die Debatte über die sozial-ökologische Transformation ist mitten in der politischen Arena angekommen. Für die gleichzeitige Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, des Wohlstands und der Stabilität der Demokratie in Deutschland ist es entscheidend, dass die konstruktiven wirtschaftlichen und politischen Kräfte die Bürger von ihrem Weg überzeugen.
Zu den konstruktiven Akteuren gehört seit der Schaffung der sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland die IG Metall. Und daran knüpft nun auch Christiane Benner an, seit Montag die erste Frau an der Spitze der mächtigsten hiesigen Einzelgewerkschaft. Ihre Forderung nach mehr betrieblicher Mitbestimmung ist elementar, damit deutsche Unternehmen zukunftsfähige Strategien entwickeln und sich mehr Arbeitnehmer als gestaltend erleben, was wiederum dem Rechtsruck entgegenwirken dürfte. Angesichts von nur noch rund 5,6 Millionen Gewerkschaftsmitgliedern gibt es Nachholbedarf. All dem widme ich mich in meinem Porträt über Christiane Benner.
Wie groß die Herausforderung bei der Transformation sind, hat am Dienstag Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit Blick auf die Industrie deutlich gemacht, notwendig ist der Erhalt der industriellen Wertschöpfung. Wie mühsam der Übergang zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft ist, zeigt sich bei der Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Thema von Nicolas Heronymus.
Bis auf die AfD betrachten alle im Bundestag vertretenen politischen Parteien den menschlich verursachten Klimawandel als evident und die Notwendigkeit eines Umbaus der Wirtschaft als notwendig. Gestritten wird meist über die Frage, wann marktliche oder ordnungspolitische Instrumente sinnvoller sind. Einzig die AfD leugnet immer noch den Klimawandel. Warum sie damit reüssiert und warum dies – gerade bei weiteren Erfolgen auf der kommunalen Ebene – eine Gefahr für die Klimawende darstellt, analysiert Carsten Hübner.
Konkurrenz bekommt die AfD in Sachen Klimapopulismus nun von der Ex-Linken-Galionsfigur Sahra Wagenknecht ins Leben gerufenen Verein, dem eine Parteigründung folgen soll. Allerdings negiert die neue Gruppe den Klimawandel zumindest nicht, sondern schreibt in ihrem Positionspapier: “Die Veränderung des Weltklimas und die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlage sind ernste Herausforderungen, die die Politik nicht ignorieren darf”.
Am heutigen Mittwoch will die Clean Cloth Campaign (CCC) gemeinsam mit der kroatischen Gewerkschaft Novi Sindikati nach Informationen von Table.Media eine Beschwerde gegen das Modeunternehmen Olymp Bezner KG bei der nationalen Kontaktstelle der OECD in Deutschland einreichen. Der Vorwurf: Olymp habe bei der Beendigung seiner Geschäftsbeziehungen zu einem Zulieferer in Kroatien gegen OECD-Standards verstoßen. Dazu heißt es in der Beschwerde, die Table.Media vorliegt:
Olymp unterhielt mehr als ein halbes Jahrhundert eine Geschäftsbeziehung mit der staatlichen Textilfabrik Orljava in der ost-kroatischen Kleinstadt Požega, wo bis zu 400 Beschäftigte tätig waren. Olymp habe lange Zeit einen Exklusivvertrag mit der Fabrik gehabt, heißt es in der Beschwerde. Während der Pandemie habe die deutsche Firma dann weniger Aufträge erteilt und im Oktober 2020 die Geschäftsbeziehung gekündigt.
Letztmals nähten Beschäftigte für Olymp im April 2021. Drei Monate später meldete die Fabrik Konkurs an und kündigte den 172 verbliebenen Beschäftigten – sie erhielten zunächst nicht ihnen zustehende Abfindungen. Später zahlte der Staat 37,5 Prozent im Wege einer Soforthilfe. Im März 2023 beschloss der kroatische Staat dann die Zahlung von Abfindungen und anderer Ansprüche in Höhe von rund 491.000 Euro an ehemalige Beschäftigte der Fabrik.
Olymp sah keine Veranlassung, sich an Abfindungen zu beteiligen. “Da wir uns nicht in der Verantwortung für den bedauerlichen Hergang sehen, erachten wir uns auch nicht zur Zahlung von Abfindungssummen verpflichtet”, antwortet das Unternehmen auf Anfrage von Table.Media. Aber man habe sich dafür eingesetzt, dass die Arbeitenden ihre Abfindungen erhielten. Dazu habe man auch mit den örtlichen Gewerkschaften Novi Sindikat und TOKG sowie dem europäischen Gewerkschaftsverbund IndustriALL in Kontakt gestanden.
Aus Sicht des Unternehmens aus Bietigheim-Bissingen (2021: Umsatz 161 Millionen Euro, 800 Mitarbeiter in Europa und Zulieferer in 12 Ländern) stellt sich der Sachverhalt folgendermaßen dar: Eine geplante Privatisierung des Betriebes sei nicht gelungen, der Fortbestand durch Eigentümer und Management regelmäßig “infrage gestellt” worden, weswegen “überfällige Investitionen” ständig aufgeschoben worden seien. Eine zuverlässige Jahres- und Produktionsplanung habe “nicht mehr gewährleistet werden” können. Man habe selbst mit einem interessierten Investor gesprochen, der aber von dem staatlichen Eigentümer abgelehnt worden sei. Bei der Kündigung der Geschäftsbeziehung sieht das Unternehmen auf seiner Seite keine Verstöße gegen die OECD-Guidelines.
Olymp verweist in dem Kontext auch auf seine Mitgliedschaft in einer Multi-Stakeholder-Initiative, was die OECD empfiehlt. Olymp ist seit 2021 Mitglied bei Fair Wear, man habe sich im Fall von Orljava an deren “Responsible Exit Strategy Guide” orientiert. Das Unternehmen zeigt sich auch weiter dialogbereit und nimmt an einer Onlinekonferenz der Beschwerdeakteure teil.
Angesichts solcher Fälle wie in Kroatien will das Bündnis Auftraggeber textiler Zulieferer generell mit in die Verantwortung nehmen, damit Beschäftigte bei Fabrikschließungen ihnen zustehende Abfindung erhalten. Das Netzwerk wirbt für einen Fonds. “Jeder Auftraggeber soll einen kleinen Anteil der jährlichen Auftragssummen einzahlen”, sagt Artemisa Ljarja von der deutschen CCC. Der Fonds solle einspringen, wenn Beschäftigten entlang der textilen Lieferkette ihnen zustehende Abfindungen vorenthalten würden. Außerdem sollten die Mittel des Fonds genutzt werden, um Sozialversicherungssysteme in den Produktionsländern aufzubauen.
Zur Begründung heißt es: Regelmäßig gingen Beschäftigte bei Schließungen von Textilfabriken leer aus. Zudem gebe es Unternehmer, die eine Fabrik schlössen und parallel eine neue aufmachten. “Dahinter kann sich ein strategisches Kalkül verbergen”, sagt die CCC-Aktivistin Artemisa Ljarja. Denn oft hätten Beschäftigte nach fünf bis zehn Jahren einen gesetzlichen Anspruch auf einen Bonus oder eine höhere Bezahlung. “Den umgeht mancher Unternehmer, indem er die bisherige Fabrik schließt und eine neue öffnet, bisweilen sogar um die Ecke.”
Ist die Idee vielversprechend? Die CCC hatte schon einmal intensiv dafür geworben, dass Auftraggeber Verantwortung übernehmen – für die Sicherheit in den Fabriken. Lange Zeit winkten die meisten Unternehmen ab. Aber nach dem schweren Fabrikunglück von Rana Plaza im April 2013, beteiligten sich viele Unternehmen an dem sogenannten Bangladesch Accord, mit dem die Exportfabriken in dem Land in puncto Feuerschutz und Gebäudesicherheit deutlich verbessert wurden.
Wie geht es weiter? Nationale Kontaktstellen der OECD können nur dann bei Streitfällen helfen, wenn die Unternehmen mitspielen. Denn es handelt sich um ein freiwilliges Verfahren. Immer wieder ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass sich Unternehmen nicht darauf eingelassen haben.
“Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie muss stärker als jemals zuvor wirklich zur Handlungsmaxime für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden”, sagte Gunda Röstel, stellvertretende Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) auf der Auftaktkonferenz zur Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) vor einigen Tagen. Sie müsse sich auf Kernziele und Leitindikatoren konzentrieren, um einfacher zu werden, “statt auf Dinge, die wenig Handlungsorientierung haben” sagte Röstel und sprach Sarah Ryglewski direkt an, die auf der Bühne neben ihr saß und im Kanzleramt zuständig ist für Nachhaltigkeitspolitik.
Die alle vier Jahre erfolgende Überarbeitung der DNS findet dieses Mal zur Halbzeit der Agenda 2030 statt. Nicht nur global betrachtet ist der Fortschritt auf dem Weg zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) dürftig, auch in Deutschland droht bei 44 Prozent der 75 mit Indikatoren hinterlegten Zielen eine “wesentliche Zielverfehlung”, wie der jüngste Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamts zeigt. “Im Zuge der Aktualisierung der Nachhaltigkeitsstrategie schauen wir uns an, wie Indikatoren und Ziele überarbeitet werden können, um Fortschritte treffender messen und steuern zu können”, sagte Ryglewski Table.Media. Die überarbeitete Strategie will das Kabinett verabschieden, wenn die Beteiligungsrunden mit Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft abgeschlossen sind. Dafür angepeilt ist der Herbst 2024.
Ökologisch progressive Unternehmensverbände unterstützen Gunda Röstel bei ihren Forderungen, die auf einer Entwurfsvorlage für DNS-Überarbeitungsempfehlungen beruhen, die der RNE am 8. November beschließen will. So fordert etwa Katharina Reuter, Vorsitzende des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft (BNW), gegenüber Table.Media, dass in der Strategie konkrete Maßnahmen mit einem Zieldatum vereinbart werden, “um sie zu einem starken Umsetzungshebel zu machen”. Aufgrund des Zeitdrucks bedeutete dies aber auch, dass es eine Berücksichtigung von Zielkonflikten sowie eine Priorisierung von Maßnahmen braucht.
“Eine Fortschreibung der Strategie allein reicht nicht mehr, es braucht aktives Management“, sagt Yvonne Zwick, Vorsitzende des Unternehmensnetzwerks Baum. Es müsse nachgebessert werden, wenn Maßnahmen nicht wirksam genug sind. “Es braucht deutlich mehr Geschwindigkeit, ein höheres Maß an Verbindlichkeit, klarere Entscheidungen und (auch politisch, nicht nur administrativ) konkretes, von der Strategie abgeleitetes Handeln, das die Infrastrukturen schafft, um die relevanten Akteure bestmöglich zu befähigen“, ergänzt Zwick.
Für im Kontext der Transformation relevante Akteure wie Unternehmen seien “Planungssicherheit und Verlässlichkeit die Voraussetzung für ihr Handeln und ihre Investitionen”, sagt Zwick. Eine übergreifende Nachhaltigkeitsstrategie könne in diesem Zusammenhang ordnend wirken. Die Vorsitzende des BNW, Reuter, fordert Lösungen, die nach der Marktlogik funktionieren. “Wir müssen auch den Preis als wichtiges Regulativ für Verbraucherinnern und Verbraucher nutzen, damit sie automatisch zu nachhaltigen Alternativen greifen”, sagt die BNW-Vorsitzende. Dafür müssten aber ökologische Folgekosten stärker bei der Preisbildung berücksichtigt werden. Das ist in der Theorie eine uralte Forderung der Mainstreamökonomie, stößt in der Praxis aber regelmäßig auf heftigen Widerstand von Akteuren.
Zwick fordert außerdem “mehr innovative Lösungen im Sinne des Green Deals“. Statt des “realpolitisch stattfindenden Subventionswettlaufs” mit staatlichen Mitteln müsse privates Kapital für die Umsetzung von Innovationen gewonnen werden; die Idee des Green Deals, öffentliche Mittel mithilfe privaten Kapitals zu hebeln, sei gut, zumal der Staat die Finanzierung der Transformation nicht komplett allein übernehmen könne. Daher sollte der Sustainable Finance-Beirat mit den beiden Bundesministern für Finanzen sowie Wirtschaft und Klimaschutz “die Transformation gestalten”. In der Vergangenheit haben einige Mitglieder das Gremium verlassen, weil sie über die geringen Gestaltungsmöglichketen frustriert waren.
Aus Sicht von Thomas Holtmann, Abteilungsleiter Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sollte die überarbeitete Strategie es “Unternehmen in allen Industriesektoren erleichtern, Maßnahmen für die grüne Transformation zügig umzusetzen, ohne jahrelang auf den Ausgang von Planungs- und Genehmigungsverfahren warten zu müssen“. Ein Fokus müsse zudem “auf einem zügigen Übergang zur Circular Economy liegen – auch um die strategische Autonomie des Industriestandorts Deutschlands zu sichern”, sagt Holtmann gegenüber Table.Media.
Das Parlament müsse ebenfalls bei der Nachhaltigkeit gestärkt werden, sagte Gunda Röstel im Verlauf ihres Plädoyers für eine aus ihrer Sicht sinnvolle Überarbeitung der DNS. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBnE) sollte Einfluss auf die DNS erhalten. “Es braucht aber vor allem Kontrolle, nicht nur formell“, sagte Röstel. Sie wünsche sich zudem, dass es für die DNS auch eine Beschlussfassung im Bundestag gibt, ergänzte sie wieder in Richtung Ryglewski.
Der Bundestag stehe bei der Umsetzung der DNS “wie ein Zuschauer am Spielfeldrand“, sagt Felix Schreiner, Nachhaltigkeitssprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zu Table.Media. Für mehr Akzeptanz der DNS in der Gesellschaft müsse der Bundestag “künftig nicht nur die Überarbeitung verabschieden, sondern auch alle Oberziele und Indikatoren in der gebotenen Ausführlichkeit diskutieren“, fordert Schreiner, der selbst Obmann im PBnE ist. Nils Gründer, FDP-Obmann im PBnE, hält es für wichtig die DNS regelmäßig “nachzuschärfen.” Der Bundestag solle “in einem zusätzlichen Schritt in die Überarbeitung mit einbezogen werden.”
Seine Position sei “differenzierter” entgegnet der PBnE-Vorsitzende, Helmut Kleebank (SPD), auf die Forderung von Gunda Röstel. Ihm zufolge habe das Klimaschutzgesetz gezeigt, wie schwierig es ist, Ziele in Gesetzen festzulegen. Mit Blick auf die DNS, ihre Indikatoren und Maßnahmen stelle er es sich “höchst kompliziert” vor, dies “in Gesetzesform zu gießen”, sagt Kleebank. Ihm zufolge wäre es aber “richtig, aus dem PBnE einen regulären Ausschuss zu machen“. Dafür sehe er aber aktuell keine Mehrheit im Bundestag. Laut Nils Gründer sei der PBnE als Gremium sinnvoll. “Es ist aber wichtig, dass wir uns in den Sitzungen weiterhin mit Input von Verbänden und der Wissenschaft beschäftigen.” Den PBnE zu einem Ausschuss zu machen, hält der FDP-Politiker aber “nicht für zielführend“.
Überlegungen zur Weiterentwicklung des PBnE gibt es bereits einige Jahren. Wichtig sei, dass die in dieser Legislaturperiode erarbeiteten Vorschläge “nicht nur wieder zur Kenntnis genommen werden, sondern [dass] auch substantielle Beschlüsse gefasst werden, damit dieses Gremium in der nächsten Legislaturperiode direkt zu Beginn seine Arbeit wieder aufnehmen kann”, sagt Tessa Ganserer, Obfrau im PBnE für Die Grünen. “Ebenso wichtig wie die Frage der Struktur des Gremiums, erscheint es mir, die Nachhaltigkeitsprüfung in der Gesetzesfolgenabschätzung weiterzuentwickeln, damit der PBnE nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Prüfung von Gesetzen vornehmen kann”, ergänzt Ganserer.
Zum Schluss forderte Gunda Röstel, die seit 2020 dem RNE angehört, dass die DNS ein Leitbild darüber bieten sollte, “was gutes Leben in einer intakten Umwelt mit sozialer und solidarischer Ausrichtung nach innen wie nach außen [ausmacht], aber eben auch mit einer leistungsfähigen Wissenschaft und einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Wirtschaft, die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bietet”. Jeder hierzulande müsse verstehen, was “ein gutes Leben ist” und “wie wir dahin kommen wollen“. Aus Sicht von Röstel gelingt das nur, wenn die überarbeitete Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wirklich zur Handlungsmaxime des politischen Handelns in Berlin wird.
Alexander Gauland, einer der Granden der Alternative für Deutschland (AfD), hat schon vor Jahren auf die Bedeutung der Klimadebatte für seine Partei hingewiesen. “Die Kritik an der sogenannten Klimaschutzpolitik ist nach dem Euro und der Zuwanderung das dritte große Thema für die AfD“, sagte er im September 2019 laut der Zeitung Die Welt. Im Bundestag war das gerade wieder zu spüren. Mitte September wurde auf Antrag der AfD über den Ausstieg aus allen internationalen Klimaverträgen debattiert. Nur wenige Wochen später ging es um den Ausstieg aus der sozial-ökologischen Transformation.
Um ihre Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen und der damit verbundenen sozial-ökologischen Transformation politisch zu legitimieren, leugnet die AfD den menschengemachten Klimawandel. Dazu werden sowohl die Methoden der Klimaforschung infrage gestellt als auch der breite wissenschaftliche Konsens negiert, der seit Jahren in den Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zum Ausdruck kommt.
