Mangan, Kupfer, Nickel – diese Rohstoffe gelten als strategisch bedeutsam für die Transformation der Industrie, denn sie werden etwa für die Produktion von Windrädern, Stromkabeln und Batterien für E-Autos benötigt. Nicht nur an Land, auch am Meeresboden gibt es beachtliche Vorkommen. Diese werden bislang erforscht, aber (noch) nicht abgebaut. Und der potenzielle Abbau ist höchst umstritten: Zu wenig sei über die Konsequenzen eines solchen Bergbaus auf die sensiblen Ökosysteme am Meeresboden bekannt, argumentieren Kritiker. Zunächst müsse ein Regelwerk mit Umweltstandards entwickelt werden.
In den vergangenen zwei Wochen hat der Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) weiter über ein solches Regelwerk verhandelt. Wie Table.Briefings von Teilnehmenden erfuhr, geht dies jedoch nur langsam voran. Der Zeitplan bis zum Sommer 2025 dürfte kaum einzuhalten sein – dabei drängt die Zeit: Der Inselstaat Nauru und eine Tochterfirma der kanadischen The Metals Company (TMC) wollen bereits diesen Sommer einen ersten Abbauantrag bei der ISA einreichen. Die Details erfahren Sie in unserer heutigen Analyse.
Außerdem lesen Sie heute im ESG.Table, wie die Bundesregierung den Deutschen Nachhaltigkeitskodex weiterentwickeln will: 20 Millionen Euro will das BMWK in den kommenden dreieinhalb Jahren in den Berichtsstandard stecken. Der Kodex soll eine zentrale Plattform für alle Firmen werden, die ihre ESG-Bemühungen offenlegen wollen oder müssen, erklärt Marc Winkelmann in den News.
Bis Sommer 2025 will die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) Regeln für den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee erarbeitet haben. Bei der Sitzung vom 18. bis 29. März in Kingston, Jamaika, diskutierten die ISA-Mitgliedstaaten zwar erstmals einen konsolidierten Text. Dieser habe aber für erheblichen Diskussionsbedarf gesorgt und nicht einmal das erste Drittel der Regularien sei finalisiert worden, erfuhr Table.Briefings von Teilnehmenden der Verhandlungen.
“In diesem Tempo ist es unrealistisch, dass das Regelwerk bis zum Sommer 2025 fertig wird“, sagte Martin Webeler, der für die Environmental Justice Foundation als Beobachter an den Verhandlungen teilnahm. Nahezu jede Regularie sei weiterhin unter Bearbeitung, grundlegende Themenkomplexe wie zulässige
Schwellenwerte für Umweltschäden seien kaum bearbeitet, und ständig kämen neue Fragen auf, fasste er zusammen.
Eine Sprecherin des federführenden Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) teilte mit, der Rat habe auch diesmal noch kein grünes Licht für Tiefseebergbau gegeben. Die Ratsmitglieder würden weiter über die Abbauregularien verhandeln. Die nächste Sitzung ist für Juli geplant. Unklar ist noch, ob im Herbst ein weiteres Treffen stattfinden wird, wie im vergangenen Jahr – und es hängt wohl davon ab, ob im kommenden Sommer die erste Abbaulizenz beantragt wird.
Die Bundesregierung fordert gemeinsam mit der EU, Frankreich und weiteren Staaten eine vorsorgliche Pause für den Tiefseebergbau: Es sollten erst dann Genehmigungen erteilt werden, wenn negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt ausgeschlossen werden können. Dafür müsse das Regelwerk dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen. “Im weiteren Verhandlungsverlauf wird es darauf ankommen, dass sich noch mehr Staaten für einen Aufschub des Tiefseebergbaus aussprechen und es gelingt, ein ambitioniertes Regelwerk mit wirksamen Umweltgrenzwerten und -standards zu entwickeln”, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK).
Ein Konsens der internationalen Gemeinschaft ist jedoch längst nicht garantiert: Zu viele Staaten sehen auf dem Meeresgrund einen Vorteil im Wettlauf um Mangan, Kupfer oder Nickel – alles wichtige Rohstoffe für Energiewende und Digitalisierung. Norwegen beschloss Anfang des Jahres die Erkundung des arktischen Meeresbodens und den Abbau von Mineralien am norwegischen Meeresboden, und will damit das erste Land werden, das Tiefseebergbau in kommerziellem Maßstab betreibt. China hält zurzeit fünf Explorationslizenzen und will den Abbau vorantreiben; auch Indien hat kürzlich bei der ISA zwei weitere Lizenzen für die Erkundung der Tiefseerohstoffe beantragt.
Auch die Industrie ist gespalten: Unternehmen wie Bosch und Continental setzen sich in der Deep Sea Mining Alliance für den kommerziellen Tiefseebergbau ein, und auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) will “Tiefseebergbau als Chance verstehen”. Auf der anderen Seite hat sich eine Gruppe um Volkswagen, BMW, Google, Philips und Samsung der Forderung nach einem Moratorium angeschlossen.
Während die ISA für die Exploration von Rohstoffvorkommen am Meeresboden bereits ein Regelwerk erstellt hat, fehlt ein solches noch für den Abbau dieser Rohstoffe. Der Druck verstärkte sich 2021, als der pazifische Inselstaat Nauru gemeinsam mit einem Tochterunternehmen der kanadischen The Metals Company (TMC) die sogenannte Zwei-Jahres-Klausel des internationalen Seerechts auslöste. Die ISA hätte demnach innerhalb von zwei Jahren ein Regelwerk vorlegen müssen. Die Frist dafür lief im Juli 2023 ab.
Im vergangenen Jahr konnten sich die Staaten nicht einigen, wie die ISA ohne das Regelwerk mit Abbauanträgen umgehen solle. Sie legten lediglich fest, dass es keine vorläufigen Genehmigungen geben soll, ohne dass der Rat Gelegenheit hatte, nochmal darüber zu verhandeln. Bereits im Sommer könnte der erste Antrag eintreffen: TMC bestätigte Table.Briefings auf Anfrage, der Abbauantrag solle nach der ISA-Sitzung im Juli eingereicht werden. Gemeinsam mit Nauru will das Unternehmen Batterierohstoffe in einem Gebiet der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik abbauen. Laut TMC gibt es dort unter anderem das größte unerschlossene Nickelvorkommen der Welt.
Sollte der weltweit erste Antrag für den Abbau von Tiefseerohstoffen in internationalen Gewässern tatsächlich bei der ISA eingehen, dürfte eine weitere Sitzung im Herbst stattfinden. Wenn der Rechts- und Technikausschuss der ISA eine positive Empfehlung ausspricht, sei es laut Experten für die Staaten jedoch kaum möglich, eine Genehmigung noch abzuwenden.
Im Juli könnte jedoch auch die Arbeit der Behörde einen neuen Impuls erhalten, denn der Posten des derzeitigen Generalsekretärs Michael Lodge steht zur Wahl. Während der Ratssitzung in Kingston hat Brasilien die Kandidatur von Leticia Carvalho bekannt gegeben. Die Meeresbiologin arbeitet zurzeit für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und nährt mit dieser Biografie bei Beobachtern der Zivilgesellschaft die Hoffnung auf eine neutralere Verwaltung der ISA.
Lodge, der einen juristischen Hintergrund hat, war in der Vergangenheit fehlende Neutralität zugunsten der Industrie vorgeworfen worden. So hatte etwa Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im BMWK, im März 2023 einen Brief an Lodge verfasst und sich “ernsthaft besorgt” geäußert über dessen Versuche, einseitig auf die Delegationen Einfluss zu nehmen. Mehrere Diplomaten aus den Mitgliedstaaten hätten diese Vorwürfe gemeldet. Alle Vertragsstaaten des UN-Seerechtsübereinkommens “müssen darauf vertrauen können, dass das Sekretariat seine Neutralitätspflicht achtet”, schrieb Brantner.
Zudem steht das Generalsekretariat immer wieder in der Kritik, während der Verhandlungen die Teilnahme von Presse und Beobachtern aus der Zivilgesellschaft einzuschränken und Proteste zu verhindern. Auf der Agenda der Ratssitzung stand diesmal auch die Debatte um eine Protestaktion von Greenpeace: Nachdem Aktivistinnen der NGO im Herbst 2023 rund um ein Forschungsschiff gegen Tiefseebergbau demonstriert hatten, wollte das Sekretariat eine 500 Meter breite Sicherheitszone um solche Schiffe verhängen. Eine Mehrheit der Staaten im Rat verhinderte dies aber.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) erwartet einen hohen Bürokratieaufwand für Unternehmen durch die geplante EU-Verpackungsverordnung. Befürchtungen des Verbandes, die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) könne zu Störungen bei den etablierten deutschen Mehrweg- und Einwegsystemen führen, konnten dagegen verringert werden, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Peter Feller im Gespräch mit Table.Briefings. Die EU-Staaten hatten sich nach schwierigen Verhandlungen am 15. März auf eine Kompromisslösung zur EU-Verpackungsverordnung geeinigt.
Eine endgültige Bewertung der PPWR kann Feller noch nicht abgeben. Die Verordnung sei schwer zu beurteilen und mit einigen Unwägbarkeiten behaftet. Eine finale Textfassung liege noch nicht vor. “Das Regelwerk bedarf zudem der Konkretisierung durch delegierte Rechtsakte, wobei die EU-Kommission Detailregelungen für unterschiedliche Themenbereiche trifft. Und das sind nicht wenige”, so Feller. Zudem werde sich das Rechtsetzungsverfahren aller Voraussicht nach noch in die nächste Legislaturperiode hineinziehen.
