Table.Briefing: ESG

Wie Ikea sein Essensangebot umstellt + Blockiert Lindner auch EU-Verpackungsverordnung? + Neuer BMUV-Staatssekretär: Jan-Niclas Gesenhues

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn es darum geht, die eigenen Kundinnen und Kunden für mehr Nachhaltigkeit zu begeistern, sind Unternehmen häufig zurückhaltend. Sie fürchten nichts mehr, als jemanden mit Vorschriften und einer eingeschränkten Wahl zu verprellen. Ikea Deutschland ist da nicht anders. Und trotzdem scheint dem Möbelhersteller etwas zu gelingen, nämlich, in seiner Systemgastronomie immer mehr pflanzliche Gerichte durchzusetzen. Wie das funktioniert, hat Annette Bruhns von der zuständigen Food Managerin erfahren. 

Nicolas Heronymus hat sich derweil von Jan-Niclas Gesenhues erklären lassen, welche Schwerpunkte er in seiner Arbeit künftig legen wird. Der 34-Jährige ist im Bundesumweltministerium gerade als neuer Parlamentarischer Staatssekretär vereidigt worden – alles Wissenswerte über ihn erfahren Sie in unserem Porträt. 

Und beim EU-Lieferkettengesetz gibt es eine neue Volte: Die FDP hat Absprachen dazu mit Italien offenbar mit der geplanten Verpackungsverordnung verknüpft. Ein üblicher Politik-Deal? Leonie Düngefeld und Till Hoppe halten Sie – kurz und kompakt – auf dem Laufenden. 

Ihr
Marc Winkelmann
Bild von Marc  Winkelmann

Analyse

Wie Ikea sein Essensangebot umstellt

Tanja Schramm, Ikea Country Food Manager Deutschland.

Frau Schramm, Ikea macht nicht nur in Möbeln, sondern auch in Lebensmitteln. Dafür sind Sie in Deutschland verantwortlich. Wie viele Menschen essen bei Ihnen?

Das können wir nur schätzen. Wenn wir pro Ticket-Bon in unseren Restaurants und Schwedenbistros 1,8 Esser annehmen – als Mittelwert – dann kommen wir auf bis zu 50 Millionen Menschen im Jahr. Etwa die Hälfte aller Kundinnen und Kunden in unseren Einrichtungshäusern isst auch bei uns. Manche kommen auch nur zum Essen, besonders zum Frühstück.

Wie hoch ist der Food-Anteil am Umsatz von Ikea Deutschland?

In Deutschland 4,5 Prozent – 267 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr.

Zuletzt, im “Veganuary”, haben Sie besonders viele vegane Gerichte angeboten. Wie kommt das an?

Wir haben uns in diesem Jahr zum vierten Mal beteiligt. Das passt perfekt in unser Konzept: Seit sechs Jahren bieten wir immer mehr pflanzenbasierte Gerichte an. Im Januar sind es vier von sechs Gerichten; über das Jahr liegen wir bei 40 Prozent der Hauptgerichte. Unser Ziel bis 2025 sind 50 Prozent. Natürlich bieten wir weiterhin auch die Klassiker an, etwa die Entenkeule im Dezember. Es geht nicht darum, unser Lebensmittelangebot einzuschränken. Wir möchten es vielmehr dauerhaft um weitere gesündere und umweltbewusstere Optionen ergänzen.

Können Sie bei Ihrer Kundschaft die viel beschworene Ernährungswende erkennen? 

Ich sehe tatsächlich eine Wende, bei der unsere Kundinnen und Kunden in Deutschland Vorreiter sind. Wir erkennen das als globales Unternehmen an den Verkaufszahlen: In Deutschland greift jeder vierte Kunde bereits zu einem pflanzenbasierten Angebot – Tendenz steigend. Dies zeigt auch die Bilanz des diesjährigen Veganuary: Wir haben im Januar fast doppelt so viele Kunden überzeugen können, ein veganes Schnitzelgericht zu kaufen statt unseres Hähnchenschnitzels. Insgesamt entschieden sich im Januar vier von zehn für ein vegetarisches oder veganes Gericht, ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vormonaten.

Haben eingefleischte Köttbullar-Fans gemeckert, als Sie alternativ zu den schwedischen Hackbällchen den Plantbullar eingeführt haben?  

Im Gegenteil. Es gab nur die Bitte der Fans des Veggie-Hotdogs, dass dieser vegetarische Hotdog so bleibt, wie er ist, nämlich auf der Basis von Gemüse und Maiskörnern. Der schmecke so gut. Deshalb haben wir dann noch einen Plant-Hotdog für alle eingeführt, die sich einen Geschmack wünschen, der näher am Original ist. In unseren Schwedenbistros entscheiden sich bereits 25 Prozent der Kundschaft für einen pflanzlichen Hotdog oder Gemüse-Hotdog.

Sie wollen in Ihren Shops bis 2025 sogar zu 80 Prozent nur noch pflanzenbasierte Lebensmittel anbieten.

Ja, im verpackten Food-Sortiment wird es dann neben unserem pflanzlichen Lebensmittelangebot fast nur noch unsere ikonischen nicht-pflanzlichen Produkte geben: Köttbullar und Lachs.

Steht dahinter das Bekenntnis von Ikea zum Green Deal?

Wir haben eine ganz starke Nachhaltigkeitsstrategie und wollen bis 2030 unseren CO₂-Fußabdruck halbieren. Wir sind ein globales Unternehmen und wissen, dass unser Verhalten wirklich Einfluss hat. Daher verfolgen wir einen stringenten CO₂-Reduktionspfad, bei dem Food eine elementare Rolle spielt. Dazu gehört, Fleisch zu ersetzen – und zwar gerade bei den Produkten, die die Menschen kennen und mögen.

Lidl bietet seit Oktober 2023 pflanzenbasierte Lebensmittel zum gleichen oder niedrigeren Preis an wie vergleichbare tierische Alternativen. Wie ist das bei Ikea?

Wir machen das schon länger so. Die Ingka Gruppe hat bereits früh die Entscheidung getroffen, dass unsere pflanzlichen Lebensmittel seit Oktober 2022 immer zum gleichen oder gar niedrigeren Preis als die vergleichbare Alternative auf Basis von tierischem Eiweiß angeboten werden. Und Ikea Deutschland geht noch weiter: Seit Oktober 2022 ist das pflanzliche Lebensmittelangebot aus Gemüsebällchen, Proteinbällchen, dem Veggie-Hotdog und dem pflanzlichen Softeis immer die erschwinglichere Wahl, und zwar um zehn bis 50 Prozent.

Von Lidls Vegan-Offensive las man viel mehr als von Ihrer.

Das ist vielleicht nur in Fachgremien bekannt, weil wir mit unserer Systemgastronomie in einem Möbelhaus im Food-Bereich Exoten sind. Gleichzeitig schauen viele auf uns, auch im Handel. Denn wir gehören zu den großen Systemgastronomen in Deutschland. Es gehört ja ein gewisser Mut dazu, sein Sortiment so zu verändern. Also nicht mehr fünf Fleischgerichte anzubieten und als Feigenblatt dazu ein vegetarisches.

Stichwort Verpackung: Sie bieten neuerdings Mehrweggeschirr an. Kommen die Leute denn so oft in die Restaurants?

Wir bieten Einweggeschirr, Becher und Bowls gegen einen Euro Pfand vor allem im Schwedenbistro an, damit unsere Kundschaft das Getränk oder den Hotdog mit nach Hause nehmen kann. Das läuft über das RECUP/REBOWL-Mehrwegsystem. Kundinnen und Kunden können die Gefäße hinterher deutschlandweit bei allen Partnerbetrieben, aber auch bei uns, zurückgeben und Pfand zurückerhalten. Außerdem können sie in den Bowls in unseren Schwedenrestaurants Essensreste einpacken und mit nach Hause nehmen. Diese Maßnahmen reduzieren den Wegwerfgeschirr-Müll – und zugleich die Lebensmittelverschwendung.

Wie viel Lebensmittelabfall entsteht bei Ikea? Allgemein geht man ja im Gastro-Bereich davon aus, dass 17 Prozent der Lebensmittel in der Mülltonne landen.

Dem Thema haben wir uns 2017 erstmals national mit der NGO “United Against Waste” gestellt, mit dem Ziel, diese Abfälle zu halbieren. Zu Beginn haben wir durchsichtige Abfalltonnen für den Biomüll hingestellt und die Menge an Abfall erfasst, sodass die Mitarbeitenden gesehen haben, was sie da eigentlich wegwerfen. Später wurde die Abfallmessung von einer KI namens “Waste Watcher” übernommen und erfasst. Das ist eine lernende digitale Waage mit Kamera. Am Anfang muss der Mitarbeiter ihr noch helfen und eintippen, was er da jetzt reingeworfen hat, damit sie das erfassen kann. Mit der Zeit erkennt die KI das selbst an den gespeicherten Bildern.

Und so haben Sie die Halbierung der Abfälle erreicht?

Im Pre-Consumer-Bereich ja! Und das, obwohl am Anfang der Ausgangswert unserer Messungen schon sichtbar gesunken war, bevor wir ihn festgehalten hatten. Warum? Weil die durchsichtigen Tonnen sofort zu einem größeren Bewusstsein bei den Mitarbeitenden geführt hatte. Diese Awareness ist der echte Game-Changer bei der Sache.

Gehen Sie jetzt das an, was auf den Tellern bleibt, also den Post-Consumer-Abfall?

