Table.Briefing: ESG

++ Table.Spezial: SDG-Summit New York ++

Liebe Leserin, lieber Leser,

Aufholjagd, zweite Halbzeit, Rückenwind – es mangelte in den vergangenen Tagen bei Vorträgen und Ankündigungen nicht an Sportmetaphern. Noch bevor der erste Redner sein Mikrofon anschaltete beim SDG-Summit, prangte auf den Videoleinwänden der Satz: “Every Match is won in the Second Half.

Nun wissen beispielsweise Fußballfans, dass man ein Spiel sehr wohl in der ersten Halbzeit verlieren kann, indem man sich nämlich fünf Tore fängt und selbst keins schießt. Und, um im Bild zu bleiben: Die Vereinten Nationen scheinen momentan bei der Umsetzung der SDG genau so weit zurückzuliegen. In der Offensive passierte nicht viel, fast sämtliche Versuche, die Welt auf einen nachhaltigen Kurs zu bekommen, verpufften. Die Aussicht auf Besserung: denkbar schlecht.

Wäre es deshalb nicht sinnvoll, einen Plan B zu entwickeln, anstatt an dem bisherigen Plan A festzuhalten, wie es die Vereinten Nationen jetzt beschlossen haben? Nicht unbedingt. Warum, das erläutere ich in unserer zusammenfassenden Analyse zu den letzten Tagen.

Außerdem geben wir Ihnen in dieser Sonderausgabe einen Ausblick auf die kommenden Konferenzen, die wichtig werden. Wir haben die UN-Jungdelegierte Franka Bernreiter gebeten, ihre Eindrücke aus New York zu schildern. Und wir dokumentieren Stimmen aus Ländern des Globalen Südens, die noch früher und stärker als wir Mitteleuropäer von den Folgen von Armut, Hunger, Vermüllung und Klimawandel betroffen waren.

Ihr
Marc Winkelmann
Bild von Marc  Winkelmann

Analyse

SDG-Summit: Es gibt keinen Plan B

“Leader’s Dialogue”: In Drei-Minuten-Vorträgen waren die Staats- und Regierungschefs aufgefordert, Stellung zu beziehen.

Acht Jahre ist es her, dass die Vereinten Nationen die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen beschlossen haben. Gedacht waren sie als eine Art Rettungsplan für die Weltgemeinschaft, damit alle Menschen auf eine nachhaltige, lebenswerte Zukunft blicken können. Inzwischen wird händeringend nach einem Weg gesucht, um den Rettungsplan zu retten. Zu schleppend geht die Umsetzung voran. Wenn es bei diesem Tempo bleibt, kann nur ein kleiner Teil der 169 Unterziele erfüllt werden. 

Bei der Eröffnung des SDG-Summits am Montag erinnerte Dennis Francis, der Präsident der Vollversammlung, nochmal an diese Fakten und griff sich zwei heraus. 2022, sagte er, lebten trotz gegenteiliger Versprechen und Bemühungen 1,2 Milliarden Menschen in Armut. Und bis 2030 werden es schätzungsweise immer noch 680 Millionen sein, also acht Prozent der Weltbevölkerung. Wenn nicht schleunigst gegengesteuert wird.

Dass das passieren soll, ist weiterhin Konsens unter den UN-Mitgliedern. Sie nahmen die Abschlusserklärung, die in den Monaten zuvor ausgehandelt worden war, ohne neue Anmerkungen an. Anschließend ging es in die “Leader’s Dialogues”, ein Format, bei dem Staats- und Regierungschefs, Minister und andere hochrangige Vertreter jeweils drei Minuten Zeit hatten, um ihre nationalen Pläne zu konkretisieren oder neue anzukündigen. Die Runden fanden zu sechs Themen statt. Es ging unter anderem um die Skalierung von Schlüsselmaßnahmen; die Anwendung von Forschung, Technologien, Innovationen und Daten; die Stärkung integrierter Prozesse und öffentlicher Institutionen; und die Mobilisierung neuer finanzieller Mittel und Investments.

Die meisten Rednerinnen und Redner nutzen die knappe Zeit, um auf ihre jeweiligen Schwerpunkte hinzuweisen und grundsätzliche Erklärungen über die Bedeutung einzelner Ziele für die nachhaltige Entwicklung abzugeben. Konkret wurde es selten. Österreichs Präsident Alexander van der Bellen kündigte an, dem Welternährungsprogramm 60 Millionen US-Dollar zur Verfügung zu stellen; außerdem erklärte er, dass 5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts, die aktuell durch Korruption verloren gingen, ausreichen würden, um die SDG zu finanzieren. Spanien erklärte, ein neues Gesetz zu erlassen, um künftig 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Bundeskanzler Olaf Scholz trug vor, der Weltbank mehr als 300 Millionen Euro “hybrides Kapital” zur Verfügung zu stellen und eine Reform der globalen Finanzarchitektur vorantreiben zu wollen. 

Zum Schluss fasste UN-Generalsekretär António Guterres die Veranstaltung, die sich auch auf den zweiten Konferenztag erstreckte, in sieben Punkten zusammen. Diese Liste der Entwicklungsarbeit sei keine Hausaufgabe, so Guterres, sondern “hope work”, ein Werk, das Hoffnung spenden würde. Er rief die Staat- und Regierungschefs auf

  • pro Jahr mindestens 500 Milliarden US-Dollar für nachhaltige Entwicklung bereit zu stellen; 
  • in den freiwilligen Länderreports (“Voluntary Local Review”), die bei den jährlichen Treffen vorgelegt werden, darüber zu berichten, welche Zusagen auf den Summits erreicht worden sind;
  • die Unterstützung für die Ernährungssicherheit, Energie, Digitalisierung, Bildung, soziale Absicherung, existenzsichernde Jobs und Biodiversität auszubauen; 
  • ein Beschleunigungsprogramm für Jobs und soziale Sicherungssysteme zu initiieren; 
  • das 0,7-Prozent-Ziel der Entwicklungshilfe zu erfüllen; 
  • das kommende IWF-Treffen für Finanzreformen zu nutzen, um etwa Schuldenerlasse zu beschließen und die Sonderziehungsrechte für Staaten des Globalen Südens zu erleichtern;
  • auf der nächsten UN-Klimakonferenz konkrete Pläne zu präsentieren, um die Energiewende und die sozial ausgewogene Transformation (“just transition”) in den Ländern des Globalen Südens zu sichern.

Für Marianne Beisheim, Wissenschaftlerin der Forschungsgruppe Globale Fragen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), überwiegt nach dem Gipfeltreffen trotz der weitgehenden Unverbindlichkeiten ein positiver Eindruck. “Das erklärte Ziel des Summits war, die politische Aufmerksamkeit für die SDG wieder zu erhöhen, auch durch deren mediale Sichtbarkeit – und das ist gut gelungen”, sagt sie.

Zum einen, weil die Mobilisierung bei dem vorgeschalteten Action Weekend geklappt habe; viele zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen brachten sich über eigene Veranstaltungen und Debatten ein. Zum anderen, weil während des Gipfels sehr viele Staats- und Regierungschefs sprachen. Sie waren, so Beisheim, gezwungen, sich mit den Themen der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, mussten vorab eigene Pläne überlegen und bekamen vor Ort mit, was die jeweiligen nationalen Prioritäten der anderen Teilnehmer sind. “Dieser Mobilisierungs- und Sozialisierungseffekt ist wichtig für ein ambitioniertes Handeln in der kommenden zweiten Hälfte des Umsetzungszeitraums bis 2030.”

