Dekarbonisierung ja, aber nicht so schnell und nicht mit so vielen Regeln – so in etwa lauten die Antworten von skeptischen Wirtschaftsvertretern, wenn die Politik versucht, Unternehmen in die aus ihrer Sicht nachhaltigen Bahnen zu lenken. Zum Teil drängt sich dabei der Eindruck auf, dass es die Kritiker doch gar nicht ernst meinen mit der Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft.
Eine Umfrage zeigt nun, dass es viele Unterstützer in der Wirtschaft gibt. Im repräsentativen “Sustainable Economy Barometer 2023” erklärt eine Mehrheit von Entscheidern aus Unternehmen, dass sie in nachhaltigen Geschäftsmodellen ihre Zukunft sehen, sich selbst als wichtigen Motor des Wandels begreifen und eine Vorbildfunktion für die Gesellschaft haben.
Wir stellen Ihnen die Ergebnisse der Umfrage, die uns exklusiv vorliegt, ausführlich vor – beauftragt wurde sie von den Organisatoren des Sustainable Economy Summit, der noch bis Mittwoch in Berlin tagt. Table.Media ist Medienpartner der Veranstaltung.
In unserer zweiten Analyse dieser Sonderausgabe geht es um die am Mittwochabend in Brüssel beginnenden Verhandlungen von Kommission, Rat und Parlament für den geplanten europäischen Standard für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln, die sogenannte CSDDD. Als letzte große Hürde für eine Einigung gilt die Berücksichtigung von Finanzdienstleistern. Gut möglich, dass sie ausgeklammert werden – was Nichtregierungsorganisationen für einen Fehler halten würden.
Wie lässt sich der Wandel hin zu einer nachhaltigen, klimaverträglichen Wirtschaft beschleunigen? Darüber diskutieren diese Woche die Teilnehmenden des Sustainable Economy Summits in Berlin. Um die Bereitschaft der Wirtschaft zum Wandel sowie deren Forderungen an die Politik herauszufinden, hat die gastgebende Sustainable Economy gGmbH, hinter der Verbände wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, Bioland und International Federation for the Economy for the Common Good stehen, eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben. Table.Media liegen die Ergebnisse des “Sustainable Economy Barometers 2023” exklusiv vor. Es bietet einige überraschende Erkenntnisse.
Durchgeführt wurde die Umfrage vom Meinungsforscher Civey, er hat mehr als 2500 Entscheider interviewt, die in Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden tätig sind. Grundsätzlich glauben die Verantwortlichen, dass sie eine entscheidende Rolle spielen. 71 Prozent halten sich für einen wichtigen Akteur wenn es darum geht, die nachhaltige, klimaneutrale Wirtschaft zu erreichen. Abgelehnt wird diese Rolle von nur knapp 18 Prozent. Bei der Frage nach der Bedeutung von nachhaltigen Geschäftsmodellen, stimmten 57 Prozent “eindeutig” oder “eher” zu, dass diese ein Treiber für den langfristigen Erfolg seien. 26 Prozent sind “eher nicht” oder “eindeutig nicht” dieser Meinung.
Das positive Signal aus der Wirtschaft war nicht zwingend zu erwarten. Die deutsche und die EU-Politik arbeiten zunehmend an Verschärfungen, etwa bei der ESG-Berichterstattung, dem Lieferkettengesetz, dem Ökodesign oder der Werbung für nachhaltige Produkte. Daran gibt es von manchen Unternehmen und manchen Branchenverbänden immer wieder laute Kritik, weil sie eine bürokratische Überforderung fürchten, die Jobs kostet.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der am Dienstag auf der Konferenz sprechen wird, sieht in der Umfrage nun das Gegenteil: “Die Ergebnisse des ersten Sustainable Economy Barometers sind erfreulich und bestätigen aus meiner Sicht zweierlei: Nachhaltigkeit und ökonomischer Erfolg gehen zunehmend Hand in Hand.” Und weiter: “Nachhaltige Geschäftsmodelle sind die Bedingung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Dabei kommt den Unternehmen selbst eine wichtige Rolle zu.” Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft (BNW), glaubt, dass die Ergebnisse der Befragung “Rückenwind für die Transformationsagenda der Bundesregierung” bedeuten.
