Plastikmüll ist seit langem bekanntermaßen eines der großen Menschheitsprobleme. Aber das löst die Weltgemeinschaft bislang nicht. Bei der UN-Konferenz für ein globales Plastikabkommen kamen die Staaten in Ottawa wieder nur wenig voran, womit sich Nicolas Heronymus beschäftigt.
Andererseits zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass sich in Deutschland gerade viele Unternehmen auf den Weg der Transformation machen. Wie ein Unternehmen das konkret für sich in einem wichtigen Transformationsfeld angeht, zeigt das Beispiel des Maschinenbauers GEA. Lars-Thorben Niggehoff berichtet.
Insgesamt geht die Transformation der Wirtschaft bislang viel zu langsam voran. Mit den bisherigen Maßnahmen ist es nur gelungen, in Einzelsektoren eine Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum zu erreichen, aber bei weitem nicht in der “notwendigen Tiefe und Geschwindigkeit” – sagt der Politikwissenschaftler Ulrich Brand. Er analysiert gemeinsam mit seinem Ko-Autor Markus Wissen in seinem neuen Buch “Kapitalismus am Limit” die sich zuspitzenden Konflikte um die sozial-ökologische Transformation auf der globalen Ebene. Alex Veit hat ihn interviewt.
Bei der Umsetzung der Transformation gibt es große Unterschiede, wenn es um die Wahl der richtigen Mittel geht, etwa zur Lösung der Verteilungsfrage. Der FDP-Politiker Lukas Köhler setzt ganz auf den Markt und reagiert mit seinem Standpunkt auf die Überlegungen zum Nutzen einer Reichensteuer.
Sehr geehrter Herr Brand, in Ihrem neuen Buch nutzen Sie die Metapher der Grenzen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems. Welche Grenzen sind damit gemeint?
Ulrich Brand: Das Grundargument von “Kapitalismus am Limit” ist nicht, dass der Kapitalismus irgendwann den großen Shutdown erlebt. Sondern dass der Kapitalismus durch Wachstum und Rohstoffverbrauch funktioniert, aber diese Potenziale nun weniger ausschöpfbar sind. Der nördliche Wohlstandsimperialismus, durch den bisher auf billige Arbeitskraft und Rohstoffe vor allem im Süden zurückgegriffen wurde, gerät an eine Grenze. Wir nennen dies öko-imperiale Spannungen. Andere Südländer, vor allem China, aber auch Indien, wollen selbst an diese Rohstoffe.
In der Klimafrage gibt es Grenzen der bisherigen Externalisierung in die Zukunft. Der Klimawandel fand bislang im globalen Süden statt. Aber nun zeigen Überschwemmungen und Trockenheit auch in Mitteleuropa, dass der bislang bestehende Kapitalismus auch diesbezüglich an ein Limit kommt.
In dem Buch befassen Sie sich auch mit dem European Green Deal, der bis zur Mitte des Jahrhunderts die Dekarbonisierung erreichen soll. Ein epochales gesellschaftliches Projekt. Sie sagen aber: Das reicht nicht aus.
Erst mal möchte ich betonen: Das ist ein wichtiges, dynamisches Projekt. Wir müssen dekarbonisieren, was ein starker politischer Konsens ist. Damit das erfolgreich sein kann, müssten jedoch auch die Kräfteverhältnisse und die gesellschaftlichen Bedingungen verändert werden. Denn drei strukturelle Mechanismen werden nicht in Frage gestellt. Der erste Mechanismus ist Wachstum: Es soll grün werden. Aber Wachstum korreliert mit mehr Emissionen und Rohstoffverbrauch. Der zweite Mechanismus ist die Wettbewerbsfähigkeit, die zu öko-imperialen Spannungen führt. Die Art und Weise der Dekarbonisierung im globalen Norden und in China betrifft andere Regionen negativ. Und der dritte Mechanismus, eng damit verbunden, ist die Externalisierung. Unsere Produktions- und Lebensweise basiert auf billiger Arbeitskraft und billigen Rohstoffen von anderen Orten. Die Möglichkeiten zur Externalisierung nehmen zwar ab, doch sie werden notfalls mit Gewalt aufrechterhalten. Internationale Kooperation zur gemeinsamen Bearbeitung der Klimakrise hat es da schwer.
Sie nennen Rohstoffproblematiken und Arbeitsrechte. Europäische Regulierungen setzen aber bereits daran an, etwa durch die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft oder mittels Lieferkettengesetzen.
Wir sagen nicht, dass wir da Neuland betreten. Aber etwa das Lieferketten-Gesetz ist ausgehöhlt worden. Weil es Kräfte gibt, die Druck machen. Wenn es um sozialen und ökologischen Umbau geht, muss Politik sich mit mächtigen Interessen anlegen und Kräfteverhältnisse ändern.Mit dem historischen New Deal der 1930er Jahre hat der damalige US-Präsident Franklin Roosevelt die Frage der Besteuerung von Vermögen gestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine enorme Vermögens- und Gewinnsteuer in den USA. Da traut sich die heutige Politik aber nicht heran.
Sie kritisieren am European Green Deal auch, dass er grünes Wachstum in Aussicht stellt, durch eine Entkopplung von Wertschöpfung einerseits und Emissionsausstoß und Rohstoffverbrauch andererseits. Was ist daran falsch?
Eine Metastudie aus Wien hat mehr als 800 Publikationen auf diese Entkopplungsfrage hin untersucht und zeigt, dass die relative Entkopplung durchaus funktioniert. Aber nicht die absolute Entkopplung. Entkopplung gelingt in Einzelsektoren, aber nicht mit der notwendigen Tiefe und Geschwindigkeit. Hinzu kommt, dass die Industrieländer ihren Materialverbrauch und Emissionen viel stärker senken müssten, damit es woanders noch Entwicklungsspielraum gibt.
Wir sind nicht per se gegen Wachstum. Wir müssen jedoch qualitativ schauen: aus welchen Branchen müssen wir raus, wo muss reduziert und umgebaut werden, und wo muss aufgebaut werden? Wir brauchen Wachstum an erneuerbaren Energien, ökologischer Landwirtschaft, bestimmten Verkehrsinfrastrukturen, in der Bildung und Gesundheit. Das Argument ist: Es muss zugleich Ziele eines materiellen Rückbaus geben. Und das muss politisch durchgekämpft werden.
Viele Unternehmen versuchen, innerhalb der gegebenen Strukturen nachhaltig und zukunftsfähig zu produzieren, und dabei Gewinne zu erzielen. Ist ein ethisches Wirtschaften aus Ihrer Sicht überhaupt möglich?
Absolut. Ich bin ja selbst gelernter Betriebswirt. Wir brauchen unbedingt private Unternehmen, die nicht dem harten Shareholder-Value genügen müssen, sondern mit sozial-ökologisch sinnvoller Produktion und Produkten vorangehen können. Auf einer kleinen und mittleren Ebene. Und wenn es geht, auch auf einer großen Ebene. Die große Ebene ist aber sehr vermachtet, die fossilen Interessen sind stark und gut organisiert. Gerade für diese Unternehmen ist es aber wichtig, dass sozial-ökologische Ansätze keinen Konkurrenznachteil darstellen. Hier ist die Politik gefragt, Regeln für alle zu schaffen.
Wer sind denn die Akteure, welche diese Machtkonstellationen aufbrechen können? Gehören Unternehmen dazu?
Wenn progressive, sozialökologische Unternehmen und ihre Verbände sagen: Wir wollen das anders. Wir werden konfliktiv, denn bestimmte Interessen müssen zurückgestellt, bestimmte Subventionen müssen zurückgefahren werden, dann sind sie hoch relevant. Weiterhin wichtig sind immer soziale Bewegungen, die Themen politisieren. Und auch die Politik selbst. Es gibt innerhalb der Parteien Kämpfe, zum Beispiel hier in Österreich. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs wird gerade neu aufgestellt. Mit dem Vorsitzenden Andreas Babler gibt es jemanden, der kapiert hat, dass zukunftsfähige Politik Macht- und Verteilungsfragen stellen muss, den sozialen und ökologischen Umbau zusammen angehen möchte, und die anti-ökologischen autoritären Kräfte scharf kritisiert. In Deutschland sehe ich in der Spitzenpolitik zurzeit keine Person, welche die Weitsicht von Andreas Babler hätte.
Wenn es um die Reduktion von CO₂-Emissionen geht, stehen bestimmte Sektoren im Fokus – etwa der Verkehrssektor und hitzige Debatten ums Tempolimit oder die Landwirtschaft, wo Reformpläne Landwirte mit ihren Traktoren in die Städte treiben. Weniger im Fokus steht hingegen der Maschinenbau. Dabei ist er eine der wichtigsten Branchen Deutschlands.
Und er stößt auch reichlich Treibhausgase aus. Entlang der Wertschöpfungskette fallen laut Umweltbundesamt 58 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente an. Das sind 215 Kilogramm je 1.000 Euro Umsatz, ein ähnliches Niveau wie bei der Automobilindustrie. Es gäbe also viel zu tun. Aber noch hinkt die Branche hinterher. Ein Grund: Der Druck zur Transformation ist geringer als in anderen Sektoren, weil viele Käufer außerhalb der EU sitzen – wo geringere Standards gelten.
Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll sich aber der Druck erhöhen. 15.000 Unternehmen in Deutschland wird die Richtlinie schätzungsweise direkt betreffen. Auch viele Maschinenbauer müssen umfassende Nachhaltigkeitsberichte vorlegen.
Bei der GEA Group fühlen sie sich dafür gut vorbereitet. Das Unternehmen stellt vor allem Prozesstechnik und Komponenten für die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie her, etwa Ausstattung für Brauereien. Bereits 2021 verpflichtete man sich auf das Ziel, bis 2040 Netto-Null-Treibhausgase zu erreichen – also Emissionen zu senken und nicht vermeidbare auszugleichen. Jetzt wollen die Düsseldorfer nachlegen: GEA hat einen Klimaplan (Climate Transition Plan, CTP) aufgestellt, der den Weg zum Ziel konkretisiert.
So sollen die Treibhausgasemissionen aus eigenen Aktivitäten – also Scope 1 und 2 – bis 2026 um 60 Prozent reduziert werden, bis 2030 um 80 Prozent. Auch im Scope-3-Bereich setzt GEA an, will bis 2030 ein Minus von 27,5 Prozent erreichen. Die Gesamtheit dieser Klimaziele hat sich die Firma nun zusätzlich von der Science Based Targets Initiative (SBTI) validieren lassen. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Ziele eingehalten werden, koppelt GEA Teile der Vorstands- und Führungskräftevergütung an diese.