Daraus kann auch ein neues Momentum entstehen. Eines der dominierenden Themen im UN-Plenum und bei den “Leader’s Dialogues” war die Notwendigkeit für eine veränderte Finanzierung der SDG. Durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und die folgende Inflation sind Länder des Globalen Südens finanziell noch stärker unter Druck geraten, die Industrienationen müssen auch sparen. Weil sich die SDG ohne neues Geld aber nicht umsetzen lassen, werden die Rufe nach Reformen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds lauter. Marianne Beisheim: “Die Geberländer haben erkannt, dass sie jetzt Reform-Signale senden müssen und zeigen, dass sie bereit sind, sich zu bewegen. Sonst laufen sie Gefahr, dass sie wichtige Unterstützung im Wettbewerb um die Ausgestaltung der Zukunft des Multilateralismus zu verlieren drohen.”  

Dass diese Reformen allerdings in die Hände der UN gelegt werden, wie die G77 forderte, die Gruppe der Entwicklungsländer innerhalb der UN, das wird wahrscheinlich nicht passieren. Entsprechende Beschlüsse könnten jedoch in den Entscheidungsgremien der angesprochenen Institutionen gefasst werden, also etwa der Weltbank

Für Gerd Müller, Generalsekretär der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO), zählt das zu den entscheidenden Hebeln. Drei Punkte stünden an: “Wir brauchen ein gerechteres globales Finanzsystem – dieses Thema müssen wir auf den Jahrestagungen von Weltbank und IWF sowie auf der COP28 fortsetzen. Wir brauchen Investitionen der Wirtschaft in Lösungen für mehr globale Solidarität. Und die Entwicklungsländer brauchen mehr Mitsprache.”

Die Mittel seien vorhanden, so der ehemalige deutsche Entwicklungshilfeminister. “Rund zwei Billionen US-Dollar fließen weltweit in Verteidigung und Militär, nur 200 Milliarden in Entwicklung. Es ist falsch, alle Aufmerksamkeit auf das 2-Prozent-Ziel für Verteidigung zu richten. Das 0,7-Prozent-Ziel für Entwicklung hat den gleichen Stellenwert”, so Müller gegenüber Table.Media. “Der SDG-Summit war wichtig. Aber die größte Arbeit liegt noch vor uns.”

Für Staatsministerin Sarah Ryglewski, im Kanzleramt zuständig für die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, war der Gipfel “ein Erfolg”. Die Bundesregierung habe deutlich gemacht, dass ihr die Erreichung der SDG ein “besonderes Anliegen” sei. Jetzt gehe es darum, die Gipfelerklärung umzusetzen. “Dabei werden wir uns insbesondere auch für eine Reform der internationalen Finanzstruktur einsetzen.”

Für Heidemarie Wieczorek-Zeul, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung, hat der SDG-Gipfel vor allem eins gezeigt: “Es besteht Einigkeit in der Notwendigkeit, die Agenda 2030 zu erreichen und hierfür auch die notwendigen Reformen in der internationalen Finanzarchitektur anzustoßen.” Von der Bundesregierung fordert sie einen “Aktionsplan zur SDG-Umsetzung” und die dafür notwendigen Finanzmittel.

Über einen Plan B, eine Alternative zu den SDG, wurde in den Leadership-Runden trotz der erschütternden Zwischenbilanz nicht gesprochen. Plan A sollte bestätigt werden – und wurde bestätigt. Neuigkeiten wurden so kaum produziert. Andererseits: Weltweit finden laufend Wahlen statt, die immer neue Politikerinnen und Politiker hervor- und zu den Vereinten Nationen nach New York bringen. Kaum ein Teilnehmer aus diesem Jahr war schon 2015 bei der Verabschiedung der SDG dabei. Für die Gastgeber des Gipfels ist es deshalb notwendig, sich regelmäßig über den gemeinsamen Kurs zu verständigen.

Konkreter ausgestaltet werden soll er jetzt nach dem Treffen, bei den folgenden Konferenzen (siehe unten). “Es gibt eine Debatte um die Frage, ob diese vielen Gipfel sinnvoll oder eher schädlich sind und Kapazitäten binden”, sagt SWP-Forscherin Marianne Beisheim. “Ich denke, sie sind eher hilfreich.” Nicht nur wegen der Sichtbarkeit für die relevanten Themen, sondern auch, weil sie nationale Delegationen mit ihren Positionen und Beiträgen nach New York bringen würden. “Das kann helfen, festgefahrene Grabenkämpfe zwischen Vertretern der UN-Verhandlungsgruppen zu überwinden. Gleichzeitig erinnert man neu-gewählte Regierungen an eingegangene Verpflichtungen.” 

Der Rettungsplan für die Sustainable Development Goals – er ist, so scheint es, in diesen zwei Tagen zumindest nicht unwahrscheinlicher geworden.

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  • Vereinte Nationen

Globaler Süden: “Ungleichheit ist die Wurzel unserer Probleme”

Aktivisten in New York: Die Klimakrise hat in vielen Ländern des Globalen Südens verheerende Auswirkungen.

Der SDG-Summit 2023 in New York war nicht nur von ernüchternden Ergebnissen hinsichtlich der Umsetzung der 17 Ziele für die nachhaltige Entwicklung geprägt. Auf der globalen politischen Bühne ist darüber hinaus stets der mehr oder weniger latente Konflikt zwischen den entwickelten Industrieländern und dem sogenannten Globalen Süden präsent. Das war bereits in der jüngeren Vergangenheit bei den Weltklimakonferenzen der UNO deutlich geworden, bei denen etwa die in der Gruppe der 77 zusammengeschlossenen Staaten eine signifikante Erhöhung westlicher Kompensationen für die desaströsen Klimafolgeschäden gefordert hatten.

Beim SDG-Gipfel beschrieben hochrangige Vertreter die Lage in deutlichen Worten. Die stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina J. Mohammed etwa schlug nicht nur mit Blick auf die Situation in vielen afrikanischen Ländern Alarm: “Wir stehen vor nie dagewesenen Herausforderungen, die Agenda 2030 ist an einem kritischen Wendepunkt, das Erreichte ist in Gefahr. Der Hunger in der Welt ist so groß wie seit 2015 nicht mehr, die finanzielle Apokalypse, mit der viele Länder konfrontiert sind, hemmt dringend notwendige Investitionen in die SDGs. Afrika ist mit gewalttätigen Konflikten, Staatsstreichen, Korruption und steigenden Kosten auf allen Ebenen konfrontiert.”

Der brasilianische Präsident Lula da Silva, ohnehin dafür bekannt, dem Westen nicht nach dem Mund zu reden, wurde noch deutlicher: “Die internationale Gemeinschaft befindet sich in vielfältigen und gleichzeitigen Krisen. Die Covid-19-Pandemie, die Klimakrise und die Nahrungsmittel- und Energieknappheit werden durch wachsende geopolitische Spannungen verstärkt. Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit haben sich ausgebreitet und werden durch neue Technologien, die uns angeblich näher zusammenbringen sollen, noch verstärkt. Sollten wir diese Herausforderungen in einem einzigen Wort zusammenfassen, dann wäre es Ungleichheit. Ungleichheit ist die Wurzel unserer Probleme und trägt zu ihrer weiteren Verschärfung bei.”