Ja, das ist der nächste Schritt. Wir haben zum Beispiel bereits herausgefunden, warum so viele halbe Brötchenscheiben im Müll landeten. Ergebnis: Der Belag unserer Frühstücksteller hat nicht zu vier Hälften gepasst! Jetzt haben wir die Rezeptur so verändert, dass der Belag reicht. Zudem wissen wir durch unsere Messungen besser, von welchen Produkten wir zu viel auf dem Teller anbieten. Wenn eine Portion Pommes zu groß ist, schmecken die letzten nicht mehr und bleiben liegen. Oder wann die Mindesthaltbarkeit abläuft: Auch das überwachen wir jetzt so, dass wir wirklich das meiste verkaufen, bevor es abläuft.

  • Abfall
  • Ernährung
  • Kreislaufwirtschaft
  • Umweltschutz
  • Vegetarismus
Translation missing.

News

Blockiert Lindner auch die Verpackungsverordnung?

Bahnt sich bei der EU-Verpackungsverordnung der nächste Streit in der Ampelkoalition und das nächste German Vote an? In ihrem Europawahlprogramm bewertet die FDP deren geplante Ausgestaltung “sehr kritisch” und Bundesfinanzminister Christian Lindner scheint bereit, nach Lieferkettenrichtlinie und LKW-Flottengrenzwerten notfalls erneut in den Konflikt mit SPD und Grünen zu gehen. Die beteiligten Ministerien verhandeln seit längerem über strittige Maßnahmen, mit denen die EU Verpackungen und Verpackungsmüll reduzieren will. Federführend ist das Umweltressort von Steffi Lemke.

Bislang liefen die Gespräche recht konstruktiv, doch die Nervosität in den Häusern steigt. In einem internen Vermerk heißt es nun, Italien habe “nach unseren Informationen einen Deal mit BM Lindner” vereinbart: Rom verhelfe dem FDP-Chef zu einer Sperrminorität im Rat bei der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), im Gegenzug helfe Lindner, die Verpackungsverordnung zu blockieren. Italien lehnt insbesondere die geplanten Verbote von Einwegverpackungen (Artikel 22) und die Mehrwegziele für verschiedene Sektoren und Verpackungsformate (Artikel 26) ab und hat im Rat gegen das Verhandlungsmandat für den laufenden Trilog gestimmt.

Deutschland hingegen stimmte vor Weihnachten für das Verhandlungsmandat und brachte selbst Kompromisse zu den Streitthemen ein. Am 4. März soll nun der finale Trilog stattfinden, gerade noch rechtzeitig, um das Gesetzesvorhaben vor der Europawahl abzuschließen. Ob Mehrwegziele und Einwegverbote es überhaupt in den finalen Text schaffen, ist noch nicht klar: Auch das Parlament hatte den Kommissionsentwurf in diesen Punkten entschärft. Die Position des Rats ist hier deutlich ambitionierter.

Verpackungsindustrie und Handelsunternehmen halten am Recycling von Einwegverpackungen fest, laufen seit Monaten Sturm wegen des Vorhabens – und auch bei Lindner womöglich offene Türen ein. leo/tho

  • EU-Verpackungsverordnung
  • Verpackungen

Frankreich: Mehr als 50.000 Anträge auf Sozial-Leasing

Das in Frankreich in diesem Jahr erstmals aufgelegte “Leasing Sociale” für Elektroautos erfreut sich großer Beliebtheit. Innerhalb weniger Wochen wurden nach Angaben der Regierung mehr als 50.000 Anträge bewilligt. Das sind mehr als doppelt so viele wie erwartet. Deshalb wurde das Programm vorerst gestoppt. Es soll aber 2025 in größerem Umfang neu aufgelegt werden.

Der Minister für Industrie und Energie, Roland Lescure, zeigte sich mit dem großen Interesse sehr zufrieden. “Das Schöne an diesem Programm ist, dass es einerseits Menschen, die nicht unbedingt wohlhabend sind, den Zugang zu einem erschwinglichen Elektrofahrzeug ermöglicht, und andererseits dazu beiträgt, mehr französische Fahrzeuge zu produzieren”, sagte Lescure dem TV-Sender France 3.

Elektroauto für weniger als 150 Euro pro Monat

Sozial-Leasing ermöglicht es Arbeitnehmern mit geringem Einkommen, ein Elektroauto für weniger als 150 Euro pro Monat zu leasen. Dafür müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. So darf das Jahreseinkommen 15.400 Euro nicht übersteigen. Auch muss der Arbeitsplatz mindestens 15 Kilometer vom Wohnort entfernt sein. 

Gefördert werden zudem nur Elektrofahrzeuge mit einem Listenpreis von höchstens 47.000 Euro, die in der EU hergestellt wurden. Pro Leasingvertrag beteiligt sich der französische Staat mit bis zu 13.000 Euro.

Elektroautos werden in Frankreich immer beliebter. Im Jahr 2023 wurden dort 298.219 batterieelektrische Pkw (BEV) neu zugelassen. Das entspricht einem Zuwachs von 47 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Marktanteil der BEVs lag bei 16,8 Prozent. Im Vergleich dazu verlief die Entwicklung in Deutschland mit einem Plus von 11,4 Prozent deutlich verhaltener.

Ob das Sozial-Leasing auch ein Modell für Deutschland sein kann, wird sich erst noch zeigen. Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, verfolgt die Entwicklung im Nachbarland jedenfalls mit Interesse. “Wir müssen prüfen, ob und wie wir ein ähnliches Modell für Deutschland einführen können”, sagte die Verkehrsexpertin kürzlich zu Table.Media. ch

  • Elektromobilität
  • Verkehrswende
Translation missing.

Reporting: Anforderungen von GRI und ESRS nur teilweise kompatibel

Unternehmen, die bereits auf Basis der Global Reporting Initiative (GRI) ihre Nachhaltigkeitsberichte erstellen, erfüllen lediglich 40 Prozent der Anforderungen nach den neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS), zu denen mehr als 1180 Datenpunkte gehören. Das ergab eine Untersuchung der Beratungsfirma Kirchhoff Consult.

Die ersten Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsberichte anhand der ESRS für das laufende Geschäftsjahr veröffentlichen. Einige Unternehmen, vor allem börsennotierte, berichten bereits freiwillig nach der Global Reporting Initiative. “Die Hoffnung, mit der etablierten Berichterstattung nach GRI auch Großteile der neuen gesetzlichen Anforderungen im Zuge der CSRD-Berichterstattung abzudecken, lag grundsätzlich nahe”, so Julian von Pressentin, Senior Consultant der Beratungsfirma. “Doch unsere Gegenüberstellung der beiden Rahmenwerke hat ergeben, dass viele Unternehmen doch deutlich mehr leisten müssen als bislang angenommen.” Selbst eine akribische Anwendung des GRI-Rahmenwerks lasse signifikante Datenlücken offen. Dazu kommen etwa 15 Prozent an Datenpunkten, die nur teilweise übereinstimmen, zum Beispiel wegen unterschiedlicher Detailgrade oder Einheiten.

Teilweise Überschneidungen bei Inhalten und Prozessen

Der Vergleich zeige zudem, dass die Kompatibilität zwischen ESRS und GRI stark vom jeweiligen Thema abhängig sei, erklärte das Unternehmen. Im Themenkomplex Soziales und Governance seien die inhaltlichen Überschneidungen höher. Häufig gingen die GRI-Anforderungen sogar über die gesetzlichen Anforderungen hinaus, etwa bei Informationen über die eigene Belegschaft. Bei den Umweltstandards sei gerade einmal ein Drittel der ESRS- durch die GRI-Anforderungen abgedeckt. Die geringste Überschneidung wiesen die Themen Biodiversität und Klimaschutz auf.

Die Gegenüberstellung zeige aber trotzdem: Unternehmen, die bereits einen Nachhaltigkeitsbericht auf der Basis von GRI erstellt haben, profitieren von den inhaltlichen Überschneidungen, insbesondere bei den Sozial- und Governance-Standards. Auch in Fragen der Prozesse und Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens hätten Unternehmen, die sich bereits mit freiwilligen Rahmenwerken wie GRI auseinandergesetzt haben, in der Regel Vorteile. leo

  • Nachhaltigkeitsberichterstattung
  • Transformation

Bundesregierung löscht CO₂-Zertifikate 

Deutschland lässt alle CO₂-Zertifikate vom Markt nehmen, die durch stillgelegte Kraftwerke im Rahmen des Kohleausstiegs nicht mehr genutzt werden. Die Zertifikate werden zwischenzeitlich in der “Marktstabilitätsreserve” (MSR) des EU-Emissionshandels geparkt. Nach Auskunft der Bundesregierung kommen sie aber nicht mehr auf den Markt. Damit können sie auch anderswo in Europa im System des Emissionshandels nicht für den CO₂-Ausstoß genutzt werden. Das bestätigte jetzt das Wirtschafts- und Klimaministerium im Gespräch mit Table.Media.

Ein Jahr nach dem Konflikt um die Räumung des Dorfes Lützerath und den Kompromiss um einen vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinischen Revier will die Bundesregierung damit auch politischen Vorwürfen gegen die Wirksamkeit ihrer Klimapolitik begegnen. Denn durch den sogenannten “Wasserbett-Effekt” könnten im europäischen System des Emissionshandels die CO₂-Lizenzen, die in einem Land nicht genutzt werden, anderswo für den CO₂-Ausstoß eingesetzt werden. Diesen Eindruck hatte etwa Finanzminister Christian Lindner (FDP) im November erweckt. Er stellte den Kohleausstieg 2030 infrage und erklärte: “Für das Klima bringt dieses Datum ohnehin nichts, da die in Deutschland eingesparten CO₂-Emissionen aufgrund der europäischen Regeln zum Beispiel in Polen zusätzlich anfallen dürfen.” Das ist nun ausgeschlossen.