“Wir gehen aber jetzt schon davon aus, dass der Bürokratieaufwand für die Unternehmen steigen wird”, sagt Feller. So müsse die Bundesregierung zukünftig regelmäßig Daten an die EU liefern, die von den Unternehmen generiert werden müssten: etwa zu Recycling-, Rezyklateinsatz-, Mehrweg- und Einwegquoten. Darüber hinaus müssten Hersteller künftig für alle Verpackungen, die sie in den Verkehr bringen, Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Darin müssen sie prüfen und dokumentieren, dass die Verpackungen allen Anforderungen der Verordnung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Kennzeichnung entsprechen.
Positiv bewertet Feller dagegen Veränderungen hinsichtlich von Mehrweg- und Einwegsystemen. Hier habe es im ursprünglichen Verordnungstext der EU-Kommission einige Detailregelungen gegeben, die das reibungslose Funktionieren der etablierten deutschen Systeme hätten beeinträchtigen können. “Da ist unser Eindruck, dass einem erheblichen Teil unserer Bedenken Rechnung getragen wurde. Ob das schlussendlich reicht, um alle Beeinträchtigungen zu vermeiden, muss man abwarten”, erklärt Feller.
Eine Herausforderung sieht die BVE in den vorgesehenen Quoten zum Rezyklateinsatz bei Kunststoffverpackungen. Bei Lebensmittelverpackungen müsse der Rezyklateinsatz vereinbar sein mit dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit. “Das ist bisher nur bei PET-Verpackungen gelungen. In allen anderen Bereichen ist der Rezyklateinsatz im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit zurzeit so gut wie unmöglich”, sagt der BVE-Vertreter.
Insgesamt habe man beim BVE den Eindruck, dass bei der PPWR am Ende nach dem Prinzip “Schnelligkeit vor Gründlichkeit” verfahren worden sei, um das Regelwerk der Verabschiedung zuzuführen. “Die Probleme werden sich in der Anwendung und Umsetzung herausstellen. Das ist vorprogrammiert”, sagt Feller voraus.
Der Mehrwegverband Deutschland begrüßt den Durchbruch bei den Verhandlungen zur EU-Verpackungsverordnung als “positives Signal”. Damit sei erstmals auf europäischer Ebene die Zielsetzung der Reduzierung von Verpackungsmüll (15 Prozent bis 2040) unter anderem durch verbindliche Mehrwegquoten gesetzlich für alle Mitgliedstaaten verankert worden. Angesichts des außergewöhnlichen Lobbydrucks seitens der Einwegbranche, den stark divergierenden Interessen der Mitgliedstaaten sowie der Blockadebemühungen der FDP sei dies als wichtiger Schritt zu bewerten. Die Einigung der Ampel-Regierung auf eine Zustimmung zum vorliegenden Entwurf begrüße man ausdrücklich.
“Wir hätten uns allerdings eine deutlich ambitioniertere europäische Verpackungsverordnung gewünscht”, schränkte Mathias Gerspacher vom Mehrwegverband seine Zustimmung gegenüber Table.Briefings ein. Konkret kritisiert der Mehrwegverband die Absenkung von Mehrwegquoten im vorliegenden Text im Vergleich zum Ursprungsentwurf der EU-Kommission. Die PPWR enthält für eine Vielzahl von Produkten unterschiedliche Mehrwegquoten für Verpackungen, die bis 2030 beziehungsweise 2040 erreicht werden sollen. Hier wurden die Anforderungen teilweise gegenüber den Kommissionsplanungen heruntergeschraubt.
Außerdem stoßen “starke Verwässerungen durch zahlreiche Ausnahmeregelungen und Schlupflöcher” auf die Kritik des Verbandes. Als Beispiele nennt Gerspacher:
Die Abschwächungen stünden der Einhaltung der Prioritätsreihenfolge der europäischen Abfallhierarchie und somit einer erfolgreichen Reduzierung des Verpackungsmülls diametral entgegen.
Für die Mitglieder des Mehrwegverbands sowie für deren Investoren eröffne die PPWR jedoch laut Gerspacher die große Chance, durch skalierbare Mehrwegsysteme nachhaltig Verpackungsmüll zu reduzieren. “Hier können wir uns an die Spitze des globalen Wettbewerbs stellen und als Vorreiter die dringend notwendige Transformation zur Kreislaufwirtschaft vorantreiben”, meint Gerspacher.
Diesen Monat soll die PPWR im EU-Parlament in erster Lesung verabschiedet werden, was als Formalie gilt. Experten rechnen aber nicht damit, dass eine finale Beschlussfassung durch Parlament und Rat vor der Europawahl im Juni erfolgt.
8. April 2024, 18:30-20 Uhr
Vortrag & Diskussion Zwischen Kohle und Klima – Strukturwandel in der Lausitz-Forschung als Chance zur Transformation (Veranstalter: Konrad-Adenauer-Stiftung) Info & Anmeldung
9.-13. April 2024, Brüssel
Festival The Festival of the New European Bauhaus 2024 (Veranstalter: Europäische Kommission, Ratspräsidentschaft der EU) Info & Anmeldung
10. April 2024, Berlin
Konferenz Digital Sustainability Summit (Veranstalter: Bitkom) Info & Anmeldung
12.-14. April 2024, Bonn
Seminar Konfliktfeld Energie- und Klimapolitik: Die EU zwischen Klimakrise und ökonomischen Zukunftsmärkten (Veranstalter: Friederich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung
15.-19. April 2024, Kochel am See
Seminar Das Versprechen von Diversität und Nachhaltigkeit – Unternehmen nutzen den Zeitgeist (Veranstalter: Georg-von-Vollmar-Akademie e.V.) Info & Anmeldung
15.-19. April 2024, Darmstadt
Konferenz 6. Darmstädter Tage der Transformation (Veranstalter: Schader-Stiftung) Info & Anmeldung
16. April 2024, 09:30-15:30 Uhr, Online
Webinar Systematischer Klimaschutz – Klimamanagement in Unternehmen (Veranstalter: KliMaWirtschaft) Info & Anmeldung
24.-25. April 2024, Düsseldorf
Konferenz Fachkongress Biodiversität Gebäudegrün 2024 (Veranstalter: Bundesverband GebäudeGrün e.V.) Info & Anmeldung
Die Bundesregierung will Unternehmen bei der Aufgabe, über ihre Nachhaltigkeit berichten zu müssen, Arbeit abnehmen. Deshalb stellt sie dem Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) knapp 20 Millionen Euro zur Verfügung, um den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) fit für die kommenden neuen Regulierungen zu machen. Der Berichtsstandard wurde 2011 vom RNE veröffentlicht und diente bislang mehr als 1.200 Unternehmen dazu, ihre ESG-Bemühungen offenzulegen.
Bei der Ankündigung des Vorhabens erklärte Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMWK, ihm als Mittelstandsbeauftragten sei es “sehr wichtig”, weitere bürokratische Lasten zu verhindern. Allein das europäische Lieferkettengesetz und die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Berichtspflicht (CSRD), die sich aktuell im Status eines Referentenentwurfs befindet, würden es erfordern, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vor Überforderung schützen zu müssen. Sein Versprechen: “Die Berichterstattung wird mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex 2.0 wesentlich einfacher.”
Konkret wollen die Initiatoren:
Dem RNE-Vorsitzenden Reiner Hoffmann schwebt vor, dass der Nachhaltigkeitskodex künftig von Akteuren entlang der gesamten Lieferkette genutzt werden kann und soll. Deshalb wolle man auch dafür sorgen, dass die Bekanntheit des DNK erhöht wird. Außerdem wolle man in den nächsten Monaten Stakeholder einbeziehen und mit Unternehmen und Vertretern von IHKs sprechen. Geplant ist unter anderem ein Workshop mit rund 100 Vertretern aus Firmen und Verbänden Mitte April sowie eine öffentliche Konsultation, die voraussichtlich Mitte Mai stattfindet. “Der Kodex soll möglichst passgenau für die verschiedensten Unternehmen und Branchen sein”, so Hoffmann. Wirksam werden soll der veränderte DNK ab dem 1. Januar 2025. maw
Neben dem grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir stellt sich jetzt auch das BMUV hinter die Forderung, die Übergangsfrist für die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten zu verlängern. Beim EU-Agrarrat vergangene Woche hatten sich neben Özdemir auf Initiative Österreichs 20 Minister für einen Aufschub der seit vergangenem Jahr beschlossenen Regeln ausgesprochen.
Entscheidend ist aus BMUV-Sicht, ob die EU-Kommission rechtzeitig das sogenannte Länder-Benchmarking veröffentlicht: eine Liste, die jedem Land eine bestimmte Risikostufe für Entwaldung zuweist. Geschehe dies nicht, “befürwortet die Bundesregierung die Verlängerung der Übergangsphase“, sagte ein Sprecher Table.Briefings. Schon während der Verhandlungen zum Gesetz habe sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass dieses “nur umsetzbar” sei, wenn das Benchmarking vor Inkrafttreten der Regeln vorliegt.
Durch das Ranking sollen Behörden und Wirtschaftsakteure bei der Umsetzung der Verordnung besser einschätzen können, in welchen Ländern sie bei Lieferanten auf besonders genaue Nachweise dafür pochen müssen, dass für ein Produkt kein Wald abgeholzt wurde. Die Kommission hatte zuletzt Verzögerungen eingeräumt.