Unterstützung wird dennoch benötigt, gerade in der momentanen wirtschaftlichen Lage, auch das betonen die Befragten. 68 Prozent erklären, dass das Erreichen der Klimaziele mit den aktuellen Bedingungen nicht vereinbar sei. 70 Prozent fordern “mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Deutschland” ein politisches Eingreifen, 55 Prozent wünschen sich ein Investitionsprogramm. Für Habeck ist das ein verständlicher Wunsch: “Von der Politik wird zurecht erwartet, die Unternehmen bei der Transformation zu unterstützen.”
Gefragt nach konkreten Maßnahmen, mit denen die Politik Hilfe leisten soll, rangieren zwei Themen mit Abstand oben auf der Agenda: Es sollten nachhaltige Produkte niedriger besteuert (43) und klimaschädliche Subventionen abgebaut werden (42). Interessant: Die Anhebung des CO2-Preises, die Wirtschaftsliberale vielfach als marktfreundlichste Lösung betrachten, landet in der Umfrage weit hinten. Gerade mal 14 Prozent sprechen sich dafür aus.
Gefragt wurde auch nach Innovationen. Welche technologischen Neuerungen sind vor allem in der Lage, für Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu sorgen? Den meisten Zuspruch – 44 Prozent – bekommt der Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit einigem Abstand dahinter: die Steigerung der Ressourceneffizienz (33) und Innovationen bei der Kreislaufwirtschaft (32). Zwei Bereiche, die öffentlich stark im Fokus stehen und Investoren bevorzugen, werden als deutlich weniger relevant eingestuft: Die nachhaltige Mobilität kommt auf 23, der Einsatz von künstlicher Intelligenz auf 15 Prozent.
Dazu passt, was Unternehmen selbst bereits umsetzen. Fast die Hälfte gab an, mittlerweile effizienter zu wirtschaften und Energie zu sparen. Der Punkt “gute Arbeitsbedingungen in der Lieferkette” fällt dagegen deutlich ab. Darum bemühen sich nur 13 Prozent. Ein Wert, der künftig steigen dürfte – das Lieferkettengesetz gilt ab 2024 auch für Unternehmen ab einer Größe von 1000 Mitarbeitenden. Die Detailanalyse der Umfrage, die nach Unternehmensgröße unterscheidet, zeigt das dann auch: Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden sind grundsätzlich weiter bei der Realisierung von Maßnahmen als kleinere.
Bei sozialen Fragen stechen zwei Themen hervor: Nach Meinung der Befragten könne vor allem der Fokus auf die lokale Wertschöpfung (44) zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft beitragen; sollte dies gelingen, kann die Diversifizierung von Lieferketten auch die Versorgungssicherheit bei künftigen Krisen, Kriegen und Pandemien erhöhen. Wichtig sei zudem die Förderung der Bildung für mehr Nachhaltigkeit (37). Darunter dürfte auch der Wunsch fallen, mehr qualifizierten Nachwuchs zu finden, der seine jeweiligen Fachthemen mit ESG-Aspekten verknüpfen kann – daran fehlt es Unternehmen vielfach.
Auffällig ist, wie schwach andere soziale Belange ausfallen: Den Themen Diversität und Gleichberechtigung (6) sowie Inklusion (4) wird kaum eine Bedeutung zugemessen wenn es um die Gestaltung der künftigen Wirtschaft geht.
Eine Überraschung ist für BNW-Chefin Katharina Reuter die Zustimmung zu Nachhaltigkeitsstrategien – fast jeder zweite Entscheider gibt an, ohne einen solchen Plan nicht wettbewerbsfähig sein zu können. Vielfach herrsche gerade “das große CSRD-Gejammer”, sagt sie, “und hier sehen wir aber, dass Nachhaltigkeit künftig einfach als moderne Businessdisziplin dazugehört”.
Und noch etwas ist bemerkenswert. Unternehmen benötigen beim Wandel vielfach Hilfe – bekommen diese von den klassischen Wirtschaftsverbänden und Kammern aber offenbar nicht. Bei den Entscheidern kleiner Firmen, die zwischen 50 und 249 Mitarbeitende beschäftigen, fühlen sich fast zwei Drittel (62) “eher nicht” und “auf keinen Fall” ausreichend unterstützt; insgesamt betrachtet liegt der Wert bei 55 Prozent. Im Umkehrschluss sind es gerade mal 13 Prozent, die mit den angebotenen Services zufrieden sind.
