gute Nachrichten vom Statistischen Bundesamt: Der Anteil von Photovoltaik am deutschen Strommix ist zuletzt kontinuierlich gestiegen, 2023 auf einen Rekordwert von fast 12 Prozent. Das Zwischenziel der Bundesregierung von 88 Gigawatt installierter Leistung wurde in diesem Jahr übertroffen. In ihrer gerade verabschiedeten Wachstumsinitiative sieht das Bundeskabinett jedoch zentrale Änderungen an der Förderung von PV-Anlagen vor – und erntet teils scharfe Kritik von Expertinnen und Verbänden. Die Details hat Carsten Hübner in seiner Analyse aufgeschrieben.
Morgen, am 1. August, haben wir Menschen weltweit laut Berechnungen des Global Footprint Network alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die sich innerhalb eines Jahres erneuern. Anlässlich des Erdüberlastungstags beleuchtet Lukas Bayer die Debatte über einen genügsameren Umgang mit Energie und Ressourcen. Inwiefern sie zwar an Bedeutung gewinnt, ein politisches Momentum aber weiterhin ausbleibt, lesen Sie in seiner Analyse.
Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, fordert Steuergerechtigkeit: Um die Lücke bei der Finanzierung der Agenda 2030 zu schließen, braucht es progressive Steuersysteme und inklusive internationale Verträge, schreibt sie in ihrem Standpunkt.
Ich wünsche Ihnen einen sonnigen letzten Juli-Tag!
Im Jahr 2023 stammten 11,9 Prozent des in Deutschland eingespeisten Stroms aus Photovoltaik. Das teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Demnach wurden im vergangenen Jahr rund 53,6 Millionen Megawattstunden Solarstrom ins Netz eingespeist – ein neuer Rekordwert. Im Vorjahr lag der Anteil der Photovoltaik noch bei 10,6 Prozent. Insgesamt waren zum Jahresende 3,2 Millionen Solaranlagen auf Dächern und Freiflächen installiert.
Ausbau der Photovoltaik auf gutem Weg
Auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres habe sich das Wachstum fortgesetzt, berichtet Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. “Im Vergleich zur Gesamtleistung Ende 2023 kam noch einmal knapp zehn Prozent mehr Solarleistung dazu.” Ende Juni sei damit erstmals die Marke von 90 Gigawatt installierter Leistung überschritten worden, so Müller, der von einer “enorme Entwicklung und einer Herausforderung für den gesamten Transformationsprozess im Stromsektor” sprach.
Das von der Bundesregierung für das erste Halbjahr 2024 anvisierte Zwischenziel von 88 Gigawatt wurde damit sogar übertroffen. Dennoch, so der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), müsse das Tempo des Ausbaus weiter erhöht werden, wenn die geplanten 215 Gigawatt solarer Kraftwerksleistung im Jahr 2030 erreicht werden sollen. Das entspräche einem Anteil von rund einem Viertel des erwarteten Stromverbrauchs.
Zentrales Instrument der Solarförderung ist die Einspeisevergütung, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelt ist. Sie garantiert für jede Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien, die in das öffentliche Netz eingespeist wird, einen auf 20 Jahre festgelegten Abnahmepreis. Maßgeblich für die Höhe der Vergütung ist der Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage. Der Vergütungssatz sinkt halbjährlich um ein Prozent.
So beträgt die Einspeisevergütung bei PV-Anlagen bis 100 Kilowatt Nennleistung (kWp), die zwischen dem 1. Februar und dem 31. Juli 2024 neu errichtet wurden, je nach Anlagengröße und Teil- oder Volleinspeisung, zwischen 5,70 und 12,90 Cent pro Kilowattstunde. Für Anlagen, die ab dem 1. August 2024 ans Netz gehen, sinkt die Einspeisevergütung dann auf eine Vergütung von 5,6 bis 12,80 Cent pro Kilowattstunde – jeweils garantiert für die nächsten 20 Jahre.
Ziel dieser Garantie ist es, Investitionen in erneuerbare Energien wie die Photovoltaik berechenbar und damit attraktiv zu machen. Zwar ist die Einspeisevergütung seit ihrer Einführung im Jahr 2000 von 50 Cent pro Kilowattstunde auf das heutige Niveau stark gesunken. Dennoch gilt Photovoltaik nach wie vor als rentabel.
Mit der Verabschiedung der Wachstumsinitiative durch das Bundeskabinett am 17. Juli 2024 steht die Einspeisevergütung in ihrer bisherigen Form jedoch zur Disposition. Drei zentrale Änderungen sind vorgesehen:
Bei Experten und Verbänden stoßen die geplanten Änderungen auf einige Skepsis. Claudia Kemfert, Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), bezeichnet sie im Gespräch mit Table.Briefings sogar als “großen Fehler”, der den zuvor erreichten schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien wieder auszubremsen drohe.
“Es ist der denkbar falscheste Moment, das Fördersystem zu ändern“, so Kemfert. Insbesondere die Umstellung auf eine reine Investitionskostenförderung “schafft erneute Planungsunsicherheit, führt zu Ineffizienzen und letztendlich erhöht es insgesamt die Kosten”. Auch die geplante Aussetzung der Vergütung bei negativen Strompreisen hält sie für “hoch problematisch”, da sich die Anlagen dann immer weniger rechnen. “Es könnte zu betriebswirtschaftlichen Einbußen von zehn bis 20 Prozent kommen”, rechnet sie vor.
Für Jörg Sutter, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), ist es “unverständlich, warum ein funktionierendes System, das auch langfristig das kosteneffektivste bleiben wird, jetzt zerschlagen werden soll”. Insbesondere für Projekte, die sich schon in der Planung für 2025 befinden, bedeute dies eine weitere Unsicherheit für die kommenden Monate. “Das können wir uns aktuell einfach nicht leisten”, so Sutter.
Die Verbände der Branche teilen die Bedenken. So warnt der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) “vor Experimenten in einem für den Zukunftsstandort wichtigen Wachstumsbereich” und fordert eine “geordnete fachliche Diskussion”. “Die Abkehr von der erprobten EEG-Systematik im vollen Lauf birgt viele Risiken“, so BEE-Sprecher Adrian Röhrig.
Aus Sicht von Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), könnte bereits die Diskussion über eine Umstellung auf Investitionsförderung zu einer Verunsicherung bei Privatkunden und Unternehmen führen. “Hierdurch wird tendenziell die hohe Investitionsbereitschaft in Solaranlagen reduziert“, meint Körnig.
Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich auf Anfrage von Table.Briefings nicht im Detail zu den vereinbarten Maßnahmen äußern. “Die Beschlüsse der Wachstumsinitiative sind jetzt Grundlage eines Prüf- und Umsetzungsprozesses in den Ressorts, der gerade begonnen hat”, sagte ein Sprecher. Dem wolle man nicht vorgreifen.
Am 1. August ist Schluss. Dann hat die Welt nach einer traditionellen Modellrechnung jene natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die sich innerhalb eines Jahres erneuern. Berechnet hat diesen sogenannten Erdüberlastungstag das Global Footprint Network. Seit mehreren Jahren, ausgenommen vom Corona-Jahr 2020, fällt dieser symbolische Tag auf Anfang August; 1971 lag er noch Ende Dezember. Der Tenor: Der Ressourcenhunger einer wachsenden Weltwirtschaft kann durch Effizienzgewinne zwar ausgeglichen, nicht aber umkehrt werden. Bislang gelingt es nicht, Wirtschaftswachstum von Emissionen und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln – und damit steigt Jahr für Jahr die Emissionslast, zugleich schrumpfen die verfügbaren Ressourcen.
Vorschläge für ein gutes Leben für alle – ohne die Erde zu überlasten – kommen vermehrt aus Wirtschaftsansätzen wie Degrowth, Donut-Ökonomie und der Postwachstumsökonomie. Sie setzen auf Suffizienz; also auf Genügsamkeit statt übermäßigen Verbrauch von Energie und Ressourcen. Wurden sie anfangs eher als aktivistische Bewegung wahrgenommen, gewinnt die Debatte mittlerweile an Bedeutung. Vor einem Jahr lud etwa das EU-Parlament zu einer Konferenz zu Postwachstum ein. 2024 folgten in fünf europäischen Ländern nationale Konferenzen – unter anderem in Österreich, wo auch Politikerinnen und Politiker mitdiskutierten.
In Deutschland forderte Mitte März der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der deutschen Bundesregierung eine breite Debatte über Suffizienz. Damit meint der SRU vor allem eine “absolute Einsparung im Energieverbrauch” und eine “genügsamere Ressourcennutzung”. Im Positionspapier geben die Forschenden zwar keine konkreten Empfehlungen, betonen aber, dass der Energieverbrauch sinken müsse. “Ohne die Vermeidung von Verschwendung werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen”, sagt etwa die Energieökonomin und stellvertretende Vorsitzende des SRU, Claudia Kemfert, zu Table.Briefings.
Das SRU-Papier bezieht sich auch auf die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, in der die planetaren Grenzen und die Orientierung an einem Leben in Würde für alle als “absolute Leitplanken für politische Entscheidungen” genannt werden. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte dazu: “Wissenschaftliche Diskussionsbeiträge, wie der des SRU, können die Diskussion um Suffizienz versachlichen und bereichern.”
Während FDP und AfD eine gesellschaftliche Debatte über Suffizienz ablehnen, zeigt sich die CDU zumindest offen für Gespräche. Sie sei für eine Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum und setze daher in ihrem Gesetzesprogramm auf eine Kreislaufwirtschaft und eine “Sharing Economy”, erklärt sie auf Anfrage. Die klimapolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, sagte zu Table.Briefings, dass neben Energieeffizienz auch Energieeinsparungen nötig seien. Allerdings wolle man “keine fixen Wachstumsgrenzen” setzen, denn auch das Hochlaufen einer Recyclingwirtschaft oder von Erneuerbaren folge Wachstumspfaden. Offen für eine Debatte zeigten sich auch die Grünen.
Eine solche Debatte könnte in der Gesellschaft zwar auf Widerstand stoßen, vermutet der SRU in seinem Papier. Eine repräsentative Umfrage des Umweltbundesamts von 2023 zeigt allerdings, dass 77 Prozent der Deutschen der Aussage zustimmen. “Es gibt natürliche Grenzen des Wachstums, die unsere industrialisierte Welt längst erreicht hat.” Und 88 Prozent sind der Meinung, dass man Wege finden müsse, “unabhängig vom Wirtschaftswachstum gut leben zu können”.
Europaweit wird in diesem Jahr in zumindest fünf Ländern – Italien, Irland, Dänemark, Frankreich und Österreich – über ein gutes Leben unabhängig von Wirtschaftswachstum diskutiert. Die nationalen Konferenzen sind direkte Ableger der “Beyond Growth Konferenz”, die 2023 in Brüssel auf Einladung des EU-Parlaments stattfand. In Wien diskutierten etwa Mitte Mai rund 250 Gäste im österreichischen Parlament. Unter ihnen waren dutzende Forschende, Aktivisten und Politiker. Organisiert wurde die Konferenz von NGOs wie Global 2000 und Degrowth Vienna. Eingeladen ins Parlament, zur Eröffnung der dreitägigen Veranstaltung, hatte allerdings die Politik: die Grünen und die SPÖ.
