Table.Briefing: ESG

Wachstumschancengesetz: Bremens Bürgermeister will keine „Förderung mit der Gießkanne“ + Wie Investitionsschutz Nachhaltigkeit verhindert + Endlagerfonds finanziert fossile Energien

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Politik setzt den Rahmen und die Wirtschaft füllt ihn mit Leben. Aber wie genau soll das Verhältnis aussehen? Darüber muss immer wieder diskutiert werden – so wie in dieser Ausgabe, für die wir Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte interviewt haben. Er kritisiert das geplante Wachstumschancengesetz als “Förderung mit der Gießkanne”, die zu noch höheren Gewinnen der Dax-Konzerne führen würde. Was er zu den Chancen seiner SPD sagt, weiteren Forderungen nach Steuersenkungen für Unternehmen zu widerstehen – etwas weiter unten im Gespräch mit Alex Veit.

In unserer zweiten Analyse erklärt Leonie Düngefeld anhand eines aktuellen Falls in Rumänien, warum Staaten vor der Transformation zurückschrecken könnten, weil internationale Schiedsgerichte sie aufgrund von Investitionsschutzabkommen zu Entschädigungen in Milliardenhöhe verdonnern. Ein weitgehend unterbelichtetes Thema – das auch Deutschland betrifft.

Außerdem erklären Wiebke Zimmer und Christian Hochfeld vom Thinktank Agora Verkehrswende, wie das Ziel von 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen bis 2030 noch erreicht werden kann. Es braucht, kleiner Spoiler, einen konsequent handelnden Staat – gerade wenn die öffentlichen Kassen knapp sind.

Ihr
Marc Winkelmann
Bild von Marc  Winkelmann

Analyse

Bovenschulte: “Mit dem Wachstumschancengesetz erhöhen wir die ohnehin schon sehr hohen Gewinne der Dax-Konzerne”

Der Jurist Andreas Bovenschulte ist seit 2019 Bremer Bürgermeister und Präsident des Bremer Senats.

Herr Bovenschulte, Sie haben voriges Jahr gesagt, der Bund wolle den Ländern und Kommunen mit dem Wachstumschancengesetz in die Tasche greifen, um der Wirtschaft eine Runde Freibier auszugeben. Wie sehen Sie es jetzt, kurz vor Abschluss der Vermittlung zwischen Bundesrat und Bundestag?

Das war natürlich zugespitzt formuliert, aber an der Kritik halte ich aus zwei Gründen fest. Erstens: Ich bin nicht gegen, sondern sehr für eine Förderung der Wirtschaft. Aber dann muss es eine gezielte Förderung sein. Und zweitens: Wenn der Bund ein Programm auflegt, dann muss er es auch bezahlen und kann nicht die Kosten auf Dritte abwälzen. Zumindest der zweite Punkt wurde in den vorbereitenden Verhandlungen inzwischen abgemildert. Die Belastung von Ländern und Kommunen soll nicht mehr ganz so groß sein wie ursprünglich geplant. Allerdings bleibt ein finanzieller Ausfall, der für ein Land wie Bremen schwer zu tragen ist.

Und nach wie vor soll die Förderung mit der Gießkanne über alle Unternehmen verteilt werden. Kleine und mittlere Unternehmen in der jetzigen Situation zu entlasten, da bin ich dabei, damit sie zusätzlich investieren können. Aber mit dem Wachstumschancengesetz erhöhen wir auch die ohnehin schon sehr hohen Gewinne der Dax-Konzerne. Möglicherweise fließt da von den gesparten Steuern das meiste nicht in zusätzliche Investitionen, sondern in höhere Dividenden für die Aktionäre.

Die Klimaprämie für Investitionen in Energieeffizienz wurde im Vermittlungsausschuss herausgestrichen. Bedauern Sie das?

Die Klimaprämie hätte zumindest ein klares inhaltliches Ziel verfolgt. Aber letztendlich hätte auch sie nur einen begrenzten Effekt auf das Wirtschaftswachstum gehabt. Denn unter den Bedingungen der Schuldenbremse müssen Bund, Länder und Kommunen ja jede Steuersenkung durch Kürzungen an anderer Stelle kompensieren. Höheren Investitionen der Unternehmen stehen dann geringere Investitionen der öffentlichen Hand gegenüber.

Werden Sie dem vorliegenden Kompromiss trotzdem zustimmen?

Im Moment bin ich sehr skeptisch, denn eigentlich brauchen wir als Länder und Kommunen eine angemessene Gegenfinanzierung. Und wir müssen kleine und mittlere Unternehmen fördern, keine Großkonzerne. Das werde ich im Vermittlungsausschuss auch deutlich machen. Entscheiden werde ich mich erst, wenn klar ist, was genau zur Abstimmung steht.

In Bremen können Sie sich freuen über neu genehmigte Förderungen des Bundes für klimaneutrale Stahlproduktion bei ArcelorMittal und für Wasserstoffprojekte. Läuft es gerade richtig gut?

Auf jeden Fall. Wenn wir all unsere Förderprojekte zusammennehmen, die privaten Investitionen, die Förderungen des Bundes und die Bremer Anteile, dann kommen wir auf Investitionen in Höhe von gut zwei Milliarden Euro. Das ist nicht nur ein Riesenschritt beim zukunftsfähigen Umbau unseres Industriestandorts, das ist für alle Branchen gut.

Sie müssen jeweils etwa ein Drittel der Förderung übernehmen. Und gleichzeitig kann sich die Bremer Straßenbahn AG den geplanten Ausbau nicht leisten. Heißt das: Auf der einen Seite Förderung für einzelne private Unternehmen, und auf der anderen Seite kein Geld für den ÖPNV?

Das darf man nicht gegeneinanderstellen. Bremens Eigenanteil von 400 Millionen Euro können wir nicht mal so eben aus dem laufenden Haushalt bezahlen. Wenn wir das versuchten, hätte das in der Tat einen sozialen und kulturellen Kahlschlag zur Folge, den wir nicht verantworten könnten. Sparen kann und muss man, keine Frage, aber so eine Summe wäre nicht zu stemmen. Auch private Unternehmen finanzieren ihre Investitionen ja nicht vollständig aus dem Eigenkapital, sondern sind auf Kredite angewiesen.

Sie wissen noch nicht genau, woher sie das Geld nehmen? Den Bremer Sonderschuldenfonds für Klimamaßnahmen mussten sie nach dem KTF-Urteil abwickeln.

Wir haben damit auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert. An dem inhaltlichen Ziel aber halten wir natürlich fest. Die Umrüstung ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz: 50 Prozent aller CO₂-Emissionen im Land Bremen entstehen bei der Stahlproduktion. Wir schlagen also zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir fördern die Wirtschaft und tragen zur Rettung des Klimas bei.

Die Debatte um das Wachstumschancengesetz ist symbolisch bedeutsam für den Streit über die deutsche Wirtschaftspolitik: für gezielte Förderpolitik auf der einen, für Unternehmens-Steuersenkungen auf der anderen Seite. Welches Angebot muss die Politik machen, damit transformatives Wachstum entsteht?

Wer aus meiner Sicht in der Wirtschaftspolitik die Zeichen der Zeit erkannt hat, ist zum Beispiel Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft. Er sagt erstens, dass wir einen zu geringen privaten und öffentlichen Kapitalstock haben, und daher mehr private und öffentliche Investitionen brauchen. Er geht zweitens davon aus, dass die öffentlichen Investitionen zu einem guten Teil über Kredite finanziert werden müssen. Und drittens hält er dies für finanzpolitisch vertretbar, weil bei einer jährlichen gesamtstaatlichen Kreditaufnahme von rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und einem angenommenen nominalen Wachstum von zwei bis drei Prozent unsere Schuldenquote sinken und nicht steigen würde.

Was erwarten Sie: Wie wird sich die Diskussion weiterentwickeln?

Ich gehe davon aus, dass der Chor der Befürworter einer umfassenden Steuersenkung für Unternehmen in den nächsten Wochen und Monaten immer lauter werden wird.

Wird die SPD dem widerstehen?

Sie wird dieser Entwicklung kaum etwas entgegensetzen können. In den letzten 50 Jahren ist im Zuge der Globalisierung die Besteuerung von Unternehmensgewinnen immer weiter reduziert worden – weltweit, in Europa und auch in Deutschland. Unabhängig davon, wer gerade die Regierung gestellt hat. Um diesen “race to the bottom” zu beenden, bedürfte es einer fundamentalen Änderung der politischen Kräfteverhältnisse.

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Immer mehr Klagen auf Grundlage von Investitionsschutzabkommen richten sich gegen Klima- und Umweltgesetzgebung

Goldmine Roșia Montană im Apuseni-Gebirge in Westrumänien.

Spätestens am 12. März hat Rumänien Gewissheit. Dann endet die Frist für die Verkündung eines Schiedsspruchs, der erheblichen Einfluss auf den Staatshaushalt haben könnte: Das kanadische Bergbauunternehmen Gabriel Resources hat Rumänien auf mehrere Milliarden US-Dollar Schadensersatz verklagt, weil die Regierung ihm die Abbaulizenz für den größten Goldtagebau Europas entzogen hatte.

Das Urteil fällt ein Schiedsgericht beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) bei der Weltbank, auf der Grundlage eines bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen Rumänien und Kanada. Gabriel Resources verlangt laut unterschiedlichen Angaben zwischen 3,3 und 5,7 Milliarden US-Dollar Schadensersatz vom rumänischen Staat. Damit zählt der Fall zu den größten weltweit.

UN-Bericht: Klagen führen zu regulatorischem Stillstand

Grundlage dieses und ähnlicher Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS) sind Investitionsschutzabkommen: völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten, die Investitionen von Unternehmen im Ausland schützen sollen. Die Entscheidungen der Schiedsgerichte sind rechtlich bindend und können nicht von nationalen Gerichten angefochten werden.

Laut einem UN-Bericht ist insbesondere die Zahl der bekannten ISDS-Fälle, die sich gegen Maßnahmen von Staaten zum Schutz der Umwelt richten, sprunghaft angestiegen: von zwölf Verfahren vor dem Jahr 2000 auf 37 im Zeitraum von 2000 bis 2010 und 126 Klagen im Zeitraum von 2011 und 2021.