Die Transformation hin zu einer nachhaltigen, klimaverträglichen Wirtschaft ist in vollem Gange. Angekommen ist sie offenbar noch nicht überall.
Es wird voraussichtlich der finale Trilog zum EU-Sorgfaltspflichtengesetz zu dem Kommission, Rat und Parlament am Mittwochabend zusammentreffen. Die letzte große Hürde für eine Einigung ist die Frage, ob auch Finanzdienstleister in dem geplanten europäischen Standard für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) berücksichtigt werden.
Nach Informationen von Table.Media aus Verhandlungskreisen dürfte die spanische Ratspräsidentschaft vorschlagen, die Finanzdienstleister aus der Richtlinie ganz auszuklammern. Das wäre für die Kommission, aber vor allem für das EU-Parlament ein schmerzhaftes Zugeständnis. Festgehalten werden könnte aber, dass Finanzdienstleister zu einem späteren Zeitpunkt noch in das Gesetz aufgenommen werden oder anderweitig reguliert werden könnten.
Sollten die Trilogverhandlungen für die CSDDD scheitern, könnte das gesamte Vorhaben scheitern. Denn es ist fraglich, ob sich im nächsten EU-Parlament erneut eine große Mehrheit für eine solche Regulierung starkmachen würde, so wie es jetzt der Fall ist.
Auf Druck von Frankreich hatten die Mitgliedstaaten bereits in ihrer Allgemeinen Ausrichtung eine Sonderrolle für den Finanzsektor beschlossen. Demnach sollte es jedem Mitgliedstaat selbst überlassen werden, ob Finanzdienstleistungen unter das Gesetz fallen oder nicht.
Das Parlament fordert, die Sorgfaltspflichten auf den nachgelagerten Teil der Wertschöpfungskette von Finanzunternehmen anzuwenden und die Hauptmärkte des Finanzsektors einzubeziehen. Deutschland hatte sich zusammen mit Dänemark, den Niederlanden und Finnland für Sorgfaltspflichten bei Kredit- und Versicherungsdienstleistungen eingesetzt. Frankreich lehnt dies aber kategorisch ab.
Eine Einigung bei der CSDDD versuchen einige große europäische Unternehmensverbände auf den letzten Metern zu verhindern, darunter der Bundesverband Deutscher Arbeitgeber (BDA) und Gesamtmetall aus Deutschland. “Die Bundesregierung darf dieser Richtlinie so nicht zustimmen!”, teilte Gesamtmetall am Montag mit. Verhindern will der Verband eine zivilrechtlichen Haftung der Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in der gesamten Lieferkette.
Die beiden deutschen Verbände haben sich nach Informationen von Table.Media auch mit Verbänden aus Italien und Frankreich zusammengetan, um eine im Vergleich zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz schärfere europäische Richtlinie zu verhindern. Nach Ansicht von Beobachtern wird Frankreich aber für die Richtlinie votieren, wenn die Finanzdienstleister ausgeklammert werden. Als unwahrscheinlich gilt es auch, dass die italienische Regierung den Rechtsakt ablehnt, weil die katholische Kirche dafür ist.
Möglich erscheint dagegen, dass Deutschland sich am Ende in der Abstimmung des Rates enthalten könnte. Das wäre zwar ungewöhnlich, aber Deutschland hatte dies zuletzt im Falle der E-Fuels schon einmal auf Druck der FDP getan.
Mit einer Erklärung fordert dagegen die Responsible Business Alliance, ein Zusammenschluss von nahezu 600 großen Unternehmen, gemeinsam mit anderen wirtschaftlichen Akteuren “eine politische Einigung im Hinblick auf die Verabschiedung der endgültigen Fassung des Gesetzes zu erzielen”. Obwohl sie zu bestimmten Aspekten des Gesetzes unterschiedliche Ansichten verträten:
In Deutschland ist die Haltung der Wirtschaft in Sachen Lieferkettenregulierung gespalten, auch innerhalb des BDI gehen die Meinungen auseinander. Zudem teilen viele Unternehmen die ablehnende Haltung großer Verbänden keineswegs, selbst KMU stehen einer raschen Einführung eines europäischen Lieferkettengesetzes positiv gegenüber.