Es sei “möglich”, dass das Benchmarking nicht vor Ende des Jahres bereit sei, erklärte Astrid Schomaker von der Generaldirektion Umwelt kürzlich vor dem EU-Agrarausschuss. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Datenerhebung sei die Vorbereitung komplex, zudem wolle man sich die Zeit für den Austausch mit Behörden vor Ort nehmen, bevor man ein Land als Hochrisikostaat einstufe.
Trotz der Verzögerungen hat die Kommission einen Aufschub der Verordnung bislang ausgeschlossen. “Natürlich hören wir uns die Argumente an, aber ehrlich gesagt sehe ich keine Probleme”, so Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius vergangene Woche. Für einen Aufschub wäre zudem ein vollständiges Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung von Rat und Parlament nötig, um die entsprechenden Passagen zu ändern.
Auch ohne fertiges Länderranking könnten die Regeln aber aus Schomakers Sicht ohne Probleme in Kraft treten: “In diesem Fall würden alle Länder erst einmal automatisch als Standardrisiko eingestuft.” Genau das wäre aus deutscher Sicht jedoch unvorteilhaft. Denn in einem fertigen Länder-Benchmarking würde die Bundesrepublik mit großer Wahrscheinlichkeit als Niedrigrisikoland eingeordnet.
“Ohne das Länder-Benchmarking gelten essenzielle Erleichterungen für Niedrigrisikoländer nicht und die Verordnung ist nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für Wirtschaft und Verwaltung anwendbar”, moniert das BMUV. Waldbesitzer und Rinderhalter in Deutschland – neben Holz fallen unter anderem Rindererzeugnisse unter die Regeln – müssten mehr Aufwand betreiben, um zu belegen, dass ihre Erzeugnisse nicht mit Abholzung in Verbindung stehen, so die Befürchtung.
Während unter anderem Özdemir den geforderten Aufschub auch mit besonderen Belastungen “für Klein- und Kleinstwaldbesitzer” begründet, verweisen Umweltschützer darauf, dass das Gesetz für kleine Betriebe ohnehin eine längere Übergangsfrist vorsehe – erst ab Mitte 2025 gelten die Regeln auch für sie. jd
Viele Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie sind nicht ausreichend auf die Herausforderungen der Transformation vorbereitet. An jedem zweiten Standort wird zu wenig investiert. Nur knapp die Hälfte der betroffenen Unternehmen verfügt über eine Strategie für den Wandel. In der Folge steigt das Risiko von Arbeitsplatzverlusten und Standortverlagerungen ins Ausland.
Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Betriebsrätebefragung der IG Metall. An ihr haben sich im Februar und März dieses Jahres Arbeitnehmervertreter aus 2.596 Betrieben mit knapp 1,5 Millionen Beschäftigten beteiligt.
Besonders kritisch wird die Situation von den Betriebsräten im Fahrzeugbau eingeschätzt. Hier beobachten bereits 56 Prozent der Befragten konkrete Auslandsaktivitäten. Im Branchendurchschnitt sind es knapp ein Drittel (29 Prozent). Deutlich entspannter ist die Situation in der Stahlindustrie (13 Prozent) und im Handwerk (11 Prozent).
“Unsere Umfrageergebnisse zeigen Licht und Schatten. Einige Unternehmen stehen sehr robust da, teilweise mit Rekord-Dividenden”, so die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner. Insgesamt gelte aber: “Investieren im Inland muss das Gebot der Stunde lauten. Die Beschäftigten brauchen Sicherheit und Perspektiven.”
Die Zahl der Betriebsräte, die in der Digitalisierung und der Energie- und Mobilitätswende eine Chance für ihr Unternehmen sehen, liegt bei nur 15 Prozent. Weitere 32 Prozent erwarten zumindest kein zusätzliches Risiko. Dagegen steigt der Anteil der Arbeitnehmervertreter, die in der Transformation eine Gefährdung ihres Standorts erkennen. Er liegt mittlerweile bei 36 Prozent. Von diesen Betrieben sind wiederum nur 48 Prozent ganz oder teilweise auf die anstehenden Veränderungen vorbereitet, so die Befragten.
IG Metall-Chefin Benner fordert deshalb eine aktive Industriepolitik, die verlässliche Rahmenbedingungen schafft: “Die Politik muss sich klar zum Industriestandort bekennen. Die Regierung muss jetzt die richtigen Weichen stellen, um Deindustrialisierung zu vermeiden”, so Benner. ch
Ein neuer “European Clean Tech Tracker” soll Orientierung zur Entwicklung des grünen Umbaus und der Umsetzung des Green Deals in Europa geben. Das Informationsportal des Brüsseler Thinktanks Bruegel soll einen “klaren, aktuellen und politikrelevanten Überblick” über Innovationen, Herstellung und Aufbau der wichtigsten grünen Techniken bieten. Der Tracker solle Informationen für öffentliche und private Entscheidungen liefern, da die Datenlage zu grüner Technologie in Europa derzeit häufig zersplittert, schwer zu erreichen und oft nur kommerziell zu bekommen sei, heißt es auf der Website von Bruegel.
Die Datenbank, die noch im Aufbau ist und auch auf die Rückmeldung aus der Öffentlichkeit angewiesen sei, will vor allem Informationen in folgenden Gebieten liefern:
Die Informationen sollen sich vor allem auf folgende Techniken beziehen und regelmäßig aktualisiert werden:
In seiner ersten Version konzentriert sich der Tracker auf die ersten fünf dieser Themen. Rückmeldungen und zusätzliche Daten von Interessierten sind ausdrücklich erwünscht. bpo
Der Arbeitskampf gegen Tesla in Schweden geht weiter. Was vor mehr als fünf Monaten mit einem Streik der Mechaniker in den Werkstätten der Tesla-eigenen TM Sweden AB begann, hat sich inzwischen auf verschiedene Branchen ausgeweitet. Hinzu kommen Solidaritätsstreiks in anderen nordischen Ländern. Der Elektroautohersteller zeigt sich bisher jedoch nicht verhandlungsbereit.
IF Metall versucht es deshalb jetzt mit dem schwedischen Mitbestimmungsgesetz (MBL). Nach § 19a sind Unternehmen, die gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer beschäftigen, verpflichtet, der Gewerkschaft regelmäßig wichtige Unternehmens- und Geschäftszahlen mitzuteilen. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob ein Tarifvertrag besteht oder nicht.
IF Metall hat deshalb die lokalen Tesla-Manager für die kommenden Wochen zu Gesprächen eingeladen. Ob und wann diese stattfinden, ist noch unklar. Sollte sich Tesla weigern, könnte IF Metall die Treffen gerichtlich erzwingen.
Dem Streik der Tesla-Beschäftigten haben sich in den letzten Monaten zahlreiche andere Beschäftigte in Solidaritätsstreiks angeschlossen. So wird in den Tesla-Filialen keine Post mehr zugestellt. Die Büroräume werden nicht mehr gereinigt. Ladesäulen werden weder installiert noch gewartet. Zudem werden in den Häfen Schwedens, Finnlands, Dänemarks und Norwegens seit Monaten keine Teslas mehr entladen, die für Schweden bestimmt sind.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos halten rund 60 Prozent der schwedischen Unternehmer das Vorgehen der Gewerkschaften im Tesla-Konflikt für unverhältnismäßig. Die Zahlen sind bei Unternehmern mit und ohne Tarifvertrag ähnlich.
Gleichzeitig steigen die Sympathiewerte in der Bevölkerung. So gaben im jährlichen Vertrauensbarometer der schwedischen Medienakademie 43 Prozent der Befragten an, großes oder eher großes Vertrauen in die Gewerkschaften zu haben. Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren. ch
Zweimal schon hat die Bundesregierung herausragende KI-Projekte gesucht, die das Ziel haben, die Umwelt und das Klima zu schonen. Jetzt ruft sie zum dritten Mal dazu auf, Anträge einzureichen. Die ausgelobte Summe beträgt diesmal rund 24 Millionen Euro und stammt aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Umweltministeriums. Bewerben können sich Start-ups, kleine und mittelständische Unternehmen sowie Kooperationen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunen. So soll gewährleistet sein, dass die unterstützten Ideen nicht im Labor bleiben, sondern in der Praxis eingesetzt werden.