Zu den Maßnahmen, die durch Klagen angefochten wurden, gehörten etwa die Verweigerung von Genehmigungen für die Öl- und Gasexploration, das Auslaufen von Kohlekraftwerken, die Verweigerung von Genehmigungen für große Bergwerke, die Einführung von Frackingverboten und die Verschärfung von Gesetzen zum Schutz der Wasserversorgung. Unter den vier ISDS-Klagen, die zurzeit gegen Deutschland laufen, ist zum Beispiel eine des Schweizer Unternehmens Azienda Elettrica Ticinese (AET) aufgrund des Kohleausstiegs.

Der UN-Sonderberichterstatter für Umwelt und Menschenrechte, David R. Boyd, bezeichnet die ISDS-Verfahren in seinem Bericht als “Haupthindernis für die dringend erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung der weltweiten Umwelt- und Menschenrechtskrisen“. Sie führten zu einem regulatorischen Stillstand: Allein die Möglichkeit von kostspieligen ISID-Klagen führe dazu, dass Staaten sich vor ehrgeizigerer Regulierung scheuten. Dänemark etwa habe aus diesem Grund für das Ende seiner Öl- und Gasförderung in der Nordsee keinen früheren Zeitpunkt als 2050 festlegen wollen.

In den Investor-Staat-Verfahren geht es teilweise um gigantische Geldsummen: 2019 wurde Pakistan von einem Schiedsgericht zu einer Zahlung von knapp 6 Milliarden US-Dollar verurteilt – an einen australischen Investor, dem die Regierung eine Lizenz zum Kupfer- und Goldabbau verweigert hatte. Australien selbst wurde auf der Grundlage des Freihandelsabkommens mit Singapur auf ganze 200 Milliarden US-Dollar verklagt, nachdem die Regierung eine Lizenz für ein Kohleabbauprojekt abgelehnt hatte.

Geplante Goldmine: “Ernsthafte Umweltbedrohung für die gesamte Region

Anfang Februar hatte der rumänische Ministerpräsident Marcel Ciolacu öffentlich von einer Niederlage Rumäniens und einer Summe von zwei Milliarden US-Dollar Schadensersatz gesprochen. Diese Aussagen stellten sich jedoch später als falsch heraus. Wie der Schiedsspruch ausfallen wird, ist weiterhin offen – und auch, was im Falle einer Niederlage Rumäniens geschehen würde.

Der Konflikt um das Bergbauprojekt dauert also an: Bereits im Jahr 1999 hatte das kanadische Bergbauunternehmen Gabriel Resources die Lizenz erhalten, im Gebiet Roșia Montană im Nordwesten Rumäniens Gold- und Silbervorkommen zu erkunden. Roșia Montană sollte der größte Goldtagebau Europas werden.

Das geplante Projekt warf jedoch erhebliche Bedenken auf: Die Gemeinden sollten umgesiedelt werden, auch archäologische Stätten aus der Römerzeit waren betroffen. Zudem plante das Bergbauunternehmen, beim Abbau des Goldes hochgiftiges Zyanid einzusetzen. Das EU-Parlament äußerte 2004 vor Rumäniens EU-Beitritttiefe Besorgnis” über Umweltaspekte, insbesondere im Hinblick auf die Erschließung des Bergwerks Roșia Montană”. Dieses stelle “eine ernsthafte Umweltbedrohung für die gesamte Region” dar.

Nach massiven Protesten 2013 und 2014 stoppte die rumänische Regierung das Projekt. Rumänische Gerichte hatten zudem befunden, dass Gabriel Resources mehrere erforderliche Genehmigungen unrechtmäßig erhalten hatte. Das Unternehmen beauftragte 2016 die Kanzlei White & Case in Washington, beim ICSID zu klagen; Rumänien engagierte die auf grenzüberschreitende Dispute spezialisierte Schweizer Kanzlei Lalive.

Kritik: Intransparente Verfahren ohne öffentliche Beteiligung

Als “Paralleljustiz” bezeichnen Kritiker die Schiedsgerichte und bemängeln die Transparenz in den Verfahren, an denen meist keine öffentliche Teilnahme möglich ist.

“In den Schiedsverfahren werden staatliche Entscheidungen infrage gestellt, die ja zumindest teilweise dem öffentlichen Interesse in diesem Land entsprechen“, sagt Christian Schliemann-Radbruch, Völkerrechtler beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). “Die Verantwortung der Firmen, Rechte der Bevölkerung zu achten, wird hingegen selten bis gar nicht thematisiert.” Drittparteien, deren Rechte im entsprechenden Fall betroffen sind, haben im Verfahren zudem kaum die Möglichkeit, zu intervenieren und ihre Rechte geltend zu machen, erklärt er. Im Fall Roșia Montană hat Schliemann-Radbruch Organisationen der Zivilgesellschaft dabei unterstützt, eine Stellungnahme einzureichen. Ob diese berücksichtigt wird oder gar Einfluss auf das Urteil hat, werde der Schiedsspruch zeigen.

UN-Sonderberichterstatter Boyd fordert in seinem Bericht Staaten dazu auf, aus Investitionsschutzabkommen auszutreten. Neue Verträge sollten dann Bestimmungen enthalten, die Investitionen in Klimaschutz, -anpassung und -resilienz fördern und den Regulierungsspielraum der Staaten schützen.

EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland sind bereits aus dem Energiecharta-Vertrag (ECT) ausgetreten, der einen Investitionsschutz für den Energiesektor regelt. Allerdings umfasst dieser eine Nachwirkungsklausel von 20 Jahren.

Investitionsschutz zur Absicherung privater Klimainvestitionen

Die meisten der im Rahmen des ECT gemachten Klagen seien allerdings nicht von Investoren konventioneller Energieprojekte vorgenommen worden, argumentiert Jörg Gundel, Professor für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Universität Bayreuth. Vielmehr sei die Mehrzahl der Klagen von enttäuschten Investoren in Erneuerbare-Energien-Projekte erhoben worden, die gegen Kürzungen von gesetzlich vorgesehenen Förderungen etwa in Spanien und Italien vorgegangen seien.

Investitionsschutz könne so auch zugunsten von Klimaschutzinvestitionen eingreifen, erklärt Gundel in einem Arbeitspapier für den Sachverständigenrat für Wirtschaft: Wenn Staaten auf privates Kapital setzten, ohne die Klimaschutzmaßnahmen nicht zu bewältigen seien, müssten solche Investitionen auch abgesichert werden.

Dass europäische Staaten bislang hauptsächlich im Energiesektor von ISDS-Klagen betroffen seien, könne sich bald ändern, erklärt Fabian Flues, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei der NGO Power Shift. Da es auf Grundlage des Critical Raw Materials Acts zukünftig mehr Bergbauprojekte in Europa geben soll und sich bereits lokaler Widerstand regt, befürchte er jedoch einen Anstieg der ISDS-Klagen in diesem Sektor. Aufgrund der mehrstufigen Genehmigungsverfahren sei der Bergbausektor sehr angreifbar.

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News

Diese Woche im Bundestag: Lieferketten, Wasser und Wasserstoff, Frauen- und Menschenrechte 

Während die öffentliche Debatte noch unter dem Eindruck der Münchner Sicherheitskonferenz vom Wochenende steht, befasst sich der Bundestag an diesem Mittwoch mit einer der dort diskutierten Krisen: den anhaltenden Angriffen auf internationale Handelsschiffe im Roten Meer. Wie wichtig das Thema auch für die deutsche Wirtschaft ist, zeigt unter anderem der vorübergehende Produktionsstopp wegen fehlender Teile im Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide.

Ebenfalls diesen Mittwoch befasst sich der Ausschuss für Klimaschutz und Energie mit dem Energiewirtschaftsgesetz. Konkret geht es bei der Expertenanhörung um den Rechtsrahmen für die nationale Wasserstoffinfrastruktur. Neben dem Wasserstoff-Kernnetz geht es auch um die Förderung einer schnellen Marktvergrößerung, um Speicher und die Umrüstung des Erdgasnetzes.  

Gleichzeitig hört der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Expertisen zum Antrag der CDU/CSU zum Wassermanagement der Spree und deren Nebenflüsse im Anschluss an den Kohleausstieg in Ostdeutschland. Wie immer bei Anhörungen überträgt das Parlamentsfernsehen live. 

Bericht der Bundesregierung zu Menschenrechten 

Die Abgeordneten debattieren am Donnerstag außerdem abschließend über den 15. Bericht der Bundesregierung zu ihrer Menschenrechtspolitik. Darin geht es unter anderem um den Aktionsplan für Menschenrechte 2023-2024, die Bedeutung der Menschenrechte in der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik und die Lage weltweit, etwa in Ländern wie Ägypten, Iran, Russland oder Saudi-Arabien.  

Ein Teil des Berichts befasst sich aber auch mit der Situation in Deutschland. So wird unter anderem ein Blick auf die Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen und Mädchen im eigenen Land geworfen. 

Auch zwei weitere Tagesordnungspunkte dieser Sitzungswoche haben mit Frauenrechten zu tun. So findet am Freitagvormittag zunächst eine vereinbarte Debatte zum Internationalen Frauentag am 8. März statt. Wenig später geht es in erster Lesung um einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion, menschenunwürdige Zustände in der Prostitution zu beenden und Sexkauf unter Strafe zu stellen. ch

  • Bundestag

Deutscher Atomendlagerfonds investiert in fossile Energie 

Die Umweltorganisation Urgewald kritisiert die Anlagestrategie des öffentlich-rechtlichen Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO). Den Recherchen der Organisation zufolge investierte der Fonds rund 771 Millionen Euro in Aktien und Anleihen von 107 fossilen Unternehmen.  

Anna Lena Samborski, Finanzexpertin bei Urgewald, bezweifelt, dass die Anlagestrategie den ESG-Kriterien entspricht, zu denen der KENFO sich verpflichtet hat. “Öl- und Gasunternehmen wie Total Energies, Shell oder BP haben offenkundig kein Interesse daran, ihr Geschäftsmodell an eine klimagerechte Zukunft anzupassen”, sagt sie. “Wenn der KENFO seine grünen Ansprüche ernst nimmt, muss er sich von seinen fossilen Geldanlagen trennen”.  

Die ESG-Prinzipien des vom BMWK beaufsichtigten Fonds schließen Investitionen in Projekte aus, die dem Kohleausstieg zuwiderlaufen. Als Mitglied der Net Zero Asset Owner Alliance hat er sich zudem den Pariser Klimazielen verpflichtet.  