Deutschland verzichtet auf Geld für den Klimafonds

Denn selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Zertifikate später aus der MSR wieder auf den Markt kommen sollten, hat Deutschland Ende 2023 bei der EU deren Löschung beantragt. “So verhindert die nationale Löschung einen Wasserbett-Effekt”, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Das grün geführte Ressort hatte bereits vor einem Jahr angekündigt, man werde sicherstellen, dass die Zertifikate aus dem Ausstieg auch vom Markt verschwinden.  

Gleichzeitig verzichtet der deutsche Staat durch die endgültige Stilllegung der Lizenzen auf Einnahmen. Je nach der Menge der Lizenzen und dem aktuellen Preis bei den laufenden Versteigerungen würden die Zertifikate sonst Geld in den KTF-Fonds spülen. Die genaue Höhe ist unklar. 2022 flossen aus allen versteigerten Zertifikaten 6,8 Milliarden Euro aus dem ETS in den Fonds. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 15. November fehlen im Fonds für die nächsten Jahre insgesamt etwa 60 Milliarden.

Im Zuge des deutschen Kohleausstiegs sind 2022 nach BMWK-Informationen Kraftwerkskapazitäten mit insgesamt 414 Megawatt Leistung stillgelegt worden. 2021 waren es nach einer Studie des Forums Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS), die im Auftrag des Ökostrombetreibers Green Planet Energy erstellt wurde, acht Kraftwerksblöcke für Steinkohle und sechs Blöcke bei Braunkohle-Kraftwerken mit einer Gesamtkapazität von etwa 6,5 Gigawatt. bpo

  • Emissionshandel
  • Energiewende
  • Kohleausstieg

USA: Nachfrage nach ESG-Experten nimmt ab

Viele Jahre lang hatten ESG-Fachleute in den USA sehr gute Beschäftigungsaussichten. Doch nun scheint die Nachfrage zu sinken. Das geht aus einer Auswertung von Live Data Technologies hervor, einem Anbieter von Beschäftigungsdaten. Demnach haben im Jahr 2023 nur 40.884 Arbeitnehmer eine neue Stelle im ESG-Sektor angetreten, während 39.452 Arbeitnehmer eine solche Stelle aufgegeben haben oder sich ihr Aufgabenprofil geändert hat, wie das Wall Street Journal berichtet.

Damit ist der Überschuss der neu begonnenen gegenüber den beendeten ESG-Stellen im vergangenen Jahr auf 1.432 gesunken. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre hatte er laut Live Data noch bei rund 15.000 gelegen. Besonders deutlich sei der Rückgang bei den US-Internetkonzernen Meta Platforms (Facebook), Amazon und Google. 

Experten sehen mehrere Gründe für diese Entwicklung:

  • Die entsprechenden Abteilungen sind in den letzten Jahren aufgebaut und besetzt worden. Der dafür notwendige Personalaufwuchs ist vielerorts inzwischen abgeschlossen.
  • Die Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit an ESG-Kriterien wird zunehmend von republikanischen Politikern und rechten Lobbygruppen kritisiert, was die Unternehmen zu einer Anpassung ihrer Strategie zwingt.
  • Nach der Corona-Pandemie steigen die Gewinnerwartungen in den Unternehmen wieder – weshalb die Manager davon ausgehen, weniger in ESG-Abteilungen investieren zu müssen.

Für die Untersuchung hat Live Data den Status von 360.000 derzeitigen und früheren Beschäftigten analysiert, die in der Privatwirtschaft mit Aufgaben in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung betraut sind beziehungsweise waren. Dazu wurden berufliche Profile in sozialen Medien, Unternehmenswebseiten und andere öffentlich zugängliche Beschäftigungsdaten ausgewertet. ch

  • Arbeitsmarkt
  • USA

Mögliche Verstaatlichung der PCK-Raffinerie Schwedt

Eine temporäre Teilverstaatlichung der Ölraffinerie PCK in Schwedt (Brandenburg) scheint nach einem Arbeitsbesuch von Robert Habeck in Warschau wahrscheinlicher. Bislang wurde befürchtet, Russland könnte aufgrund einer Enteignung des Rosneft-Konzerns wichtige Rohöllieferungen aus Kasachstan blockieren. In Warschau deutete der Wirtschaftsminister an, dass Polen in diesem Fall einspringen würde. “Polen hat in der Vergangenheit sehr geholfen, die Ölversorgung im Osten Deutschlands sicherzustellen”, sagte er. Über die Unterstützung der Raffinerie werde intensiv gesprochen. 

Polen könnte kasachisches Öl ersetzen 

Die seit knapp zwei Jahren unter staatliche Treuhänderschaft gestellte PCK gehört noch zu etwas mehr als der Hälfte dem russischen Rosneft-Konzern. Derzeit kommt ein Teil des in Schwedt verarbeiteten Rohöls durch eine Pipeline aus Kasachstan, die über russisches Territorium verläuft. Ein weiterer Anteil, der erhöht werden könnte, kommt bereits jetzt aus dem Hafen Danzig. 

Anfang März muss die Treuhänderschaft verlängert oder der Besitzer enteignet werden. Derzeit laufe eine Anhörung, nach der dann entschieden werde, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) am Mittwoch im Potsdamer Landtag. 

Linkspolitiker Görke: Der Staat sollte die Transformation gestalten 

Die PCK plant, sich bis 2045 in einen Großproduzenten für erneuerbare Kraftstoffe und CO₂-neutrale chemische Produkte umzubauen. Unter anderem soll die PCK einmal zehn Prozent des Flugbenzin-Bedarfs in Deutschland decken. Auch Wasserstoff, Strom und Vorprodukte für die chemische Industrie sollen angeboten werden. Der Transformationsplan umfasst Investitionen von 15 Milliarden Euro. 

Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Brandenburger Finanzminister Christian Görke (Die Linke) plädiert dafür, die PCK dauerhaft in Eigentum des Bundes zu überführen, um die Transformation gestalten zu können. “Haupthindernis für den Umbau ist die ungeklärte Eigentümerstruktur”, sagte Görke zu Table.Media.  

Einer dauerhaften Verstaatlichung steht allerdings das Energiesicherheitsgesetz entgegen. “Unternehmen, deren Anteile enteignet wurden, sind wieder zu privatisieren”, heißt es darin. Als Kaufinteressent des Rosneft-Anteils gilt der Energiekonzern Orlen, der sich zur Hälfte in polnischem Staatsbesitz befindet. av

  • Energiewende

Bayerischer Finanzminister: “Investitionsprämie unnötig kompliziert”

Anders als die Ampelregierung sieht der bayerische Finanzminister Albert Füracker in einer Klimainvestitionsprämie keine Innovation. Auf Nachfrage erklärte sein Ministerium, dass das Förderinstrument “in der vorgesehenen Ausgestaltung als steuerliche Förderung zu einer erheblichen und unnötigen Verkomplizierung” führe. Es seien Abgrenzungsprobleme bei den Fördergründen, hohe Hürden für eine Inanspruchnahme und letztlich Rechtsunsicherheit für Unternehmen zu befürchten.  

In einer informellen Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses, an der Füracker beteiligt war, setzten die Unterhändler der Union-geführten Länder die Streichung der Prämie aus dem Wachstumschancengesetz durch. Aus ihrer Sicht wären die Finanzverwaltungen der Länder mit unnötigen Verwaltungsaufgaben belastet worden.  

Ampel für “tax credit” 

Die Bundesregierung hatte die Prämie als innovatives Kernstück des Wachstumschancengesetzes einführen wollen. Es sollte ähnlich wie ein US-amerikanischer “tax credit” funktionieren. Die grüne Finanzpolitikerin Katharina Beck argumentierte gegenüber Table.Media: “Die Prämie hätte für Unternehmen die Förderung vereinfacht, das wäre – im Unternehmenssprech – ‘easy to deal with'”. Die Koalition will weiter nach Wegen suchen, das Instrument einzuführen und dabei die Länder einbeziehen. Auch Wirtschaftsminister Habeck warb im Bundestag für das Instrument.  