Diese Argumentationsstrategie ist bereits in der Dresdner Erklärung der umweltpolitischen Sprecher aus Bund und Ländern vom Sommer 2019 sowie im Grundsatzprogramm der AfD aus dem Jahr 2016 angelegt. Hier schreibt die Partei: “Der IPCC versucht nachzuweisen, dass die von Menschen verursachten CO₂-Emissionen zu einer globalen Erwärmung mit schwerwiegenden Folgen für die Menschheit führen. Hierzu beruft man sich auf Computermodelle, deren Aussagen durch Messungen oder Beobachtungen nicht bestätigt werden.”
Darauf rekurriert auch der kürzlich im Bundestag eingebrachten AfD-Antrag “Freiheit statt Ideologie – Aufkündigung aller internationalen Klimaabkommen”. Darin heißt es unter anderem: “Zum Einfluss des Menschen und dessen Auswirkungen auf das Klima (CO₂-Emissionen) gibt es viele Theorien, aber keinen wissenschaftlichen Konsens.” Außerdem gebe es “keinen wissenschaftlichen Beweis für einen maßgeblichen Einfluss auf das Weltklima durch vom Menschen verursachte CO₂-Emissionen”.
Dem widerspricht der Klimaforscher Hans von Storch. “Die Behauptung ist unzutreffend, dass viele Klimawissenschaftler bestreiten, dass das durch Verbrennung entstehende CO₂ für die beobachtete Erwärmung verantwortlich ist.” Das Gegenteil sei der Fall. Eine sehr große Mehrheit teile diese Ansicht. Das zeigten Umfragen unter Wissenschaftlern, die er in den vergangenen 30 Jahren durchgeführt habe, so von Storch gegenüber Table.Media. Es gebe zwar einige wenige Wissenschaftler, die eine andere Meinung hätten, aber das seien in der Regel keine Klimaforscher.
Manès Weisskircher, Politikwissenschaftler an der TU Dresden, weist darauf hin, dass die explizite Leugnung des menschengemachten Klimawandels auch in der deutschen Gesellschaft mehrheitlich nicht anschlussfähig ist. Selbst in der Wählerschaft der AfD gebe es diesbezüglich keinen Konsens, so Weisskircher, der die Forschergruppe “Rechtsextremismus versus Klimaschutz? Nationalistische Opposition in einem transnationalen Politikfeld” (REXKLIMA) leitet.
“Was in Sachen AfD-Klimamobilisierung jedoch anschlussfähig ist, sind die Kampagnen gegen konkrete klimapolitische Maßnahmen wie Windkraftanlagen, Steuern auf fossile Brennstoffe, die Ausweitung von Solarpaneelen, das Heizungsgesetz und so weiter”, sagt Weisskircher. Je konkreter Klimapolitik werde, desto kontroverser werde die Debatte geführt – denn sie bedeute in der Regel Kosten für Teile der Bevölkerung. Hier sieht Weisskircher die etablierte Politik in der Pflicht, “zum Beispiel im Bereich der sozialpolitischen Flankierung von klimapolitischen Maßnahmen, die Haushalte betreffen”. Diese müsse von Anfang an klar konzeptualisiert und kommuniziert werden.
Doch auch wenn es auf Bundesebene derzeit keine Mehrheiten für die klimapolitischen Positionen der AfD gibt, wächst der politische Druck. Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen vor wenigen Wochen konnte sie deutlich zulegen. Aktuelle Umfragen sagen ihr für die Wahlen im September 2024 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg 30 Prozent und mehr voraus. Damit wäre sie jeweils stärkste Partei. Im thüringischen Landkreis Sonneberg stellt die AfD zudem seit Juni dieses Jahres mit Robert Sesselmann den ersten Landrat.
“Die Rechtsaußenpartei bedient gezielt Ängste in Teilen der Bevölkerung vor Wohlstandsverlusten, Einschränkungen der individuellen Freiheit und steigenden Energie- und Mobilitätskosten durch Klimaschutzmaßnahmen”, sagt der Soziologe Matthias Quent, Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie würden “pauschal als sinnlos, überzogen, wirkungslos und schädlich für die deutsche Wirtschaft und den Wohlstand der Bürger dargestellt”.
Hinzu kommt aus Sicht von Florian Teller von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN), dass die Abgrenzung zu den Grünen und zu sogenannten grünen Themen eine wichtige Rolle bei der Positionierung der AfD im politischen Raum spielt. “Die AfD betont oft die Kritik an grünen Positionen, um ihre eigene Wählerschaft anzusprechen. Grüne Politik wird als Elitenprojekt gelabelt, während sich die AfD als Vertreterin des Volkes inszeniert”, erklärt Teller.
Die Wahlergebnisse der vergangenen Jahre zeigen, dass dieser Kurs durchaus erfolgreich war. So konnte die AfD in der Vergangenheit nicht nur vom Unmut in Teilen der Bevölkerung über das Verbrenner-Aus und das Wärmegesetz oder von hitzigen Debatten über Fleischkonsum und Urlaubsflüge profitieren. Sie bietet sich in vielen Regionen auch als parlamentarischer Arm von Bürgerinitiativen gegen den Ausbau der Windenergie an. Ihr Grundsatzprogramm ist in dieser Frage eindeutig: “Den weiteren Ausbau der Windenergie in Deutschland lehnen wir ab. Er bringt mehr Schaden als Nutzen.”
Ob es der AfD tatsächlich gelingt, das Erreichen der bundesweiten Ausbauziele zu verzögern oder in einzelnen Regionen sogar zu verhindern, wird sich zeigen. Entscheidender Faktor dafür wird ihr Abschneiden bei den Landtagswahlen 2024 sein und ob sich danach eine politische Konstellation bietet, Regierungsverantwortung zu übernehmen. In einigen Gegenden Deutschlands spielt zudem die potenziell steigende Zahl von AfD-Bürgermeistern und -Landräten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn vielerorts sind sie für das Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen zuständig.
Herr Steuernagel, Sie setzen sich dafür ein, dass neben OHG, AG oder GmbH eine neue Rechtsform geschaffen wird – für Unternehmen mit sogenanntem gebundenem Vermögen. Mit ihr soll es leichter werden, familienfremde Nachfolge in Unternehmen zu ermöglichen und die Zweckorientierung eines Unternehmens sicherzustellen. Die Ampel-Regierung will das laut Koalitionsvertrag umsetzen. Wie ist der aktuelle Stand?
Bei einem parlamentarischen Abend, den wir im Juli veranstaltet haben, haben Parteispitzen aller drei Koalitionspartner uns versichert, dass die Ampel noch in dieser Legislaturperiode eine neue Rechtsform einführen will. Wir sind also guter Dinge. Gleichzeitig will ich nicht verhehlen, dass meine Unternehmerkolleginnen und -kollegen und ich nun ca. 21 Monate vor Ende der Legislatur ungeduldig werden. Die Zeit drängt: 560.000 Nachfolgen stehen in den nächsten fünf Jahren an, Millionen Jobs hängen daran. Wir erwarten, dass das prinzipiell längst beschlossene Projekt jetzt zügig angepackt wird.
Andererseits hat die Regierung gerade ihre Nationale Strategie für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen vorgestellt. Das wäre ein idealer Rahmen für die neue Rechtsform gewesen, sie wurde in dem Papier aber mit keinem Wort erwähnt, sondern offenbar bewusst ausgeklammert. Gibt es womöglich doch noch zu viele Zweifel?
Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen wird vor allem aus dem Mittelstand heraus unterstützt, aber ja, sie wird auch sehr vielen Sozialunternehmen helfen. Deshalb hat auch SEND, das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschlands, gefordert, sie in der Strategie zu erwähnen. Gerade wer nicht gemeinnützig sein kann oder will, und trotzdem eine Vermögensbindung möchte, steht heute in Deutschland als Sozialunternehmen mit leeren Händen da. Trotzdem hatte – so konnte man auch in den Medien lesen – das Justizministerium die Befürchtung, es könnte durch Erwähnung in dieser Strategie so aussehen, als sei die Rechtsform per se schon gemeinwohlorientiert. Das ist aber nicht der Fall. Die Rechtsform ist zweckneutral, sie ist ein Betriebssystem, das – genau wie die Genossenschaft – von allen Unternehmen genutzt werden kann. Man kann darüber streiten, ob sie in der Strategie hätte erwähnt werden sollen oder nicht, allerdings sagt das nichts darüber aus, ob die Rechtsform kommt oder nicht.
Am 27. Oktober laden Sie zum “Tag des treuhändischen Unternehmertums” nach Berlin ein, auf der Konferenz wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen. Welchen Schwerpunkt werden Sie dort setzen?
Das treuhänderische Unternehmensverständnis soll in seiner Breite und in all seinen Facetten gewürdigt und erfahrbar gemacht werden. Denn es ist ganz vieles zugleich: Es wird von jeher von vielen Familienunternehmen gelebt, es wurde rechtsverbindlich schon vor Jahrzehnten von Pionieren wie Zeiss oder Bosch mithilfe von Stiftungskonstruktionen umgesetzt. Nun erfreut es sich einer immer größeren Beliebtheit auch unter Mittelständlern, die auf Nachfolgesuche sind, sowie unter Start-ups, die ihre Werteorientierung absichern wollen. Dass der Bundespräsident die Konferenz eröffnet, freut uns natürlich ganz besonders, denn es zeigt die Bedeutung dieses Unternehmensmodells und seiner über 100-jährigen Tradition in Deutschland und Europa. Ebenso gespannt sind wir auf die internationalen Pioniere, die dabei sind: Zeiss, Patagonia, The John Lewis Partnership. Treuhändisches Unternehmertum ist kein deutsches Phänomen, sondern ein weltweiter Trend.
Sollte die neue Rechtsform geschaffen werden: Worauf kommt es vor allem an?
Uns ist eins besonders wichtig: Diese neue Rechtsform ist nur sinnvoll, wenn sie eine verbindliche und absolut wasserdichte Vermögensbindung hat. Ich muss als Unternehmerin oder Unternehmer sicher sein können, dass Gewinne auch in Zukunft wirklich reinvestiert oder gespendet werden und die Gesellschaft nicht ohne Weiteres in eine andere Gesellschaftsform ohne Vermögensbindung umgewandelt werden kann. Zweitens muss es möglich sein, dass ich fähige Menschen unabhängig von leiblicher Verwandtschaft oder finanziellen Ressourcen zu Miteigentümern machen kann.
Das ist zentral, damit sich der Pool an potentiellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern vergrößert. Sie könnten dann – ähnlich wie bei einer Genossenschaft – als Mitglied ein- oder austreten, ohne sich teuer einkaufen zu müssen. Dann könnten sie aber auch kein Vermögen mitnehmen oder die Mitgliedschaft vererben oder verkaufen.
Wie es laufen kann, wenn es keine Vermögensbindung gibt, haben Sie in Ihrer Familie miterlebt, wie Sie schon mal früher erklärt haben. Der Klinik, in der Ihr Vater tätig war, wurde das Kapital nach und nach entzogen.
Das Unternehmen wurde mehrfach verkauft, zu immer höheren Preisen an unterschiedliche Fonds, und wurde dabei finanziell ausgequetscht. Für mich war deshalb klar: Dieses Risiko möchte ich als Unternehmer für mein Unternehmen nicht eingehen. Ich hatte früh selbst gegründet und wollte, dass meine Firmen, wenn ich sie nicht mehr führe, eigenständig und selbstbestimmt bleiben. Bei der Suche nach einer Lösung für dieses Problem stolperte ich über die Idee des treuhändischen Eigentums.
Ein Konzept, das in der Vergangenheit – Sie sprachen es an – schon Bosch oder Zeiss durch eine Stiftung sichergestellt haben.
Richtig, oft wird dies durch sogenannte “Doppelstiftungsmodelle” sichergestellt, bei Bosch durch eine noch etwas andere Konstruktion. Die Stimmrechte liegen dort immer bei Menschen, die mit dem Unternehmen verbunden sind. Sie erhalten aber keine Gewinnrechte, können also für sich persönlich keine Gewinne aus dem Unternehmen ziehen. Diese Idee fand ich auch für mein Unternehmen damals sehr spannend. Als ich sie aber umsetzen wollte, merkte ich, wie kompliziert und nahezu unmöglich das ist, gerade für kleinere Unternehmen. Stiftungslösungen lohnen sich laut Anwälten frühestens ab etwa 30 Millionen Euro Jahresumsatz. 95 Prozent der deutschen Unternehmen machen aber unter 30 Millionen Euro Umsatz. Das Modell bleibt also nur wenigen vorbehalten. Hinzu kommt: Die Stiftung ist für etwas ganz anderes als das Halten von Unternehmen erdacht worden. Es braucht hier eine Lösung, die deutlich einfacher ist.
Wie haben Sie sich bei Ihrem Unternehmen beholfen?
Wir haben damals mit vielen Tricks und einer 20 Seiten langen GmbH-Satzung versucht, die Prinzipien festzulegen, die wir nun auch in der neuen Rechtsform gerne sehen würden. Dann haben andere junge Gründer und ich eine Sammelstiftung gegründet, die bei dem entsprechenden Unternehmen einen Anteil hält, ohne deren Zustimmung die Prinzipien nicht aus der Satzung genommen werden können. Also sozusagen ein Veto-Anteil, der Verantwortungseigentum absichert. Das war und ist ein unglaublicher Aufwand und sehr bürokratisch. Das Interesse ist aber riesig, daher braucht es nun eine einfache und klare Lösung.
Was wären die Vorteile einer neuen Rechtsform?
Sie würde den Prozess enorm entbürokratisieren und treuhändisches Unternehmertum all jenen zugänglich machen, die heute davon ausgeschlossen sind. Vor allem wäre die neue Rechtsform eine wertvolle Nachfolge-Option, denn der deutsche Mittelstand steht dahingehend vor gewaltigen Problemen. Millionen Jobs sind in Gefahr, weil Nachfolgen zu scheitern drohen – nur bei weniger als der Hälfte gelingt die Nachfolge noch in der Familie. Es gibt Firmen, die 100 oder 200 Jahre alt sind und sagen: Wir haben keine passenden Nachfolger in der Familie, und wir wollen auch nicht verkaufen, aber wir haben Mitarbeitende, denen wir unser Unternehmen treuhändisch übergeben wollen. Dann kann die Rechtsform hier helfen, indem Stimmrechte zum Nennwert übernommen werden. Denn Mitarbeitende können es sich in der Regel nicht leisten, das ganze Unternehmen zu kaufen, und sie können oder wollen sich dafür auch nicht hoch verschulden. Hinzu kommt: Wenn ich nun als Gründer und Inhaber des Unternehmens auf hohe Exiterlöse verzichte, dann will ich sichergehen, dass auch die Nachfolgenden es nicht einfach später versilbern können. Um all das zu realisieren, brauche ich eine Vermögensbindung im Unternehmen – das Kernelement einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen.
Sie werben seit Jahren für diese Idee. Wie groß ist mittlerweile das Interesse?
Zuletzt haben sich an die 30 Wirtschaftsverbände zusammengeschlossen, um ein Papier zu unterzeichnen, in dem sie sich gemeinsam für die neue Rechtsform aussprechen. Darunter waren der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft, der Verband deutscher Unternehmerinnen, der deutsche Startup-Verband und der Bundesverband Digitale Wirtschaft. Gerade im Mittelstand ist die neue Rechtsform aus den genannten Gründen sehr beliebt. 72 Prozent der Familienunternehmen befürworten sie, potentiell 100.000 Unternehmen würden sie nutzen. Und wir bekommen Nachfragen aus verschiedensten Branchen: aus dem Gesundheitssektor, der Landwirtschaft oder vom Blockchain Bundesverband.
Wenn jemand darüber nachdenken sollte, ob Verantwortungseigentum für ihn oder sie infrage kommt: Welche ersten Fragen sollte man sich stellen bzw. beantworten?
Verstehe ich mein Unternehmen als ein Gebilde, das eine Aufgabe hat und dessen Treuhänderin oder Treuhänder – das Englische trifft es hier besser: dessen “Steward” – ich bin? Und möchte ich dieses Verständnis rechtlich kodifizieren, damit es auch unabhängig von einer eventuell vorhandenen Familientradition gelebt werden kann? Wenn ja, dann stellt sich die Anschlussfrage: Ist das Unternehmen in der Lage, sich früher oder später aus eigenen Umsätzen zu finanzieren, also Gewinn zu machen? Oder muss ich 30 Jahre lang Verluste machen, um den Durchbruch zu erzielen? Dann wird es mit treuhändischem Eigentum gegenwärtig noch schwierig. Wir haben aber schon einige Deeptech-Start-Ups – nicht zuletzt auch das AI-Start-Up OpenAI – die Verantwortungseigentum von Anfang an umsetzen.
Gibt es Rechtsformen im Ausland, die Ihnen als Vorbild dienen?
Interessanterweise gibt es in Schweden bereits eine vergleichbare Rechtsform mit Vermögensbindung. Das Beispiel zeigt vor allem: Europarechtlich bewegen wir uns hier auf sicherem Terrain. Denn die sogenannte svb-Aktiebolag wurde in Schweden ziemlich geräuschlos eingeführt. Von daher sind wir optimistisch, dass das auch hier in Deutschland klappen wird.