In der Zivilgesellschaft stößt ein möglicher Ausschluss der Finanzwirtschaft aus dem CSDDD auf scharfe Kritik. Als zivilgesellschaftliche Organisationen, die seit Jahren auf die Verwicklungen von Banken, Versicherungen und Investoren in menschenrechtsverletzende oder klimaschädliche Projekte aufmerksam machten, “wissen wir um die fatalen Folgen bislang fehlender verbindlicher Sorgfaltspflichten der Finanzindustrie”, appellieren diverse NGO wie Brot für die Welt, Urgewald und Deutsche Umwelthilfe an die Bundesregierung. Sie pochen auf einen Einbezug der Finanzdienstleister.
Zahlreiche Finanzunternehmen bekennen sich zu freiwilligen Standards wie den UN Principles for Responsible Investment (UN PRI) oder dem Global Compact. Allerdings führten Verstöße durch die von den Finanzinstituten finanzierte Unternehmen zu keinen ernsthaften Konsequenzen im Sinne der Betroffenen, monieren die NGO. In dieser Hinsicht gleichen sich die Real- und die Finanzwirtschaft. Auch in der Realwirtschaft haben freiwillige Vereinbarungen die Verhältnisse in den Lieferketten kaum verbessert, weswegen Staaten nun verbindliche Vorgaben mit Gesetzen einführen.
Finanzakteure gehören zu den großen Verursachern der Klimakrise. Allein 2022 haben Banken mehr als 150 Milliarden Dollar in Unternehmen gesteckt, deren fossile Energieprojekte die Klimaziele unerreichbar machen könnten. Würden die 425 weltweit größten Projekte fortgesetzt, würden sie das Vierfache des ohnehin rasch schwindenden globalen Emissionsbudgets verbrauchen.
Europa ist weltweit die zweitgrößte Quelle für institutionelle Investitionen in die fossile Energieindustrie. Zahlreiche Verbände der Finanzindustrie sprechen sich zudem für eine Regulierung aus, etwa aus den Niederlanden, Dänemark oder Schweden. Auch die EZB befürwortet den Einbezug der Finanzwirtschaft.
Bei den morgigen Verhandlungen besteht durchaus noch Spielraum für Kompromisse: Beim vergangenen Trilogtreffen auf politischer Ebene am 22. November waren unter anderem auch die Bestimmungen zu Klimaschutzplänen und zur Haftung offen geblieben.
Es geht zum einen um die Frage, ob Unternehmen verpflichtet sein sollen, Klimaschutzpläne nicht nur zu erstellen, sondern auch umzusetzen. Der Rat will diese Umsetzungspflicht streichen und die Pläne auf das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ausrichten. Das Parlament fordert die Verpflichtung zur Umsetzung sowie eine Ausrichtung der Pläne auf das Klimaziel für 2030, also eine Emissionsreduzierung um 55 Prozent.
Zum anderen geht es um die zivilrechtliche Haftung des Unternehmens im Falle einer Verletzung der Sorgfaltspflicht und entsprechenden negativen Auswirkungen. Während der Rat einen unangemessenen Eingriff in das Deliktsrecht der Mitgliedstaaten verhindern will und deshalb bestimmte Bedingungen für eine Haftung aufstellt, will das Parlament die Bestimmungen ausweiten. Es fordert etwa, Unternehmen auch haftbar zu machen, wenn sie Multi-Stakeholder-Initiativen oder Vertragsklauseln nutzen.
Die spanische Ratspräsidentschaft hatte sich in einem Kompromissvorschlag bereit gezeigt, den Zugang zu Gerichten in einigen Punkten zu erleichtern. Möglicherweise könnte auch ein Teil der Managervergütung an die Einhaltung von Sorgfaltspflichten geknüpft werden.
Mit einem Ergebnis ist wohl frühestens am Donnerstag in den Morgenstunden zu rechnen. Das Treffen beginnt am Mittwoch um 21 Uhr – und die Liste der Themen ist noch lang.