Gefährdung der Pariser Klimaziele

Der Studie zufolge wollen alle identifizierten Öl- und Gasunternehmen im KENFO-Portfolio ihr fossiles Geschäft ausbauen – etwa durch die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder. Aus Sicht von Urgewald gefährdet dies die Pariser Klimaziele. “Als staatlich kontrollierte Stiftung hat KENFO Vorbildcharakter und sollte beim Klima keine Kompromisse machen”, fordert Samborski.  

Allein 181 Millionen Euro seien bei den drei großen Ölkonzernen Total Energies, Shell und BP angelegt, sowie bei 13 Kohleunternehmen und kleineren US-Firmen, die im LNG-Sektor tätig sind.  

Der KENFO wurde 2017 mit Geldern der Atomindustrie als Stiftung gegründet. Zweck ist die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Abfälle stillgelegter Kernkraftwerke. Die Einlagen belaufen sich auf 24,1 Milliarden Euro. Er ist damit die größte öffentlich-rechtliche Stiftung in Deutschland. ch 

  • Atommüll
  • Energiewende

Große Vermögensverwalter verlassen Klimaschutz-Initiative

Mit JPMorgan und State Street verlassen zwei wichtige Vermögensverwalter die Investorengruppe Climate Action 100+ (CA100+). Die Gruppe war gegründet worden, um Unternehmen zu mehr Ambition im Bereich Klimaschutz und Dekarbonisierung zu bewegen. Auch Blackrock, der weltweit größte Vermögensverwalter, hatte bereits angekündigt, sein Engagement dafür von der Zentrale auf einen kleineren, internationalen Zweig zu verlagern. Durch den Rückzug fallen zusammen 14 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten aus der CA100+-Gruppe, wie Reuters berichtet. Die Entscheidungen der Vermögensverwalter zum Rückzug wurden bekannt gegeben, nachdem die CA100+ die teilnehmenden Finanzunternehmen zu stärkeren Maßnahmen aufgerufen hatte.

Durch diese Rückzieher wird der Einfluss der CA100+-Gruppe stark geschmälert. Keiner der fünf größten Vermögensverwalter steht noch komplett hinter der Gruppe, berichtet die Financial Times. Die Ausstiege sind auch Zeichen für den steigenden Druck gegen ESG-Engagements von Vermögensverwaltern und anderen Finanzakteuren. Politiker der Republikanischen Partei in den USA sprechen sich gegen solche Engagements aus. In verschiedenen Staaten wird dort aktuell aufgrund der Mitgliedschaft bei CA100+ wegen “unzulässiger Koordinierung” gegen mehrere Vermögensverwalter ermittelt. CA100+ will durch Aktionäre besonders Druck auf die größten klimaschädlichen Unternehmen weltweit ausüben, ihre Netto-Null-Ziele einzuhalten und auszuweiten. kul

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Gemeinwohl-Ökonomie: Neues Siegel für mehr Transparenz

Die Initiatoren der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) führen ein neues Siegel ein. “ECOnGOOD”, so der Name, legt Unternehmen allerdings keine neuen Kriterien auf, sondern dient dazu, die in der Gemeinwohl-Bilanz evaluierten Aspekte deutlicher nach außen zu kommunizieren. Firmen, die nach dem GWÖ-Standard über ihre Nachhaltigkeit berichten und ihren Report von einem externen Wirtschaftsprüfer testieren lassen, können das neue Siegel auf Produkte oder Broschüren drucken. Ein ergänzender QR-Code führt Verbraucher im Supermarkt und andere Interessierte dann schneller als bisher zu den jeweiligen Ergebnissen.

Die Gemeinwohl-Bilanz wurde 2010 eingeführt, seitdem können Unternehmen den freiwilligen CSR-Standard nutzen. Basis des Kriterienkatalogs ist die sogenannte Gemeinwohl-Matrix, die nach fünf “Berührungsgruppen” (Lieferanten, Eigentümer und Finanzpartner, Mitarbeitende, Kunden und Mitunternehmer, gesellschaftliches Umfeld) sowie vier Werten (Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung) fragt. Das Ergebnis, das auf einer Zahlenskala von -3.600 bis +1.000 Punkten dargestellt wird, zeigt nach Ansicht des Vereins “die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf das Gemeinwohl”. 

Mehr als 1.100 Unternehmen, Gemeinden, Städte, Hochschulen und Vereine haben nach eigenen Angaben bisher eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt, darunter Vaude, Sonnentor, Voelkel, Sparda Bank München und der FC St. Pauli. maw

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  • Nachhaltigkeitsstandards

Einsparungen und Technikprobleme bremsen klimaneutrales Fliegen

Das erste deutsche Projekt zur Produktion von synthetischem Flugtreibstoff, das 2023 im Emsland mit der Produktion starten sollte, liegt hinter dem Zeitplan, weil technische Kernkomponenten wie Elektrolyse und die Synthese des Kraftstoffs noch nicht richtig funktionieren.

Eigentlich sollte die Anlage bei Werlte schon Mitte 2023 die Produktion von grünem Rohkerosin aus Wasser und lokalen Wind- und Solaranlagen mit CO₂ aus einer Biogasanlage und einer eigenen Direct-Air-Caputre-Anlage (DAC) in industriellem Umfang beginnen. Doch technische Probleme und Auseinandersetzungen über die Mängel mit den Herstellerfirmen haben das Projekt verzögert.

Im Bundeshaushalt 2024 gab es zudem massive Kürzungen bei erneuerbaren Kraftstoffen: Bisher waren in drei verschiedenen Titeln für das laufende und die nächsten Jahre insgesamt 3,3 Milliarden Euro zur Förderung der Entwicklung und der Produktion regenerativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien für die Luftfahrt vorgesehen. Im gerade verabschiedeten Haushalt bleiben davon ganze 505 Millionen übrig. Das entspricht einer Kürzung von 85 Prozent.

Dies trifft die Projekte an einem empfindlichen Punkt: “Leider wurde der geplante Produktionshochlauf von strombasiertem SAF (E-Kerosin) gerade durch die komplette Streichung der Mittel im Bundeshaushalt konterkariert”, kommentiert Siegfried Knecht. Er sitzt für Airbus im Vorstand der Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e. V. (Aireg), einem Verbund von Flugzeugherstellern, SAF-Produzenten, Fluggesellschaften, Start-ups und wissenschaftlichen Instituten. Aireg und seine Mitglieder hoffen trotz der fehlenden öffentlichen Unterstützung auf “wegweisende Investitionsentscheidungen für E-Kerosin”.

Wie die Branche mit den Problemen und Kürzungen umgeht und welche alternativen Treibstoffe und Antriebe es gibt, lesen Sie in unserer Analyse. ls

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Palmöl: NGO prangert Missstände bei Zulieferern an

Mehr als 20 Unternehmen in Deutschland beziehen, verarbeiten oder verkaufen Palmöl von zwei Betrieben, die in Guatemala gegen die Menschenrechte verstoßen und die Umwelt zerstören. So lautet der Kernvorwurf, den die Romero-Initiative (CIR) in ihrem “Palmöl-Report 2024” erhebt. Zu den Unternehmen gehören laut der Nichtregierungsorganisation die Supermarktketten Aldi, Lidl, Netto, Rewe, Penny und Metro, ebenso wie der Chemiekonzern BASF.

Im Fokus stehen die Produzenten Natur Aceites und Industria Chiquibul. Sie sollen wiederholt dadurch auffällig geworden sein, dass sie Wälder abholzen, Monokulturen anlegen, indigene Einwohner und Kleinbauern verdrängen, Arbeitsrechte missachten, übermäßig viele Pestizide einsetzen, gegen die Gewerkschaftsfreiheit verstoßen und den Zugang zu sauberem Wasser verhindern. Die CIR-Autoren berufen sich auf eigene Recherchen und Augenzeugen sowie Untersuchungen anderer NGOs, darunter Foodwatch Deutschland und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Palmöl-Produktion von 30 auf 80 Mio. Tonnen gestiegen

Palm- und Palmkernöl ist ein sehr vielseitiges Erzeugnis, das für die Herstellung zahlreicher Produkte eingesetzt wird, darunter Lebensmittel, Kosmetika, Waschmittel, Kraftstoffe und Futtermittel. Weil die Pflanze zudem sehr ertragreich ist, tut sich die Industrie schwer damit, sie durch andere Pflanzen zu ersetzen. Die globale Produktion ist in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen, von 30 auf fast 80 Millionen Tonnen. Die größten Mengen stammen aus Indonesien und Malaysia, die beiden Ländern stellen mehr als 60 Prozent her. Für Deutschland ist Guatemala einer der größten Palmöl-Exportpartner.

Im Zuge der Untersuchung konfrontierte die Romero Initiative die deutschen Abnehmer mit ihren Ergebnissen, woraufhin diese überwiegend erklärten, selbst nachforschen zu wollen. Aus den Rückfragen und dem mehrfach geäußerten Aussagen der Unternehmen, mehr Zeit zu benötigen, schloss sie allerdings: “Offenbar besteht nicht nur in Bezug auf die Transparenz nach außen ein großes Defizit, sondern auch intern sind relevante Informationen über die Lieferketten schwer zu beschaffen.” maw

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Presseschau

Green Hushing: Wenn die Nachhaltigkeitskommunikation verstummt – Haufe
Unternehmen kommunizieren ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zunehmend ambivalent. Einerseits streben sie ein positives Image an, andererseits werden sie bei der Verkündung grüner Initiativen zurückhaltender. Dieses Phänomen des “Green Hushings” unterstreicht die Herausforderungen, vor denen Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit stehen, erklärt ESG-Expertin Viola Raddatz im Interview mit Yvonne Hoberg. Zum Artikel

Wie ungerecht ist die Welt wirklich? – Der Spiegel
Einige Ökonomen kritisieren die Forschungen ihres Kollegen Thomas Piketty über wachsende soziale Ungleichheit – die Daten seien zum Teil falsch eingeordnet. David Böcking, Michael Brächer und Florian Diekmann haben sich in der Szene umgehört: Nur ein Methoden-Sturm im Wasserglas, heißt es. Das eigentliche Problem seien fehlende Daten über Reichtum. Zum Artikel