Andere Stimmen aus dem globalen Süden formulierten konkrete Forderungen: “Investitionen in nachhaltige Energiesysteme in Regionen wie Afrika werden durch eine verfehlte Investitionspolitik blockiert. Dazu gehört die fortgesetzte Subventionierung von Energie aus fossilen Brennstoffen”, kritisiert etwa Amos Wemanya von der Organisation Power Shift Africa. Diplomatischer, aber dennoch deutlich, fiel auch die Kritik an internationalen Geldgebern in der Entwicklungszusammenarbeit aus, die etwa Raymond Gilpin, Chefökonom des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, zum Ausdruck brachte: “Bei der Entwicklungsfinanzierung muss es darum gehen, die eingesetzten Mittel wirkungsorientiert zu verteilen”, sagte er, “Verzerrungen bei der Kreditwürdigkeit” müssten zudem korrigiert werden.

Auch Jean-Letitia Saldanha, Direktorin des European Network on Debt and Development (Eurodad) ging auf die internationale Finanzordnung ein: “Die Verschuldung bremst die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele ungemein. Bisher werden Entscheidungen über Schuldenbestände ad hoc von gläubigerdominierten Gruppen wie dem Pariser Club getroffen. Diese ungleichen Machtverhältnisse in der globalen Finanzarchitektur müssen beendet werden, um die Verschuldungskrise zu überwinden. Wir brauchen eine neue internationale Finanzarchitektur”, sagte sie.

Die Interessen der Mehrheit im globalen Süden hat auch der internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) im Blick, wenn er darauf hinweist, dass rund ein Drittel der weltweit Beschäftigten nicht von seinen Löhnen leben kann – und dass die Fortschritte auch in diesem Bereich unzureichend sind. Lukas Franke

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“Die Zivilgesellschaft wird außen vor gelassen”

Große Bühne: Jungdelegierte Bernreiter in New York

“Ich bin schon vor zwei Tage vor dem SDG-Gipfel in New York gewesen, um an dem Action Weekend teilzunehmen. Mehr als 60 zivilgesellschaftliche Organisationen haben in dem Gebäude der Vereinten Nationen mobilisiert und diskutiert. Es gab viele Sessions, zum Beispiel sogenannte High-Impact Initiatives, die zu einzelnen Themen wie etwa der Gewalt gegen Mädchen und Frauen organisiert werden und das Ziel haben, zu neuen Lösungen zu kommen. 

Ich bin vor knapp zwei Jahren vom Bundesjugendring und dem Bundesumweltministerium als Jugenddelegierte für Nachhaltige Entwicklung ausgewählt worden und möchte auf solchen Konferenzen vermitteln, was die jungen Menschen in Deutschland bewegt und was sie sich wünschen. Über uns wird in Reden ja immer gesprochen – gerade deswegen ist es aber wichtig, sich selbst Gehör zu verschaffen.  

Das hat in New York nicht immer geklappt. Bei dem Action Weekend war es enttäuschend, dass nur sehr wenige Staats- oder Regierungschefs an den Debatten teilgenommen haben. Sie sind erst zum Start des Summits eingetroffen und haben sich nicht den Debatten gestellt. Das wäre wichtig gewesen, um eine engere Verbindung herstellen zu können – die Zivilgesellschaft ist es nämlich, die einen Großteil der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung umsetzt. Sie trägt viel mit und sollte deshalb häufiger eingebunden werden.  

Dass in getrennten Sphären gesprochen wird, war auch an anderen Tagen zu sehen. Die Zivilgesellschaft wird außen vor gelassen. Das hat einerseits natürlich mit den Sicherheitsvorkehrungen rund um die Veranstaltung zu tun, die sehr strikt sein müssen. Andererseits merkt man auch, wie eingefahren die Prozesse sind. 

Da ich Teil der deutschen Delegation war, konnte ich an der Eröffnung des SDG-Summits teilnehmen. Das war einerseits interessant, andererseits ebenfalls ernüchternd. Die Routine, mit der manche Vorträge gehaltene wurden, zeigte mir nicht, dass die Rednerinnen und Redner verstanden haben, worauf es jetzt ankommt. Klar, viele Staaten haben betont, dass wir nicht auf dem richtigen Kurs sind und 85 Prozent der Ziele verfehlen, wenn wir so weitermachen. Konkrete Zusagen gab es aber kaum. 

Vielleicht werden in den kommenden Tagen noch neue Programme und Hilfen bekannt, die im Hintergrund ausgehandelt wurden. Normalerweise ist es so, dass wir jungen Menschen immer mal wieder individuelle Treffen mit hochrangigen Mitgliedern von Regierungen vereinbaren können, um zu erklären, worauf es uns ankommt. Das war diesmal fast gar nicht möglich. Der Druck schien hoch zu sein, niemand hatte Zeit für ein Gespräch. Nur mit unserer Umweltministerin Steffi Lemke konnten wir reden. Das dann aber immerhin eine halbe Stunde lang.” Protokoll: Marc Winkelmann

  • Nachhaltigkeit
  • SDG Summit
  • Zivilgesellschaft

Der weitere Fahrplan der Agenda 2030 

Der SDG-Pavillon vor dem UN-Gebäude in New York

Herbsttagung von IWF und Weltbank
Vom 9. bis 15. Oktober findet in Marrakesch die Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und zugleich die Jahrestagung der Weltbank statt. Dies hatten beiden Organisationen am Montag bestätigt. Das Treffen ist nicht nur überschattet von dem Erdbeben, das Marokko kürzlich erschütterte und Tausende Menschen tötete oder verletzte. Auch die Aussichten der Weltwirtschaft sind alles andere als gut. Nach wie vor trüben die Folgen der Corona-Pandemie, der Angriff Russlands auf die Ukraine und Naturkatastrophen infolge des Klimawandels die ökonomischen Perspektiven ein. Bei dem Treffen in Marrakesch kommen Finanzministerinnen und Finanzminister, Vertreter der Finanzwirtschaft und der Entwicklungszusammenarbeit sowie Zentralbanker zusammen. Ein Thema: die vielfach geforderten Reformen der globalen Finanzarchitektur.

Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 
Am 19. Oktober geht’s mit einer Auftaktveranstaltung in Berlin los, dann startet die Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die sich die Bundesregierung alle vier Jahre vornimmt. Ziel ist keine komplette Neufassung, sondern ein “Upgrade”. Dazu sollen weitere Konferenzen, Werkstätten und Stakeholder-Gespräche angeboten werden. Einen Beitrag leisten auch ressortübergreifende Transformationsteams, die zu sieben Themen mit großem Handlungsbedarf tätig sind: menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten sowie soziale Gerechtigkeit; Energiewende und Klimaschutz; Kreislaufwirtschaft; nachhaltiges Bauen und Verkehrswende; nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme; schadstofffreie Umwelt; internationale Verantwortung und Zusammenarbeit. Im Frühjahr 2024 soll ein öffentlich kommentierbarer Entwurf der neuen Nachhaltigkeitsstrategie präsentiert werden, mit der finalen Fassung ist planmäßig im Herbst 2024 zu rechnen. 

International Conference on Small Island Developing States 
Inselstaaten, insbesondere kleine, gehörten zu den ersten Nationen, die die Folgen der nicht-nachhaltigen Welt und des Klimawandels zu spüren bekamen. Ihre abgelegene geografische Lage, ihre kleinen Volkswirtschaften, ihr Leben am und mit den Meeren – das und mehr führt dazu, dass ihre Bewohner schneller in ihrer Existenz bedroht sind als Menschen in Mitteleuropa. Um sie zu unterstützen, wurde die International Conference on Small Island Developing States (SIDS) ins Leben gerufen. Im Mai 2024 findet sie zum vierten Mal statt, dieses Mal in Antigua und Barbuda. An der Höhe der Hilfen, die die reichen Nationen bereit sind zu geben, lässt sich auch deren gegenwärtiger moralischer Kompass ablesen. Relevante Handelspartner sind die kleinen Nationen für die westliche Welt nur selten – einen wirtschaftlichen Eigennutz können sie aus der Zusammenarbeit kaum ziehen. 