Mit Ausnahme der rechtspopulistischen FPÖ stellten sich Abgeordnete aller Parlamentsparteien der Diskussion, in der man sich zumindest in zwei Punkten einig war:
Aber wo die Grenze ziehen? Astrid Rössler, Umweltsprecherin der Grünen in Österreich, brachte gegenüber Table.Briefings eine “Halbierung des Gesamtenergieverbrauchs” ins Spiel. Eine Reduktion von 40 bis 50 Prozent durch eine sozial-gerechte Politik schlug auch Lukas Oberndorfer vor. Er leitet die Abteilung Klima der Arbeiterkammer, die die Arbeitnehmerseite vertritt und der sozialdemokratischen SPÖ nahesteht.
Michaela Schmidt, Sprecherin der SPÖ für die SDGs, sieht in den planetaren Grenzen das “Maximum”. Sie fordert ein Investitionsprogramm aus privaten und öffentlichen Investitionen von jährlich bis zu 20 Milliarden Euro. Auch Vertreter der konservativen ÖVP, die mit den Grünen in einer Koalition ist, verwiesen während der Debatten auf notwendige Investitionen. Konkrete Vorschläge blieben aber aus.
Von den liberalen NEOS erklärte Umweltsprecher Michael Bernhard, dass “die individuelle und wirtschaftliche Freiheit nicht größer sein kann als die planetaren Grenzen”.
Vorausgegangen waren der politischen Debatte zwei Vorträge aus der Wissenschaft. Ökonomin Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien erklärte auf der Eröffnungsveranstaltung, dass “grünes Wachstum” selbst in den wichtigsten Klimaverträgen impliziert werde: in den SDGs, im Pariser Klimaabkommen und im Green Deal. Doch die Entkopplung von BIP-Wachstum und Treibhausgasen dauere mit dem aktuellen Kurs 220 Jahre, bis die Emissionen auf null seien, wie eine aktuelle Studie zeige. Weltweit schrumpfe zudem die Kreislaufwirtschaft, anstatt dass mehr Materialien wiederverwertet werden, so Stagl. Daher brauche es stärkere Regulierungen. Sie sei sich “nicht so sicher, ob das mit Kapitalismus verträglich ist”.
Andreas Novy, ebenfalls Ökonom an der Wirtschaftsuniversität Wien, schlug “Konsum- und Produktionskorridore” vor. Das könnten etwa Unter- und Obergrenzen sein, um übermäßigen Konsum einzuschränken und Armut zu vermeiden. Und er räumte mit dem Missverständnis auf, dass Postwachstum und Degrowth ausschließlich auf ein Schrumpfen der Wirtschaft ausgerichtet seien: “In einigen Bereichen braucht es weniger, in anderen mehr”, sagte Novy – “etwa in der Daseinsvorsorge, in der Nahversorgung, bei Gesundheit und Pflege.”
31. Juli 2024, 9:00 bis 10:00 Uhr, Online
Webinar Breakfast Briefing: Klimaszenarioanalyse – wie und wozu? (Veranstalter: 4L Impact Strategies) Info & Anmeldung
5. August 2024, 09:00 bis 18:00 Uhr
Exkursion Klimapolitik in urbanen Räumen: Die Klimakrise in Berlin und der Umbau zur Schwammstadt (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
7. August 2024, 9:00 bis 11:00 Uhr, Online
Webinar Nachhaltige öffentliche Beschaffung – Vom vergabefremden Aspekt zum Standard der Vergabe (Veranstalter: Auftragsberatungsstelle Sachsen) Info & Anmeldung
9. August 2024, 9:00 bis 11:00 Uhr, Online
Webinar Nachhaltige (zirkuläre) Textilbeschaffung. Von neuen europäischen Vorgaben bis zu textilen Produktlabeln wie Blauer Engel oder EU Ecolabel (Veranstalter: Auftragsberatungsstelle Sachsen) Info & Anmeldung
9. August 2024, 10:00 bis 11:00 Uhr, Online
Vortrag Dos und Don’ts einer nachhaltigen Unternehmensführung (Veranstalter: Bitkom Akademie) Info & Anmeldung
Wie setzen Firmen die neuen CSRD-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung um und worauf legen sie wert? Drei Untersuchungen haben erste Indizien von Pionierunternehmen zusammengetragen. In das Papier “State of Play as of Q2 2024 – Implementation of ESRS” der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) sind Erfahrungen von 28 europäischen Unternehmen aus acht verschiedenen Industrien eingeflossen, von denen etwa die Hälfte aus dem Finanzsektor stammt.
Demnach erkennt die Mehrzahl der Unternehmen den Wert von doppelten Wesentlichkeitsanalysen an, die auf objektiven, wissenschaftlichen Daten beruhen und nicht anhand von Umfragen Meinungen und Einschätzungen abfragen. Zwar erklären 80 Prozent, dass es eine komplexe Aufgabe ist, die dafür benötigten Daten zu erheben und zu sammeln. Da aber Konsens darüber bestünde, dass mehr Abteilungen in Unternehmen für dieses Ziel zusammenarbeiten sollten, werde daran gearbeitet, die notwendigen Strukturen zu schaffen. Die EFRAG plant, künftig einen jährlichen Update-Report herauszugeben.
In einer Umfrage zum “Stand der Wesentlichkeitsanalyse in den DAX40-Unternehmen” wollte das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee wissen, welche Kriterien der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) die Konzerne für wesentlich erachten. Für alle 34, die im Laufe des Juni und Juli 2024 geantwortet haben, werden demnach ESRS E1 (Kriterienset zum Thema Klima) und ESRS S1 (eigene Belegschaft) wesentlich sein. 33 Unternehmen erklärten, dass ESRS G1 (Unternehmenspolitik) relevant für sie sei. Bei der Zahl der abzudeckenden Nachhaltigkeitsthemen beim Reporting gebe es jedoch große Unterschiede. Einige gaben an, nur über 12 berichten zu müssen, anderen kamen auf 86 Nachhaltigkeitsthemen.
Ein Team der Universität Köln hat sich für seine “CSRD Materiality Analysis – Early Adopter Insights” einen kleinen Ausschnitt des Aktienindex Stoxx Europe 600 der größten europäischen Unternehmen angesehen. Von den 48 Firmen, die in dem Papier genannt werden und Informationen zu ihrer Wesentlichkeitsanalyse veröffentlicht haben, sind ebenfalls die ESRS-Kriterien E1 (Klima) und S1 (Belegschaft) wichtig; das Set G1 (Unternehmensführung) ist für die meisten relevant. Die Hälfte gab an, unternehmensspezifische Angaben machen zu müssen, wobei das Thema Cybersicherheit herausragte. Für rund 75 Prozent sind auch die Kreislaufwirtschaft (E5) sowie die Mitarbeitenden entlang der Wertschöpfungskette (S2) von hoher Bedeutung.
Mehr Details für interessierte ESG-Verantwortliche sind in den jeweiligen Papieren zu finden. maw
Um die Wirtschaft zu transformieren und Arbeitsplätze zu sichern, haben staatliche Stellen in den vergangenen acht Jahren immer mehr Subventionen an die 40 Dax-Konzerne gezahlt. Laut einer Studie des Flossbach von Storch Research Institute hat dies jedoch nicht zu den erhofften Investitionen geführt, sondern private Investments verdrängt und den Wettbewerb verzerrt. Die Subventionen verfehlten ihr ursprüngliches gesellschaftliches und politisches Ziel. Stattdessen empfehlen die Analysten, Bürokratie und Regulierungen in Deutschland und der EU abzubauen.
Zwischen 2016 und 2023 flossen etwa 35 Milliarden Euro an Subventionen an die größten deutschen Unternehmen. Seit 2018 stiegen die Subventionen deutlich an. Allein 2023 gingen rund 10,7 Milliarden Euro an Konzerne wie Eon, RWE und Volkswagen – fast doppelt so viel wie im Vorjahr mit sechs Milliarden Euro. Die Gelder stammten unter anderem aus dem Klima- und Transformationsfonds sowie dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds.
Krisen wie die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und der Klimawandel trieben die Subventionen laut Studie an. Elf der Dax-Konzerne erhielten von 2016 bis 2023 jeweils mehr als eine Milliarde Euro. Der Durchschnitt (Median) betrug rund 200 Millionen Euro. Indirekte Subventionen wie der Umweltbonus für den Kauf von E-Autos – erfasste die Studie nicht, obwohl sie die Autoindustrie unterstützen.
Für die Studie der Denkfabrik des gleichnamigen Kölner Vermögenverwalters werteten die Forscher die Geschäftsberichte der Dax-Konzerne aus. Im Herbst 2021 stieg die Zahl der Dax-Mitglieder von 30 auf 40, daher betrachtet die Studie alle heutigen 40 Dax-Unternehmen seit 2016. “Das Ausmaß, in dem profitabel wirtschaftende Konzerne mit öffentlichen Geldern versorgt werden, ist über die vergangenen Jahre drastisch angestiegen“, schreibt Analyst Philipp Immenkötter.
Die meisten Subventionen gingen an Eon und Volkswagen. Eon erhielt seit 2016 über 9,3 Milliarden Euro, hauptsächlich durch das Strom- und Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz sowie durch Investitionszuschüsse. Volkswagen strich 6,4 Milliarden Euro ein, vor allem durch Steuervergünstigungen und Forschungsgelder. BMW folgte mit 2,3 Milliarden Euro. Søren Maas (spm)
Ein Temperaturrekord jagt den nächsten. Am 21. Juli war erneut der heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Die Folgen treffen auch Arbeitskräfte rund um den Globus immer stärker. Ein Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigt, dass inzwischen in Europa und Zentralasien deutlich mehr Arbeitnehmende betroffen sind. Zwischen 2000 und 2020 stieg demnach in Europa und Zentralasien die Zahl der Arbeitskräfte, die übermäßiger Hitze ausgesetzt sind, um rund 17 Prozent. Global lag der Zuwachs bei fast neun Prozent.
Auch der Anteil von Arbeitsunfällen, die auf hohe Temperaturen zurückzuführen sind, stieg im gleichen Zeitraum in Europa und Zentralasien deutlicher als in anderen Regionen – um mehr als 16 Prozent. Auf dem amerikanischen Kontinent hat sich die Zahl solcher Arbeitsunfälle um ein Drittel erhöht. Laut ILO könnte das damit zu tun haben, dass Arbeitskräfte in Regionen mit bisher niedrigeren Temperaturen weniger an Hitze gewöhnt sind.
Gleichzeitig leiden in keiner Region anteilig weniger Arbeitnehmer unter Hitze als in Europa und Zentralasien. Während es dort 29 Prozent sind, haben in Afrika fast 93 Prozent der Arbeiter mit übermäßiger Hitze zu kämpfen. In allen anderen Weltregionen sind es mindestens 70 Prozent. In absoluten Zahlen beträgt der Anstieg an unter Hitze leidenden Arbeitskräften weltweit fast 35 Prozent. Waren 2000 nur 1,8 Milliarden Vollzeitkräfte betroffen, waren es 2020 rund 2,4 Milliarden.
Die ILO fordert daher vor allem, dass Präventions- und Kontrollstrategien für Hitzestress in der Arbeitswelt dringend verstärkt werden müssen. Ein wichtiger Teil davon seien angepasste Regeln und Maßnahmen, die sich nach den Bedingungen in den verschiedenen Sektoren und je nach Tätigkeitsort (drinnen oder draußen) der Arbeitskräfte richten. Priorität sollten der soziale Dialog sowie die internationale, zwischenstaatliche und sektorübergreifende Zusammenarbeit haben. Würden alle Schutzmaßnahmen umgesetzt, könnte die Ersparnis 361 Milliarden US-Dollar betragen, schätzt die ILO. nh
Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen will in Deutschland bis 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Arbeitsplätze abbauen. Auch Standortschließungen seien möglich. Das teilte das Unternehmen Ende vergangener Woche mit. Besonders betroffen von den Einschnitten ist die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien. Die Bereiche Nutzfahrzeugtechnik, Chassis Solutions, Industrietechnik und Aftermarket sollen dagegen von der angekündigten “strategischen Neuausrichtung” profitieren.