25. Oktober 2023, 17:00 bis 21:00 Uhr
2. Wuppertaler Nachhaltigkeitskongress Info & Anmeldung
26. Oktober 2023, 9:30 bis 12:30 Uhr,
SDG-Seminar Der globalen Verantwortung gerecht werden – kommunale Entwicklungspolitik verankern Info & Anmeldung
26. Oktober 2023, 09:00-16:15 Uhr
Fachtagung Fair. Solidarisch. Nachhaltig. Fachtag für gemeinwohlorientierte Organisationsentwicklung. Info & Anmeldung
26. Oktober 2023, 18:00-20:00 Uhr
Podiumsdiskussion Bildung in der Transformation Info & Anmeldung
28. Oktober 2023, 10:00 Uhr
Workshop Fashion shouldn’t cost the Earth – Clean Clothes Saturday: Ein Tag für Nachhaltigkeit in der Modeindustrie! Info & Anmeldung
28. Oktober 2023, 9:00-17:00 Uhr
NachhaltigkeitsCamp Bonn Info & Anmeldung
28. Oktober 2023, 14:00-16:00 Uhr
Symposium DBU-Umweltpreis: “Unternehmen brauchen (Arten-)Vielfalt – Auf dem Weg zu einer naturverträglichen Wirtschaft” Info & Anmeldung
30. Oktober 2023, 18:00-20:15 Uhr
Seminar Bezahlbare Wärme für alle? Perspektiven für eine soziale und klimagerechte Wärmewende Info & Anmeldung
31. Oktober 2023, 18:00 Uhr
Seminar Young Leaders: Open Innovation – Wie fördern wir gesellschaftliche Transformation? Info & Anmeldung
1.-3. November 2023
Seminar Transformation der Wirtschaft – Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Wirtschaft Info & Anmeldung
2. November 2023
Online-Workshopreihe Nachhaltigkeit in Lieferketten von Gewürzen und anderen pflanzlichen Rohstoffen (Teil 2) Info & Anmeldung
7. November 2023, 14:00-15:00 Uhr
Workshop Was macht eine gute THG-Kompensation aus? Info & Anmeldung
Es brauche eine “Skalierung” von Recyclingvolumen in der EU, damit hiesige Anbieter gegenüber denen aus China oder den USA bestehen können, sagte Kerstin Jorna, Generaldirektorin der EU-Generaldirektion GROW (Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU). Recycling müsse ein attraktives Geschäftsmodell werden, sagte sie bei der Abschlussveranstaltung der “Dialogplattform Rohstoffrecycling” vergangenen Donnerstag. Um die Recyclingquoten zu heben, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) diesen zweijährigen Gesprächsprozess zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Bundesregierung initiiert. Neben dem wirtschaftlichen Potenzial reichten die dort vorgetragenen Argumente für mehr Recycling von größerer Unabhängigkeit von außereuropäischen Lieferanten über die Naturzerstörung durch Bergbau, bis zur Endlichkeit natürlicher Rohstoffvorkommen.
Deutschland hielt sich lange für den Recyclingweltmeister, doch das gilt allenfalls – und mit vielen Einschränkungen – für die Wiederverwertung von ordentlich getrenntem Hausmüll. Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat zeigen hingegen, dass 2022 nur 12,7 Prozent aller Rohmaterialien in der industriellen Produktion aus dem Recycling kamen. Damit liegt Deutschland nur knapp über dem EU-Durchschnitt, und weit abgeschlagen hinter Spitzenreiter Niederlande, wo Recyclate ein Drittel aller Rohstoffe in Produktionsprozessen ausmachten.
Das von Jorna geforderte Geschäftsmodell gibt es in Deutschland bereits beim Metallrecycling. Von der Industrie verwendetes Eisen, Stahl, Kupfer und Aluminium stammen schon zu etwa 50 Prozent aus Recycling. Viel schlechter sieht es bei Bau- und Industriemineralen aus, aber auch bei “Technologiemetallen” wie Magnesium, Zink und Wolfram, die oft als Legierungen und Beschichtungen verwendet werden. Sie von anderen Stoffen zu trennen ist aufwendig oder sogar bislang unmöglich, sodass die Recycling-Inputquoten in der Produktion “teils im einstelligen Prozentbereich” liegen, wie es in dem Bericht heißt. Gerade Technologiemetalle sind jedoch zentral für die Transformation vieler Wirtschaftsbereiche und müssen als Primärrohstoffe aus nichteuropäischen Ländern, insbesondere aus China, importiert werden.
Die für einzelne Stoffgruppen recht detaillierten Erkenntnisse und Vorschläge des Dialogs sollen in die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie und europäische Verordnungen einfließen, um späteres Recycling etwa schon beim Produktdesign einzuplanen. Zugleich könnten die Qualitätsansprüche an mit giftigen Stoffen verschmutzte Recyclingrohstoffe gesenkt werden. Dem widersprach allerdings Bettina Hoffmann, Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium: “Es geht nicht darum, Umweltstandards zu senken, das sage ich ausdrücklich.” av
In der gleichzeitigen Absicherung von Klimarisiken bei anhaltenden Vertragsbeziehungen zu im fossilen Bereich tätigen Unternehmen sehen NGOs einen Widerspruch für Rückversicherer. “Die Branche ruiniert das Leben vieler Menschen und ihr eigenes Geschäftsmodell, wenn sie weiterhin fossile Unternehmen absichert”, sagt Regine Richter, Finanz-Campaignerin bei Urgewald. CEOs wie Joachim Wenning von Munich Re und Christian Mummenthaler von Swiss Re hätten “immerhin Beschränkungen für die Rückversicherung einiger fossiler Projekte eingeführt”, sagt Lindsay Keenan, Europäischer Koordinator bei Insurce Our Future. “Aber wir erinnern sie daran, dass echte Klimavorreiter auch keine neue Gasinfrastruktur oder US-Kohleminen versichern dürfen”.
Die Klimakrise und ihre Folgen für die Absicherung sind das Topthema bei dem internationalen Rückversicherungskongress diese Woche in Baden-Baden, wo traditionell Verträge zwischen Erst- und Rückversichern erneuert werden. “Die Modelle der Rückversicherer für die Risikoabschätzung solcher Schäden hätten in den vergangenen Jahren wiederholt versagt“, stellen die NGOs fest.
Die Rückversicherer reagierten unterschiedlich: Frankreichs Scor reduzierte ihre Kapazitäten für die Absicherung von Naturkatastrophen, AIG stieß ihr Geschäft sogar ab. Schwergewichte wie Munich Re, Swiss Re und HannoverRe bauen ihr Geschäft aus. Nach Angaben des Maklers AON lagen die versicherten Kosten für Naturkatastrophen im ersten Halbjahr 2023 weltweit bei 53 Milliarden US-Dollar, 47 Prozent über dem 20-jährigen Durchschnitt. Dennoch meldeten 18 von der Ratingangentur Fitch beobachtete Nichtlebensrückversicherer im ersten Halbjahr eine “starke versicherungstechnische Rentabilität”. Zur Erklärung heißt es: Die Preise seien stärker gestiegen als die Schadenssummen und die Erstversicherer hätten einen größeren Teil der Schäden selbst tragen müssen.
Munich Re gibt sich gegenüber Table.Media auch zuversichtlich, die Risiken aus dem Klimawandel weiter vorhersagen zu können: Die wissenschaftlichen Klimamodelle und seit Jahrzehnten erhobenen Schadendaten erlaubten, “die Entwicklung von Schadentrends frühzeitig zu erkennen“. Im Geschäft mit der Absicherung der Folgen von Naturkatastrophen hatten Rückversicherer allerdings in den vergangenen Jahren bisweilen Verluste gemacht. cd
Die Deutsche Bank hat ihren ersten Transitionsplan sowie Netto-Null-Zielpfade für Unternehmenskredite für drei weitere emissionsintensive Sektoren veröffentlicht: Kohlebergbau, Zement und Schifffahrt. Damit erfüllt das Institut nach eigenen Angaben Selbstverpflichtungen, die aus dem Beitritt zur Net-Zero Banking Alliance im Frühjahr 2021 folgen.
“Die Deutsche Bank macht ihre Hausaufgaben“, kommentiert Christian Klein, Professor für nachhaltige Finanzwirtschaft an der Hochschule Kassel, den Schritt gegenüber Table.Media.
Banken beeinflussen durch ihre Kreditvergabe erheblich, wie viel CO₂ emittiert wird, was sich wiederum in ihrer Klimabilanz widerspiegelt. Der sogenannte Transitionsplan fasse Definitionen, Methoden, Ziele und Erfolge der Bank zusammen, mit denen Deutschlands größte Bank ihr Ziel – “Netto-Null-Emissionen bis 2050” – erreichen will. Erfasst werden drei Dimensionen der Dekarbonisierung: der Betrieb der Bank (Scope 1 und 2), die Lieferkette (Scope 3, Kategorie 1-14) sowie Finanzierungen für Kunden (Scope 3, Kategorie 15). Erfasst seien nun:
“Wir sind fest entschlossen, unseren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten – und wollen transparent dokumentieren, wo wir auf unserem Weg zu Netto-Null-Emissionen stehen”, sagte der Vorstandsvorsitzende Christian Sewing. Eine globale Bank mit Sitz in Europa müsse bei Nachhaltigkeitsthemen führend sein, “um langfristig erfolgreich zu sein”. Das Ökosystem unseres Planeten stehe vor Kipppunkten. Es sei deshalb von entscheidender Bedeutung, “endlich das Wirtschaftswachstum von CO₂-Emissionen und dem ausufernden Verbrauch von natürlichen Ressourcen zu entkoppeln”. cd
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) haben anlässlich der bevorstehenden Beratungen zum EU-weiten Umgang mit Pflanzen, die mittels neuer genomischer Verfahren gezüchtet wurden, eine Ad-hoc-Stellungnahme veröffentlicht. Diese unterstützt den von der Europäischen Kommission am 5. Juli vorgeschlagenen Verordnungsentwurf.
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission sieht vor, Pflanzen, die mittels neuer genomischer Techniken des Typ 1 (NGT-1) gezüchtet wurden, mit konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzustellen und sie somit vom Gentechnikrecht auszunehmen. Diese Gleichstellung basiert auf der Einschätzung, dass NGT-1-Pflanzen vergleichbare genetische Veränderungen (Mutationen) aufweisen wie konventionell gezüchtete Sorten und ein niedriges Risikoprofil haben.
Die Stellungnahme hebt hervor, dass laut Europäischem Gerichtshof und Europäischer Kommission das Vorsorgeprinzip nur bei wissenschaftlich begründetem Besorgnisanlass angewendet werden kann. Im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten fehle dieser Besorgnisanlass, da bisher veröffentlichte Studien keinerlei Hinweise auf ein höheres Risiko für Umwelt und Mensch gäben.
Laut DFG und Leopoldina wäre die Zulassung von genomisch veränderten Pflanzen auch vereinbar mit Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft, da durch die NGT-1-Pflanzen weitestgehend auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden könne. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der aktuelle Entwurf der Kommission die Kennzeichnung als “Öko-” oder “Bio-” für Produkte, die absichtlich NGT-1-Pflanzen verwenden, nicht gestattet.
Kritik an der Stellungnahme äußert Tina Andres, Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Sie betont, dass der Einsatz von Gentechnik im Widerspruch zu den Grundprinzipien der ökologischen Produktion stehe. Durch die Abschaffung der Risikoprüfung und Kennzeichnung von genomisch veränderten Pflanzen würde es unmöglich werden, diese von Produkten konventioneller Züchtung zu unterscheiden: “Während jedes Pflanzenmedikament oder jeder Kräuterextrakt, der Pflanzen schützen soll, vor einer EU-Zulassung richtigerweise auf Risiken geprüft werden muss, sollen gentechnisch veränderte Pflanzen völlig unkontrolliert in die Umwelt entlassen werden”, sagte Andres im Gespräch mit Table.Media.
Der Gesetzesentwurf zu genomischen Techniken in der Pflanzenzucht wird aktuell im Europaparlament beraten. kih
Das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will bei den nationalen Förderrahmenbedingungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) weiter nachjustieren. Wie aus einem Diskussionspapier des Ministeriums hervorgeht, schlägt das BMEL vor, zwei neue Öko-Regelungen in den nationalen Strategieplan aufzunehmen und in dem Zusammenhang das Budget für die Öko-Regelungen in Deutschland ab dem Antragsjahr 2025 zu erhöhen.
Zusätzlich zu den sieben bestehenden Öko-Regelungen bringt das BMEL, das sich hierzu mit Verbänden und Einrichtungen wie dem Thünen-Institut abgestimmt hat, eine Öko-Regelung für grünlandbewirtschaftende Betriebe ins Spiel. Diese sieht die Förderung von Dauergrünlandflächen vor, die nicht häufiger als zweimal jährlich gemäht werden. Zugleich schlägt das BMEL eine Öko-Regelung für die emissionsarme Ausbringung von Wirtschaftsdünger durch Techniken wie die Schleppschuhtechnik und die Schlitztechnik vor.
Um diese neuen Regelungen zu finanzieren, wäre ab 2025 mehr Geld nötig. Denn: “Eine Finanzierung neuer Öko-Regelungen alleine durch die Nutzung und/oder Reduzierung von Finanzmitteln bei bestehenden Öko-Regelungen ist in dem erforderlichen Finanzmittelumfang nicht möglich”, heißt es in dem Papier aus dem BMEL. Das Ministerium erwägt deshalb, den Anteil der Öko-Regelungen am Budget der 1. Säule der GAP zu erhöhen. Statt der bisherigen 23 Prozent, sollen demnach bis zu 28 Prozent der Direktzahlungen für die Öko-Regelungen aufgewandt werden.
Diese Anhebung sei jedoch im Zusammenhang mit einer eventuellen Erhöhung der Mittelumschichtung in die zweite Säule zu sehen, führt das BMEL in dem Diskussionspapier aus. Gegenfinanziert werden soll die Budgetsteigerung für die Öko-Regelungen durch die Absenkung der Einkommensgrundstützung um 13 Euro pro Hektar im Antragsjahr 2025.
Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), kritisierte den Vorschlag der Budgeterhöhung für die Öko-Regelungen gegenüber AGRA-EUROPE. Diese führe zu einer Reduktion der Basisprämie und veranlasse immer mehr Landwirte dazu, aus der GAP auszusteigen, befürchtet er. Die beiden neuen Öko-Regelungen, die das BMEL vorschlägt, würden laut Ruckwied zwar in die richtige Richtung gehen, reichten jedoch nicht aus, so der DBV-Präsident.
Anders sieht dies der Naturschutzbund Deutschland (NABU). Dessen Referentin für Agrobiodiversität, Laura Henningson, hält eine neue Öko-Regelung für grünlandbewirtschaftende Betriebe für dringend notwendig, da Betriebe mit Weidehaltung ihr zufolge an den existierenden Öko-Regelungen nicht teilnehmen könnten. Die vom BMEL vorgeschlagene Maßnahme zur emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdünger durch bestimmte Technik hält Henningson hingegen für eine “reine Geldverteilungsregelung”. Diese sei ökologisch weniger sinnvoll, da vor allem Betriebe, die sich den Kauf neuerer Technik leisten können, davon profitieren, so die NABU-Referentin.
Hubert Heigl, Naturland-Präsident und Vorstand Landwirtschaft im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), teilt diese Einschätzungen. In der Öko-Regelung zur emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdünger kann er “keine positive Umweltwirkung” erkennen. Heigl fordert deshalb: “Im Sinne der Umwelt muss das Geld besser eingesetzt werden.” Er schlägt aus diesem Grund eine Förderung besonders niedriger Stickstoff- und Phosphor-Salden vor, durch die deutlichere eine Wirkung für Klima und Biodiversität zu erreichen sei.
Das Diskussionspapier aus dem BMEL soll nun als Nächstes bei der Amtschefkonferenz Mitte Januar aufgegriffen werden, ehe die Agrarministerkonferenz und der Bundesrat etwaige Anpassungen der nationalen Umsetzung der GAP diskutieren. heu
Afrika benötigt zusätzliche Finanzmittel in Höhe von rund 194 Milliarden Dollar jährlich, um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 zu erreichen. Dies geht aus einem neuen Report der OECD mit dem Titel “Africa’s Development Dynamics 2023” hervor, der in der vergangenen Woche im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin vorgestellt wurde. Demnach fehlen afrikanischen Staaten insgesamt 1,6 Billionen Dollar zur Erreichung der SDGs.
Die zunächst gigantisch wirkende Summe entspricht nur etwa 0,2 Prozent der globalen Finanzanlagen. Laut den Autoren des Reports ist die Finanzierungslücke damit überbrückbar. Dafür müssten jedoch Verbesserungen in drei Schlüsselbereichen vorangetrieben werden:
Im Anschluss an die Vorstellung der Studie diskutierte die Direktorin des OECD Development Centre, Ragnheiður Elín Árnadóttir, die wichtigsten Erkenntnisse des Reports mit einem international besetzen Panel. Sie betonte dabei unter anderem das große Potenzial der unzureichend genutzten afrikanischen Institutionen zur Entwicklungsfinanzierung. Auch eine verbesserte Datenlage halte sie für vielversprechend. Bienvenue Angui, Geschäftsführerin der Stiftung Greentec Capital Africa, beklagte hingegen die Voreingenommenheit der internationalen Ratingagenturen. Investoren seien besser beraten, sich an lokale afrikanische Ratingagenturen zu wenden, die die tatsächlichen Risiken viel genauer bewerten könnten. ajs
Um die europäische Windindustrie vor Konkurrenz aus China zu schützen, erwägt die EU-Kommission, die Ausschreibungsregeln für Windparks zu lockern. Ziel ist es, teureren europäischen Herstellern einen Vorteil gegenüber Anlagenproduzenten zu verschaffen, die weniger nachhaltig produzieren oder sogar von unfairen Subventionen profitieren. Die EU-Staaten werden deshalb ermuntert, bei den Ausschreibungen verstärkt nicht-finanzielle Kriterien wie Cybersicherheit oder Recyclingfähigkeit zu berücksichtigen. Das geht aus dem Europäischen Windenergie-Aktionsplan hervor, den die Kommission am Dienstag vorgestellt hat.