Geologists signal start of hydrogen energy ‘gold rush’ – Financial Times
Die Herstellung von Wasserstoff verursacht entweder Klimaemissionen oder verbraucht sehr viel Strom. Nun melden Forschende, dass in Verbindung mit bestimmten Gesteinsschichten natürlich entstandener Wasserstoff vorhanden sein könnte. Clive Cookson berichtet über die Aussicht auf einen möglichen ‘hydrogen rush’. Zum Artikel

CRE Market Woes Mount As Assets Get ‘Stranded’ By CO₂ Rules – Bloomberg
Frances Schwartzkopff hat sich auf dem Markt für Gewerbeimmobilien umgehört und stellt fest, dass die Sorgen über einen Wertverlust von Gebäuden durch neue ESG-Regulierungen groß sind. Die EU presche hierbei zwar schneller voran – das Risiko der “stranded assets” sei inzwischen aber global zu spüren. Zum Artikel

Iceland Is Living in our Future – The New York Times
David Gelles berichtet von einem Besuch in Island. Dabei fiel ihm auf, dass das Land bemerkenswert wenig fossile Brennstoffe für seine Wirtschaft und zum Heizen seiner Häuser verwendet. 85 Prozent der Energie des Landes stammen aus einheimischen erneuerbaren Quellen, vor allem aus Erdwärme und Wasserkraft. Zum Artikel

Das EU-Lieferkettengesetz muss kommen – Frankfurter Rundschau
Die Ampel darf sich beim EU-Lieferkettengesetz nicht enthalten. Sie muss es vielmehr unterstützen, fordert Amnesty-Generalsekretärin Julia Duchrow in einem Gastbeitrag. Und das nicht zuletzt deshalb, weil das im Koalitionsvertrag so vereinbart worden war. Zum Artikel

Ministerien entschärfen Biomasse-Strategie – Klimareporter
Ein jetzt bekannt gewordener Entwurf der nationalen Biomassestrategie wurde offenbar im Interesse der Holz- und Agrarlobby entschärft. Auch die Erneuerbare-Energien-Branche ist mit dem Papier unzufrieden, wie Jörg Staude berichtet. Er erklärt, welche entscheidenden Passagen abgeschwächt wurden und was nur heiße Luft ist. Zum Artikel

“ESG darf kein Bürokratiemonster werden” – Human Resources
HR befindet sich in einer herausfordernden Position zwischen Regulierungsdruck und Aufbruch in eine neue Zeit. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig stabile Personalprozesse und gesunde Unternehmenskulturen sind, meint VW-Personalvorstand Gunnar Kilian im Interview mit Sabine Schritt. Aber er warnt auch davor, den Weg in eine neue Zeit mit zu viel Bürokratie zu lähmen. Zum Artikel

Standpunkt

Wie die Verkehrswende noch gelingen kann

Von Christian Hochfeld und Wiebke Zimmer
Wiebke Zimmer und Christian Hochfeld leiten den Thinktank Agora Verkehrswende.

Politik und Wirtschaft tragen seit Jahren wie eine Monstranz vor sich her, man werde Deutschland zum Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität machen. So steht es auch im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung. Als Messlatte für dieses Ziel gilt, “mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030” auf die Straße zu bringen, mitsamt der dafür nötigen Ladeinfrastruktur. Darauf schworen sich die Spitzen aus Politik und Wirtschaft zuletzt einvernehmlich bei einem Treffen Ende November im Bundeskanzleramt ein.

Doch das 15-Millionen-Ziel wird nicht dadurch erreicht, dass es gesetzt wird. Was seit dem Amtsantritt fehlt, sind wirksame Instrumente. Denn immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die bisherigen Rahmenbedingungen nicht ausreichen. Um den Absatz zu fördern, setzte die Bundesregierung bis vor Kurzem vor allem auf steuerfinanzierte Kaufprämien. Mittlerweile hat sie selbst das wegen der Haushaltslage vorzeitig beendet. Aktuell sind etwa 1,3 Millionen vollelektrische Pkw in Deutschland zugelassen.

Bis 2030: Zwei Drittel vollelektrische Pkw

Ein simples Rechenbeispiel macht deutlich, wie groß die Herausforderung ist: Geht man von einem konstant bleibenden Pkw-Absatz in Deutschland aus, werden in den sieben Jahren bis einschließlich 2030 insgesamt etwa 21 Millionen Pkw neu zugelassen. Um 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf der Straße zu haben, braucht es noch rund 14 Millionen Neuzulassungen vollelektrischer Fahrzeuge. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nicht mehr als sieben Millionen Verbrennerfahrzeuge zulässig sind. Zwei von drei Neuzulassungen müssten also ab jetzt elektrisch sein. 2023 lag der Marktanteil von E-Pkw bei 18 Prozent.

Es entscheidet sich heute, ob das 15-Millionen-Ziel noch erreicht werden kann. Zuletzt hat der Expertenbeirat des Bundesverkehrsministeriums die zehn wirkungsvollsten Instrumente zusammengetragen und bewertet: von erneuten Kaufprämien über eine stärker CO₂-orientierte Besteuerung von Kfz, Dienstwagen und Kraftstoffen bis zu Mindestquoten für E-Pkw und einen forcierten Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Aufgabe der Bundesregierung wäre es jetzt, diese Instrumente in einen verbindlichen Aktionsplan zu übertragen. Sinnvoll wäre dabei ein Zug-um-Zug-Modell, aufbauend auf einer engmaschigen Beobachtung des Pkw-Marktes. Die erste Stufe des Plans müsste sofort greifen, weil die bisherige Marktentwicklung eindeutig nicht ausreicht. Werden die Zwischenziele künftig eingehalten, sind keine zusätzlichen politischen Instrumente notwendig. Wird ein Zwischenschritt nicht erreicht, ergreift die Bundesregierung vorher festgelegte Maßnahmen – zum Beispiel eine stufenweise Reform der Dienstwagenbesteuerung und der Kfz-Steuer. Laut Expertenbeirat sind diese beiden Steuerungsinstrumente unverzichtbar, wenn das Ziel noch erreicht werden soll.

Klimapolitik für mehr Wettbewerbsfähigkeit

Bei der Dienstwagenbesteuerung würde zum Beispiel der pauschal zu versteuernde geldwerte Vorteil von bisher einem Prozent des monatlichen Listenpreises auf 1,5 Prozent angehoben werden. Für effiziente E-Autos könnte zunächst weiterhin ein günstigerer Pauschalsatz gelten. Die Kfz-Steuer ließe sich auf die Erstzulassung konzentrieren und stärker nach CO₂-Emissionen und Fahrzeuggröße differenzieren. Höhere Steuereinnahmen bei Neufahrzeugen mit hohen Emissionen können dafür verwendet werden, Kaufzuschüsse für effiziente Elektrofahrzeuge zu finanzieren. Die angespannte Haushaltslage kann also kein Grund sein, den Markthochlauf der Elektromobilität nicht weiter zu unterstützen.

Die wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Politik liegen auf der Hand: mehr Wettbewerbsfähigkeit der Automobilwirtschaft, krisenfeste Industriearbeitsplätze, zukunftsorientierte Forschung und Entwicklung und auch mehr Steuergerechtigkeit. Das Rennen um den Pkw-Antrieb der Zukunft ist längst entschieden – für die elektrische Batterie. Hersteller und Zulieferer, die langfristig bestehen wollen, haben ihre Strategie darauf ausgerichtet. 

Diskussionen, die so tun, als hätten Verbrennungsmotoren in Pkw in der Breite eine Zukunft, wirken wie süßes Gift für Unternehmen, deren Geschäftsmodell noch am Verbrennungsmotor hängt. Der Verweis auf E-Fuels führt in die Irre, weil diese teure und energieintensive Technologie dort gebraucht wird, wo es auf absehbare Zeit keine klimaneutrale Alternative gibt, also vor allem im Schiffs- und Flugverkehr sowie in Teilen der Industrie. Für Verbrenner-Pkw wird es bis auf Weiteres keine nennenswerten Mengen an E-Fuels zu erschwinglichen Preisen geben.

Strafzahlungen beim Scheitern der Verkehrswende

Hinzu kommen weitere wirtschaftliche Konsequenzen der Klimapolitik. Ohne die 15 Millionen E-Pkw wird Deutschland das Klimaziel im Verkehrssektor für 2030 verfehlen. Allein dadurch kommen milliardenschwere Strafzahlungen im Rahmen der EU-Regulierungen auf Deutschland zu. Auch das nationale Klimaziel 2030 wäre kaum zu halten, weil die anderen Sektoren nicht ausreichend Spielraum für zusätzliche CO₂-Reduktionen haben werden. 

Der Hochlauf der Elektromobilität kann ein Schlüsselprojekt für eine Politik sein, die klima- und wirtschaftspolitischen Weitblick mit sozialem Ausgleich und dem Erhalt von Freiheitsrechten verbindet. Dafür brauchte es eine Bundesregierung, die diesen Kurs ohne Angst vor der eigenen Courage verfolgt – bevor das 15-Millionen-Ziel außer Reichweite liegt.

Christian Hochfeld ist Direktor von Agora Verkehrswende, Mitglied des Expertenkreises Transformation der Automobilwirtschaft (ETA) des Bundeswirtschaftsministeriums und Teilnehmer der Strategieplattform “Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft” der Bundesregierung.

Wiebke Zimmer ist stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende und Mitglied des Expertenbeirats Klimaschutz in der Mobilität (EKM) des Bundesverkehrsministeriums.

  • Elektromobilität
  • Verkehrswende

Personalien

Georg Schürmann gibt die Geschäftsleitung der Triodos Bank Deutschland Ende April ab. 15 Jahre lang hat er die Niederlassung des niederländischen Unternehmens geführt, nun wolle er mit 61 Jahren “einen neuen Lebensabschnitt beginnen”. Über seine Nachfolge will die Bank später informieren.

Janis Eitner übernimmt zum 1. März die Leitung der Abteilung Kommunikation und Marketing des Verbands der Automobilindustrie e.V. (VDA). Zuvor war er Vice President Communications, Marketing & Brand beim Zulieferer Webasto SE, in seiner neuen Rolle soll er die Automobilwirtschaft laut VDA “bei der herausfordernden Transformation in eine nachhaltige Zukunft begleiten”.