Dekarbonisierung ja, aber nicht so schnell und nicht mit so vielen Regeln – so in etwa lauten die Antworten von skeptischen Wirtschaftsvertretern, wenn die Politik versucht, Unternehmen in die aus ihrer Sicht nachhaltigen Bahnen zu lenken. Zum Teil drängt sich dabei der Eindruck auf, dass es die Kritiker doch gar nicht ernst meinen mit der Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft.
Eine Umfrage zeigt nun, dass es viele Unterstützer in der Wirtschaft gibt. Im repräsentativen “Sustainable Economy Barometer 2023” erklärt eine Mehrheit von Entscheidern aus Unternehmen, dass sie in nachhaltigen Geschäftsmodellen ihre Zukunft sehen, sich selbst als wichtigen Motor des Wandels begreifen und eine Vorbildfunktion für die Gesellschaft haben.
Wir stellen Ihnen die Ergebnisse der Umfrage, die uns exklusiv vorliegt, ausführlich vor – beauftragt wurde sie von den Organisatoren des Sustainable Economy Summit, der noch bis Mittwoch in Berlin tagt. Table.Media ist Medienpartner der Veranstaltung.
In unserer zweiten Analyse dieser Sonderausgabe geht es um die am Mittwochabend in Brüssel beginnenden Verhandlungen von Kommission, Rat und Parlament für den geplanten europäischen Standard für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln, die sogenannte CSDDD. Als letzte große Hürde für eine Einigung gilt die Berücksichtigung von Finanzdienstleistern. Gut möglich, dass sie ausgeklammert werden – was Nichtregierungsorganisationen für einen Fehler halten würden.
Wie lässt sich der Wandel hin zu einer nachhaltigen, klimaverträglichen Wirtschaft beschleunigen? Darüber diskutieren diese Woche die Teilnehmenden des Sustainable Economy Summits in Berlin. Um die Bereitschaft der Wirtschaft zum Wandel sowie deren Forderungen an die Politik herauszufinden, hat die gastgebende Sustainable Economy gGmbH, hinter der Verbände wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, Bioland und International Federation for the Economy for the Common Good stehen, eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben. Table.Media liegen die Ergebnisse des “Sustainable Economy Barometers 2023” exklusiv vor. Es bietet einige überraschende Erkenntnisse.
Durchgeführt wurde die Umfrage vom Meinungsforscher Civey, er hat mehr als 2500 Entscheider interviewt, die in Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden tätig sind. Grundsätzlich glauben die Verantwortlichen, dass sie eine entscheidende Rolle spielen. 71 Prozent halten sich für einen wichtigen Akteur wenn es darum geht, die nachhaltige, klimaneutrale Wirtschaft zu erreichen. Abgelehnt wird diese Rolle von nur knapp 18 Prozent. Bei der Frage nach der Bedeutung von nachhaltigen Geschäftsmodellen, stimmten 57 Prozent “eindeutig” oder “eher” zu, dass diese ein Treiber für den langfristigen Erfolg seien. 26 Prozent sind “eher nicht” oder “eindeutig nicht” dieser Meinung.
Das positive Signal aus der Wirtschaft war nicht zwingend zu erwarten. Die deutsche und die EU-Politik arbeiten zunehmend an Verschärfungen, etwa bei der ESG-Berichterstattung, dem Lieferkettengesetz, dem Ökodesign oder der Werbung für nachhaltige Produkte. Daran gibt es von manchen Unternehmen und manchen Branchenverbänden immer wieder laute Kritik, weil sie eine bürokratische Überforderung fürchten, die Jobs kostet.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der am Dienstag auf der Konferenz sprechen wird, sieht in der Umfrage nun das Gegenteil: “Die Ergebnisse des ersten Sustainable Economy Barometers sind erfreulich und bestätigen aus meiner Sicht zweierlei: Nachhaltigkeit und ökonomischer Erfolg gehen zunehmend Hand in Hand.” Und weiter: “Nachhaltige Geschäftsmodelle sind die Bedingung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Dabei kommt den Unternehmen selbst eine wichtige Rolle zu.” Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft (BNW), glaubt, dass die Ergebnisse der Befragung “Rückenwind für die Transformationsagenda der Bundesregierung” bedeuten.