“Wir möchten unsere Vorreiterrolle in der Industrie ausbauen”, gibt sich Nadine Sterley selbstbewusst. Die Nachhaltigkeitschefin sieht dabei durchaus die Herausforderungen, die sowohl auf die GEA Group als auch den Maschinenbau als Ganzes zukommen. Zum einen sind die Maschinen oft sehr energieintensiv, auch bei GEA. “Zum anderen sind sie sehr langlebig, Unternehmen tauschen ihren Maschinenpark nur selten aus”, sagt sie. Beides sind Punkte, die besonders auf Scope 3 einzahlen, ein schwieriges Feld für viele Maschinenbauer. GEA will hier mit energieeffizienteren Lösungen die Kunden locken. Da auch viele der Kunden planen, in Nachhaltigkeit zu investieren, könnte dies zur Reduktion beitragen.
Auf der Jahreshauptversammlung haben die Aktionäre den Plan abgesegnet. Es handelt sich zwar nur um einen Konsultativbeschluss, auch ohne das Plazet war der Plan bereits in Kraft. “Wir wollen unsere Anteilseigner aber einbinden und eine Bekräftigung für unseren Weg einholen”, sagte Sterley vor der Abstimmung.
Gerade institutionelle Anleger legen seit Jahren Wert darauf, dass Unternehmen sich selbst Nachhaltigkeitsziele setzen und diese auch erreichen. “Nachhaltigkeitskennzahlen sind mittlerweile so wichtig wie die finanziellen KPIs”, sagt Bernhard Lorenz, der bei der Unternehmensberatung Deloitte die weltweite Nachhaltigkeits- und Klimastrategieberatung leitet.
Lorenz hält CTPs unter SBTI-Evaluierung für ein gutes Tool zur Vorbereitung auf die CSRD. “Es ist nicht ganz so verbindlich wie die CSRD, aber durchaus anspruchsvoll”, sagt er. Er sieht den deutschen Maschinenbau bisher weniger gefordert bei der Dekarbonisierung, die hohe Exportabhängigkeit habe eine gewisse Schonfrist mit sich gebracht. “Die wird aber auch irgendwann vorbei sein”, meint Lorenz. Zu lange zu warten, könnte sich deshalb rächen. Wer schnell genug umschwenke, der habe aber durchaus Wachstumsperspektiven. Lars-Thorben Niggehoff
Nach der vierten Verhandlungsrunde für ein UN-Plastikabkommen im kanadischen Ottawa ist weiterhin strittig, wie weitreichend das Abkommen sein soll – also ob es spezifische Verpflichtungen für alle Staaten oder grundsätzliche Ziele geben wird. Auch kontrovers diskutiert wurden Regelungen für den Anfang des Lebenszyklus, wie Verbote bestimmter Plastikprodukte oder Reduktionsziele für die Produktion von Primärplastik.
Viele aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft, die einen ambitionierten Vertrag fordern, zeigen sich nach dem vorerst vorletzten Treffen daher ernüchtert. Dass ein Mandat für Zwischen-Verhandlungen bis zur nächsten Runde vereinbart wurde, werten Beobachter allerdings als Erfolg – bei der vorherigen Runde in Nairobi war das nicht gelungen. “Es gibt noch viele umstrittene und teils hochpolitische Schlüsselthemen, bei denen die Staaten sich dringend weiter annähern müssen”, kommentiert Florian Titze, Senior Policy Advisor beim WWF Deutschland, die Einigung auf die sogenannte “intersessional work”.
Für diese Verhandlungen vereinbarten die Staaten nach langem Ringen, dass es bis zur Runde in Busan, Südkorea, um die Möglichkeiten zur Umsetzung, schädliche Chemikalien und das Design von Produkten gehen soll. Streitthemen wie Reichweite oder Primärplastikprodukt sind nicht Teil des Mandats. Das Center for International Environmental Law (CIEL) befürchtet daher, dass ein Abschluss des Abkommens bis Jahresende unrealistisch ist.
Kritik äußert die Umwelt-Organisation an dem aus ihrer Sicht erheblichen Einfluss der Chemie- und Fossilbranche. Fast 200 Vertreter seien für die Verhandlungen registriert gewesen bei insgesamt 2.500 Teilnehmern – was aus Sicht von Beobachtern erklärt, warum sich die Diskussionen vor allem um Bestimmungen fürs Recycling drehen. Doch auch Industriestaaten stehen in der Kritik, weil sie ihre ambitionierten Ziele nicht gegen Widerstände verteidigt hätten, heißt es von CIEL. nh
Erst eines von hundert Unternehmen ist in Deutschland bei der Umstellung auf nachhaltige Geschäftsprozesse bereits weit, der Großteil macht sich erst auf den Weg. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 500 Geschäftsführern und Nachhaltigkeitsbeauftragen deutscher Unternehmen, die von der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit der ESCP Business School durchgeführt wurde. Demnach gibt es:
Zur Bewertung des Fortschritts in Unternehmen führen die Autoren der Studie den sogenannten “Reifegrad nachhaltiger Geschäftsmodelltransformation” als neues Maß ein: Auf einer Skala von 0 bis 1, wobei 0 für das Fehlen von Veränderung und Nachhaltigkeitsausrichtung steht und 1 für stark transformative und nachhaltige Geschäftsmodelle. Insgesamt erreicht die deutsche Wirtschaft einen Wert von knapp 0,4.
Mehr als 60 Prozent der befragten Unternehmen setzten bei der Transformation am Kern ihres Geschäftsmodells an, indem sie ihre Produkte und Dienstleistungen ökologisch orientiert umgestalten. Fast ebenso wichtig sei die Verbesserung von Materialkreisläufen, zum Beispiel durch Recycling, heißt es.
“Vor allem der breite Mittelstand macht sich auf den Weg. Deshalb ist es so wichtig, Unterstützungsangebote wie zum Beispiel Steuergutschriften oder Finanzhilfen zu machen, die Anreize für den nachhaltigen Umbau von Geschäftsmodellen schaffen”, sagt Jakob Kunzlmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Enttäuschend ist aus Sicht der Unternehmen die Rolle der Banken und Investoren für den Wandel der Transformation. Für 34 Prozent sind sie “eher” oder “völlig unwichtig” als Treiber zukünftiger Nachhaltigkeitsanstrengungen. “Der Kapitalmarkt ist einer der am schwächsten bewerteten Treiber zukünftiger Veränderungen. Die Rolle, die er einnehmen könnte und aus Sicht der Politik sollte, erfüllt er offenbar noch nicht”, sagt Fritz Putzhammer, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Für die Studie wurden mit Unterstützung durch die IW Consult GmbH 500 Unternehmen aus der Realwirtschaft zum Thema “nachhaltige Geschäftsmodelltransformation” befragt. cd
Für rund 165 Staaten gibt es neue Berechnungen zur Differenz zwischen Mindestlohn und existenzsicherndem Lohn. Damit sollen Unternehmen berechnen können, wie viel Beschäftigte in bestimmten Ländern verdienen müssten, damit ihr Lohn angemessen ist. Das Recht darauf zu berücksichtigen, ist als eine Pflicht im deutschen Lieferkettengesetz festgelegt. Mittwoch hat die WageIndicator Foundation entsprechende Daten und ein Online-Tool veröffentlicht.
Die Berechnungen der Stiftung zeigen, dass in nur 26 Staaten der Mindestlohn höher liegt als der Lohn, den Menschen bräuchten, um einen angemessenen Lebensstandard nach den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation zu erreichen. In den meisten Ländern der Welt liegt der Mindestlohn deutlich unter dem Existenzminimum. Am größten ist die Lücke im globalen Süden. Während in Deutschland der Mindestlohn 162 Prozent dessen beträgt, was Menschen laut der Berechnungen für das Existenzminimum bräuchten, sind es etwa in Nigeria rund 31 Prozent.
Es sei das erste Mal, dass Daten zu existenzsichernden Löhnen in diesem Umfang für alle frei zugänglich zur Verfügung stünden, heißt es von der Organisation. Die Veröffentlichung sei der Höhepunkt von 25 Jahren harter Arbeit, sagte Co-Gründer Paulien Osse. Mit Daten zu Löhnen, Arbeitsrecht und Tarifverträgen will die WageIndicator Foundation Tarifverhandlungen und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele in diesem Feld unterstützen. Zu den finanziellen Partnern für das Projekt gehören die Unternehmen Ikea, Schneider Electric und Unilever. nh
Europa ist ein weltweiter Innovationsmotor im Bereich Cleantech. Das geht aus einer Studie hervor, die die Europäische Investitionsbank (EIB) und das Europäische Patentamt (EPA) vorgelegt haben. Danach sind zwischen 2017 und 2021 knapp 52.000 internationale Patentanmeldungen (IPF) in diesem Bereich aus der EU gekommen. Das ist mehr als ein Fünftel weltweit.
Rechnet man die europäischen Nicht-EU-Länder hinzu, beträgt der Anteil Europas mehr als ein Viertel. Damit liegt Europa noch vor Japan, China und den USA. Die meisten europäischen Patentanmeldungen im Cleantech-Bereich kommen aus Deutschland. Zwischen 2017 und 2021 waren es 37 Prozent, gefolgt von Frankreich mit 14,5 Prozent und Großbritannien mit 8,5 Prozent.
Cleantech spielt eine zentrale Rolle bei der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und hat in den letzten 25 Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dazu gehören insbesondere kohlenstoffarme Energietechnologien, gefolgt von sauberer Mobilität, Kunststoffalternativen sowie Technologien zur Anpassung an den Klimawandel und für eine saubere Produktion. Weltweit sind mittlerweile über 750.000 IPFs diesem Bereich zuzuordnen. Das sind knapp 12 Prozent aller internationalen Patente.
“Europa spielt bei Cleantech-Innovationen ganz vorne mit – und ein gut funktionierender EU-Binnenmarkt ist wichtig für ihre Verbreitung”, betont EIB-Präsidentin Nadia Calviño. Deshalb fördere die EIB die Entwicklung und Markteinführung von Cleantech durch Risikokapital und strategische Finanzierungen, so Calviño.
Dabei spielen vor allem kleine und mittlere Unternehmen eine wichtige Rolle. So haben laut Studie mehr als 70 Prozent der Unternehmen, die in der EU Patente für saubere und nachhaltige Technologien angemeldet haben, weniger als 5.000 Beschäftigte. Für sie stehen der heimische Markt und der EU-Binnenmarkt im Vordergrund.
