. Aktiv geholfen haben dabei Berater von McKinsey. Ein Deal mit den Strafverfolgungsbehörden in Südafrika und den USA lasse McKinsey nun viel zu leicht davonkommen, hörte Rob Rose von Kritikern. Zum Artikel
Zeitwirtschaft, Zeitwohlstand, Zeitkonflikte – Makronom
Der Fokus auf die Geldwirtschaft blende zentrale Aspekte des menschlichen Zusammenlebens und der Zeitgerechtigkeit aus, schreibt Bernhard Emunds. Gemessen am Volumen mache Erwerbsarbeit nur 43 Prozent aller Tätigkeiten aus. Zudem werde sie nur zu rund 75 Prozent in der Privatwirtschaft – also in Unternehmen der Geldwirtschaft – geleistet. Schaue man auf die makroökonomischen Herausforderungen einer sozial-ökologischen Transformation, dann sei die quantitative Dimension, insbesondere der Umfang der erwerbsarbeitsfreien Zeit, von entscheidender Bedeutung. Zum Artikel
Die Welt ist mit einer historischen Schuldenkrise konfrontiert. Aktuell sind zwölf der ärmsten Länder der Welt zahlungsunfähig oder stehen kurz davor. Staaten nutzen Schulden, um in Infrastruktur, Wirtschaft und soziale Fürsorge zu investieren. Problematisch wird es allerdings, wenn die Auslandsverschuldung zu hoch wird. Die Ursachen für die aktuelle Schuldenkrise sind vielfältig: höhere Kosten für Energie- und Lebensmittelimporte, schwankende Rohstoffpreise, hohe Staatsausgaben durch Naturkatastrophen infolge der Klimakrise und teilweise schlechte Regierungsführung. Zusätzlich verschärft wurde diese Krise in den letzten Jahren durch die Erhöhung der europäischen und US-amerikanischen Leitzinsen. Dadurch stiegen die Zinsen weltweit.
Im vergangenen Jahr zahlten die Länder des Globalen Südens insgesamt 847 Milliarden US-Dollar Zinsen – ein Anstieg von 26 Prozent in zwei Jahren. Mit großen Folgen für die Staatshaushalte der betreffenden Länder. So wendeten 45 Länder 15 Prozent oder mehr ihrer Staatseinnahmen auf, um Schulden und die damit verbundenen Zinsen zu begleichen. In Sambia waren es sogar 40 Prozent, in Laos und Angola über 60 Prozent. Für Investitionen und soziale Ausgaben blieb ihnen nur noch wenig Geld. Besonders besorgniserregend ist die hohe Schuldenlast vieler Länder des Globalen Südens angesichts der menschengemachten Klimakatastrophe, die sie besonders stark trifft. Die überschuldeten Staaten können dringend notwendige Investitionen in Klimaanpassung und -resilienz nicht tätigen, was auf lange Sicht noch teurer wird.
Auch für den Kampf gegen Armut stellt Überschuldung ein großes Hemmnis dar: In vielen Ländern führt dies nämlich zu Kürzungen bei sozialen Leistungen, der Gesundheitsversorgung und den Bildungsausgaben. Gleichzeitig werden die Steuern für die Mehrheit der Bevölkerung erhöht. Statt Armut zu verringern, verschlechtert sich so die Situation vor allem für ohnehin vulnerable Gruppen. Die Auswirkungen der Schuldenkrise werden so zu einem Katalysator für soziale und politische Instabilität, wie beispielsweise die heftigen Proteste der letzten Monate in Kenia zeigen. Dort protestierten Millionen gegen Steuererhöhungen und staatliche Sparpläne, die vom Internationalen Währungsfonds unterstützt wurden. In gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizei kamen mindestens 65 Menschen ums Leben. Die Ereignisse in Kenia sollten uns als Weckruf dienen. Überschuldung führt nicht nur zu wirtschaftlicher, sondern auch zu sozialer und politischer Instabilität, die sich über nationale Grenzen hinaus ausbreiten kann.
Solange es kein geordnetes Verfahren für die Entschuldung von Staaten gibt, geraten die überschuldeten Staaten zunehmend in Abhängigkeit von China. China, das der größte einzelstaatliche Kreditgeber für Länder des Globalen Südens ist, nutzt die Vergabe von Krediten als ein Instrument, um seine geostrategischen Ziele zu erreichen.