Hamburg Sustainability Conference 
Die SDG lassen sich nur durch multilaterale Politik erreichen, sagt Svenja Schulze. Deshalb organisiert ihr Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit im Juni 2024 die zweitätige Hamburg Sustainability Conference (HSC), auf der sich Regierungsführerer des globalen Norden und des Südens austauschen sollen. Eingeladen werden auch Vertreter von Privatwirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und internationale Organisationen, sie sollen “vertrauensvoll, partnerschaftlich und kreativ miteinander reden”. Das erklärte Ziel: die Erarbeitung von Ideen und Lösungen, die auf dem Summit of the Future drei Monate später präsentiert werden. 

High Level Political Forum 
Im Juli 2024 findet die nächste jährliche Session des “High-Level Political Forum on Sustainable Development” (HLPF) unter der Schirmherrschaft des UN Economic and Social Council (ECOSOC) statt. Das HLPF ist seit 2012 die zentrale Plattform der UN für den Austausch und die Überwachung des Fortschritts der Agenda 2030. Das Motto des Treffens wird dann lauten: “Stärkung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und Beseitigung der Armut in Zeiten mehrerer Krisen: Die wirksame Bereitstellung nachhaltiger, belastbarer und innovativer Lösungen”. Ein Schwerpunkt liegt auf SDG-Ziel 1 (Keine Armut), SDG 2 (Kein Hunger), SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz), SDG 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen) sowie SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) gelegt; die Umsetzung der jeweiligen Unterziele soll detailliert analysiert werden.  

Summit of the Future 
Im September 2024 findet ein von UN-Generalsekretär António Guterres vorgeschlagener “Zukunftsgipfel” statt. Er ist Teil seiner bereits vor zwei Jahren angestoßenen Reformagenda “Our Common Agenda” und soll, so die Hoffnung vieler, als “Zwillingsgipfel des zweiten SDG-Gipfels” (Guterres) der Umsetzung neue Impulse geben. Mit den Vorbereitungen des “Summit of the Future” sind beauftragt Neville Melvin Gertze, der Ständige Vertreter Namibias, und Antje Leendertse, die Ständige Vertreterin Deutschlands bei den Vereinten Nationen. Als Themen wurden festgelegt: Nachhaltige Entwicklung und deren Finanzierung; globaler Frieden und Sicherheit; Wissenschaft, Technologien, Innovationen und digitale Kooperationen; die Rechte künftiger Generationen; und die Transformation der globalen Governance. Details werden auf einer noch während der UN-Woche stattfindenden Ministerkonferenz festgelegt. Am Ende des Gipfels soll ein “Zukunftspakt” stehen. 

Financing for Development 
Weil die Länder des Globalen Südens durch die Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die Inflation finanziell noch stärker unter Druck geraten sind und für die weitere Umsetzung der SDG vielfach die Mittel fehlen, soll 2025 eine neue Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung organisiert werden. Es wäre nach 2002 (in Monterrey), 2008 (Doha) und 2015 (Addis Abeba) die vierte. Die Reihe gilt als “der bedeutendste multilaterale Politikprozess, in dem internationale Finanzpolitik im Kontext von Entwicklung behandelt wird”; das jährliche “Financing for Development Forum” hat bislang wenig bewirken können. Dort will man die Fortschritte bewerten, die durch den zuvor beschlossenen “Monterrey Consenus”, die “Doha Declaration” und die “Addis Ababa Action Agenda” gemacht wurden und ableiten, wie sich die offenen Probleme bewältigen lassen. Entscheidend wird sein, wie so häufig, zu welchem Beitrag vor allem die westlichen Industrienationen bereit sind. Angestrebt war, dass die neue “Financing for Development”-Konferenz, kurz: FfD4, früher stattfindet. Corona und fehlende Einigkeit bei Vorab-Verhandlungen machten das unmöglich. Marc Winkelmann/Lukas Franke

  • Agenda 2030
  • Hamburg Sustainability Conference
  • SDG
  • SDG Summit

Presseschau

Nachhaltigkeitsziele 2030: “Halbzeitbilanz ist niederschmetternd” – nd 
Martin Ling befragt Jens Martens, Geschäftsführer des Global Policy Forums Europe, zur Umsetzung der UN-Agenda. Zum Artikel 

UN-Gipfel: Ja zu Entwicklungszielen – doch wenig Fortschritt – FAZ 
Trotz schleppender Fortschritte im Kampf gegen Armut und Hunger halten die Vereinten Nationen an ihren ehrgeizigen Vorsätzen für eine bessere Lebensqualität weltweit fest. Zum Artikel 

Globale Nachhaltigkeit: Politik statt Visionen – Frankfurter Rundschau 
Deutschland sollte Vorreiter sein bei den Nachhaltigkeitszielen der UN. Sämtliche Außenhandelsprojekte und Handelsvereinbarungen müssten einen Check durchlaufen, findet Tobias Schwab. Zum Artikel 

Erklärung zum SDG-Gipfel: UN-Mitglieder fordern mehr Tempo – taz 
Die Vereinten Nationen wollen die Nachhaltigkeitsziele durch eine Reform der internationaler Finanzen pushen, schreibt Leila van Rinsum. Protestierende fordern verbindliche Ziele. Zum Artikel 

Western leaders defend slow progress to end global inequality as UN summit starts – The Guardian 
Patrick Wintour berichtet aus New York, dass die Staats- und Regierungschefs betonen, der Krieg in der Ukraine habe sie nicht vom Ziel einer nachhaltigen Entwicklung abgelenkt. Zum Artikel 

UN-Gipfel zu Nachhaltigkeit: Bei vielen Zielen kaum Fortschritte – ZDF 
Naturschutzforscher Josef Settele zieht im ZDF eine kritische Bilanz zu den Zielen, die bis 2030 erreicht werden sollen. Zum Beitrag

 Nachhaltigkeitsziele: “Frust bringt uns auch nicht weiter” – Süddeutsche Zeitung 
Große Ziele hatten sich die Staaten im Kampf gegen Armut und Hunger, für Klima und Umwelt gesteckt. Jetzt ist Halbzeit. Die Bilanz, sagt Entwicklungsministerin Svenja Schulze gegenüber Michael Bauchmüller und Angelika Slavik, ist beunruhigend. Zum Artikel 

Halbzeit der UN Agenda 2030: “Geld allein würde nicht helfen – taz 
Um die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen, braucht es strukturelle Veränderungen, sagt Imme Scholz. Sie ist Ko-Autorin des Statusberichts. Das Interview führte Leila van Rinsum. Zum Artikel 

Die Grundlage der künftigen Bemühungen aller Staaten ist die gemeinsame Erklärung, die auf dem SDG-Summit verabschiedet wurde. Der Text der Resolution findet sich hier. Weitere Informationen gibt es auch auf der Website des SDG Summit 2023.

In den Tagen vor dem Gipfel tagte, ebenfalls in New York, die Global People’s Assembly 2023. Sie diente als Forum für Klima-, Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsorganisationen, um Fortschritte und Probleme des Agenda-Prozesses aus Sicht der Zivilgesellschaft zu diskutieren. Das Motto: “Leave no one behind.”

Am Ende der Veranstaltung wurde eine Deklaration verabschiedet, die an den offiziellen SDG-Gipfel weitergeleitet und in verschiedenen Formaten mit den Teilnehmern diskutiert wurde. Die Deklaration findet sich hier. Weitere Informationen gibt es auch auf der Website der Global People’s Assembly 2023.