Hinzu kommen Großunternehmen, die ihre globale Produktion nachhaltiger gestalten wollen. Unter den 20 weltweit innovativsten Konzernen befinden sich mit Bosch, Siemens, Siemens Energy und BASF auch vier Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Unangefochtene Spitzenreiter bei den Cleantech-Patenten sind jedoch die koreanischen Konzerne LG und Samsung sowie das japanische Unternehmen Toyota. ch
Laut der Umweltorganisation Urgewald stellt der Bankensektor der Kohleindustrie weiter in großem Umfang Finanzmittel zur Verfügung. Ihrer Untersuchung zufolge waren es in den Jahren 2021 bis 2023 insgesamt 470 Milliarden US-Dollar. 80 Milliarden US-Dollar davon waren Kredite. Der Rest entfiel auf Anleihe- und Aktienemissionen. Die notwendige Kehrtwende sei ausgeblieben, kritisieren die Autoren.
Im Jahr 2021 war auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow ein beschleunigter Kohleausstieg beschlossen worden. Geschäftsbanken aus vielen Ländern der Welt hatten daraufhin die Net Zero Banking Alliance (NZBA) ins Leben gerufen. Ihr Ziel: Die Treibhausgasemissionen ihrer Anlagen und Kredite bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren.
“Das Jahr 2021 hätte ein Wendepunkt sein müssen. Doch unsere Daten zeigen, dass die Banken seitdem Hunderte Milliarden Dollar in die Kohleindustrie gesteckt haben. Als hätte es Glasgow nie gegeben, nähren sie weiter den größten Feind unseres Klimas“, kritisiert Katrin Ganswindt, Leiterin der Finanzrecherche bei Urgewald.
Mit Abstand das meiste Geld investierten Banken aus Asien und den USA in den Kohlesektor. Letztere vergaben zwischen 2021 und 2023 Kredite in Höhe von 28,4 Milliarden US-Dollar. Aber selbst das ist wenig, verglichen mit den Banken aus China – sie vergaben im selben Zeitraum Anleihen und Aktien für 321,2 Milliarden US-Dollar.
Deutsche Finanzinstitute rangieren bei der Kohlefinanzierung international eher auf den hinteren Rängen. So lag die Deutsche Bank in den Jahren 2021 bis 2023 unter den 30 größten Kreditgebern weltweit mit 1,14 Milliarden US-Dollar nur auf Platz 22.
Insgesamt belief sich das finanzielle Engagement der Deutschen Bank im Sektor Kohle in diesem Zeitraum auf knapp 1,6 Milliarden US-Dollar. Danach kamen in Deutschland die Commerzbank (608 Millionen USD), die Landesbanken LBBW (455 Millionen USD) und Helaba (306 Millionen USD) sowie die DZ Bank (264 Millionen USD). ch
Am Dienstag eröffneten Bettina Stark-Watzinger, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Holger Hanselka, gemeinsam den ersten Bauabschnitt der Forschungsfertigung Batteriezelle, die FFB PreFAB in Münster.
Die FFB PreFAB stellt hier eine vollständige Fertigungsumgebung von Batteriezellen zur Verfügung. Im zweiten Bauabschnitt, der noch in diesem Jahr beginnen soll, soll die FFB FAB dann eine Fertigungsumgebung unter Gigafactory-Bedingungen mit allen Prozessschritten sowie gängigen Zellformaten bieten.
Das FFB soll als Bindeglied zwischen Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft dienen. Ziel ist es, Ergebnisse aus den wissenschaftlichen Laboratorien in die wirtschaftliche Anwendung zu bringen. Bis zu 500 Millionen Euro kommen vom Forschungsministerium, das Land Nordrhein-Westfalen stellt die Grundstücke zur Verfügung und trägt die Kosten für den Bau der Gebäude. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist verantwortlich für den Betrieb.
Stark-Watzinger betonte die Bedeutung der Batterietechnologie als wichtige Schlüssel- und Zukunftstechnologie und bezeichnete das FFB als weltweit einzigartiges Innovationsinstrument. In diesem könnten “Industrie und Wissenschaft gleichermaßen innovative Batterietechnologien erproben sowie neuartige Batteriezellkonzepte entwickeln und effizient zur Marktreife bringen”. Das BMBF erhofft sich vom FFB auch einen wichtigen Beitrag bei der Ausbildung dringend benötigter Fachkräfte.
Dass diese Fachkräfte dringend benötigt werden, unterstreicht auch eine Stellungnahme mehrerer Verbände, die ebenfalls am Dienstag veröffentlicht wurde. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLiB) und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) kritisieren darin die Anfang des Jahres bekannt gewordenen Kürzungen der Fördermittel für die Batterieforschung. Eine Folge dieser Kürzungen sei eine zunehmende Planungsunsicherheit im akademischen Umfeld. Diese zeige sich unter anderem in rückläufigen Anfragen für Master- oder Doktorarbeiten an den Hochschulen.
Die Verbände fordern daher in den laufenden Haushaltsberatungen ein klares Signal für eine verlässliche, planbare und langfristige Forschungsförderung im Rahmen des BMBF-Dachkonzepts Batterieforschung. Ziel müsse es sein, das entstehende Ökosystem und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in einem entscheidenden Zukunftsmarkt konsequent zu stärken. mw
Wegen des Verdachts auf Greenwashing prüfen die Europäische Kommission und nationale Verbraucherschutzbehörden 20 Fluggesellschaften. Die Unternehmen sollen etwa ihre Behauptungen rechtfertigen, dass die Emissionen ihrer Flüge ausgeglichen werden können, wie die Brüsseler Behörde am Dienstag mitteilte. Namen der betroffenen Unternehmen sind nicht bekannt; beteiligt an der Prüfung waren Behörden aus Belgien, den Niederlanden, Norwegen und Spanien.
Konkret soll es um mehrere potenziell irreführende Praktiken gehen:
Den Unternehmen bleiben nun 30 Tage, um auf das Schreiben der Kommission zu reagieren. Bis dahin müssen sie aufzeigen, wie sie die beanstandeten Probleme aus dem Weg räumen werden. Sollten sie dem nicht nachkommen, können die Verbraucherschutzbehörden weitere Maßnahmen ergreifen – zum Beispiel Sanktionen.
Der Branchenverband Airlines for Europe erklärte dazu, dass seine Mitglieder die “Bedeutung klarer, transparenter Informationen über Nachhaltigkeit” anerkennen würden, wie die Financial Times berichtete. “Besonders besorgt” sei man allerdings über die Prüfung nachhaltiger Flugkraftstoffe, da diese zugleich von der EU “unterstützt und gebilligt” würden.
Mittlerweile wird Greenwashing im Flugverkehr vermehrt geprüft, Klagen häufen sich. So verurteilte etwa Ende März ein niederländisches Gericht die Fluggesellschaft KLM wegen irreführender Versprechen über “nachhaltiges Fliegen”. In Großbritannien wurde Ende letzten Jahres irreführende Werbung von drei Fluggesellschaften verboten – unter anderem von der Lufthansa. Gegen diese hat erst am Samstag die Deutsche Umwelthilfe eine Klage angekündigt. Sie kritisiert die Projekte der Lufthansa zur CO₂-Kompensation als “dreiste Verbrauchertäuschung” und “Greenwashing”. dpa/lb
Deutschland hat 2023 drei neue Partnerschaftsabkommen unterzeichnet, mit Großbritannien, Uruguay und Argentinien. Noch befinden sich viele der avisierten Kooperationsprojekte allerdings im Planungsstand. Weder größere Investitionen noch reale Energielieferungen sind in dem Bericht vermerkt. Die Partnerschaften sollen dabei helfen, den künftig hohen Importbedarf an Wasserstoff zu decken. Die Bundesregierung prognostiziert den Bedarf an möglichst klimaneutral produziertem Wasserstoff auf 95 bis 130 TWh im Jahr 2030. Bis zu 70 Prozent davon sollen importiert werden.
Der Table.Briefings vorab vorliegende “Jahresbericht Klima- und Energiepartnerschaften und Energiedialoge” der Bundesregierung listet Partnerschaften mit insgesamt 32 Ländern rund um den Globus auf. Dazu gehören lose Energiedialoge sowie strukturiertere Klima- und Energiepartnerschaften. Von besonderer Bedeutung sind die zehn Wasserstoffpartnerschaften mit voraussichtlichen Exportländern wie Kanada, Namibia oder Großbritannien. Auch die laut dem Bericht “außergewöhnlich fruchtbare Energiepartnerschaft” mit Algerien, dass bislang Erdgas per Pipeline nach Europa liefert, soll auf längere Sicht diesem Zweck dienen.
Über den materiellen Sachstand finden sich in dem Bericht nur in wenigen Länderkapiteln detaillierte Angaben. Demnach erhielt die Ukraine 2023 Hilfen von mehr als 300 Millionen Euro unter anderem für die Reparatur von Energieinfrastruktur sowie den grünen Strukturwandel. 375 Millionen Euro investierte hingegen das Partnerland Vereinigte Arabischen Emirate in Offshore-Windkraft in der deutschen Ostsee.