Neue Ausschreibungsregeln legen die EU-Gesetzgeber gerade mit dem Net-Zero-Industry-Act (NZIA) fest. Im Windenergiepaket bietet die Kommission nun an, die neuen Ausschreibungskriterien nach Verabschiedung des NZIA mit einem Durchführungsrechtsakt verbindlich zu machen.
Im November will die Kommission außerdem eine Empfehlung veröffentlichen, gegebenenfalls eine Notfallverordnung für schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren zu verlängern. Die EU-Staaten hatten sie auf dem Höhepunkt der Energiekriese im vergangenen Jahr beschlossen, sie läuft aber Mitte 2024 aus. Möglichst nahtlos sollen im Anschluss Beschleunigungsmaßnahmen zum Windenergieausbau greifen, die mit der gerade novellierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie beschlossen wurden. ber
Grünes Licht für grünes Wachstum? – Makronom
Kreislaufwirtschaft allein werde nicht zur Einhaltung planetarer Grenzen führen. Wenn Kreislaufwirtschaft mit gezieltem Schrumpfen mancher Sektoren in einkommensstarken Ländern und politischen Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit kombiniert werde, könne es gelingen, argumentiert Patricia Urban. Zum Artikel
Reiche flüchten aus Steueroasen – Süddeutsche Zeitung
Die Wohlhabenden werden ehrlicher – dies ist das Ergebnis einer Studie des Ökonomen Gabriel Zucman, der mit anderen einen neuen Report erarbeitet hat. Die Gelder in Steueroasen hätten sich seit 2012 auf drei Billionen Dollar mehr als halbiert. Allerdings nutzen Wohlhabende als eine neue Ausweichmöglichkeiten die Anlage von Geldern in Immobilien. Zum Artikel
Der Weltuntergang ist nicht nahe – Süddeutsche Zeitung
Im Interview mit Vera Schroeder erklärt der Arktisforscher Markus Rex, warum “die Idee, dass Wachstum zwangsläufig Emissionen bedeutet” veraltet sei. Die Daten zeigten ganz klar eine Entkopplung von Emissionen udn Wachstum. In Deutschland seien die Emissionen seit 1990 um 39 Prozent gesunken, während das preisbereinigte Wachstum des BIP um 47 Prozent gestiegen sei. Zum Artikel
As Coal Plants Shutter, a Chance to Redevelop ‘the Gates of Hell’ – The News York Times
Mithilfe von Bundes- und Landesmitteln sollen in den USA aus Industrieruinen Zentren nachhaltigen Wirtschaftens werden. Patrick Sisson berichtet unter anderem über die Pläne für das Gelände eines ehemaligen Kraftwerks der Cleveland Electric Illuminating Company am Ufer des Eriesees in Ohio. Hier sollen Wohnungen, Büros und Einzelhandel entstehen. Zum Artikel
A Giant Grid Bottleneck Is Threatening Climate Goals – The Washington Post
In den USA, in China und in Europa werden Wind- und Solarenergieanlagen in einem noch nie dagewesenen Tempo angekündigt. Doch viele dieser Anlagen stoßen auf Netzengpässe. Um Klimaziele zu erreichen, müssen die Stromnetze viel größer und belastbarer werden. Doch Bürokratie und lokaler Widerstand blockieren oder verlangsamen den Ausbau der grünen Energie und der Netzkapazität häufig, schreiben Lars Paulsson und Naureen S. Malik. Zum Artikel
‘A good cruise is one that doesn’t come’: Europe’s ports bear brunt of ship pollution – The Guardian
Die Auswirkungen der Kreuzfahrtindustrie auf Gesundheit und Umwelt werden immer deutlicher. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) stießen die 218 Kreuzfahrtschiffe, die im vergangenen Jahr in Europa verkehrten, mehr als viermal so viele Schwefeloxide aus wie alle Autos des Kontinents zusammen. Nun erwägen Mittelmeerhäfen Verbote und Einschränkungen, berichtet Daniel Wizenberg. Zum Artikel
So möchte Vitesco künftig Seltene Erden vermeiden – Automobil Produktion
Vitesco Technologies setzt bei künftigen elektrischen Achsantrieben auf eine Lösung, durch die auf Seltene Erden verzichtet werden kann. Woran die Entwickler noch arbeiten und welche Trends sie in der E-Mobilität sehen, das beschreibt Chris Löwer. Zum Artikel
Wo ist die Grenze zwischen Indienstnahme und Wissenschaftsfreiheit? – FAZ
Martina Schraudner, Elif Özmen und Hans-Hennig von Grünberg setzen sich in einem Gastbeitrag mit der Frage auseinander, ob eine Selbstverpflichtung der Wissenschaft für Nachhaltigkeit mit der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit vereinbar ist. Zum Artikel
Die Produktion unseres Essens schadet dem Klima – vier deutsche Firmen zeigen, wie es besser geht – Stern
Muss man Mais um die halbe Welt schippern? Lässt sich auch aus überreifem Obst noch etwas machen? Rolf-Herbert Peters hat junge Unternehmer besucht, die Lebensmittel nachhaltiger produzieren wollen. Zum Artikel
Ziel des Völkerrechtsabkommens ist es, die Aktivitäten transnationaler Konzerne und anderer Unternehmen mit Blick auf die Menschenrechte weltweit zu regulieren. Brand- und Einsturzkatastrophen von Textilfabriken in Asien, ausbeuterische Kinderarbeit bei der Kakaoernte in Westafrika, Vertreibungen und Ölkatastrophen im ecuadorianischen Amazonasgebiet sollen sich nicht wiederholen. Betroffene sollen eine reale Chance erhalten, die verantwortlichen Konzerne auch an ihrem Stammsitz auf Schadenersatz zu verklagen. Und Auslandsinvestoren sollen nicht länger die Möglichkeit haben, Staaten vor privaten Investitionsschiedsgerichten zu verklagen, wenn deren Gesetze oder Gerichtsurteile zum Schutz von Menschenrechten ihre Gewinnerwartungen beeinträchtigen. 2014 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Arbeitsgruppe beauftragt, dafür die Grundlage zu schaffen. Bei der diesjährigen neunten Runde verhandeln die Staatenvertreter*innen auf der Grundlage des bereits vierten Vertragsentwurfs, den der ecuadorianische Vorsitz im Juli präsentiert hatte.
Schon 2014 stimmten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA gegen die Resolution zur Einsetzung der UN-Arbeitsgruppe, die maßgeblich von Ecuador und Südafrika initiiert und fast ausschließlich von Regierungen des Globalen Südens unterstützt worden war. Die EU lehnte völkerrechtlich verbindliche Menschenrechtsvorgaben für Konzerne ab und verwies stattdessen auf die völkerrechtlich unverbindlichen UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011. Seither kommentiert die EU-Delegation den Prozess und die Vertragsentwürfe in Genf jahraus, jahrein aus dem Seitenaus, statt sich formal und konstruktiv an den Verhandlungen zu beteiligen. Dabei ist der ecuadorianische Vorsitz der EU in den vier Vertragsentwürfen immer weiter entgegengekommen. Selbst die USA sind im letzten Jahr formal in die Verhandlungen eingestiegen.
Die Corona-Krise hat Armut, Hunger und soziale Ungleichheit weltweit vertieft. Der Ukraine-Krieg wiederum hat den globalen Run auf metallische und Energierohstoffe weiter verschärft. Effektiver Schutz vor Ausbeutung und Umweltzerstörung ist damit dringlicher denn je. Doch auch für deutsche und europäische Unternehmen wäre ein entsprechendes UN-Abkommen von Vorteil. Verpflichtet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz deutsche Unternehmen doch bereits seit 2023 zur weltweiten Achtung von Menschenrechten und bestimmten Umweltstandards. Auch die Verhandlungen zu einem EU-Lieferkettengesetz sollen noch in diesem Jahr zum Abschluss kommen.
Das geplante UN-Abkommen würde fortan alle Vertragsstaaten verpflichten, ähnliche Lieferkettengesetze zu verabschieden und deren Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Dass Wirtschaftsverbände wie die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) diese Initiative seit Jahren torpedieren, könnte ihren Mitgliedern noch schmerzhaft auf die Füße fallen. Denn wenn der UN-Prozess scheitert, rückt das immer wieder beschworene Level-Playing-Field auf Jahrzehnte in weite Ferne. Umso kurzsichtiger ist es, dass die EU und auch die Bundesregierung der Blockadehaltung der Wirtschaftslobby so lange gefolgt sind.
Wie ihr heutiges Statement zum Auftakt der Verhandlungsrunde zeigt, hat die EU die Relevanz des Prozesses inzwischen erkannt. Die Verabschiedung des EU-Lieferkettengesetzes, so wörtlich, “könnte eine Basis für das künftige Engagement der EU in den Verhandlungen” bilden. Das Signal geht in die richtige Richtung, hat aber einen Haken: Nach Verabschiedung des EU-Lieferkettengesetzes könnte das Interesse der Staaten des Globalen Südens an dem Abkommen abnehmen. Ihr Hauptanliegen – die Regulierung westlicher Konzerne – wäre ja zum Teil bereits erreicht, auch ohne UN-Abkommen. Fraglich ist auch, ob andere Staaten gewillt sind, die EU-Regeln als Blaupause für ein UN-Abkommen zu akzeptieren.
Die EU ist daher gut beraten, sensibel und offen auf die Anliegen aus dem Globalen Süden einzugehen. Zugleich sollte sie – auch ohne formelles Verhandlungsmandat – eigene Akzente setzen und allen Versuchen entgegentreten, das Abkommen zu verwässern. Das Bekenntnis zum Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt, zu umweltbezogenen Sorgfaltspflichten und zu einer Konkretisierung der zivilrechtlichen Haftungsregeln im Eingangsstatement der EU ist immerhin ein guter Anfang. Mit der aktiven Beteiligung der USA, China, Indien, Japan, Australien, Argentinien, Brasilien und Südafrika und anderen Schwergewichten hat sich in Genf ein Gelegenheitsfenster geöffnet, das es jetzt zu nutzen gilt.
Armin Paasch ist Referent für Verantwortliches Wirtschaften und Menschenrechte bei Misereor. Seine derzeitigen Arbeitsschwerpunkte liegen auf dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, dem geplanten EU-Lieferkettengesetz, dem geplanten UN-Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte, EU-Handelsabkommen und Rohstoffpolitik. Außerdem vertritt er VENRO in der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Menschenrechte beim Bundesarbeitsministerium zum Monitoring der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Bevor Armin Paasch zu Misereor kam, arbeitete er von 2000 bis 2010 für die deutsche Sektion der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN.
Schon durch ihre Wahl hat Christiane Benner am Montag Geschichte geschrieben. Denn sie ist in 130 Jahren die erste Frau an der Spitze der IG Metall. Ob sie weiter Geschichte schreiben wird, hängt vor allem davon ab, wie in Deutschland die sozial-ökologische Transformation der Industrie ablaufen wird. Hier kommt Christian Benner als Anführerin der nach eigener Darstellung größten freien Gewerkschaft der Welt eine zentrale Rolle zu.
Die Aufgabe ist gewaltig: Denn die im Umbruch befindliche Automobilindustrie ist nicht nur die wichtigste Branche für die deutsche Volkswirtschaft. Es ist auch die Branche, auf der ganz wesentlich die Macht der IG Metall bislang beruht. Gut bezahlte Automobilfachkräfte sind zahlreich in der Gewerkschaft und zahlen hohe Beiträge. Darum ist bemerkenswert, dass mit Christiane Benner gerade zu diesem Zeitpunkt eine Gewerkschafterin die Karriereleiter der IG Metall bis nach oben klettert, die sich ihre Verdienste nicht als mächtige Regionalchefin im Umfeld eines der großen Automobilkonzerne erworben hat, sondern einen anderen Weg ging.
Nach dem Abitur lernte sie 1987 den Beruf der Fremdsprachensekretärin, arbeitete sechs Jahre bei der Firma Carl Schenck, studierte dann Soziologie in Marburg, Indiana, Chicago und Frankfurt. Sie wechselte zur IG Metall nach Frankfurt, wo sie sich ihre Sporen unter anderem damit verdiente, prekäre Arbeitsformen wie Zeitarbeit gewerkschaftlich zu organisieren und die digitalisierte Wirtschaft zu erschließen. “Organizing” war der Begriff einer aus der Gemeinwesenarbeit in den USA importierten Strategie dafür. Eine schwierige Aufgabe.
Benner überzeugt Kolleginnen und Kollegen nicht nur als Fachfrau, sondern auch mit taktischem Geschick und Durchsetzungsvermögen. Mancher wollte die Zweite Vorsitzende wegloben, etwa zur DGB-Chefin küren. Benner machte dies nicht, wohlwissend, dass der mächtigste Gewerkschaftsposten in Deutschland derjenige der IG Metall-Vorsitzenden ist. Vor zwei Jahren waren die Spitzen in der IG Metall der Überzeugung, sie schaffe es nicht. Sie lagen falsch. Benner hat sogar ein extrem gutes Wahlergebnis erzielt. Sie will die Gewerkschaft stärker im Team führen. Gelingt ihr dies und setzt sich damit ein neuer partnerschaftlicher Führungsstil durch, dürften viele in der bislang sehr straff geführten Frankfurter Zentrale der IG Metall aufatmen. Aber gemessen wird Benner letztlich daran werden, ob sie den Beschäftigten in der hiesigen Metall- und Elektroindustrie eine Perspektive verschaffen kann.
Es drohe eine Deindustrialisierung, hieß es bei der Pressekonferenz am Montag. Über die Jahreswende stünden in vielen Aufsichtsräten wichtige Entscheidungen an, komme es zu keiner Lösung beim Brückenstrompreis, drohten Verlagerungen. Beim Thema Brückenstrompreis marschiert die IG Metall-Chefin vereint mit den Granden der hiesigen Industrie. Gemeinsam setzen sie die Bundesregierung mächtig unter Druck. In der Vergangenheit war diese Lobbykoalition zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern schädlich für die Transformation. Auch deswegen hielt Deutschland viel zu lange am Verbrennerauto fest. Deswegen ist die Herausforderung der Transformation heute so enorm. Viele in der SPD sind für einen Brückenstrompreis, Kanzler Olaf Scholz war zunächst skeptisch. Reiner Hoffmann, der ehemalige DGB-Chef und heutige Chef des Rates für Nachhaltige Entwicklung, plädiert für einen bedingten Brückenstrompreis. Am Dienstag vermied der Bundeskanzler eine klare Festlegung beim Brückenstrompreis. Da hätte sich die neue IG-Metall-Chefin sicher über eine andere Botschaft gefreut.
Die Transformation der Industrie will Christiane Benner auch dazu nutzen, um alte gewerkschaftliche Forderungen voranzubringen: Beschäftigte sollen mehr Mitsprache in den Betrieben erhalten. Das hält sie schon deswegen für dringend notwendig, damit diese eigene strategische Überlegungen einbringen könnten. Daran hapert es. Bei einer kürzlichen Befragung vermisste die Hälfte aller Betriebsräte eine Strategie in ihrem Betrieb. Damit stellten sie ihren Arbeitgebern ein katastrophal schlechtes Zeugnis aus. Es gibt Unternehmen wie Continental, wo erst durch die Befragung von Mitarbeitenden Probleme auf den Tisch gekommen seien, hieß es gestern.
Durch die Einbeziehung der Beschäftigten könnten aber vor allem die Menschen für die laufenden Veränderungen mitgenommen werden. “Wir sind mit der IG Metall und den Betriebsräten an der richtigen Stelle, um Perspektiven zu entwickeln”, sagte Benner. Mehr als bisher will sich die Gewerkschaft darum kümmern, dass in den Regionen selbst Perspektiven für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Industrie entwickelt werden. Es macht in den Augen der Gewerkschafter wenig Sinn, Menschen, die in der Autoindustrie in Baden-Württemberg ihren Job verlieren, eine Perspektive bei einem neuen Chiphersteller in Magdeburg anzubieten.
Mehr betriebliche Demokratie sei auch ein wichtiges Instrument gegen den Rechtsruck, sagte Benner. Wer im Betrieb positive Erfahrungen mache, sei auch offener für gesellschaftliche Demokratie. Unterstützung erhofft sich die Erste Vorsitzende der IG Metall von der Berliner Politik, mit Blick auf eine höhere Tarifbindung, aber auch in Bezug auf die Handlungsfähigkeit des Sozialstaats. “Menschen haben ein Sicherheitsbedürfnis, dem müssen wir gerecht werden”. Ob die Arbeitgeber ihren Weg mitgehen werden? In der Vergangenheit war die Sozialpartnerschaft von Gesamtmetall und IG Metall oft wegweisend, ob dies auch bei den Themen stärkerer betrieblicher Mitbestimmung und dem Kampf gegen einen Rechtsruck gelingt, wird die Geschichte zeigen. Caspar Dohmen
die Debatte über die sozial-ökologische Transformation ist mitten in der politischen Arena angekommen. Für die gleichzeitige Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, des Wohlstands und der Stabilität der Demokratie in Deutschland ist es entscheidend, dass die konstruktiven wirtschaftlichen und politischen Kräfte die Bürger von ihrem Weg überzeugen.