Bei den ersten beiden Förderungen in den vergangenen Jahren wählten die Initiatoren 53 Projekte aus, die zusammen etwa 70 Millionen Euro erhielten. Darunter waren Vorhaben, um Frankfurter Rechenzentren energieeffizienter zu machen, nachhaltige Logistikketten aufzubauen, die Recyclingquote von Kunststoffabfällen zu steigern, Bauschutt für die Wiederverarbeitung sortenrein zu trennen oder Plastikmüll im Meer aufzuspüren. Interessierte können auf dieser Seite ihre Projektskizze einreichen sowie weitere Infos und Hilfe bekommen. Die Frist läuft am 17. Mai 2024 ab. maw
International Court Issues First-Ever Decision Enforcing the Right to a Healthy Environment – Inside Climate News
Die Gemeinde von La Oroya in Peru, eine der durch Bergbauaktivitäten am stärksten verschmutzten Städte der Welt, habe einen historischen Sieg vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte errungen, schreibt Katie Surma. Das Gericht habe festgestellt, dass der peruanische Staat das Recht der Einwohner auf eine gesunde Umwelt verletzt habe. Zum Artikel
Was Kommunen zur Klimaneutralität fehlt – FAZ
In vielen Kommunen seien die Hürden zur Nachhaltigkeit größer als die Bereitschaft, Maßnahmen zu ergreifen, schreibt Philipp Krohn. Viele Konflikte prallten dort aufeinander und die finanziellen Mittel seien knapp. Krohn schaut sich einige Städte genauer an und spricht mit Expertinnen aus Praxis und Forschung. Zum Artikel
Angry Farmers Are Reshaping Europe – The New York Times
Die Bauernproteste verändern nicht nur das europäische Ernährungssystem, sondern auch die Politik. Im Vorfeld der Europawahlen wittert vor allem die extreme Rechte ihre Chance. Das gefährdet nicht nur die europäische Einheit gegenüber Russland, sondern auch die Klimaziele, meint Roger Cohen. Zum Artikel
Klimaaktivistin: “CO₂-Zertifikate sind eine Form von Klima-Kolonialismus” – Der Standard
Im Interview mit Jakob Pallinger warnt die ugandische Umweltaktivistin Hamira Kobusingye davor, dass nicht nur für Ölpipelines, sondern auch für Renaturierungsmaßnahmen ganze Gemeinden vertrieben werden. Zum Artikel
Northvolt-Chef Peter Carlsson: Er glaubt an ein Biarritz in Schleswig-Holstein – Süddeutsche Zeitung
Vorhaben wie der Bau der Northvolt-Batteriefabrik im Kreis Dithmarschen funktionierten nur, wenn man mit der örtlichen Gemeinschaft zusammenarbeite – das habe Peter Carlsson, CEO von Northvolt, beim Bau einer Fabrik in Schweden gelernt. Wie er das neue Projekt erfolgreich machen will, hat Saskia Aleythe recherchiert. Zum Artikel
Secondhand clothing on track to take 10% of global fashion sales – The Guardian
Vergangenes Jahr seien die Verkäufe von gebrauchter Kleidung um 18 Prozent gestiegen und ihr Anteil am Gesamtmarkt werde voraussichtlich weiter steigen, berichtet Sarah Butler. Gründe dafür seien nicht nur die Inflation und Nachhaltigkeitserwägungen, sondern auch eine größere Verfügbarkeit von gebrauchter Kleidung auf Online-Plattformen. Zum Artikel
ADAC-Präsident: “Vielleicht stimmt was nicht am Geschäftsmodell der deutschen Hersteller” – Süddeutsche Zeitung
Christian Reinicke, Präsident des ADAC, stellt das Geschäftsmodell der deutschen Autobauer infrage. Für den heimischen Markt seien ihre E-Autos zu groß und zu teuer, sagt er im Interview mit Caspar Busse und Uwe Ritzer. Außerdem fordert er von der Bundesregierung, besser auf die Fragen und Bedenken von potenziellen Käufern einzugehen. Zum Artikel
“Fast alle können Stromkosten zweistellig senken” – Handelsblatt
Technologien, die beim Energiesparen helfen, boomen, schreibt Axel Höpner und stellt das Start-up Ecoplanet vor. Dessen KI-Lösung überwacht Maschinen im laufenden Betrieb, zeigt auf, wo sich der Verbrauch senken lässt, und gleicht zudem die jeweils aktuellen Stromtarife ab. Mit dem Ergebnis, dass manche Maschine dann nachts läuft. Ecoplanet kam schon im ersten Jahr auf siebenstellige Umsätze. Zum Artikel
Unsere Gesellschaft steckt in einer doppelten Krise, verursacht durch den fortschreitenden Klimawandel und die wachsenden sozialen Spannungen. Beides ließe sich bewältigen – vorausgesetzt, die nötigen Investitionen werden fair finanziert und die entstehenden Kosten gerecht verteilt.
Besonders hohe Einkommen und Vermögen stärker zu besteuern, ist dafür unabdingbar. Andernfalls werden genau jene ärmeren Bevölkerungsgruppen durch die ökologische Transformation besonders stark belastet, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. Das birgt großes Konfliktpotenzial, insbesondere in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Ökologie und Soziales gemeinsam zu bedenken und in der Steuerpolitik zu berücksichtigen, wirkt dem entgegen.
Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden. Dafür müssen Kohle, Öl und Gas komplett durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Der Wandel braucht keine Wundertechnologien, sondern einen möglichst schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien, Netzen, Speichern, Ladesäulen und eine möglichst konsequente Einsparung von Energie.
Massive Investitionen sind vonnöten, geschätzt auf 70 bis 80 Milliarden Euro jährlich – etwa zwei Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Um sie zu ermöglichen, kommt dem Staat eine entscheidende Rolle zu. Bisher sind die notwendigen Maßnahmen für Investoren nicht rentabel. Das heißt, dass Arbeit und Kapital zu langsam in die entsprechenden Sektoren fließt. Um das zu ändern, sind Subventionen notwendig.
Eine Steuerung der Transformation nur über höhere Preise wird nicht ausreichend sein. Sie wirken regressiv, belasten also Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen besonders stark. Außerdem werden sie zu schnell zum Spielball politischer Ideologien, wie wir es beim Tankrabatt gesehen haben.
In Deutschland besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung rund 60 Prozent des Gesamtvermögens, während die ärmere Hälfte praktisch über kein Vermögen verfügt. Und während die untere Hälfte der Bevölkerung einen durchschnittlichen CO₂-Fußabdruck von 5,9 Tonnen pro Jahr hat, emittiert das reichste Prozent 117,9 Tonnen.
Die politischen Folgeschäden sind enorm, wenn ausgerechnet die Bevölkerungsgruppen, die durch ihre relativ geringen Emissionen vergleichsweise wenig zum Klimawandel beitragen, einen überproportionalen Teil der Kosten der ökologischen Transformation zu tragen haben. Das kann, insbesondere in Krisenzeiten, einen fruchtbaren Nährboden für populistische Bewegungen entstehen lassen.
Um den sozialen Zusammenhalt während der Klimatransformation zu gewährleisten, ist es deshalb unerlässlich, die soziale Frage stärker in den öffentlichen Diskurs einzubeziehen. Die wirtschaftliche Transformation muss unter dem Gesichtspunkt der Verteilungspolitik betrachtet werden.
Eine stärkere Besteuerung der Spitzenverdiener und Vermögenden würde dabei gleichzeitig die Finanzierung der grünen Transformation stärken und der Ungleichheit in Deutschland entgegenwirken – was wiederum dazu beitragen würde, die gesellschaftliche Spaltung zu verringern.
Doch eine konstruktive Diskussion über Steuern wird oft von Mythen verhindert, wie dem Mythos, Deutschland sei ein Hochsteuerland. Zwar stimmt dies in Bezug auf Einkommen – schauen wir uns aber Vermögen an, ist Deutschland ein Niedrigsteuerland. Eine ausgesetzte Vermögenssteuer und eine löchrige Erbschaftssteuer voller Ausnahmeregelungen tragen dazu bei.
Eine höhere Besteuerung von Vermögen, von der nur ein kleiner Teil der Bevölkerung betroffen wäre, würde bei einer entsprechenden Ausgestaltung mit Freibeträgen und Stundungsmöglichkeiten Investitionen nicht abwürgen. Stattdessen würde sie bessere Möglichkeiten aktiver Industriepolitik eröffnen und so dafür sorgen, dass diese Investitionen in die für die ökologische Transformation notwendigen Bereiche fließen.
Ein weiterer Mythos betrifft die wirtschaftlichen Schäden einer stärkeren Besteuerung. Zwar ist es notwendig, darauf zu achten, nicht die Substanz von Unternehmen anzugreifen. Tatsächlich führen aber hohe Geldansammlungen nicht zwangsläufig zu mehr Investitionen in die Realwirtschaft.
Je nach Ausgestaltung könnte eine Kombination aus
Dutzende Milliarden Euro einbringen. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit schätzt die Gerechtigkeitslücke im deutschen Steuersystem auf 75 bis 100 Milliarden Euro.
Der Dreiklang aus notwendigen Investitionen in die Zukunft, der Ablehnung neuer Schulden, sowie der Ablehnung von Steuererhöhungen für die Reichsten wird nicht funktionieren.
Um den sozialen Frieden nicht noch weiter zu gefährden, ist eine stärkere Besteuerung derjenigen, die in den vergangenen Jahren am meisten von unserem Wirtschaftssystem profitiert haben, unabdingbar – nicht aufgrund von Neid oder moralischer Verteufelung von Reichtum, sondern weil eine gerechtere Verteilung der Lasten und Chancen in unserer Gesellschaft notwendig ist, um langfristige Stabilität und Prosperität für alle zu gewährleisten.
Till Kellerhoff ist Programmdirektor des Club of Rome und seit 2021 als globaler Koordinator der internationalen Initiative Earth4All tätig. Am 26. März 2024 ist im oekom Verlag das Buch “Tax the Rich. Warum die Reichen zahlen müssen, wenn wir die Welt retten sollen” erschienen, das Kellerhoff gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsforscher Jørgen Randers geschrieben hat.