Unterstützung wird dennoch benötigt, gerade in der momentanen wirtschaftlichen Lage, auch das betonen die Befragten. 68 Prozent erklären, dass das Erreichen der Klimaziele mit den aktuellen Bedingungen nicht vereinbar sei. 70 Prozent fordern “mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Deutschland” ein politisches Eingreifen, 55 Prozent wünschen sich ein Investitionsprogramm. Für Habeck ist das ein verständlicher Wunsch: “Von der Politik wird zurecht erwartet, die Unternehmen bei der Transformation zu unterstützen.”
Gefragt nach konkreten Maßnahmen, mit denen die Politik Hilfe leisten soll, rangieren zwei Themen mit Abstand oben auf der Agenda: Es sollten nachhaltige Produkte niedriger besteuert (43) und klimaschädliche Subventionen abgebaut werden (42). Interessant: Die Anhebung des CO2-Preises, die Wirtschaftsliberale vielfach als marktfreundlichste Lösung betrachten, landet in der Umfrage weit hinten. Gerade mal 14 Prozent sprechen sich dafür aus.
Gefragt wurde auch nach Innovationen. Welche technologischen Neuerungen sind vor allem in der Lage, für Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu sorgen? Den meisten Zuspruch – 44 Prozent – bekommt der Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit einigem Abstand dahinter: die Steigerung der Ressourceneffizienz (33) und Innovationen bei der Kreislaufwirtschaft (32). Zwei Bereiche, die öffentlich stark im Fokus stehen und Investoren bevorzugen, werden als deutlich weniger relevant eingestuft: Die nachhaltige Mobilität kommt auf 23, der Einsatz von künstlicher Intelligenz auf 15 Prozent.
Dazu passt, was Unternehmen selbst bereits umsetzen. Fast die Hälfte gab an, mittlerweile effizienter zu wirtschaften und Energie zu sparen. Der Punkt “gute Arbeitsbedingungen in der Lieferkette” fällt dagegen deutlich ab. Darum bemühen sich nur 13 Prozent. Ein Wert, der künftig steigen dürfte – das Lieferkettengesetz gilt ab 2024 auch für Unternehmen ab einer Größe von 1000 Mitarbeitenden. Die Detailanalyse der Umfrage, die nach Unternehmensgröße unterscheidet, zeigt das dann auch: Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden sind grundsätzlich weiter bei der Realisierung von Maßnahmen als kleinere.
Bei sozialen Fragen stechen zwei Themen hervor: Nach Meinung der Befragten könne vor allem der Fokus auf die lokale Wertschöpfung (44) zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft beitragen; sollte dies gelingen, kann die Diversifizierung von Lieferketten auch die Versorgungssicherheit bei künftigen Krisen, Kriegen und Pandemien erhöhen. Wichtig sei zudem die Förderung der Bildung für mehr Nachhaltigkeit (37). Darunter dürfte auch der Wunsch fallen, mehr qualifizierten Nachwuchs zu finden, der seine jeweiligen Fachthemen mit ESG-Aspekten verknüpfen kann – daran fehlt es Unternehmen vielfach.
Auffällig ist, wie schwach andere soziale Belange ausfallen: Den Themen Diversität und Gleichberechtigung (6) sowie Inklusion (4) wird kaum eine Bedeutung zugemessen wenn es um die Gestaltung der künftigen Wirtschaft geht.
Eine Überraschung ist für BNW-Chefin Katharina Reuter die Zustimmung zu Nachhaltigkeitsstrategien – fast jeder zweite Entscheider gibt an, ohne einen solchen Plan nicht wettbewerbsfähig sein zu können. Vielfach herrsche gerade “das große CSRD-Gejammer”, sagt sie, “und hier sehen wir aber, dass Nachhaltigkeit künftig einfach als moderne Businessdisziplin dazugehört”.
Und noch etwas ist bemerkenswert. Unternehmen benötigen beim Wandel vielfach Hilfe – bekommen diese von den klassischen Wirtschaftsverbänden und Kammern aber offenbar nicht. Bei den Entscheidern kleiner Firmen, die zwischen 50 und 249 Mitarbeitende beschäftigen, fühlen sich fast zwei Drittel (62) “eher nicht” und “auf keinen Fall” ausreichend unterstützt; insgesamt betrachtet liegt der Wert bei 55 Prozent. Im Umkehrschluss sind es gerade mal 13 Prozent, die mit den angebotenen Services zufrieden sind.