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ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Politik setzt den Rahmen und die Wirtschaft füllt ihn mit Leben. Aber wie genau soll das Verhältnis aussehen? Darüber muss immer wieder diskutiert werden – so wie in dieser Ausgabe, für die wir Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte interviewt haben. Er kritisiert das geplante Wachstumschancengesetz als “Förderung mit der Gießkanne”, die zu noch höheren Gewinnen der Dax-Konzerne führen würde. Was er zu den Chancen seiner SPD sagt, weiteren Forderungen nach Steuersenkungen für Unternehmen zu widerstehen – etwas weiter unten im Gespräch mit Alex Veit.

    In unserer zweiten Analyse erklärt Leonie Düngefeld anhand eines aktuellen Falls in Rumänien, warum Staaten vor der Transformation zurückschrecken könnten, weil internationale Schiedsgerichte sie aufgrund von Investitionsschutzabkommen zu Entschädigungen in Milliardenhöhe verdonnern. Ein weitgehend unterbelichtetes Thema – das auch Deutschland betrifft.

    Außerdem erklären Wiebke Zimmer und Christian Hochfeld vom Thinktank Agora Verkehrswende, wie das Ziel von 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen bis 2030 noch erreicht werden kann. Es braucht, kleiner Spoiler, einen konsequent handelnden Staat – gerade wenn die öffentlichen Kassen knapp sind.

    Ihr
    Marc Winkelmann
    Bild von Marc  Winkelmann

    Analyse

    Bovenschulte: “Mit dem Wachstumschancengesetz erhöhen wir die ohnehin schon sehr hohen Gewinne der Dax-Konzerne”

    Der Jurist Andreas Bovenschulte ist seit 2019 Bremer Bürgermeister und Präsident des Bremer Senats.

    Herr Bovenschulte, Sie haben voriges Jahr gesagt, der Bund wolle den Ländern und Kommunen mit dem Wachstumschancengesetz in die Tasche greifen, um der Wirtschaft eine Runde Freibier auszugeben. Wie sehen Sie es jetzt, kurz vor Abschluss der Vermittlung zwischen Bundesrat und Bundestag?

    Das war natürlich zugespitzt formuliert, aber an der Kritik halte ich aus zwei Gründen fest. Erstens: Ich bin nicht gegen, sondern sehr für eine Förderung der Wirtschaft. Aber dann muss es eine gezielte Förderung sein. Und zweitens: Wenn der Bund ein Programm auflegt, dann muss er es auch bezahlen und kann nicht die Kosten auf Dritte abwälzen. Zumindest der zweite Punkt wurde in den vorbereitenden Verhandlungen inzwischen abgemildert. Die Belastung von Ländern und Kommunen soll nicht mehr ganz so groß sein wie ursprünglich geplant. Allerdings bleibt ein finanzieller Ausfall, der für ein Land wie Bremen schwer zu tragen ist.

    Und nach wie vor soll die Förderung mit der Gießkanne über alle Unternehmen verteilt werden. Kleine und mittlere Unternehmen in der jetzigen Situation zu entlasten, da bin ich dabei, damit sie zusätzlich investieren können. Aber mit dem Wachstumschancengesetz erhöhen wir auch die ohnehin schon sehr hohen Gewinne der Dax-Konzerne. Möglicherweise fließt da von den gesparten Steuern das meiste nicht in zusätzliche Investitionen, sondern in höhere Dividenden für die Aktionäre.

    Die Klimaprämie für Investitionen in Energieeffizienz wurde im Vermittlungsausschuss herausgestrichen. Bedauern Sie das?

    Die Klimaprämie hätte zumindest ein klares inhaltliches Ziel verfolgt. Aber letztendlich hätte auch sie nur einen begrenzten Effekt auf das Wirtschaftswachstum gehabt. Denn unter den Bedingungen der Schuldenbremse müssen Bund, Länder und Kommunen ja jede Steuersenkung durch Kürzungen an anderer Stelle kompensieren. Höheren Investitionen der Unternehmen stehen dann geringere Investitionen der öffentlichen Hand gegenüber.

    Werden Sie dem vorliegenden Kompromiss trotzdem zustimmen?

    Im Moment bin ich sehr skeptisch, denn eigentlich brauchen wir als Länder und Kommunen eine angemessene Gegenfinanzierung. Und wir müssen kleine und mittlere Unternehmen fördern, keine Großkonzerne. Das werde ich im Vermittlungsausschuss auch deutlich machen. Entscheiden werde ich mich erst, wenn klar ist, was genau zur Abstimmung steht.

    In Bremen können Sie sich freuen über neu genehmigte Förderungen des Bundes für klimaneutrale Stahlproduktion bei ArcelorMittal und für Wasserstoffprojekte. Läuft es gerade richtig gut?

    Auf jeden Fall. Wenn wir all unsere Förderprojekte zusammennehmen, die privaten Investitionen, die Förderungen des Bundes und die Bremer Anteile, dann kommen wir auf Investitionen in Höhe von gut zwei Milliarden Euro. Das ist nicht nur ein Riesenschritt beim zukunftsfähigen Umbau unseres Industriestandorts, das ist für alle Branchen gut.

    Sie müssen jeweils etwa ein Drittel der Förderung übernehmen. Und gleichzeitig kann sich die Bremer Straßenbahn AG den geplanten Ausbau nicht leisten. Heißt das: Auf der einen Seite Förderung für einzelne private Unternehmen, und auf der anderen Seite kein Geld für den ÖPNV?

    Das darf man nicht gegeneinanderstellen. Bremens Eigenanteil von 400 Millionen Euro können wir nicht mal so eben aus dem laufenden Haushalt bezahlen. Wenn wir das versuchten, hätte das in der Tat einen sozialen und kulturellen Kahlschlag zur Folge, den wir nicht verantworten könnten. Sparen kann und muss man, keine Frage, aber so eine Summe wäre nicht zu stemmen. Auch private Unternehmen finanzieren ihre Investitionen ja nicht vollständig aus dem Eigenkapital, sondern sind auf Kredite angewiesen.

    Sie wissen noch nicht genau, woher sie das Geld nehmen? Den Bremer Sonderschuldenfonds für Klimamaßnahmen mussten sie nach dem KTF-Urteil abwickeln.

    Wir haben damit auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert. An dem inhaltlichen Ziel aber halten wir natürlich fest. Die Umrüstung ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz: 50 Prozent aller CO₂-Emissionen im Land Bremen entstehen bei der Stahlproduktion. Wir schlagen also zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir fördern die Wirtschaft und tragen zur Rettung des Klimas bei.

    Die Debatte um das Wachstumschancengesetz ist symbolisch bedeutsam für den Streit über die deutsche Wirtschaftspolitik: für gezielte Förderpolitik auf der einen, für Unternehmens-Steuersenkungen auf der anderen Seite. Welches Angebot muss die Politik machen, damit transformatives Wachstum entsteht?

    Wer aus meiner Sicht in der Wirtschaftspolitik die Zeichen der Zeit erkannt hat, ist zum Beispiel Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft. Er sagt erstens, dass wir einen zu geringen privaten und öffentlichen Kapitalstock haben, und daher mehr private und öffentliche Investitionen brauchen. Er geht zweitens davon aus, dass die öffentlichen Investitionen zu einem guten Teil über Kredite finanziert werden müssen. Und drittens hält er dies für finanzpolitisch vertretbar, weil bei einer jährlichen gesamtstaatlichen Kreditaufnahme von rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und einem angenommenen nominalen Wachstum von zwei bis drei Prozent unsere Schuldenquote sinken und nicht steigen würde.

    Was erwarten Sie: Wie wird sich die Diskussion weiterentwickeln?

    Ich gehe davon aus, dass der Chor der Befürworter einer umfassenden Steuersenkung für Unternehmen in den nächsten Wochen und Monaten immer lauter werden wird.

    Wird die SPD dem widerstehen?

    Sie wird dieser Entwicklung kaum etwas entgegensetzen können. In den letzten 50 Jahren ist im Zuge der Globalisierung die Besteuerung von Unternehmensgewinnen immer weiter reduziert worden – weltweit, in Europa und auch in Deutschland. Unabhängig davon, wer gerade die Regierung gestellt hat. Um diesen “race to the bottom” zu beenden, bedürfte es einer fundamentalen Änderung der politischen Kräfteverhältnisse.

    • Steuerpolitik
    • Transformation
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    Immer mehr Klagen auf Grundlage von Investitionsschutzabkommen richten sich gegen Klima- und Umweltgesetzgebung

    Goldmine Roșia Montană im Apuseni-Gebirge in Westrumänien.

    Spätestens am 12. März hat Rumänien Gewissheit. Dann endet die Frist für die Verkündung eines Schiedsspruchs, der erheblichen Einfluss auf den Staatshaushalt haben könnte: Das kanadische Bergbauunternehmen Gabriel Resources hat Rumänien auf mehrere Milliarden US-Dollar Schadensersatz verklagt, weil die Regierung ihm die Abbaulizenz für den größten Goldtagebau Europas entzogen hatte.

    Das Urteil fällt ein Schiedsgericht beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) bei der Weltbank, auf der Grundlage eines bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen Rumänien und Kanada. Gabriel Resources verlangt laut unterschiedlichen Angaben zwischen 3,3 und 5,7 Milliarden US-Dollar Schadensersatz vom rumänischen Staat. Damit zählt der Fall zu den größten weltweit.

    UN-Bericht: Klagen führen zu regulatorischem Stillstand

    Grundlage dieses und ähnlicher Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS) sind Investitionsschutzabkommen: völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten, die Investitionen von Unternehmen im Ausland schützen sollen. Die Entscheidungen der Schiedsgerichte sind rechtlich bindend und können nicht von nationalen Gerichten angefochten werden.

    Laut einem UN-Bericht ist insbesondere die Zahl der bekannten ISDS-Fälle, die sich gegen Maßnahmen von Staaten zum Schutz der Umwelt richten, sprunghaft angestiegen: von zwölf Verfahren vor dem Jahr 2000 auf 37 im Zeitraum von 2000 bis 2010 und 126 Klagen im Zeitraum von 2011 und 2021.

    Zu den Maßnahmen, die durch Klagen angefochten wurden, gehörten etwa die Verweigerung von Genehmigungen für die Öl- und Gasexploration, das Auslaufen von Kohlekraftwerken, die Verweigerung von Genehmigungen für große Bergwerke, die Einführung von Frackingverboten und die Verschärfung von Gesetzen zum Schutz der Wasserversorgung. Unter den vier ISDS-Klagen, die zurzeit gegen Deutschland laufen, ist zum Beispiel eine des Schweizer Unternehmens Azienda Elettrica Ticinese (AET) aufgrund des Kohleausstiegs.