Security.Table – Rüstungsbranche wirbt mit klimafreundlicher Verteidigung: Die Streitkräfte der Nato-Staaten müssten “grün und gleichzeitig stark” sein, fordert Generalsekretär Jens Stoltenberg. Doch sind Ankündigungen für klimaverträglichere Armeen tatsächlich mehr als Imagepflege? Zum Artikel
Europe.Table – PIK fordert EU-Zentralbank für Emissionshandel und CO₂-Entnahmen: Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hat ein Konzept vorgestellt, wie die CO₂-Entnahme in Europa schneller hochgefahren werden kann. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer CO₂-Zentralbank. Zum Artikel
Agrifood.Table – Kommission schwächt Vorgaben für Landwirtschaft bei EU-Klimazielen ab: In ihrer Empfehlung für das EU-Klimaziel 2040 hat die Europäische Kommission das Kapitel zur Landwirtschaft deutlich abgeschwächt. Konkrete Reduktionsziele sieht sie für den Sektor nicht vor. Zum Artikel
Mangan, Kupfer, Nickel – diese Rohstoffe gelten als strategisch bedeutsam für die Transformation der Industrie, denn sie werden etwa für die Produktion von Windrädern, Stromkabeln und Batterien für E-Autos benötigt. Nicht nur an Land, auch am Meeresboden gibt es beachtliche Vorkommen. Diese werden bislang erforscht, aber (noch) nicht abgebaut. Und der potenzielle Abbau ist höchst umstritten: Zu wenig sei über die Konsequenzen eines solchen Bergbaus auf die sensiblen Ökosysteme am Meeresboden bekannt, argumentieren Kritiker. Zunächst müsse ein Regelwerk mit Umweltstandards entwickelt werden.
In den vergangenen zwei Wochen hat der Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) weiter über ein solches Regelwerk verhandelt. Wie Table.Briefings von Teilnehmenden erfuhr, geht dies jedoch nur langsam voran. Der Zeitplan bis zum Sommer 2025 dürfte kaum einzuhalten sein – dabei drängt die Zeit: Der Inselstaat Nauru und eine Tochterfirma der kanadischen The Metals Company (TMC) wollen bereits diesen Sommer einen ersten Abbauantrag bei der ISA einreichen. Die Details erfahren Sie in unserer heutigen Analyse.
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Bis Sommer 2025 will die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) Regeln für den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee erarbeitet haben. Bei der Sitzung vom 18. bis 29. März in Kingston, Jamaika, diskutierten die ISA-Mitgliedstaaten zwar erstmals einen konsolidierten Text. Dieser habe aber für erheblichen Diskussionsbedarf gesorgt und nicht einmal das erste Drittel der Regularien sei finalisiert worden, erfuhr Table.Briefings von Teilnehmenden der Verhandlungen.
“In diesem Tempo ist es unrealistisch, dass das Regelwerk bis zum Sommer 2025 fertig wird“, sagte Martin Webeler, der für die Environmental Justice Foundation als Beobachter an den Verhandlungen teilnahm. Nahezu jede Regularie sei weiterhin unter Bearbeitung, grundlegende Themenkomplexe wie zulässige
Schwellenwerte für Umweltschäden seien kaum bearbeitet, und ständig kämen neue Fragen auf, fasste er zusammen.
Eine Sprecherin des federführenden Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) teilte mit, der Rat habe auch diesmal noch kein grünes Licht für Tiefseebergbau gegeben. Die Ratsmitglieder würden weiter über die Abbauregularien verhandeln. Die nächste Sitzung ist für Juli geplant. Unklar ist noch, ob im Herbst ein weiteres Treffen stattfinden wird, wie im vergangenen Jahr – und es hängt wohl davon ab, ob im kommenden Sommer die erste Abbaulizenz beantragt wird.
Die Bundesregierung fordert gemeinsam mit der EU, Frankreich und weiteren Staaten eine vorsorgliche Pause für den Tiefseebergbau: Es sollten erst dann Genehmigungen erteilt werden, wenn negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt ausgeschlossen werden können. Dafür müsse das Regelwerk dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen. “Im weiteren Verhandlungsverlauf wird es darauf ankommen, dass sich noch mehr Staaten für einen Aufschub des Tiefseebergbaus aussprechen und es gelingt, ein ambitioniertes Regelwerk mit wirksamen Umweltgrenzwerten und -standards zu entwickeln”, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK).
Ein Konsens der internationalen Gemeinschaft ist jedoch längst nicht garantiert: Zu viele Staaten sehen auf dem Meeresgrund einen Vorteil im Wettlauf um Mangan, Kupfer oder Nickel – alles wichtige Rohstoffe für Energiewende und Digitalisierung. Norwegen beschloss Anfang des Jahres die Erkundung des arktischen Meeresbodens und den Abbau von Mineralien am norwegischen Meeresboden, und will damit das erste Land werden, das Tiefseebergbau in kommerziellem Maßstab betreibt. China hält zurzeit fünf Explorationslizenzen und will den Abbau vorantreiben; auch Indien hat kürzlich bei der ISA zwei weitere Lizenzen für die Erkundung der Tiefseerohstoffe beantragt.
Auch die Industrie ist gespalten: Unternehmen wie Bosch und Continental setzen sich in der Deep Sea Mining Alliance für den kommerziellen Tiefseebergbau ein, und auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) will “Tiefseebergbau als Chance verstehen”. Auf der anderen Seite hat sich eine Gruppe um Volkswagen, BMW, Google, Philips und Samsung der Forderung nach einem Moratorium angeschlossen.
Während die ISA für die Exploration von Rohstoffvorkommen am Meeresboden bereits ein Regelwerk erstellt hat, fehlt ein solches noch für den Abbau dieser Rohstoffe. Der Druck verstärkte sich 2021, als der pazifische Inselstaat Nauru gemeinsam mit einem Tochterunternehmen der kanadischen The Metals Company (TMC) die sogenannte Zwei-Jahres-Klausel des internationalen Seerechts auslöste. Die ISA hätte demnach innerhalb von zwei Jahren ein Regelwerk vorlegen müssen. Die Frist dafür lief im Juli 2023 ab.
Im vergangenen Jahr konnten sich die Staaten nicht einigen, wie die ISA ohne das Regelwerk mit Abbauanträgen umgehen solle. Sie legten lediglich fest, dass es keine vorläufigen Genehmigungen geben soll, ohne dass der Rat Gelegenheit hatte, nochmal darüber zu verhandeln. Bereits im Sommer könnte der erste Antrag eintreffen: TMC bestätigte Table.Briefings auf Anfrage, der Abbauantrag solle nach der ISA-Sitzung im Juli eingereicht werden. Gemeinsam mit Nauru will das Unternehmen Batterierohstoffe in einem Gebiet der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik abbauen. Laut TMC gibt es dort unter anderem das größte unerschlossene Nickelvorkommen der Welt.
Sollte der weltweit erste Antrag für den Abbau von Tiefseerohstoffen in internationalen Gewässern tatsächlich bei der ISA eingehen, dürfte eine weitere Sitzung im Herbst stattfinden. Wenn der Rechts- und Technikausschuss der ISA eine positive Empfehlung ausspricht, sei es laut Experten für die Staaten jedoch kaum möglich, eine Genehmigung noch abzuwenden.
Im Juli könnte jedoch auch die Arbeit der Behörde einen neuen Impuls erhalten, denn der Posten des derzeitigen Generalsekretärs Michael Lodge steht zur Wahl. Während der Ratssitzung in Kingston hat Brasilien die Kandidatur von Leticia Carvalho bekannt gegeben. Die Meeresbiologin arbeitet zurzeit für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und nährt mit dieser Biografie bei Beobachtern der Zivilgesellschaft die Hoffnung auf eine neutralere Verwaltung der ISA.
Lodge, der einen juristischen Hintergrund hat, war in der Vergangenheit fehlende Neutralität zugunsten der Industrie vorgeworfen worden. So hatte etwa Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im BMWK, im März 2023 einen Brief an Lodge verfasst und sich “ernsthaft besorgt” geäußert über dessen Versuche, einseitig auf die Delegationen Einfluss zu nehmen. Mehrere Diplomaten aus den Mitgliedstaaten hätten diese Vorwürfe gemeldet. Alle Vertragsstaaten des UN-Seerechtsübereinkommens “müssen darauf vertrauen können, dass das Sekretariat seine Neutralitätspflicht achtet”, schrieb Brantner.
Zudem steht das Generalsekretariat immer wieder in der Kritik, während der Verhandlungen die Teilnahme von Presse und Beobachtern aus der Zivilgesellschaft einzuschränken und Proteste zu verhindern. Auf der Agenda der Ratssitzung stand diesmal auch die Debatte um eine Protestaktion von Greenpeace: Nachdem Aktivistinnen der NGO im Herbst 2023 rund um ein Forschungsschiff gegen Tiefseebergbau demonstriert hatten, wollte das Sekretariat eine 500 Meter breite Sicherheitszone um solche Schiffe verhängen. Eine Mehrheit der Staaten im Rat verhinderte dies aber.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) erwartet einen hohen Bürokratieaufwand für Unternehmen durch die geplante EU-Verpackungsverordnung. Befürchtungen des Verbandes, die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) könne zu Störungen bei den etablierten deutschen Mehrweg- und Einwegsystemen führen, konnten dagegen verringert werden, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Peter Feller im Gespräch mit Table.Briefings. Die EU-Staaten hatten sich nach schwierigen Verhandlungen am 15. März auf eine Kompromisslösung zur EU-Verpackungsverordnung geeinigt.
Eine endgültige Bewertung der PPWR kann Feller noch nicht abgeben. Die Verordnung sei schwer zu beurteilen und mit einigen Unwägbarkeiten behaftet. Eine finale Textfassung liege noch nicht vor. “Das Regelwerk bedarf zudem der Konkretisierung durch delegierte Rechtsakte, wobei die EU-Kommission Detailregelungen für unterschiedliche Themenbereiche trifft. Und das sind nicht wenige”, so Feller. Zudem werde sich das Rechtsetzungsverfahren aller Voraussicht nach noch in die nächste Legislaturperiode hineinziehen.