  • SDG Summit

ESG.Table Redaktion

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Aufholjagd, zweite Halbzeit, Rückenwind – es mangelte in den vergangenen Tagen bei Vorträgen und Ankündigungen nicht an Sportmetaphern. Noch bevor der erste Redner sein Mikrofon anschaltete beim SDG-Summit, prangte auf den Videoleinwänden der Satz: “Every Match is won in the Second Half.

    Nun wissen beispielsweise Fußballfans, dass man ein Spiel sehr wohl in der ersten Halbzeit verlieren kann, indem man sich nämlich fünf Tore fängt und selbst keins schießt. Und, um im Bild zu bleiben: Die Vereinten Nationen scheinen momentan bei der Umsetzung der SDG genau so weit zurückzuliegen. In der Offensive passierte nicht viel, fast sämtliche Versuche, die Welt auf einen nachhaltigen Kurs zu bekommen, verpufften. Die Aussicht auf Besserung: denkbar schlecht.

    Wäre es deshalb nicht sinnvoll, einen Plan B zu entwickeln, anstatt an dem bisherigen Plan A festzuhalten, wie es die Vereinten Nationen jetzt beschlossen haben? Nicht unbedingt. Warum, das erläutere ich in unserer zusammenfassenden Analyse zu den letzten Tagen.

    Außerdem geben wir Ihnen in dieser Sonderausgabe einen Ausblick auf die kommenden Konferenzen, die wichtig werden. Wir haben die UN-Jungdelegierte Franka Bernreiter gebeten, ihre Eindrücke aus New York zu schildern. Und wir dokumentieren Stimmen aus Ländern des Globalen Südens, die noch früher und stärker als wir Mitteleuropäer von den Folgen von Armut, Hunger, Vermüllung und Klimawandel betroffen waren.

    Ihr
    Marc Winkelmann
    Bild von Marc  Winkelmann

    Analyse

    SDG-Summit: Es gibt keinen Plan B

    “Leader’s Dialogue”: In Drei-Minuten-Vorträgen waren die Staats- und Regierungschefs aufgefordert, Stellung zu beziehen.

    Acht Jahre ist es her, dass die Vereinten Nationen die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen beschlossen haben. Gedacht waren sie als eine Art Rettungsplan für die Weltgemeinschaft, damit alle Menschen auf eine nachhaltige, lebenswerte Zukunft blicken können. Inzwischen wird händeringend nach einem Weg gesucht, um den Rettungsplan zu retten. Zu schleppend geht die Umsetzung voran. Wenn es bei diesem Tempo bleibt, kann nur ein kleiner Teil der 169 Unterziele erfüllt werden. 

    Bei der Eröffnung des SDG-Summits am Montag erinnerte Dennis Francis, der Präsident der Vollversammlung, nochmal an diese Fakten und griff sich zwei heraus. 2022, sagte er, lebten trotz gegenteiliger Versprechen und Bemühungen 1,2 Milliarden Menschen in Armut. Und bis 2030 werden es schätzungsweise immer noch 680 Millionen sein, also acht Prozent der Weltbevölkerung. Wenn nicht schleunigst gegengesteuert wird.

    Dass das passieren soll, ist weiterhin Konsens unter den UN-Mitgliedern. Sie nahmen die Abschlusserklärung, die in den Monaten zuvor ausgehandelt worden war, ohne neue Anmerkungen an. Anschließend ging es in die “Leader’s Dialogues”, ein Format, bei dem Staats- und Regierungschefs, Minister und andere hochrangige Vertreter jeweils drei Minuten Zeit hatten, um ihre nationalen Pläne zu konkretisieren oder neue anzukündigen. Die Runden fanden zu sechs Themen statt. Es ging unter anderem um die Skalierung von Schlüsselmaßnahmen; die Anwendung von Forschung, Technologien, Innovationen und Daten; die Stärkung integrierter Prozesse und öffentlicher Institutionen; und die Mobilisierung neuer finanzieller Mittel und Investments.

    Die meisten Rednerinnen und Redner nutzen die knappe Zeit, um auf ihre jeweiligen Schwerpunkte hinzuweisen und grundsätzliche Erklärungen über die Bedeutung einzelner Ziele für die nachhaltige Entwicklung abzugeben. Konkret wurde es selten. Österreichs Präsident Alexander van der Bellen kündigte an, dem Welternährungsprogramm 60 Millionen US-Dollar zur Verfügung zu stellen; außerdem erklärte er, dass 5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts, die aktuell durch Korruption verloren gingen, ausreichen würden, um die SDG zu finanzieren. Spanien erklärte, ein neues Gesetz zu erlassen, um künftig 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Bundeskanzler Olaf Scholz trug vor, der Weltbank mehr als 300 Millionen Euro “hybrides Kapital” zur Verfügung zu stellen und eine Reform der globalen Finanzarchitektur vorantreiben zu wollen. 

    Zum Schluss fasste UN-Generalsekretär António Guterres die Veranstaltung, die sich auch auf den zweiten Konferenztag erstreckte, in sieben Punkten zusammen. Diese Liste der Entwicklungsarbeit sei keine Hausaufgabe, so Guterres, sondern “hope work”, ein Werk, das Hoffnung spenden würde. Er rief die Staat- und Regierungschefs auf

    • pro Jahr mindestens 500 Milliarden US-Dollar für nachhaltige Entwicklung bereit zu stellen; 
    • in den freiwilligen Länderreports (“Voluntary Local Review”), die bei den jährlichen Treffen vorgelegt werden, darüber zu berichten, welche Zusagen auf den Summits erreicht worden sind;
    • die Unterstützung für die Ernährungssicherheit, Energie, Digitalisierung, Bildung, soziale Absicherung, existenzsichernde Jobs und Biodiversität auszubauen; 
    • ein Beschleunigungsprogramm für Jobs und soziale Sicherungssysteme zu initiieren; 
    • das 0,7-Prozent-Ziel der Entwicklungshilfe zu erfüllen; 
    • das kommende IWF-Treffen für Finanzreformen zu nutzen, um etwa Schuldenerlasse zu beschließen und die Sonderziehungsrechte für Staaten des Globalen Südens zu erleichtern;
    • auf der nächsten UN-Klimakonferenz konkrete Pläne zu präsentieren, um die Energiewende und die sozial ausgewogene Transformation (“just transition”) in den Ländern des Globalen Südens zu sichern.

    Für Marianne Beisheim, Wissenschaftlerin der Forschungsgruppe Globale Fragen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), überwiegt nach dem Gipfeltreffen trotz der weitgehenden Unverbindlichkeiten ein positiver Eindruck. “Das erklärte Ziel des Summits war, die politische Aufmerksamkeit für die SDG wieder zu erhöhen, auch durch deren mediale Sichtbarkeit – und das ist gut gelungen”, sagt sie.

    Zum einen, weil die Mobilisierung bei dem vorgeschalteten Action Weekend geklappt habe; viele zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen brachten sich über eigene Veranstaltungen und Debatten ein. Zum anderen, weil während des Gipfels sehr viele Staats- und Regierungschefs sprachen. Sie waren, so Beisheim, gezwungen, sich mit den Themen der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, mussten vorab eigene Pläne überlegen und bekamen vor Ort mit, was die jeweiligen nationalen Prioritäten der anderen Teilnehmer sind. “Dieser Mobilisierungs- und Sozialisierungseffekt ist wichtig für ein ambitioniertes Handeln in der kommenden zweiten Hälfte des Umsetzungszeitraums bis 2030.”