Nach Ansicht von Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigen die Partnerschaften, “wie Deutschland auf internationale Kooperationen und faire Partnerschaften baut”. Insbesondere der “Hochlauf der globalen Wasserstoffwirtschaft und die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern” würde es ermöglichen, “den Handel mit fossilen Brennstoffen weltweit durch erneuerbare Energie zu ersetzen”. av
France pushes for global carbon, air and shipping levies at UN tax convention – EU Observer
Bei Gesprächen über eine neue UN-Steuerkonvention setze Frankreich sich für eine neue UN-Steuerbehörde ein. Diese solle globale Steuern auf Kohlenstoff, Luftverkehr und Schifffahrt erheben, berichtet Benjamin Fox. Zum Artikel
UK ‘not exciting’ for green investors, says former climate adviser – Financial Times
Großbritannien habe bei umweltfreundlichen Investitionen deutlich an Attraktivität verloren, sagt der ehemalige Chef des Climate Change Committees, Chris Stark, im Gespräch mit Attracta Mooney und Jim Pickard. Investoren würden sich von dem Land abwenden. Grund sei die Entscheidung von Premierminister Sunak, die Netto-Null-Ziele zurückzuschrauben, sowie die fehlende Reaktion auf den Inflation Reduction Act der USA. Zum Artikel
Decarbonising data centres will shape the green transition – Financial Times
Schon 2026 könnte sich der Energiebedarf von digitalen Datenzentren auf 1000 TWh belaufen, schreibt Kolumnistin Camilla Palladino. Inzwischen bauten daher viele Konzerne wie Amazon oder Meta ihre eigenen Backup-Kraftwerke. Manche werden mit Gas betrieben, aber die Digitalkonzerne denken auch über Atomkraft nach. Zum Artikel
Die Welt setzt immer noch auf Kohle – FAZ
Im Jahr 2022 sei nach Angaben der IEA weltweit so viel Kohle verstromt worden wie noch nie, berichten Hanna Decker und Christian Schubert. Die Energie- und Umweltminister der G-7-Länder haben sich nun geeinigt, die Kohleverstromung bis zum Jahr 2035 zu beenden. Besonders für Deutschland dürfte dies schwer werden. Andere Länder seien schon deutlich weiter. Zum Artikel
Tech-Investorin Cathie Wood: “Wenn die Preise für Elektroautos auf 20 000 Dollar fallen, wird die Nachfrage explodieren” – Neue Zürcher Zeitung
Die Gründerin des Fonds Ark Invest Cathie Wood setzt auf Disruption und neue Technologien und ist optimistisch, was die Zukunft von E-Autos, KI und ein Ende der Inflation betrifft, schreiben Lorenz Honegger und Eflamm Mordrelle. Benzinbetriebene Autos würden “in etwa fünf Jahren überflüssig sein”, sagt sie. Zum Artikel
“Industrie könnte im großen Stil abwandern” – Der Spiegel
Zum Tag der Arbeit sprachen Rasmus Buchsteiner und Christian Teevs mit DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Sie plädiert gegen Wirtschaftssubventionen “mit der Gieskanne”. Besser sei Unterstützung dort, wo hohe Energiepreise und digitale Innovationssprünge existentielle Kosten verursachen. Zum Interview
Tesla Fires Many on Charger Team, Raising Doubts About Expansion – The New York Times
Tesla entlässt 500 Mitarbeiter, die mit dem Aufbau der Ladeinfrastruktur des Elektroautoherstellers befasst sind. Das dürfte nicht ohne Folgen für den Verkauf von E-Autos in den USA bleiben, vermutet Jack Ewing. Zumal Tesla-Chef Elon Musk erst im vergangenen Jahr mit den Chefs von General Motors, Ford Motor und anderen Autoherstellern über die Nutzung der Tesla-Ladestationen gesprochen hatte. Zum Artikel
Mehrere NGOs fordern eine Steuer für Klimaschäden – Der Standard
Die ärmsten Länder der Welt trifft der Klimawandel doppelt. Sie spüren die Folgen nicht nur am stärksten, sie haben auch nicht die Mittel, sich dagegen zu wappnen oder die Schäden zu bewältigen. Mehr als 100 Sozial- und Umweltschutzorganisationen aus unterschiedlichen Ländern weltweit fordern nun, dass die wohlhabenden Länder eine sogenannte Climate Damages Tax einführen, eine Klimaschadensteuer. Wie Lisa Breit berichtet, soll sie auf jede Tonne CO₂ bei der Gewinnung von Kohle, Öl und Gas anfallen. Zum Artikel
Nachhaltig und rentabel? Das falsche Versprechen der Öko-Fonds – Welt
Das Investieren nach ESG-Kriterien, also Mindeststandards im Umwelt- und Klimaschutz, bei den Arbeitsbedingungen sowie der Unternehmensführung, werden seit Jahren beworben und von der EU gefördert. Doch sie halten nicht, was sie versprechen, schreibt Frank Stocker. Zum Artikel
Wie Nachhaltigkeit aufs Employer Branding einzahlt – Personalwirtschaft
Grüne Personalarbeit entwickelt sich zum entscheidenden Faktor für eine attraktive Arbeitsplatzgestaltung. Was das fürs Employer Branding bedeutet, erklärt Marcus Merheim. Zum Artikel
Die sogenannte “Reichensteuer” gilt manchen als eierlegende Wollmilchsau unter den politischen Instrumenten – ein scheinbar unerschöpflicher Quell ewiger Finanzmittel, um nahezu sämtliche Probleme der Welt mit Geld zuzuschütten. In einem aktuellen Beispiel argumentierte etwa Till Kellerhoff, Programmdirektor des Club of Rome, kürzlich an dieser Stelle, dass die “Reichensteuer” zur Finanzierung staatlicher Zukunftsinvestitionen diene und damit zur klimapolitischen Wunderwaffe werden könne.
Zweifellos stellt der Klimawandel unsere Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Doch Klimaschutz deshalb als Vehikel ausufernder Umverteilungsfantasien zu nutzen, ist genauso falsch, wie dem Staat reflexhaft die alleinige Lösungskompetenz zuzuschreiben. Denn tatsächlich gibt es bereits ein funktionierendes Klimaschutzinstrument, das klugerweise nicht den Staat, sondern den Markt in die Pflicht nimmt und auch einer gesellschaftlich gerechten Kostenverteilung Rechnung trägt: den Emissionshandel.
Till Kellerhoffs Argumentation basiert auf der Annahme, der Staat könne über Subventionen oder Verbote unmittelbar für die Umstellung auf klimafreundliche Produktions- und Verhaltensweisen sorgen. Dass dies bloß ein naiver Glaube ist, wissen nicht nur wir Freien Demokraten, sondern auch das Bundesverfassungsgericht gemäß seinem Klimaschutzurteil von 2021. Das Gericht erklärte, dass der Staat nicht für diese klimafreundliche Umstellung zuständig sein könne oder überhaupt sein sollte, weil es “dem Gesetzgeber auch kaum gelingen [kann], die erforderlichen Entwicklungen konkret vorzugeben”.
Der Weg zur Klimaneutralität ist mit technologischen Durchbrüchen, variablen Marktdynamiken und sich veränderndem menschlichen Verhalten gepflastert. Und weil sich selbst mit einer “Reichensteuer” keine wahrsagende Glaskugel für einen anpassungsfähigeren Staat herbeizaubern lässt, muss die Klimapolitik konsequenterweise auf andere Anreize und Instrumente zurückgreifen.
Letztlich, hierin stimme ich Till Kellerhoff grundsätzlich zu, geht es in der Klimapolitik um eine fundamentale Verteilungsfrage. Es geht allerdings nicht um die staatlich organisierte Umverteilung von Geld, sondern darum, wie die verbliebenen CO₂-Emissionen verteilt werden, die bis zur Klimaneutralität 2045 noch ausgestoßen werden dürfen. Und wie immer zeigt sich der Markt als unschlagbar bei der ebenso effizienten wie fairen Verteilung knapper Ressourcen.
Mit dem Emissionshandel werden die Restemissionen gemäß den Klimazielen streng gedeckelt. Der Ausstoß von CO₂ ist nur mit einem entsprechenden Zertifikat erlaubt. Damit wird sichergestellt, dass wir die Emissionsminderungsziele garantiert erreichen. Die begrenzte Menge an zulässigen Emissionen wird nicht durch staatliche Willkür, sondern im freien Handel verteilt. Der Preis bildet sich in bewährter Manier durch Angebot und Nachfrage. Das sorgt dafür, dass die Emissionen zuerst von denen reduziert werden, die dies mit dem geringsten Aufwand bewerkstelligen können. Dem Staat fehlt alleine schon das Wissen über die unterschiedlichen CO₂-Vermeidungskosten der einzelnen Akteure, um die Verteilung der Emissionen auch nur annähernd so effizient zu gestalten.
Außerdem generiert der Emissionshandel über den CO₂-Preis Einnahmen, mit denen ein Sozialausgleich in Form eines pauschal ausgezahlten Klimagelds geschaffen werden kann. Menschen mit geringeren Einkommen werden dadurch im Verhältnis stärker entlastet und müssen im Schnitt auch weniger CO₂-Kosten tragen. Denn im Emissionshandel gilt das Verursacherprinzip: Wer viele Emissionen verursacht, ob reich oder arm, muss auch mehr dafür zahlen. Wer klimafreundlicher lebt, hat geringere Kosten und kann sogar profitieren. Und weil die Restemissionen bis zur Klimaneutralität gedeckelt sind, ist auch kein endloses “Freikaufen” wie zu Zeiten des christlichen Ablasshandels möglich.
Anstatt also über fragwürdige Schätzgrößen wie den sogenannten CO₂-Fußabdruck einen vermeintlich gerechten Kostenanteil zu überschlagen, wird die CO₂-Intensität individueller sowie unternehmerischer Verhaltensweisen im marktbasierten Ansatz unmittelbar und viel präziser eingepreist – und obendrein noch positiv beeinflusst.
Leider war es dem Staat in Deutschland bislang technisch nicht möglich, Geld an alle Bürger zu überweisen. Dank Bundesfinanzminister Christian Lindner ändert sich das nun. Sobald der Auszahlungsmechanismus Anfang 2025 final steht, kann das Klimageld ausgezahlt werden – wenn die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung nicht für fragwürdige Subventionen aufgebraucht werden.
Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Übergang in eine klimaneutrale Gesellschaft liegt in einer Politik, die Innovationen anreizt, den Markt als Verbündeten gewinnt und die Kosten gerecht verteilt. In Europa hat man sich daher zurecht für den Emissionshandel als zentrales Klimaschutzinstrument entschieden, weil er sicherstellt, dass wir die Emissionsminderungsziele garantiert und zu den geringsten Kosten erreichen.
Durch seine Lenkungswirkung macht der Emissionshandel private Investitionen in saubere Zukunftstechnologien attraktiv und verhilft damit den Technologien zum Durchbruch, die CO₂ am besten einsparen – ganz ohne staatliche Subventionsspritzen. Während der Emissionshandel also eine effektive Lösung im Klimaschutz bietet, ist die “Reichensteuer” nur ein politisches Blendwerk, das Wohlstand bestraft, ohne das Klima zu retten.
Lukas Köhler ist stellvertretender Vorsitzender der FDP im Bundestag. In der vergangenen Legislaturperiode war er klimapolitischer Sprecher der Fraktion.