Grund für die Maßnahmen ist nach Unternehmensangaben “die eklatante Nachfrageschwäche nach rein elektrischen Fahrzeugen“, die zu Überkapazitäten in den teuren Produktionslinien für elektrische Antriebe führe. Zusammen mit dem weltweiten Wettbewerbs- und Kostendruck bei E-Autos erschwere dies “die Querfinanzierung der oft noch wenig margenstarken, rein elektrischen Antriebe durch Antriebe für konventionelle und Hybridfahrzeuge”.
ZF wolle dennoch an der Elektromobilität festhalten, betonte der Vorstandsvorsitzende Holger Klein. “Trotz der aktuellen Marktsituation ist klar: Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Wir sind hier in Vorleistung gegangen und werden in diesen Bereich auch weiterhin stark investieren“. Zudem prüfe das Unternehmen “Kooperationen und starke Partnerschaften“, um die E-Mobilität voranzubringen, so Klein.
Der Stellenabbau soll Unternehmensangaben zufolge so weit wie möglich sozialverträglich erfolgen. “Wir wollen die bestmöglichen Lösungen für alle Beteiligten finden”, versicherte Klein. Der Betriebsrat kündigte derweil Widerstand an. Man werde um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen, so Betriebsratschef Achim Dietrich.
ZF ist seit der Akquise von TRW (2015) und Wabco (2020) hoch verschuldet. Mit knapp 170.000 Mitarbeitern ist der Konzern einer der größten Autozulieferer der Welt. In Deutschland beschäftigt ZF derzeit rund 54.000 Mitarbeiter. ch
Anlässlich des Inkrafttretens der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) am 25. Juli hat die EU-Kommission häufig gestellte Fragen (FAQ) veröffentlicht. Darin hat sie Fragen zu Anwendungsbereich, Inhalten und Auswirkungen der neuen Richtlinie beantwortet.
Die CSDDD verpflichtet große Unternehmen, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in den vor- und nachgelagerten Bereichen in ihrer Lieferkette zu ermitteln und zu beseitigen. Zudem müssen diese einen Übergangsplan verabschieden, der die Begrenzung auf 1,5 Grad Erderwärmung vorsieht.
Die wichtigsten Punkte aus den FAQ:
Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung will die CSDDD noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, in nationales Recht umsetzen. Um zu verhindern, dass deutsche Unternehmen gegenüber Unternehmen aus anderen EU-Ländern benachteiligt werden, will sie das bereits in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) deutlich abschwächen und zwei Drittel der bislang erfassten Unternehmen vorerst vom LkSG befreien. Allerdings könnte die Abschwächung womöglich gegen EU-Recht verstoßen. ag
BASF legt Batterierecyclingprojekt in Spanien auf Eis – N-TV
Weil die Nachfrage nach Elektroautos in den vergangenen Monaten eingebrochen ist, hat BASF sein Metallraffinerie-Projekt zum Batterierecycling am spanischen Standort Tarragona auf Eis gelegt. Laut Vorstandschef Markus Kamieth ist der Chemiekonzern bereit, das Projekt wieder aufzunehmen, sobald der Aufbau von Zellkapazitäten und der Absatz von Elektroautos in Europa wieder anziehen. Zum Artikel
Nordafrika statt “Made in China” – Tagesschau
Deutsche Textilunternehmen verlagern ihre Produktion zunehmend von Asien nach Nordafrika. Ein Grund dafür ist die viel größere Nähe. Zwar produzieren deutsche Unternehmen schon seit 30 Jahren Bekleidung in Ägypten. Doch in den vergangenen Jahren gab es einen deutlichen Anstieg. So importierte Deutschland im Jahr 2023 elf Prozent mehr Bekleidung aus Ägypten als im Vorjahr. Experten sehen darin einen langfristigen Trend, berichtet Viktoria Kleber. Zum Artikel
Zahl der Elektroautos steigt weltweit rasant – Der Spiegel
In Deutschland halten viele noch am Verbrennungsmotor fest, doch global beschleunigt sich der Umstieg auf Elektroautos. Weltweit fahren bereits 42 Millionen Pkw batterieelektrisch. Das sind gut 50 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Besonders schnell vollzieht sich der Wandel in China – aber nicht nur dort. Internationaler Spitzenreiter ist Norwegen, wo der E-Auto-Anteil bei den Neuzulassungen im vergangenen Jahr bei 93 Prozent lag. Zum Artikel
Wärmepumpen-Absatz bricht im Vergleich zum Vorjahr um 54 Prozent ein – Die Zeit
Das Heizungsgesetz soll dazu führen, dass hierzulande klimafreundlicher geheizt wird. Wärmepumpen spielen dabei eine wichtige Rolle. Doch trotz Förderung wurden laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) im ersten Halbjahr 2024 nur 90.000 Geräte verkauft. Das sind 54 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt rechnen die Hersteller für 2024 mit einem Absatz von 200.000 Wärmepumpen. Zum Artikel
Bauer sucht Hof – FAZ
In der Landwirtschaft soll sich etwas ändern. Doch für junge Menschen, die Ideen für einen nachhaltigeren Umgang mit Acker, Feld und Tier haben, bleibt der eigene Betrieb oft ein Traum, der nicht bezahlbar ist. Dass sich daran auch zukünftig wenig ändern wird, zeigt eine Studie der DZ-Bank. Sie prognostiziert, dass der Trend zu immer größeren Betrieben anhalten wird. So soll sich bis 2040 die durchschnittliche Betriebsgröße von 65 auf 160 Hektar mehr als verdoppeln, schreibt Petra Ahne. Zum Artikel
ESG-Start-up: Deutscher Software-Spezialist holt Goldman Sachs an Bord – Handelsblatt
Die Mannheimer ESG-Plattform Osapiens will den globalen Markt für Lieferketten-Compliance erobern. Die US-Bank Goldman Sachs investiert jetzt 110 Millionen Euro in das Start-up. Mit dem frischen Geld kann die ESG-Plattform schneller wachsen und weitere Kunden in Europa, vor allem aber in den USA gewinnen. So wolle sich das Unternehmen für den Wettbewerb auf einem Markt wappnen, der derzeit stark wächst, weiß Clara Thier. Zum Artikel
So will der Gewerkschaftsbund für mehr Tarifverträge sorgen – Handelsblatt
Werden in einem EU-Land weniger als 80 Prozent der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag abgesichert, muss die Regierung einen Aktionsplan vorlegen, um Abhilfe zu schaffen. So sieht es die EU-Mindestlohnrichtlinie vor, die im Herbst 2022 verabschiedet wurde und bis Mitte November in nationales Recht umgesetzt werden muss. In Deutschland liegt die Quote bei nur 49 Prozent, Tendenz fallend. Der DGB hat dazu jetzt Vorschläge vorgelegt. Frank Specht hat sich das 14-Punkte-Papier angesehen. Zum Artikel
How ‘world’s first oil town’ is wrestling with fossil fuel legacy – The Guardian
Nur wenige Kilometer vom Veranstaltungsort der nächsten UN-Klimakonferenz im aserbaidschanischen Baku entfernt liegt ein Stadtteil, der mehr als ein Jahrhundert lang als “Schwarze Stadt” bekannt war. Jedes Haus, jede Fabrik war verrußt vom Öl, das hier am Ufer des Kaspischen Meeres gefördert und raffiniert wurde. Fiona Harvey hat die Stadt besucht und sich gefragt, ob das von Öl- und Gasexporten abhängige Land der richtige Ort für die COP29 ist. Zum Artikel
Kein Hunger und keine Armut, mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Klimaschutz weltweit: Über diese Ziele haben sich im Juli führende Politiker*innen aus aller Welt in New York City beraten. Beim Hochrangigen Politischen Forum zu Nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen wurde überprüft, wo die Weltgemeinschaft bei den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 steht. Einigkeit herrschte, dass mehr getan werden muss, um die Ziele noch zu erreichen. Denn, so formulierte es Dennis Francis, Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen und Diplomat aus Trinidad und Tobago: Die Lücken im System kosten Menschenleben.
In diesem Jahr rückte daher eine Frage besonders in den Mittelpunkt: Wie lässt sich die riesige Finanzierungslücke schließen, um die Agenda 2030 umzusetzen? Laut dem aktuellsten Entwicklungsfinanzierungsbericht der Vereinten Nationen fehlen weltweit jährlich vier Billionen US-Dollar – also 4.000 Milliarden US-Dollar – für die Investitionen, die nötig sind, um die Agenda 2030 zu erreichen. Das entspricht in etwa der Wirtschaftsleistung Deutschlands.
Ich bin überzeugt, dass sich diese Lücke nur mit einer ambitionierten Steuerpolitik schließen lässt – und zwar auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Drei Reformbereiche sind mir dabei besonders wichtig:
Nur so lässt sich die weltweit und auch hierzulande steigende Ungleichheit bekämpfen. Dass hohe Ungleichheiten Gesellschaften destabilisieren und Räume für autokratische Gesinnungen eröffnen, zeigen Forschungsergebnisse des an der New York University angesiedelten Center on International Cooperation sehr deutlich.
Um langfristig in Bildung, Gesundheit und den Klimaschutz investieren zu können, setzen sich viele Partnerländer der deutschen Entwicklungspolitik das Ziel, ihre Steuereinnahmen zu erhöhen. Dabei zählt aber nicht allein die Höhe des Steueraufkommens, sondern vor allem eine ausgewogene und sozial gerechte Gestaltung der Besteuerung und die solidarische Verteilung der Steuerlast innerhalb von Gesellschaften. Reiche Menschen müssen einen höheren Anteil ihres Einkommens beitragen als arme. Denn das steigert nicht nur die Einnahmen. Es baut auch Ungleichheiten ab und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Oxfam hat im Gespräch in New York City erneut deutlich gemacht, welches Potenzial in einem gerechten Steuersystem steckt.
Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt ihre Partnerländer dabei, ihre Steuersysteme zu reformieren. In Nepal beispielsweise fördern wir die Digitalisierung des Steuersystems. Die Zahl der registrierten Steuerzahler konnte durch die Einführung einer neuen Software bereits um 60 Prozent gesteigert und so die Steuereinnahmen erhöht werden.
Lücken und unausgeglichene Regelungen der internationalen Steuerkooperation erschweren es unseren Partnerländern allerdings, ihre Staatseinnahmen zu erhöhen. Denn viele internationale Großunternehmen vermeiden Steuern, indem sie ihre Gewinne in sogenannte Steueroasen verlagern. Sie nutzen die öffentliche Infrastruktur, natürliche Ressourcen und Arbeitskräfte dieser Länder – sind aber nicht bereit, sich an der Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen. Nach Schätzung der OECD verlieren Länder weltweit jährlich bis zu 240 Milliarden US-Dollar durch Steuervermeidungsstrategien. Am meisten leiden darunter die ärmeren Länder, deren Steuerbasis zusätzlich noch durch illegale Finanzströme geschwächt wird. Die Afrikanische Union schätzt, dass allein Afrika jährlich mehr als 50 Milliarden US-Dollar durch illegale Finanzströme verliert.