Zu den konstruktiven Akteuren gehört seit der Schaffung der sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland die IG Metall. Und daran knüpft nun auch Christiane Benner an, seit Montag die erste Frau an der Spitze der mächtigsten hiesigen Einzelgewerkschaft. Ihre Forderung nach mehr betrieblicher Mitbestimmung ist elementar, damit deutsche Unternehmen zukunftsfähige Strategien entwickeln und sich mehr Arbeitnehmer als gestaltend erleben, was wiederum dem Rechtsruck entgegenwirken dürfte. Angesichts von nur noch rund 5,6 Millionen Gewerkschaftsmitgliedern gibt es Nachholbedarf. All dem widme ich mich in meinem Porträt über Christiane Benner.
Wie groß die Herausforderung bei der Transformation sind, hat am Dienstag Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit Blick auf die Industrie deutlich gemacht, notwendig ist der Erhalt der industriellen Wertschöpfung. Wie mühsam der Übergang zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft ist, zeigt sich bei der Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Thema von Nicolas Heronymus.
Bis auf die AfD betrachten alle im Bundestag vertretenen politischen Parteien den menschlich verursachten Klimawandel als evident und die Notwendigkeit eines Umbaus der Wirtschaft als notwendig. Gestritten wird meist über die Frage, wann marktliche oder ordnungspolitische Instrumente sinnvoller sind. Einzig die AfD leugnet immer noch den Klimawandel. Warum sie damit reüssiert und warum dies – gerade bei weiteren Erfolgen auf der kommunalen Ebene – eine Gefahr für die Klimawende darstellt, analysiert Carsten Hübner.
Konkurrenz bekommt die AfD in Sachen Klimapopulismus nun von der Ex-Linken-Galionsfigur Sahra Wagenknecht ins Leben gerufenen Verein, dem eine Parteigründung folgen soll. Allerdings negiert die neue Gruppe den Klimawandel zumindest nicht, sondern schreibt in ihrem Positionspapier: “Die Veränderung des Weltklimas und die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlage sind ernste Herausforderungen, die die Politik nicht ignorieren darf”.
Am heutigen Mittwoch will die Clean Cloth Campaign (CCC) gemeinsam mit der kroatischen Gewerkschaft Novi Sindikati nach Informationen von Table.Media eine Beschwerde gegen das Modeunternehmen Olymp Bezner KG bei der nationalen Kontaktstelle der OECD in Deutschland einreichen. Der Vorwurf: Olymp habe bei der Beendigung seiner Geschäftsbeziehungen zu einem Zulieferer in Kroatien gegen OECD-Standards verstoßen. Dazu heißt es in der Beschwerde, die Table.Media vorliegt:
Olymp unterhielt mehr als ein halbes Jahrhundert eine Geschäftsbeziehung mit der staatlichen Textilfabrik Orljava in der ost-kroatischen Kleinstadt Požega, wo bis zu 400 Beschäftigte tätig waren. Olymp habe lange Zeit einen Exklusivvertrag mit der Fabrik gehabt, heißt es in der Beschwerde. Während der Pandemie habe die deutsche Firma dann weniger Aufträge erteilt und im Oktober 2020 die Geschäftsbeziehung gekündigt.
Letztmals nähten Beschäftigte für Olymp im April 2021. Drei Monate später meldete die Fabrik Konkurs an und kündigte den 172 verbliebenen Beschäftigten – sie erhielten zunächst nicht ihnen zustehende Abfindungen. Später zahlte der Staat 37,5 Prozent im Wege einer Soforthilfe. Im März 2023 beschloss der kroatische Staat dann die Zahlung von Abfindungen und anderer Ansprüche in Höhe von rund 491.000 Euro an ehemalige Beschäftigte der Fabrik.
Olymp sah keine Veranlassung, sich an Abfindungen zu beteiligen. “Da wir uns nicht in der Verantwortung für den bedauerlichen Hergang sehen, erachten wir uns auch nicht zur Zahlung von Abfindungssummen verpflichtet”, antwortet das Unternehmen auf Anfrage von Table.Media. Aber man habe sich dafür eingesetzt, dass die Arbeitenden ihre Abfindungen erhielten. Dazu habe man auch mit den örtlichen Gewerkschaften Novi Sindikat und TOKG sowie dem europäischen Gewerkschaftsverbund IndustriALL in Kontakt gestanden.
Aus Sicht des Unternehmens aus Bietigheim-Bissingen (2021: Umsatz 161 Millionen Euro, 800 Mitarbeiter in Europa und Zulieferer in 12 Ländern) stellt sich der Sachverhalt folgendermaßen dar: Eine geplante Privatisierung des Betriebes sei nicht gelungen, der Fortbestand durch Eigentümer und Management regelmäßig “infrage gestellt” worden, weswegen “überfällige Investitionen” ständig aufgeschoben worden seien. Eine zuverlässige Jahres- und Produktionsplanung habe “nicht mehr gewährleistet werden” können. Man habe selbst mit einem interessierten Investor gesprochen, der aber von dem staatlichen Eigentümer abgelehnt worden sei. Bei der Kündigung der Geschäftsbeziehung sieht das Unternehmen auf seiner Seite keine Verstöße gegen die OECD-Guidelines.
Olymp verweist in dem Kontext auch auf seine Mitgliedschaft in einer Multi-Stakeholder-Initiative, was die OECD empfiehlt. Olymp ist seit 2021 Mitglied bei Fair Wear, man habe sich im Fall von Orljava an deren “Responsible Exit Strategy Guide” orientiert. Das Unternehmen zeigt sich auch weiter dialogbereit und nimmt an einer Onlinekonferenz der Beschwerdeakteure teil.
Angesichts solcher Fälle wie in Kroatien will das Bündnis Auftraggeber textiler Zulieferer generell mit in die Verantwortung nehmen, damit Beschäftigte bei Fabrikschließungen ihnen zustehende Abfindung erhalten. Das Netzwerk wirbt für einen Fonds. “Jeder Auftraggeber soll einen kleinen Anteil der jährlichen Auftragssummen einzahlen”, sagt Artemisa Ljarja von der deutschen CCC. Der Fonds solle einspringen, wenn Beschäftigten entlang der textilen Lieferkette ihnen zustehende Abfindungen vorenthalten würden. Außerdem sollten die Mittel des Fonds genutzt werden, um Sozialversicherungssysteme in den Produktionsländern aufzubauen.
Zur Begründung heißt es: Regelmäßig gingen Beschäftigte bei Schließungen von Textilfabriken leer aus. Zudem gebe es Unternehmer, die eine Fabrik schlössen und parallel eine neue aufmachten. “Dahinter kann sich ein strategisches Kalkül verbergen”, sagt die CCC-Aktivistin Artemisa Ljarja. Denn oft hätten Beschäftigte nach fünf bis zehn Jahren einen gesetzlichen Anspruch auf einen Bonus oder eine höhere Bezahlung. “Den umgeht mancher Unternehmer, indem er die bisherige Fabrik schließt und eine neue öffnet, bisweilen sogar um die Ecke.”
Ist die Idee vielversprechend? Die CCC hatte schon einmal intensiv dafür geworben, dass Auftraggeber Verantwortung übernehmen – für die Sicherheit in den Fabriken. Lange Zeit winkten die meisten Unternehmen ab. Aber nach dem schweren Fabrikunglück von Rana Plaza im April 2013, beteiligten sich viele Unternehmen an dem sogenannten Bangladesch Accord, mit dem die Exportfabriken in dem Land in puncto Feuerschutz und Gebäudesicherheit deutlich verbessert wurden.
Wie geht es weiter? Nationale Kontaktstellen der OECD können nur dann bei Streitfällen helfen, wenn die Unternehmen mitspielen. Denn es handelt sich um ein freiwilliges Verfahren. Immer wieder ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass sich Unternehmen nicht darauf eingelassen haben.
“Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie muss stärker als jemals zuvor wirklich zur Handlungsmaxime für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden”, sagte Gunda Röstel, stellvertretende Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) auf der Auftaktkonferenz zur Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) vor einigen Tagen. Sie müsse sich auf Kernziele und Leitindikatoren konzentrieren, um einfacher zu werden, “statt auf Dinge, die wenig Handlungsorientierung haben” sagte Röstel und sprach Sarah Ryglewski direkt an, die auf der Bühne neben ihr saß und im Kanzleramt zuständig ist für Nachhaltigkeitspolitik.
Die alle vier Jahre erfolgende Überarbeitung der DNS findet dieses Mal zur Halbzeit der Agenda 2030 statt. Nicht nur global betrachtet ist der Fortschritt auf dem Weg zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) dürftig, auch in Deutschland droht bei 44 Prozent der 75 mit Indikatoren hinterlegten Zielen eine “wesentliche Zielverfehlung”, wie der jüngste Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamts zeigt. “Im Zuge der Aktualisierung der Nachhaltigkeitsstrategie schauen wir uns an, wie Indikatoren und Ziele überarbeitet werden können, um Fortschritte treffender messen und steuern zu können”, sagte Ryglewski Table.Media. Die überarbeitete Strategie will das Kabinett verabschieden, wenn die Beteiligungsrunden mit Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft abgeschlossen sind. Dafür angepeilt ist der Herbst 2024.
Ökologisch progressive Unternehmensverbände unterstützen Gunda Röstel bei ihren Forderungen, die auf einer Entwurfsvorlage für DNS-Überarbeitungsempfehlungen beruhen, die der RNE am 8. November beschließen will. So fordert etwa Katharina Reuter, Vorsitzende des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft (BNW), gegenüber Table.Media, dass in der Strategie konkrete Maßnahmen mit einem Zieldatum vereinbart werden, “um sie zu einem starken Umsetzungshebel zu machen”. Aufgrund des Zeitdrucks bedeutete dies aber auch, dass es eine Berücksichtigung von Zielkonflikten sowie eine Priorisierung von Maßnahmen braucht.
“Eine Fortschreibung der Strategie allein reicht nicht mehr, es braucht aktives Management“, sagt Yvonne Zwick, Vorsitzende des Unternehmensnetzwerks Baum. Es müsse nachgebessert werden, wenn Maßnahmen nicht wirksam genug sind. “Es braucht deutlich mehr Geschwindigkeit, ein höheres Maß an Verbindlichkeit, klarere Entscheidungen und (auch politisch, nicht nur administrativ) konkretes, von der Strategie abgeleitetes Handeln, das die Infrastrukturen schafft, um die relevanten Akteure bestmöglich zu befähigen“, ergänzt Zwick.
Für im Kontext der Transformation relevante Akteure wie Unternehmen seien “Planungssicherheit und Verlässlichkeit die Voraussetzung für ihr Handeln und ihre Investitionen”, sagt Zwick. Eine übergreifende Nachhaltigkeitsstrategie könne in diesem Zusammenhang ordnend wirken. Die Vorsitzende des BNW, Reuter, fordert Lösungen, die nach der Marktlogik funktionieren. “Wir müssen auch den Preis als wichtiges Regulativ für Verbraucherinnern und Verbraucher nutzen, damit sie automatisch zu nachhaltigen Alternativen greifen”, sagt die BNW-Vorsitzende. Dafür müssten aber ökologische Folgekosten stärker bei der Preisbildung berücksichtigt werden. Das ist in der Theorie eine uralte Forderung der Mainstreamökonomie, stößt in der Praxis aber regelmäßig auf heftigen Widerstand von Akteuren.
Zwick fordert außerdem “mehr innovative Lösungen im Sinne des Green Deals“. Statt des “realpolitisch stattfindenden Subventionswettlaufs” mit staatlichen Mitteln müsse privates Kapital für die Umsetzung von Innovationen gewonnen werden; die Idee des Green Deals, öffentliche Mittel mithilfe privaten Kapitals zu hebeln, sei gut, zumal der Staat die Finanzierung der Transformation nicht komplett allein übernehmen könne. Daher sollte der Sustainable Finance-Beirat mit den beiden Bundesministern für Finanzen sowie Wirtschaft und Klimaschutz “die Transformation gestalten”. In der Vergangenheit haben einige Mitglieder das Gremium verlassen, weil sie über die geringen Gestaltungsmöglichketen frustriert waren.
Aus Sicht von Thomas Holtmann, Abteilungsleiter Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sollte die überarbeitete Strategie es “Unternehmen in allen Industriesektoren erleichtern, Maßnahmen für die grüne Transformation zügig umzusetzen, ohne jahrelang auf den Ausgang von Planungs- und Genehmigungsverfahren warten zu müssen“. Ein Fokus müsse zudem “auf einem zügigen Übergang zur Circular Economy liegen – auch um die strategische Autonomie des Industriestandorts Deutschlands zu sichern”, sagt Holtmann gegenüber Table.Media.
Das Parlament müsse ebenfalls bei der Nachhaltigkeit gestärkt werden, sagte Gunda Röstel im Verlauf ihres Plädoyers für eine aus ihrer Sicht sinnvolle Überarbeitung der DNS. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBnE) sollte Einfluss auf die DNS erhalten. “Es braucht aber vor allem Kontrolle, nicht nur formell“, sagte Röstel. Sie wünsche sich zudem, dass es für die DNS auch eine Beschlussfassung im Bundestag gibt, ergänzte sie wieder in Richtung Ryglewski.
Der Bundestag stehe bei der Umsetzung der DNS “wie ein Zuschauer am Spielfeldrand“, sagt Felix Schreiner, Nachhaltigkeitssprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zu Table.Media. Für mehr Akzeptanz der DNS in der Gesellschaft müsse der Bundestag “künftig nicht nur die Überarbeitung verabschieden, sondern auch alle Oberziele und Indikatoren in der gebotenen Ausführlichkeit diskutieren“, fordert Schreiner, der selbst Obmann im PBnE ist. Nils Gründer, FDP-Obmann im PBnE, hält es für wichtig die DNS regelmäßig “nachzuschärfen.” Der Bundestag solle “in einem zusätzlichen Schritt in die Überarbeitung mit einbezogen werden.”
Seine Position sei “differenzierter” entgegnet der PBnE-Vorsitzende, Helmut Kleebank (SPD), auf die Forderung von Gunda Röstel. Ihm zufolge habe das Klimaschutzgesetz gezeigt, wie schwierig es ist, Ziele in Gesetzen festzulegen. Mit Blick auf die DNS, ihre Indikatoren und Maßnahmen stelle er es sich “höchst kompliziert” vor, dies “in Gesetzesform zu gießen”, sagt Kleebank. Ihm zufolge wäre es aber “richtig, aus dem PBnE einen regulären Ausschuss zu machen“. Dafür sehe er aber aktuell keine Mehrheit im Bundestag. Laut Nils Gründer sei der PBnE als Gremium sinnvoll. “Es ist aber wichtig, dass wir uns in den Sitzungen weiterhin mit Input von Verbänden und der Wissenschaft beschäftigen.” Den PBnE zu einem Ausschuss zu machen, hält der FDP-Politiker aber “nicht für zielführend“.
Überlegungen zur Weiterentwicklung des PBnE gibt es bereits einige Jahren. Wichtig sei, dass die in dieser Legislaturperiode erarbeiteten Vorschläge “nicht nur wieder zur Kenntnis genommen werden, sondern [dass] auch substantielle Beschlüsse gefasst werden, damit dieses Gremium in der nächsten Legislaturperiode direkt zu Beginn seine Arbeit wieder aufnehmen kann”, sagt Tessa Ganserer, Obfrau im PBnE für Die Grünen. “Ebenso wichtig wie die Frage der Struktur des Gremiums, erscheint es mir, die Nachhaltigkeitsprüfung in der Gesetzesfolgenabschätzung weiterzuentwickeln, damit der PBnE nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Prüfung von Gesetzen vornehmen kann”, ergänzt Ganserer.
Zum Schluss forderte Gunda Röstel, die seit 2020 dem RNE angehört, dass die DNS ein Leitbild darüber bieten sollte, “was gutes Leben in einer intakten Umwelt mit sozialer und solidarischer Ausrichtung nach innen wie nach außen [ausmacht], aber eben auch mit einer leistungsfähigen Wissenschaft und einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Wirtschaft, die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bietet”. Jeder hierzulande müsse verstehen, was “ein gutes Leben ist” und “wie wir dahin kommen wollen“. Aus Sicht von Röstel gelingt das nur, wenn die überarbeitete Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wirklich zur Handlungsmaxime des politischen Handelns in Berlin wird.
Alexander Gauland, einer der Granden der Alternative für Deutschland (AfD), hat schon vor Jahren auf die Bedeutung der Klimadebatte für seine Partei hingewiesen. “Die Kritik an der sogenannten Klimaschutzpolitik ist nach dem Euro und der Zuwanderung das dritte große Thema für die AfD“, sagte er im September 2019 laut der Zeitung Die Welt. Im Bundestag war das gerade wieder zu spüren. Mitte September wurde auf Antrag der AfD über den Ausstieg aus allen internationalen Klimaverträgen debattiert. Nur wenige Wochen später ging es um den Ausstieg aus der sozial-ökologischen Transformation.
Um ihre Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen und der damit verbundenen sozial-ökologischen Transformation politisch zu legitimieren, leugnet die AfD den menschengemachten Klimawandel. Dazu werden sowohl die Methoden der Klimaforschung infrage gestellt als auch der breite wissenschaftliche Konsens negiert, der seit Jahren in den Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zum Ausdruck kommt.