China.Table – Xi und Macron müssen über E-Auto-Subventionen reden: Der chinesische Präsident besucht nächste Woche Paris – und wird seinen Ärger über die EU-Antisubventionsuntersuchungen mitbringen. Frankreich fährt im Automarkt eine ganz andere Strategie als Deutschland. Die Uneinigkeit verhindert eine starke EU-Position. Zum Artikel
Climate.Table – Wie Klima-Desinformation den europäischen Wahlkampf polarisiert: Im EU-Wahlkampf spielen Falschinformation und Verzögerungsnarrative eine wachsende Rolle. Im Vergleich zu früheren Wahlen kommt Klima-Desinformation heute viel subtiler daher – und ist dadurch noch gefährlicher. Zum Artikel
Climate.Table – Fortschrittsmonitor Energiewende: Große Erfolge, gewaltiger Investitionsbedarf: Der Fortschrittsmonitor von BDEW und EY attestiert der Regierung, dass die Energiewende an Fahrt aufgenommen habe – und mahnt, die Investitionen müssten steigen, um die Klimaziele zu erreichen. Zum Artikel
Plastikmüll ist seit langem bekanntermaßen eines der großen Menschheitsprobleme. Aber das löst die Weltgemeinschaft bislang nicht. Bei der UN-Konferenz für ein globales Plastikabkommen kamen die Staaten in Ottawa wieder nur wenig voran, womit sich Nicolas Heronymus beschäftigt.
Andererseits zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass sich in Deutschland gerade viele Unternehmen auf den Weg der Transformation machen. Wie ein Unternehmen das konkret für sich in einem wichtigen Transformationsfeld angeht, zeigt das Beispiel des Maschinenbauers GEA. Lars-Thorben Niggehoff berichtet.
Insgesamt geht die Transformation der Wirtschaft bislang viel zu langsam voran. Mit den bisherigen Maßnahmen ist es nur gelungen, in Einzelsektoren eine Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum zu erreichen, aber bei weitem nicht in der “notwendigen Tiefe und Geschwindigkeit” – sagt der Politikwissenschaftler Ulrich Brand. Er analysiert gemeinsam mit seinem Ko-Autor Markus Wissen in seinem neuen Buch “Kapitalismus am Limit” die sich zuspitzenden Konflikte um die sozial-ökologische Transformation auf der globalen Ebene. Alex Veit hat ihn interviewt.
Bei der Umsetzung der Transformation gibt es große Unterschiede, wenn es um die Wahl der richtigen Mittel geht, etwa zur Lösung der Verteilungsfrage. Der FDP-Politiker Lukas Köhler setzt ganz auf den Markt und reagiert mit seinem Standpunkt auf die Überlegungen zum Nutzen einer Reichensteuer.
Sehr geehrter Herr Brand, in Ihrem neuen Buch nutzen Sie die Metapher der Grenzen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems. Welche Grenzen sind damit gemeint?
Ulrich Brand: Das Grundargument von “Kapitalismus am Limit” ist nicht, dass der Kapitalismus irgendwann den großen Shutdown erlebt. Sondern dass der Kapitalismus durch Wachstum und Rohstoffverbrauch funktioniert, aber diese Potenziale nun weniger ausschöpfbar sind. Der nördliche Wohlstandsimperialismus, durch den bisher auf billige Arbeitskraft und Rohstoffe vor allem im Süden zurückgegriffen wurde, gerät an eine Grenze. Wir nennen dies öko-imperiale Spannungen. Andere Südländer, vor allem China, aber auch Indien, wollen selbst an diese Rohstoffe.
In der Klimafrage gibt es Grenzen der bisherigen Externalisierung in die Zukunft. Der Klimawandel fand bislang im globalen Süden statt. Aber nun zeigen Überschwemmungen und Trockenheit auch in Mitteleuropa, dass der bislang bestehende Kapitalismus auch diesbezüglich an ein Limit kommt.
In dem Buch befassen Sie sich auch mit dem European Green Deal, der bis zur Mitte des Jahrhunderts die Dekarbonisierung erreichen soll. Ein epochales gesellschaftliches Projekt. Sie sagen aber: Das reicht nicht aus.
Erst mal möchte ich betonen: Das ist ein wichtiges, dynamisches Projekt. Wir müssen dekarbonisieren, was ein starker politischer Konsens ist. Damit das erfolgreich sein kann, müssten jedoch auch die Kräfteverhältnisse und die gesellschaftlichen Bedingungen verändert werden. Denn drei strukturelle Mechanismen werden nicht in Frage gestellt. Der erste Mechanismus ist Wachstum: Es soll grün werden. Aber Wachstum korreliert mit mehr Emissionen und Rohstoffverbrauch. Der zweite Mechanismus ist die Wettbewerbsfähigkeit, die zu öko-imperialen Spannungen führt. Die Art und Weise der Dekarbonisierung im globalen Norden und in China betrifft andere Regionen negativ. Und der dritte Mechanismus, eng damit verbunden, ist die Externalisierung. Unsere Produktions- und Lebensweise basiert auf billiger Arbeitskraft und billigen Rohstoffen von anderen Orten. Die Möglichkeiten zur Externalisierung nehmen zwar ab, doch sie werden notfalls mit Gewalt aufrechterhalten. Internationale Kooperation zur gemeinsamen Bearbeitung der Klimakrise hat es da schwer.
Sie nennen Rohstoffproblematiken und Arbeitsrechte. Europäische Regulierungen setzen aber bereits daran an, etwa durch die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft oder mittels Lieferkettengesetzen.
Wir sagen nicht, dass wir da Neuland betreten. Aber etwa das Lieferketten-Gesetz ist ausgehöhlt worden. Weil es Kräfte gibt, die Druck machen. Wenn es um sozialen und ökologischen Umbau geht, muss Politik sich mit mächtigen Interessen anlegen und Kräfteverhältnisse ändern.Mit dem historischen New Deal der 1930er Jahre hat der damalige US-Präsident Franklin Roosevelt die Frage der Besteuerung von Vermögen gestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine enorme Vermögens- und Gewinnsteuer in den USA. Da traut sich die heutige Politik aber nicht heran.
Sie kritisieren am European Green Deal auch, dass er grünes Wachstum in Aussicht stellt, durch eine Entkopplung von Wertschöpfung einerseits und Emissionsausstoß und Rohstoffverbrauch andererseits. Was ist daran falsch?
Eine Metastudie aus Wien hat mehr als 800 Publikationen auf diese Entkopplungsfrage hin untersucht und zeigt, dass die relative Entkopplung durchaus funktioniert. Aber nicht die absolute Entkopplung. Entkopplung gelingt in Einzelsektoren, aber nicht mit der notwendigen Tiefe und Geschwindigkeit. Hinzu kommt, dass die Industrieländer ihren Materialverbrauch und Emissionen viel stärker senken müssten, damit es woanders noch Entwicklungsspielraum gibt.
Wir sind nicht per se gegen Wachstum. Wir müssen jedoch qualitativ schauen: aus welchen Branchen müssen wir raus, wo muss reduziert und umgebaut werden, und wo muss aufgebaut werden? Wir brauchen Wachstum an erneuerbaren Energien, ökologischer Landwirtschaft, bestimmten Verkehrsinfrastrukturen, in der Bildung und Gesundheit. Das Argument ist: Es muss zugleich Ziele eines materiellen Rückbaus geben. Und das muss politisch durchgekämpft werden.
Viele Unternehmen versuchen, innerhalb der gegebenen Strukturen nachhaltig und zukunftsfähig zu produzieren, und dabei Gewinne zu erzielen. Ist ein ethisches Wirtschaften aus Ihrer Sicht überhaupt möglich?
Absolut. Ich bin ja selbst gelernter Betriebswirt. Wir brauchen unbedingt private Unternehmen, die nicht dem harten Shareholder-Value genügen müssen, sondern mit sozial-ökologisch sinnvoller Produktion und Produkten vorangehen können. Auf einer kleinen und mittleren Ebene. Und wenn es geht, auch auf einer großen Ebene. Die große Ebene ist aber sehr vermachtet, die fossilen Interessen sind stark und gut organisiert. Gerade für diese Unternehmen ist es aber wichtig, dass sozial-ökologische Ansätze keinen Konkurrenznachteil darstellen. Hier ist die Politik gefragt, Regeln für alle zu schaffen.
Wer sind denn die Akteure, welche diese Machtkonstellationen aufbrechen können? Gehören Unternehmen dazu?
Wenn progressive, sozialökologische Unternehmen und ihre Verbände sagen: Wir wollen das anders. Wir werden konfliktiv, denn bestimmte Interessen müssen zurückgestellt, bestimmte Subventionen müssen zurückgefahren werden, dann sind sie hoch relevant. Weiterhin wichtig sind immer soziale Bewegungen, die Themen politisieren. Und auch die Politik selbst. Es gibt innerhalb der Parteien Kämpfe, zum Beispiel hier in Österreich. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs wird gerade neu aufgestellt. Mit dem Vorsitzenden Andreas Babler gibt es jemanden, der kapiert hat, dass zukunftsfähige Politik Macht- und Verteilungsfragen stellen muss, den sozialen und ökologischen Umbau zusammen angehen möchte, und die anti-ökologischen autoritären Kräfte scharf kritisiert. In Deutschland sehe ich in der Spitzenpolitik zurzeit keine Person, welche die Weitsicht von Andreas Babler hätte.
Wenn es um die Reduktion von CO₂-Emissionen geht, stehen bestimmte Sektoren im Fokus – etwa der Verkehrssektor und hitzige Debatten ums Tempolimit oder die Landwirtschaft, wo Reformpläne Landwirte mit ihren Traktoren in die Städte treiben. Weniger im Fokus steht hingegen der Maschinenbau. Dabei ist er eine der wichtigsten Branchen Deutschlands.
Und er stößt auch reichlich Treibhausgase aus. Entlang der Wertschöpfungskette fallen laut Umweltbundesamt 58 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente an. Das sind 215 Kilogramm je 1.000 Euro Umsatz, ein ähnliches Niveau wie bei der Automobilindustrie. Es gäbe also viel zu tun. Aber noch hinkt die Branche hinterher. Ein Grund: Der Druck zur Transformation ist geringer als in anderen Sektoren, weil viele Käufer außerhalb der EU sitzen – wo geringere Standards gelten.
Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll sich aber der Druck erhöhen. 15.000 Unternehmen in Deutschland wird die Richtlinie schätzungsweise direkt betreffen. Auch viele Maschinenbauer müssen umfassende Nachhaltigkeitsberichte vorlegen.
Bei der GEA Group fühlen sie sich dafür gut vorbereitet. Das Unternehmen stellt vor allem Prozesstechnik und Komponenten für die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie her, etwa Ausstattung für Brauereien. Bereits 2021 verpflichtete man sich auf das Ziel, bis 2040 Netto-Null-Treibhausgase zu erreichen – also Emissionen zu senken und nicht vermeidbare auszugleichen. Jetzt wollen die Düsseldorfer nachlegen: GEA hat einen Klimaplan (Climate Transition Plan, CTP) aufgestellt, der den Weg zum Ziel konkretisiert.