Dem muss die internationale Staatengemeinschaft durch eine inklusive Zusammenarbeit begegnen, an der die Länder des sogenannten Globalen Südens und Nordens gleichermaßen beteiligt werden. Bisher finden internationale Steuerverhandlungen in OECD-Gremien statt. Darüber ist es beispielsweise gelungen, die globale Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne oder den automatisierten Informationsaustausch von Steuerdaten zwischen nationalen Steuerbehörden zu vereinbaren. Das sind Reformen, die zuvor undenkbar schienen.
Dennoch stoßen die OECD-Prozesse an ihre Grenzen. Noch immer sitzen nicht alle Länder mit am Verhandlungstisch und selbst wenn sie es tun, klagen viele Partnerländer über faktisch geringe Möglichkeiten der Mitwirkung. Selbst große Länder wie Indien mit seinen mehr als 1,4 Milliarden Menschen sind noch keine OECD-Mitglieder und über Prozesse wie den Inclusive Framework aus ihrer Sicht nicht hinreichend eingebunden. Deshalb beteiligt sich Deutschland konstruktiv an den laufenden Verhandlungen zu einer UN-Steuerrahmenkonvention, und ich setze mich dafür ein, dass die Interessen unserer Partnerländer und der Zivilgesellschaft gehört werden. Eine mögliche künftige UN-Konvention kann eine wichtige Ergänzung zu den bereits im OECD-Rahmen erzielten internationalen Vereinbarungen im Steuerbereich sein.
Doch es sind nicht allein Unternehmen, auch Superreiche müssen ihren angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwohls leisten. Derzeit aber zahlen sie weltweit einen deutlich geringeren Anteil an Steuern als durchschnittliche Lohnarbeitende. Deshalb unterstützt die deutsche Entwicklungspolitik den Vorschlag von Brasiliens G20-Präsidentschaft für eine stärkere Fokussierung auf eine faire und progressive Besteuerung, die diesen Missstand adressiert und gerade Hochvermögende stärker in die Pflicht nimmt.
Damit ließe sich nicht nur die Ungleichheit bekämpfen, sondern auch in die Zukunft investieren. Das Forum in New York City hat erneut gezeigt, wie wichtig das ist. Denn weltweit leben mehr als 700 Millionen Menschen in extremer Armut, ähnlich viele leiden an chronischem Hunger – die Weltgemeinschaft muss dafür sorgen, dass die weltweit ausreichend vorhandenen Mittel auch den Schwächsten zugutekommen, ganz im Sinne des Grundprinzips der Agenda 2030 “leave no one behind”.
Natürlich ist eine ambitionierte Steuerpolitik nicht die einzige Antwort auf die Frage nach der Finanzierung der Agenda 2030. Es bedarf auch mehr privater Investitionen und öffentlicher Entwicklungsgelder. Doch eine gerechte Steuerpolitik ist ein wichtiger Baustein – nicht nur der Entwicklungsfinanzierung, sondern auch im Kampf gegen Ungleichheit weltweit.
Bärbel Kofler ist Bankkauffrau, Diplom-Informatikerin, promovierte Sprachwissenschaftlerin und SPD-Mitglied. Seit 2004 gehört sie als Abgeordnete dem Deutschen Bundestag an. Von 2016 bis 2021 war sie Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt. In der aktuellen Legislaturperiode ist sie parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Daniel Dahm – Nachhaltigkeitspionier, Gründer der United Sustainability Holding GmbH
Daniel Dahm arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten an einer zukunftsfähigen Entwicklung des Menschen mit Blick auf Wirtschaft, Kultur und Raum. Der promovierte Geograf ist spezialisiert auf die Wechselwirkungen zwischen Biogeosphäre und Anthroposphäre. Ein zentrales Anliegen ist ihm der (Wieder-) Aufbau der materiellen und immateriellen Lebensgrundlagen der Menschheit. Dieses verfolgte er als Wissenschaftler, gesellschaftlicher Impulsgeber und heute vor allem als Geschäftsführer der von ihm gegründeten United Sustainability Unternehmensgruppe für lebensdienliches Portfolio- und Asset-Management. Schon vorher war er an der Gründung mehrerer wichtiger Organisationen beteiligt, etwa der Desertec Foundation und der Internetplattform Utopia.de.
Maja Göpel – Geschäftsführerin, Mission Wertvoll
Damit die Transformation gelingt, braucht es noch viel mehr Mitstreiter und Kollaborationen zwischen den verschiedensten Lagern, sagt Maja Göpel – und liefert den dafür notwendigen Schmierstoff: Kommunikation. Die Bielefelder Politökonomin hält Vorträge, schreibt Bücher, vermittelt ihr Wissen leicht verständlich und hat kürzlich das “Science-Society Netzwerk” Mission Wertvoll gegründet. Davor war sie unter anderem Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen, gründete Scientists for Future mit und ist seit fünf Jahren Honorarprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg.
Johannes Vogel – Generaldirektor, Naturkundemuseum Berlin
Das Naturkundemuseum Berlin will er zum politischsten aller Naturkundemuseen ausbauen – daran arbeitet Johannes Vogel als Generaldirektor seit 2012. Als Wissenschaftler hat er reüssiert: Promotion in Cambridge, dann Chefkurator der botanischen Abteilung des Natural History Museums in London, seit langem Fellow der American Association for the Advancement of Science. Den Schutz der Biodiversität sieht der Botaniker als seine zentrale Aufgabe. Als Professor für Biodiversität und Wissenschaftsdialog an der Humboldt-Universität zu Berlin und als Vorsitzender der European Citizen Science Association (ECSA) will er die Bürgerwissenschaft vorantreiben: Ihm zufolge kann nur eine wissensbasierte demokratische Gesellschaft so wirtschaften, dass die Lebensgrundlagen der Menschheit erhalten bleiben.
Jens Martens – Geschäftsführer, Global Policy Forum Europe
Geht die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDG) voran? Und welche Kräfte steuern die Prozesse hinter den UN-Kulissen? Jens Martens geht Fragen wie diesen in seinen Analysen zum Multilateralismus nach und setzt sich aus Sicht des kritischen Think Tanks Global Policy Forum (GPF) für mehr Einfluss der Zivilgesellschaft ein. Seit 20 Jahren leitet er dessen Büro in Bonn, ist Mitglied im Beirat der Stiftung Entwicklung und Frieden, war bei dem NGO-Netzwerk Social Watch aktiv und hat Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaften in Nürnberg-Erlangen und Berlin studiert.
Antje Schneeweiß – Geschäftsführerin, Arbeitskreis Kirchlicher Investoren
Antje Schneeweiß ist Expertin für nachhaltige Geldanlagen – und sorgt dafür, dass die soziale Dimension dabei mitgedacht wird. So engagiert sie sich seit Jahren für ein soziales Pendant zur grünen EU-Taxonomie, schrieb eigenhändig ein Konzept dafür. Mit Erfolg: Die EU-Kommission berief sie 2019 zur Leiterin einer entsprechenden Arbeitsgruppe der EU-Plattform für nachhaltiges Finanzwesen, die 2022 Vorschläge für eine soziale Taxonomie vorstellte. Dabei ist es bislang geblieben, Schneeweiß rechnet für die kommenden Jahre nicht mehr mit einem Gesetzesentwurf – hält aber eine freiwillige Option zur Berichterstattung im sozialen Bereich für realistisch. Ihre Expertise bringt sie auch als Mitglied im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung ein.
Kristina Jeromin – Co-Leiterin, Initiative “Made in Germany 2030”
Kristina Jeromin setzt sich beharrlich dafür ein, umsetzbare Strategien für die Finanzierung der Transformation zu erarbeiten. Dabei ist ihr wichtig, viele Perspektiven an einen Tisch zu bringen. Die studierte Politikwissenschaftlerin und Philosophin will Veränderungen anstoßen und wirbt fürs Ausprobieren – auch wenn das mit Unsicherheit einhergeht. Die neue Initiative “Made in Germany 2030” soll alle wichtigen Akteure zusammenbringen, um eine Finanzierungsstrategie für den Industriestandort Deutschland zu entwickeln. Diese soll parteiübergreifend sein – sachlich statt emotional diskutieren ist Jeromin wichtig. Zuvor war sie Nachhaltigkeitschefin der Deutschen Börse und Geschäftsführerin des Green and Sustainable Finance Cluster Germany.
Frank Schweikert – Gründer, Deutsche Meeresstiftung
Frank Schweikert klärt die Bevölkerung über die Auswirkungen des Klimawandels auf das Ökosystem Meer auf und arbeitet an Lösungen, um Abhilfe zu schaffen. Der Biologe stieß auf sein Lebensthema über seine journalistische Arbeit. Zwei Jahre lange dokumentierte er mit Meereswissenschaftlern, wie sich der Klimawandels vor der Küste Mittelamerikas auswirkte. Er organisierte danach eine internationale Ozeankonferenz. 2015 gründete er mit dem Unternehmer Frank Otto die Deutsche Meeresstiftung. Schweikert verfolgt auch unternehmerische Ansätze, um die Situation der Meere zu verbessern: Er gründete zum Beispiel die GlobalGreen InnoTech GmbH und geht der Frage nach, wie man Kunststoff aus dem Meer holen kann.
Alexandra Wandel – Vorstandsvorsitzende, World Future Council
Alexandra Wandel ist seit der Gründung des “World Future Council” im Jahr 2007 Teil des Vorstands, seit über fünf Jahren als Vorsitzende. Sie setzt sich dafür ein, die Welt für diese und kommende Generationen besser zu machen. Das wichtigste Werkzeug, um Ideen weit zu streuen, ist aus ihrer Sicht der “Future Policy Award”, den die Stiftung einmal im Jahr für Gesetze und Projekte mit Vorzeigecharakter vergibt. Dafür hat die Stiftung zu ökologischen und sozialen Themen wie Rechte von Kindern oder Biodiversität Partnerschaften mit UN-Agenturen geschlossen. Wandel ist zudem Gründerin des Vereins Lichtpunkt – ein Traumatherapie- und Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete in Hamburg.
Tim Göbel – Geschäftsführender Vorstand, Schöpflin Stiftung
Als geschäftsführender Vorstand der gemeinnützigen Schöpflin Stiftung engagiert sich Tim Göbel seit 2016 für eine starke Zivilgesellschaft. Die Stiftung mit Sitz in Lörrach fördert NGOs, Sozialunternehmen, Medien- und Bildungsprojekte, um zu einer lebendigen Demokratie beizutragen. Göbel war zuvor Vizepräsident der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, an deren Gründung er ebenfalls beteiligt war. Der Wirtschaftswissenschaftler ist außerdem Mitglied des Aufsichtsrats bei der Bürgerbewegung Finanzwende sowie Beiratsmitglied der gemeinnützigen Organisation ProjectTogether, die gesellschaftliche Transformationsprojekte fördert.
Nicole Hartmann – Vorstand, Donut Berlin e.V.
Nicole Hartmann ist eigentlich promovierte Religionshistorikerin, doch bei den Scientists for Future und bei Extinction Rebellion wurde sie zur Aktivistin für eine sozialökologische Zukunft. Hartmann glaubt an die Effektivität von Bürgerräten – konkret ausprobieren konnte sie dies beim Bürgerrat Klima, den sie organisatorisch unterstützt hat. Damit schuf sie ein Vorbild für weitere losbasierte Gremien wie den ersten Bürgerrat des Deutschen Bundestages mit dem Thema “Ernährung im Wandel”. Mitgegründet hat Hartmann auch Donut Berlin. Die Denkfabrik möchte ein regeneratives Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell etablieren, in dem das gute Leben für alle im Rahmen der planetaren Grenzen möglich wird.
gute Nachrichten vom Statistischen Bundesamt: Der Anteil von Photovoltaik am deutschen Strommix ist zuletzt kontinuierlich gestiegen, 2023 auf einen Rekordwert von fast 12 Prozent. Das Zwischenziel der Bundesregierung von 88 Gigawatt installierter Leistung wurde in diesem Jahr übertroffen. In ihrer gerade verabschiedeten Wachstumsinitiative sieht das Bundeskabinett jedoch zentrale Änderungen an der Förderung von PV-Anlagen vor – und erntet teils scharfe Kritik von Expertinnen und Verbänden. Die Details hat Carsten Hübner in seiner Analyse aufgeschrieben.