Diese Argumentationsstrategie ist bereits in der Dresdner Erklärung der umweltpolitischen Sprecher aus Bund und Ländern vom Sommer 2019 sowie im Grundsatzprogramm der AfD aus dem Jahr 2016 angelegt. Hier schreibt die Partei: “Der IPCC versucht nachzuweisen, dass die von Menschen verursachten CO₂-Emissionen zu einer globalen Erwärmung mit schwerwiegenden Folgen für die Menschheit führen. Hierzu beruft man sich auf Computermodelle, deren Aussagen durch Messungen oder Beobachtungen nicht bestätigt werden.”
Darauf rekurriert auch der kürzlich im Bundestag eingebrachten AfD-Antrag “Freiheit statt Ideologie – Aufkündigung aller internationalen Klimaabkommen”. Darin heißt es unter anderem: “Zum Einfluss des Menschen und dessen Auswirkungen auf das Klima (CO₂-Emissionen) gibt es viele Theorien, aber keinen wissenschaftlichen Konsens.” Außerdem gebe es “keinen wissenschaftlichen Beweis für einen maßgeblichen Einfluss auf das Weltklima durch vom Menschen verursachte CO₂-Emissionen”.
Dem widerspricht der Klimaforscher Hans von Storch. “Die Behauptung ist unzutreffend, dass viele Klimawissenschaftler bestreiten, dass das durch Verbrennung entstehende CO₂ für die beobachtete Erwärmung verantwortlich ist.” Das Gegenteil sei der Fall. Eine sehr große Mehrheit teile diese Ansicht. Das zeigten Umfragen unter Wissenschaftlern, die er in den vergangenen 30 Jahren durchgeführt habe, so von Storch gegenüber Table.Media. Es gebe zwar einige wenige Wissenschaftler, die eine andere Meinung hätten, aber das seien in der Regel keine Klimaforscher.
Manès Weisskircher, Politikwissenschaftler an der TU Dresden, weist darauf hin, dass die explizite Leugnung des menschengemachten Klimawandels auch in der deutschen Gesellschaft mehrheitlich nicht anschlussfähig ist. Selbst in der Wählerschaft der AfD gebe es diesbezüglich keinen Konsens, so Weisskircher, der die Forschergruppe “Rechtsextremismus versus Klimaschutz? Nationalistische Opposition in einem transnationalen Politikfeld” (REXKLIMA) leitet.
“Was in Sachen AfD-Klimamobilisierung jedoch anschlussfähig ist, sind die Kampagnen gegen konkrete klimapolitische Maßnahmen wie Windkraftanlagen, Steuern auf fossile Brennstoffe, die Ausweitung von Solarpaneelen, das Heizungsgesetz und so weiter”, sagt Weisskircher. Je konkreter Klimapolitik werde, desto kontroverser werde die Debatte geführt – denn sie bedeute in der Regel Kosten für Teile der Bevölkerung. Hier sieht Weisskircher die etablierte Politik in der Pflicht, “zum Beispiel im Bereich der sozialpolitischen Flankierung von klimapolitischen Maßnahmen, die Haushalte betreffen”. Diese müsse von Anfang an klar konzeptualisiert und kommuniziert werden.
Doch auch wenn es auf Bundesebene derzeit keine Mehrheiten für die klimapolitischen Positionen der AfD gibt, wächst der politische Druck. Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen vor wenigen Wochen konnte sie deutlich zulegen. Aktuelle Umfragen sagen ihr für die Wahlen im September 2024 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg 30 Prozent und mehr voraus. Damit wäre sie jeweils stärkste Partei. Im thüringischen Landkreis Sonneberg stellt die AfD zudem seit Juni dieses Jahres mit Robert Sesselmann den ersten Landrat.
“Die Rechtsaußenpartei bedient gezielt Ängste in Teilen der Bevölkerung vor Wohlstandsverlusten, Einschränkungen der individuellen Freiheit und steigenden Energie- und Mobilitätskosten durch Klimaschutzmaßnahmen”, sagt der Soziologe Matthias Quent, Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie würden “pauschal als sinnlos, überzogen, wirkungslos und schädlich für die deutsche Wirtschaft und den Wohlstand der Bürger dargestellt”.
Hinzu kommt aus Sicht von Florian Teller von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN), dass die Abgrenzung zu den Grünen und zu sogenannten grünen Themen eine wichtige Rolle bei der Positionierung der AfD im politischen Raum spielt. “Die AfD betont oft die Kritik an grünen Positionen, um ihre eigene Wählerschaft anzusprechen. Grüne Politik wird als Elitenprojekt gelabelt, während sich die AfD als Vertreterin des Volkes inszeniert”, erklärt Teller.
Die Wahlergebnisse der vergangenen Jahre zeigen, dass dieser Kurs durchaus erfolgreich war. So konnte die AfD in der Vergangenheit nicht nur vom Unmut in Teilen der Bevölkerung über das Verbrenner-Aus und das Wärmegesetz oder von hitzigen Debatten über Fleischkonsum und Urlaubsflüge profitieren. Sie bietet sich in vielen Regionen auch als parlamentarischer Arm von Bürgerinitiativen gegen den Ausbau der Windenergie an. Ihr Grundsatzprogramm ist in dieser Frage eindeutig: “Den weiteren Ausbau der Windenergie in Deutschland lehnen wir ab. Er bringt mehr Schaden als Nutzen.”
Ob es der AfD tatsächlich gelingt, das Erreichen der bundesweiten Ausbauziele zu verzögern oder in einzelnen Regionen sogar zu verhindern, wird sich zeigen. Entscheidender Faktor dafür wird ihr Abschneiden bei den Landtagswahlen 2024 sein und ob sich danach eine politische Konstellation bietet, Regierungsverantwortung zu übernehmen. In einigen Gegenden Deutschlands spielt zudem die potenziell steigende Zahl von AfD-Bürgermeistern und -Landräten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn vielerorts sind sie für das Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen zuständig.
Herr Steuernagel, Sie setzen sich dafür ein, dass neben OHG, AG oder GmbH eine neue Rechtsform geschaffen wird – für Unternehmen mit sogenanntem gebundenem Vermögen. Mit ihr soll es leichter werden, familienfremde Nachfolge in Unternehmen zu ermöglichen und die Zweckorientierung eines Unternehmens sicherzustellen. Die Ampel-Regierung will das laut Koalitionsvertrag umsetzen. Wie ist der aktuelle Stand?
Bei einem parlamentarischen Abend, den wir im Juli veranstaltet haben, haben Parteispitzen aller drei Koalitionspartner uns versichert, dass die Ampel noch in dieser Legislaturperiode eine neue Rechtsform einführen will. Wir sind also guter Dinge. Gleichzeitig will ich nicht verhehlen, dass meine Unternehmerkolleginnen und -kollegen und ich nun ca. 21 Monate vor Ende der Legislatur ungeduldig werden. Die Zeit drängt: 560.000 Nachfolgen stehen in den nächsten fünf Jahren an, Millionen Jobs hängen daran. Wir erwarten, dass das prinzipiell längst beschlossene Projekt jetzt zügig angepackt wird.
Andererseits hat die Regierung gerade ihre Nationale Strategie für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen vorgestellt. Das wäre ein idealer Rahmen für die neue Rechtsform gewesen, sie wurde in dem Papier aber mit keinem Wort erwähnt, sondern offenbar bewusst ausgeklammert. Gibt es womöglich doch noch zu viele Zweifel?
Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen wird vor allem aus dem Mittelstand heraus unterstützt, aber ja, sie wird auch sehr vielen Sozialunternehmen helfen. Deshalb hat auch SEND, das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschlands, gefordert, sie in der Strategie zu erwähnen. Gerade wer nicht gemeinnützig sein kann oder will, und trotzdem eine Vermögensbindung möchte, steht heute in Deutschland als Sozialunternehmen mit leeren Händen da. Trotzdem hatte – so konnte man auch in den Medien lesen – das Justizministerium die Befürchtung, es könnte durch Erwähnung in dieser Strategie so aussehen, als sei die Rechtsform per se schon gemeinwohlorientiert. Das ist aber nicht der Fall. Die Rechtsform ist zweckneutral, sie ist ein Betriebssystem, das – genau wie die Genossenschaft – von allen Unternehmen genutzt werden kann. Man kann darüber streiten, ob sie in der Strategie hätte erwähnt werden sollen oder nicht, allerdings sagt das nichts darüber aus, ob die Rechtsform kommt oder nicht.
Am 27. Oktober laden Sie zum “Tag des treuhändischen Unternehmertums” nach Berlin ein, auf der Konferenz wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen. Welchen Schwerpunkt werden Sie dort setzen?
Das treuhänderische Unternehmensverständnis soll in seiner Breite und in all seinen Facetten gewürdigt und erfahrbar gemacht werden. Denn es ist ganz vieles zugleich: Es wird von jeher von vielen Familienunternehmen gelebt, es wurde rechtsverbindlich schon vor Jahrzehnten von Pionieren wie Zeiss oder Bosch mithilfe von Stiftungskonstruktionen umgesetzt. Nun erfreut es sich einer immer größeren Beliebtheit auch unter Mittelständlern, die auf Nachfolgesuche sind, sowie unter Start-ups, die ihre Werteorientierung absichern wollen. Dass der Bundespräsident die Konferenz eröffnet, freut uns natürlich ganz besonders, denn es zeigt die Bedeutung dieses Unternehmensmodells und seiner über 100-jährigen Tradition in Deutschland und Europa. Ebenso gespannt sind wir auf die internationalen Pioniere, die dabei sind: Zeiss, Patagonia, The John Lewis Partnership. Treuhändisches Unternehmertum ist kein deutsches Phänomen, sondern ein weltweiter Trend.
Sollte die neue Rechtsform geschaffen werden: Worauf kommt es vor allem an?
Uns ist eins besonders wichtig: Diese neue Rechtsform ist nur sinnvoll, wenn sie eine verbindliche und absolut wasserdichte Vermögensbindung hat. Ich muss als Unternehmerin oder Unternehmer sicher sein können, dass Gewinne auch in Zukunft wirklich reinvestiert oder gespendet werden und die Gesellschaft nicht ohne Weiteres in eine andere Gesellschaftsform ohne Vermögensbindung umgewandelt werden kann. Zweitens muss es möglich sein, dass ich fähige Menschen unabhängig von leiblicher Verwandtschaft oder finanziellen Ressourcen zu Miteigentümern machen kann.
Das ist zentral, damit sich der Pool an potentiellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern vergrößert. Sie könnten dann – ähnlich wie bei einer Genossenschaft – als Mitglied ein- oder austreten, ohne sich teuer einkaufen zu müssen. Dann könnten sie aber auch kein Vermögen mitnehmen oder die Mitgliedschaft vererben oder verkaufen.
Wie es laufen kann, wenn es keine Vermögensbindung gibt, haben Sie in Ihrer Familie miterlebt, wie Sie schon mal früher erklärt haben. Der Klinik, in der Ihr Vater tätig war, wurde das Kapital nach und nach entzogen.
Das Unternehmen wurde mehrfach verkauft, zu immer höheren Preisen an unterschiedliche Fonds, und wurde dabei finanziell ausgequetscht. Für mich war deshalb klar: Dieses Risiko möchte ich als Unternehmer für mein Unternehmen nicht eingehen. Ich hatte früh selbst gegründet und wollte, dass meine Firmen, wenn ich sie nicht mehr führe, eigenständig und selbstbestimmt bleiben. Bei der Suche nach einer Lösung für dieses Problem stolperte ich über die Idee des treuhändischen Eigentums.
Ein Konzept, das in der Vergangenheit – Sie sprachen es an – schon Bosch oder Zeiss durch eine Stiftung sichergestellt haben.
Richtig, oft wird dies durch sogenannte “Doppelstiftungsmodelle” sichergestellt, bei Bosch durch eine noch etwas andere Konstruktion. Die Stimmrechte liegen dort immer bei Menschen, die mit dem Unternehmen verbunden sind. Sie erhalten aber keine Gewinnrechte, können also für sich persönlich keine Gewinne aus dem Unternehmen ziehen. Diese Idee fand ich auch für mein Unternehmen damals sehr spannend. Als ich sie aber umsetzen wollte, merkte ich, wie kompliziert und nahezu unmöglich das ist, gerade für kleinere Unternehmen. Stiftungslösungen lohnen sich laut Anwälten frühestens ab etwa 30 Millionen Euro Jahresumsatz. 95 Prozent der deutschen Unternehmen machen aber unter 30 Millionen Euro Umsatz. Das Modell bleibt also nur wenigen vorbehalten. Hinzu kommt: Die Stiftung ist für etwas ganz anderes als das Halten von Unternehmen erdacht worden. Es braucht hier eine Lösung, die deutlich einfacher ist.
Wie haben Sie sich bei Ihrem Unternehmen beholfen?
Wir haben damals mit vielen Tricks und einer 20 Seiten langen GmbH-Satzung versucht, die Prinzipien festzulegen, die wir nun auch in der neuen Rechtsform gerne sehen würden. Dann haben andere junge Gründer und ich eine Sammelstiftung gegründet, die bei dem entsprechenden Unternehmen einen Anteil hält, ohne deren Zustimmung die Prinzipien nicht aus der Satzung genommen werden können. Also sozusagen ein Veto-Anteil, der Verantwortungseigentum absichert. Das war und ist ein unglaublicher Aufwand und sehr bürokratisch. Das Interesse ist aber riesig, daher braucht es nun eine einfache und klare Lösung.
Was wären die Vorteile einer neuen Rechtsform?
Sie würde den Prozess enorm entbürokratisieren und treuhändisches Unternehmertum all jenen zugänglich machen, die heute davon ausgeschlossen sind. Vor allem wäre die neue Rechtsform eine wertvolle Nachfolge-Option, denn der deutsche Mittelstand steht dahingehend vor gewaltigen Problemen. Millionen Jobs sind in Gefahr, weil Nachfolgen zu scheitern drohen – nur bei weniger als der Hälfte gelingt die Nachfolge noch in der Familie. Es gibt Firmen, die 100 oder 200 Jahre alt sind und sagen: Wir haben keine passenden Nachfolger in der Familie, und wir wollen auch nicht verkaufen, aber wir haben Mitarbeitende, denen wir unser Unternehmen treuhändisch übergeben wollen. Dann kann die Rechtsform hier helfen, indem Stimmrechte zum Nennwert übernommen werden. Denn Mitarbeitende können es sich in der Regel nicht leisten, das ganze Unternehmen zu kaufen, und sie können oder wollen sich dafür auch nicht hoch verschulden. Hinzu kommt: Wenn ich nun als Gründer und Inhaber des Unternehmens auf hohe Exiterlöse verzichte, dann will ich sichergehen, dass auch die Nachfolgenden es nicht einfach später versilbern können. Um all das zu realisieren, brauche ich eine Vermögensbindung im Unternehmen – das Kernelement einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen.
Sie werben seit Jahren für diese Idee. Wie groß ist mittlerweile das Interesse?
Zuletzt haben sich an die 30 Wirtschaftsverbände zusammengeschlossen, um ein Papier zu unterzeichnen, in dem sie sich gemeinsam für die neue Rechtsform aussprechen. Darunter waren der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft, der Verband deutscher Unternehmerinnen, der deutsche Startup-Verband und der Bundesverband Digitale Wirtschaft. Gerade im Mittelstand ist die neue Rechtsform aus den genannten Gründen sehr beliebt. 72 Prozent der Familienunternehmen befürworten sie, potentiell 100.000 Unternehmen würden sie nutzen. Und wir bekommen Nachfragen aus verschiedensten Branchen: aus dem Gesundheitssektor, der Landwirtschaft oder vom Blockchain Bundesverband.
Wenn jemand darüber nachdenken sollte, ob Verantwortungseigentum für ihn oder sie infrage kommt: Welche ersten Fragen sollte man sich stellen bzw. beantworten?
Verstehe ich mein Unternehmen als ein Gebilde, das eine Aufgabe hat und dessen Treuhänderin oder Treuhänder – das Englische trifft es hier besser: dessen “Steward” – ich bin? Und möchte ich dieses Verständnis rechtlich kodifizieren, damit es auch unabhängig von einer eventuell vorhandenen Familientradition gelebt werden kann? Wenn ja, dann stellt sich die Anschlussfrage: Ist das Unternehmen in der Lage, sich früher oder später aus eigenen Umsätzen zu finanzieren, also Gewinn zu machen? Oder muss ich 30 Jahre lang Verluste machen, um den Durchbruch zu erzielen? Dann wird es mit treuhändischem Eigentum gegenwärtig noch schwierig. Wir haben aber schon einige Deeptech-Start-Ups – nicht zuletzt auch das AI-Start-Up OpenAI – die Verantwortungseigentum von Anfang an umsetzen.
Gibt es Rechtsformen im Ausland, die Ihnen als Vorbild dienen?
Interessanterweise gibt es in Schweden bereits eine vergleichbare Rechtsform mit Vermögensbindung. Das Beispiel zeigt vor allem: Europarechtlich bewegen wir uns hier auf sicherem Terrain. Denn die sogenannte svb-Aktiebolag wurde in Schweden ziemlich geräuschlos eingeführt. Von daher sind wir optimistisch, dass das auch hier in Deutschland klappen wird.