    Der UN-Sonderberichterstatter für Umwelt und Menschenrechte, David R. Boyd, bezeichnet die ISDS-Verfahren in seinem Bericht als “Haupthindernis für die dringend erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung der weltweiten Umwelt- und Menschenrechtskrisen“. Sie führten zu einem regulatorischen Stillstand: Allein die Möglichkeit von kostspieligen ISID-Klagen führe dazu, dass Staaten sich vor ehrgeizigerer Regulierung scheuten. Dänemark etwa habe aus diesem Grund für das Ende seiner Öl- und Gasförderung in der Nordsee keinen früheren Zeitpunkt als 2050 festlegen wollen.

    In den Investor-Staat-Verfahren geht es teilweise um gigantische Geldsummen: 2019 wurde Pakistan von einem Schiedsgericht zu einer Zahlung von knapp 6 Milliarden US-Dollar verurteilt – an einen australischen Investor, dem die Regierung eine Lizenz zum Kupfer- und Goldabbau verweigert hatte. Australien selbst wurde auf der Grundlage des Freihandelsabkommens mit Singapur auf ganze 200 Milliarden US-Dollar verklagt, nachdem die Regierung eine Lizenz für ein Kohleabbauprojekt abgelehnt hatte.

    Geplante Goldmine: “Ernsthafte Umweltbedrohung für die gesamte Region

    Anfang Februar hatte der rumänische Ministerpräsident Marcel Ciolacu öffentlich von einer Niederlage Rumäniens und einer Summe von zwei Milliarden US-Dollar Schadensersatz gesprochen. Diese Aussagen stellten sich jedoch später als falsch heraus. Wie der Schiedsspruch ausfallen wird, ist weiterhin offen – und auch, was im Falle einer Niederlage Rumäniens geschehen würde.

    Der Konflikt um das Bergbauprojekt dauert also an: Bereits im Jahr 1999 hatte das kanadische Bergbauunternehmen Gabriel Resources die Lizenz erhalten, im Gebiet Roșia Montană im Nordwesten Rumäniens Gold- und Silbervorkommen zu erkunden. Roșia Montană sollte der größte Goldtagebau Europas werden.

    Das geplante Projekt warf jedoch erhebliche Bedenken auf: Die Gemeinden sollten umgesiedelt werden, auch archäologische Stätten aus der Römerzeit waren betroffen. Zudem plante das Bergbauunternehmen, beim Abbau des Goldes hochgiftiges Zyanid einzusetzen. Das EU-Parlament äußerte 2004 vor Rumäniens EU-Beitritttiefe Besorgnis” über Umweltaspekte, insbesondere im Hinblick auf die Erschließung des Bergwerks Roșia Montană”. Dieses stelle “eine ernsthafte Umweltbedrohung für die gesamte Region” dar.

    Nach massiven Protesten 2013 und 2014 stoppte die rumänische Regierung das Projekt. Rumänische Gerichte hatten zudem befunden, dass Gabriel Resources mehrere erforderliche Genehmigungen unrechtmäßig erhalten hatte. Das Unternehmen beauftragte 2016 die Kanzlei White & Case in Washington, beim ICSID zu klagen; Rumänien engagierte die auf grenzüberschreitende Dispute spezialisierte Schweizer Kanzlei Lalive.

    Kritik: Intransparente Verfahren ohne öffentliche Beteiligung

    Als “Paralleljustiz” bezeichnen Kritiker die Schiedsgerichte und bemängeln die Transparenz in den Verfahren, an denen meist keine öffentliche Teilnahme möglich ist.

    “In den Schiedsverfahren werden staatliche Entscheidungen infrage gestellt, die ja zumindest teilweise dem öffentlichen Interesse in diesem Land entsprechen“, sagt Christian Schliemann-Radbruch, Völkerrechtler beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). “Die Verantwortung der Firmen, Rechte der Bevölkerung zu achten, wird hingegen selten bis gar nicht thematisiert.” Drittparteien, deren Rechte im entsprechenden Fall betroffen sind, haben im Verfahren zudem kaum die Möglichkeit, zu intervenieren und ihre Rechte geltend zu machen, erklärt er. Im Fall Roșia Montană hat Schliemann-Radbruch Organisationen der Zivilgesellschaft dabei unterstützt, eine Stellungnahme einzureichen. Ob diese berücksichtigt wird oder gar Einfluss auf das Urteil hat, werde der Schiedsspruch zeigen.

    UN-Sonderberichterstatter Boyd fordert in seinem Bericht Staaten dazu auf, aus Investitionsschutzabkommen auszutreten. Neue Verträge sollten dann Bestimmungen enthalten, die Investitionen in Klimaschutz, -anpassung und -resilienz fördern und den Regulierungsspielraum der Staaten schützen.

    EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland sind bereits aus dem Energiecharta-Vertrag (ECT) ausgetreten, der einen Investitionsschutz für den Energiesektor regelt. Allerdings umfasst dieser eine Nachwirkungsklausel von 20 Jahren.

    Investitionsschutz zur Absicherung privater Klimainvestitionen

    Die meisten der im Rahmen des ECT gemachten Klagen seien allerdings nicht von Investoren konventioneller Energieprojekte vorgenommen worden, argumentiert Jörg Gundel, Professor für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Universität Bayreuth. Vielmehr sei die Mehrzahl der Klagen von enttäuschten Investoren in Erneuerbare-Energien-Projekte erhoben worden, die gegen Kürzungen von gesetzlich vorgesehenen Förderungen etwa in Spanien und Italien vorgegangen seien.

    Investitionsschutz könne so auch zugunsten von Klimaschutzinvestitionen eingreifen, erklärt Gundel in einem Arbeitspapier für den Sachverständigenrat für Wirtschaft: Wenn Staaten auf privates Kapital setzten, ohne die Klimaschutzmaßnahmen nicht zu bewältigen seien, müssten solche Investitionen auch abgesichert werden.

    Dass europäische Staaten bislang hauptsächlich im Energiesektor von ISDS-Klagen betroffen seien, könne sich bald ändern, erklärt Fabian Flues, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei der NGO Power Shift. Da es auf Grundlage des Critical Raw Materials Acts zukünftig mehr Bergbauprojekte in Europa geben soll und sich bereits lokaler Widerstand regt, befürchte er jedoch einen Anstieg der ISDS-Klagen in diesem Sektor. Aufgrund der mehrstufigen Genehmigungsverfahren sei der Bergbausektor sehr angreifbar.

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    News

    Diese Woche im Bundestag: Lieferketten, Wasser und Wasserstoff, Frauen- und Menschenrechte 

    Während die öffentliche Debatte noch unter dem Eindruck der Münchner Sicherheitskonferenz vom Wochenende steht, befasst sich der Bundestag an diesem Mittwoch mit einer der dort diskutierten Krisen: den anhaltenden Angriffen auf internationale Handelsschiffe im Roten Meer. Wie wichtig das Thema auch für die deutsche Wirtschaft ist, zeigt unter anderem der vorübergehende Produktionsstopp wegen fehlender Teile im Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide.

    Ebenfalls diesen Mittwoch befasst sich der Ausschuss für Klimaschutz und Energie mit dem Energiewirtschaftsgesetz. Konkret geht es bei der Expertenanhörung um den Rechtsrahmen für die nationale Wasserstoffinfrastruktur. Neben dem Wasserstoff-Kernnetz geht es auch um die Förderung einer schnellen Marktvergrößerung, um Speicher und die Umrüstung des Erdgasnetzes.  

    Gleichzeitig hört der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Expertisen zum Antrag der CDU/CSU zum Wassermanagement der Spree und deren Nebenflüsse im Anschluss an den Kohleausstieg in Ostdeutschland. Wie immer bei Anhörungen überträgt das Parlamentsfernsehen live. 

    Bericht der Bundesregierung zu Menschenrechten 

    Die Abgeordneten debattieren am Donnerstag außerdem abschließend über den 15. Bericht der Bundesregierung zu ihrer Menschenrechtspolitik. Darin geht es unter anderem um den Aktionsplan für Menschenrechte 2023-2024, die Bedeutung der Menschenrechte in der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik und die Lage weltweit, etwa in Ländern wie Ägypten, Iran, Russland oder Saudi-Arabien.  

    Ein Teil des Berichts befasst sich aber auch mit der Situation in Deutschland. So wird unter anderem ein Blick auf die Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen und Mädchen im eigenen Land geworfen. 

    Auch zwei weitere Tagesordnungspunkte dieser Sitzungswoche haben mit Frauenrechten zu tun. So findet am Freitagvormittag zunächst eine vereinbarte Debatte zum Internationalen Frauentag am 8. März statt. Wenig später geht es in erster Lesung um einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion, menschenunwürdige Zustände in der Prostitution zu beenden und Sexkauf unter Strafe zu stellen. ch

    • Bundestag

    Deutscher Atomendlagerfonds investiert in fossile Energie 

    Die Umweltorganisation Urgewald kritisiert die Anlagestrategie des öffentlich-rechtlichen Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO). Den Recherchen der Organisation zufolge investierte der Fonds rund 771 Millionen Euro in Aktien und Anleihen von 107 fossilen Unternehmen.  

    Anna Lena Samborski, Finanzexpertin bei Urgewald, bezweifelt, dass die Anlagestrategie den ESG-Kriterien entspricht, zu denen der KENFO sich verpflichtet hat. “Öl- und Gasunternehmen wie Total Energies, Shell oder BP haben offenkundig kein Interesse daran, ihr Geschäftsmodell an eine klimagerechte Zukunft anzupassen”, sagt sie. “Wenn der KENFO seine grünen Ansprüche ernst nimmt, muss er sich von seinen fossilen Geldanlagen trennen”.  

    Die ESG-Prinzipien des vom BMWK beaufsichtigten Fonds schließen Investitionen in Projekte aus, die dem Kohleausstieg zuwiderlaufen. Als Mitglied der Net Zero Asset Owner Alliance hat er sich zudem den Pariser Klimazielen verpflichtet.  