Morgen, am 1. August, haben wir Menschen weltweit laut Berechnungen des Global Footprint Network alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die sich innerhalb eines Jahres erneuern. Anlässlich des Erdüberlastungstags beleuchtet Lukas Bayer die Debatte über einen genügsameren Umgang mit Energie und Ressourcen. Inwiefern sie zwar an Bedeutung gewinnt, ein politisches Momentum aber weiterhin ausbleibt, lesen Sie in seiner Analyse.
Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, fordert Steuergerechtigkeit: Um die Lücke bei der Finanzierung der Agenda 2030 zu schließen, braucht es progressive Steuersysteme und inklusive internationale Verträge, schreibt sie in ihrem Standpunkt.
Ich wünsche Ihnen einen sonnigen letzten Juli-Tag!
Im Jahr 2023 stammten 11,9 Prozent des in Deutschland eingespeisten Stroms aus Photovoltaik. Das teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Demnach wurden im vergangenen Jahr rund 53,6 Millionen Megawattstunden Solarstrom ins Netz eingespeist – ein neuer Rekordwert. Im Vorjahr lag der Anteil der Photovoltaik noch bei 10,6 Prozent. Insgesamt waren zum Jahresende 3,2 Millionen Solaranlagen auf Dächern und Freiflächen installiert.
Ausbau der Photovoltaik auf gutem Weg
Auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres habe sich das Wachstum fortgesetzt, berichtet Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. “Im Vergleich zur Gesamtleistung Ende 2023 kam noch einmal knapp zehn Prozent mehr Solarleistung dazu.” Ende Juni sei damit erstmals die Marke von 90 Gigawatt installierter Leistung überschritten worden, so Müller, der von einer “enorme Entwicklung und einer Herausforderung für den gesamten Transformationsprozess im Stromsektor” sprach.
Das von der Bundesregierung für das erste Halbjahr 2024 anvisierte Zwischenziel von 88 Gigawatt wurde damit sogar übertroffen. Dennoch, so der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), müsse das Tempo des Ausbaus weiter erhöht werden, wenn die geplanten 215 Gigawatt solarer Kraftwerksleistung im Jahr 2030 erreicht werden sollen. Das entspräche einem Anteil von rund einem Viertel des erwarteten Stromverbrauchs.
Zentrales Instrument der Solarförderung ist die Einspeisevergütung, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelt ist. Sie garantiert für jede Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien, die in das öffentliche Netz eingespeist wird, einen auf 20 Jahre festgelegten Abnahmepreis. Maßgeblich für die Höhe der Vergütung ist der Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage. Der Vergütungssatz sinkt halbjährlich um ein Prozent.
So beträgt die Einspeisevergütung bei PV-Anlagen bis 100 Kilowatt Nennleistung (kWp), die zwischen dem 1. Februar und dem 31. Juli 2024 neu errichtet wurden, je nach Anlagengröße und Teil- oder Volleinspeisung, zwischen 5,70 und 12,90 Cent pro Kilowattstunde. Für Anlagen, die ab dem 1. August 2024 ans Netz gehen, sinkt die Einspeisevergütung dann auf eine Vergütung von 5,6 bis 12,80 Cent pro Kilowattstunde – jeweils garantiert für die nächsten 20 Jahre.
Ziel dieser Garantie ist es, Investitionen in erneuerbare Energien wie die Photovoltaik berechenbar und damit attraktiv zu machen. Zwar ist die Einspeisevergütung seit ihrer Einführung im Jahr 2000 von 50 Cent pro Kilowattstunde auf das heutige Niveau stark gesunken. Dennoch gilt Photovoltaik nach wie vor als rentabel.
Mit der Verabschiedung der Wachstumsinitiative durch das Bundeskabinett am 17. Juli 2024 steht die Einspeisevergütung in ihrer bisherigen Form jedoch zur Disposition. Drei zentrale Änderungen sind vorgesehen:
Bei Experten und Verbänden stoßen die geplanten Änderungen auf einige Skepsis. Claudia Kemfert, Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), bezeichnet sie im Gespräch mit Table.Briefings sogar als “großen Fehler”, der den zuvor erreichten schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien wieder auszubremsen drohe.
“Es ist der denkbar falscheste Moment, das Fördersystem zu ändern“, so Kemfert. Insbesondere die Umstellung auf eine reine Investitionskostenförderung “schafft erneute Planungsunsicherheit, führt zu Ineffizienzen und letztendlich erhöht es insgesamt die Kosten”. Auch die geplante Aussetzung der Vergütung bei negativen Strompreisen hält sie für “hoch problematisch”, da sich die Anlagen dann immer weniger rechnen. “Es könnte zu betriebswirtschaftlichen Einbußen von zehn bis 20 Prozent kommen”, rechnet sie vor.
Für Jörg Sutter, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), ist es “unverständlich, warum ein funktionierendes System, das auch langfristig das kosteneffektivste bleiben wird, jetzt zerschlagen werden soll”. Insbesondere für Projekte, die sich schon in der Planung für 2025 befinden, bedeute dies eine weitere Unsicherheit für die kommenden Monate. “Das können wir uns aktuell einfach nicht leisten”, so Sutter.
Die Verbände der Branche teilen die Bedenken. So warnt der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) “vor Experimenten in einem für den Zukunftsstandort wichtigen Wachstumsbereich” und fordert eine “geordnete fachliche Diskussion”. “Die Abkehr von der erprobten EEG-Systematik im vollen Lauf birgt viele Risiken“, so BEE-Sprecher Adrian Röhrig.
Aus Sicht von Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), könnte bereits die Diskussion über eine Umstellung auf Investitionsförderung zu einer Verunsicherung bei Privatkunden und Unternehmen führen. “Hierdurch wird tendenziell die hohe Investitionsbereitschaft in Solaranlagen reduziert“, meint Körnig.
Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich auf Anfrage von Table.Briefings nicht im Detail zu den vereinbarten Maßnahmen äußern. “Die Beschlüsse der Wachstumsinitiative sind jetzt Grundlage eines Prüf- und Umsetzungsprozesses in den Ressorts, der gerade begonnen hat”, sagte ein Sprecher. Dem wolle man nicht vorgreifen.
Am 1. August ist Schluss. Dann hat die Welt nach einer traditionellen Modellrechnung jene natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die sich innerhalb eines Jahres erneuern. Berechnet hat diesen sogenannten Erdüberlastungstag das Global Footprint Network. Seit mehreren Jahren, ausgenommen vom Corona-Jahr 2020, fällt dieser symbolische Tag auf Anfang August; 1971 lag er noch Ende Dezember. Der Tenor: Der Ressourcenhunger einer wachsenden Weltwirtschaft kann durch Effizienzgewinne zwar ausgeglichen, nicht aber umkehrt werden. Bislang gelingt es nicht, Wirtschaftswachstum von Emissionen und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln – und damit steigt Jahr für Jahr die Emissionslast, zugleich schrumpfen die verfügbaren Ressourcen.
Vorschläge für ein gutes Leben für alle – ohne die Erde zu überlasten – kommen vermehrt aus Wirtschaftsansätzen wie Degrowth, Donut-Ökonomie und der Postwachstumsökonomie. Sie setzen auf Suffizienz; also auf Genügsamkeit statt übermäßigen Verbrauch von Energie und Ressourcen. Wurden sie anfangs eher als aktivistische Bewegung wahrgenommen, gewinnt die Debatte mittlerweile an Bedeutung. Vor einem Jahr lud etwa das EU-Parlament zu einer Konferenz zu Postwachstum ein. 2024 folgten in fünf europäischen Ländern nationale Konferenzen – unter anderem in Österreich, wo auch Politikerinnen und Politiker mitdiskutierten.
In Deutschland forderte Mitte März der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der deutschen Bundesregierung eine breite Debatte über Suffizienz. Damit meint der SRU vor allem eine “absolute Einsparung im Energieverbrauch” und eine “genügsamere Ressourcennutzung”. Im Positionspapier geben die Forschenden zwar keine konkreten Empfehlungen, betonen aber, dass der Energieverbrauch sinken müsse. “Ohne die Vermeidung von Verschwendung werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen”, sagt etwa die Energieökonomin und stellvertretende Vorsitzende des SRU, Claudia Kemfert, zu Table.Briefings.
Das SRU-Papier bezieht sich auch auf die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, in der die planetaren Grenzen und die Orientierung an einem Leben in Würde für alle als “absolute Leitplanken für politische Entscheidungen” genannt werden. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte dazu: “Wissenschaftliche Diskussionsbeiträge, wie der des SRU, können die Diskussion um Suffizienz versachlichen und bereichern.”
Während FDP und AfD eine gesellschaftliche Debatte über Suffizienz ablehnen, zeigt sich die CDU zumindest offen für Gespräche. Sie sei für eine Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum und setze daher in ihrem Gesetzesprogramm auf eine Kreislaufwirtschaft und eine “Sharing Economy”, erklärt sie auf Anfrage. Die klimapolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, sagte zu Table.Briefings, dass neben Energieeffizienz auch Energieeinsparungen nötig seien. Allerdings wolle man “keine fixen Wachstumsgrenzen” setzen, denn auch das Hochlaufen einer Recyclingwirtschaft oder von Erneuerbaren folge Wachstumspfaden. Offen für eine Debatte zeigten sich auch die Grünen.
Eine solche Debatte könnte in der Gesellschaft zwar auf Widerstand stoßen, vermutet der SRU in seinem Papier. Eine repräsentative Umfrage des Umweltbundesamts von 2023 zeigt allerdings, dass 77 Prozent der Deutschen der Aussage zustimmen. “Es gibt natürliche Grenzen des Wachstums, die unsere industrialisierte Welt längst erreicht hat.” Und 88 Prozent sind der Meinung, dass man Wege finden müsse, “unabhängig vom Wirtschaftswachstum gut leben zu können”.
Europaweit wird in diesem Jahr in zumindest fünf Ländern – Italien, Irland, Dänemark, Frankreich und Österreich – über ein gutes Leben unabhängig von Wirtschaftswachstum diskutiert. Die nationalen Konferenzen sind direkte Ableger der “Beyond Growth Konferenz”, die 2023 in Brüssel auf Einladung des EU-Parlaments stattfand. In Wien diskutierten etwa Mitte Mai rund 250 Gäste im österreichischen Parlament. Unter ihnen waren dutzende Forschende, Aktivisten und Politiker. Organisiert wurde die Konferenz von NGOs wie Global 2000 und Degrowth Vienna. Eingeladen ins Parlament, zur Eröffnung der dreitägigen Veranstaltung, hatte allerdings die Politik: die Grünen und die SPÖ.