25. Oktober 2023, 17:00 bis 21:00 Uhr
2. Wuppertaler Nachhaltigkeitskongress Info & Anmeldung
26. Oktober 2023, 9:30 bis 12:30 Uhr,
SDG-Seminar Der globalen Verantwortung gerecht werden – kommunale Entwicklungspolitik verankern Info & Anmeldung
26. Oktober 2023, 09:00-16:15 Uhr
Fachtagung Fair. Solidarisch. Nachhaltig. Fachtag für gemeinwohlorientierte Organisationsentwicklung. Info & Anmeldung
26. Oktober 2023, 18:00-20:00 Uhr
Podiumsdiskussion Bildung in der Transformation Info & Anmeldung
28. Oktober 2023, 10:00 Uhr
Workshop Fashion shouldn’t cost the Earth – Clean Clothes Saturday: Ein Tag für Nachhaltigkeit in der Modeindustrie! Info & Anmeldung
28. Oktober 2023, 9:00-17:00 Uhr
NachhaltigkeitsCamp Bonn Info & Anmeldung
28. Oktober 2023, 14:00-16:00 Uhr
Symposium DBU-Umweltpreis: “Unternehmen brauchen (Arten-)Vielfalt – Auf dem Weg zu einer naturverträglichen Wirtschaft” Info & Anmeldung
30. Oktober 2023, 18:00-20:15 Uhr
Seminar Bezahlbare Wärme für alle? Perspektiven für eine soziale und klimagerechte Wärmewende Info & Anmeldung
31. Oktober 2023, 18:00 Uhr
Seminar Young Leaders: Open Innovation – Wie fördern wir gesellschaftliche Transformation? Info & Anmeldung
1.-3. November 2023
Seminar Transformation der Wirtschaft – Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Wirtschaft Info & Anmeldung
2. November 2023
Online-Workshopreihe Nachhaltigkeit in Lieferketten von Gewürzen und anderen pflanzlichen Rohstoffen (Teil 2) Info & Anmeldung
7. November 2023, 14:00-15:00 Uhr
Workshop Was macht eine gute THG-Kompensation aus? Info & Anmeldung
Es brauche eine “Skalierung” von Recyclingvolumen in der EU, damit hiesige Anbieter gegenüber denen aus China oder den USA bestehen können, sagte Kerstin Jorna, Generaldirektorin der EU-Generaldirektion GROW (Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU). Recycling müsse ein attraktives Geschäftsmodell werden, sagte sie bei der Abschlussveranstaltung der “Dialogplattform Rohstoffrecycling” vergangenen Donnerstag. Um die Recyclingquoten zu heben, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) diesen zweijährigen Gesprächsprozess zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Bundesregierung initiiert. Neben dem wirtschaftlichen Potenzial reichten die dort vorgetragenen Argumente für mehr Recycling von größerer Unabhängigkeit von außereuropäischen Lieferanten über die Naturzerstörung durch Bergbau, bis zur Endlichkeit natürlicher Rohstoffvorkommen.
Deutschland hielt sich lange für den Recyclingweltmeister, doch das gilt allenfalls – und mit vielen Einschränkungen – für die Wiederverwertung von ordentlich getrenntem Hausmüll. Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat zeigen hingegen, dass 2022 nur 12,7 Prozent aller Rohmaterialien in der industriellen Produktion aus dem Recycling kamen. Damit liegt Deutschland nur knapp über dem EU-Durchschnitt, und weit abgeschlagen hinter Spitzenreiter Niederlande, wo Recyclate ein Drittel aller Rohstoffe in Produktionsprozessen ausmachten.
Das von Jorna geforderte Geschäftsmodell gibt es in Deutschland bereits beim Metallrecycling. Von der Industrie verwendetes Eisen, Stahl, Kupfer und Aluminium stammen schon zu etwa 50 Prozent aus Recycling. Viel schlechter sieht es bei Bau- und Industriemineralen aus, aber auch bei “Technologiemetallen” wie Magnesium, Zink und Wolfram, die oft als Legierungen und Beschichtungen verwendet werden. Sie von anderen Stoffen zu trennen ist aufwendig oder sogar bislang unmöglich, sodass die Recycling-Inputquoten in der Produktion “teils im einstelligen Prozentbereich” liegen, wie es in dem Bericht heißt. Gerade Technologiemetalle sind jedoch zentral für die Transformation vieler Wirtschaftsbereiche und müssen als Primärrohstoffe aus nichteuropäischen Ländern, insbesondere aus China, importiert werden.
Die für einzelne Stoffgruppen recht detaillierten Erkenntnisse und Vorschläge des Dialogs sollen in die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie und europäische Verordnungen einfließen, um späteres Recycling etwa schon beim Produktdesign einzuplanen. Zugleich könnten die Qualitätsansprüche an mit giftigen Stoffen verschmutzte Recyclingrohstoffe gesenkt werden. Dem widersprach allerdings Bettina Hoffmann, Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium: “Es geht nicht darum, Umweltstandards zu senken, das sage ich ausdrücklich.” av
In der gleichzeitigen Absicherung von Klimarisiken bei anhaltenden Vertragsbeziehungen zu im fossilen Bereich tätigen Unternehmen sehen NGOs einen Widerspruch für Rückversicherer. “Die Branche ruiniert das Leben vieler Menschen und ihr eigenes Geschäftsmodell, wenn sie weiterhin fossile Unternehmen absichert”, sagt Regine Richter, Finanz-Campaignerin bei Urgewald. CEOs wie Joachim Wenning von Munich Re und Christian Mummenthaler von Swiss Re hätten “immerhin Beschränkungen für die Rückversicherung einiger fossiler Projekte eingeführt”, sagt Lindsay Keenan, Europäischer Koordinator bei Insurce Our Future. “Aber wir erinnern sie daran, dass echte Klimavorreiter auch keine neue Gasinfrastruktur oder US-Kohleminen versichern dürfen”.
Die Klimakrise und ihre Folgen für die Absicherung sind das Topthema bei dem internationalen Rückversicherungskongress diese Woche in Baden-Baden, wo traditionell Verträge zwischen Erst- und Rückversichern erneuert werden. “Die Modelle der Rückversicherer für die Risikoabschätzung solcher Schäden hätten in den vergangenen Jahren wiederholt versagt“, stellen die NGOs fest.
Die Rückversicherer reagierten unterschiedlich: Frankreichs Scor reduzierte ihre Kapazitäten für die Absicherung von Naturkatastrophen, AIG stieß ihr Geschäft sogar ab. Schwergewichte wie Munich Re, Swiss Re und HannoverRe bauen ihr Geschäft aus. Nach Angaben des Maklers AON lagen die versicherten Kosten für Naturkatastrophen im ersten Halbjahr 2023 weltweit bei 53 Milliarden US-Dollar, 47 Prozent über dem 20-jährigen Durchschnitt. Dennoch meldeten 18 von der Ratingangentur Fitch beobachtete Nichtlebensrückversicherer im ersten Halbjahr eine “starke versicherungstechnische Rentabilität”. Zur Erklärung heißt es: Die Preise seien stärker gestiegen als die Schadenssummen und die Erstversicherer hätten einen größeren Teil der Schäden selbst tragen müssen.
Munich Re gibt sich gegenüber Table.Media auch zuversichtlich, die Risiken aus dem Klimawandel weiter vorhersagen zu können: Die wissenschaftlichen Klimamodelle und seit Jahrzehnten erhobenen Schadendaten erlaubten, “die Entwicklung von Schadentrends frühzeitig zu erkennen“. Im Geschäft mit der Absicherung der Folgen von Naturkatastrophen hatten Rückversicherer allerdings in den vergangenen Jahren bisweilen Verluste gemacht. cd
Die Deutsche Bank hat ihren ersten Transitionsplan sowie Netto-Null-Zielpfade für Unternehmenskredite für drei weitere emissionsintensive Sektoren veröffentlicht: Kohlebergbau, Zement und Schifffahrt. Damit erfüllt das Institut nach eigenen Angaben Selbstverpflichtungen, die aus dem Beitritt zur Net-Zero Banking Alliance im Frühjahr 2021 folgen.
“Die Deutsche Bank macht ihre Hausaufgaben“, kommentiert Christian Klein, Professor für nachhaltige Finanzwirtschaft an der Hochschule Kassel, den Schritt gegenüber Table.Media.
Banken beeinflussen durch ihre Kreditvergabe erheblich, wie viel CO₂ emittiert wird, was sich wiederum in ihrer Klimabilanz widerspiegelt. Der sogenannte Transitionsplan fasse Definitionen, Methoden, Ziele und Erfolge der Bank zusammen, mit denen Deutschlands größte Bank ihr Ziel – “Netto-Null-Emissionen bis 2050” – erreichen will. Erfasst werden drei Dimensionen der Dekarbonisierung: der Betrieb der Bank (Scope 1 und 2), die Lieferkette (Scope 3, Kategorie 1-14) sowie Finanzierungen für Kunden (Scope 3, Kategorie 15). Erfasst seien nun:
“Wir sind fest entschlossen, unseren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten – und wollen transparent dokumentieren, wo wir auf unserem Weg zu Netto-Null-Emissionen stehen”, sagte der Vorstandsvorsitzende Christian Sewing. Eine globale Bank mit Sitz in Europa müsse bei Nachhaltigkeitsthemen führend sein, “um langfristig erfolgreich zu sein”. Das Ökosystem unseres Planeten stehe vor Kipppunkten. Es sei deshalb von entscheidender Bedeutung, “endlich das Wirtschaftswachstum von CO₂-Emissionen und dem ausufernden Verbrauch von natürlichen Ressourcen zu entkoppeln”. cd
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) haben anlässlich der bevorstehenden Beratungen zum EU-weiten Umgang mit Pflanzen, die mittels neuer genomischer Verfahren gezüchtet wurden, eine Ad-hoc-Stellungnahme veröffentlicht. Diese unterstützt den von der Europäischen Kommission am 5. Juli vorgeschlagenen Verordnungsentwurf.
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission sieht vor, Pflanzen, die mittels neuer genomischer Techniken des Typ 1 (NGT-1) gezüchtet wurden, mit konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzustellen und sie somit vom Gentechnikrecht auszunehmen. Diese Gleichstellung basiert auf der Einschätzung, dass NGT-1-Pflanzen vergleichbare genetische Veränderungen (Mutationen) aufweisen wie konventionell gezüchtete Sorten und ein niedriges Risikoprofil haben.
Die Stellungnahme hebt hervor, dass laut Europäischem Gerichtshof und Europäischer Kommission das Vorsorgeprinzip nur bei wissenschaftlich begründetem Besorgnisanlass angewendet werden kann. Im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten fehle dieser Besorgnisanlass, da bisher veröffentlichte Studien keinerlei Hinweise auf ein höheres Risiko für Umwelt und Mensch gäben.
Laut DFG und Leopoldina wäre die Zulassung von genomisch veränderten Pflanzen auch vereinbar mit Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft, da durch die NGT-1-Pflanzen weitestgehend auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden könne. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der aktuelle Entwurf der Kommission die Kennzeichnung als “Öko-” oder “Bio-” für Produkte, die absichtlich NGT-1-Pflanzen verwenden, nicht gestattet.
Kritik an der Stellungnahme äußert Tina Andres, Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Sie betont, dass der Einsatz von Gentechnik im Widerspruch zu den Grundprinzipien der ökologischen Produktion stehe. Durch die Abschaffung der Risikoprüfung und Kennzeichnung von genomisch veränderten Pflanzen würde es unmöglich werden, diese von Produkten konventioneller Züchtung zu unterscheiden: “Während jedes Pflanzenmedikament oder jeder Kräuterextrakt, der Pflanzen schützen soll, vor einer EU-Zulassung richtigerweise auf Risiken geprüft werden muss, sollen gentechnisch veränderte Pflanzen völlig unkontrolliert in die Umwelt entlassen werden”, sagte Andres im Gespräch mit Table.Media.
Der Gesetzesentwurf zu genomischen Techniken in der Pflanzenzucht wird aktuell im Europaparlament beraten. kih
Das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will bei den nationalen Förderrahmenbedingungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) weiter nachjustieren. Wie aus einem Diskussionspapier des Ministeriums hervorgeht, schlägt das BMEL vor, zwei neue Öko-Regelungen in den nationalen Strategieplan aufzunehmen und in dem Zusammenhang das Budget für die Öko-Regelungen in Deutschland ab dem Antragsjahr 2025 zu erhöhen.
Zusätzlich zu den sieben bestehenden Öko-Regelungen bringt das BMEL, das sich hierzu mit Verbänden und Einrichtungen wie dem Thünen-Institut abgestimmt hat, eine Öko-Regelung für grünlandbewirtschaftende Betriebe ins Spiel. Diese sieht die Förderung von Dauergrünlandflächen vor, die nicht häufiger als zweimal jährlich gemäht werden. Zugleich schlägt das BMEL eine Öko-Regelung für die emissionsarme Ausbringung von Wirtschaftsdünger durch Techniken wie die Schleppschuhtechnik und die Schlitztechnik vor.
Um diese neuen Regelungen zu finanzieren, wäre ab 2025 mehr Geld nötig. Denn: “Eine Finanzierung neuer Öko-Regelungen alleine durch die Nutzung und/oder Reduzierung von Finanzmitteln bei bestehenden Öko-Regelungen ist in dem erforderlichen Finanzmittelumfang nicht möglich”, heißt es in dem Papier aus dem BMEL. Das Ministerium erwägt deshalb, den Anteil der Öko-Regelungen am Budget der 1. Säule der GAP zu erhöhen. Statt der bisherigen 23 Prozent, sollen demnach bis zu 28 Prozent der Direktzahlungen für die Öko-Regelungen aufgewandt werden.
Diese Anhebung sei jedoch im Zusammenhang mit einer eventuellen Erhöhung der Mittelumschichtung in die zweite Säule zu sehen, führt das BMEL in dem Diskussionspapier aus. Gegenfinanziert werden soll die Budgetsteigerung für die Öko-Regelungen durch die Absenkung der Einkommensgrundstützung um 13 Euro pro Hektar im Antragsjahr 2025.
Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), kritisierte den Vorschlag der Budgeterhöhung für die Öko-Regelungen gegenüber AGRA-EUROPE. Diese führe zu einer Reduktion der Basisprämie und veranlasse immer mehr Landwirte dazu, aus der GAP auszusteigen, befürchtet er. Die beiden neuen Öko-Regelungen, die das BMEL vorschlägt, würden laut Ruckwied zwar in die richtige Richtung gehen, reichten jedoch nicht aus, so der DBV-Präsident.
Anders sieht dies der Naturschutzbund Deutschland (NABU). Dessen Referentin für Agrobiodiversität, Laura Henningson, hält eine neue Öko-Regelung für grünlandbewirtschaftende Betriebe für dringend notwendig, da Betriebe mit Weidehaltung ihr zufolge an den existierenden Öko-Regelungen nicht teilnehmen könnten. Die vom BMEL vorgeschlagene Maßnahme zur emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdünger durch bestimmte Technik hält Henningson hingegen für eine “reine Geldverteilungsregelung”. Diese sei ökologisch weniger sinnvoll, da vor allem Betriebe, die sich den Kauf neuerer Technik leisten können, davon profitieren, so die NABU-Referentin.
Hubert Heigl, Naturland-Präsident und Vorstand Landwirtschaft im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), teilt diese Einschätzungen. In der Öko-Regelung zur emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdünger kann er “keine positive Umweltwirkung” erkennen. Heigl fordert deshalb: “Im Sinne der Umwelt muss das Geld besser eingesetzt werden.” Er schlägt aus diesem Grund eine Förderung besonders niedriger Stickstoff- und Phosphor-Salden vor, durch die deutlichere eine Wirkung für Klima und Biodiversität zu erreichen sei.
Das Diskussionspapier aus dem BMEL soll nun als Nächstes bei der Amtschefkonferenz Mitte Januar aufgegriffen werden, ehe die Agrarministerkonferenz und der Bundesrat etwaige Anpassungen der nationalen Umsetzung der GAP diskutieren. heu
Afrika benötigt zusätzliche Finanzmittel in Höhe von rund 194 Milliarden Dollar jährlich, um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 zu erreichen. Dies geht aus einem neuen Report der OECD mit dem Titel “Africa’s Development Dynamics 2023” hervor, der in der vergangenen Woche im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin vorgestellt wurde. Demnach fehlen afrikanischen Staaten insgesamt 1,6 Billionen Dollar zur Erreichung der SDGs.
Die zunächst gigantisch wirkende Summe entspricht nur etwa 0,2 Prozent der globalen Finanzanlagen. Laut den Autoren des Reports ist die Finanzierungslücke damit überbrückbar. Dafür müssten jedoch Verbesserungen in drei Schlüsselbereichen vorangetrieben werden:
Im Anschluss an die Vorstellung der Studie diskutierte die Direktorin des OECD Development Centre, Ragnheiður Elín Árnadóttir, die wichtigsten Erkenntnisse des Reports mit einem international besetzen Panel. Sie betonte dabei unter anderem das große Potenzial der unzureichend genutzten afrikanischen Institutionen zur Entwicklungsfinanzierung. Auch eine verbesserte Datenlage halte sie für vielversprechend. Bienvenue Angui, Geschäftsführerin der Stiftung Greentec Capital Africa, beklagte hingegen die Voreingenommenheit der internationalen Ratingagenturen. Investoren seien besser beraten, sich an lokale afrikanische Ratingagenturen zu wenden, die die tatsächlichen Risiken viel genauer bewerten könnten. ajs
Um die europäische Windindustrie vor Konkurrenz aus China zu schützen, erwägt die EU-Kommission, die Ausschreibungsregeln für Windparks zu lockern. Ziel ist es, teureren europäischen Herstellern einen Vorteil gegenüber Anlagenproduzenten zu verschaffen, die weniger nachhaltig produzieren oder sogar von unfairen Subventionen profitieren. Die EU-Staaten werden deshalb ermuntert, bei den Ausschreibungen verstärkt nicht-finanzielle Kriterien wie Cybersicherheit oder Recyclingfähigkeit zu berücksichtigen. Das geht aus dem Europäischen Windenergie-Aktionsplan hervor, den die Kommission am Dienstag vorgestellt hat.