    Gefährdung der Pariser Klimaziele

    Der Studie zufolge wollen alle identifizierten Öl- und Gasunternehmen im KENFO-Portfolio ihr fossiles Geschäft ausbauen – etwa durch die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder. Aus Sicht von Urgewald gefährdet dies die Pariser Klimaziele. “Als staatlich kontrollierte Stiftung hat KENFO Vorbildcharakter und sollte beim Klima keine Kompromisse machen”, fordert Samborski.  

    Allein 181 Millionen Euro seien bei den drei großen Ölkonzernen Total Energies, Shell und BP angelegt, sowie bei 13 Kohleunternehmen und kleineren US-Firmen, die im LNG-Sektor tätig sind.  

    Der KENFO wurde 2017 mit Geldern der Atomindustrie als Stiftung gegründet. Zweck ist die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Abfälle stillgelegter Kernkraftwerke. Die Einlagen belaufen sich auf 24,1 Milliarden Euro. Er ist damit die größte öffentlich-rechtliche Stiftung in Deutschland. ch 

    • Atommüll
    • Energiewende

    Große Vermögensverwalter verlassen Klimaschutz-Initiative

    Mit JPMorgan und State Street verlassen zwei wichtige Vermögensverwalter die Investorengruppe Climate Action 100+ (CA100+). Die Gruppe war gegründet worden, um Unternehmen zu mehr Ambition im Bereich Klimaschutz und Dekarbonisierung zu bewegen. Auch Blackrock, der weltweit größte Vermögensverwalter, hatte bereits angekündigt, sein Engagement dafür von der Zentrale auf einen kleineren, internationalen Zweig zu verlagern. Durch den Rückzug fallen zusammen 14 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten aus der CA100+-Gruppe, wie Reuters berichtet. Die Entscheidungen der Vermögensverwalter zum Rückzug wurden bekannt gegeben, nachdem die CA100+ die teilnehmenden Finanzunternehmen zu stärkeren Maßnahmen aufgerufen hatte.

    Durch diese Rückzieher wird der Einfluss der CA100+-Gruppe stark geschmälert. Keiner der fünf größten Vermögensverwalter steht noch komplett hinter der Gruppe, berichtet die Financial Times. Die Ausstiege sind auch Zeichen für den steigenden Druck gegen ESG-Engagements von Vermögensverwaltern und anderen Finanzakteuren. Politiker der Republikanischen Partei in den USA sprechen sich gegen solche Engagements aus. In verschiedenen Staaten wird dort aktuell aufgrund der Mitgliedschaft bei CA100+ wegen “unzulässiger Koordinierung” gegen mehrere Vermögensverwalter ermittelt. CA100+ will durch Aktionäre besonders Druck auf die größten klimaschädlichen Unternehmen weltweit ausüben, ihre Netto-Null-Ziele einzuhalten und auszuweiten. kul

    • ESG
    • ESG-Investments
    • Finanzen
    • Investitionen

    Gemeinwohl-Ökonomie: Neues Siegel für mehr Transparenz

    Die Initiatoren der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) führen ein neues Siegel ein. “ECOnGOOD”, so der Name, legt Unternehmen allerdings keine neuen Kriterien auf, sondern dient dazu, die in der Gemeinwohl-Bilanz evaluierten Aspekte deutlicher nach außen zu kommunizieren. Firmen, die nach dem GWÖ-Standard über ihre Nachhaltigkeit berichten und ihren Report von einem externen Wirtschaftsprüfer testieren lassen, können das neue Siegel auf Produkte oder Broschüren drucken. Ein ergänzender QR-Code führt Verbraucher im Supermarkt und andere Interessierte dann schneller als bisher zu den jeweiligen Ergebnissen.

    Die Gemeinwohl-Bilanz wurde 2010 eingeführt, seitdem können Unternehmen den freiwilligen CSR-Standard nutzen. Basis des Kriterienkatalogs ist die sogenannte Gemeinwohl-Matrix, die nach fünf “Berührungsgruppen” (Lieferanten, Eigentümer und Finanzpartner, Mitarbeitende, Kunden und Mitunternehmer, gesellschaftliches Umfeld) sowie vier Werten (Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung) fragt. Das Ergebnis, das auf einer Zahlenskala von -3.600 bis +1.000 Punkten dargestellt wird, zeigt nach Ansicht des Vereins “die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf das Gemeinwohl”. 

    Mehr als 1.100 Unternehmen, Gemeinden, Städte, Hochschulen und Vereine haben nach eigenen Angaben bisher eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt, darunter Vaude, Sonnentor, Voelkel, Sparda Bank München und der FC St. Pauli. maw

    • Berichtspflichten
    • Nachhaltigkeitsstandards

    Einsparungen und Technikprobleme bremsen klimaneutrales Fliegen

    Das erste deutsche Projekt zur Produktion von synthetischem Flugtreibstoff, das 2023 im Emsland mit der Produktion starten sollte, liegt hinter dem Zeitplan, weil technische Kernkomponenten wie Elektrolyse und die Synthese des Kraftstoffs noch nicht richtig funktionieren.

    Eigentlich sollte die Anlage bei Werlte schon Mitte 2023 die Produktion von grünem Rohkerosin aus Wasser und lokalen Wind- und Solaranlagen mit CO₂ aus einer Biogasanlage und einer eigenen Direct-Air-Caputre-Anlage (DAC) in industriellem Umfang beginnen. Doch technische Probleme und Auseinandersetzungen über die Mängel mit den Herstellerfirmen haben das Projekt verzögert.

    Im Bundeshaushalt 2024 gab es zudem massive Kürzungen bei erneuerbaren Kraftstoffen: Bisher waren in drei verschiedenen Titeln für das laufende und die nächsten Jahre insgesamt 3,3 Milliarden Euro zur Förderung der Entwicklung und der Produktion regenerativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien für die Luftfahrt vorgesehen. Im gerade verabschiedeten Haushalt bleiben davon ganze 505 Millionen übrig. Das entspricht einer Kürzung von 85 Prozent.

    Dies trifft die Projekte an einem empfindlichen Punkt: “Leider wurde der geplante Produktionshochlauf von strombasiertem SAF (E-Kerosin) gerade durch die komplette Streichung der Mittel im Bundeshaushalt konterkariert”, kommentiert Siegfried Knecht. Er sitzt für Airbus im Vorstand der Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e. V. (Aireg), einem Verbund von Flugzeugherstellern, SAF-Produzenten, Fluggesellschaften, Start-ups und wissenschaftlichen Instituten. Aireg und seine Mitglieder hoffen trotz der fehlenden öffentlichen Unterstützung auf “wegweisende Investitionsentscheidungen für E-Kerosin”.

    Wie die Branche mit den Problemen und Kürzungen umgeht und welche alternativen Treibstoffe und Antriebe es gibt, lesen Sie in unserer Analyse. ls

    • E-Fuels
    • Flugverkehr
    • Klimapolitik
    • SAF
    • Wasserstoff

    Palmöl: NGO prangert Missstände bei Zulieferern an

    Mehr als 20 Unternehmen in Deutschland beziehen, verarbeiten oder verkaufen Palmöl von zwei Betrieben, die in Guatemala gegen die Menschenrechte verstoßen und die Umwelt zerstören. So lautet der Kernvorwurf, den die Romero-Initiative (CIR) in ihrem “Palmöl-Report 2024” erhebt. Zu den Unternehmen gehören laut der Nichtregierungsorganisation die Supermarktketten Aldi, Lidl, Netto, Rewe, Penny und Metro, ebenso wie der Chemiekonzern BASF.

    Im Fokus stehen die Produzenten Natur Aceites und Industria Chiquibul. Sie sollen wiederholt dadurch auffällig geworden sein, dass sie Wälder abholzen, Monokulturen anlegen, indigene Einwohner und Kleinbauern verdrängen, Arbeitsrechte missachten, übermäßig viele Pestizide einsetzen, gegen die Gewerkschaftsfreiheit verstoßen und den Zugang zu sauberem Wasser verhindern. Die CIR-Autoren berufen sich auf eigene Recherchen und Augenzeugen sowie Untersuchungen anderer NGOs, darunter Foodwatch Deutschland und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

    Palmöl-Produktion von 30 auf 80 Mio. Tonnen gestiegen

    Palm- und Palmkernöl ist ein sehr vielseitiges Erzeugnis, das für die Herstellung zahlreicher Produkte eingesetzt wird, darunter Lebensmittel, Kosmetika, Waschmittel, Kraftstoffe und Futtermittel. Weil die Pflanze zudem sehr ertragreich ist, tut sich die Industrie schwer damit, sie durch andere Pflanzen zu ersetzen. Die globale Produktion ist in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen, von 30 auf fast 80 Millionen Tonnen. Die größten Mengen stammen aus Indonesien und Malaysia, die beiden Ländern stellen mehr als 60 Prozent her. Für Deutschland ist Guatemala einer der größten Palmöl-Exportpartner.

    Im Zuge der Untersuchung konfrontierte die Romero Initiative die deutschen Abnehmer mit ihren Ergebnissen, woraufhin diese überwiegend erklärten, selbst nachforschen zu wollen. Aus den Rückfragen und dem mehrfach geäußerten Aussagen der Unternehmen, mehr Zeit zu benötigen, schloss sie allerdings: “Offenbar besteht nicht nur in Bezug auf die Transparenz nach außen ein großes Defizit, sondern auch intern sind relevante Informationen über die Lieferketten schwer zu beschaffen.” maw

    • Lieferketten
    • Menschenrechte
    • NGO

    Presseschau

    Green Hushing: Wenn die Nachhaltigkeitskommunikation verstummt – Haufe
    Unternehmen kommunizieren ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zunehmend ambivalent. Einerseits streben sie ein positives Image an, andererseits werden sie bei der Verkündung grüner Initiativen zurückhaltender. Dieses Phänomen des “Green Hushings” unterstreicht die Herausforderungen, vor denen Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit stehen, erklärt ESG-Expertin Viola Raddatz im Interview mit Yvonne Hoberg. Zum Artikel

    Wie ungerecht ist die Welt wirklich? – Der Spiegel
    Einige Ökonomen kritisieren die Forschungen ihres Kollegen Thomas Piketty über wachsende soziale Ungleichheit – die Daten seien zum Teil falsch eingeordnet. David Böcking, Michael Brächer und Florian Diekmann haben sich in der Szene umgehört: Nur ein Methoden-Sturm im Wasserglas, heißt es. Das eigentliche Problem seien fehlende Daten über Reichtum. Zum Artikel