Am kommenden Mittwoch soll der Vermittlungsprozess zwischen Bundestag und Bundesrat formal abgeschlossen werden. Bislang machte die Union ihre Zustimmung von einer Rücknahme des Subventionsabbaus für Agrardiesel abhängig. Fürackers Ministerium rückte davon nun ab. Bayern setze sich zwar weiter für den Erhalt der Agrardieselrückvergütung ein. Aber: “Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Wachstumschancengesetz besteht nicht.” av 

  • Agrardiesel
  • Wirtschaftswachstum

Presseschau

“Das Risiko ist inakzeptabel hoch” – taz
Klimaforscher Stefan Rahmstorf interpretiert im Gespräch mit Ingwar Perowanowitsch eine neue Studie zu Kipppunkten der Atlantischen Umwälzzirkulation. Das Risiko, dass der warme Golfstrom versiegt, scheine deutlich höher als bislang angenommen. Gegen eine massive Abkühlung Europas wirke aber die Klimaerwärmung. Trotzdem müsse ein sich selbst verstärkender Prozess im Atlantik verhindert werden. Zum Interview

Wie viel Land verbraucht der Mensch? – Süddeutsche Zeitung
Auf der Schwäbischen Alb hat sich eine ungewöhnliche Allianz formiert, um Neubaugebiete zu hinterfragen. Die Kritiker sehen in der Versiegelung von Böden ein gravierendes Problem und wollen diesen “Flächenfraß” eindämmen, weil er die Natur und Landwirtschaft und damit die Lebensqualität der Menschen bedroht. Thomas Hummel hat die Region besucht und sich umgehört. Zum Artikel

Warum chinesische Autobauer den Start in Europa verpatzen – Manager Magazin
Von einem “Auto-Tsunami”, der Europa erfassen würde, war vorher die Rede. Aber wie Christoph Seyerlein berichtet, begehen die Hersteller wie Great Wall Motor, BYD und Nio bei ihren Markteintritten momentan noch zu große Fehler. Die vermeintlich große Konkurrenz der chinesischen E-Autos erzeugt bei uns derzeit nur eine “sanfte Welle”. Zum Artikel

PFAS in der Lieferkette: Neue EU-Regelung auf dem Weg – Haufe
Sogenannte “Ewigkeitschemikalien” (PFAS) sind in vielen Produkten enthalten und gefährden Menschen und die Umwelt. Die EU will ihren Einsatz in der Lieferkette deshalb verbieten, was zur Folge hat, dass Unternehmen Ersatzstoffe finden müssen. Bettina Huck fasst den aktuellen Stand zusammen. Zum Artikel

Climate Change Threatens Europe’s Trains, But Resilience Is expansive – Bloomberg
In einer dekarbonisierten Zukunft muss die Bahn eine noch größere Rolle spielen. Doch Europas Infrastuktur ist darauf noch nicht vorbereitet, schreibt Olivia Rudgard. Die Folgen des Klimawandels wie Hitze, Flutwellen und Erosionen schaden auch den Schienen und Zügen – und es fehlt an Geld, um sie widerstandsfähig zu machen. Zum Artikel

Nach Zwangsarbeit-Vorwurf: Tausende Autos von VW-Marken hängen an US-Häfen fest – FAZ
Der Streit zwischen den USA und China über Vorwürfe von Zwangsarbeit in der Region Xinjiang werde für Europas Autoindustrie zu einer immer größeren Belastung, schreibt Christian Müssgens. VW habe bestätigt, dass tausende Autos in US-Häfen festhängen. Dortige Behörden hätten die Auslieferungen gestoppt, nachdem ein Sublieferant gemeldet hätte, dass er wegen möglicher Verbindungen in seiner Lieferkette nach Westchina auf einer US-Sanktionsliste gelandet sei. Zum Artikel

We Don’t Have Time for Climate Misinformation – New York Times
Das Klima erwärmt sich. Das Polareis schmilzt, die Gletscher gehen zurück, der Meeresspiegel steigt. All dies und noch viel mehr sind Folgen der Treibhausgase, die wir weiterhin in die Atmosphäre ausstoßen. In einem Gastbeitrag erläutern die Forscher Michael E. Mann und Peter J. Fontaine, warum deshalb keine Zeit für Desinformation und einen Krieg gegen die Wissenschaft ist. Zum Artikel

Wie ein Weg zu einem nachhaltigen Ernährungssystem aussehen kann – Standard
Ernährung spielt eine wichtige Rolle in der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft. Die Forscherin Christina Plank erklärt in ihrer Analyse, was dabei wichtig wäre. Zum Artikel

Heads

Jan-Niclas Gesenhues: “Wir werden sehr stark mit Unternehmen zusammenarbeiten”

Jan-Niclas Gesenhues mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke bei seiner Vereidigung zum Parlamentarischen Staatssekretär.

Dass Jan-Niclas Gesenhues im März ein Buch zum Umweltschutz veröffentlicht – kurz nach seiner Vereidigung als Parlamentarischer Staatssekretär am Donnerstag – ist sicherlich Zufall, erlaubt aber einen ungewöhnlich klaren Blick auf seine Prioritäten in der neuen Position.

In “Offensiver Umweltschutz” skizziert der Grünen-Politiker, was die Politik tun sollte, um das Artensterben und Kollabieren von Ökosystemen aufzuhalten. “Um unsere Lebensgrundlagen und damit unseren Wohlstand zu sichern, müssen wir jetzt umfangreich in die Renaturierung einsteigen”, sagt Gesenhues. Ebenso wichtig sei es, den Naturverbrauch zu senken und stärker in die Kreislaufwirtschaft zu investieren.

Für Unternehmen gehe es um die Geschäftsgrundlage

Damit das gelingt, möchte Gesenhues die Wirtschaft als Verbündeten gewinnen. “Wir werden auch sehr stark mit Unternehmen zusammenarbeiten, weil es beim Schutz der Natur letztlich um deren Geschäftsgrundlage geht: 70 Prozent der Unternehmen im Euroraum sind von Leistungen der Natur abhängig”, betont der bisherige umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion.

Stark zusammengearbeitet werden müsse aber auch international, beispielsweise bei der Umsetzung des 2022 im kanadischen Montreal vereinbarten Weltnaturschutzabkommens. “Dabei geht es um ganz konkrete Projekte zwischen Deutschland und Partnerländern, etwa mit Kolumbien und Madagaskar, mit denen wir Naturschutz voranbringen”, sagt Gesenhues.

In der neuen Rolle will der 34-Jährige auch einen Fokus auf Atompolitik legen. “Wir haben den Atomausstieg geschafft, aber nun gilt es, ihn gegen Falschbehauptungen zu verteidigen”, sagt Gesenhues. Es gehe zudem weiterhin um den Umgang mit Altlasten, weshalb junge Menschen die Atompolitik nicht vergessen dürften. “Nukleare Sicherheit und Endlagerung bleiben ein ganz wichtiges Thema für uns und für kommende Generationen.” Dafür wolle er stehen – auch als relativ junger Parlamentarischer Staatssekretär.

In die Politik gegangen, um Naturschutzprojekte voranzubringen

Der Wert und die Bedeutung der Natur seien Gesenhues schon als Kind klar geworden, berichtet der Grünen-Politiker aus dem münsterländischen Emsdetten. Sein Großvater habe ihn oft am Wochenende frühmorgens abgeholt, um ihn in den Wald oder aufs Moor mitzunehmen. Dank anschließender intensiver Lektüre zum Thema habe er schnell festgestellt, wie schlecht es um die Natur steht – mithilfe von Publikationen des WWF auch aus internationaler Perspektive.

In die Politik sei Gesenhues als junger Erwachsener gegangen, weil er das Gefühl hatte, dass Naturschutzprojekte oft durch eine “völlig gegenläufige Wirtschafts-, Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik durchkreuzt” würden. Als Gesenhues seinen Sozialwissenschaftslehrer gefragt hat, ob er bei der Grünen-Fraktion im Stadtrat von Steinfurt vorbeischauen könne, habe dieser gefragt, ob er das wirklich wolle, weil sie dort “nur über Poller und Rohre für die Stadtentwässerung sprechen” würden. Aber Gesenhues ging hin.

Kommunalpolitik lehrte ihn die Bedeutung von Kompromissen

Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Mosambik wurde er erst Mitglied im Kreisvorstand der Steinfurter Grünen und dann im Kreistag Vorsitzender der Fraktion und des Umweltausschusses. Mit 20 Jahren war er nicht nur einer der Jüngsten im Kreistag, sondern auch der Jüngste in den anderen Rollen. Er habe in der Kommunalpolitik viel über Politik gelernt, sagt Gesenhues – etwa “wie man für seine Ziele einsteht und dafür Mehrheiten gewinnt”.

Besonders geprägt hätten ihn seine ersten Verhandlungen für den Kreishaushalt mit der CDU-Fraktion. “Wir haben uns in einem abgelegenen Gasthof getroffen und viele Stunden über die Haushaltsgrundsätze verhandelt.” Seine Fraktion habe einiges herausgeholt – etwa einen kommunalen Klimafonds -, aber auch Abstriche machen müssen bei der Straßenplanung. “Dabei habe ich gelernt, dass Kompromisse in der Demokratie wichtig sind.”

Vom Studium über internationale Zusammenarbeit in den Bundestag

Dass Steffi Lemke ihn für einen “herausragenden Fachpolitiker” hält, wie sie anlässlich seiner Berufung ins Bundesumweltministerium sagte, liegt wahrscheinlich aber nicht nur an seinem frühen Interesse für Umwelt- und Naturschutz und seiner Erfahrung in der Kommunalpolitik. Gesenhues hat Volkswirtschaftslehre mit Fokus Umwelt- und Ressourcenökonomik studiert sowie zur dezentralen Energieversorgung in Mosambik promoviert.

Bis zu seiner erstmaligen Wahl in den Bundestag zur aktuellen Legislatur war er noch zwei Jahre Leiter von Partnerschaftsprojekten für die Qualifizierung von Handwerkspersonal bei der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf. Die Arbeit mit Partnern aus Mosambik, Südafrika, Jordanien und Marokko habe ihm einen sehr tiefen Einblick “in den Maschinenraum von internationaler Zusammenarbeit” gegeben – eine Erfahrung, die ihm in seiner neuen Rolle helfen dürfte. Artenvielfalt und Klima lassen sich schließlich nur mit globaler Zusammenarbeit schützen. Nicolas Heronymus

  • Biodiversität
  • Umweltschutz

ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wenn es darum geht, die eigenen Kundinnen und Kunden für mehr Nachhaltigkeit zu begeistern, sind Unternehmen häufig zurückhaltend. Sie fürchten nichts mehr, als jemanden mit Vorschriften und einer eingeschränkten Wahl zu verprellen. Ikea Deutschland ist da nicht anders. Und trotzdem scheint dem Möbelhersteller etwas zu gelingen, nämlich, in seiner Systemgastronomie immer mehr pflanzliche Gerichte durchzusetzen. Wie das funktioniert, hat Annette Bruhns von der zuständigen Food Managerin erfahren. 