Um die Schuldenfalle zu durchbrechen, sind Schuldenerlasse unumgänglich. Derzeit gibt es aber keinen rechtlichen Rahmen für den Fall, dass ein Staat zahlungsunfähig wird. Es kommt also auf den guten Willen der Gläubiger an, ob es einen Schuldenerlass gibt. Die Verhandlungen sind außerdem komplex und langwierig, weil es kein existierendes Verfahren dafür gibt. Das ist ungünstig für die Gläubiger – vor allem aber schmerzlich für den Schuldnerstaat, der währenddessen finanziell gelähmt ist. Während staatliche Gläubiger eher bereit sind, Schulden zu erlassen, weigern sich gewinnorientierte private Gläubiger oft, ihren Teil beizutragen.
Das Fehlen eines rechtlichen Rahmens führt so zu Blockaden oder unzureichenden Schuldenerlassen, bei denen private Gläubiger weniger beitragen. Nicht selten müssen Schuldnerstaaten so das durch staatliche Erlasse freigewordene Geld verwenden, um Schulden mit privaten Gläubigern zu begleichen, anstatt notwendige Investitionen zu tätigen. Ein Beispiel dafür ist Sri Lanka, das 2022 zahlungsunfähig wurde. Während andere Gläubiger über einen Schuldenerlass verhandelten, versuchte die Hamilton Reserve Bank, die volle Rückzahlung ihrer Forderungen – inklusive Strafzinsen – einzuklagen.
Langfristig braucht es daher ein internationales Staateninsolvenzverfahren, das die Einigung zwischen Schuldnerstaat und den vielen Gläubigern – darunter staatliche Akteure, private Investoren und multilaterale Institutionen wie die Weltbank – über den erforderlichen Schuldenerlass gerecht und wirksam regelt.
Einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem Staateninsolvenzverfahren könnte Deutschland mit einem sogenannten “Safe-Harbour-Gesetz” machen. Dieses würde es unkooperativen Gläubigern erschweren, Forderungen per Klage durchzusetzen, und würde das Auslandsvermögen der Schuldnerstaaten in Deutschland schützen. Vor allem aber hätte es eine starke internationale Signalwirkung: Deutschland würde als stabiler und fairer Partner in internationalen Finanzfragen auftreten. Belgien, das Vereinigte Königreich und der US-Bundesstaat New York planen beispielsweise ähnliche Regeln und könnten von einem Vorstoß Deutschlands ermutigt werden, diese tatsächlich zu verabschieden.
Seit Beginn der Legislaturperiode haben wir intensiv an der Entwicklung eines Safe-Harbour-Gesetzes gearbeitet. Wir haben dem Finanzministerium Vorschläge unterbreitet, wie Deutschland einen positiven Beitrag leisten könnte, und auf die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs gedrungen. Aber wie in vielen anderen Politikbereichen auch, hat das damals von der FDP geführte Haus keine konstruktive Rolle eingenommen, sondern unsere und weitere Vorschläge aus der Zivilgesellschaft abgeblockt.
Aber um Armut zu bekämpfen, die Klimakatastrophe zu bewältigen und globale Stabilität zu gewährleisten, müssen wir dringend einen Ausweg aus der Schuldenfalle finden. Langfristig ist das nur mit einem internationalen Staateninsolvenzverfahren möglich. Als Zwischenschritt muss Deutschland dringend ein Safe-Harbour-Gesetz verabschieden. Denn es ist politisch völlig unverantwortlich, Maßnahmen zur Lösung der internationalen Schuldenkrise weiter aufzuschieben.
Deborah Düring ist seit 2021 Mitglied des Bundestags für die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist die außenpolitische Sprecherin ihrer Partei. Zudem ist sie Mitglied des Finanzausschusses.
Europe.Table – Geheime NGO-Verträge der Kommission: EU-Gelder für Lobbyarbeit gegen Mercosur: Die Kommission unterstützt Umwelt-NGOs jährlich mit jeweils sechsstelligen Beträgen. Bisher geheim gehaltene Verträge offenbaren, was die NGO dafür tun müssen. Zum Artikel
Agrifood.Table – Biogaspaket: BMWK bringt nicht abgestimmten Entwurf ins Verbändeverfahren ein: Das Bundeswirtschaftsministerium startete vergangene Woche überraschend ein Verbändeverfahren mit einem Referentenentwurf zu einem Biogaspaket. Zum Artikel
Bildung.Table – Ausbildung: Wie der DGB den Stand der Inklusion bewertet: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat die Lage der Inklusion in der Ausbildung analysiert. Er sieht leichte Verbesserungen, mahnt aber noch deutlichen Nachholbedarf an. Was der DGB fordert. Zum Artikel