    Daraus kann auch ein neues Momentum entstehen. Eines der dominierenden Themen im UN-Plenum und bei den “Leader’s Dialogues” war die Notwendigkeit für eine veränderte Finanzierung der SDG. Durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und die folgende Inflation sind Länder des Globalen Südens finanziell noch stärker unter Druck geraten, die Industrienationen müssen auch sparen. Weil sich die SDG ohne neues Geld aber nicht umsetzen lassen, werden die Rufe nach Reformen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds lauter. Marianne Beisheim: “Die Geberländer haben erkannt, dass sie jetzt Reform-Signale senden müssen und zeigen, dass sie bereit sind, sich zu bewegen. Sonst laufen sie Gefahr, dass sie wichtige Unterstützung im Wettbewerb um die Ausgestaltung der Zukunft des Multilateralismus zu verlieren drohen.”  

    Dass diese Reformen allerdings in die Hände der UN gelegt werden, wie die G77 forderte, die Gruppe der Entwicklungsländer innerhalb der UN, das wird wahrscheinlich nicht passieren. Entsprechende Beschlüsse könnten jedoch in den Entscheidungsgremien der angesprochenen Institutionen gefasst werden, also etwa der Weltbank

    Für Gerd Müller, Generalsekretär der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO), zählt das zu den entscheidenden Hebeln. Drei Punkte stünden an: “Wir brauchen ein gerechteres globales Finanzsystem – dieses Thema müssen wir auf den Jahrestagungen von Weltbank und IWF sowie auf der COP28 fortsetzen. Wir brauchen Investitionen der Wirtschaft in Lösungen für mehr globale Solidarität. Und die Entwicklungsländer brauchen mehr Mitsprache.”

    Die Mittel seien vorhanden, so der ehemalige deutsche Entwicklungshilfeminister. “Rund zwei Billionen US-Dollar fließen weltweit in Verteidigung und Militär, nur 200 Milliarden in Entwicklung. Es ist falsch, alle Aufmerksamkeit auf das 2-Prozent-Ziel für Verteidigung zu richten. Das 0,7-Prozent-Ziel für Entwicklung hat den gleichen Stellenwert”, so Müller gegenüber Table.Media. “Der SDG-Summit war wichtig. Aber die größte Arbeit liegt noch vor uns.”

    Für Staatsministerin Sarah Ryglewski, im Kanzleramt zuständig für die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, war der Gipfel “ein Erfolg”. Die Bundesregierung habe deutlich gemacht, dass ihr die Erreichung der SDG ein “besonderes Anliegen” sei. Jetzt gehe es darum, die Gipfelerklärung umzusetzen. “Dabei werden wir uns insbesondere auch für eine Reform der internationalen Finanzstruktur einsetzen.”

    Für Heidemarie Wieczorek-Zeul, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung, hat der SDG-Gipfel vor allem eins gezeigt: “Es besteht Einigkeit in der Notwendigkeit, die Agenda 2030 zu erreichen und hierfür auch die notwendigen Reformen in der internationalen Finanzarchitektur anzustoßen.” Von der Bundesregierung fordert sie einen “Aktionsplan zur SDG-Umsetzung” und die dafür notwendigen Finanzmittel.

    Über einen Plan B, eine Alternative zu den SDG, wurde in den Leadership-Runden trotz der erschütternden Zwischenbilanz nicht gesprochen. Plan A sollte bestätigt werden – und wurde bestätigt. Neuigkeiten wurden so kaum produziert. Andererseits: Weltweit finden laufend Wahlen statt, die immer neue Politikerinnen und Politiker hervor- und zu den Vereinten Nationen nach New York bringen. Kaum ein Teilnehmer aus diesem Jahr war schon 2015 bei der Verabschiedung der SDG dabei. Für die Gastgeber des Gipfels ist es deshalb notwendig, sich regelmäßig über den gemeinsamen Kurs zu verständigen.

    Konkreter ausgestaltet werden soll er jetzt nach dem Treffen, bei den folgenden Konferenzen (siehe unten). “Es gibt eine Debatte um die Frage, ob diese vielen Gipfel sinnvoll oder eher schädlich sind und Kapazitäten binden”, sagt SWP-Forscherin Marianne Beisheim. “Ich denke, sie sind eher hilfreich.” Nicht nur wegen der Sichtbarkeit für die relevanten Themen, sondern auch, weil sie nationale Delegationen mit ihren Positionen und Beiträgen nach New York bringen würden. “Das kann helfen, festgefahrene Grabenkämpfe zwischen Vertretern der UN-Verhandlungsgruppen zu überwinden. Gleichzeitig erinnert man neu-gewählte Regierungen an eingegangene Verpflichtungen.” 

    Der Rettungsplan für die Sustainable Development Goals – er ist, so scheint es, in diesen zwei Tagen zumindest nicht unwahrscheinlicher geworden.

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    Globaler Süden: “Ungleichheit ist die Wurzel unserer Probleme”

    Aktivisten in New York: Die Klimakrise hat in vielen Ländern des Globalen Südens verheerende Auswirkungen.

    Der SDG-Summit 2023 in New York war nicht nur von ernüchternden Ergebnissen hinsichtlich der Umsetzung der 17 Ziele für die nachhaltige Entwicklung geprägt. Auf der globalen politischen Bühne ist darüber hinaus stets der mehr oder weniger latente Konflikt zwischen den entwickelten Industrieländern und dem sogenannten Globalen Süden präsent. Das war bereits in der jüngeren Vergangenheit bei den Weltklimakonferenzen der UNO deutlich geworden, bei denen etwa die in der Gruppe der 77 zusammengeschlossenen Staaten eine signifikante Erhöhung westlicher Kompensationen für die desaströsen Klimafolgeschäden gefordert hatten.

    Beim SDG-Gipfel beschrieben hochrangige Vertreter die Lage in deutlichen Worten. Die stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina J. Mohammed etwa schlug nicht nur mit Blick auf die Situation in vielen afrikanischen Ländern Alarm: “Wir stehen vor nie dagewesenen Herausforderungen, die Agenda 2030 ist an einem kritischen Wendepunkt, das Erreichte ist in Gefahr. Der Hunger in der Welt ist so groß wie seit 2015 nicht mehr, die finanzielle Apokalypse, mit der viele Länder konfrontiert sind, hemmt dringend notwendige Investitionen in die SDGs. Afrika ist mit gewalttätigen Konflikten, Staatsstreichen, Korruption und steigenden Kosten auf allen Ebenen konfrontiert.”

    Der brasilianische Präsident Lula da Silva, ohnehin dafür bekannt, dem Westen nicht nach dem Mund zu reden, wurde noch deutlicher: “Die internationale Gemeinschaft befindet sich in vielfältigen und gleichzeitigen Krisen. Die Covid-19-Pandemie, die Klimakrise und die Nahrungsmittel- und Energieknappheit werden durch wachsende geopolitische Spannungen verstärkt. Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit haben sich ausgebreitet und werden durch neue Technologien, die uns angeblich näher zusammenbringen sollen, noch verstärkt. Sollten wir diese Herausforderungen in einem einzigen Wort zusammenfassen, dann wäre es Ungleichheit. Ungleichheit ist die Wurzel unserer Probleme und trägt zu ihrer weiteren Verschärfung bei.”