“Wir gehen aber jetzt schon davon aus, dass der Bürokratieaufwand für die Unternehmen steigen wird”, sagt Feller. So müsse die Bundesregierung zukünftig regelmäßig Daten an die EU liefern, die von den Unternehmen generiert werden müssten: etwa zu Recycling-, Rezyklateinsatz-, Mehrweg- und Einwegquoten. Darüber hinaus müssten Hersteller künftig für alle Verpackungen, die sie in den Verkehr bringen, Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Darin müssen sie prüfen und dokumentieren, dass die Verpackungen allen Anforderungen der Verordnung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Kennzeichnung entsprechen.
Positiv bewertet Feller dagegen Veränderungen hinsichtlich von Mehrweg- und Einwegsystemen. Hier habe es im ursprünglichen Verordnungstext der EU-Kommission einige Detailregelungen gegeben, die das reibungslose Funktionieren der etablierten deutschen Systeme hätten beeinträchtigen können. “Da ist unser Eindruck, dass einem erheblichen Teil unserer Bedenken Rechnung getragen wurde. Ob das schlussendlich reicht, um alle Beeinträchtigungen zu vermeiden, muss man abwarten”, erklärt Feller.
Eine Herausforderung sieht die BVE in den vorgesehenen Quoten zum Rezyklateinsatz bei Kunststoffverpackungen. Bei Lebensmittelverpackungen müsse der Rezyklateinsatz vereinbar sein mit dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit. “Das ist bisher nur bei PET-Verpackungen gelungen. In allen anderen Bereichen ist der Rezyklateinsatz im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit zurzeit so gut wie unmöglich”, sagt der BVE-Vertreter.
Insgesamt habe man beim BVE den Eindruck, dass bei der PPWR am Ende nach dem Prinzip “Schnelligkeit vor Gründlichkeit” verfahren worden sei, um das Regelwerk der Verabschiedung zuzuführen. “Die Probleme werden sich in der Anwendung und Umsetzung herausstellen. Das ist vorprogrammiert”, sagt Feller voraus.
Der Mehrwegverband Deutschland begrüßt den Durchbruch bei den Verhandlungen zur EU-Verpackungsverordnung als “positives Signal”. Damit sei erstmals auf europäischer Ebene die Zielsetzung der Reduzierung von Verpackungsmüll (15 Prozent bis 2040) unter anderem durch verbindliche Mehrwegquoten gesetzlich für alle Mitgliedstaaten verankert worden. Angesichts des außergewöhnlichen Lobbydrucks seitens der Einwegbranche, den stark divergierenden Interessen der Mitgliedstaaten sowie der Blockadebemühungen der FDP sei dies als wichtiger Schritt zu bewerten. Die Einigung der Ampel-Regierung auf eine Zustimmung zum vorliegenden Entwurf begrüße man ausdrücklich.
“Wir hätten uns allerdings eine deutlich ambitioniertere europäische Verpackungsverordnung gewünscht”, schränkte Mathias Gerspacher vom Mehrwegverband seine Zustimmung gegenüber Table.Briefings ein. Konkret kritisiert der Mehrwegverband die Absenkung von Mehrwegquoten im vorliegenden Text im Vergleich zum Ursprungsentwurf der EU-Kommission. Die PPWR enthält für eine Vielzahl von Produkten unterschiedliche Mehrwegquoten für Verpackungen, die bis 2030 beziehungsweise 2040 erreicht werden sollen. Hier wurden die Anforderungen teilweise gegenüber den Kommissionsplanungen heruntergeschraubt.
Außerdem stoßen “starke Verwässerungen durch zahlreiche Ausnahmeregelungen und Schlupflöcher” auf die Kritik des Verbandes. Als Beispiele nennt Gerspacher:
Die Abschwächungen stünden der Einhaltung der Prioritätsreihenfolge der europäischen Abfallhierarchie und somit einer erfolgreichen Reduzierung des Verpackungsmülls diametral entgegen.
Für die Mitglieder des Mehrwegverbands sowie für deren Investoren eröffne die PPWR jedoch laut Gerspacher die große Chance, durch skalierbare Mehrwegsysteme nachhaltig Verpackungsmüll zu reduzieren. “Hier können wir uns an die Spitze des globalen Wettbewerbs stellen und als Vorreiter die dringend notwendige Transformation zur Kreislaufwirtschaft vorantreiben”, meint Gerspacher.
Diesen Monat soll die PPWR im EU-Parlament in erster Lesung verabschiedet werden, was als Formalie gilt. Experten rechnen aber nicht damit, dass eine finale Beschlussfassung durch Parlament und Rat vor der Europawahl im Juni erfolgt.
8. April 2024, 18:30-20 Uhr
Vortrag & Diskussion Zwischen Kohle und Klima – Strukturwandel in der Lausitz-Forschung als Chance zur Transformation (Veranstalter: Konrad-Adenauer-Stiftung) Info & Anmeldung
9.-13. April 2024, Brüssel
Festival The Festival of the New European Bauhaus 2024 (Veranstalter: Europäische Kommission, Ratspräsidentschaft der EU) Info & Anmeldung
10. April 2024, Berlin
Konferenz Digital Sustainability Summit (Veranstalter: Bitkom) Info & Anmeldung
12.-14. April 2024, Bonn
Seminar Konfliktfeld Energie- und Klimapolitik: Die EU zwischen Klimakrise und ökonomischen Zukunftsmärkten (Veranstalter: Friederich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung
15.-19. April 2024, Kochel am See
Seminar Das Versprechen von Diversität und Nachhaltigkeit – Unternehmen nutzen den Zeitgeist (Veranstalter: Georg-von-Vollmar-Akademie e.V.) Info & Anmeldung
15.-19. April 2024, Darmstadt
Konferenz 6. Darmstädter Tage der Transformation (Veranstalter: Schader-Stiftung) Info & Anmeldung
16. April 2024, 09:30-15:30 Uhr, Online
Webinar Systematischer Klimaschutz – Klimamanagement in Unternehmen (Veranstalter: KliMaWirtschaft) Info & Anmeldung
24.-25. April 2024, Düsseldorf
Konferenz Fachkongress Biodiversität Gebäudegrün 2024 (Veranstalter: Bundesverband GebäudeGrün e.V.) Info & Anmeldung
Die Bundesregierung will Unternehmen bei der Aufgabe, über ihre Nachhaltigkeit berichten zu müssen, Arbeit abnehmen. Deshalb stellt sie dem Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) knapp 20 Millionen Euro zur Verfügung, um den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) fit für die kommenden neuen Regulierungen zu machen. Der Berichtsstandard wurde 2011 vom RNE veröffentlicht und diente bislang mehr als 1.200 Unternehmen dazu, ihre ESG-Bemühungen offenzulegen.
Bei der Ankündigung des Vorhabens erklärte Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMWK, ihm als Mittelstandsbeauftragten sei es “sehr wichtig”, weitere bürokratische Lasten zu verhindern. Allein das europäische Lieferkettengesetz und die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Berichtspflicht (CSRD), die sich aktuell im Status eines Referentenentwurfs befindet, würden es erfordern, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vor Überforderung schützen zu müssen. Sein Versprechen: “Die Berichterstattung wird mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex 2.0 wesentlich einfacher.”
Konkret wollen die Initiatoren:
Dem RNE-Vorsitzenden Reiner Hoffmann schwebt vor, dass der Nachhaltigkeitskodex künftig von Akteuren entlang der gesamten Lieferkette genutzt werden kann und soll. Deshalb wolle man auch dafür sorgen, dass die Bekanntheit des DNK erhöht wird. Außerdem wolle man in den nächsten Monaten Stakeholder einbeziehen und mit Unternehmen und Vertretern von IHKs sprechen. Geplant ist unter anderem ein Workshop mit rund 100 Vertretern aus Firmen und Verbänden Mitte April sowie eine öffentliche Konsultation, die voraussichtlich Mitte Mai stattfindet. “Der Kodex soll möglichst passgenau für die verschiedensten Unternehmen und Branchen sein”, so Hoffmann. Wirksam werden soll der veränderte DNK ab dem 1. Januar 2025. maw
Neben dem grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir stellt sich jetzt auch das BMUV hinter die Forderung, die Übergangsfrist für die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten zu verlängern. Beim EU-Agrarrat vergangene Woche hatten sich neben Özdemir auf Initiative Österreichs 20 Minister für einen Aufschub der seit vergangenem Jahr beschlossenen Regeln ausgesprochen.
Entscheidend ist aus BMUV-Sicht, ob die EU-Kommission rechtzeitig das sogenannte Länder-Benchmarking veröffentlicht: eine Liste, die jedem Land eine bestimmte Risikostufe für Entwaldung zuweist. Geschehe dies nicht, “befürwortet die Bundesregierung die Verlängerung der Übergangsphase“, sagte ein Sprecher Table.Briefings. Schon während der Verhandlungen zum Gesetz habe sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass dieses “nur umsetzbar” sei, wenn das Benchmarking vor Inkrafttreten der Regeln vorliegt.
Durch das Ranking sollen Behörden und Wirtschaftsakteure bei der Umsetzung der Verordnung besser einschätzen können, in welchen Ländern sie bei Lieferanten auf besonders genaue Nachweise dafür pochen müssen, dass für ein Produkt kein Wald abgeholzt wurde. Die Kommission hatte zuletzt Verzögerungen eingeräumt.
Es sei “möglich”, dass das Benchmarking nicht vor Ende des Jahres bereit sei, erklärte Astrid Schomaker von der Generaldirektion Umwelt kürzlich vor dem EU-Agrarausschuss. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Datenerhebung sei die Vorbereitung komplex, zudem wolle man sich die Zeit für den Austausch mit Behörden vor Ort nehmen, bevor man ein Land als Hochrisikostaat einstufe.