So sollen die Treibhausgasemissionen aus eigenen Aktivitäten – also Scope 1 und 2 – bis 2026 um 60 Prozent reduziert werden, bis 2030 um 80 Prozent. Auch im Scope-3-Bereich setzt GEA an, will bis 2030 ein Minus von 27,5 Prozent erreichen. Die Gesamtheit dieser Klimaziele hat sich die Firma nun zusätzlich von der Science Based Targets Initiative (SBTI) validieren lassen. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Ziele eingehalten werden, koppelt GEA Teile der Vorstands- und Führungskräftevergütung an diese.
“Wir möchten unsere Vorreiterrolle in der Industrie ausbauen”, gibt sich Nadine Sterley selbstbewusst. Die Nachhaltigkeitschefin sieht dabei durchaus die Herausforderungen, die sowohl auf die GEA Group als auch den Maschinenbau als Ganzes zukommen. Zum einen sind die Maschinen oft sehr energieintensiv, auch bei GEA. “Zum anderen sind sie sehr langlebig, Unternehmen tauschen ihren Maschinenpark nur selten aus”, sagt sie. Beides sind Punkte, die besonders auf Scope 3 einzahlen, ein schwieriges Feld für viele Maschinenbauer. GEA will hier mit energieeffizienteren Lösungen die Kunden locken. Da auch viele der Kunden planen, in Nachhaltigkeit zu investieren, könnte dies zur Reduktion beitragen.
Auf der Jahreshauptversammlung haben die Aktionäre den Plan abgesegnet. Es handelt sich zwar nur um einen Konsultativbeschluss, auch ohne das Plazet war der Plan bereits in Kraft. “Wir wollen unsere Anteilseigner aber einbinden und eine Bekräftigung für unseren Weg einholen”, sagte Sterley vor der Abstimmung.
Gerade institutionelle Anleger legen seit Jahren Wert darauf, dass Unternehmen sich selbst Nachhaltigkeitsziele setzen und diese auch erreichen. “Nachhaltigkeitskennzahlen sind mittlerweile so wichtig wie die finanziellen KPIs”, sagt Bernhard Lorenz, der bei der Unternehmensberatung Deloitte die weltweite Nachhaltigkeits- und Klimastrategieberatung leitet.
Lorenz hält CTPs unter SBTI-Evaluierung für ein gutes Tool zur Vorbereitung auf die CSRD. “Es ist nicht ganz so verbindlich wie die CSRD, aber durchaus anspruchsvoll”, sagt er. Er sieht den deutschen Maschinenbau bisher weniger gefordert bei der Dekarbonisierung, die hohe Exportabhängigkeit habe eine gewisse Schonfrist mit sich gebracht. “Die wird aber auch irgendwann vorbei sein”, meint Lorenz. Zu lange zu warten, könnte sich deshalb rächen. Wer schnell genug umschwenke, der habe aber durchaus Wachstumsperspektiven. Lars-Thorben Niggehoff
Nach der vierten Verhandlungsrunde für ein UN-Plastikabkommen im kanadischen Ottawa ist weiterhin strittig, wie weitreichend das Abkommen sein soll – also ob es spezifische Verpflichtungen für alle Staaten oder grundsätzliche Ziele geben wird. Auch kontrovers diskutiert wurden Regelungen für den Anfang des Lebenszyklus, wie Verbote bestimmter Plastikprodukte oder Reduktionsziele für die Produktion von Primärplastik.
Viele aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft, die einen ambitionierten Vertrag fordern, zeigen sich nach dem vorerst vorletzten Treffen daher ernüchtert. Dass ein Mandat für Zwischen-Verhandlungen bis zur nächsten Runde vereinbart wurde, werten Beobachter allerdings als Erfolg – bei der vorherigen Runde in Nairobi war das nicht gelungen. “Es gibt noch viele umstrittene und teils hochpolitische Schlüsselthemen, bei denen die Staaten sich dringend weiter annähern müssen”, kommentiert Florian Titze, Senior Policy Advisor beim WWF Deutschland, die Einigung auf die sogenannte “intersessional work”.
Für diese Verhandlungen vereinbarten die Staaten nach langem Ringen, dass es bis zur Runde in Busan, Südkorea, um die Möglichkeiten zur Umsetzung, schädliche Chemikalien und das Design von Produkten gehen soll. Streitthemen wie Reichweite oder Primärplastikprodukt sind nicht Teil des Mandats. Das Center for International Environmental Law (CIEL) befürchtet daher, dass ein Abschluss des Abkommens bis Jahresende unrealistisch ist.
Kritik äußert die Umwelt-Organisation an dem aus ihrer Sicht erheblichen Einfluss der Chemie- und Fossilbranche. Fast 200 Vertreter seien für die Verhandlungen registriert gewesen bei insgesamt 2.500 Teilnehmern – was aus Sicht von Beobachtern erklärt, warum sich die Diskussionen vor allem um Bestimmungen fürs Recycling drehen. Doch auch Industriestaaten stehen in der Kritik, weil sie ihre ambitionierten Ziele nicht gegen Widerstände verteidigt hätten, heißt es von CIEL. nh
Erst eines von hundert Unternehmen ist in Deutschland bei der Umstellung auf nachhaltige Geschäftsprozesse bereits weit, der Großteil macht sich erst auf den Weg. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 500 Geschäftsführern und Nachhaltigkeitsbeauftragen deutscher Unternehmen, die von der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit der ESCP Business School durchgeführt wurde. Demnach gibt es:
Zur Bewertung des Fortschritts in Unternehmen führen die Autoren der Studie den sogenannten “Reifegrad nachhaltiger Geschäftsmodelltransformation” als neues Maß ein: Auf einer Skala von 0 bis 1, wobei 0 für das Fehlen von Veränderung und Nachhaltigkeitsausrichtung steht und 1 für stark transformative und nachhaltige Geschäftsmodelle. Insgesamt erreicht die deutsche Wirtschaft einen Wert von knapp 0,4.
Mehr als 60 Prozent der befragten Unternehmen setzten bei der Transformation am Kern ihres Geschäftsmodells an, indem sie ihre Produkte und Dienstleistungen ökologisch orientiert umgestalten. Fast ebenso wichtig sei die Verbesserung von Materialkreisläufen, zum Beispiel durch Recycling, heißt es.
“Vor allem der breite Mittelstand macht sich auf den Weg. Deshalb ist es so wichtig, Unterstützungsangebote wie zum Beispiel Steuergutschriften oder Finanzhilfen zu machen, die Anreize für den nachhaltigen Umbau von Geschäftsmodellen schaffen”, sagt Jakob Kunzlmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Enttäuschend ist aus Sicht der Unternehmen die Rolle der Banken und Investoren für den Wandel der Transformation. Für 34 Prozent sind sie “eher” oder “völlig unwichtig” als Treiber zukünftiger Nachhaltigkeitsanstrengungen. “Der Kapitalmarkt ist einer der am schwächsten bewerteten Treiber zukünftiger Veränderungen. Die Rolle, die er einnehmen könnte und aus Sicht der Politik sollte, erfüllt er offenbar noch nicht”, sagt Fritz Putzhammer, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Für die Studie wurden mit Unterstützung durch die IW Consult GmbH 500 Unternehmen aus der Realwirtschaft zum Thema “nachhaltige Geschäftsmodelltransformation” befragt. cd
Für rund 165 Staaten gibt es neue Berechnungen zur Differenz zwischen Mindestlohn und existenzsicherndem Lohn. Damit sollen Unternehmen berechnen können, wie viel Beschäftigte in bestimmten Ländern verdienen müssten, damit ihr Lohn angemessen ist. Das Recht darauf zu berücksichtigen, ist als eine Pflicht im deutschen Lieferkettengesetz festgelegt. Mittwoch hat die WageIndicator Foundation entsprechende Daten und ein Online-Tool veröffentlicht.
Die Berechnungen der Stiftung zeigen, dass in nur 26 Staaten der Mindestlohn höher liegt als der Lohn, den Menschen bräuchten, um einen angemessenen Lebensstandard nach den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation zu erreichen. In den meisten Ländern der Welt liegt der Mindestlohn deutlich unter dem Existenzminimum. Am größten ist die Lücke im globalen Süden. Während in Deutschland der Mindestlohn 162 Prozent dessen beträgt, was Menschen laut der Berechnungen für das Existenzminimum bräuchten, sind es etwa in Nigeria rund 31 Prozent.
Es sei das erste Mal, dass Daten zu existenzsichernden Löhnen in diesem Umfang für alle frei zugänglich zur Verfügung stünden, heißt es von der Organisation. Die Veröffentlichung sei der Höhepunkt von 25 Jahren harter Arbeit, sagte Co-Gründer Paulien Osse. Mit Daten zu Löhnen, Arbeitsrecht und Tarifverträgen will die WageIndicator Foundation Tarifverhandlungen und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele in diesem Feld unterstützen. Zu den finanziellen Partnern für das Projekt gehören die Unternehmen Ikea, Schneider Electric und Unilever. nh
Europa ist ein weltweiter Innovationsmotor im Bereich Cleantech. Das geht aus einer Studie hervor, die die Europäische Investitionsbank (EIB) und das Europäische Patentamt (EPA) vorgelegt haben. Danach sind zwischen 2017 und 2021 knapp 52.000 internationale Patentanmeldungen (IPF) in diesem Bereich aus der EU gekommen. Das ist mehr als ein Fünftel weltweit.
Rechnet man die europäischen Nicht-EU-Länder hinzu, beträgt der Anteil Europas mehr als ein Viertel. Damit liegt Europa noch vor Japan, China und den USA. Die meisten europäischen Patentanmeldungen im Cleantech-Bereich kommen aus Deutschland. Zwischen 2017 und 2021 waren es 37 Prozent, gefolgt von Frankreich mit 14,5 Prozent und Großbritannien mit 8,5 Prozent.
Cleantech spielt eine zentrale Rolle bei der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und hat in den letzten 25 Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dazu gehören insbesondere kohlenstoffarme Energietechnologien, gefolgt von sauberer Mobilität, Kunststoffalternativen sowie Technologien zur Anpassung an den Klimawandel und für eine saubere Produktion. Weltweit sind mittlerweile über 750.000 IPFs diesem Bereich zuzuordnen. Das sind knapp 12 Prozent aller internationalen Patente.