    Andere Stimmen aus dem globalen Süden formulierten konkrete Forderungen: “Investitionen in nachhaltige Energiesysteme in Regionen wie Afrika werden durch eine verfehlte Investitionspolitik blockiert. Dazu gehört die fortgesetzte Subventionierung von Energie aus fossilen Brennstoffen”, kritisiert etwa Amos Wemanya von der Organisation Power Shift Africa. Diplomatischer, aber dennoch deutlich, fiel auch die Kritik an internationalen Geldgebern in der Entwicklungszusammenarbeit aus, die etwa Raymond Gilpin, Chefökonom des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, zum Ausdruck brachte: “Bei der Entwicklungsfinanzierung muss es darum gehen, die eingesetzten Mittel wirkungsorientiert zu verteilen”, sagte er, “Verzerrungen bei der Kreditwürdigkeit” müssten zudem korrigiert werden.

    Auch Jean-Letitia Saldanha, Direktorin des European Network on Debt and Development (Eurodad) ging auf die internationale Finanzordnung ein: “Die Verschuldung bremst die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele ungemein. Bisher werden Entscheidungen über Schuldenbestände ad hoc von gläubigerdominierten Gruppen wie dem Pariser Club getroffen. Diese ungleichen Machtverhältnisse in der globalen Finanzarchitektur müssen beendet werden, um die Verschuldungskrise zu überwinden. Wir brauchen eine neue internationale Finanzarchitektur”, sagte sie.

    Die Interessen der Mehrheit im globalen Süden hat auch der internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) im Blick, wenn er darauf hinweist, dass rund ein Drittel der weltweit Beschäftigten nicht von seinen Löhnen leben kann – und dass die Fortschritte auch in diesem Bereich unzureichend sind. Lukas Franke

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    “Die Zivilgesellschaft wird außen vor gelassen”

    Große Bühne: Jungdelegierte Bernreiter in New York

    “Ich bin schon vor zwei Tage vor dem SDG-Gipfel in New York gewesen, um an dem Action Weekend teilzunehmen. Mehr als 60 zivilgesellschaftliche Organisationen haben in dem Gebäude der Vereinten Nationen mobilisiert und diskutiert. Es gab viele Sessions, zum Beispiel sogenannte High-Impact Initiatives, die zu einzelnen Themen wie etwa der Gewalt gegen Mädchen und Frauen organisiert werden und das Ziel haben, zu neuen Lösungen zu kommen. 

    Ich bin vor knapp zwei Jahren vom Bundesjugendring und dem Bundesumweltministerium als Jugenddelegierte für Nachhaltige Entwicklung ausgewählt worden und möchte auf solchen Konferenzen vermitteln, was die jungen Menschen in Deutschland bewegt und was sie sich wünschen. Über uns wird in Reden ja immer gesprochen – gerade deswegen ist es aber wichtig, sich selbst Gehör zu verschaffen.  

    Das hat in New York nicht immer geklappt. Bei dem Action Weekend war es enttäuschend, dass nur sehr wenige Staats- oder Regierungschefs an den Debatten teilgenommen haben. Sie sind erst zum Start des Summits eingetroffen und haben sich nicht den Debatten gestellt. Das wäre wichtig gewesen, um eine engere Verbindung herstellen zu können – die Zivilgesellschaft ist es nämlich, die einen Großteil der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung umsetzt. Sie trägt viel mit und sollte deshalb häufiger eingebunden werden.  

    Dass in getrennten Sphären gesprochen wird, war auch an anderen Tagen zu sehen. Die Zivilgesellschaft wird außen vor gelassen. Das hat einerseits natürlich mit den Sicherheitsvorkehrungen rund um die Veranstaltung zu tun, die sehr strikt sein müssen. Andererseits merkt man auch, wie eingefahren die Prozesse sind. 

    Da ich Teil der deutschen Delegation war, konnte ich an der Eröffnung des SDG-Summits teilnehmen. Das war einerseits interessant, andererseits ebenfalls ernüchternd. Die Routine, mit der manche Vorträge gehaltene wurden, zeigte mir nicht, dass die Rednerinnen und Redner verstanden haben, worauf es jetzt ankommt. Klar, viele Staaten haben betont, dass wir nicht auf dem richtigen Kurs sind und 85 Prozent der Ziele verfehlen, wenn wir so weitermachen. Konkrete Zusagen gab es aber kaum. 

    Vielleicht werden in den kommenden Tagen noch neue Programme und Hilfen bekannt, die im Hintergrund ausgehandelt wurden. Normalerweise ist es so, dass wir jungen Menschen immer mal wieder individuelle Treffen mit hochrangigen Mitgliedern von Regierungen vereinbaren können, um zu erklären, worauf es uns ankommt. Das war diesmal fast gar nicht möglich. Der Druck schien hoch zu sein, niemand hatte Zeit für ein Gespräch. Nur mit unserer Umweltministerin Steffi Lemke konnten wir reden. Das dann aber immerhin eine halbe Stunde lang.” Protokoll: Marc Winkelmann

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    Der weitere Fahrplan der Agenda 2030 

    Der SDG-Pavillon vor dem UN-Gebäude in New York

    Herbsttagung von IWF und Weltbank
    Vom 9. bis 15. Oktober findet in Marrakesch die Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und zugleich die Jahrestagung der Weltbank statt. Dies hatten beiden Organisationen am Montag bestätigt. Das Treffen ist nicht nur überschattet von dem Erdbeben, das Marokko kürzlich erschütterte und Tausende Menschen tötete oder verletzte. Auch die Aussichten der Weltwirtschaft sind alles andere als gut. Nach wie vor trüben die Folgen der Corona-Pandemie, der Angriff Russlands auf die Ukraine und Naturkatastrophen infolge des Klimawandels die ökonomischen Perspektiven ein. Bei dem Treffen in Marrakesch kommen Finanzministerinnen und Finanzminister, Vertreter der Finanzwirtschaft und der Entwicklungszusammenarbeit sowie Zentralbanker zusammen. Ein Thema: die vielfach geforderten Reformen der globalen Finanzarchitektur.

    Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 
    Am 19. Oktober geht’s mit einer Auftaktveranstaltung in Berlin los, dann startet die Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die sich die Bundesregierung alle vier Jahre vornimmt. Ziel ist keine komplette Neufassung, sondern ein “Upgrade”. Dazu sollen weitere Konferenzen, Werkstätten und Stakeholder-Gespräche angeboten werden. Einen Beitrag leisten auch ressortübergreifende Transformationsteams, die zu sieben Themen mit großem Handlungsbedarf tätig sind: menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten sowie soziale Gerechtigkeit; Energiewende und Klimaschutz; Kreislaufwirtschaft; nachhaltiges Bauen und Verkehrswende; nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme; schadstofffreie Umwelt; internationale Verantwortung und Zusammenarbeit. Im Frühjahr 2024 soll ein öffentlich kommentierbarer Entwurf der neuen Nachhaltigkeitsstrategie präsentiert werden, mit der finalen Fassung ist planmäßig im Herbst 2024 zu rechnen. 

    International Conference on Small Island Developing States 
    Inselstaaten, insbesondere kleine, gehörten zu den ersten Nationen, die die Folgen der nicht-nachhaltigen Welt und des Klimawandels zu spüren bekamen. Ihre abgelegene geografische Lage, ihre kleinen Volkswirtschaften, ihr Leben am und mit den Meeren – das und mehr führt dazu, dass ihre Bewohner schneller in ihrer Existenz bedroht sind als Menschen in Mitteleuropa. Um sie zu unterstützen, wurde die International Conference on Small Island Developing States (SIDS) ins Leben gerufen. Im Mai 2024 findet sie zum vierten Mal statt, dieses Mal in Antigua und Barbuda. An der Höhe der Hilfen, die die reichen Nationen bereit sind zu geben, lässt sich auch deren gegenwärtiger moralischer Kompass ablesen. Relevante Handelspartner sind die kleinen Nationen für die westliche Welt nur selten – einen wirtschaftlichen Eigennutz können sie aus der Zusammenarbeit kaum ziehen. 