Trotz der Verzögerungen hat die Kommission einen Aufschub der Verordnung bislang ausgeschlossen. “Natürlich hören wir uns die Argumente an, aber ehrlich gesagt sehe ich keine Probleme”, so Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius vergangene Woche. Für einen Aufschub wäre zudem ein vollständiges Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung von Rat und Parlament nötig, um die entsprechenden Passagen zu ändern.
Auch ohne fertiges Länderranking könnten die Regeln aber aus Schomakers Sicht ohne Probleme in Kraft treten: “In diesem Fall würden alle Länder erst einmal automatisch als Standardrisiko eingestuft.” Genau das wäre aus deutscher Sicht jedoch unvorteilhaft. Denn in einem fertigen Länder-Benchmarking würde die Bundesrepublik mit großer Wahrscheinlichkeit als Niedrigrisikoland eingeordnet.
“Ohne das Länder-Benchmarking gelten essenzielle Erleichterungen für Niedrigrisikoländer nicht und die Verordnung ist nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für Wirtschaft und Verwaltung anwendbar”, moniert das BMUV. Waldbesitzer und Rinderhalter in Deutschland – neben Holz fallen unter anderem Rindererzeugnisse unter die Regeln – müssten mehr Aufwand betreiben, um zu belegen, dass ihre Erzeugnisse nicht mit Abholzung in Verbindung stehen, so die Befürchtung.
Während unter anderem Özdemir den geforderten Aufschub auch mit besonderen Belastungen “für Klein- und Kleinstwaldbesitzer” begründet, verweisen Umweltschützer darauf, dass das Gesetz für kleine Betriebe ohnehin eine längere Übergangsfrist vorsehe – erst ab Mitte 2025 gelten die Regeln auch für sie. jd
Viele Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie sind nicht ausreichend auf die Herausforderungen der Transformation vorbereitet. An jedem zweiten Standort wird zu wenig investiert. Nur knapp die Hälfte der betroffenen Unternehmen verfügt über eine Strategie für den Wandel. In der Folge steigt das Risiko von Arbeitsplatzverlusten und Standortverlagerungen ins Ausland.
Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Betriebsrätebefragung der IG Metall. An ihr haben sich im Februar und März dieses Jahres Arbeitnehmervertreter aus 2.596 Betrieben mit knapp 1,5 Millionen Beschäftigten beteiligt.
Besonders kritisch wird die Situation von den Betriebsräten im Fahrzeugbau eingeschätzt. Hier beobachten bereits 56 Prozent der Befragten konkrete Auslandsaktivitäten. Im Branchendurchschnitt sind es knapp ein Drittel (29 Prozent). Deutlich entspannter ist die Situation in der Stahlindustrie (13 Prozent) und im Handwerk (11 Prozent).
“Unsere Umfrageergebnisse zeigen Licht und Schatten. Einige Unternehmen stehen sehr robust da, teilweise mit Rekord-Dividenden”, so die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner. Insgesamt gelte aber: “Investieren im Inland muss das Gebot der Stunde lauten. Die Beschäftigten brauchen Sicherheit und Perspektiven.”
Die Zahl der Betriebsräte, die in der Digitalisierung und der Energie- und Mobilitätswende eine Chance für ihr Unternehmen sehen, liegt bei nur 15 Prozent. Weitere 32 Prozent erwarten zumindest kein zusätzliches Risiko. Dagegen steigt der Anteil der Arbeitnehmervertreter, die in der Transformation eine Gefährdung ihres Standorts erkennen. Er liegt mittlerweile bei 36 Prozent. Von diesen Betrieben sind wiederum nur 48 Prozent ganz oder teilweise auf die anstehenden Veränderungen vorbereitet, so die Befragten.
IG Metall-Chefin Benner fordert deshalb eine aktive Industriepolitik, die verlässliche Rahmenbedingungen schafft: “Die Politik muss sich klar zum Industriestandort bekennen. Die Regierung muss jetzt die richtigen Weichen stellen, um Deindustrialisierung zu vermeiden”, so Benner. ch
Ein neuer “European Clean Tech Tracker” soll Orientierung zur Entwicklung des grünen Umbaus und der Umsetzung des Green Deals in Europa geben. Das Informationsportal des Brüsseler Thinktanks Bruegel soll einen “klaren, aktuellen und politikrelevanten Überblick” über Innovationen, Herstellung und Aufbau der wichtigsten grünen Techniken bieten. Der Tracker solle Informationen für öffentliche und private Entscheidungen liefern, da die Datenlage zu grüner Technologie in Europa derzeit häufig zersplittert, schwer zu erreichen und oft nur kommerziell zu bekommen sei, heißt es auf der Website von Bruegel.
Die Datenbank, die noch im Aufbau ist und auch auf die Rückmeldung aus der Öffentlichkeit angewiesen sei, will vor allem Informationen in folgenden Gebieten liefern:
Die Informationen sollen sich vor allem auf folgende Techniken beziehen und regelmäßig aktualisiert werden:
In seiner ersten Version konzentriert sich der Tracker auf die ersten fünf dieser Themen. Rückmeldungen und zusätzliche Daten von Interessierten sind ausdrücklich erwünscht. bpo
Der Arbeitskampf gegen Tesla in Schweden geht weiter. Was vor mehr als fünf Monaten mit einem Streik der Mechaniker in den Werkstätten der Tesla-eigenen TM Sweden AB begann, hat sich inzwischen auf verschiedene Branchen ausgeweitet. Hinzu kommen Solidaritätsstreiks in anderen nordischen Ländern. Der Elektroautohersteller zeigt sich bisher jedoch nicht verhandlungsbereit.
IF Metall versucht es deshalb jetzt mit dem schwedischen Mitbestimmungsgesetz (MBL). Nach § 19a sind Unternehmen, die gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer beschäftigen, verpflichtet, der Gewerkschaft regelmäßig wichtige Unternehmens- und Geschäftszahlen mitzuteilen. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob ein Tarifvertrag besteht oder nicht.
IF Metall hat deshalb die lokalen Tesla-Manager für die kommenden Wochen zu Gesprächen eingeladen. Ob und wann diese stattfinden, ist noch unklar. Sollte sich Tesla weigern, könnte IF Metall die Treffen gerichtlich erzwingen.
Dem Streik der Tesla-Beschäftigten haben sich in den letzten Monaten zahlreiche andere Beschäftigte in Solidaritätsstreiks angeschlossen. So wird in den Tesla-Filialen keine Post mehr zugestellt. Die Büroräume werden nicht mehr gereinigt. Ladesäulen werden weder installiert noch gewartet. Zudem werden in den Häfen Schwedens, Finnlands, Dänemarks und Norwegens seit Monaten keine Teslas mehr entladen, die für Schweden bestimmt sind.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos halten rund 60 Prozent der schwedischen Unternehmer das Vorgehen der Gewerkschaften im Tesla-Konflikt für unverhältnismäßig. Die Zahlen sind bei Unternehmern mit und ohne Tarifvertrag ähnlich.
Gleichzeitig steigen die Sympathiewerte in der Bevölkerung. So gaben im jährlichen Vertrauensbarometer der schwedischen Medienakademie 43 Prozent der Befragten an, großes oder eher großes Vertrauen in die Gewerkschaften zu haben. Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren. ch
Zweimal schon hat die Bundesregierung herausragende KI-Projekte gesucht, die das Ziel haben, die Umwelt und das Klima zu schonen. Jetzt ruft sie zum dritten Mal dazu auf, Anträge einzureichen. Die ausgelobte Summe beträgt diesmal rund 24 Millionen Euro und stammt aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Umweltministeriums. Bewerben können sich Start-ups, kleine und mittelständische Unternehmen sowie Kooperationen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunen. So soll gewährleistet sein, dass die unterstützten Ideen nicht im Labor bleiben, sondern in der Praxis eingesetzt werden.