Die Transformation hin zu einer nachhaltigen, klimaverträglichen Wirtschaft ist in vollem Gange. Angekommen ist sie offenbar noch nicht überall.
Es wird voraussichtlich der finale Trilog zum EU-Sorgfaltspflichtengesetz zu dem Kommission, Rat und Parlament am Mittwochabend zusammentreffen. Die letzte große Hürde für eine Einigung ist die Frage, ob auch Finanzdienstleister in dem geplanten europäischen Standard für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) berücksichtigt werden.
Nach Informationen von Table.Media aus Verhandlungskreisen dürfte die spanische Ratspräsidentschaft vorschlagen, die Finanzdienstleister aus der Richtlinie ganz auszuklammern. Das wäre für die Kommission, aber vor allem für das EU-Parlament ein schmerzhaftes Zugeständnis. Festgehalten werden könnte aber, dass Finanzdienstleister zu einem späteren Zeitpunkt noch in das Gesetz aufgenommen werden oder anderweitig reguliert werden könnten.
Sollten die Trilogverhandlungen für die CSDDD scheitern, könnte das gesamte Vorhaben scheitern. Denn es ist fraglich, ob sich im nächsten EU-Parlament erneut eine große Mehrheit für eine solche Regulierung starkmachen würde, so wie es jetzt der Fall ist.
Auf Druck von Frankreich hatten die Mitgliedstaaten bereits in ihrer Allgemeinen Ausrichtung eine Sonderrolle für den Finanzsektor beschlossen. Demnach sollte es jedem Mitgliedstaat selbst überlassen werden, ob Finanzdienstleistungen unter das Gesetz fallen oder nicht.
Das Parlament fordert, die Sorgfaltspflichten auf den nachgelagerten Teil der Wertschöpfungskette von Finanzunternehmen anzuwenden und die Hauptmärkte des Finanzsektors einzubeziehen. Deutschland hatte sich zusammen mit Dänemark, den Niederlanden und Finnland für Sorgfaltspflichten bei Kredit- und Versicherungsdienstleistungen eingesetzt. Frankreich lehnt dies aber kategorisch ab.
Eine Einigung bei der CSDDD versuchen einige große europäische Unternehmensverbände auf den letzten Metern zu verhindern, darunter der Bundesverband Deutscher Arbeitgeber (BDA) und Gesamtmetall aus Deutschland. “Die Bundesregierung darf dieser Richtlinie so nicht zustimmen!”, teilte Gesamtmetall am Montag mit. Verhindern will der Verband eine zivilrechtlichen Haftung der Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in der gesamten Lieferkette.
Die beiden deutschen Verbände haben sich nach Informationen von Table.Media auch mit Verbänden aus Italien und Frankreich zusammengetan, um eine im Vergleich zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz schärfere europäische Richtlinie zu verhindern. Nach Ansicht von Beobachtern wird Frankreich aber für die Richtlinie votieren, wenn die Finanzdienstleister ausgeklammert werden. Als unwahrscheinlich gilt es auch, dass die italienische Regierung den Rechtsakt ablehnt, weil die katholische Kirche dafür ist.
Möglich erscheint dagegen, dass Deutschland sich am Ende in der Abstimmung des Rates enthalten könnte. Das wäre zwar ungewöhnlich, aber Deutschland hatte dies zuletzt im Falle der E-Fuels schon einmal auf Druck der FDP getan.
Mit einer Erklärung fordert dagegen die Responsible Business Alliance, ein Zusammenschluss von nahezu 600 großen Unternehmen, gemeinsam mit anderen wirtschaftlichen Akteuren “eine politische Einigung im Hinblick auf die Verabschiedung der endgültigen Fassung des Gesetzes zu erzielen”. Obwohl sie zu bestimmten Aspekten des Gesetzes unterschiedliche Ansichten verträten:
In Deutschland ist die Haltung der Wirtschaft in Sachen Lieferkettenregulierung gespalten, auch innerhalb des BDI gehen die Meinungen auseinander. Zudem teilen viele Unternehmen die ablehnende Haltung großer Verbänden keineswegs, selbst KMU stehen einer raschen Einführung eines europäischen Lieferkettengesetzes positiv gegenüber.