    Hamburg Sustainability Conference 
    Die SDG lassen sich nur durch multilaterale Politik erreichen, sagt Svenja Schulze. Deshalb organisiert ihr Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit im Juni 2024 die zweitätige Hamburg Sustainability Conference (HSC), auf der sich Regierungsführerer des globalen Norden und des Südens austauschen sollen. Eingeladen werden auch Vertreter von Privatwirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und internationale Organisationen, sie sollen “vertrauensvoll, partnerschaftlich und kreativ miteinander reden”. Das erklärte Ziel: die Erarbeitung von Ideen und Lösungen, die auf dem Summit of the Future drei Monate später präsentiert werden. 

    High Level Political Forum 
    Im Juli 2024 findet die nächste jährliche Session des “High-Level Political Forum on Sustainable Development” (HLPF) unter der Schirmherrschaft des UN Economic and Social Council (ECOSOC) statt. Das HLPF ist seit 2012 die zentrale Plattform der UN für den Austausch und die Überwachung des Fortschritts der Agenda 2030. Das Motto des Treffens wird dann lauten: “Stärkung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und Beseitigung der Armut in Zeiten mehrerer Krisen: Die wirksame Bereitstellung nachhaltiger, belastbarer und innovativer Lösungen”. Ein Schwerpunkt liegt auf SDG-Ziel 1 (Keine Armut), SDG 2 (Kein Hunger), SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz), SDG 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen) sowie SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele) gelegt; die Umsetzung der jeweiligen Unterziele soll detailliert analysiert werden.  

    Summit of the Future 
    Im September 2024 findet ein von UN-Generalsekretär António Guterres vorgeschlagener “Zukunftsgipfel” statt. Er ist Teil seiner bereits vor zwei Jahren angestoßenen Reformagenda “Our Common Agenda” und soll, so die Hoffnung vieler, als “Zwillingsgipfel des zweiten SDG-Gipfels” (Guterres) der Umsetzung neue Impulse geben. Mit den Vorbereitungen des “Summit of the Future” sind beauftragt Neville Melvin Gertze, der Ständige Vertreter Namibias, und Antje Leendertse, die Ständige Vertreterin Deutschlands bei den Vereinten Nationen. Als Themen wurden festgelegt: Nachhaltige Entwicklung und deren Finanzierung; globaler Frieden und Sicherheit; Wissenschaft, Technologien, Innovationen und digitale Kooperationen; die Rechte künftiger Generationen; und die Transformation der globalen Governance. Details werden auf einer noch während der UN-Woche stattfindenden Ministerkonferenz festgelegt. Am Ende des Gipfels soll ein “Zukunftspakt” stehen. 

    Financing for Development 
    Weil die Länder des Globalen Südens durch die Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die Inflation finanziell noch stärker unter Druck geraten sind und für die weitere Umsetzung der SDG vielfach die Mittel fehlen, soll 2025 eine neue Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung organisiert werden. Es wäre nach 2002 (in Monterrey), 2008 (Doha) und 2015 (Addis Abeba) die vierte. Die Reihe gilt als “der bedeutendste multilaterale Politikprozess, in dem internationale Finanzpolitik im Kontext von Entwicklung behandelt wird”; das jährliche “Financing for Development Forum” hat bislang wenig bewirken können. Dort will man die Fortschritte bewerten, die durch den zuvor beschlossenen “Monterrey Consenus”, die “Doha Declaration” und die “Addis Ababa Action Agenda” gemacht wurden und ableiten, wie sich die offenen Probleme bewältigen lassen. Entscheidend wird sein, wie so häufig, zu welchem Beitrag vor allem die westlichen Industrienationen bereit sind. Angestrebt war, dass die neue “Financing for Development”-Konferenz, kurz: FfD4, früher stattfindet. Corona und fehlende Einigkeit bei Vorab-Verhandlungen machten das unmöglich. Marc Winkelmann/Lukas Franke

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    Presseschau

    Nachhaltigkeitsziele 2030: “Halbzeitbilanz ist niederschmetternd” – nd 
    Martin Ling befragt Jens Martens, Geschäftsführer des Global Policy Forums Europe, zur Umsetzung der UN-Agenda. Zum Artikel 

    UN-Gipfel: Ja zu Entwicklungszielen – doch wenig Fortschritt – FAZ 
    Trotz schleppender Fortschritte im Kampf gegen Armut und Hunger halten die Vereinten Nationen an ihren ehrgeizigen Vorsätzen für eine bessere Lebensqualität weltweit fest. Zum Artikel 

    Globale Nachhaltigkeit: Politik statt Visionen – Frankfurter Rundschau 
    Deutschland sollte Vorreiter sein bei den Nachhaltigkeitszielen der UN. Sämtliche Außenhandelsprojekte und Handelsvereinbarungen müssten einen Check durchlaufen, findet Tobias Schwab. Zum Artikel 

    Erklärung zum SDG-Gipfel: UN-Mitglieder fordern mehr Tempo – taz 
    Die Vereinten Nationen wollen die Nachhaltigkeitsziele durch eine Reform der internationaler Finanzen pushen, schreibt Leila van Rinsum. Protestierende fordern verbindliche Ziele. Zum Artikel 

    Western leaders defend slow progress to end global inequality as UN summit starts – The Guardian 
    Patrick Wintour berichtet aus New York, dass die Staats- und Regierungschefs betonen, der Krieg in der Ukraine habe sie nicht vom Ziel einer nachhaltigen Entwicklung abgelenkt. Zum Artikel 

    UN-Gipfel zu Nachhaltigkeit: Bei vielen Zielen kaum Fortschritte – ZDF 
    Naturschutzforscher Josef Settele zieht im ZDF eine kritische Bilanz zu den Zielen, die bis 2030 erreicht werden sollen. Zum Beitrag

     Nachhaltigkeitsziele: “Frust bringt uns auch nicht weiter” – Süddeutsche Zeitung 
    Große Ziele hatten sich die Staaten im Kampf gegen Armut und Hunger, für Klima und Umwelt gesteckt. Jetzt ist Halbzeit. Die Bilanz, sagt Entwicklungsministerin Svenja Schulze gegenüber Michael Bauchmüller und Angelika Slavik, ist beunruhigend. Zum Artikel 

    Halbzeit der UN Agenda 2030: “Geld allein würde nicht helfen – taz 
    Um die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen, braucht es strukturelle Veränderungen, sagt Imme Scholz. Sie ist Ko-Autorin des Statusberichts. Das Interview führte Leila van Rinsum. Zum Artikel 

    Die Grundlage der künftigen Bemühungen aller Staaten ist die gemeinsame Erklärung, die auf dem SDG-Summit verabschiedet wurde. Der Text der Resolution findet sich hier. Weitere Informationen gibt es auch auf der Website des SDG Summit 2023.

    In den Tagen vor dem Gipfel tagte, ebenfalls in New York, die Global People’s Assembly 2023. Sie diente als Forum für Klima-, Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsorganisationen, um Fortschritte und Probleme des Agenda-Prozesses aus Sicht der Zivilgesellschaft zu diskutieren. Das Motto: “Leave no one behind.”

    Am Ende der Veranstaltung wurde eine Deklaration verabschiedet, die an den offiziellen SDG-Gipfel weitergeleitet und in verschiedenen Formaten mit den Teilnehmern diskutiert wurde. Die Deklaration findet sich hier. Weitere Informationen gibt es auch auf der Website der Global People’s Assembly 2023.

    • SDG Summit

    ESG.Table Redaktion

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