Mit Ausnahme der rechtspopulistischen FPÖ stellten sich Abgeordnete aller Parlamentsparteien der Diskussion, in der man sich zumindest in zwei Punkten einig war:
Aber wo die Grenze ziehen? Astrid Rössler, Umweltsprecherin der Grünen in Österreich, brachte gegenüber Table.Briefings eine “Halbierung des Gesamtenergieverbrauchs” ins Spiel. Eine Reduktion von 40 bis 50 Prozent durch eine sozial-gerechte Politik schlug auch Lukas Oberndorfer vor. Er leitet die Abteilung Klima der Arbeiterkammer, die die Arbeitnehmerseite vertritt und der sozialdemokratischen SPÖ nahesteht.
Michaela Schmidt, Sprecherin der SPÖ für die SDGs, sieht in den planetaren Grenzen das “Maximum”. Sie fordert ein Investitionsprogramm aus privaten und öffentlichen Investitionen von jährlich bis zu 20 Milliarden Euro. Auch Vertreter der konservativen ÖVP, die mit den Grünen in einer Koalition ist, verwiesen während der Debatten auf notwendige Investitionen. Konkrete Vorschläge blieben aber aus.
Von den liberalen NEOS erklärte Umweltsprecher Michael Bernhard, dass “die individuelle und wirtschaftliche Freiheit nicht größer sein kann als die planetaren Grenzen”.
Vorausgegangen waren der politischen Debatte zwei Vorträge aus der Wissenschaft. Ökonomin Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien erklärte auf der Eröffnungsveranstaltung, dass “grünes Wachstum” selbst in den wichtigsten Klimaverträgen impliziert werde: in den SDGs, im Pariser Klimaabkommen und im Green Deal. Doch die Entkopplung von BIP-Wachstum und Treibhausgasen dauere mit dem aktuellen Kurs 220 Jahre, bis die Emissionen auf null seien, wie eine aktuelle Studie zeige. Weltweit schrumpfe zudem die Kreislaufwirtschaft, anstatt dass mehr Materialien wiederverwertet werden, so Stagl. Daher brauche es stärkere Regulierungen. Sie sei sich “nicht so sicher, ob das mit Kapitalismus verträglich ist”.
Andreas Novy, ebenfalls Ökonom an der Wirtschaftsuniversität Wien, schlug “Konsum- und Produktionskorridore” vor. Das könnten etwa Unter- und Obergrenzen sein, um übermäßigen Konsum einzuschränken und Armut zu vermeiden. Und er räumte mit dem Missverständnis auf, dass Postwachstum und Degrowth ausschließlich auf ein Schrumpfen der Wirtschaft ausgerichtet seien: “In einigen Bereichen braucht es weniger, in anderen mehr”, sagte Novy – “etwa in der Daseinsvorsorge, in der Nahversorgung, bei Gesundheit und Pflege.”
31. Juli 2024, 9:00 bis 10:00 Uhr, Online
Webinar Breakfast Briefing: Klimaszenarioanalyse – wie und wozu? (Veranstalter: 4L Impact Strategies) Info & Anmeldung
5. August 2024, 09:00 bis 18:00 Uhr
Exkursion Klimapolitik in urbanen Räumen: Die Klimakrise in Berlin und der Umbau zur Schwammstadt (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
7. August 2024, 9:00 bis 11:00 Uhr, Online
Webinar Nachhaltige öffentliche Beschaffung – Vom vergabefremden Aspekt zum Standard der Vergabe (Veranstalter: Auftragsberatungsstelle Sachsen) Info & Anmeldung
9. August 2024, 9:00 bis 11:00 Uhr, Online
Webinar Nachhaltige (zirkuläre) Textilbeschaffung. Von neuen europäischen Vorgaben bis zu textilen Produktlabeln wie Blauer Engel oder EU Ecolabel (Veranstalter: Auftragsberatungsstelle Sachsen) Info & Anmeldung
9. August 2024, 10:00 bis 11:00 Uhr, Online
Vortrag Dos und Don’ts einer nachhaltigen Unternehmensführung (Veranstalter: Bitkom Akademie) Info & Anmeldung
Wie setzen Firmen die neuen CSRD-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung um und worauf legen sie wert? Drei Untersuchungen haben erste Indizien von Pionierunternehmen zusammengetragen. In das Papier “State of Play as of Q2 2024 – Implementation of ESRS” der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) sind Erfahrungen von 28 europäischen Unternehmen aus acht verschiedenen Industrien eingeflossen, von denen etwa die Hälfte aus dem Finanzsektor stammt.
Demnach erkennt die Mehrzahl der Unternehmen den Wert von doppelten Wesentlichkeitsanalysen an, die auf objektiven, wissenschaftlichen Daten beruhen und nicht anhand von Umfragen Meinungen und Einschätzungen abfragen. Zwar erklären 80 Prozent, dass es eine komplexe Aufgabe ist, die dafür benötigten Daten zu erheben und zu sammeln. Da aber Konsens darüber bestünde, dass mehr Abteilungen in Unternehmen für dieses Ziel zusammenarbeiten sollten, werde daran gearbeitet, die notwendigen Strukturen zu schaffen. Die EFRAG plant, künftig einen jährlichen Update-Report herauszugeben.
In einer Umfrage zum “Stand der Wesentlichkeitsanalyse in den DAX40-Unternehmen” wollte das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee wissen, welche Kriterien der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) die Konzerne für wesentlich erachten. Für alle 34, die im Laufe des Juni und Juli 2024 geantwortet haben, werden demnach ESRS E1 (Kriterienset zum Thema Klima) und ESRS S1 (eigene Belegschaft) wesentlich sein. 33 Unternehmen erklärten, dass ESRS G1 (Unternehmenspolitik) relevant für sie sei. Bei der Zahl der abzudeckenden Nachhaltigkeitsthemen beim Reporting gebe es jedoch große Unterschiede. Einige gaben an, nur über 12 berichten zu müssen, anderen kamen auf 86 Nachhaltigkeitsthemen.
Ein Team der Universität Köln hat sich für seine “CSRD Materiality Analysis – Early Adopter Insights” einen kleinen Ausschnitt des Aktienindex Stoxx Europe 600 der größten europäischen Unternehmen angesehen. Von den 48 Firmen, die in dem Papier genannt werden und Informationen zu ihrer Wesentlichkeitsanalyse veröffentlicht haben, sind ebenfalls die ESRS-Kriterien E1 (Klima) und S1 (Belegschaft) wichtig; das Set G1 (Unternehmensführung) ist für die meisten relevant. Die Hälfte gab an, unternehmensspezifische Angaben machen zu müssen, wobei das Thema Cybersicherheit herausragte. Für rund 75 Prozent sind auch die Kreislaufwirtschaft (E5) sowie die Mitarbeitenden entlang der Wertschöpfungskette (S2) von hoher Bedeutung.
Mehr Details für interessierte ESG-Verantwortliche sind in den jeweiligen Papieren zu finden. maw
Um die Wirtschaft zu transformieren und Arbeitsplätze zu sichern, haben staatliche Stellen in den vergangenen acht Jahren immer mehr Subventionen an die 40 Dax-Konzerne gezahlt. Laut einer Studie des Flossbach von Storch Research Institute hat dies jedoch nicht zu den erhofften Investitionen geführt, sondern private Investments verdrängt und den Wettbewerb verzerrt. Die Subventionen verfehlten ihr ursprüngliches gesellschaftliches und politisches Ziel. Stattdessen empfehlen die Analysten, Bürokratie und Regulierungen in Deutschland und der EU abzubauen.
Zwischen 2016 und 2023 flossen etwa 35 Milliarden Euro an Subventionen an die größten deutschen Unternehmen. Seit 2018 stiegen die Subventionen deutlich an. Allein 2023 gingen rund 10,7 Milliarden Euro an Konzerne wie Eon, RWE und Volkswagen – fast doppelt so viel wie im Vorjahr mit sechs Milliarden Euro. Die Gelder stammten unter anderem aus dem Klima- und Transformationsfonds sowie dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds.
Krisen wie die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und der Klimawandel trieben die Subventionen laut Studie an. Elf der Dax-Konzerne erhielten von 2016 bis 2023 jeweils mehr als eine Milliarde Euro. Der Durchschnitt (Median) betrug rund 200 Millionen Euro. Indirekte Subventionen wie der Umweltbonus für den Kauf von E-Autos – erfasste die Studie nicht, obwohl sie die Autoindustrie unterstützen.
Für die Studie der Denkfabrik des gleichnamigen Kölner Vermögenverwalters werteten die Forscher die Geschäftsberichte der Dax-Konzerne aus. Im Herbst 2021 stieg die Zahl der Dax-Mitglieder von 30 auf 40, daher betrachtet die Studie alle heutigen 40 Dax-Unternehmen seit 2016. “Das Ausmaß, in dem profitabel wirtschaftende Konzerne mit öffentlichen Geldern versorgt werden, ist über die vergangenen Jahre drastisch angestiegen“, schreibt Analyst Philipp Immenkötter.
Die meisten Subventionen gingen an Eon und Volkswagen. Eon erhielt seit 2016 über 9,3 Milliarden Euro, hauptsächlich durch das Strom- und Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz sowie durch Investitionszuschüsse. Volkswagen strich 6,4 Milliarden Euro ein, vor allem durch Steuervergünstigungen und Forschungsgelder. BMW folgte mit 2,3 Milliarden Euro. Søren Maas (spm)
Ein Temperaturrekord jagt den nächsten. Am 21. Juli war erneut der heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Die Folgen treffen auch Arbeitskräfte rund um den Globus immer stärker. Ein Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigt, dass inzwischen in Europa und Zentralasien deutlich mehr Arbeitnehmende betroffen sind. Zwischen 2000 und 2020 stieg demnach in Europa und Zentralasien die Zahl der Arbeitskräfte, die übermäßiger Hitze ausgesetzt sind, um rund 17 Prozent. Global lag der Zuwachs bei fast neun Prozent.
Auch der Anteil von Arbeitsunfällen, die auf hohe Temperaturen zurückzuführen sind, stieg im gleichen Zeitraum in Europa und Zentralasien deutlicher als in anderen Regionen – um mehr als 16 Prozent. Auf dem amerikanischen Kontinent hat sich die Zahl solcher Arbeitsunfälle um ein Drittel erhöht. Laut ILO könnte das damit zu tun haben, dass Arbeitskräfte in Regionen mit bisher niedrigeren Temperaturen weniger an Hitze gewöhnt sind.
Gleichzeitig leiden in keiner Region anteilig weniger Arbeitnehmer unter Hitze als in Europa und Zentralasien. Während es dort 29 Prozent sind, haben in Afrika fast 93 Prozent der Arbeiter mit übermäßiger Hitze zu kämpfen. In allen anderen Weltregionen sind es mindestens 70 Prozent. In absoluten Zahlen beträgt der Anstieg an unter Hitze leidenden Arbeitskräften weltweit fast 35 Prozent. Waren 2000 nur 1,8 Milliarden Vollzeitkräfte betroffen, waren es 2020 rund 2,4 Milliarden.
Die ILO fordert daher vor allem, dass Präventions- und Kontrollstrategien für Hitzestress in der Arbeitswelt dringend verstärkt werden müssen. Ein wichtiger Teil davon seien angepasste Regeln und Maßnahmen, die sich nach den Bedingungen in den verschiedenen Sektoren und je nach Tätigkeitsort (drinnen oder draußen) der Arbeitskräfte richten. Priorität sollten der soziale Dialog sowie die internationale, zwischenstaatliche und sektorübergreifende Zusammenarbeit haben. Würden alle Schutzmaßnahmen umgesetzt, könnte die Ersparnis 361 Milliarden US-Dollar betragen, schätzt die ILO. nh
Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen will in Deutschland bis 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Arbeitsplätze abbauen. Auch Standortschließungen seien möglich. Das teilte das Unternehmen Ende vergangener Woche mit. Besonders betroffen von den Einschnitten ist die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien. Die Bereiche Nutzfahrzeugtechnik, Chassis Solutions, Industrietechnik und Aftermarket sollen dagegen von der angekündigten “strategischen Neuausrichtung” profitieren.