In der Zivilgesellschaft stößt ein möglicher Ausschluss der Finanzwirtschaft aus dem CSDDD auf scharfe Kritik. Als zivilgesellschaftliche Organisationen, die seit Jahren auf die Verwicklungen von Banken, Versicherungen und Investoren in menschenrechtsverletzende oder klimaschädliche Projekte aufmerksam machten, “wissen wir um die fatalen Folgen bislang fehlender verbindlicher Sorgfaltspflichten der Finanzindustrie”, appellieren diverse NGO wie Brot für die Welt, Urgewald und Deutsche Umwelthilfe an die Bundesregierung. Sie pochen auf einen Einbezug der Finanzdienstleister.
Zahlreiche Finanzunternehmen bekennen sich zu freiwilligen Standards wie den UN Principles for Responsible Investment (UN PRI) oder dem Global Compact. Allerdings führten Verstöße durch die von den Finanzinstituten finanzierte Unternehmen zu keinen ernsthaften Konsequenzen im Sinne der Betroffenen, monieren die NGO. In dieser Hinsicht gleichen sich die Real- und die Finanzwirtschaft. Auch in der Realwirtschaft haben freiwillige Vereinbarungen die Verhältnisse in den Lieferketten kaum verbessert, weswegen Staaten nun verbindliche Vorgaben mit Gesetzen einführen.
Finanzakteure gehören zu den großen Verursachern der Klimakrise. Allein 2022 haben Banken mehr als 150 Milliarden Dollar in Unternehmen gesteckt, deren fossile Energieprojekte die Klimaziele unerreichbar machen könnten. Würden die 425 weltweit größten Projekte fortgesetzt, würden sie das Vierfache des ohnehin rasch schwindenden globalen Emissionsbudgets verbrauchen.
Europa ist weltweit die zweitgrößte Quelle für institutionelle Investitionen in die fossile Energieindustrie. Zahlreiche Verbände der Finanzindustrie sprechen sich zudem für eine Regulierung aus, etwa aus den Niederlanden, Dänemark oder Schweden. Auch die EZB befürwortet den Einbezug der Finanzwirtschaft.
Bei den morgigen Verhandlungen besteht durchaus noch Spielraum für Kompromisse: Beim vergangenen Trilogtreffen auf politischer Ebene am 22. November waren unter anderem auch die Bestimmungen zu Klimaschutzplänen und zur Haftung offen geblieben.
Es geht zum einen um die Frage, ob Unternehmen verpflichtet sein sollen, Klimaschutzpläne nicht nur zu erstellen, sondern auch umzusetzen. Der Rat will diese Umsetzungspflicht streichen und die Pläne auf das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ausrichten. Das Parlament fordert die Verpflichtung zur Umsetzung sowie eine Ausrichtung der Pläne auf das Klimaziel für 2030, also eine Emissionsreduzierung um 55 Prozent.
Zum anderen geht es um die zivilrechtliche Haftung des Unternehmens im Falle einer Verletzung der Sorgfaltspflicht und entsprechenden negativen Auswirkungen. Während der Rat einen unangemessenen Eingriff in das Deliktsrecht der Mitgliedstaaten verhindern will und deshalb bestimmte Bedingungen für eine Haftung aufstellt, will das Parlament die Bestimmungen ausweiten. Es fordert etwa, Unternehmen auch haftbar zu machen, wenn sie Multi-Stakeholder-Initiativen oder Vertragsklauseln nutzen.
Die spanische Ratspräsidentschaft hatte sich in einem Kompromissvorschlag bereit gezeigt, den Zugang zu Gerichten in einigen Punkten zu erleichtern. Möglicherweise könnte auch ein Teil der Managervergütung an die Einhaltung von Sorgfaltspflichten geknüpft werden.
Mit einem Ergebnis ist wohl frühestens am Donnerstag in den Morgenstunden zu rechnen. Das Treffen beginnt am Mittwoch um 21 Uhr – und die Liste der Themen ist noch lang.