“Europa spielt bei Cleantech-Innovationen ganz vorne mit – und ein gut funktionierender EU-Binnenmarkt ist wichtig für ihre Verbreitung”, betont EIB-Präsidentin Nadia Calviño. Deshalb fördere die EIB die Entwicklung und Markteinführung von Cleantech durch Risikokapital und strategische Finanzierungen, so Calviño.
Dabei spielen vor allem kleine und mittlere Unternehmen eine wichtige Rolle. So haben laut Studie mehr als 70 Prozent der Unternehmen, die in der EU Patente für saubere und nachhaltige Technologien angemeldet haben, weniger als 5.000 Beschäftigte. Für sie stehen der heimische Markt und der EU-Binnenmarkt im Vordergrund.
Hinzu kommen Großunternehmen, die ihre globale Produktion nachhaltiger gestalten wollen. Unter den 20 weltweit innovativsten Konzernen befinden sich mit Bosch, Siemens, Siemens Energy und BASF auch vier Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Unangefochtene Spitzenreiter bei den Cleantech-Patenten sind jedoch die koreanischen Konzerne LG und Samsung sowie das japanische Unternehmen Toyota. ch
Laut der Umweltorganisation Urgewald stellt der Bankensektor der Kohleindustrie weiter in großem Umfang Finanzmittel zur Verfügung. Ihrer Untersuchung zufolge waren es in den Jahren 2021 bis 2023 insgesamt 470 Milliarden US-Dollar. 80 Milliarden US-Dollar davon waren Kredite. Der Rest entfiel auf Anleihe- und Aktienemissionen. Die notwendige Kehrtwende sei ausgeblieben, kritisieren die Autoren.
Im Jahr 2021 war auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow ein beschleunigter Kohleausstieg beschlossen worden. Geschäftsbanken aus vielen Ländern der Welt hatten daraufhin die Net Zero Banking Alliance (NZBA) ins Leben gerufen. Ihr Ziel: Die Treibhausgasemissionen ihrer Anlagen und Kredite bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren.
“Das Jahr 2021 hätte ein Wendepunkt sein müssen. Doch unsere Daten zeigen, dass die Banken seitdem Hunderte Milliarden Dollar in die Kohleindustrie gesteckt haben. Als hätte es Glasgow nie gegeben, nähren sie weiter den größten Feind unseres Klimas“, kritisiert Katrin Ganswindt, Leiterin der Finanzrecherche bei Urgewald.
Mit Abstand das meiste Geld investierten Banken aus Asien und den USA in den Kohlesektor. Letztere vergaben zwischen 2021 und 2023 Kredite in Höhe von 28,4 Milliarden US-Dollar. Aber selbst das ist wenig, verglichen mit den Banken aus China – sie vergaben im selben Zeitraum Anleihen und Aktien für 321,2 Milliarden US-Dollar.
Deutsche Finanzinstitute rangieren bei der Kohlefinanzierung international eher auf den hinteren Rängen. So lag die Deutsche Bank in den Jahren 2021 bis 2023 unter den 30 größten Kreditgebern weltweit mit 1,14 Milliarden US-Dollar nur auf Platz 22.
Insgesamt belief sich das finanzielle Engagement der Deutschen Bank im Sektor Kohle in diesem Zeitraum auf knapp 1,6 Milliarden US-Dollar. Danach kamen in Deutschland die Commerzbank (608 Millionen USD), die Landesbanken LBBW (455 Millionen USD) und Helaba (306 Millionen USD) sowie die DZ Bank (264 Millionen USD). ch
Am Dienstag eröffneten Bettina Stark-Watzinger, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Holger Hanselka, gemeinsam den ersten Bauabschnitt der Forschungsfertigung Batteriezelle, die FFB PreFAB in Münster.
Die FFB PreFAB stellt hier eine vollständige Fertigungsumgebung von Batteriezellen zur Verfügung. Im zweiten Bauabschnitt, der noch in diesem Jahr beginnen soll, soll die FFB FAB dann eine Fertigungsumgebung unter Gigafactory-Bedingungen mit allen Prozessschritten sowie gängigen Zellformaten bieten.
Das FFB soll als Bindeglied zwischen Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft dienen. Ziel ist es, Ergebnisse aus den wissenschaftlichen Laboratorien in die wirtschaftliche Anwendung zu bringen. Bis zu 500 Millionen Euro kommen vom Forschungsministerium, das Land Nordrhein-Westfalen stellt die Grundstücke zur Verfügung und trägt die Kosten für den Bau der Gebäude. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist verantwortlich für den Betrieb.
Stark-Watzinger betonte die Bedeutung der Batterietechnologie als wichtige Schlüssel- und Zukunftstechnologie und bezeichnete das FFB als weltweit einzigartiges Innovationsinstrument. In diesem könnten “Industrie und Wissenschaft gleichermaßen innovative Batterietechnologien erproben sowie neuartige Batteriezellkonzepte entwickeln und effizient zur Marktreife bringen”. Das BMBF erhofft sich vom FFB auch einen wichtigen Beitrag bei der Ausbildung dringend benötigter Fachkräfte.
Dass diese Fachkräfte dringend benötigt werden, unterstreicht auch eine Stellungnahme mehrerer Verbände, die ebenfalls am Dienstag veröffentlicht wurde. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLiB) und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) kritisieren darin die Anfang des Jahres bekannt gewordenen Kürzungen der Fördermittel für die Batterieforschung. Eine Folge dieser Kürzungen sei eine zunehmende Planungsunsicherheit im akademischen Umfeld. Diese zeige sich unter anderem in rückläufigen Anfragen für Master- oder Doktorarbeiten an den Hochschulen.
Die Verbände fordern daher in den laufenden Haushaltsberatungen ein klares Signal für eine verlässliche, planbare und langfristige Forschungsförderung im Rahmen des BMBF-Dachkonzepts Batterieforschung. Ziel müsse es sein, das entstehende Ökosystem und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in einem entscheidenden Zukunftsmarkt konsequent zu stärken. mw
Wegen des Verdachts auf Greenwashing prüfen die Europäische Kommission und nationale Verbraucherschutzbehörden 20 Fluggesellschaften. Die Unternehmen sollen etwa ihre Behauptungen rechtfertigen, dass die Emissionen ihrer Flüge ausgeglichen werden können, wie die Brüsseler Behörde am Dienstag mitteilte. Namen der betroffenen Unternehmen sind nicht bekannt; beteiligt an der Prüfung waren Behörden aus Belgien, den Niederlanden, Norwegen und Spanien.
Konkret soll es um mehrere potenziell irreführende Praktiken gehen:
Den Unternehmen bleiben nun 30 Tage, um auf das Schreiben der Kommission zu reagieren. Bis dahin müssen sie aufzeigen, wie sie die beanstandeten Probleme aus dem Weg räumen werden. Sollten sie dem nicht nachkommen, können die Verbraucherschutzbehörden weitere Maßnahmen ergreifen – zum Beispiel Sanktionen.
Der Branchenverband Airlines for Europe erklärte dazu, dass seine Mitglieder die “Bedeutung klarer, transparenter Informationen über Nachhaltigkeit” anerkennen würden, wie die Financial Times berichtete. “Besonders besorgt” sei man allerdings über die Prüfung nachhaltiger Flugkraftstoffe, da diese zugleich von der EU “unterstützt und gebilligt” würden.
Mittlerweile wird Greenwashing im Flugverkehr vermehrt geprüft, Klagen häufen sich. So verurteilte etwa Ende März ein niederländisches Gericht die Fluggesellschaft KLM wegen irreführender Versprechen über “nachhaltiges Fliegen”. In Großbritannien wurde Ende letzten Jahres irreführende Werbung von drei Fluggesellschaften verboten – unter anderem von der Lufthansa. Gegen diese hat erst am Samstag die Deutsche Umwelthilfe eine Klage angekündigt. Sie kritisiert die Projekte der Lufthansa zur CO₂-Kompensation als “dreiste Verbrauchertäuschung” und “Greenwashing”. dpa/lb
Deutschland hat 2023 drei neue Partnerschaftsabkommen unterzeichnet, mit Großbritannien, Uruguay und Argentinien. Noch befinden sich viele der avisierten Kooperationsprojekte allerdings im Planungsstand. Weder größere Investitionen noch reale Energielieferungen sind in dem Bericht vermerkt. Die Partnerschaften sollen dabei helfen, den künftig hohen Importbedarf an Wasserstoff zu decken. Die Bundesregierung prognostiziert den Bedarf an möglichst klimaneutral produziertem Wasserstoff auf 95 bis 130 TWh im Jahr 2030. Bis zu 70 Prozent davon sollen importiert werden.
Der Table.Briefings vorab vorliegende “Jahresbericht Klima- und Energiepartnerschaften und Energiedialoge” der Bundesregierung listet Partnerschaften mit insgesamt 32 Ländern rund um den Globus auf. Dazu gehören lose Energiedialoge sowie strukturiertere Klima- und Energiepartnerschaften. Von besonderer Bedeutung sind die zehn Wasserstoffpartnerschaften mit voraussichtlichen Exportländern wie Kanada, Namibia oder Großbritannien. Auch die laut dem Bericht “außergewöhnlich fruchtbare Energiepartnerschaft” mit Algerien, dass bislang Erdgas per Pipeline nach Europa liefert, soll auf längere Sicht diesem Zweck dienen.
Über den materiellen Sachstand finden sich in dem Bericht nur in wenigen Länderkapiteln detaillierte Angaben. Demnach erhielt die Ukraine 2023 Hilfen von mehr als 300 Millionen Euro unter anderem für die Reparatur von Energieinfrastruktur sowie den grünen Strukturwandel. 375 Millionen Euro investierte hingegen das Partnerland Vereinigte Arabischen Emirate in Offshore-Windkraft in der deutschen Ostsee.