    Nicolas Heronymus hat sich derweil von Jan-Niclas Gesenhues erklären lassen, welche Schwerpunkte er in seiner Arbeit künftig legen wird. Der 34-Jährige ist im Bundesumweltministerium gerade als neuer Parlamentarischer Staatssekretär vereidigt worden – alles Wissenswerte über ihn erfahren Sie in unserem Porträt. 

    Und beim EU-Lieferkettengesetz gibt es eine neue Volte: Die FDP hat Absprachen dazu mit Italien offenbar mit der geplanten Verpackungsverordnung verknüpft. Ein üblicher Politik-Deal? Leonie Düngefeld und Till Hoppe halten Sie – kurz und kompakt – auf dem Laufenden. 

    Ihr
    Marc Winkelmann
    Bild von Marc  Winkelmann

    Analyse

    Wie Ikea sein Essensangebot umstellt

    Tanja Schramm, Ikea Country Food Manager Deutschland.

    Frau Schramm, Ikea macht nicht nur in Möbeln, sondern auch in Lebensmitteln. Dafür sind Sie in Deutschland verantwortlich. Wie viele Menschen essen bei Ihnen?

    Das können wir nur schätzen. Wenn wir pro Ticket-Bon in unseren Restaurants und Schwedenbistros 1,8 Esser annehmen – als Mittelwert – dann kommen wir auf bis zu 50 Millionen Menschen im Jahr. Etwa die Hälfte aller Kundinnen und Kunden in unseren Einrichtungshäusern isst auch bei uns. Manche kommen auch nur zum Essen, besonders zum Frühstück.

    Wie hoch ist der Food-Anteil am Umsatz von Ikea Deutschland?

    In Deutschland 4,5 Prozent – 267 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr.

    Zuletzt, im “Veganuary”, haben Sie besonders viele vegane Gerichte angeboten. Wie kommt das an?

    Wir haben uns in diesem Jahr zum vierten Mal beteiligt. Das passt perfekt in unser Konzept: Seit sechs Jahren bieten wir immer mehr pflanzenbasierte Gerichte an. Im Januar sind es vier von sechs Gerichten; über das Jahr liegen wir bei 40 Prozent der Hauptgerichte. Unser Ziel bis 2025 sind 50 Prozent. Natürlich bieten wir weiterhin auch die Klassiker an, etwa die Entenkeule im Dezember. Es geht nicht darum, unser Lebensmittelangebot einzuschränken. Wir möchten es vielmehr dauerhaft um weitere gesündere und umweltbewusstere Optionen ergänzen.

    Können Sie bei Ihrer Kundschaft die viel beschworene Ernährungswende erkennen? 

    Ich sehe tatsächlich eine Wende, bei der unsere Kundinnen und Kunden in Deutschland Vorreiter sind. Wir erkennen das als globales Unternehmen an den Verkaufszahlen: In Deutschland greift jeder vierte Kunde bereits zu einem pflanzenbasierten Angebot – Tendenz steigend. Dies zeigt auch die Bilanz des diesjährigen Veganuary: Wir haben im Januar fast doppelt so viele Kunden überzeugen können, ein veganes Schnitzelgericht zu kaufen statt unseres Hähnchenschnitzels. Insgesamt entschieden sich im Januar vier von zehn für ein vegetarisches oder veganes Gericht, ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vormonaten.

    Haben eingefleischte Köttbullar-Fans gemeckert, als Sie alternativ zu den schwedischen Hackbällchen den Plantbullar eingeführt haben?  

    Im Gegenteil. Es gab nur die Bitte der Fans des Veggie-Hotdogs, dass dieser vegetarische Hotdog so bleibt, wie er ist, nämlich auf der Basis von Gemüse und Maiskörnern. Der schmecke so gut. Deshalb haben wir dann noch einen Plant-Hotdog für alle eingeführt, die sich einen Geschmack wünschen, der näher am Original ist. In unseren Schwedenbistros entscheiden sich bereits 25 Prozent der Kundschaft für einen pflanzlichen Hotdog oder Gemüse-Hotdog.

    Sie wollen in Ihren Shops bis 2025 sogar zu 80 Prozent nur noch pflanzenbasierte Lebensmittel anbieten.

    Ja, im verpackten Food-Sortiment wird es dann neben unserem pflanzlichen Lebensmittelangebot fast nur noch unsere ikonischen nicht-pflanzlichen Produkte geben: Köttbullar und Lachs.

    Steht dahinter das Bekenntnis von Ikea zum Green Deal?

    Wir haben eine ganz starke Nachhaltigkeitsstrategie und wollen bis 2030 unseren CO₂-Fußabdruck halbieren. Wir sind ein globales Unternehmen und wissen, dass unser Verhalten wirklich Einfluss hat. Daher verfolgen wir einen stringenten CO₂-Reduktionspfad, bei dem Food eine elementare Rolle spielt. Dazu gehört, Fleisch zu ersetzen – und zwar gerade bei den Produkten, die die Menschen kennen und mögen.

    Lidl bietet seit Oktober 2023 pflanzenbasierte Lebensmittel zum gleichen oder niedrigeren Preis an wie vergleichbare tierische Alternativen. Wie ist das bei Ikea?

    Wir machen das schon länger so. Die Ingka Gruppe hat bereits früh die Entscheidung getroffen, dass unsere pflanzlichen Lebensmittel seit Oktober 2022 immer zum gleichen oder gar niedrigeren Preis als die vergleichbare Alternative auf Basis von tierischem Eiweiß angeboten werden. Und Ikea Deutschland geht noch weiter: Seit Oktober 2022 ist das pflanzliche Lebensmittelangebot aus Gemüsebällchen, Proteinbällchen, dem Veggie-Hotdog und dem pflanzlichen Softeis immer die erschwinglichere Wahl, und zwar um zehn bis 50 Prozent.

    Von Lidls Vegan-Offensive las man viel mehr als von Ihrer.

    Das ist vielleicht nur in Fachgremien bekannt, weil wir mit unserer Systemgastronomie in einem Möbelhaus im Food-Bereich Exoten sind. Gleichzeitig schauen viele auf uns, auch im Handel. Denn wir gehören zu den großen Systemgastronomen in Deutschland. Es gehört ja ein gewisser Mut dazu, sein Sortiment so zu verändern. Also nicht mehr fünf Fleischgerichte anzubieten und als Feigenblatt dazu ein vegetarisches.

    Stichwort Verpackung: Sie bieten neuerdings Mehrweggeschirr an. Kommen die Leute denn so oft in die Restaurants?

    Wir bieten Einweggeschirr, Becher und Bowls gegen einen Euro Pfand vor allem im Schwedenbistro an, damit unsere Kundschaft das Getränk oder den Hotdog mit nach Hause nehmen kann. Das läuft über das RECUP/REBOWL-Mehrwegsystem. Kundinnen und Kunden können die Gefäße hinterher deutschlandweit bei allen Partnerbetrieben, aber auch bei uns, zurückgeben und Pfand zurückerhalten. Außerdem können sie in den Bowls in unseren Schwedenrestaurants Essensreste einpacken und mit nach Hause nehmen. Diese Maßnahmen reduzieren den Wegwerfgeschirr-Müll – und zugleich die Lebensmittelverschwendung.

    Wie viel Lebensmittelabfall entsteht bei Ikea? Allgemein geht man ja im Gastro-Bereich davon aus, dass 17 Prozent der Lebensmittel in der Mülltonne landen.

    Dem Thema haben wir uns 2017 erstmals national mit der NGO “United Against Waste” gestellt, mit dem Ziel, diese Abfälle zu halbieren. Zu Beginn haben wir durchsichtige Abfalltonnen für den Biomüll hingestellt und die Menge an Abfall erfasst, sodass die Mitarbeitenden gesehen haben, was sie da eigentlich wegwerfen. Später wurde die Abfallmessung von einer KI namens “Waste Watcher” übernommen und erfasst. Das ist eine lernende digitale Waage mit Kamera. Am Anfang muss der Mitarbeiter ihr noch helfen und eintippen, was er da jetzt reingeworfen hat, damit sie das erfassen kann. Mit der Zeit erkennt die KI das selbst an den gespeicherten Bildern.

    Und so haben Sie die Halbierung der Abfälle erreicht?

    Im Pre-Consumer-Bereich ja! Und das, obwohl am Anfang der Ausgangswert unserer Messungen schon sichtbar gesunken war, bevor wir ihn festgehalten hatten. Warum? Weil die durchsichtigen Tonnen sofort zu einem größeren Bewusstsein bei den Mitarbeitenden geführt hatte. Diese Awareness ist der echte Game-Changer bei der Sache.

    Gehen Sie jetzt das an, was auf den Tellern bleibt, also den Post-Consumer-Abfall?