Grund für die Maßnahmen ist nach Unternehmensangaben “die eklatante Nachfrageschwäche nach rein elektrischen Fahrzeugen“, die zu Überkapazitäten in den teuren Produktionslinien für elektrische Antriebe führe. Zusammen mit dem weltweiten Wettbewerbs- und Kostendruck bei E-Autos erschwere dies “die Querfinanzierung der oft noch wenig margenstarken, rein elektrischen Antriebe durch Antriebe für konventionelle und Hybridfahrzeuge”.
ZF wolle dennoch an der Elektromobilität festhalten, betonte der Vorstandsvorsitzende Holger Klein. “Trotz der aktuellen Marktsituation ist klar: Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Wir sind hier in Vorleistung gegangen und werden in diesen Bereich auch weiterhin stark investieren“. Zudem prüfe das Unternehmen “Kooperationen und starke Partnerschaften“, um die E-Mobilität voranzubringen, so Klein.
Der Stellenabbau soll Unternehmensangaben zufolge so weit wie möglich sozialverträglich erfolgen. “Wir wollen die bestmöglichen Lösungen für alle Beteiligten finden”, versicherte Klein. Der Betriebsrat kündigte derweil Widerstand an. Man werde um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen, so Betriebsratschef Achim Dietrich.
ZF ist seit der Akquise von TRW (2015) und Wabco (2020) hoch verschuldet. Mit knapp 170.000 Mitarbeitern ist der Konzern einer der größten Autozulieferer der Welt. In Deutschland beschäftigt ZF derzeit rund 54.000 Mitarbeiter. ch
Anlässlich des Inkrafttretens der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) am 25. Juli hat die EU-Kommission häufig gestellte Fragen (FAQ) veröffentlicht. Darin hat sie Fragen zu Anwendungsbereich, Inhalten und Auswirkungen der neuen Richtlinie beantwortet.
Die CSDDD verpflichtet große Unternehmen, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in den vor- und nachgelagerten Bereichen in ihrer Lieferkette zu ermitteln und zu beseitigen. Zudem müssen diese einen Übergangsplan verabschieden, der die Begrenzung auf 1,5 Grad Erderwärmung vorsieht.
Die wichtigsten Punkte aus den FAQ:
Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung will die CSDDD noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, in nationales Recht umsetzen. Um zu verhindern, dass deutsche Unternehmen gegenüber Unternehmen aus anderen EU-Ländern benachteiligt werden, will sie das bereits in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) deutlich abschwächen und zwei Drittel der bislang erfassten Unternehmen vorerst vom LkSG befreien. Allerdings könnte die Abschwächung womöglich gegen EU-Recht verstoßen. ag
BASF legt Batterierecyclingprojekt in Spanien auf Eis – N-TV
Weil die Nachfrage nach Elektroautos in den vergangenen Monaten eingebrochen ist, hat BASF sein Metallraffinerie-Projekt zum Batterierecycling am spanischen Standort Tarragona auf Eis gelegt. Laut Vorstandschef Markus Kamieth ist der Chemiekonzern bereit, das Projekt wieder aufzunehmen, sobald der Aufbau von Zellkapazitäten und der Absatz von Elektroautos in Europa wieder anziehen. Zum Artikel
Nordafrika statt “Made in China” – Tagesschau
Deutsche Textilunternehmen verlagern ihre Produktion zunehmend von Asien nach Nordafrika. Ein Grund dafür ist die viel größere Nähe. Zwar produzieren deutsche Unternehmen schon seit 30 Jahren Bekleidung in Ägypten. Doch in den vergangenen Jahren gab es einen deutlichen Anstieg. So importierte Deutschland im Jahr 2023 elf Prozent mehr Bekleidung aus Ägypten als im Vorjahr. Experten sehen darin einen langfristigen Trend, berichtet Viktoria Kleber. Zum Artikel
Zahl der Elektroautos steigt weltweit rasant – Der Spiegel
In Deutschland halten viele noch am Verbrennungsmotor fest, doch global beschleunigt sich der Umstieg auf Elektroautos. Weltweit fahren bereits 42 Millionen Pkw batterieelektrisch. Das sind gut 50 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Besonders schnell vollzieht sich der Wandel in China – aber nicht nur dort. Internationaler Spitzenreiter ist Norwegen, wo der E-Auto-Anteil bei den Neuzulassungen im vergangenen Jahr bei 93 Prozent lag. Zum Artikel
Wärmepumpen-Absatz bricht im Vergleich zum Vorjahr um 54 Prozent ein – Die Zeit
Das Heizungsgesetz soll dazu führen, dass hierzulande klimafreundlicher geheizt wird. Wärmepumpen spielen dabei eine wichtige Rolle. Doch trotz Förderung wurden laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) im ersten Halbjahr 2024 nur 90.000 Geräte verkauft. Das sind 54 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt rechnen die Hersteller für 2024 mit einem Absatz von 200.000 Wärmepumpen. Zum Artikel
Bauer sucht Hof – FAZ
In der Landwirtschaft soll sich etwas ändern. Doch für junge Menschen, die Ideen für einen nachhaltigeren Umgang mit Acker, Feld und Tier haben, bleibt der eigene Betrieb oft ein Traum, der nicht bezahlbar ist. Dass sich daran auch zukünftig wenig ändern wird, zeigt eine Studie der DZ-Bank. Sie prognostiziert, dass der Trend zu immer größeren Betrieben anhalten wird. So soll sich bis 2040 die durchschnittliche Betriebsgröße von 65 auf 160 Hektar mehr als verdoppeln, schreibt Petra Ahne. Zum Artikel
ESG-Start-up: Deutscher Software-Spezialist holt Goldman Sachs an Bord – Handelsblatt
Die Mannheimer ESG-Plattform Osapiens will den globalen Markt für Lieferketten-Compliance erobern. Die US-Bank Goldman Sachs investiert jetzt 110 Millionen Euro in das Start-up. Mit dem frischen Geld kann die ESG-Plattform schneller wachsen und weitere Kunden in Europa, vor allem aber in den USA gewinnen. So wolle sich das Unternehmen für den Wettbewerb auf einem Markt wappnen, der derzeit stark wächst, weiß Clara Thier. Zum Artikel
So will der Gewerkschaftsbund für mehr Tarifverträge sorgen – Handelsblatt
Werden in einem EU-Land weniger als 80 Prozent der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag abgesichert, muss die Regierung einen Aktionsplan vorlegen, um Abhilfe zu schaffen. So sieht es die EU-Mindestlohnrichtlinie vor, die im Herbst 2022 verabschiedet wurde und bis Mitte November in nationales Recht umgesetzt werden muss. In Deutschland liegt die Quote bei nur 49 Prozent, Tendenz fallend. Der DGB hat dazu jetzt Vorschläge vorgelegt. Frank Specht hat sich das 14-Punkte-Papier angesehen. Zum Artikel
How ‘world’s first oil town’ is wrestling with fossil fuel legacy – The Guardian
Nur wenige Kilometer vom Veranstaltungsort der nächsten UN-Klimakonferenz im aserbaidschanischen Baku entfernt liegt ein Stadtteil, der mehr als ein Jahrhundert lang als “Schwarze Stadt” bekannt war. Jedes Haus, jede Fabrik war verrußt vom Öl, das hier am Ufer des Kaspischen Meeres gefördert und raffiniert wurde. Fiona Harvey hat die Stadt besucht und sich gefragt, ob das von Öl- und Gasexporten abhängige Land der richtige Ort für die COP29 ist. Zum Artikel
Kein Hunger und keine Armut, mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Klimaschutz weltweit: Über diese Ziele haben sich im Juli führende Politiker*innen aus aller Welt in New York City beraten. Beim Hochrangigen Politischen Forum zu Nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen wurde überprüft, wo die Weltgemeinschaft bei den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 steht. Einigkeit herrschte, dass mehr getan werden muss, um die Ziele noch zu erreichen. Denn, so formulierte es Dennis Francis, Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen und Diplomat aus Trinidad und Tobago: Die Lücken im System kosten Menschenleben.
In diesem Jahr rückte daher eine Frage besonders in den Mittelpunkt: Wie lässt sich die riesige Finanzierungslücke schließen, um die Agenda 2030 umzusetzen? Laut dem aktuellsten Entwicklungsfinanzierungsbericht der Vereinten Nationen fehlen weltweit jährlich vier Billionen US-Dollar – also 4.000 Milliarden US-Dollar – für die Investitionen, die nötig sind, um die Agenda 2030 zu erreichen. Das entspricht in etwa der Wirtschaftsleistung Deutschlands.
Ich bin überzeugt, dass sich diese Lücke nur mit einer ambitionierten Steuerpolitik schließen lässt – und zwar auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Drei Reformbereiche sind mir dabei besonders wichtig:
Nur so lässt sich die weltweit und auch hierzulande steigende Ungleichheit bekämpfen. Dass hohe Ungleichheiten Gesellschaften destabilisieren und Räume für autokratische Gesinnungen eröffnen, zeigen Forschungsergebnisse des an der New York University angesiedelten Center on International Cooperation sehr deutlich.
Um langfristig in Bildung, Gesundheit und den Klimaschutz investieren zu können, setzen sich viele Partnerländer der deutschen Entwicklungspolitik das Ziel, ihre Steuereinnahmen zu erhöhen. Dabei zählt aber nicht allein die Höhe des Steueraufkommens, sondern vor allem eine ausgewogene und sozial gerechte Gestaltung der Besteuerung und die solidarische Verteilung der Steuerlast innerhalb von Gesellschaften. Reiche Menschen müssen einen höheren Anteil ihres Einkommens beitragen als arme. Denn das steigert nicht nur die Einnahmen. Es baut auch Ungleichheiten ab und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Oxfam hat im Gespräch in New York City erneut deutlich gemacht, welches Potenzial in einem gerechten Steuersystem steckt.
Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt ihre Partnerländer dabei, ihre Steuersysteme zu reformieren. In Nepal beispielsweise fördern wir die Digitalisierung des Steuersystems. Die Zahl der registrierten Steuerzahler konnte durch die Einführung einer neuen Software bereits um 60 Prozent gesteigert und so die Steuereinnahmen erhöht werden.
Lücken und unausgeglichene Regelungen der internationalen Steuerkooperation erschweren es unseren Partnerländern allerdings, ihre Staatseinnahmen zu erhöhen. Denn viele internationale Großunternehmen vermeiden Steuern, indem sie ihre Gewinne in sogenannte Steueroasen verlagern. Sie nutzen die öffentliche Infrastruktur, natürliche Ressourcen und Arbeitskräfte dieser Länder – sind aber nicht bereit, sich an der Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen. Nach Schätzung der OECD verlieren Länder weltweit jährlich bis zu 240 Milliarden US-Dollar durch Steuervermeidungsstrategien. Am meisten leiden darunter die ärmeren Länder, deren Steuerbasis zusätzlich noch durch illegale Finanzströme geschwächt wird. Die Afrikanische Union schätzt, dass allein Afrika jährlich mehr als 50 Milliarden US-Dollar durch illegale Finanzströme verliert.