    Geologists signal start of hydrogen energy ‘gold rush’ – Financial Times
    Die Herstellung von Wasserstoff verursacht entweder Klimaemissionen oder verbraucht sehr viel Strom. Nun melden Forschende, dass in Verbindung mit bestimmten Gesteinsschichten natürlich entstandener Wasserstoff vorhanden sein könnte. Clive Cookson berichtet über die Aussicht auf einen möglichen ‘hydrogen rush’. Zum Artikel

    CRE Market Woes Mount As Assets Get ‘Stranded’ By CO₂ Rules – Bloomberg
    Frances Schwartzkopff hat sich auf dem Markt für Gewerbeimmobilien umgehört und stellt fest, dass die Sorgen über einen Wertverlust von Gebäuden durch neue ESG-Regulierungen groß sind. Die EU presche hierbei zwar schneller voran – das Risiko der “stranded assets” sei inzwischen aber global zu spüren. Zum Artikel

    Iceland Is Living in our Future – The New York Times
    David Gelles berichtet von einem Besuch in Island. Dabei fiel ihm auf, dass das Land bemerkenswert wenig fossile Brennstoffe für seine Wirtschaft und zum Heizen seiner Häuser verwendet. 85 Prozent der Energie des Landes stammen aus einheimischen erneuerbaren Quellen, vor allem aus Erdwärme und Wasserkraft. Zum Artikel

    Das EU-Lieferkettengesetz muss kommen – Frankfurter Rundschau
    Die Ampel darf sich beim EU-Lieferkettengesetz nicht enthalten. Sie muss es vielmehr unterstützen, fordert Amnesty-Generalsekretärin Julia Duchrow in einem Gastbeitrag. Und das nicht zuletzt deshalb, weil das im Koalitionsvertrag so vereinbart worden war. Zum Artikel

    Ministerien entschärfen Biomasse-Strategie – Klimareporter
    Ein jetzt bekannt gewordener Entwurf der nationalen Biomassestrategie wurde offenbar im Interesse der Holz- und Agrarlobby entschärft. Auch die Erneuerbare-Energien-Branche ist mit dem Papier unzufrieden, wie Jörg Staude berichtet. Er erklärt, welche entscheidenden Passagen abgeschwächt wurden und was nur heiße Luft ist. Zum Artikel

    “ESG darf kein Bürokratiemonster werden” – Human Resources
    HR befindet sich in einer herausfordernden Position zwischen Regulierungsdruck und Aufbruch in eine neue Zeit. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig stabile Personalprozesse und gesunde Unternehmenskulturen sind, meint VW-Personalvorstand Gunnar Kilian im Interview mit Sabine Schritt. Aber er warnt auch davor, den Weg in eine neue Zeit mit zu viel Bürokratie zu lähmen. Zum Artikel

    Standpunkt

    Wie die Verkehrswende noch gelingen kann

    Von Christian Hochfeld und Wiebke Zimmer
    Wiebke Zimmer und Christian Hochfeld leiten den Thinktank Agora Verkehrswende.

    Politik und Wirtschaft tragen seit Jahren wie eine Monstranz vor sich her, man werde Deutschland zum Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität machen. So steht es auch im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung. Als Messlatte für dieses Ziel gilt, “mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030” auf die Straße zu bringen, mitsamt der dafür nötigen Ladeinfrastruktur. Darauf schworen sich die Spitzen aus Politik und Wirtschaft zuletzt einvernehmlich bei einem Treffen Ende November im Bundeskanzleramt ein.

    Doch das 15-Millionen-Ziel wird nicht dadurch erreicht, dass es gesetzt wird. Was seit dem Amtsantritt fehlt, sind wirksame Instrumente. Denn immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die bisherigen Rahmenbedingungen nicht ausreichen. Um den Absatz zu fördern, setzte die Bundesregierung bis vor Kurzem vor allem auf steuerfinanzierte Kaufprämien. Mittlerweile hat sie selbst das wegen der Haushaltslage vorzeitig beendet. Aktuell sind etwa 1,3 Millionen vollelektrische Pkw in Deutschland zugelassen.

    Bis 2030: Zwei Drittel vollelektrische Pkw

    Ein simples Rechenbeispiel macht deutlich, wie groß die Herausforderung ist: Geht man von einem konstant bleibenden Pkw-Absatz in Deutschland aus, werden in den sieben Jahren bis einschließlich 2030 insgesamt etwa 21 Millionen Pkw neu zugelassen. Um 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf der Straße zu haben, braucht es noch rund 14 Millionen Neuzulassungen vollelektrischer Fahrzeuge. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nicht mehr als sieben Millionen Verbrennerfahrzeuge zulässig sind. Zwei von drei Neuzulassungen müssten also ab jetzt elektrisch sein. 2023 lag der Marktanteil von E-Pkw bei 18 Prozent.

    Es entscheidet sich heute, ob das 15-Millionen-Ziel noch erreicht werden kann. Zuletzt hat der Expertenbeirat des Bundesverkehrsministeriums die zehn wirkungsvollsten Instrumente zusammengetragen und bewertet: von erneuten Kaufprämien über eine stärker CO₂-orientierte Besteuerung von Kfz, Dienstwagen und Kraftstoffen bis zu Mindestquoten für E-Pkw und einen forcierten Ausbau der Ladeinfrastruktur.

    Aufgabe der Bundesregierung wäre es jetzt, diese Instrumente in einen verbindlichen Aktionsplan zu übertragen. Sinnvoll wäre dabei ein Zug-um-Zug-Modell, aufbauend auf einer engmaschigen Beobachtung des Pkw-Marktes. Die erste Stufe des Plans müsste sofort greifen, weil die bisherige Marktentwicklung eindeutig nicht ausreicht. Werden die Zwischenziele künftig eingehalten, sind keine zusätzlichen politischen Instrumente notwendig. Wird ein Zwischenschritt nicht erreicht, ergreift die Bundesregierung vorher festgelegte Maßnahmen – zum Beispiel eine stufenweise Reform der Dienstwagenbesteuerung und der Kfz-Steuer. Laut Expertenbeirat sind diese beiden Steuerungsinstrumente unverzichtbar, wenn das Ziel noch erreicht werden soll.

    Klimapolitik für mehr Wettbewerbsfähigkeit

    Bei der Dienstwagenbesteuerung würde zum Beispiel der pauschal zu versteuernde geldwerte Vorteil von bisher einem Prozent des monatlichen Listenpreises auf 1,5 Prozent angehoben werden. Für effiziente E-Autos könnte zunächst weiterhin ein günstigerer Pauschalsatz gelten. Die Kfz-Steuer ließe sich auf die Erstzulassung konzentrieren und stärker nach CO₂-Emissionen und Fahrzeuggröße differenzieren. Höhere Steuereinnahmen bei Neufahrzeugen mit hohen Emissionen können dafür verwendet werden, Kaufzuschüsse für effiziente Elektrofahrzeuge zu finanzieren. Die angespannte Haushaltslage kann also kein Grund sein, den Markthochlauf der Elektromobilität nicht weiter zu unterstützen.

    Die wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Politik liegen auf der Hand: mehr Wettbewerbsfähigkeit der Automobilwirtschaft, krisenfeste Industriearbeitsplätze, zukunftsorientierte Forschung und Entwicklung und auch mehr Steuergerechtigkeit. Das Rennen um den Pkw-Antrieb der Zukunft ist längst entschieden – für die elektrische Batterie. Hersteller und Zulieferer, die langfristig bestehen wollen, haben ihre Strategie darauf ausgerichtet. 

    Diskussionen, die so tun, als hätten Verbrennungsmotoren in Pkw in der Breite eine Zukunft, wirken wie süßes Gift für Unternehmen, deren Geschäftsmodell noch am Verbrennungsmotor hängt. Der Verweis auf E-Fuels führt in die Irre, weil diese teure und energieintensive Technologie dort gebraucht wird, wo es auf absehbare Zeit keine klimaneutrale Alternative gibt, also vor allem im Schiffs- und Flugverkehr sowie in Teilen der Industrie. Für Verbrenner-Pkw wird es bis auf Weiteres keine nennenswerten Mengen an E-Fuels zu erschwinglichen Preisen geben.

    Strafzahlungen beim Scheitern der Verkehrswende

    Hinzu kommen weitere wirtschaftliche Konsequenzen der Klimapolitik. Ohne die 15 Millionen E-Pkw wird Deutschland das Klimaziel im Verkehrssektor für 2030 verfehlen. Allein dadurch kommen milliardenschwere Strafzahlungen im Rahmen der EU-Regulierungen auf Deutschland zu. Auch das nationale Klimaziel 2030 wäre kaum zu halten, weil die anderen Sektoren nicht ausreichend Spielraum für zusätzliche CO₂-Reduktionen haben werden. 

    Der Hochlauf der Elektromobilität kann ein Schlüsselprojekt für eine Politik sein, die klima- und wirtschaftspolitischen Weitblick mit sozialem Ausgleich und dem Erhalt von Freiheitsrechten verbindet. Dafür brauchte es eine Bundesregierung, die diesen Kurs ohne Angst vor der eigenen Courage verfolgt – bevor das 15-Millionen-Ziel außer Reichweite liegt.

    Christian Hochfeld ist Direktor von Agora Verkehrswende, Mitglied des Expertenkreises Transformation der Automobilwirtschaft (ETA) des Bundeswirtschaftsministeriums und Teilnehmer der Strategieplattform “Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft” der Bundesregierung.

    Wiebke Zimmer ist stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende und Mitglied des Expertenbeirats Klimaschutz in der Mobilität (EKM) des Bundesverkehrsministeriums.

    • Elektromobilität
    • Verkehrswende

    Personalien

    Georg Schürmann gibt die Geschäftsleitung der Triodos Bank Deutschland Ende April ab. 15 Jahre lang hat er die Niederlassung des niederländischen Unternehmens geführt, nun wolle er mit 61 Jahren “einen neuen Lebensabschnitt beginnen”. Über seine Nachfolge will die Bank später informieren.

    Janis Eitner übernimmt zum 1. März die Leitung der Abteilung Kommunikation und Marketing des Verbands der Automobilindustrie e.V. (VDA). Zuvor war er Vice President Communications, Marketing & Brand beim Zulieferer Webasto SE, in seiner neuen Rolle soll er die Automobilwirtschaft laut VDA “bei der herausfordernden Transformation in eine nachhaltige Zukunft begleiten”.

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