    Ja, das ist der nächste Schritt. Wir haben zum Beispiel bereits herausgefunden, warum so viele halbe Brötchenscheiben im Müll landeten. Ergebnis: Der Belag unserer Frühstücksteller hat nicht zu vier Hälften gepasst! Jetzt haben wir die Rezeptur so verändert, dass der Belag reicht. Zudem wissen wir durch unsere Messungen besser, von welchen Produkten wir zu viel auf dem Teller anbieten. Wenn eine Portion Pommes zu groß ist, schmecken die letzten nicht mehr und bleiben liegen. Oder wann die Mindesthaltbarkeit abläuft: Auch das überwachen wir jetzt so, dass wir wirklich das meiste verkaufen, bevor es abläuft.

    • Abfall
    • Ernährung
    • Kreislaufwirtschaft
    • Umweltschutz
    • Vegetarismus
    Translation missing.

    News

    Blockiert Lindner auch die Verpackungsverordnung?

    Bahnt sich bei der EU-Verpackungsverordnung der nächste Streit in der Ampelkoalition und das nächste German Vote an? In ihrem Europawahlprogramm bewertet die FDP deren geplante Ausgestaltung “sehr kritisch” und Bundesfinanzminister Christian Lindner scheint bereit, nach Lieferkettenrichtlinie und LKW-Flottengrenzwerten notfalls erneut in den Konflikt mit SPD und Grünen zu gehen. Die beteiligten Ministerien verhandeln seit längerem über strittige Maßnahmen, mit denen die EU Verpackungen und Verpackungsmüll reduzieren will. Federführend ist das Umweltressort von Steffi Lemke.

    Bislang liefen die Gespräche recht konstruktiv, doch die Nervosität in den Häusern steigt. In einem internen Vermerk heißt es nun, Italien habe “nach unseren Informationen einen Deal mit BM Lindner” vereinbart: Rom verhelfe dem FDP-Chef zu einer Sperrminorität im Rat bei der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), im Gegenzug helfe Lindner, die Verpackungsverordnung zu blockieren. Italien lehnt insbesondere die geplanten Verbote von Einwegverpackungen (Artikel 22) und die Mehrwegziele für verschiedene Sektoren und Verpackungsformate (Artikel 26) ab und hat im Rat gegen das Verhandlungsmandat für den laufenden Trilog gestimmt.

    Deutschland hingegen stimmte vor Weihnachten für das Verhandlungsmandat und brachte selbst Kompromisse zu den Streitthemen ein. Am 4. März soll nun der finale Trilog stattfinden, gerade noch rechtzeitig, um das Gesetzesvorhaben vor der Europawahl abzuschließen. Ob Mehrwegziele und Einwegverbote es überhaupt in den finalen Text schaffen, ist noch nicht klar: Auch das Parlament hatte den Kommissionsentwurf in diesen Punkten entschärft. Die Position des Rats ist hier deutlich ambitionierter.

    Verpackungsindustrie und Handelsunternehmen halten am Recycling von Einwegverpackungen fest, laufen seit Monaten Sturm wegen des Vorhabens – und auch bei Lindner womöglich offene Türen ein. leo/tho

    • EU-Verpackungsverordnung
    • Verpackungen

    Frankreich: Mehr als 50.000 Anträge auf Sozial-Leasing

    Das in Frankreich in diesem Jahr erstmals aufgelegte “Leasing Sociale” für Elektroautos erfreut sich großer Beliebtheit. Innerhalb weniger Wochen wurden nach Angaben der Regierung mehr als 50.000 Anträge bewilligt. Das sind mehr als doppelt so viele wie erwartet. Deshalb wurde das Programm vorerst gestoppt. Es soll aber 2025 in größerem Umfang neu aufgelegt werden.

    Der Minister für Industrie und Energie, Roland Lescure, zeigte sich mit dem großen Interesse sehr zufrieden. “Das Schöne an diesem Programm ist, dass es einerseits Menschen, die nicht unbedingt wohlhabend sind, den Zugang zu einem erschwinglichen Elektrofahrzeug ermöglicht, und andererseits dazu beiträgt, mehr französische Fahrzeuge zu produzieren”, sagte Lescure dem TV-Sender France 3.

    Elektroauto für weniger als 150 Euro pro Monat

    Sozial-Leasing ermöglicht es Arbeitnehmern mit geringem Einkommen, ein Elektroauto für weniger als 150 Euro pro Monat zu leasen. Dafür müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. So darf das Jahreseinkommen 15.400 Euro nicht übersteigen. Auch muss der Arbeitsplatz mindestens 15 Kilometer vom Wohnort entfernt sein. 

    Gefördert werden zudem nur Elektrofahrzeuge mit einem Listenpreis von höchstens 47.000 Euro, die in der EU hergestellt wurden. Pro Leasingvertrag beteiligt sich der französische Staat mit bis zu 13.000 Euro.

    Elektroautos werden in Frankreich immer beliebter. Im Jahr 2023 wurden dort 298.219 batterieelektrische Pkw (BEV) neu zugelassen. Das entspricht einem Zuwachs von 47 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Marktanteil der BEVs lag bei 16,8 Prozent. Im Vergleich dazu verlief die Entwicklung in Deutschland mit einem Plus von 11,4 Prozent deutlich verhaltener.

    Ob das Sozial-Leasing auch ein Modell für Deutschland sein kann, wird sich erst noch zeigen. Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, verfolgt die Entwicklung im Nachbarland jedenfalls mit Interesse. “Wir müssen prüfen, ob und wie wir ein ähnliches Modell für Deutschland einführen können”, sagte die Verkehrsexpertin kürzlich zu Table.Media. ch

    • Elektromobilität
    • Verkehrswende
    Translation missing.

    Reporting: Anforderungen von GRI und ESRS nur teilweise kompatibel

    Unternehmen, die bereits auf Basis der Global Reporting Initiative (GRI) ihre Nachhaltigkeitsberichte erstellen, erfüllen lediglich 40 Prozent der Anforderungen nach den neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS), zu denen mehr als 1180 Datenpunkte gehören. Das ergab eine Untersuchung der Beratungsfirma Kirchhoff Consult.

    Die ersten Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsberichte anhand der ESRS für das laufende Geschäftsjahr veröffentlichen. Einige Unternehmen, vor allem börsennotierte, berichten bereits freiwillig nach der Global Reporting Initiative. “Die Hoffnung, mit der etablierten Berichterstattung nach GRI auch Großteile der neuen gesetzlichen Anforderungen im Zuge der CSRD-Berichterstattung abzudecken, lag grundsätzlich nahe”, so Julian von Pressentin, Senior Consultant der Beratungsfirma. “Doch unsere Gegenüberstellung der beiden Rahmenwerke hat ergeben, dass viele Unternehmen doch deutlich mehr leisten müssen als bislang angenommen.” Selbst eine akribische Anwendung des GRI-Rahmenwerks lasse signifikante Datenlücken offen. Dazu kommen etwa 15 Prozent an Datenpunkten, die nur teilweise übereinstimmen, zum Beispiel wegen unterschiedlicher Detailgrade oder Einheiten.

    Teilweise Überschneidungen bei Inhalten und Prozessen

    Der Vergleich zeige zudem, dass die Kompatibilität zwischen ESRS und GRI stark vom jeweiligen Thema abhängig sei, erklärte das Unternehmen. Im Themenkomplex Soziales und Governance seien die inhaltlichen Überschneidungen höher. Häufig gingen die GRI-Anforderungen sogar über die gesetzlichen Anforderungen hinaus, etwa bei Informationen über die eigene Belegschaft. Bei den Umweltstandards sei gerade einmal ein Drittel der ESRS- durch die GRI-Anforderungen abgedeckt. Die geringste Überschneidung wiesen die Themen Biodiversität und Klimaschutz auf.

    Die Gegenüberstellung zeige aber trotzdem: Unternehmen, die bereits einen Nachhaltigkeitsbericht auf der Basis von GRI erstellt haben, profitieren von den inhaltlichen Überschneidungen, insbesondere bei den Sozial- und Governance-Standards. Auch in Fragen der Prozesse und Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens hätten Unternehmen, die sich bereits mit freiwilligen Rahmenwerken wie GRI auseinandergesetzt haben, in der Regel Vorteile. leo

    • Nachhaltigkeitsberichterstattung
    • Transformation

    Bundesregierung löscht CO₂-Zertifikate 

    Deutschland lässt alle CO₂-Zertifikate vom Markt nehmen, die durch stillgelegte Kraftwerke im Rahmen des Kohleausstiegs nicht mehr genutzt werden. Die Zertifikate werden zwischenzeitlich in der “Marktstabilitätsreserve” (MSR) des EU-Emissionshandels geparkt. Nach Auskunft der Bundesregierung kommen sie aber nicht mehr auf den Markt. Damit können sie auch anderswo in Europa im System des Emissionshandels nicht für den CO₂-Ausstoß genutzt werden. Das bestätigte jetzt das Wirtschafts- und Klimaministerium im Gespräch mit Table.Media.

    Ein Jahr nach dem Konflikt um die Räumung des Dorfes Lützerath und den Kompromiss um einen vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinischen Revier will die Bundesregierung damit auch politischen Vorwürfen gegen die Wirksamkeit ihrer Klimapolitik begegnen. Denn durch den sogenannten “Wasserbett-Effekt” könnten im europäischen System des Emissionshandels die CO₂-Lizenzen, die in einem Land nicht genutzt werden, anderswo für den CO₂-Ausstoß eingesetzt werden. Diesen Eindruck hatte etwa Finanzminister Christian Lindner (FDP) im November erweckt. Er stellte den Kohleausstieg 2030 infrage und erklärte: “Für das Klima bringt dieses Datum ohnehin nichts, da die in Deutschland eingesparten CO₂-Emissionen aufgrund der europäischen Regeln zum Beispiel in Polen zusätzlich anfallen dürfen.” Das ist nun ausgeschlossen.