Dem muss die internationale Staatengemeinschaft durch eine inklusive Zusammenarbeit begegnen, an der die Länder des sogenannten Globalen Südens und Nordens gleichermaßen beteiligt werden. Bisher finden internationale Steuerverhandlungen in OECD-Gremien statt. Darüber ist es beispielsweise gelungen, die globale Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne oder den automatisierten Informationsaustausch von Steuerdaten zwischen nationalen Steuerbehörden zu vereinbaren. Das sind Reformen, die zuvor undenkbar schienen.
Dennoch stoßen die OECD-Prozesse an ihre Grenzen. Noch immer sitzen nicht alle Länder mit am Verhandlungstisch und selbst wenn sie es tun, klagen viele Partnerländer über faktisch geringe Möglichkeiten der Mitwirkung. Selbst große Länder wie Indien mit seinen mehr als 1,4 Milliarden Menschen sind noch keine OECD-Mitglieder und über Prozesse wie den Inclusive Framework aus ihrer Sicht nicht hinreichend eingebunden. Deshalb beteiligt sich Deutschland konstruktiv an den laufenden Verhandlungen zu einer UN-Steuerrahmenkonvention, und ich setze mich dafür ein, dass die Interessen unserer Partnerländer und der Zivilgesellschaft gehört werden. Eine mögliche künftige UN-Konvention kann eine wichtige Ergänzung zu den bereits im OECD-Rahmen erzielten internationalen Vereinbarungen im Steuerbereich sein.
Doch es sind nicht allein Unternehmen, auch Superreiche müssen ihren angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwohls leisten. Derzeit aber zahlen sie weltweit einen deutlich geringeren Anteil an Steuern als durchschnittliche Lohnarbeitende. Deshalb unterstützt die deutsche Entwicklungspolitik den Vorschlag von Brasiliens G20-Präsidentschaft für eine stärkere Fokussierung auf eine faire und progressive Besteuerung, die diesen Missstand adressiert und gerade Hochvermögende stärker in die Pflicht nimmt.
Damit ließe sich nicht nur die Ungleichheit bekämpfen, sondern auch in die Zukunft investieren. Das Forum in New York City hat erneut gezeigt, wie wichtig das ist. Denn weltweit leben mehr als 700 Millionen Menschen in extremer Armut, ähnlich viele leiden an chronischem Hunger – die Weltgemeinschaft muss dafür sorgen, dass die weltweit ausreichend vorhandenen Mittel auch den Schwächsten zugutekommen, ganz im Sinne des Grundprinzips der Agenda 2030 “leave no one behind”.
Natürlich ist eine ambitionierte Steuerpolitik nicht die einzige Antwort auf die Frage nach der Finanzierung der Agenda 2030. Es bedarf auch mehr privater Investitionen und öffentlicher Entwicklungsgelder. Doch eine gerechte Steuerpolitik ist ein wichtiger Baustein – nicht nur der Entwicklungsfinanzierung, sondern auch im Kampf gegen Ungleichheit weltweit.
Bärbel Kofler ist Bankkauffrau, Diplom-Informatikerin, promovierte Sprachwissenschaftlerin und SPD-Mitglied. Seit 2004 gehört sie als Abgeordnete dem Deutschen Bundestag an. Von 2016 bis 2021 war sie Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt. In der aktuellen Legislaturperiode ist sie parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Daniel Dahm – Nachhaltigkeitspionier, Gründer der United Sustainability Holding GmbH
Daniel Dahm arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten an einer zukunftsfähigen Entwicklung des Menschen mit Blick auf Wirtschaft, Kultur und Raum. Der promovierte Geograf ist spezialisiert auf die Wechselwirkungen zwischen Biogeosphäre und Anthroposphäre. Ein zentrales Anliegen ist ihm der (Wieder-) Aufbau der materiellen und immateriellen Lebensgrundlagen der Menschheit. Dieses verfolgte er als Wissenschaftler, gesellschaftlicher Impulsgeber und heute vor allem als Geschäftsführer der von ihm gegründeten United Sustainability Unternehmensgruppe für lebensdienliches Portfolio- und Asset-Management. Schon vorher war er an der Gründung mehrerer wichtiger Organisationen beteiligt, etwa der Desertec Foundation und der Internetplattform Utopia.de.
Maja Göpel – Geschäftsführerin, Mission Wertvoll
Damit die Transformation gelingt, braucht es noch viel mehr Mitstreiter und Kollaborationen zwischen den verschiedensten Lagern, sagt Maja Göpel – und liefert den dafür notwendigen Schmierstoff: Kommunikation. Die Bielefelder Politökonomin hält Vorträge, schreibt Bücher, vermittelt ihr Wissen leicht verständlich und hat kürzlich das “Science-Society Netzwerk” Mission Wertvoll gegründet. Davor war sie unter anderem Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen, gründete Scientists for Future mit und ist seit fünf Jahren Honorarprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg.
Johannes Vogel – Generaldirektor, Naturkundemuseum Berlin
Das Naturkundemuseum Berlin will er zum politischsten aller Naturkundemuseen ausbauen – daran arbeitet Johannes Vogel als Generaldirektor seit 2012. Als Wissenschaftler hat er reüssiert: Promotion in Cambridge, dann Chefkurator der botanischen Abteilung des Natural History Museums in London, seit langem Fellow der American Association for the Advancement of Science. Den Schutz der Biodiversität sieht der Botaniker als seine zentrale Aufgabe. Als Professor für Biodiversität und Wissenschaftsdialog an der Humboldt-Universität zu Berlin und als Vorsitzender der European Citizen Science Association (ECSA) will er die Bürgerwissenschaft vorantreiben: Ihm zufolge kann nur eine wissensbasierte demokratische Gesellschaft so wirtschaften, dass die Lebensgrundlagen der Menschheit erhalten bleiben.
Jens Martens – Geschäftsführer, Global Policy Forum Europe
Geht die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDG) voran? Und welche Kräfte steuern die Prozesse hinter den UN-Kulissen? Jens Martens geht Fragen wie diesen in seinen Analysen zum Multilateralismus nach und setzt sich aus Sicht des kritischen Think Tanks Global Policy Forum (GPF) für mehr Einfluss der Zivilgesellschaft ein. Seit 20 Jahren leitet er dessen Büro in Bonn, ist Mitglied im Beirat der Stiftung Entwicklung und Frieden, war bei dem NGO-Netzwerk Social Watch aktiv und hat Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaften in Nürnberg-Erlangen und Berlin studiert.
Antje Schneeweiß – Geschäftsführerin, Arbeitskreis Kirchlicher Investoren
Antje Schneeweiß ist Expertin für nachhaltige Geldanlagen – und sorgt dafür, dass die soziale Dimension dabei mitgedacht wird. So engagiert sie sich seit Jahren für ein soziales Pendant zur grünen EU-Taxonomie, schrieb eigenhändig ein Konzept dafür. Mit Erfolg: Die EU-Kommission berief sie 2019 zur Leiterin einer entsprechenden Arbeitsgruppe der EU-Plattform für nachhaltiges Finanzwesen, die 2022 Vorschläge für eine soziale Taxonomie vorstellte. Dabei ist es bislang geblieben, Schneeweiß rechnet für die kommenden Jahre nicht mehr mit einem Gesetzesentwurf – hält aber eine freiwillige Option zur Berichterstattung im sozialen Bereich für realistisch. Ihre Expertise bringt sie auch als Mitglied im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung ein.
Kristina Jeromin – Co-Leiterin, Initiative “Made in Germany 2030”
Kristina Jeromin setzt sich beharrlich dafür ein, umsetzbare Strategien für die Finanzierung der Transformation zu erarbeiten. Dabei ist ihr wichtig, viele Perspektiven an einen Tisch zu bringen. Die studierte Politikwissenschaftlerin und Philosophin will Veränderungen anstoßen und wirbt fürs Ausprobieren – auch wenn das mit Unsicherheit einhergeht. Die neue Initiative “Made in Germany 2030” soll alle wichtigen Akteure zusammenbringen, um eine Finanzierungsstrategie für den Industriestandort Deutschland zu entwickeln. Diese soll parteiübergreifend sein – sachlich statt emotional diskutieren ist Jeromin wichtig. Zuvor war sie Nachhaltigkeitschefin der Deutschen Börse und Geschäftsführerin des Green and Sustainable Finance Cluster Germany.
Frank Schweikert – Gründer, Deutsche Meeresstiftung
Frank Schweikert klärt die Bevölkerung über die Auswirkungen des Klimawandels auf das Ökosystem Meer auf und arbeitet an Lösungen, um Abhilfe zu schaffen. Der Biologe stieß auf sein Lebensthema über seine journalistische Arbeit. Zwei Jahre lange dokumentierte er mit Meereswissenschaftlern, wie sich der Klimawandels vor der Küste Mittelamerikas auswirkte. Er organisierte danach eine internationale Ozeankonferenz. 2015 gründete er mit dem Unternehmer Frank Otto die Deutsche Meeresstiftung. Schweikert verfolgt auch unternehmerische Ansätze, um die Situation der Meere zu verbessern: Er gründete zum Beispiel die GlobalGreen InnoTech GmbH und geht der Frage nach, wie man Kunststoff aus dem Meer holen kann.
Alexandra Wandel – Vorstandsvorsitzende, World Future Council
Alexandra Wandel ist seit der Gründung des “World Future Council” im Jahr 2007 Teil des Vorstands, seit über fünf Jahren als Vorsitzende. Sie setzt sich dafür ein, die Welt für diese und kommende Generationen besser zu machen. Das wichtigste Werkzeug, um Ideen weit zu streuen, ist aus ihrer Sicht der “Future Policy Award”, den die Stiftung einmal im Jahr für Gesetze und Projekte mit Vorzeigecharakter vergibt. Dafür hat die Stiftung zu ökologischen und sozialen Themen wie Rechte von Kindern oder Biodiversität Partnerschaften mit UN-Agenturen geschlossen. Wandel ist zudem Gründerin des Vereins Lichtpunkt – ein Traumatherapie- und Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete in Hamburg.
Tim Göbel – Geschäftsführender Vorstand, Schöpflin Stiftung
Als geschäftsführender Vorstand der gemeinnützigen Schöpflin Stiftung engagiert sich Tim Göbel seit 2016 für eine starke Zivilgesellschaft. Die Stiftung mit Sitz in Lörrach fördert NGOs, Sozialunternehmen, Medien- und Bildungsprojekte, um zu einer lebendigen Demokratie beizutragen. Göbel war zuvor Vizepräsident der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, an deren Gründung er ebenfalls beteiligt war. Der Wirtschaftswissenschaftler ist außerdem Mitglied des Aufsichtsrats bei der Bürgerbewegung Finanzwende sowie Beiratsmitglied der gemeinnützigen Organisation ProjectTogether, die gesellschaftliche Transformationsprojekte fördert.
Nicole Hartmann – Vorstand, Donut Berlin e.V.
Nicole Hartmann ist eigentlich promovierte Religionshistorikerin, doch bei den Scientists for Future und bei Extinction Rebellion wurde sie zur Aktivistin für eine sozialökologische Zukunft. Hartmann glaubt an die Effektivität von Bürgerräten – konkret ausprobieren konnte sie dies beim Bürgerrat Klima, den sie organisatorisch unterstützt hat. Damit schuf sie ein Vorbild für weitere losbasierte Gremien wie den ersten Bürgerrat des Deutschen Bundestages mit dem Thema “Ernährung im Wandel”. Mitgegründet hat Hartmann auch Donut Berlin. Die Denkfabrik möchte ein regeneratives Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell etablieren, in dem das gute Leben für alle im Rahmen der planetaren Grenzen möglich wird.