Neue Ausschreibungsregeln legen die EU-Gesetzgeber gerade mit dem Net-Zero-Industry-Act (NZIA) fest. Im Windenergiepaket bietet die Kommission nun an, die neuen Ausschreibungskriterien nach Verabschiedung des NZIA mit einem Durchführungsrechtsakt verbindlich zu machen.
Im November will die Kommission außerdem eine Empfehlung veröffentlichen, gegebenenfalls eine Notfallverordnung für schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren zu verlängern. Die EU-Staaten hatten sie auf dem Höhepunkt der Energiekriese im vergangenen Jahr beschlossen, sie läuft aber Mitte 2024 aus. Möglichst nahtlos sollen im Anschluss Beschleunigungsmaßnahmen zum Windenergieausbau greifen, die mit der gerade novellierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie beschlossen wurden. ber
Grünes Licht für grünes Wachstum? – Makronom
Kreislaufwirtschaft allein werde nicht zur Einhaltung planetarer Grenzen führen. Wenn Kreislaufwirtschaft mit gezieltem Schrumpfen mancher Sektoren in einkommensstarken Ländern und politischen Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit kombiniert werde, könne es gelingen, argumentiert Patricia Urban. Zum Artikel
Reiche flüchten aus Steueroasen – Süddeutsche Zeitung
Die Wohlhabenden werden ehrlicher – dies ist das Ergebnis einer Studie des Ökonomen Gabriel Zucman, der mit anderen einen neuen Report erarbeitet hat. Die Gelder in Steueroasen hätten sich seit 2012 auf drei Billionen Dollar mehr als halbiert. Allerdings nutzen Wohlhabende als eine neue Ausweichmöglichkeiten die Anlage von Geldern in Immobilien. Zum Artikel
Der Weltuntergang ist nicht nahe – Süddeutsche Zeitung
Im Interview mit Vera Schroeder erklärt der Arktisforscher Markus Rex, warum “die Idee, dass Wachstum zwangsläufig Emissionen bedeutet” veraltet sei. Die Daten zeigten ganz klar eine Entkopplung von Emissionen udn Wachstum. In Deutschland seien die Emissionen seit 1990 um 39 Prozent gesunken, während das preisbereinigte Wachstum des BIP um 47 Prozent gestiegen sei. Zum Artikel
As Coal Plants Shutter, a Chance to Redevelop ‘the Gates of Hell’ – The News York Times
Mithilfe von Bundes- und Landesmitteln sollen in den USA aus Industrieruinen Zentren nachhaltigen Wirtschaftens werden. Patrick Sisson berichtet unter anderem über die Pläne für das Gelände eines ehemaligen Kraftwerks der Cleveland Electric Illuminating Company am Ufer des Eriesees in Ohio. Hier sollen Wohnungen, Büros und Einzelhandel entstehen. Zum Artikel
A Giant Grid Bottleneck Is Threatening Climate Goals – The Washington Post
In den USA, in China und in Europa werden Wind- und Solarenergieanlagen in einem noch nie dagewesenen Tempo angekündigt. Doch viele dieser Anlagen stoßen auf Netzengpässe. Um Klimaziele zu erreichen, müssen die Stromnetze viel größer und belastbarer werden. Doch Bürokratie und lokaler Widerstand blockieren oder verlangsamen den Ausbau der grünen Energie und der Netzkapazität häufig, schreiben Lars Paulsson und Naureen S. Malik. Zum Artikel
‘A good cruise is one that doesn’t come’: Europe’s ports bear brunt of ship pollution – The Guardian
Die Auswirkungen der Kreuzfahrtindustrie auf Gesundheit und Umwelt werden immer deutlicher. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) stießen die 218 Kreuzfahrtschiffe, die im vergangenen Jahr in Europa verkehrten, mehr als viermal so viele Schwefeloxide aus wie alle Autos des Kontinents zusammen. Nun erwägen Mittelmeerhäfen Verbote und Einschränkungen, berichtet Daniel Wizenberg. Zum Artikel
So möchte Vitesco künftig Seltene Erden vermeiden – Automobil Produktion
Vitesco Technologies setzt bei künftigen elektrischen Achsantrieben auf eine Lösung, durch die auf Seltene Erden verzichtet werden kann. Woran die Entwickler noch arbeiten und welche Trends sie in der E-Mobilität sehen, das beschreibt Chris Löwer. Zum Artikel
Wo ist die Grenze zwischen Indienstnahme und Wissenschaftsfreiheit? – FAZ
Martina Schraudner, Elif Özmen und Hans-Hennig von Grünberg setzen sich in einem Gastbeitrag mit der Frage auseinander, ob eine Selbstverpflichtung der Wissenschaft für Nachhaltigkeit mit der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit vereinbar ist. Zum Artikel
Die Produktion unseres Essens schadet dem Klima – vier deutsche Firmen zeigen, wie es besser geht – Stern
Muss man Mais um die halbe Welt schippern? Lässt sich auch aus überreifem Obst noch etwas machen? Rolf-Herbert Peters hat junge Unternehmer besucht, die Lebensmittel nachhaltiger produzieren wollen. Zum Artikel
Ziel des Völkerrechtsabkommens ist es, die Aktivitäten transnationaler Konzerne und anderer Unternehmen mit Blick auf die Menschenrechte weltweit zu regulieren. Brand- und Einsturzkatastrophen von Textilfabriken in Asien, ausbeuterische Kinderarbeit bei der Kakaoernte in Westafrika, Vertreibungen und Ölkatastrophen im ecuadorianischen Amazonasgebiet sollen sich nicht wiederholen. Betroffene sollen eine reale Chance erhalten, die verantwortlichen Konzerne auch an ihrem Stammsitz auf Schadenersatz zu verklagen. Und Auslandsinvestoren sollen nicht länger die Möglichkeit haben, Staaten vor privaten Investitionsschiedsgerichten zu verklagen, wenn deren Gesetze oder Gerichtsurteile zum Schutz von Menschenrechten ihre Gewinnerwartungen beeinträchtigen. 2014 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Arbeitsgruppe beauftragt, dafür die Grundlage zu schaffen. Bei der diesjährigen neunten Runde verhandeln die Staatenvertreter*innen auf der Grundlage des bereits vierten Vertragsentwurfs, den der ecuadorianische Vorsitz im Juli präsentiert hatte.
Schon 2014 stimmten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA gegen die Resolution zur Einsetzung der UN-Arbeitsgruppe, die maßgeblich von Ecuador und Südafrika initiiert und fast ausschließlich von Regierungen des Globalen Südens unterstützt worden war. Die EU lehnte völkerrechtlich verbindliche Menschenrechtsvorgaben für Konzerne ab und verwies stattdessen auf die völkerrechtlich unverbindlichen UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011. Seither kommentiert die EU-Delegation den Prozess und die Vertragsentwürfe in Genf jahraus, jahrein aus dem Seitenaus, statt sich formal und konstruktiv an den Verhandlungen zu beteiligen. Dabei ist der ecuadorianische Vorsitz der EU in den vier Vertragsentwürfen immer weiter entgegengekommen. Selbst die USA sind im letzten Jahr formal in die Verhandlungen eingestiegen.
Die Corona-Krise hat Armut, Hunger und soziale Ungleichheit weltweit vertieft. Der Ukraine-Krieg wiederum hat den globalen Run auf metallische und Energierohstoffe weiter verschärft. Effektiver Schutz vor Ausbeutung und Umweltzerstörung ist damit dringlicher denn je. Doch auch für deutsche und europäische Unternehmen wäre ein entsprechendes UN-Abkommen von Vorteil. Verpflichtet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz deutsche Unternehmen doch bereits seit 2023 zur weltweiten Achtung von Menschenrechten und bestimmten Umweltstandards. Auch die Verhandlungen zu einem EU-Lieferkettengesetz sollen noch in diesem Jahr zum Abschluss kommen.
Das geplante UN-Abkommen würde fortan alle Vertragsstaaten verpflichten, ähnliche Lieferkettengesetze zu verabschieden und deren Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Dass Wirtschaftsverbände wie die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) diese Initiative seit Jahren torpedieren, könnte ihren Mitgliedern noch schmerzhaft auf die Füße fallen. Denn wenn der UN-Prozess scheitert, rückt das immer wieder beschworene Level-Playing-Field auf Jahrzehnte in weite Ferne. Umso kurzsichtiger ist es, dass die EU und auch die Bundesregierung der Blockadehaltung der Wirtschaftslobby so lange gefolgt sind.
Wie ihr heutiges Statement zum Auftakt der Verhandlungsrunde zeigt, hat die EU die Relevanz des Prozesses inzwischen erkannt. Die Verabschiedung des EU-Lieferkettengesetzes, so wörtlich, “könnte eine Basis für das künftige Engagement der EU in den Verhandlungen” bilden. Das Signal geht in die richtige Richtung, hat aber einen Haken: Nach Verabschiedung des EU-Lieferkettengesetzes könnte das Interesse der Staaten des Globalen Südens an dem Abkommen abnehmen. Ihr Hauptanliegen – die Regulierung westlicher Konzerne – wäre ja zum Teil bereits erreicht, auch ohne UN-Abkommen. Fraglich ist auch, ob andere Staaten gewillt sind, die EU-Regeln als Blaupause für ein UN-Abkommen zu akzeptieren.
Die EU ist daher gut beraten, sensibel und offen auf die Anliegen aus dem Globalen Süden einzugehen. Zugleich sollte sie – auch ohne formelles Verhandlungsmandat – eigene Akzente setzen und allen Versuchen entgegentreten, das Abkommen zu verwässern. Das Bekenntnis zum Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt, zu umweltbezogenen Sorgfaltspflichten und zu einer Konkretisierung der zivilrechtlichen Haftungsregeln im Eingangsstatement der EU ist immerhin ein guter Anfang. Mit der aktiven Beteiligung der USA, China, Indien, Japan, Australien, Argentinien, Brasilien und Südafrika und anderen Schwergewichten hat sich in Genf ein Gelegenheitsfenster geöffnet, das es jetzt zu nutzen gilt.
Armin Paasch ist Referent für Verantwortliches Wirtschaften und Menschenrechte bei Misereor. Seine derzeitigen Arbeitsschwerpunkte liegen auf dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, dem geplanten EU-Lieferkettengesetz, dem geplanten UN-Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte, EU-Handelsabkommen und Rohstoffpolitik. Außerdem vertritt er VENRO in der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Menschenrechte beim Bundesarbeitsministerium zum Monitoring der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Bevor Armin Paasch zu Misereor kam, arbeitete er von 2000 bis 2010 für die deutsche Sektion der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN.
Schon durch ihre Wahl hat Christiane Benner am Montag Geschichte geschrieben. Denn sie ist in 130 Jahren die erste Frau an der Spitze der IG Metall. Ob sie weiter Geschichte schreiben wird, hängt vor allem davon ab, wie in Deutschland die sozial-ökologische Transformation der Industrie ablaufen wird. Hier kommt Christian Benner als Anführerin der nach eigener Darstellung größten freien Gewerkschaft der Welt eine zentrale Rolle zu.
Die Aufgabe ist gewaltig: Denn die im Umbruch befindliche Automobilindustrie ist nicht nur die wichtigste Branche für die deutsche Volkswirtschaft. Es ist auch die Branche, auf der ganz wesentlich die Macht der IG Metall bislang beruht. Gut bezahlte Automobilfachkräfte sind zahlreich in der Gewerkschaft und zahlen hohe Beiträge. Darum ist bemerkenswert, dass mit Christiane Benner gerade zu diesem Zeitpunkt eine Gewerkschafterin die Karriereleiter der IG Metall bis nach oben klettert, die sich ihre Verdienste nicht als mächtige Regionalchefin im Umfeld eines der großen Automobilkonzerne erworben hat, sondern einen anderen Weg ging.
Nach dem Abitur lernte sie 1987 den Beruf der Fremdsprachensekretärin, arbeitete sechs Jahre bei der Firma Carl Schenck, studierte dann Soziologie in Marburg, Indiana, Chicago und Frankfurt. Sie wechselte zur IG Metall nach Frankfurt, wo sie sich ihre Sporen unter anderem damit verdiente, prekäre Arbeitsformen wie Zeitarbeit gewerkschaftlich zu organisieren und die digitalisierte Wirtschaft zu erschließen. “Organizing” war der Begriff einer aus der Gemeinwesenarbeit in den USA importierten Strategie dafür. Eine schwierige Aufgabe.
Benner überzeugt Kolleginnen und Kollegen nicht nur als Fachfrau, sondern auch mit taktischem Geschick und Durchsetzungsvermögen. Mancher wollte die Zweite Vorsitzende wegloben, etwa zur DGB-Chefin küren. Benner machte dies nicht, wohlwissend, dass der mächtigste Gewerkschaftsposten in Deutschland derjenige der IG Metall-Vorsitzenden ist. Vor zwei Jahren waren die Spitzen in der IG Metall der Überzeugung, sie schaffe es nicht. Sie lagen falsch. Benner hat sogar ein extrem gutes Wahlergebnis erzielt. Sie will die Gewerkschaft stärker im Team führen. Gelingt ihr dies und setzt sich damit ein neuer partnerschaftlicher Führungsstil durch, dürften viele in der bislang sehr straff geführten Frankfurter Zentrale der IG Metall aufatmen. Aber gemessen wird Benner letztlich daran werden, ob sie den Beschäftigten in der hiesigen Metall- und Elektroindustrie eine Perspektive verschaffen kann.
Es drohe eine Deindustrialisierung, hieß es bei der Pressekonferenz am Montag. Über die Jahreswende stünden in vielen Aufsichtsräten wichtige Entscheidungen an, komme es zu keiner Lösung beim Brückenstrompreis, drohten Verlagerungen. Beim Thema Brückenstrompreis marschiert die IG Metall-Chefin vereint mit den Granden der hiesigen Industrie. Gemeinsam setzen sie die Bundesregierung mächtig unter Druck. In der Vergangenheit war diese Lobbykoalition zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern schädlich für die Transformation. Auch deswegen hielt Deutschland viel zu lange am Verbrennerauto fest. Deswegen ist die Herausforderung der Transformation heute so enorm. Viele in der SPD sind für einen Brückenstrompreis, Kanzler Olaf Scholz war zunächst skeptisch. Reiner Hoffmann, der ehemalige DGB-Chef und heutige Chef des Rates für Nachhaltige Entwicklung, plädiert für einen bedingten Brückenstrompreis. Am Dienstag vermied der Bundeskanzler eine klare Festlegung beim Brückenstrompreis. Da hätte sich die neue IG-Metall-Chefin sicher über eine andere Botschaft gefreut.
Die Transformation der Industrie will Christiane Benner auch dazu nutzen, um alte gewerkschaftliche Forderungen voranzubringen: Beschäftigte sollen mehr Mitsprache in den Betrieben erhalten. Das hält sie schon deswegen für dringend notwendig, damit diese eigene strategische Überlegungen einbringen könnten. Daran hapert es. Bei einer kürzlichen Befragung vermisste die Hälfte aller Betriebsräte eine Strategie in ihrem Betrieb. Damit stellten sie ihren Arbeitgebern ein katastrophal schlechtes Zeugnis aus. Es gibt Unternehmen wie Continental, wo erst durch die Befragung von Mitarbeitenden Probleme auf den Tisch gekommen seien, hieß es gestern.
Durch die Einbeziehung der Beschäftigten könnten aber vor allem die Menschen für die laufenden Veränderungen mitgenommen werden. “Wir sind mit der IG Metall und den Betriebsräten an der richtigen Stelle, um Perspektiven zu entwickeln”, sagte Benner. Mehr als bisher will sich die Gewerkschaft darum kümmern, dass in den Regionen selbst Perspektiven für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Industrie entwickelt werden. Es macht in den Augen der Gewerkschafter wenig Sinn, Menschen, die in der Autoindustrie in Baden-Württemberg ihren Job verlieren, eine Perspektive bei einem neuen Chiphersteller in Magdeburg anzubieten.
Mehr betriebliche Demokratie sei auch ein wichtiges Instrument gegen den Rechtsruck, sagte Benner. Wer im Betrieb positive Erfahrungen mache, sei auch offener für gesellschaftliche Demokratie. Unterstützung erhofft sich die Erste Vorsitzende der IG Metall von der Berliner Politik, mit Blick auf eine höhere Tarifbindung, aber auch in Bezug auf die Handlungsfähigkeit des Sozialstaats. “Menschen haben ein Sicherheitsbedürfnis, dem müssen wir gerecht werden”. Ob die Arbeitgeber ihren Weg mitgehen werden? In der Vergangenheit war die Sozialpartnerschaft von Gesamtmetall und IG Metall oft wegweisend, ob dies auch bei den Themen stärkerer betrieblicher Mitbestimmung und dem Kampf gegen einen Rechtsruck gelingt, wird die Geschichte zeigen. Caspar Dohmen