    Deutschland verzichtet auf Geld für den Klimafonds

    Denn selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Zertifikate später aus der MSR wieder auf den Markt kommen sollten, hat Deutschland Ende 2023 bei der EU deren Löschung beantragt. “So verhindert die nationale Löschung einen Wasserbett-Effekt”, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Das grün geführte Ressort hatte bereits vor einem Jahr angekündigt, man werde sicherstellen, dass die Zertifikate aus dem Ausstieg auch vom Markt verschwinden.  

    Gleichzeitig verzichtet der deutsche Staat durch die endgültige Stilllegung der Lizenzen auf Einnahmen. Je nach der Menge der Lizenzen und dem aktuellen Preis bei den laufenden Versteigerungen würden die Zertifikate sonst Geld in den KTF-Fonds spülen. Die genaue Höhe ist unklar. 2022 flossen aus allen versteigerten Zertifikaten 6,8 Milliarden Euro aus dem ETS in den Fonds. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 15. November fehlen im Fonds für die nächsten Jahre insgesamt etwa 60 Milliarden.

    Im Zuge des deutschen Kohleausstiegs sind 2022 nach BMWK-Informationen Kraftwerkskapazitäten mit insgesamt 414 Megawatt Leistung stillgelegt worden. 2021 waren es nach einer Studie des Forums Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS), die im Auftrag des Ökostrombetreibers Green Planet Energy erstellt wurde, acht Kraftwerksblöcke für Steinkohle und sechs Blöcke bei Braunkohle-Kraftwerken mit einer Gesamtkapazität von etwa 6,5 Gigawatt. bpo

    • Emissionshandel
    • Energiewende
    • Kohleausstieg

    USA: Nachfrage nach ESG-Experten nimmt ab

    Viele Jahre lang hatten ESG-Fachleute in den USA sehr gute Beschäftigungsaussichten. Doch nun scheint die Nachfrage zu sinken. Das geht aus einer Auswertung von Live Data Technologies hervor, einem Anbieter von Beschäftigungsdaten. Demnach haben im Jahr 2023 nur 40.884 Arbeitnehmer eine neue Stelle im ESG-Sektor angetreten, während 39.452 Arbeitnehmer eine solche Stelle aufgegeben haben oder sich ihr Aufgabenprofil geändert hat, wie das Wall Street Journal berichtet.

    Damit ist der Überschuss der neu begonnenen gegenüber den beendeten ESG-Stellen im vergangenen Jahr auf 1.432 gesunken. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre hatte er laut Live Data noch bei rund 15.000 gelegen. Besonders deutlich sei der Rückgang bei den US-Internetkonzernen Meta Platforms (Facebook), Amazon und Google. 

    Experten sehen mehrere Gründe für diese Entwicklung:

    • Die entsprechenden Abteilungen sind in den letzten Jahren aufgebaut und besetzt worden. Der dafür notwendige Personalaufwuchs ist vielerorts inzwischen abgeschlossen.
    • Die Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit an ESG-Kriterien wird zunehmend von republikanischen Politikern und rechten Lobbygruppen kritisiert, was die Unternehmen zu einer Anpassung ihrer Strategie zwingt.
    • Nach der Corona-Pandemie steigen die Gewinnerwartungen in den Unternehmen wieder – weshalb die Manager davon ausgehen, weniger in ESG-Abteilungen investieren zu müssen.

    Für die Untersuchung hat Live Data den Status von 360.000 derzeitigen und früheren Beschäftigten analysiert, die in der Privatwirtschaft mit Aufgaben in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung betraut sind beziehungsweise waren. Dazu wurden berufliche Profile in sozialen Medien, Unternehmenswebseiten und andere öffentlich zugängliche Beschäftigungsdaten ausgewertet. ch

    • Arbeitsmarkt
    • USA

    Mögliche Verstaatlichung der PCK-Raffinerie Schwedt

    Eine temporäre Teilverstaatlichung der Ölraffinerie PCK in Schwedt (Brandenburg) scheint nach einem Arbeitsbesuch von Robert Habeck in Warschau wahrscheinlicher. Bislang wurde befürchtet, Russland könnte aufgrund einer Enteignung des Rosneft-Konzerns wichtige Rohöllieferungen aus Kasachstan blockieren. In Warschau deutete der Wirtschaftsminister an, dass Polen in diesem Fall einspringen würde. “Polen hat in der Vergangenheit sehr geholfen, die Ölversorgung im Osten Deutschlands sicherzustellen”, sagte er. Über die Unterstützung der Raffinerie werde intensiv gesprochen. 

    Polen könnte kasachisches Öl ersetzen 

    Die seit knapp zwei Jahren unter staatliche Treuhänderschaft gestellte PCK gehört noch zu etwas mehr als der Hälfte dem russischen Rosneft-Konzern. Derzeit kommt ein Teil des in Schwedt verarbeiteten Rohöls durch eine Pipeline aus Kasachstan, die über russisches Territorium verläuft. Ein weiterer Anteil, der erhöht werden könnte, kommt bereits jetzt aus dem Hafen Danzig. 

    Anfang März muss die Treuhänderschaft verlängert oder der Besitzer enteignet werden. Derzeit laufe eine Anhörung, nach der dann entschieden werde, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) am Mittwoch im Potsdamer Landtag. 

    Linkspolitiker Görke: Der Staat sollte die Transformation gestalten 

    Die PCK plant, sich bis 2045 in einen Großproduzenten für erneuerbare Kraftstoffe und CO₂-neutrale chemische Produkte umzubauen. Unter anderem soll die PCK einmal zehn Prozent des Flugbenzin-Bedarfs in Deutschland decken. Auch Wasserstoff, Strom und Vorprodukte für die chemische Industrie sollen angeboten werden. Der Transformationsplan umfasst Investitionen von 15 Milliarden Euro. 

    Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Brandenburger Finanzminister Christian Görke (Die Linke) plädiert dafür, die PCK dauerhaft in Eigentum des Bundes zu überführen, um die Transformation gestalten zu können. “Haupthindernis für den Umbau ist die ungeklärte Eigentümerstruktur”, sagte Görke zu Table.Media.  

    Einer dauerhaften Verstaatlichung steht allerdings das Energiesicherheitsgesetz entgegen. “Unternehmen, deren Anteile enteignet wurden, sind wieder zu privatisieren”, heißt es darin. Als Kaufinteressent des Rosneft-Anteils gilt der Energiekonzern Orlen, der sich zur Hälfte in polnischem Staatsbesitz befindet. av

    • Energiewende

    Bayerischer Finanzminister: “Investitionsprämie unnötig kompliziert”

    Anders als die Ampelregierung sieht der bayerische Finanzminister Albert Füracker in einer Klimainvestitionsprämie keine Innovation. Auf Nachfrage erklärte sein Ministerium, dass das Förderinstrument “in der vorgesehenen Ausgestaltung als steuerliche Förderung zu einer erheblichen und unnötigen Verkomplizierung” führe. Es seien Abgrenzungsprobleme bei den Fördergründen, hohe Hürden für eine Inanspruchnahme und letztlich Rechtsunsicherheit für Unternehmen zu befürchten.  

    In einer informellen Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses, an der Füracker beteiligt war, setzten die Unterhändler der Union-geführten Länder die Streichung der Prämie aus dem Wachstumschancengesetz durch. Aus ihrer Sicht wären die Finanzverwaltungen der Länder mit unnötigen Verwaltungsaufgaben belastet worden.  

    Ampel für “tax credit” 

    Die Bundesregierung hatte die Prämie als innovatives Kernstück des Wachstumschancengesetzes einführen wollen. Es sollte ähnlich wie ein US-amerikanischer “tax credit” funktionieren. Die grüne Finanzpolitikerin Katharina Beck argumentierte gegenüber Table.Media: “Die Prämie hätte für Unternehmen die Förderung vereinfacht, das wäre – im Unternehmenssprech – ‘easy to deal with'”. Die Koalition will weiter nach Wegen suchen, das Instrument einzuführen und dabei die Länder einbeziehen. Auch Wirtschaftsminister Habeck warb im Bundestag für das Instrument.  