Nach Ansicht von Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigen die Partnerschaften, “wie Deutschland auf internationale Kooperationen und faire Partnerschaften baut”. Insbesondere der “Hochlauf der globalen Wasserstoffwirtschaft und die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern” würde es ermöglichen, “den Handel mit fossilen Brennstoffen weltweit durch erneuerbare Energie zu ersetzen”. av
France pushes for global carbon, air and shipping levies at UN tax convention – EU Observer
Bei Gesprächen über eine neue UN-Steuerkonvention setze Frankreich sich für eine neue UN-Steuerbehörde ein. Diese solle globale Steuern auf Kohlenstoff, Luftverkehr und Schifffahrt erheben, berichtet Benjamin Fox. Zum Artikel
UK ‘not exciting’ for green investors, says former climate adviser – Financial Times
Großbritannien habe bei umweltfreundlichen Investitionen deutlich an Attraktivität verloren, sagt der ehemalige Chef des Climate Change Committees, Chris Stark, im Gespräch mit Attracta Mooney und Jim Pickard. Investoren würden sich von dem Land abwenden. Grund sei die Entscheidung von Premierminister Sunak, die Netto-Null-Ziele zurückzuschrauben, sowie die fehlende Reaktion auf den Inflation Reduction Act der USA. Zum Artikel
Decarbonising data centres will shape the green transition – Financial Times
Schon 2026 könnte sich der Energiebedarf von digitalen Datenzentren auf 1000 TWh belaufen, schreibt Kolumnistin Camilla Palladino. Inzwischen bauten daher viele Konzerne wie Amazon oder Meta ihre eigenen Backup-Kraftwerke. Manche werden mit Gas betrieben, aber die Digitalkonzerne denken auch über Atomkraft nach. Zum Artikel
Die Welt setzt immer noch auf Kohle – FAZ
Im Jahr 2022 sei nach Angaben der IEA weltweit so viel Kohle verstromt worden wie noch nie, berichten Hanna Decker und Christian Schubert. Die Energie- und Umweltminister der G-7-Länder haben sich nun geeinigt, die Kohleverstromung bis zum Jahr 2035 zu beenden. Besonders für Deutschland dürfte dies schwer werden. Andere Länder seien schon deutlich weiter. Zum Artikel
Tech-Investorin Cathie Wood: “Wenn die Preise für Elektroautos auf 20 000 Dollar fallen, wird die Nachfrage explodieren” – Neue Zürcher Zeitung
Die Gründerin des Fonds Ark Invest Cathie Wood setzt auf Disruption und neue Technologien und ist optimistisch, was die Zukunft von E-Autos, KI und ein Ende der Inflation betrifft, schreiben Lorenz Honegger und Eflamm Mordrelle. Benzinbetriebene Autos würden “in etwa fünf Jahren überflüssig sein”, sagt sie. Zum Artikel
“Industrie könnte im großen Stil abwandern” – Der Spiegel
Zum Tag der Arbeit sprachen Rasmus Buchsteiner und Christian Teevs mit DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Sie plädiert gegen Wirtschaftssubventionen “mit der Gieskanne”. Besser sei Unterstützung dort, wo hohe Energiepreise und digitale Innovationssprünge existentielle Kosten verursachen. Zum Interview
Tesla Fires Many on Charger Team, Raising Doubts About Expansion – The New York Times
Tesla entlässt 500 Mitarbeiter, die mit dem Aufbau der Ladeinfrastruktur des Elektroautoherstellers befasst sind. Das dürfte nicht ohne Folgen für den Verkauf von E-Autos in den USA bleiben, vermutet Jack Ewing. Zumal Tesla-Chef Elon Musk erst im vergangenen Jahr mit den Chefs von General Motors, Ford Motor und anderen Autoherstellern über die Nutzung der Tesla-Ladestationen gesprochen hatte. Zum Artikel
Mehrere NGOs fordern eine Steuer für Klimaschäden – Der Standard
Die ärmsten Länder der Welt trifft der Klimawandel doppelt. Sie spüren die Folgen nicht nur am stärksten, sie haben auch nicht die Mittel, sich dagegen zu wappnen oder die Schäden zu bewältigen. Mehr als 100 Sozial- und Umweltschutzorganisationen aus unterschiedlichen Ländern weltweit fordern nun, dass die wohlhabenden Länder eine sogenannte Climate Damages Tax einführen, eine Klimaschadensteuer. Wie Lisa Breit berichtet, soll sie auf jede Tonne CO₂ bei der Gewinnung von Kohle, Öl und Gas anfallen. Zum Artikel
Nachhaltig und rentabel? Das falsche Versprechen der Öko-Fonds – Welt
Das Investieren nach ESG-Kriterien, also Mindeststandards im Umwelt- und Klimaschutz, bei den Arbeitsbedingungen sowie der Unternehmensführung, werden seit Jahren beworben und von der EU gefördert. Doch sie halten nicht, was sie versprechen, schreibt Frank Stocker. Zum Artikel
Wie Nachhaltigkeit aufs Employer Branding einzahlt – Personalwirtschaft
Grüne Personalarbeit entwickelt sich zum entscheidenden Faktor für eine attraktive Arbeitsplatzgestaltung. Was das fürs Employer Branding bedeutet, erklärt Marcus Merheim. Zum Artikel
Die sogenannte “Reichensteuer” gilt manchen als eierlegende Wollmilchsau unter den politischen Instrumenten – ein scheinbar unerschöpflicher Quell ewiger Finanzmittel, um nahezu sämtliche Probleme der Welt mit Geld zuzuschütten. In einem aktuellen Beispiel argumentierte etwa Till Kellerhoff, Programmdirektor des Club of Rome, kürzlich an dieser Stelle, dass die “Reichensteuer” zur Finanzierung staatlicher Zukunftsinvestitionen diene und damit zur klimapolitischen Wunderwaffe werden könne.
Zweifellos stellt der Klimawandel unsere Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Doch Klimaschutz deshalb als Vehikel ausufernder Umverteilungsfantasien zu nutzen, ist genauso falsch, wie dem Staat reflexhaft die alleinige Lösungskompetenz zuzuschreiben. Denn tatsächlich gibt es bereits ein funktionierendes Klimaschutzinstrument, das klugerweise nicht den Staat, sondern den Markt in die Pflicht nimmt und auch einer gesellschaftlich gerechten Kostenverteilung Rechnung trägt: den Emissionshandel.
Till Kellerhoffs Argumentation basiert auf der Annahme, der Staat könne über Subventionen oder Verbote unmittelbar für die Umstellung auf klimafreundliche Produktions- und Verhaltensweisen sorgen. Dass dies bloß ein naiver Glaube ist, wissen nicht nur wir Freien Demokraten, sondern auch das Bundesverfassungsgericht gemäß seinem Klimaschutzurteil von 2021. Das Gericht erklärte, dass der Staat nicht für diese klimafreundliche Umstellung zuständig sein könne oder überhaupt sein sollte, weil es “dem Gesetzgeber auch kaum gelingen [kann], die erforderlichen Entwicklungen konkret vorzugeben”.
Der Weg zur Klimaneutralität ist mit technologischen Durchbrüchen, variablen Marktdynamiken und sich veränderndem menschlichen Verhalten gepflastert. Und weil sich selbst mit einer “Reichensteuer” keine wahrsagende Glaskugel für einen anpassungsfähigeren Staat herbeizaubern lässt, muss die Klimapolitik konsequenterweise auf andere Anreize und Instrumente zurückgreifen.
Letztlich, hierin stimme ich Till Kellerhoff grundsätzlich zu, geht es in der Klimapolitik um eine fundamentale Verteilungsfrage. Es geht allerdings nicht um die staatlich organisierte Umverteilung von Geld, sondern darum, wie die verbliebenen CO₂-Emissionen verteilt werden, die bis zur Klimaneutralität 2045 noch ausgestoßen werden dürfen. Und wie immer zeigt sich der Markt als unschlagbar bei der ebenso effizienten wie fairen Verteilung knapper Ressourcen.
Mit dem Emissionshandel werden die Restemissionen gemäß den Klimazielen streng gedeckelt. Der Ausstoß von CO₂ ist nur mit einem entsprechenden Zertifikat erlaubt. Damit wird sichergestellt, dass wir die Emissionsminderungsziele garantiert erreichen. Die begrenzte Menge an zulässigen Emissionen wird nicht durch staatliche Willkür, sondern im freien Handel verteilt. Der Preis bildet sich in bewährter Manier durch Angebot und Nachfrage. Das sorgt dafür, dass die Emissionen zuerst von denen reduziert werden, die dies mit dem geringsten Aufwand bewerkstelligen können. Dem Staat fehlt alleine schon das Wissen über die unterschiedlichen CO₂-Vermeidungskosten der einzelnen Akteure, um die Verteilung der Emissionen auch nur annähernd so effizient zu gestalten.
Außerdem generiert der Emissionshandel über den CO₂-Preis Einnahmen, mit denen ein Sozialausgleich in Form eines pauschal ausgezahlten Klimagelds geschaffen werden kann. Menschen mit geringeren Einkommen werden dadurch im Verhältnis stärker entlastet und müssen im Schnitt auch weniger CO₂-Kosten tragen. Denn im Emissionshandel gilt das Verursacherprinzip: Wer viele Emissionen verursacht, ob reich oder arm, muss auch mehr dafür zahlen. Wer klimafreundlicher lebt, hat geringere Kosten und kann sogar profitieren. Und weil die Restemissionen bis zur Klimaneutralität gedeckelt sind, ist auch kein endloses “Freikaufen” wie zu Zeiten des christlichen Ablasshandels möglich.
Anstatt also über fragwürdige Schätzgrößen wie den sogenannten CO₂-Fußabdruck einen vermeintlich gerechten Kostenanteil zu überschlagen, wird die CO₂-Intensität individueller sowie unternehmerischer Verhaltensweisen im marktbasierten Ansatz unmittelbar und viel präziser eingepreist – und obendrein noch positiv beeinflusst.
Leider war es dem Staat in Deutschland bislang technisch nicht möglich, Geld an alle Bürger zu überweisen. Dank Bundesfinanzminister Christian Lindner ändert sich das nun. Sobald der Auszahlungsmechanismus Anfang 2025 final steht, kann das Klimageld ausgezahlt werden – wenn die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung nicht für fragwürdige Subventionen aufgebraucht werden.
Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Übergang in eine klimaneutrale Gesellschaft liegt in einer Politik, die Innovationen anreizt, den Markt als Verbündeten gewinnt und die Kosten gerecht verteilt. In Europa hat man sich daher zurecht für den Emissionshandel als zentrales Klimaschutzinstrument entschieden, weil er sicherstellt, dass wir die Emissionsminderungsziele garantiert und zu den geringsten Kosten erreichen.
Durch seine Lenkungswirkung macht der Emissionshandel private Investitionen in saubere Zukunftstechnologien attraktiv und verhilft damit den Technologien zum Durchbruch, die CO₂ am besten einsparen – ganz ohne staatliche Subventionsspritzen. Während der Emissionshandel also eine effektive Lösung im Klimaschutz bietet, ist die “Reichensteuer” nur ein politisches Blendwerk, das Wohlstand bestraft, ohne das Klima zu retten.
Lukas Köhler ist stellvertretender Vorsitzender der FDP im Bundestag. In der vergangenen Legislaturperiode war er klimapolitischer Sprecher der Fraktion.
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