Bei den ersten beiden Förderungen in den vergangenen Jahren wählten die Initiatoren 53 Projekte aus, die zusammen etwa 70 Millionen Euro erhielten. Darunter waren Vorhaben, um Frankfurter Rechenzentren energieeffizienter zu machen, nachhaltige Logistikketten aufzubauen, die Recyclingquote von Kunststoffabfällen zu steigern, Bauschutt für die Wiederverarbeitung sortenrein zu trennen oder Plastikmüll im Meer aufzuspüren. Interessierte können auf dieser Seite ihre Projektskizze einreichen sowie weitere Infos und Hilfe bekommen. Die Frist läuft am 17. Mai 2024 ab. maw
International Court Issues First-Ever Decision Enforcing the Right to a Healthy Environment – Inside Climate News
Die Gemeinde von La Oroya in Peru, eine der durch Bergbauaktivitäten am stärksten verschmutzten Städte der Welt, habe einen historischen Sieg vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte errungen, schreibt Katie Surma. Das Gericht habe festgestellt, dass der peruanische Staat das Recht der Einwohner auf eine gesunde Umwelt verletzt habe. Zum Artikel
Was Kommunen zur Klimaneutralität fehlt – FAZ
In vielen Kommunen seien die Hürden zur Nachhaltigkeit größer als die Bereitschaft, Maßnahmen zu ergreifen, schreibt Philipp Krohn. Viele Konflikte prallten dort aufeinander und die finanziellen Mittel seien knapp. Krohn schaut sich einige Städte genauer an und spricht mit Expertinnen aus Praxis und Forschung. Zum Artikel
Angry Farmers Are Reshaping Europe – The New York Times
Die Bauernproteste verändern nicht nur das europäische Ernährungssystem, sondern auch die Politik. Im Vorfeld der Europawahlen wittert vor allem die extreme Rechte ihre Chance. Das gefährdet nicht nur die europäische Einheit gegenüber Russland, sondern auch die Klimaziele, meint Roger Cohen. Zum Artikel
Klimaaktivistin: “CO₂-Zertifikate sind eine Form von Klima-Kolonialismus” – Der Standard
Im Interview mit Jakob Pallinger warnt die ugandische Umweltaktivistin Hamira Kobusingye davor, dass nicht nur für Ölpipelines, sondern auch für Renaturierungsmaßnahmen ganze Gemeinden vertrieben werden. Zum Artikel
Northvolt-Chef Peter Carlsson: Er glaubt an ein Biarritz in Schleswig-Holstein – Süddeutsche Zeitung
Vorhaben wie der Bau der Northvolt-Batteriefabrik im Kreis Dithmarschen funktionierten nur, wenn man mit der örtlichen Gemeinschaft zusammenarbeite – das habe Peter Carlsson, CEO von Northvolt, beim Bau einer Fabrik in Schweden gelernt. Wie er das neue Projekt erfolgreich machen will, hat Saskia Aleythe recherchiert. Zum Artikel
Secondhand clothing on track to take 10% of global fashion sales – The Guardian
Vergangenes Jahr seien die Verkäufe von gebrauchter Kleidung um 18 Prozent gestiegen und ihr Anteil am Gesamtmarkt werde voraussichtlich weiter steigen, berichtet Sarah Butler. Gründe dafür seien nicht nur die Inflation und Nachhaltigkeitserwägungen, sondern auch eine größere Verfügbarkeit von gebrauchter Kleidung auf Online-Plattformen. Zum Artikel
ADAC-Präsident: “Vielleicht stimmt was nicht am Geschäftsmodell der deutschen Hersteller” – Süddeutsche Zeitung
Christian Reinicke, Präsident des ADAC, stellt das Geschäftsmodell der deutschen Autobauer infrage. Für den heimischen Markt seien ihre E-Autos zu groß und zu teuer, sagt er im Interview mit Caspar Busse und Uwe Ritzer. Außerdem fordert er von der Bundesregierung, besser auf die Fragen und Bedenken von potenziellen Käufern einzugehen. Zum Artikel
“Fast alle können Stromkosten zweistellig senken” – Handelsblatt
Technologien, die beim Energiesparen helfen, boomen, schreibt Axel Höpner und stellt das Start-up Ecoplanet vor. Dessen KI-Lösung überwacht Maschinen im laufenden Betrieb, zeigt auf, wo sich der Verbrauch senken lässt, und gleicht zudem die jeweils aktuellen Stromtarife ab. Mit dem Ergebnis, dass manche Maschine dann nachts läuft. Ecoplanet kam schon im ersten Jahr auf siebenstellige Umsätze. Zum Artikel
Unsere Gesellschaft steckt in einer doppelten Krise, verursacht durch den fortschreitenden Klimawandel und die wachsenden sozialen Spannungen. Beides ließe sich bewältigen – vorausgesetzt, die nötigen Investitionen werden fair finanziert und die entstehenden Kosten gerecht verteilt.
Besonders hohe Einkommen und Vermögen stärker zu besteuern, ist dafür unabdingbar. Andernfalls werden genau jene ärmeren Bevölkerungsgruppen durch die ökologische Transformation besonders stark belastet, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. Das birgt großes Konfliktpotenzial, insbesondere in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Ökologie und Soziales gemeinsam zu bedenken und in der Steuerpolitik zu berücksichtigen, wirkt dem entgegen.
Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden. Dafür müssen Kohle, Öl und Gas komplett durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Der Wandel braucht keine Wundertechnologien, sondern einen möglichst schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien, Netzen, Speichern, Ladesäulen und eine möglichst konsequente Einsparung von Energie.
Massive Investitionen sind vonnöten, geschätzt auf 70 bis 80 Milliarden Euro jährlich – etwa zwei Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Um sie zu ermöglichen, kommt dem Staat eine entscheidende Rolle zu. Bisher sind die notwendigen Maßnahmen für Investoren nicht rentabel. Das heißt, dass Arbeit und Kapital zu langsam in die entsprechenden Sektoren fließt. Um das zu ändern, sind Subventionen notwendig.
Eine Steuerung der Transformation nur über höhere Preise wird nicht ausreichend sein. Sie wirken regressiv, belasten also Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen besonders stark. Außerdem werden sie zu schnell zum Spielball politischer Ideologien, wie wir es beim Tankrabatt gesehen haben.
In Deutschland besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung rund 60 Prozent des Gesamtvermögens, während die ärmere Hälfte praktisch über kein Vermögen verfügt. Und während die untere Hälfte der Bevölkerung einen durchschnittlichen CO₂-Fußabdruck von 5,9 Tonnen pro Jahr hat, emittiert das reichste Prozent 117,9 Tonnen.
Die politischen Folgeschäden sind enorm, wenn ausgerechnet die Bevölkerungsgruppen, die durch ihre relativ geringen Emissionen vergleichsweise wenig zum Klimawandel beitragen, einen überproportionalen Teil der Kosten der ökologischen Transformation zu tragen haben. Das kann, insbesondere in Krisenzeiten, einen fruchtbaren Nährboden für populistische Bewegungen entstehen lassen.
Um den sozialen Zusammenhalt während der Klimatransformation zu gewährleisten, ist es deshalb unerlässlich, die soziale Frage stärker in den öffentlichen Diskurs einzubeziehen. Die wirtschaftliche Transformation muss unter dem Gesichtspunkt der Verteilungspolitik betrachtet werden.
Eine stärkere Besteuerung der Spitzenverdiener und Vermögenden würde dabei gleichzeitig die Finanzierung der grünen Transformation stärken und der Ungleichheit in Deutschland entgegenwirken – was wiederum dazu beitragen würde, die gesellschaftliche Spaltung zu verringern.
Doch eine konstruktive Diskussion über Steuern wird oft von Mythen verhindert, wie dem Mythos, Deutschland sei ein Hochsteuerland. Zwar stimmt dies in Bezug auf Einkommen – schauen wir uns aber Vermögen an, ist Deutschland ein Niedrigsteuerland. Eine ausgesetzte Vermögenssteuer und eine löchrige Erbschaftssteuer voller Ausnahmeregelungen tragen dazu bei.
Eine höhere Besteuerung von Vermögen, von der nur ein kleiner Teil der Bevölkerung betroffen wäre, würde bei einer entsprechenden Ausgestaltung mit Freibeträgen und Stundungsmöglichkeiten Investitionen nicht abwürgen. Stattdessen würde sie bessere Möglichkeiten aktiver Industriepolitik eröffnen und so dafür sorgen, dass diese Investitionen in die für die ökologische Transformation notwendigen Bereiche fließen.
Ein weiterer Mythos betrifft die wirtschaftlichen Schäden einer stärkeren Besteuerung. Zwar ist es notwendig, darauf zu achten, nicht die Substanz von Unternehmen anzugreifen. Tatsächlich führen aber hohe Geldansammlungen nicht zwangsläufig zu mehr Investitionen in die Realwirtschaft.
Je nach Ausgestaltung könnte eine Kombination aus
Dutzende Milliarden Euro einbringen. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit schätzt die Gerechtigkeitslücke im deutschen Steuersystem auf 75 bis 100 Milliarden Euro.
Der Dreiklang aus notwendigen Investitionen in die Zukunft, der Ablehnung neuer Schulden, sowie der Ablehnung von Steuererhöhungen für die Reichsten wird nicht funktionieren.
Um den sozialen Frieden nicht noch weiter zu gefährden, ist eine stärkere Besteuerung derjenigen, die in den vergangenen Jahren am meisten von unserem Wirtschaftssystem profitiert haben, unabdingbar – nicht aufgrund von Neid oder moralischer Verteufelung von Reichtum, sondern weil eine gerechtere Verteilung der Lasten und Chancen in unserer Gesellschaft notwendig ist, um langfristige Stabilität und Prosperität für alle zu gewährleisten.
Till Kellerhoff ist Programmdirektor des Club of Rome und seit 2021 als globaler Koordinator der internationalen Initiative Earth4All tätig. Am 26. März 2024 ist im oekom Verlag das Buch “Tax the Rich. Warum die Reichen zahlen müssen, wenn wir die Welt retten sollen” erschienen, das Kellerhoff gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsforscher Jørgen Randers geschrieben hat.
Security.Table – Rüstungsbranche wirbt mit klimafreundlicher Verteidigung: Die Streitkräfte der Nato-Staaten müssten “grün und gleichzeitig stark” sein, fordert Generalsekretär Jens Stoltenberg. Doch sind Ankündigungen für klimaverträglichere Armeen tatsächlich mehr als Imagepflege? Zum Artikel
Europe.Table – PIK fordert EU-Zentralbank für Emissionshandel und CO₂-Entnahmen: Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hat ein Konzept vorgestellt, wie die CO₂-Entnahme in Europa schneller hochgefahren werden kann. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer CO₂-Zentralbank. Zum Artikel
Agrifood.Table – Kommission schwächt Vorgaben für Landwirtschaft bei EU-Klimazielen ab: In ihrer Empfehlung für das EU-Klimaziel 2040 hat die Europäische Kommission das Kapitel zur Landwirtschaft deutlich abgeschwächt. Konkrete Reduktionsziele sieht sie für den Sektor nicht vor. Zum Artikel