    Am kommenden Mittwoch soll der Vermittlungsprozess zwischen Bundestag und Bundesrat formal abgeschlossen werden. Bislang machte die Union ihre Zustimmung von einer Rücknahme des Subventionsabbaus für Agrardiesel abhängig. Fürackers Ministerium rückte davon nun ab. Bayern setze sich zwar weiter für den Erhalt der Agrardieselrückvergütung ein. Aber: “Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Wachstumschancengesetz besteht nicht.” av 

    • Agrardiesel
    • Wirtschaftswachstum

    Presseschau

    “Das Risiko ist inakzeptabel hoch” – taz
    Klimaforscher Stefan Rahmstorf interpretiert im Gespräch mit Ingwar Perowanowitsch eine neue Studie zu Kipppunkten der Atlantischen Umwälzzirkulation. Das Risiko, dass der warme Golfstrom versiegt, scheine deutlich höher als bislang angenommen. Gegen eine massive Abkühlung Europas wirke aber die Klimaerwärmung. Trotzdem müsse ein sich selbst verstärkender Prozess im Atlantik verhindert werden. Zum Interview

    Wie viel Land verbraucht der Mensch? – Süddeutsche Zeitung
    Auf der Schwäbischen Alb hat sich eine ungewöhnliche Allianz formiert, um Neubaugebiete zu hinterfragen. Die Kritiker sehen in der Versiegelung von Böden ein gravierendes Problem und wollen diesen “Flächenfraß” eindämmen, weil er die Natur und Landwirtschaft und damit die Lebensqualität der Menschen bedroht. Thomas Hummel hat die Region besucht und sich umgehört. Zum Artikel

    Warum chinesische Autobauer den Start in Europa verpatzen – Manager Magazin
    Von einem “Auto-Tsunami”, der Europa erfassen würde, war vorher die Rede. Aber wie Christoph Seyerlein berichtet, begehen die Hersteller wie Great Wall Motor, BYD und Nio bei ihren Markteintritten momentan noch zu große Fehler. Die vermeintlich große Konkurrenz der chinesischen E-Autos erzeugt bei uns derzeit nur eine “sanfte Welle”. Zum Artikel

    PFAS in der Lieferkette: Neue EU-Regelung auf dem Weg – Haufe
    Sogenannte “Ewigkeitschemikalien” (PFAS) sind in vielen Produkten enthalten und gefährden Menschen und die Umwelt. Die EU will ihren Einsatz in der Lieferkette deshalb verbieten, was zur Folge hat, dass Unternehmen Ersatzstoffe finden müssen. Bettina Huck fasst den aktuellen Stand zusammen. Zum Artikel

    Climate Change Threatens Europe’s Trains, But Resilience Is expansive – Bloomberg
    In einer dekarbonisierten Zukunft muss die Bahn eine noch größere Rolle spielen. Doch Europas Infrastuktur ist darauf noch nicht vorbereitet, schreibt Olivia Rudgard. Die Folgen des Klimawandels wie Hitze, Flutwellen und Erosionen schaden auch den Schienen und Zügen – und es fehlt an Geld, um sie widerstandsfähig zu machen. Zum Artikel

    Nach Zwangsarbeit-Vorwurf: Tausende Autos von VW-Marken hängen an US-Häfen fest – FAZ
    Der Streit zwischen den USA und China über Vorwürfe von Zwangsarbeit in der Region Xinjiang werde für Europas Autoindustrie zu einer immer größeren Belastung, schreibt Christian Müssgens. VW habe bestätigt, dass tausende Autos in US-Häfen festhängen. Dortige Behörden hätten die Auslieferungen gestoppt, nachdem ein Sublieferant gemeldet hätte, dass er wegen möglicher Verbindungen in seiner Lieferkette nach Westchina auf einer US-Sanktionsliste gelandet sei. Zum Artikel

    We Don’t Have Time for Climate Misinformation – New York Times
    Das Klima erwärmt sich. Das Polareis schmilzt, die Gletscher gehen zurück, der Meeresspiegel steigt. All dies und noch viel mehr sind Folgen der Treibhausgase, die wir weiterhin in die Atmosphäre ausstoßen. In einem Gastbeitrag erläutern die Forscher Michael E. Mann und Peter J. Fontaine, warum deshalb keine Zeit für Desinformation und einen Krieg gegen die Wissenschaft ist. Zum Artikel

    Wie ein Weg zu einem nachhaltigen Ernährungssystem aussehen kann – Standard
    Ernährung spielt eine wichtige Rolle in der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft. Die Forscherin Christina Plank erklärt in ihrer Analyse, was dabei wichtig wäre. Zum Artikel

    Heads

    Jan-Niclas Gesenhues: “Wir werden sehr stark mit Unternehmen zusammenarbeiten”

    Jan-Niclas Gesenhues mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke bei seiner Vereidigung zum Parlamentarischen Staatssekretär.

    Dass Jan-Niclas Gesenhues im März ein Buch zum Umweltschutz veröffentlicht – kurz nach seiner Vereidigung als Parlamentarischer Staatssekretär am Donnerstag – ist sicherlich Zufall, erlaubt aber einen ungewöhnlich klaren Blick auf seine Prioritäten in der neuen Position.

    In “Offensiver Umweltschutz” skizziert der Grünen-Politiker, was die Politik tun sollte, um das Artensterben und Kollabieren von Ökosystemen aufzuhalten. “Um unsere Lebensgrundlagen und damit unseren Wohlstand zu sichern, müssen wir jetzt umfangreich in die Renaturierung einsteigen”, sagt Gesenhues. Ebenso wichtig sei es, den Naturverbrauch zu senken und stärker in die Kreislaufwirtschaft zu investieren.

    Für Unternehmen gehe es um die Geschäftsgrundlage

    Damit das gelingt, möchte Gesenhues die Wirtschaft als Verbündeten gewinnen. “Wir werden auch sehr stark mit Unternehmen zusammenarbeiten, weil es beim Schutz der Natur letztlich um deren Geschäftsgrundlage geht: 70 Prozent der Unternehmen im Euroraum sind von Leistungen der Natur abhängig”, betont der bisherige umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion.

    Stark zusammengearbeitet werden müsse aber auch international, beispielsweise bei der Umsetzung des 2022 im kanadischen Montreal vereinbarten Weltnaturschutzabkommens. “Dabei geht es um ganz konkrete Projekte zwischen Deutschland und Partnerländern, etwa mit Kolumbien und Madagaskar, mit denen wir Naturschutz voranbringen”, sagt Gesenhues.

    In der neuen Rolle will der 34-Jährige auch einen Fokus auf Atompolitik legen. “Wir haben den Atomausstieg geschafft, aber nun gilt es, ihn gegen Falschbehauptungen zu verteidigen”, sagt Gesenhues. Es gehe zudem weiterhin um den Umgang mit Altlasten, weshalb junge Menschen die Atompolitik nicht vergessen dürften. “Nukleare Sicherheit und Endlagerung bleiben ein ganz wichtiges Thema für uns und für kommende Generationen.” Dafür wolle er stehen – auch als relativ junger Parlamentarischer Staatssekretär.

    In die Politik gegangen, um Naturschutzprojekte voranzubringen

    Der Wert und die Bedeutung der Natur seien Gesenhues schon als Kind klar geworden, berichtet der Grünen-Politiker aus dem münsterländischen Emsdetten. Sein Großvater habe ihn oft am Wochenende frühmorgens abgeholt, um ihn in den Wald oder aufs Moor mitzunehmen. Dank anschließender intensiver Lektüre zum Thema habe er schnell festgestellt, wie schlecht es um die Natur steht – mithilfe von Publikationen des WWF auch aus internationaler Perspektive.

    In die Politik sei Gesenhues als junger Erwachsener gegangen, weil er das Gefühl hatte, dass Naturschutzprojekte oft durch eine “völlig gegenläufige Wirtschafts-, Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik durchkreuzt” würden. Als Gesenhues seinen Sozialwissenschaftslehrer gefragt hat, ob er bei der Grünen-Fraktion im Stadtrat von Steinfurt vorbeischauen könne, habe dieser gefragt, ob er das wirklich wolle, weil sie dort “nur über Poller und Rohre für die Stadtentwässerung sprechen” würden. Aber Gesenhues ging hin.

    Kommunalpolitik lehrte ihn die Bedeutung von Kompromissen

    Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Mosambik wurde er erst Mitglied im Kreisvorstand der Steinfurter Grünen und dann im Kreistag Vorsitzender der Fraktion und des Umweltausschusses. Mit 20 Jahren war er nicht nur einer der Jüngsten im Kreistag, sondern auch der Jüngste in den anderen Rollen. Er habe in der Kommunalpolitik viel über Politik gelernt, sagt Gesenhues – etwa “wie man für seine Ziele einsteht und dafür Mehrheiten gewinnt”.

    Besonders geprägt hätten ihn seine ersten Verhandlungen für den Kreishaushalt mit der CDU-Fraktion. “Wir haben uns in einem abgelegenen Gasthof getroffen und viele Stunden über die Haushaltsgrundsätze verhandelt.” Seine Fraktion habe einiges herausgeholt – etwa einen kommunalen Klimafonds -, aber auch Abstriche machen müssen bei der Straßenplanung. “Dabei habe ich gelernt, dass Kompromisse in der Demokratie wichtig sind.”

    Vom Studium über internationale Zusammenarbeit in den Bundestag

    Dass Steffi Lemke ihn für einen “herausragenden Fachpolitiker” hält, wie sie anlässlich seiner Berufung ins Bundesumweltministerium sagte, liegt wahrscheinlich aber nicht nur an seinem frühen Interesse für Umwelt- und Naturschutz und seiner Erfahrung in der Kommunalpolitik. Gesenhues hat Volkswirtschaftslehre mit Fokus Umwelt- und Ressourcenökonomik studiert sowie zur dezentralen Energieversorgung in Mosambik promoviert.

    Bis zu seiner erstmaligen Wahl in den Bundestag zur aktuellen Legislatur war er noch zwei Jahre Leiter von Partnerschaftsprojekten für die Qualifizierung von Handwerkspersonal bei der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf. Die Arbeit mit Partnern aus Mosambik, Südafrika, Jordanien und Marokko habe ihm einen sehr tiefen Einblick “in den Maschinenraum von internationaler Zusammenarbeit” gegeben – eine Erfahrung, die ihm in seiner neuen Rolle helfen dürfte. Artenvielfalt und Klima lassen sich schließlich nur mit globaler Zusammenarbeit schützen. Nicolas Heronymus

    • Biodiversität
    • Umweltschutz

    ESG.Table Redaktion

    ESG.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen